(CLXXXIII.)
Die bößliche Verblendung.

[310] Die zauberische Verblendung lässet sich füglich gleichen mit einem grünen Glaß / durch welches alles grün scheinet / was man sihet: Also wird das Aug / welches der getreuste Zeug seyn soll / betrogen / und kan solches nit nur übernatürlicher / sondern auch in der Sehekunst natürlicher Weise beschehen / wie allen denen bekant / welche die geringste Wisenschafft hiervon haben.

Kan der Satan sich in einen Engel deß Liechts verstellen / warum solte er nicht auch die verliebten Blinden verleiten und verblenden können? Hiervon handelt nachfolgen des Exempel / welches ein Spanier zu Cajetta erzehlte.

2. In Andalusia verliebte sich eine vornehme Weibsperson in einen Rittersmann Ramiretz genannt? Er war jung / schön / reich / höflich / hatte aber einen Abscheu vor der Person / welche nicht unterliesse seine Gunst zu erlangen. Er hätte wol mit den Poeten sagen können:


Krispina lieb' ich nicht / du magst die Ursach fragen?

Krispina lieb' ich nicht / sonst kan ich keine sagen.


Zu deme wurde er auch anderweits gefangen von einer Jungfer höheres Standes und besseres Verstandes / daß er also mit derselben sich in eheliche Handlung eingelassen.

3. Als nun Krispina sich von Ramiretz verachtet sahe / und doch ihr eingebildet / daß sie ohn ihn nicht leben könte / und fügte sich aus Verzweiffelung ihr Verlangen zu erlangen / zu einem Zauberer / welcher ihr versprochen den Ritter Ramiretz zuwegen zu bringen / sie solte nur sagen das Ort / und die Zeit / da sie seiner geniessen wolte.[310]

4. Dieses richtete der Bößwicht solcher gestalt durch eine Verblendung zuwegen / deß Clio ein Buler um besagte Crispina / der sich gleichfals wegen ihrer bey dem Zauberer angemeldet / in deß Ramiretz Gestalt und mit seiner Stimme redent zu ihr in den Garten gekommen / und nach ehelichem Versprechen mit ihr sündlich zugehalten.

5. Der Ort wo sie zusammen zu kommen pflegten / war ein Gartenhauß / alldar blieben diese beede viel Stunden zu unterschiedlichen mahlen / und sagte dieser angestelte Ramiretz / daß er sich / das Spiel zu bergen / in allen Gesellschafften sich ihrer nicht annehmen wolte / sondern seiner Paulina zum Schein aufwarten / und daran solte sie sich nicht ärgern / weil sie das Werck unnd jene das Wort hätte.

6. Mit dieser List liesse sich die betrogene Krispina abweisen / biß endlich dieser blaue Dunst und nichtige Rauch / durch Frucht in ihrem Leib / das Liebes Feuer offenbaret / und sie Ramiretz in einer Gesellschafft / als sie gehöret / daß er mit Paulina verlobet / und nechster Tag getrauet werden solte / wegen gethanenem ehlichen Versprechen beweglichst zugeredet / und gebetten / er wolle sie ja nicht in Schanden stecken lassen / etc.

7. Ramiretz wolte hierum nichts wissen / und konte nie gestehen / was er nicht gethan / muthmaste deßwegen / daß ein Betrug dahinter seyn müsse / und bejahte / daß er endlich gewillet / Paulinam zu Kirchen und Strassen zu führen / und daß ihm alle erzehlte Umstände gantz unwissend? Krispina wolte hierüber von Sinnen kommen: ruckte ihm seine vermeinte Untreue auf / und draute die Sache durch einen ordentlichen Einspruch / rechtlich außzuführen.

8. Nachdem sie nun mit Unwillen geschieden / meldet sich der falsche Ramiretz wieder an / zu bestimter Zeit / an bewustem Ort zu erscheinen / bittend / und sich erbietend / mit ihr von wichtigen Angelegenheiten unterreden zu pflegen. Krispina bestellet Leute / die den treulosen Gesellen / wie[311] sie ihn nennte Handfest machen solten / welches auch / nach begebenen Zeichen erfolget. Diese Häscher sahen ihn für Cilio Krispina aber für Ramiretz an / und hierüber wird der Betrug eröffnet / unn die Zeit der Verblendūg hatte sich geändert.

9. Cilio lässet sich nieder auf seine Knie / sich und seine grosse Liebe anklagend / welche ihn gezwungen / dieses Mittel zu ergreiffen / so sie auch gegen den rechten Ramiretz zu Wercke bringen wollen. Auf einrahten der Krispina Freundschafft / wird dieser Fehler mit dem Ehestand erstattet: So groß aber ihre Neigung in verblendten Irrthum gewesen / so groß ist ihre Abneigung nach erschienener Warheit erfolget. Ramiretz hat gleichfals Paulinam gefreyet / und so viel Glück / als Cilio Unglück gehabt.

10. Hierauß entstehet eine schwere Frage: Wie doch die Geister der Menschen Leiber erregen und bewegen können? allermassen hier die Augen der beeden Verliebten / mit ihrem Sinne verblendet worden. Ausser Zweiffel ist solches aus Göttlicher Verhängnis beschehen / weil der böse Geist über die Unkeuschen Macht hat / wann sie sonderlich ihr Vertrauen von Gott ab / und auf seinen Feind / den leidigen Satan stellen / wie diese beede gethan:

11. Solches kan auch den Frommen in der Versuchung begegnen / wie wir dann lesen /1 daß unser Heyland / als er in leiblicher und sichtbarlicher Gestalt auf Erden gewandelt / von dem bösen Geist in die Wüsten geführet worden / und von dar auf die Zinne deß Tempels. Weil nun solches übernatürlicher Weise geschehen / suchen wir vergebens natürliche Ursachen; massen uns die Eigenschaft solcher Geister fast unbekant / und auch unerforschlich.

12. Im Gegenstand ist der Leib und der Geist gantz unterschiedener Eigenschafft / das scheinet / als ob das leibliche mit dem unbeleibten keine Gemeinschafft haben könne; massen der Geist ein viel subtileres Wesen / als der Luft / oder alles anderes / was wir aus den Blumen und Kräutern zu distilliren pflegen / welchen in den Lufft vergeistert und vertuftet / weil[312] solche Geisterlein / wie wir sie nennen / von leiblichen cörperlichen Wesen entstanden / welches die erschaffenen Geister nicht haben. Hierüber kan der Leser / nach Belieben / sein verständiges Nachsinnen üben.

1

Matth. 4.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 310-313.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.