Schmerz und Verklärung

[181] Ich ging hinaus, wo sich unendlich spannte

Des Sommertages leuchtendes Gefild.

Der herbe Schmerz, der durch die Seele brannte,

Versank in Tiefen, und mein Sinn ward mild.

Ein Segler nun auf goldigheller Reise,

Durchfahr' ich Lande, traumesklar gesehn,

Indes vom seidenblauen Himmel leise

Durch die Platanen sanfte Winde wehn.[181]

Der großen Blätter flache Schatten schwanken

Und zeichnen jeden Atemzug der Luft,

Der Esche dichtverschlungne Zweige ranken

Verschleiernd sich, ein Schirm für Wieg' und Gruft.

Aus Rosengärten zieht auf Hauches Spuren

Der Sehnsucht zarte Gondel hoch empor,

Und was wir je an Lieb und Leid erfuhren,

Wird reiner Himmelsklänge leiser Chor.

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Karl Henckell: Gesammelte Werke. Band 1: Buch des Lebens, München 1921, S. 181-182.
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