Jnhalt der Geschicht.

[10] Sophia eine Hoch-Adeliche Römische Wittib / wird bey damahliger allgemeinen vierdten Haupt-Verfolgung der Christen unter andern auch nebst ihren drey Töchtern Fides / Spes / und Charitas wegen deß Christlichen Bekäntnüsses dem Kaiser Hadriano verrathen und vor Gerichte bracht /welche / nach dem Sie nebst den Kindern weder durch ersinnlichste Geschencke / noch Marter von dem Nahmen JESU abwendig gemacht werden kan / erstlich den Tod ihrer Töchter / dehren die Aelteste kaum das zwölfte / die Mittlere das Zehende / und die Jüngste das Neunde Jahr erlebet / anzuschauen gezwungen /hernach zu ewigem Gefängnüß (deme sie doch durch einen sanften Tod zeitlich entgehet /) verdammet wird.

Diese Geschicht hat sich begeben zu Rom den 1. August. im 128sten Jahre nach unsers Erlösers Gebuhrt.[10]

Erfindung deß Trauer-Spieles.

Die erste Abhandlung.


Dje im Christlichen Glauben erleuchtete Sophia rühmet die Gnade deß Drey-Einigen Gottes / beklaget nebst dem Römischen Bischoffe Alexander I. die grausame Verfolgung der Christen / und in dem Sie ihre drey Töchter Fides /Spes / und Charitas zum Christlichen Bekäntnüß trefflich aufmuntert / kommet ihr befreundter Honorius nebst der Palladia / einer Römischen Hof-Dame und Liebhaberin deß Kaisers Hadriani / welche der Sophie die Verlassung des Heidenthums heftig verweisen / aber nichts ausrichten: Weßwegen Sie im Eifer entweichen / mit Bedrohung / solches dem Kaiser anzuzeigen. Jm Reyen streitet die Vernunft mit dem Glauben / worüber die Religion durch allerhand aus dem Abgrunde der Vernunft entspringende und zu Hadriani Zeiten lebende Ketzer in einen Schatten verwandelt wird.


Die andere Abhandlung.


Der Kaiser Hadrianus wird von den Heidnischen Priestern Heliodoro und Epicteto /wie auch von seinen Geheimsten Antonino / Svetonio Tranquillo / Salvio Juliano / und Septitio Claro heftig angereitzet / die Christen aufs euserste zu verfolgen. Diese Verbitterung vermehren Palladia und Honorius / in dem Sie berichten / das Sophia den Christlichen Glauben angenommen / und nicht allein ihre Kinder / sondern auch andere Jungfrauen / dehnen Sie[11] zu gleich die immerwehrende Keuschheit gerathen /dazu beweget: welches der Kaiser in höchsten Ungnaden empfindet / und Sie nebst ihren Kindern vor sich zu bringen befihlet. Die Kaiserin Julia Sabina / alß eine heimliche Freundin der Christen / bemühet sich den Kaiser zubesänftigen: aber umbsonst! Die in himmlischen Gedancken entzückte / und von zwey singenden Engeln zur Beständigkeit angefrischte Sophia wird nebst ihren Kindern durch den Hauptmann Septitius Clarus vor den Kaiser gefodert. Jm Reyen beseufzen die in unterirdischen Grüften sich aufhaltende Christen ihr unbegreiffliches Elend / werden aber von der Göttlichen Barmhertzigkeit getröstet.


Die dritte Abhandlung.


Hadrianus nimmt Sophiam nebst ihren Kindern vor / und nach dem sie keines weges vom Christlichen Glauben abstehen / noch der Göttin Diana opfern wollen / wird Sophia / in welche sich der Kaiser heimlich verliebet / zweyen Trabanten / umb Sie im Lust-Garten an einen Baum zu binden / Fides / Spes und Charitas aber den Heidnischen Priestern / wie auch Antonino und Septitio Claro übergeben: Welche sie erstlich mit allerhand Geschencken und ersinnlichsten Liebreitzungen / hernach aber / weil nichts verfängt / mit der schärffsten Folter belegen / iedoch nicht bewegen. Der schwermüthige Hadria-nus wird wegen der Tugendschönen Sophia von Liebe und Ehre sehr bekämpfet. Die eifersüchtige Palladia redet deßhalben dem Kaiser ein /wird aber schimpflich abgewiesen. Jm Reyen wird die Jrdische Liebe nebenst der Eitelkeit und vielen geflügelten Liebes-Knaben von der himmlischen Liebe /der Ewigkeit / und vielen Engeln entwaffnet.
[12]

Die vierdte Abhandlung.


Dje an einen Baum gebundene Sophia wird vom Fleische / Welt / Tod / und Teufel heftig angefochten / aber vergeblich. Die Kaiserin besuchet Sophiam / und wird durch ihre Beständigkeit dahin gebracht / daß sie sich nebst der Serena und Flavia / alß ihren getreuesten Cammer-Jungfern/ entschleußt das Heidenthum zuverlassen. Der im höchsten Grad verliebte und in gestalt eines Schäffers erscheinende Hadrianus wil Sophiam erstlich durch List / hernach mit Gewalt entehren; wird aber mit einem grausamen Donnerschlage / welcher den Baum zerschmettert / und Sophiam von den Stricken befreyet / hiran verhindert. Der vor Furcht und Rache wüttende Kaiser läßt ihre Kinder vor sich kommen /und versuchet nebst den Priestern und seinen Geheimsten nochmahls durch versprächung der höchsten Wollüste dieser Welt selbte nebst der Mutter auf einen andern Sinn zu bringen; allein umsonst! Worauf Sophia mit Ruthen gestrichen und zu ewigem Gefängnüß; Fides / Spes / und Charitas aber zum Tode verdammet werden. Antoninus und Septitius Clarus vollziehen in Gegenwart der Sophie an ihren drey beständigen Töchtern deß ergrimmten Kaisers Befehl / in dem Fides auf dem Holtz-Stosse / Spes und Charitas aber auf dem Richt Blocke ihre Lilienkeusche Seelen dem Heylande aller Welt hertzhaftig aufopfern. Jrene /eine Christliche Jungfrau singet bey den Leichen dieser unschuldigsten Kinder ein kläglich Sterbe-Lied. Die auf dem ungestümen Meere schiffende Christliche Kirche erhebet im Reyen gegen dehnen von den Heidnischen See-Räubern übelgeplagten und fast wanckelmüthigen Christen die heilige Liebe dieser zwar zarten / iedoch unüberwindlichen Bekenner Jesu Christi.
[13]

Die fünfte Abhandlung.


Der in einen Pilgram verkleidete Alexander nimmt nebst der gleichfalls verkleideten Kaiserin und ihren Cammer-Jungfern von der eingekerckerten Sophie beweglichen Abschied. Der hönische Kaiser bereitet der Sophie nebst beygefügtem Todten-Ballet eine Traurige Nacht-Mahlzeit / nehmlich das in dreyen Gläsern schwimmende Blut / wie auch die in dreyen Schüsseln liegende Häupter ihrer hingerichteten Töchter / welche Sie zum öftern küsset / und sich über deren erlangten Märtyrer Krone nochmahls höchlich erfreuet. Und in dem Sie sich nach solchem Gelücke / wie auch nach ihrer Kinder liebreichen Gegenwart hertzinniglich sehnet / erscheinen die Geister ihrer Töchter in den Wolcken / welche die Mutter holdseelig trösten / und ihr das vor der Thüre stehende sanfte Ende verkündigen. Worauf Sophia / von dem Pfeile deß Todes sichtbarlich berühret / mit höchster Bestürtzung deß Kaisers und deß gantzen Hofes seelig entschläft. Jm Reyen wird die über Fleisch / Welt / Tod und Teufel triumphirende Beständigkeit des wahren Glaubens / der Hoffnung /und der Liebe gegen GOTT auf einem Sieges-Wagen von den Engeln gekrönet.[14]


Quelle:
Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin und New York 1975, S. 10-15.
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