Die Marktweiber in der Stadt

[83] I chumm do us 's Rotshere Hus,

's isch wohr, 's sieht proper us;

doch isch's mer, sie heigen o Müeih und Not

und allerlei schweri Gidanke,

»Chromet süßen Anke!«

wie's eben überal goht.

Jo weger, me meint, in der Stadt

seig alles sufer und glatt;

die Here sehn eim so lustig us,

und 's Chrütz isch ebe durane,

»Chromet jungi Hahne!«

mengmol im pröperste Hus.

Und wemme gschämpft muß ha,

goht's, meini, ehnder no a

im Freie dusse, wo d'Sunn o lacht,

und Blumen und Ähri schwanke,

»Chromet süßen Anke!«

und d'Sterne flimmere z'nacht.[83]

Und, wenn der Tag verwacht,

was isch's nit für e Pracht!

Der lieb Gott, meintme, well selber cho,

er seig scho an der Chrischone,

»Chromet grüni Bohne!«

und chömm jez enanderno.

Und d'Vögeli meine's o,

sie werde so busper und froh,

und singe: ›Herr Gott, dich loben wir‹,

und 's glitzeret ebe zendane;

»Chromet jungi Hahne!«

's isch wohr, me verlueget si schier.

Und faßt e frische Mut,

und denkt: Gott meint is gut,

sust hätt der Himmel kei Morgerot;

er willis nummen o üebe.

»Chromet geli Rüebe!«

Mer bruche ke Zuckerbrot.

Und innewendig am Tor

het menge d'Umhäng no vor,

er schloft no tief, und 's traumt em no.

Und ziehn sie der Umhang fürsi,

»Chromet schwarzi Chirsi!«

se simmer scho alli do.

Drum merke sie's selber schier,

und chömme zum Pläsier

ufs Land, und hole ne frische Mut

im Adler und bim Schwane,

»Chromet jungi Hahne!«

und 's schmecktene zimli gut.

Und doch meint so ne Her,

er seig weiß Wunder mehr,

und lueget ein numme halber a.

Es dunkt mi aber, er irr si;

»Chromet süßi Chirsi!«

Mi Hans isch au no e Ma.[84]

Rich sin sie, 's isch kei Frog,

's Geld het nit Platz im Trog.

Mir tuet bim Blust e Büeßli weh,

bi ihne heißt es: Dublone,

»Chromet grüni Bohne!«

und hen no alliwil meh.

Was chost en Immis nit?

's heißt numme: Mul, was witt?

Pastetli, Strübli, Fleisch und Fisch,

und Törtli und Makrone.

»Chromet grüni Bohne!«

Der Platz fehlt uffem Tisch.

Und erst der Staat am Lib!

Me cha's nit seh vor Chib.

Lueg numme die chospere Junten a!

I wott, sie schenkte mir sie.

»Chromet schwarzi Chirsi!«

Sie chönnte mini drum ha.

Doch isch eim 's Herz bitrübt,

se gib em, was em b'liebt,

es schmeckt em nit, und freut en nit;

es goht eim wie der Chranke.

»Chromet süßen Anke!«

Was tut me denn dermit?

Und het me Chrütz und Harm,

sen isch me ringer arm;

me het nit viel, und brucht nit viel,

und isch doch sicher vor Diebe,

»Chromet geli Rüebe!«

Zletzt chunnt men o zum Ziel.

Jo gell, wenn's Stündli schlacht?

He jo, 's bringt jedi Nacht

e Morgen, und me freut si druf.

Gott het im Himmel Chrone,

»Chromet grüni Bohne!«

Mer wen do das Gäßli uf.

Quelle:
Johann Peter Hebel: Gesamtausgabe, Band 3, Karlsruhe 1972, S. 83-85.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Alemannische Gedichte
Alemannische Gedichte
Plattdeutscher Hebel: Eine Freie Uebersetzung Der Hebel'schen Alemannische Gedichte (German Edition)

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Das Leiden eines Knaben

Das Leiden eines Knaben

Julian, ein schöner Knabe ohne Geist, wird nach dem Tod seiner Mutter von seinem Vater in eine Jesuitenschule geschickt, wo er den Demütigungen des Pater Le Tellier hilflos ausgeliefert ist und schließlich an den Folgen unmäßiger Körperstrafen zugrunde geht.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon