28.

Du sitzest wohl gefühllos nur

An eines Baches Rand:

Du hättest alle Bosheit sonst

Als eigen dir erkannt.

Bei Gott! weil du ein Diener bist

Den er sich auserkohr,

So ziehe mir, dem alten Knecht,

Nicht and're Menschen vor!

In Zukunft will ich betteln geh'n,

Denn auf der Liebe Post

Gewährt ja stets die Demuth nur

Dem Wandersmanne Trost.

Zum Kaiser aller Schönen hat

Dich Zucht und Sitt' erklärt;

D'rum Heil dir, solcher Ehre bist

Du hundertfältig werth!

Rett' ich nur erst des Glaubens Pfand,

Sorg' ich mich weiter nicht:

Leicht lebt sich's ohne Herz, wenn nur

Der Glaube nicht gebricht.

Ich dulde – denn was kann ich sonst? –

Des Nebenbuhlers Pein:

Das Mittel der Verliebten ist

Die Demuth nur allein.

Hör' auf ein unbefang'nes Wort

Von deinem treuen Knecht,

O du, auf den die Grossen schau'n,

Die selber seh'n auf Recht!

»Ein Wesen zarter Art, wie du,

An Herz und Sitte rein,

Thut besser, lässt es nimmer sich

Mit bösen Menschen ein.«[77]

Dass du auf Wiesen wandeln geh'st

Kann ich bedauren nur:

Sind doch so schön und frisch wie du

Die Blumen nicht der Flur.

Gar freundlich Rose, weilest du

Bei'm Dorn; wie sonderbar!

Es stellt sich dies ganz sicherlich

Als zeitgemäss dir dar.

Ach, meiner Thränen Flaschenspiel,

Zeigt links und rechts sich dir,

Sitz'st auf dem Fenster des Gesicht's

Du erst ein Weilchen hier.

Der Thränenstrom riss die Geduld

Hafisens fort mit sich;

Mir fehlt die Kraft, o Augenstern!

Verlass du selbst denn mich!

Du Kerze aus Tschĭgīls Gefild,

So hold und zarten Sinn's,

Bist werth zu leuchten bei dem Fest

Chŏdschā Dschĕlālĕddīn's.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 75-79.
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