Über die Worte: als die Traurigen aber allzeit fröhlich

[235] Crönt der Ausgang die Gedult,

Bricht die Hofnung endlich Rosen,

So gedenck ich stets der Huld

Meines Gottes liebzukosen,

Ob sein Trost gleich oft verzieht

Und das Glücke langsam blüht.


Christen sind darzu versehn,

Daß sie sich im Warthen üben

Und auch unter Creuz und Flehn

Die getreue Prüfung lieben,

Die nach mancher finstern Nacht

Ihren Morgen heller macht.


Geht man doch nach Canaan

Erst durch Umschweif zum Vergnügen;

Wer mit Großmuth streiten kan,

Wird mit größrer Ehre siegen,

Und zum Tempel süßer Ruh

Geht man stets geradezu.


Vor dem Winter blüht kein May,

Ohne Kummer keine Freude;

Die Gelaßenheit macht frey

Und erquickt uns nach dem Leide,

Wie der Regen und der West

Dürre Saaten wachsen läst.


Seele schweig und murre nicht

Wie die Völcker in der Wüsten,

Die vor Moses Angesicht

Endlich ihren Frevel büßten;

Denn durch solchen Unverstand

Kommt man ums gelobte Land.
[236]

Traurig vor der tummen Welt

Und doch fröhlich im Gemüthe!

Wer den Glauben fest behält,

Merckt im Schlagen Gottes Güte

Und ergözt sich fort und fort

Durch des Höchsten wahres Wort.


Unser Leben bringt's so mit:

Abends Gram und morgens Lachen;

Der, so gestern schmerzlich lidt,

Kan sich heute lustig machen.

Wird nicht jeder Wuntsch erfüllt,

Gnug, wenn nur der beste gilt.


Daß der beste gelten muß,

Kan Vernunft und Schrift beweisen;

Darum will ich stets den Schluß

Meines höchsten Vaters preisen,

Der bey allem, was er schickt,

Auf der Kinder Wohlseyn blickt.


Niemand lebt wohl ohne Feind,

Keiner kan der Misgunst weichen;

Wer uns noch so redlich scheint,

Kan uns oft mit List beschleichen,

Und des Undancks Spott und Hohn

Giebt vor Wohlthat schlimmen Lohn.


Immerhin, ich leid es gern

Und bin in mir selbst zufrieden;

Untreu schlägt den eignen Herrn.

Was mir Glück und Gott beschieden,

Kommt mir dennoch nie zu spät,

Ob sich's noch so artig dreht.


Thoren mehren sich die Last

Durch ein unruhvolles Sehnen;[237]

Wer den Hofnungsancker fast,

Der lacht allzeit auch durch Thränen

Und erlangt durch Meer und Nord

Ohne Fluch den Seegensport.


Zürnt der Neid mit meiner Lust,

Dieses las ich mich nicht irren;

Meine stets vergnügte Brust

Soll kein heimlich Weh verwirren.

Und so heist's auch jederzeit:

Fröhlich in der Traurigkeit.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 2, Leipzig 1931, S. 235-238.
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