(XCVI.)

Der Glüks Fall.

[372] Der Italianische Poet sagt:


à caderva chi troppo in alto sale.


Es eilt zu seinem Fall der steiget gar zu hoch und hat alles geschwindes auffnehmen / noch viel geschwinderes abnehmen: daher Guevarra weißlich vermahnet / man sol sich des Glücks / und grosser Herren Gnade gebrauchen / wie deß Feuers: nicht zu ferne stehen /daß man nicht erfriere / nicht zu nahe kommen / daß man nicht verbrenne.

2. Dieses hat mit vielen erfahren Bassa Nassuff eines Griechischen Priesters Sohn / bürdig von einem kleinen Dorff / nechst Salonica / der als ein Tribut Kind (welche die Tůrken allezeit von dem dritten Theil der Christen Kinder zu nehmen pflegen /) nach Constantinopel kommen / da er für 3. Zeckin einem verschnittnē deß Sultans verkaufft / nochmals[372] in seinem 20sten Jahr einem Hofmeister der Sultanin einer überlassen worden.

3. Als nun dieser Nassuf viel Proben seines guten Verstands fehen lassen / ist er zu Aufführung einer Mosquee / oder Türkischen Kirchen / welche die Sultanin bauen lassen / gebrauchet worden: bey welchem Gebäu er so grossen Fleiß erwiesen / daß ihn die Sultanin zu ihrem Hofmeister gemachet / und ihre gantze Hofstatt anvertrauet. Der Sultan hörte diesen Nassuf loben / und setzte ihn zu einem Capigi Bassa / oder Haubtmann seiner Thürhüter oder Trabanten /

4. In diesem Ambt hat er sich auch verständig und sehr tapfer verhalten / daß er Bassa von Alop / und hernach ůber gantz Mesopotanien gesetzet worden. Hier hat er aber sein Glück nicht erkennt / und ob er zwar von der niedrigsten Stuffen auf die höchste gestiegen / hat er noch ferner aufklimmen / und ihm sein anvertrautes Land eigenthümlich unterwerffen wollen: Zu welchem Ende er mit dem König in Persien / der Türken abgesagten Feinde sich in Handlung eingelassen.

5. Solche Untreu komt für den Groß Türken / dem dieses Bassa Ehrgeitz bewust / und seine Person /wegen der Gunst / so er bey seinen Soldaten hatte /war ihm verhasst und doch nothwendige Rache an ihm zu üben / ertheilt er ihm die höchste Würde seines Reichs / und macht ihn nach absterben Sardac Bassa zum grossen Vezier / bringt ihn also wieder zu rucke an die Pforten / und verspricht ihm seine Tochter trauen zulassen / nach dem er den Perser König Cha-Abas gezwungen / Friede zu begehren / deßwegen er den Persischen Gesanden mit sich geführet.

6. Der Soltan empfäht ihn mit allen Freuden / weil er ihme ein Million Goldes zur Beute mit gebracht /vermählt ihm auch / gethanen Versprechen zu folge /seine Tochter. Als er nun von einem leibeignen Knechte zu dem grössten Herren in dem Türkischen Reiche worden / und vermeint daß das Glůck selsten ihm flichtig und zu leben gehe / beschleusst der Groß-Türk dieses sein Geschöpf wieder zu vernichten / weil[373] nemlich sein Ehrgeitz so groß / und anfinge wo er solte aufhören.

7. Zu Ende deß 1614. Jahrs entschleusst der Türkische Kaiser Sultan Achmet / ihn aus dem wege zu raumen / befihlt deßwegen Bostangi Bassa / oder seinem Obergärtner war ihm sein Haubt zubringen. Dieser abgeordnete besuchte ihn erstlich wegen seines Hern auf das freundlichste / und weiset ihm einen schriftlichen Befehl / daß er von ihm solle abfordern das Insiegel deß Türckischen Kaisers. Nach dem er nun solches / nicht ohn Beysorge grosser Ungnade von sich gegeben / weiset Bostangi noch einen andern Befehl / er solte Nassufs Haubt dem Sultan bringen.

8. Nassuf begehrte sein Haubt selbsten dahin zu bringen / und heischet mit dem Sultan zu reden / muß aber hören / daß er solches nicht befehlt / sondern ihm das Leben alsobald zu nehmen. Hierauf begehrt er in die Kammer zu gehen / und sich zuvor waschen /damit seine Seele gesäubert in deß Mahomets Paradiß kommen möchte / wie dann solcher Gebrauch in ihrem Alcoran von den Juden hergenommen scheinet. Der Gesante aber wil auch dieses nicht zulassen / sondern lässet seine Henkersknechte hinein / welche ihn also bald mit einem Strang erwürgen wollen / weil sie aber sehen / daß er sehr leibig und fett / deßwegen lang leiden musste / haben sie ihm die Gurgel mit einem langen Messer abgeschnitten.

9. Sein tod war den Christen sehr erfreulich / weil er seinem Herrn täglich in den Ohren lage / er solte ihm ein Heer wieder die Christen untergeben / er wolte ihn zu einem Herren der gantzen Welt machen. Der Türkische Kaiser aber hatte wichtige Bedencken ihme solches abzuschlagen. Man hat bey diesem Bassa Nassuf gefunden zwo Kisten mit Perlen und Diamanten acht Million Golds und hat der Sultan solches alles zu seinem Chasua oder Schatz gebracht.


10. Das gross' und kleine Glück

weist manche Meuchel Tück?

dem Bilderhauer gleich:[374]

Der Jung das kleine Glück

behaut die kleinen Stück.

Ist einer groß und reich /

so schont der Maister nicht /

ders machet und zerbricht.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 372-375.
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