Scherzhafte Gedancken über die Rosen

[117] An Rosen such ich mein Vergnügen,

An Rosen, die die Herzen ziehn,

An Rosen, die den Frost besiegen

Und hier das ganze Jahr durch blühn,

An Rosen, die wir bey den Linden,

Sonst nirgends leicht so reizend finden.


Man lobt die bräunlichen Violen,

Sie sind auch ihres Lobes werth;

Doch weil sie nur die Kinder holen,

So bin ich nicht vor sie erklärt

Und wehle mir die holden Strahlen,

Womit die vollen Rosen prahlen.


Erhebt mir nicht die Kaysercronen,

Die sonder Kraft und Balsam sind;

Entfernt euch mit den Anemonen,

Ihr Nahm und Ruhm ist nichts als Wind;

Narcissen sind im besten Lande

Ein Abriß von dem Unbestande.


Die Rose trägt das Blut der Götter

Und ist der Blumen Königin,

Ihr Antliz sticht das schönste Wetter

Und selbst Aurorens Wangen hin,

Sie ist ein Stern der milden Erden

Und kan von nichts verfinstert werden.


Die Ros erquickt die blöden Sinnen

Und hat das beste Zuckerrohr;

Ihr göldner Umfang bricht von innen

So wie die Sonn aus Nacht hervor;

Die Rose nährt die süßen Triebe

Und reizt die Liebe selbst zur Liebe.
[118]

Mit Rosen schmück ich Haupt und Haare,

Die Rosen tauch ich in den Wein,

Die Rose soll vor meine Jahre

Die allerbeste Stärckung seyn,

Die Rose zieret meine Flöthen

Und crönt mich mächtigen Poeten.


Auf Rosen mach ich gute Reime,

Auf Rosen schläfet meine Brust,

Auf Rosen hab ich sanfte Träume

Von still- und warm- und weicher Lust,

Und wenn ich einst von hinnen fahre,

So wüntsch ich Rosen auf die Baare.


O dörft ich nur bey einer Rose

Wie Bienen Honig naschen gehn!

Ich ließe warlich unserm Bose

Den schön- und theuren Garthen stehn

Und wollt es mir bald angewöhnen,

Mich nie nach fremder Kost zu sehnen.


Mit dieser Rose will ich scherzen,

Und hier erschröckt mich nicht der Dorn;

Denn bey verliebt- und schönen Herzen

Ergözt uns oft ein kleiner Zorn,

Und so viel Anmuth abzubrechen,

Verachtet man ein kurzes Stechen.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 117-119.
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