(CXCVIII.)
Der Glückstopff.

[361] Der Reichthum wird fůglich mit dem Zucker verglichen / er ist süß / schicket sich wol zu allen Sachen / und verderbet keine Suppen / welche aber deß guten zu viel thun / übermässig Zucker essen und Wucher treiben / dem wird es zu Gall und Gifft / daß sie erkrancken oder gar dahin sterben. Weil nun der Reichthum so Zuckersüß / ist kein Wunder / daß ihrer viel darnach gelüstet / und daß man auf alle Mittel und Wege gedencket / solchen zu erlangen. Unter solchen Mitteln ist auch eines der Glückstopf / oder Wuchertopf / welche die Töpffer herum führen / und sich darmit bereichern.

2. Ob solches zulässig / sind die Gelehrten unterschiedener Meinungen / über welche wir den verständigen Leser wollen urtheilen lassen / und sind die Ursachen derer / so diese Frage mit Nein beantworten / folgende.

I. Weil grosser Betrug mit vorgehe / die Waaren hoch angeschlagen / falsche Zettel eingestecket / und die darzu vereidet sind / selbsten hintergangen werden. Also hatte ein Landsfahrer einen ledern Sack / und Schachtel / Uhren / Pfeiffen / etc. und die beste Gabe war ein silberner vergülter Becher; für einen Zettel gab man einen Kreutzer / und wurden endlich alle die Zettel ausser deß Bechers / herauß gehoben: Als nun der Töpfler für einen Betrüger außgeschrien wurde / mit der Beschuldigung / daß der Zettel mit dem Becher nicht in dem Sack / wie er bejahte; hat er den Sack umgewendet / und gewiesen / daß der Zettel hinein geleimet gewesen.

3. II. Daß solches kein ordentlicher Beruf / sich zu nehren oder reich zu werden; massen die Wahren gegen Geld zu verkauffen /[361] wol zulässig / viel aber zu betrügen / und seines Nächsten Schaden zu suchen / ist gegen GOtt und Menschen nit zu verantworten. Wann auch jemand reich darauß werden solte / so ist doch der Fluch in solchem Geld / und wird es gewiß nicht auf den dritten Erben kommen.

4. III. Weil es in Käyserlichen Rechten verbotten / in dem das Spielgeld / so durch Glück allein verlohren wird / als ein unredlich gewonnenes Gut wieder zu geben. l. 1. ff. de alcæ lusu, & aleatoribus. l. 1. fil. familias. 198. Der Glückstopff 1. ff. de qua re actio non danda, absonderlich aber in d. advent. alearum lusus & per Bald. in 161. de condict. ob causam. Wie auch im Sachsen-Recht. art. 101. Weil aber ein Glückstopf ein solches Spiel / da man viel ein / und nichts herauß hebt / verbleiben solche Töpflerherrn gehalten / den ungerechten Wucher mit Zacheo zu erstatten / welcher auch allen Judenwucher übertrifft.

5. IV. Ist der Betrug nit nur in der Art zu verkauffen / sondern auch in den Wahren selbsten / da man so gar lebendige Pferde / der man sonsten nicht loß werden kan / und auch wol Menschen hinein setzen / als zu Cölln geschehen / daß ein solcher Töpfler seine schöne Tochter in das Spiel gesetzet / der Hoffnung / so viel mehr zu gewinnen / wie dann auch geschehen. Es ist auch solche letzlich von einen Obersten / der viel 1000. Thaler deßwege in den Topf geworffen / diesen Zettel zu finden / herauß gehoben worden / der Töpfler hat ihm den Zettel wieder abkauffen wollen / er aber wolte die Tochter haben / und kamen deßwegen für die Obrigkeit / welche dem Töpfler auflegte / dem Obristen die Tochter zu überlassen / unn ihme daß er sie ehelichen solte bemüssiget / wie erfolgt / und leben beede noch heut zu Tage.

6. V. Weil aus solchen Glückstöpfen viel Unglůcks entstehet / fluchen / schänden / Todschlag / Nahm und Plünderung / daß also eine Christliche Obrigkeit solches Unheil zu vermeiden / und den Blinden und Unverständigen / diesen Stein deß Anstosses und Verlusts Gelegenheit nit verstatten soll / ja mit gutem Gewissen nit verstatten kan / weil die meisten müssen betrogen werden / ob sie gleich darein willigen / wie ein Wucher / Hurerey / unzulässige Spiele und andre (contractus malæ[362] fidei) unredliche Händel / da beederseits Emwilligung die Sache nicht zulässig machet.

7. Welche nun mit dem Ja Wort / den Glückstopf verfechten / sagen I. Daß es darbey redlich müsse zugehen / ohne Ubersetzung der Wahren / welche geschätzet und beschrieben werden / daß so wol der Töpfler / als der Geld hinein leget / Gewinn und Verlust zuerwarten hat.

8. II. Daß der Glückstopf bestehe in kauffen und verkauffen / in dem nemlich der Töpfler seine Wahren / oder derselben Hoffnung verkauffe / gleich wie ein Vogler einen Tag auf seinem Vogelgesang / oder der Fischer einen Wurf deß Netzes verkauffe / ob man nun viel oder wenig fängt / das ist dem zu wagen / der sein Geld hinein leget / und zwar freywillig / ohne Zwang / mehrmals aus Geitz / viel herauß zu heben / wann er nun seiner Straffe mit leerer Hoffnung abziehet / so kan er niemand die Schuld beymessen / als ihme selbsten.

9. III. Ist der Töpfler nicht gehalten / wegen zufälliger Sachen Rede ünd Antwort zu geben; Wann er keinen Betrug treibet / so hat er ein gutes Gewissen / und muß der / so flucht oder hadert seine Sünde tragen / die er nicht zu verantworten / und findet sich dergleichen auch bey andern kauffen und verkauffen / wann die spate Reue kommet.

10. IV. Ist solches heut zu Tage bey vielen wolbestelten Regimentern gebräuchlich / und werden von dem Gewinn / an etlichen Orten in Niderland / die Spitäle unterhalten. Alles obige kan mit Warheit gesagt werden / von dem Gauckelsack / welches bößlicher Gewinn niemand gut heissen kan / und siehet man / daß solche Leute arme Gesellen verbleiben / weil sie leben; massen wie gesagt / kein Segen darbey. Viel ein anders ist es mit redlichen Glückstöpfen.

11. V. Gesetzt aber / es werden die Wahren höher gesetzt / und der weissen Zettel so viel hinein geworffen / weil die Unkosten / so darzu erfordert werden / mit eingerechnet; so ist doch leider bey einem jeden Krämer der Gebrauch / daß er seine Wahren so hoch verkauffet / als er kan / und trachtet / sonder Verletzung seines Gewissens / an einem zu gewinnen / was er an dem andern verleuret. Wie nun keiner deßwegen bestraffet[363] wird / als kan auch eine solche Art / seine Wahren an den Mann zu bringen / von der Obrigkeit wol zugelassen werden.

12. Es ist noch eine andre Weise der Glückshäfen / wann man mit einem um gewisse Kunststücke dinget / und eine Gesellschafft stehet zusammen / kauffet ihm alles auf das genauste ab / und spielet darein / also: Man schreibet in ein Buch die Zahlen und die Namen deren / so einen Antheil oder Zettel erhandelt; dann hat man in zweyen Schachteln zweyerley Zahlen / deren die eine die Zahl deß Zettels / die andre die Zahl deß Stücks ist / diese hebt man zugleich herauß / und also verkauft der Töpfer alle seine Waaren zugleich / daß er darmit zu frieden seyn kan. Will ihm die Gesellschafft / dieselbe hoch anschlagen lassen / welches aber selten geschihet / so ist der Gewinn so viel grösser.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der grosse Schau-Platz Lust- und Lehrreicher Geschichte, 2 Bde, Frankfurt a.M. und Hamburg 1664, S. 361-364.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte
Der Grosse Schauplatz Lust- und Lehrreicher Geschichte, Das erste Hundert. 2 Tle. in 1 Band.