Achte Scene.

[66] BREITE die den Bauern verfolgt bis er im Hofe verschwunden ist. Wu giht 'r hie?

JOSEPH. Gustavs Kuh hat sich Fessel vertreten. Sie haben nach ihm geschickt.

BREITE. Nee – 'r is doch asu gut!

JOSEPH. Gut, ja ja, immer still und gut! Aber gesagt hat'r doch nichts! Immer noch an seiner Arbeit.

BREITE die ihr Paketchen ausgepackt und ein buntes Kaffeetuch hingehalten hat. Sieh amol, Joseph! – Das hat m'r de Tante gega'n fir inse Wertschoft.

JOSEPH gleichgültig. Schön sieht!

BREITE tritt zu Joseph. Wie bist De denn, Joseph?

JOSEPH. Ich? – wie immer.

BREITE seufzend. Ach, Joseph, wenn ich Dich ha' – manchmal wiß ich nee hie und nee har.

JOSEPH. Was? – Ich denke, das giht bluß Deine Vatter su!

BREITE Wenn ich Dich ha', wenn ich Dich sah, da is alle Angst is wieder verschwunda. Da gleeb ich[66] alles. Da bin ich wieder fruh. Da wihl ich doch au gar keene Furcht und Surge meh ha'n.

JOSEPH. Was sagst Du? Du hast Furcht? Vur was?

BREITE. Nee nee! ich wiß ju! 's sein ju Tummheeta! 's mag wull au kumma, nu ich doch a wing schwächer bihn. Ich ha' ju au gar kenn' Grund – jitzund wu d'r Vater alles wiß. Und wenn 'r nu erscht wieder frisch is und wieder mit ins redt!

JOSEPH gleichgültig. Ich meine auch! Von der Arbeit aufblickend. Du bist heite ganz schmuckes Ding, ich sage.

BREITE liebevoll. Ach Josephla, Du wißt's eben nee, was mich plagt! Sie beginnt ihr Kopftüchel und ihre Jacke abzulegen und sich fürs Haus herzurichten.

JOSEPH hat seine Arbeit beiseite gelegt. Laß, ich will Dir knöpfen.

BREITE. Nee, luß ock das heute!

JOSEPH. Aber grade, grade! Wenn Du Kupp hängst – grade! Er zieht seine Finger plötzlich zurück. Und nun, man sticht sich noch an Deine dumme Nadeln! Ach was!

BREITE sorglich. Nee Joseph, zeig amol! Nee aber! was läßt De's nee! Ich kan m'r ju das gut alleene macha.

JOSEPH. Sag mir nur lieber, warum hast Du heite sulche schwere Gedanken, grade wu Vatter hat wieder zum ersten Male freindlich mit mich gespruchen!

BREITE. Ich wihl ju au vergnigt sein! Wenn ich bei Dir bihn, wenn ich Dir ei Deine Auga sah! [67] Versonnen. Wenn ich Dir ock amol uf a Grund sahn kinnte.

JOSEPH. Immer sieh! Du dumme, kleine Hexe! Du willst auf meine Grund seh'n? – Ich auch. Ich mechte Dir auch mal auf Grund kummen – und ich mechte auch Deine Vatter mal auf Grund kummen!

BREITE. Joseph! mir kanst De ruhig uf a Grund sahn. Ei menn' Harza steckt nischte vur Dir verburga. Guck ock amol tief 'nei! Immer guck tief 'nei! Da werscht De's wull sahn, daß kenner wetter drinne sitzt, als enner, dar mir wer wiß was fir Kopzerbrecha macht.

JOSEPH. Einer, der Dir Kuppzerbrechen macht? Aber sag, Kind, das muß ich sehn. Sie gucken sich in die Augen.

BREITE. Ju ju. Du machst D'r ock a Vergniga! Ich wiß ju au, daß alles verfliegt, wenn ich Dich bei m'r ha'. – Ich denke halt immer, vielleicht kimmt's doch noch amol besser. Wenn De m'r amol ganz gehierscht, – und wenn m'r dann erscht inse Kleenes ha'n, da wihl ich doch au asu arbeita –! daß De's viellecht doch noch amol fihlst –! Da sullst De's aber gut ha'n, Joseph –

JOSEPH lustig, weich nachahmend. Ja ja ja ja! gut! – das glaub ich! Du wirst mich einwickeln, su ganz in Deine Liebe, daß ich ganz muß ersticken, wie Wickelkind! was!

BREITE küßt ihn plötzlich stürmisch. Du – mein – Joseph! mein – Sie hat Joseph kräftig auf die Bank niedergedrückt. lieber – guter – Joseph! Dich – und Dich – und Dich![68]

JOSEPH versucht aufzustehen. Du – nun ist – gut! – gut –

BREITE. Und nie eim Laba an andern! – Dich – und Dich – und Dich!

JOSEPH sich wehrend. Breite – Breite!

BREITE läßt ihn plötzlich los und seufzt tief auf. A – –

JOSEPH lachend. Du stürmisches, kleines Mädel, hust mich beinah Weste zerrissen.

BREITE. Ju ju! Mach Du D'r ock a Vergniga!

JOSEPH. Was hust Du nur fir Schmerzen?

BREITE. Mach ich Dir keene Schmerza? Das mußt De mir erscht sa'n!

JOSEPH. Du – mir

BREITE. 's druckt m'r 's Herz ab. Ich muß mich vo' dam Gedanka frei macha.

JOSEPH. Ich verstih' kein Wurt.

BREITE resolut. Ich ha' mich Dir doch asu leicht fertig hiegega'n –

JOSEPH. Leichtfertig –! und hättst Du nicht gethan, so wäre duch iberhaupt niemals dran zu denken, daß Vatter –

BREITE. Das gleebst Du au!

JOSEPH. Was?

BREITE. Daß es bluß derentwegen asu weit kumma muß!

JOSEPH. Was kan Dir machen, wenn niemand sunst was weiß –

BREITE. Ich ha' Dich doch uf die Weise asu nei' gelockt – und nu sohl's mit d'r Huchzeit wieder gut gemacht war'n – weil's amol uf keene andere[69] Weise vur a Leuta gut zu macha gäng! – Das ertra' ich nee.

JOSEPH. Was? – Ich meine duch Vatter!

BREITE. Dich fra' ich, Joseph.

JOSEPH. Mich?

BREITE bestimmt. Du willst mich bluß deshalb nahma – weil –

JOSEPH. Ich Dich? Ich hab Dich doch gern. Ich hab Dich doch gern. Ach was! Wenn Du nicht besser weißt, was ist –

BREITE. Sei ock nee glei' biese, Joseph.

JOSEPH. Du mißtest doch wissen, was ich Dir hundert Mal hab vurgespruchen in sulche Sachen –

BREITE. Ach, Josephla! Du wißt's eben nee. Du verstihst mich nee. Wenn ich Dich ha'! Du kanst macha mit mir, was De willst! Du könnt'st mich ei Deine Arme nahma und weeß Gott im Wasser ertränka, ich wird mich nee wehr'n. Wenn ich denke, daß 's doch virkimmt, daß enner an andern asu gerne hot, und der andere 's nee asu fihlt – ach! da werd mir manchmol asu Angst. Da kimmt's iber mich. Da wiß ich gar nimmeh', was ich thun sohl. Man hört Tritte im Haus. Sie geht an den Herd. Da kinnt ich naus renna und 's asu naus schrein vur Schmerza, asu sticht mich dar Gedanke hie dinne.


Quelle:
Carl Hauptmann: Ephraims Breite. Berlin 1900, S. 66-70.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon