Auf den Nahmen M.M.F.G.R. die unschuldige Einsamkeit

[179] Mit der Welt und ihren Kindern

Mach ich mich nicht gern gemein,

Weil sie mir die Ruh verhindern

Und oft Schmach vor Danck verleihn.

Will man mich darum verdencken,

Wird es mich so sehr nicht kräncken.

In der stillen Einsamkeit

Hör ich weder Hohn noch Neid.


Mit mir selbst und meinem Gotte

Bring ich süße Stunden zu,

Wo ich mit vergälltem Spotte

Keinem Menschen Unrecht thu.

In Gesellschaft lernt man Sünden

Und den Weg zur Hölle finden,

Bey Exempeln böser Art

Wird die Unschuld schwer bewahrt.


Führen mich die besten Schwestern

Je zuweilen in ihr Haus,

Hör ich Lachen oder Lästern,

Beides geht auf Thorheit aus.

Zwo verschneiden stets die Dritte,

Mienen, Worte, Kleid und Schritte,

Klein und Groß und Alt und Jung

Müßen durch die Musterung.


Glaubt man nicht geschminckten Lügen,

Heist es Einfalt oder Stolz;

Kan man nicht galant betriegen,

Nennt man uns ein grobes Holz.

Sucht man ein vertraulich Herze,

So erfährt man sich zum Schmerze,

Daß der Kuß Verrätherey

Und die Freundschaft Arglist sey.
[180]

Reizt mich nicht aus meinem Zimmer

Durch die Lust der Eitelkeit;

Denn hier bleib ich jezt und immer

Mit der Selbstzufriedenheit.

Hier bespricht sich mein Gemüthe

Mit des Himmels Vatergüte,

Die mich leicht das Fastnachtsfest

Dieser Welt verlachen läst.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 179-181.
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