(XXXVII.)
Der Zauber-Ring.

[138] Daß die Zauberer über der Gottlosen Leiber einen Gewalt haben / beglaubet die Erfahrung; daß sie aber der Menschen Willen solten beherrschen können / welchen auch GOtt der HErr frey lassen wollen / das schwebet noch in beharrlichen Zweiffel. Man findet von Liebesgeträncken / und allerhand seltzamen Bezauberungen; es würcket aber der tausend Künstler mehrmals durch natürliche und uns unbekandte Ursachen: massen alles was geschihet / entweder natürlich / künstlich oder übernatürlich ist. Welcherley Würckung nun folgendes zuzuschreiben / wollen wir deß Lesers Verständniß zu beurtheilen hinterlassen.

2. Bassian / ein Edelknab bey einem grossen Herrn in Franckreich / war mit so seltner Schönheit und wolverständigen Sitten begabt / daß ihn solcher Lobbrief der Natur bey jederman Huld und Gunst zuwegen brachte. Benebens diesem war auch sein Verstand / und seine Rede wol geartet / und so lieblich / daß man von ihm sagen können / er trage die guldenen Aepffel seines Verstandes in den silbern Schalen seines Leibes / und gleiche dem Edelgestein / welches in reines und lauteres Gold gefasset.

3. Nachdem die Knaben-Jahre verschlichen / hat ihn der Herr bey sich behalten / und als einem andren von Adel Unterhalt verschafft / mit Versprechen / ihn nach Begebenheit ehst zu befördern. Ob er nun einem Paris gleich gesehen / so hat er doch sich in bald erfolgten Krieg / als ein Hector erwiesen / und deß Frauenvolcks wenig geachtet / deßwegen er auch nicht gewohnt gewesen / die Haare zu krausen / oder sich sonsten aufzuputzen / das doch alles seine Schönheit vielmehr gemehret / als gemindert.

4. Zu Friedens-Zeit war die Jagt sein Krieg wider die wilden Thiere / bey denen er auch sicherer gewesen / als bey dem heimlichen Frauenvolck / aus denen ihrer etliche die Augen[138] auf diesen schönen Jäger geworffen / welcher aber sich von keiner wollen fangen lassen / und dardurch ihre Begierden brünstiglich vermehret. Kurtz zu sagen / er lebte in der Zeit / in welcher sich sieben Weiber um einen Mann reissen.

5. Unter diesen war Irena / welche ihn mit Worten und Schreiben täglich verunruhet / von ihm aber erstlich mit Höflichkeit / nach und nach aber verächtlich ab- und zugewiesen wurde. Diese fast verzweiffelte Irena / ergreifft endlich ein verzweiffeltes Mittel / und fragte eine alte Zauberhex zu Rath / welcher Gestalt sie Bassians Liebe theilhafftig werden könte? Die Alte thut ihr gute Vertröstung / und gibt ihr etliche Tage hernach einen Ring von schwartzem Horn / mit einem gelben Stein / der so bald er an jrer Hand erwarmet / Bassians Gemüt verändert / und ihr nachzulauffen gezwungen.

6. Er musste hoch achten / welche er zuvor verachtet und wann Irena sich wol in acht genommen hätte / solte diese Liebe mit dem Ehestand seyn ersättiget worden: Weil aber solcher Stand von GOtt kommet / hat er durch böse Zauberstücke nicht mögen außgewürcket werden / und wie diejenigen / welche künstliche Feuerwercker sind / sich selbsten meistentheils verbrennen: also verderben auch die / welche Hülfe bey Zauberkünsten suchen / und den Satan zu Hülffe nehmen / der niemand dienet als zu Schaden.

7. Als nun Irena sich über der Veränderung Bassians mit Crysolita ihrer Gespielin bespracht / und erfreuet / kan sie nicht mehr verschweigen / als was sie nicht weiß / und eröffnet das Geheimniß mit dem schwartzen Ring / den sie an dem Finger truge. Als hernach Irena entschlaffen / ziehet ihr Crysolita den Ring von dem Finger / und erfuhre so bald morgens / daß Bassian brünstig in sie verliebet war.

8. Irena wolte den Ring wieder haben / und zanckt mit ihrer Gespielin / daß darüber das Geheimniß an den Tag kame / und auch den andern Hofdocken unverborgen war. Crysolita gabe den Ring einer andern / Namens Datia / zu welcher sich Bassian / alsobald wendete / und ihrer vergessen /[139] als ob er sie niemals gekennet. Sie gaben auch den Ring zu mehrerer Probe einer häßlichen Kammermagd / und Bassian eilte dieser aufzuwarten / und ihr freundlich zuzusprechen.

9. Irena / welche Bassian ohne Schertz liebte / wolte ihren Zauberring wieder haben / und hatte ihn kaum an die Hand gebracht / da sich Bassian wieder zu ihr gekehret / und ihr alte Liebe erneuret. Der Fürst und die Fürstin haben vernommen / was sich mit Bassian und dem Ring begeben / wollen es deßwegen nit leiden / sondern nöhtigen Irenam / daß sie den Ring in das Feuer werffen muß / darüber sie und die andern zwo fürwitzige Hofdocken ein so grosses Geprässel hören / als ob der Hagel und Donner das Schloß zu Haufen schluge. Irena erschrickt und fällt in eine Ohnmacht; man labt sie / daß sie wieder zurecht kommet / den fünfften Tag aber hernach stirbt sie an einem hitzigen Fieber / in welchem sie abenteurliche Sachen gefabelt / und fast gantz von Sinnen kommen ist.

10. Bassian hatte sich diefer Sachen aller weniger erinnert als eines Traums / daraus zu schliessen / daß vielmehr die äusserlichen Sinne geblendet / als sein Willen betaubet worden. Crisolita und Datia sind zwar auch eine Zeit kranck gelegen / beede aber wiederum genesen / weil vielleicht niemand mehr gesündiget als Irena. Die Zauberin ist durch die Obrigkeit zu dem Feuer verdammet worden.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. CXXXVIII138-CXL140.
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