Schelm von Bergen

[16] Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein

Wird Mummenschanz gehalten;

Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,

Da tanzen die bunten Gestalten.


Da tanzt die schöne Herzogin,

Sie lacht laut auf beständig;

Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,

Gar höfisch und behendig.


Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,

Daraus gar freudig blicket

Ein Auge, wie ein blanker Dolch,

Halb aus der Scheide gezücket.


Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,

Wenn jene vorüberwalzen.

Der Drickes und die Marizzebill

Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
[16]

Und die Trompeten schmettern drein,

Der närrische Brummbaß brummet,

Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt

Und die Musik verstummet.


»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Ich muß nach Hause gehen –«

Die Herzogin lacht: »Ich laß dich nicht fort,

Bevor ich dein Antlitz gesehen.«


»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«

Die Herzogin lacht: »Ich fürchte mich nicht,

Ich will dein Antlitz schauen.«


»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Der Nacht und dem Tode gehör ich –«

Die Herzogin lacht: »Ich lasse dich nicht,

Dein Antlitz zu schauen begehr ich.«


Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,

Das Weib nicht zähmen kunnt er;

Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt

Die Maske vom Antlitz herunter.


»Das ist der Scharfrichter von Bergen!« so schreit

Entsetzt die Menge im Saale

Und weichet scheusam – die Herzogin

Stürzt fort zu ihrem Gemahle.


Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach

Der Gattin auf der Stelle.

Er zog sein blankes Schwert und sprach:

»Knie vor mir nieder, Geselle!
[17]

Mit diesem Schwertschlag mach ich dich

Jetzt ehrlich und ritterzünftig,

Und weil du ein Schelm, so nenne dich

Herr Schelm von Bergen künftig.«


So ward der Henker ein Edelmann

Und Ahnherr der Schelme von Bergen.

Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.

Jetzt schläft es in steinernen Särgen.


Quelle:
Heinrich Heine: Werke und Briefe in zehn Bänden. Band 2, Berlin und Weimar 21972, S. 16-18.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Romanzero
Romanzero
Romanzero
Romanzero (Dodo Press)
Romanzero
Romanzero

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde

Meister Floh. Ein Märchen in sieben Abenteuern zweier Freunde

Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.

128 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon