Wie wogt im Dom zu Brügge um Säulen und Altar
Von vielen tausend Kerzen ein Lichtstrom wunderbar!
Wie sind der Priester Schaaren in hoher Pracht geschmückt,
Wie glänzt der Zug so herrlich, der gegen die Kirche rückt!
Vorn flattert hochgewaltig des Doppelpanieres Glanz,
Da prangt bei Oestreichs Purpur Burgunds Goldlilienkranz;
Wohl stark ist solcher Völker und solcher Länder Band,
Doch fester noch und stärker der Kranz, den Liebe wand!
Herold' aus siebzig Ländern mit Bannern ihres Lands,
Von Rittern, blank gerüstet, ein herrlich blüh'nder Kranz,
Die ritten ernst und schweigend, von Gottes Hauch umlauscht;
Die Rosse nur scharr'n und schnauben, nur Waff' und Rüstung rauscht
Auf Helmen und auf Bannern wankt lustig grünes Reis,
Viel hundert Rosse steigen, wie Quellenschaum so weiß,
Viel hundert Panzer glänzen, wie Schnee im Vollmondschein,
Und Harfenpsalme säuseln wie Wellengeriesel darein:
[197]
Käm' eine Möve gezogen darüber im luft'gen Dome,
Schnell wär sie herabgeflogen zu baden im Silberstrome;
Der Sprosser, dessen Klaglied von jenem Balkone schallt,
Der meint, da unten blühe ein junger Lorbeerwald.
Seht dort in dreien Wagen Schalksnarrn vorüberlenken,
Die sitzen still und sittsam, wie Mönch' in Zellenschränken,
Selbst Kunzen, ihrem Meister, will nun kein Schwank gedeihn;
Dem Narren ist's ein Festtag, braucht er nicht Narr zu sein.
Drauf Meister edlen Waidwerks und lust'ger Mummerei'n, –
Du ludest selbst zum Feste Bewohner des Kerkers ein;
Den Lichthauch Gottes zu schauen, zu saugen, edler Fürst,
Eröffnest du ihr Grabthor, und ihre Fessel birst!
Wie glühn des Brautpaars Kronen von funkelndem Edelgestein,
Wie leuchtet noch viel heller der Augen lichter Schein!
Wie sind so still die Lippen, doch sprechend so schön und laut!
Nichts weiß von ihrem Schmucke, wer in ihr Antlitz schaut. –
Da sprach ein greiser Bischof den Segen im Gotteshaus,
Drauf tauschten Braut und Bräut'gam die goldnen Ringlein aus;
Da barst der Ringe einer – das deutet Gutes nicht! –
Und einem der Ministranten erlosch der Kerze Licht.
Des Nachts, als Gott den Himmel mit vielen Lichtern erhellt,
Da wurden fast zu Brügge mehr Lichter aufgestellt,
Und les't ihr schwer, was Jener schrieb in die Sternentrift,
Las sich so leicht am Rathhaus die transparente Schrift:
»Wenn Andre kriegen, freie glückselig Oesterreich!
Dir gibt, wie Mars den Andern, Frau Venus Thron und Reich.«2
Mariens und Maxens Namen darunter in farb'gem Licht;
Was Beide davon sahen, erzählt die Sage nicht.
1 Bei Beschreibung des Vermählungszuges schwebte dem Verfasser hauptsächlich die unter dem Namen des Triumphzuges Kaiser Maximilians bekannte und wahrscheinlich auf dessen Wunsch von Hanns Burgmayr, einem Schüler Albrecht Dürers, verfertigte Reihe von Holzschnitten vor Augen.
2 Bella gerant alii, tu felix Austriae nube,
Nam quae Mars aliis, dat tibi regna Venus!
Ausgewählte Ausgaben von
Der letzte Ritter
|
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro