Amor und Psyche

[102] Ein Seufzer, der von Mund zu Munde fliegt,

Wenn Seele sich an Seele innig schmiegt,

Der Herzen Uebergang, da leis' und still

Das süße Wort zum Wort nicht werden will,

Das süße Wort zum Wort nicht werden kann:

Verloren schauen sich die Seelen an

Und schöpfen in der Gottheit reinstem Quell

Gedanken, Wünsche, Blicke zart und hell;

Der Hauch, der dann das Leben süß verlängt,

Der Athem, der den Busen aus sich drängt,

Der Augenblick, der Ewigkeit Genuß,

Der Wesen reinste Wollust ist – ein Kuß.


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 102.
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