(CLXII.)

Das schröckliche Ungewitter.

[578] Wie der Regenbogen ein Spiegel ist Göttlicher Gnaden und Barmhertzigkeit; also ist das Donnerwetter /Hagel / Blitz und Schlossen / ein Spiegel seines Zorns / wie er dann drauet / daß er den Gottlosen ein Wetter wolle zu Lohn geben / und haben solches erfahren die Feinde des Volks Gottes / das Vieh auf dem Feld entsetzet sich für dem Wetter / und erstaunet darob. Sonderlich aber fürchten das Wetter die jenigen / welche ein böses Gewissen haben: massen man weiß daß Gott vielmals gottlose Buben dardurch gestraffet /und die Ehebrechere in ihren Sünden mit dem Donnerkeil zersplittert.

2. Hier wollen wir eine fast alte Geschicht wieder erneuren / und erzehlen das erschreckliche Wetter /welches sich vor Jahren zu Neapoli begeben. Ob dergleichen sonsten gehöret oder gelesen wird / ist mir unwissend / und werden wir die Blitze mit der Kolen mahlen / ich wil sagen nicht genugsame Wort finden können diese abscheuliche und grausame Begebenheit aus zumahlen.

3. Am Tag Catharina 1443. hat sich das Meer über das Ufer der gestalt erhoben / daß der untre Theil der Statt Neapoli mit Wasser überschwemmet und mit hohen Wellen bedecket war. Die auf dem hohen Berg S. Helmo oder Hermo wohnten erschracken folgende Nacht / als sie den Himmel gantz im Feuer sahen /und Donner auf Donner rollen / Blitz auf Blitz leuchten / und Schlag auf Schlag[578] so schnell einbrechen hörten / daß sie vermeint der Himmel würde in tansend Stücke zerbrechen / und die Erde zermalmen.

4. Die Mönchen in dem Kloster welches auf besagten Berg gebauet ist / trugen die Heilthum herum / flehenden und beteten auf den Knien und auf der Erden liegend / erwartend alle Augenblicke daß die Donnerkeule die Bedachung und sie darunter in die Erden schlagen würde. Die Nacht und pechschwartze Finsterniß erschreckte sie / das Wetter draute / der starke Wind erschitterte ihre Mauren / das brausen des Meers machte sie hermen / und das Geschrey der Ersauffenden stellte ihnen die Todes ja die Höllenfurcht für Augen / welche schmertzlicher als der annahende Tod selbsten.

5. Die hohen Wellen deß ergrimmten Meeres hat inzwischen die Häuser so nechst der Anfurt bestiegen / daß viel gesehen / wie der Tod zum Fenster hinein gedrungen / dem sie auf keine weise entfliehen mögen. Was Jammer / was Hertzenleid? die Mutter siehet ihr liebes Kind / der Vater den Sohn / der Mann das Weib für ihren Augen ersauffen / und zwar ohne Hülffe. Die Leichnam der ertrunckenen wurden häuffig an das Land geschwemmet / ja an den Mauren der zwey Castel (Castello nuovo & Castello ovo) gequetschet und zerschmettert / und war niemand der begrube: massen fast die gantze Statt zu einem Kirchhoff worden.

6. Die Galern lieden Schiffbruch in den Hafen / die Mast waren zerschmiessen / der Kiel zerbrochen / die Böden durchlöchert / und die Schiffleute so voll Furchts / daß sie dem Ende der Welt (wie sie vermeinet) unter Augen sehen müssen / gleichsam noch todt / noch lebendig / wie die Schatten auf Charons Nachen daher schwebten. Das Geschrey war mit dem krachen der scheitrenden Schiffe / mit dem Getůmmel deß Donners / mit dem Geprassel der ausprechenden Schlossen / mit dem einschlagen der feurigen Keule vermenget / daß jederman üm Hülffe ruffte / und jederman ohne Hülffe gelassen wurde.[579]

7. Bey diesem allen ist es nicht verblieben / sondern es hat sich zu gleicher zeit ein Erdbeben erhoben / und die jenigen / welche sich unter die Erden in die Keller / und ober der Erden in verborgne Kammern verkrochen / samt ihren Palästen lebendig vergraben. Was Jammer / was Hertzenleid / die den grimmigen Wellen entflohen / wurden von der Erden verschlungen / von den Donnerkeulen zerschmettert und von ihren bösen Gewissen mit zeitlicher Höllenqual geängstiget. Ihr Hügel fallet nun ůber uns / und ihr Berge bedecket uns / haben sie mit Warheit aus der Offenbahrung Johannis sagen können.

8. Der jüngste Gerichtstag / in welchem Himmel und Erden zerschmeltzen werden / hat sich vieleicht in diesem Wetter abbilden wollen: massen ja den Leuten bang worden für Schrecken und Wartung der Dinge die noch kommen möchten. In dem nun jedermann die Hände gegen dem Himmel außrecket / und Gott üm Hülffe anschreyet / fallen die Palläste / Mauren und Thürme ein / die Erde bebet und kan niemand den Fuß versichert niedersetzen.

9. Die Nacht war in diesem Jammer vergangen /und hoffte man mit dem anbrechenden Tag und der aufgehenden Sonnen Trost und Erquickung. Aber das Wetter stärkte sich / und erschittert alle Gebäue / viel wurden auf der Gassen von dem Donner erschlagen /viel musten ersauffen / noch mehr aber lagen als todt ohnmächtig zur Erden: ja etliche Gottes vergesne und ruchlose Buben stürtzten sich aus Verzweifflung von den Höhen / und wolten ihre unsinnige Furcht mit dem Tod zu Ende bringen.

10. Alle Elementa hatten sich gleichsam verbunden diese Statt zu verderben / das Feuer vom Himmel / die Lufft mit trüben Wolken und Blitzen / die Erde in dem sie nicht mehr grundhältig / und das Wasser in seinen Dammen bleiben wolte. Hette dieses etliche Tage / wie bey 24. Stunden gedauret / solte die Statt wie Sodom und Gomorra untergangen / und die Leute wie Dadam und Abiram lebendig begraben worden seyn.[580]

11. Gott aber hat sich erbarmet / und in dem sie vermeint es würde nun alles zerschmeltzen / und der letzte Tag der Welt herein brechen / ist plötzlich ein Windstille erfolget. Der Himmel hat sich geheutert /die Sonne hat geblicket / und die Gnade Gottes hat sich wiederum vermerken lassen. Die Furcht und der Schrecken aber ist vielen lange Zeit in den Hertzen geblieben / daß etliche die Welt und das Sünden Leben verlassen / und sich in die Mönnichs Kutten begeben / der Hoffnung / darinnen sicher ihre Tage zu endigen.

12. Vor etlichen Jahren hat der Berg Vesuvius anfangen sein Schwefel Feuer weit und breit herum auszuspreien / die Einwohner zu Putzolo und der Orten verjaget / die Flammen auch biß in die Statt Neapoli geführet und grossen Schaden gethan. Es ist auch dieses zu merken / das verwichnes 1647. Jahr das Caput Medusæ über dem Königreich Neapoli zu stehen kommen / und daß sie von der zeit an viel Empörungen / Aufruhren / Krieg und Blutvergiessung ausgestanden: allermassen scheinet / daß die grossen ůbermachten Sünden / welche offentlich aldar im Schwang gehen / solche Straffen verdienen / wie auch fast aller Orten in Welschland.


Wann wir der Egypter Sünde

frevlend häuffen alle Tage /

werden auch wir Höllen-blinde

häuffen der Egypter Plage.

Wie sol von den bösen Rotten /

sich der Höchste lassen spotten?

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 578-581.
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