[Dir, der Wahrheit]

Dir, der Wahrheit, gelte des ernsten Sängers

erster Laut! Dir ficht er des Geistes Kämpfe,

deiner Krone blitzender Strahl erhob und

bannt seinen Blick nun!


Opferdampf stieg von der befleckten Erde

wahrlich niemals herrlicher auf zum Himmel,

denn, da dein Wort Märtyrerblut besiegelt,

heilige Wahrheit,


da der Pfaff sich, Pfaffe zugleich und Henker,

an der Gluthqual denkender Menschen letzte,

da im Rauch sein Blick und des Ketzers Blick wie

Dolche sich kreuzten! –
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Jene Gluth, entglommen dem Schooss des Dunkels,

überwand siegreich den Bezirk der Scheite,

als des Dunkels Feind, und der Strom der Zeiten

wird sie nicht löschen!


Nein! Sie glüht! Und wärs in den fernsten Tagen,

Asche wird die finstere Tempelhalle,

drin, geknechtet, seufzet der Geist der Menschheit!

Hegend und reifend


eine Saat, die spätere Enkel ernten,

fasst sie Herzen, die sie entflammt zum Trotze:

ihre Macht verkündigend, hat sie meine

Lieder befeuert.

Quelle:
Otto Erich Hartleben: Meine Verse. Berlin 1905, S. 9-10.
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