Dritte Sammlung

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27.

Sie fürchten, daß man dem Wort Humanität einen Fleck anhängen werde21; könnten wir nicht das Wort ändern? Menschheit, Menschlichkeit, Menschenrechte, Menschenpflichten, Menschenwürde, Menschenliebe?

Menschen sind wir allesamt und tragen sofern die Menschheit an uns, oder wir gehören zur Menschheit. Leider aber hat man in unserer Sprache dem Wort Mensch und noch mehr dem barmherzigen Wort Menschlichkeit so oft eine Nebenbedeutung von Niedrigkeit, Schwäche und falschem Mitleid angehängt, daß man jenes nur mit einem Blick der Verachtung, dies mit einem Achselzucken zu begleiten gewohnt ist. »Der Mensch!«22 sagen wir jammernd oder verachtend und glauben einen guten Mann aufs lindeste mit dem Ausdruck zu entschuldigen, »es habe ihn die Menschlichkeit übereilet«. Kein Vernünftiger billigt es, daß man den Charakter des Geschlechts, zu dem wir gehören, so barbarisch hinabgesetzt hat; man hat hiemit unweiser gehandelt, als wenn man den Namen seiner Stadt oder Landsmannschaft zum Ekelnamen machte. Wir also wollen uns hüten, daß wir zu Beförderung solcher Menschlichkeit keine Briefe schreiben.

Der Name Menschenrechte kann ohne Menschenpflichten nicht genannt werden; beide beziehen sich aufeinander, und für beide suchen wir ein Wort.

So auch Menschenwürde und Menschenliebe. Das Menschengeschlecht, wie es jetzt ist und wahrscheinlich lange noch[139] sein wird, hat seinem größesten Teil nach keine Würde; man darf es eher bemitleiden als verehren. Es soll aber zum Charakter seines Geschlechts, mithin auch zu dessen Wert und Würde gebildet werden. Das schöne Wort Menschenliebe ist so trivial worden, daß man meistens die Menschen liebt, um keinen unter den Menschen wirksam zu lieben. Alle diese Worte enthalten Teilbegriffe unseres Zwecks, den wir gern mit einem Ausdruck bezeichnen möchten.

Also wollen wir bei dem Wort Humanität bleiben, an welches unter Alten und Neuern die besten Schriftsteller so würdige Begriffe geknüpft haben. Humanität ist der Charakter unsres Geschlechts; er ist uns aber nur in Anlagen angeboren und muß uns eigentlich angebildet werden. Wir bringen ihn nicht fertig auf die Welt mit; auf der Welt aber soll er das Ziel unsres Bestrebens, die Summe unsrer Übungen, unser Wert sein; denn eine Angelität im Menschen kennen wir nicht, und wenn der Dämon, der uns regiert, kein humaner Dämon ist, werden wir Plagegeister der Menschen. Das Göttliche in unserm Geschletcht ist also Bildung zur Humanität; alle großen und guten Menschen, Gesetzgeber, Erfinder, Philosophen, Dichter, Künstler, jeder edle Mensch in seinem Stande, bei der Erziehung seiner Kinder, bei der Beobachtung seiner Pflichten, durch Beispiel, Werk, Institut und Lehre hat dazu mitgeholfen. Humanität ist der Schatz und die Ausbeute aller menschlichen Bemühungen, gleichsam die Kunst unsres Geschlechtes. Die Bildung zu ihr ist ein Werk, das unablässig fortgesetzt werden muß, oder wir sinken, höhere und niedere Stände, zur rohen Tierheit, zur Brutalität zurück.

Sollte das Wort Humanität also unsre Sprache verunzieren? Alle gebildete Nationen haben es in ihre Mundart aufgenommen; und wenn unsre Briefe einem Fremden in die Hand kämen, müßten sie ihm wenigstens unverfänglich scheinen; denn Briefe zu Beförderung der Brutalität wird doch kein ehrliebender Mensch wollen geschrieben haben.


28.

[140] Gern nehme ich mit Ihnen das Wort Humanität in unsre Sprache, wenigstens im Kreise unsrer Gesellschaft, auf; der Begriff, den es ausdrückt, noch mehr aber dessen Geschichte scheint ihm das Bürgerrecht zu geben.

Solange der Mensch, dies wunderbare Rätsel der Schöpfung, sich seinem sichtbaren Zustande nach betrachtete und sich dabei mit dem, was in ihm lag, mit seinen Anlagen und Willenskräften, oder gar mit äußern Gegenständen der daurenden Natur verglich, so ward er auf das Gefühl der Hinfälligkeit, der Schwäche und Krankheit zurückgestoßen; daher in mehreren morgenländischen Schriften dieser Begriffe dem Namen unsres Geschlechts ursprünglich beigesellet ist. Der Mensch ist von Erde, eine zerbrechliche, von einem flüchtigen Odem durchhauchte Leimhütte; sein Leben ist ein Schatte, sein Los ist Mühe auf Erden.

Schon dieser Begriff führte zur Menschlichkeit, d.i. zum erbarmenden Mitgefühl des Leidens seiner Nebenmenschen, zur Teilnahme an den Unvollkommenheiten ihrer Natur, mit dem Bestreben, diesen zuvorzukommen oder ihnen abzuhelfen. Die Morgenländer sind so reich an Sittensprüchen und Einkleidungen, die dies Menschengefühl als Pflicht einschärfen oder als eine unserm Geschlecht unentbehrliche Tugend empfehlen, daß es sehr ungerecht wäre, ihnen Humanität abzusprechen, weil sie dies Wort nicht besaßen.

Die Griechen hatten für den Menschen einen edleren Namen: ανϑρωπος, ein Aufwärtsblickender, der sein Antlitz und Auge aufrecht empor trägt, oder, wie Plato es noch künstlicher deutet, einer, der, indem er sieht, auch überzählt und rechnet. Sie konnten indessen ebensowenig umhin, in diesem aufrechtblickenden, vernunftartigen Geschlecht alle die Mängel zu bemerken, die zum bedaurenden Mitgefühl, also zur Humanität und zur Gesellung führen. In Homer und allen ihren Dichtern kommen die zärtlichsten Klagen über das Los der Menschheit vor. Erinnern Sie sich der Worte Apolls, wenn er die armen Sterblichen beschreibt:
[141]

»Wie sie, gleich den Blättern des Baums, jetzt grünen und frisch sind,

Von den Früchten der Erde sich nährend; dann aber in kurzem

Welken und fallen entseelet dahin –«


Oder wenn Jupiter selbst die unsterblichen Rosse Achills bedauret, die um ihren Gebieter trauren:


– Er sprach im Innern der Seele

»Arme, warum doch gaben wir euch dem Könige Peleus,

Einem Sterblichen, euch, die niemals altern und sterben?

War's, mit den unglückseligen Menschen euch leiden zu sehen?

Denn elender ist nirgend ein Wesen, als es der Mensch ist;

Keines von allen, die über der Erde sich regen und atmen.« –


In demselben Ton singen ihre lyrische Dichter.

Nächst der Selbsterhaltung ward es also die erste Pflicht der Menschheit, den Schwächen unserer Nebengeschöpfe beizuspringen und sie gegen die Übel der Natur oder die rohen Leidenschaften ihres eignen Geschlechts in Schutz zu nehmen. Dahin ging die Sorge ihrer Gesetzgeber und Weisen, daß sie in Worten und Gebräuchen den Menschen diese unentbehrlichen heiligen Pflichten gegen ihre Mitmenschen anempfahlen und dadurch das älteste Menschen- und Völkerrecht gründeten. Religion war's, vom Morde sich zu enthalten, dem Schwachen beizuspringen, dem Irrenden den rechten Weg zu zeigen, des Verwundeten zu pflegen, den Toten zu begraben. In Religion wurden die Pflichten des Ehebundes, der Eltern gegen die Kinder, der Kinder gegen die Eltern, des Einheimischen gegen die Fremden eingehüllet und allmählich dies Erbarmen auch auf Feinde verbreitet.23 Was Poesie und gesetzgebende[142] Weisheit begonnen hatten, entwickelte die Philosophie endlich; und wir haben es insonderheit der sokratischen Schule zu danken, daß in Form so mannigfaltiger Lehrgebäude die Kenntnis der Natur des Menschen, seiner wesentlichen Beziehungen und Pflichten das Studium der erlesensten Geister ward. Was Sokrates bei den Griechen tat, brachten bei andern Völkern andre zustande: Konfuzius z.B. ist der Sokrates der Sineser, Menu der Indier worden; denn überhaupt sind die Gesetze der Menschenpflicht keinem Volk der Erde unbekannt geblieben. In jeder Staatsverfassung aber hat sie nach Lage und Zeit das sogenannte Bedürfnis des Staats teils befördert, teils aufgehalten und verderbet.

Unter den Römern also, denen das Wort Humanität eigentlich gehört, fand der Begriff Anlaß gnug, sich bestimmter auszubilden. Rom hatte harte Gesetze gegen Knechte, Kinder, Fremde, Feinde; die obern Stände hatten Rechte gegen das Volk u. f. Wer diese Rechte mit größester Strenge verfolgte, konnte gerecht sein, er war aber dabei nicht menschlich. Der Edle, der von diesen Rechten, wo sie unbillig waren, von selbst nachließ, der gegen Kinder, Sklaven, Niedre, Fremde, Feinde nicht als römischer Bürger oder Patrizier, sondern als Mensch handelte, der war humanus, humanissimus, nicht etwa in Gesprächen nur und in der Gesellschaft, sondern auch in Geschäften, in häuslichen Sitten, in der ganzen Handlungsweise. Und da hiezu das Studium und die Liebe der griechischen Weltweisheit viel tat, daß sie den rauhen, strengen Römer nachgebend, sanft, gefällig, billigdenkend machte, konnte den bildenden Wissenschaften ein schönerer Name gegeben werden, als daß man sie menschliche Wissenschaften nannte? Gewiß war von ihnen die Philosophie nicht ausgeschlossen24; vielmehr war sie dieser bildenden Wissenschaften Erzieherin und Gesellin, bald ihre Mutter, bald ihre Tochter gewesen.[143]

Da bei den Römern also die Humanität zuerst als eine Bezähmerin harter bürgerlicher Gesetze und Rechte, als die eigentliche Tochter der Philosophie und bildenden Wissenschaften einen Namen gewonnen hat, der sich mit diesen nachher weitervererbte, so lassen Sie uns ja Namen und Sache ehren. Auch in den abergläubigsten, dunkelsten Zeiten erinnerte der Name humaniora an den ernsten und schönen Zweck, den die Wissenschaften befördern sollten; diesen wollen wir, da wir menschliche Wissenschaften doch nicht wohl sagen können, mit und ohne dem Wort Humanität, nie vergessen, nie aufgeben. Wir bedürfen dessen ebensowohl als die Römer.

Denn blicken Sie jetzt weiterhin in die Geschichte; es kam eine Zeit, da das Wort Mensch (homo) einen ganz andern Sinn bekam, es hieß ein Pflichtträger, ein Untertan, ein Vasall, ein Diener.25 Wer dies nicht war, der genoß keines Rechts, der war seines Lebens nicht sicher; und die, denen jene dienende Menschen zugehörten, waren Übermenschen. Der Eid, den man ihnen ablegte, hieß Menschenpflicht (homagium), und wer ein freier Mann sein wollte, mußte durch den Mann-Rechtsbrief beweisen, daß er kein homo, kein Mensch sei. Wundern Sie sich nun, daß dem Wort Mensch in unsrer Sprache ein so niedriger Begriff anklebt? Seiner Abstammung selbst heißt es ja nichts anders als ein verachteter Mann, Mennisk, ein Männlein.26 Auch Leute, Leutlein wurden nur als Anhängsel des Landes betrachtet, das sie bebauen mußten, auf welchem sie starben. Der Fürst, der Edle war Herr und Eigentümer über Land und Leute, und seine Säckelträger, Kanzlisten, Kapellane, Vasallen und Klienten waren homines, Menschen oder Menschlein, mit mancherlei[144] Nebenbestimmungen, die ihnen bloß das Verhältnis gab, nach welchem sie ihm angehörten.27Lassen Sie uns ja zum Begriff der Humanität bei Griechen und Römern übergehen, denn bei diesem barbarischen Menschenrecht wird uns angst und bange.


29.

Das Hauptgut wollen wir ja nicht vergessen, das uns die tiefere Betrachtung der Menschennatur für alle Zeiten erworben hat; es ist die Erkenntnis unsrer Kräfte und Anlagen, unsres Berufes und unsrer Pflicht. Eben in dem, wodurch der Mensch von Tieren sich unterscheidet, liegt sein Charakter, sein Adel, seine Bestimmung; er kann sich davon sowenig als von der Menschheit selbst lossagen. Dies ist das wahre studium humanitatis, in welchem uns Griechen und Römer vortrefflich vorgegangen sind; Schande, wenn wir ihnen nachbleiben wollten!

Der Mensch hat einen Willen, er ist des Gesetzes fähig; seine Vernunft ist ihm Gesetz. Ein heiliges, unverbrüchliches Gesetz, dem er sich nie entziehen darf, dem er sich nie entziehen soll. Er ist nicht etwa nur ein mechanisches Glied der Naturkette, sondern der Geist, der die Natur beherrscht, ist teilweise in ihm. Jener soll er folgen; die Dinge um ihn her, insonderheit seine eigne Handlungen, soll er dellt allgemeinen Principium der Welt gemäß anordnen. Hierin ist er keinem Zwange unterworfen, ja er ist keines Zwanges fähig. Er kostituieret sich selbst; er konstituiert mit andern ihm Gleichgesinnten nach heiligen, unverbrüchlichen Gesetzen eine Gesellschaft. Nach solchen ist er Freund, Bürger, Ehemann, Vater, Mitbürger endlich der großen Stadt Gottes auf Erden,[145] die nur ein Gesetz, ein Dämon, der Geist einer allgemeinen Vernunft und Humanität beherrschet, ordnet, lenket.

Doch warum spreche ich? und lasse nicht lieber den menschenfreundlichen Kaiser sprechen, der in seinen Betrachtungen über sich selbst mehr als in seiner Statue vor dem Kapitol als Gesetzgeber der Welt dem Menschengeschlecht sanftmütig-groß gebietet.


Mark Antonin über sich selbst


»Von Apollonius habe ich gelernt, frei zu sein und ohne Wankelmut unbeweglich, auf nichts anders, auch mit dem kleinsten Seitenblick, hinzusehen als auf die Vernunft, immer derselbe zu sein, unter den heftigsten Schmerzen, beim Verlust eines Kindes, in langwierigen Krankheiten. Wie in einem lebendigen Muster habe ich an ihm deutlich ersehen, wie derselbe Mann sehr strenge und doch auch nachgebend sein könne. Ich habe von ihm gelernt, wie man von Freunden sogenannte Gefälligkeiten annehmen könne, daß man ihnen weder verhaftet werde noch solche gefühllos zurückweisen dürfe.«

»Vom Sextus lernte ich Wohlwollen; ich empfing das Muster einer väterlichen Hausverwaltung und den Sinn, nach der Natur zu leben. Ich lernte, ernst sein ohne Steifheit, mich in Freunde schicken ohne Laune, Unwissende und vom Wahn Geleitete dulden. An ihm sah ich, was Gefälligkeit gegen jedermann sei; denn sein Umgang war angenehmer als alle Schmeichelei, und doch blieb er zu ebender Zeit bei allen in Achtung.«

»Von meinem Bruder Severus lernte ich Verwandte, Recht und Wahrheit lieben. Durch ihn lernte ich einen Thrasea, Helvidius, Cato, Dion und Brutus kennen; ich empfing die Idee eines Staats, der nach gleichen Gesetzen und Rechten verwaltet wird, einer Regierung, die der Freiheit ihrer Untertanen die höchste Achtung erweiset. Von ihm lernte ich standhaft[146] und ohne Scheu die Philosophie hochschätzen, guttätig sein auf die beste, reichste Weise, jederzeit das Beste hoffen und auf die Liebe der Freunde trauen, es ihnen gestehen, worin man mit ihnen unzufrieden sei, was man wolle oder nicht wolle, sie nicht erraten lassen, sondern es ihnen klar sagen.«

»Haben wir den Verstand miteinander gemein, so ist uns auch die Vernunft gemein, durch die wir vernünftig sind. Ist dieses, so ist uns auch die Vernunft gemein, die vorschreibt, was wir zu tun und nicht zu tun haben. Ist dies, so haben wir auch ein gemeinschaftliches Gesetz. Ist das, so sind wir Bürger und nehmen an einem gemeinschaftlichen Staate teil. Dieser Staat ist die Welt; denn was für einen andern Staat könnte jemand nennen, an dem das ganze Menschengeschlecht teilnehme? Aus diesem gemeinschaftlichen Staat also haben wir alle denselben Verstand, dieselbe Vernunft, dieselbe gesetzgebende Vernunft; denn woher hätten wir sie sonst? Wie das Irdische an mir, das Feuchte, das Luftige, das Feurige jedes aus der Quelle seines Elements kommt und dahin gehöret, so muß auch der Verstand irgendwoher sein und dazu gehören.«

»Was dir füglich ist, o Weltall, ist auch mir bequem Nichts kommt mir zu frühe, nichts zu spät, was dir recht ist. Alles ist mir Frucht, o Natur, was deine Horen mir bringen. Aus dir kommt alles, in dir ist alles, in dich kehrt alles zurück. Wenn jener sagte: ›O du geliebte Kekrops-Stadt‹, sollte ich nicht sagen: ›O du geliebte Gottes-Stadt!‹«

»Der Geist des Weltalls ist ein Gemeinheit-Stifter. Das Schlechtere hat er des Bessern wegen hervorgebracht, das Bessere harmonisch zueinander geordnet. Du siehest, wie er unter-, wie er zusammenordnete, wie er jedem Dinge nach Würde das Seinige zuteilte und die edelsten Wesen zum einstimmigen Wohlwollen, zum Gleichsinn gegeneinander verknüpft hat.«

»Stehest du des Morgens ungern auf, so ermuntre dich mit dem Gedanken: Ich erwache zum Werk des Menschen! Sollte[147] ich mit Unwillen dran gehen, das zu tun, deshalb ich geboren, dazu ich in die Welt kommen bin? ›Die Ruhe ist aber angenehm.‹ Bist du zum Genießen geboren? oder nicht vielmehr zum Tun, zum Wirken? Siehest du nicht, wie Gewächse, Vögel, Ameisen, Spinnen, Bienen die Welt auf ihrem Platze mitzieren? und du, ein Mensch, wolltest deinen Menschenberuf nicht erfüllen? Du eilst nicht zu dem, was deine Natur von dir fodert? Du liebst dich also nicht selbst, da du deine Natur und ihr Gesetz nicht liebest. Andre, die ihre Kunst lieben, zehren sich in Ausübung derselben ab, sie vergessen Speise und Trank; du aber schätzest deine Menschennatur geringer als der Drechsler die Drehekunst, der Tänzer die Tanzkunst, der Geizige das Geld, der Ehrsüchtige ein wenig Ehre. Scheinen dir Arbeiten zum gemeinsamen Wohlsein zu geringe, als daß sie gleichen Fleißes bedürften?«

»Siehe zu, daß du nicht verkaisert werdest; nimm die Tinktur nicht an. Denn das geschieht leicht! Erhalte dich einfach gut, unverfälscht, ernsthaft, prachtlos, rechtliebend, gottverehrend, sanftmütig, liebend die Deinigen, tapfer zu jedem wohlanständigen Werk. Kämpfe, daß du der bleibest, zu dem dich die Philosophie machen wollte. Verehre die Götter, erhalte die Menschen. Kurz ist das Leben, und es gibt nur eine Frucht des irdischen Lebens: ein heiliges Gemüt und zum Wohl der Gesellschaft dienende Werke.«

»Glaube nicht, daß, wenn dir etwas schwer dünkt, es dem Menschen unmöglich sei, und was dem Menschen je möglich war, das halte auch dir möglich.«

»Gegen unvernünftige Tiere, überhaupt auch bei allen vorkommenden vernunftlosen Dingen und Geschäften betrage dich als einer, der Vernunft hat, großmütig und frei. Gegen Menschen aber, als gegen vernünftige Wesen, betrage dich mit gemeinschaftlicher, geselliger Vernunft.«

»Die Menschen sind um einander willen da. Belehre sie also, oder ertrage sie.«

»Fange endlich einmal an, ein Mensch zu sein; hüte dich aber ebensowohl, den Menschen zu schmeicheln, als über sie[148] zu zürnen. Beides ist wider die Pflicht der Gesellschaft, beides ist schädlich.«

»Welche Macht und Würde hat der Mensch! Nichts zu tun, als was die Gottheit selbst billigen würde, und alles aufzunehmen, was ihm Gott anweiset.«

»Mensch! Du warest in diesem großen Staate Gottes ein Mitbürger; was kümmert es dich, daß du es nur fünf Jahre lang warest? Was nach Gesetzen geschieht, tut niemandem unrecht. Was ist denn schreckliches darin, daß dich nicht ein Tyrann noch ein ungerechter Richter, sondern die Natur wegruft, die dich in diesen Staat einführte? eben wie den Schauspieler, den der Prätor dung, der Prätor auch von der Schaubühne entläßt. – ›Aber die fünf Akte des Stücks sind von mir noch nicht geendet, sondern nur drei.‹ Wohl! Im Leben sind drei Akte auch ein Stück. Was ein Ganzes sein soll, bestimmet der, der einst Kompositeur, jetzt Auflöser des Spiels ist. Du bist keins von beiden. Geh also zufrieden fort, auch er entläßt dich zufrieden.«

– So spricht Mark Antonin auf allen Blättern. Wir wollen nicht sagen: »Heiliger, bitte für uns,« sondern: »Menschlicher Kaiser, sei uns ein Muster.«




30.

Wer vermag der Würde von solchen Dingen, dem Geiste

Ihrer Erfindung gemäß, ein Lied zu dichten? Und wer hat

Kraft im Busen und Worte der Zunge, zu strömen ein Loblied

Jenem vortrefflichen Mann, der solche Schätze der Wahrheit,

Die sich sein Herz erworben, uns zum Geschenke gelassen?

Möcht es auch einer wagen, von sterblichem Blute geboren?

Wenn der Dinge Gewicht, die sein hoher Geist uns entdeckt hat,

Ihren vortrefflichen Wert wir bedenken, so war er ein Gott uns,[149]

Ja ein Gott war's, ruhmvoller Memmius! welcher zuerst uns

Jenen erhabenen Weg des Lebens gezeiget, den jetzt wir

Weisheit nennen und der, durch ihre Hülfe, das Leben

Aus dem Dunkel der Nacht, aus wogenden Fluten gerettet

Und in den friedlichen Port, in klares Licht es gestellt hat.

Nimm die Erfindungen andrer, die man für göttlich erkannt hat;

Ceres pflanzte die Ähren; es lehrte die Sterblichen Bacchus

Den gekelterten Most aus der Rebe drücken, da dennoch

Ohne Gebrauch von diesen Dingen das Leben bestehn mag,

Wie man's an Völkern ersieht, die jetzt noch ihrer entbehren.

Ist die Brust dir nicht rein, so suchst du vergebens ein Glück dir,

Denkest umsonst an Lebensgenuß. Drum scheint er ein Gott uns,

Und mit mehrerem Recht als jene, von dem in die Herzen

Aller Völker so süßer Trost für das Leben geflossen.

Sollte dir aber dünken, es gingen des Herkules Taten

Diesen weit noch voran, so würdest du gröber dich irren;

Denn was hat des Nemeïschen Löwen gefürchteter Rachen

Schreckbares jetzt für uns? und der Zahn des arkadischen Keilers?

Was aus Kreta der Stier? was des lernäischen Sumpfes

Giftige Pest, die Hydra, mit zischenden Nattern umgürtet?

Was kann die Riesenbrust des dreifachen Geryon, was die

Rosse, die Flammen schnauben, die über Thraziens Felder

Auf die bistonischen Fluren und auf die fruchtreichen Saaten,

Wo sich Ismarus hebt, Tod brachten und wildes Verderben?

Wodurch möchten der Stymphaliden gebogene Krallen

Uns noch fürchterlich werden? wodurch der hesperische Drache,

Der, um den Baum gewunden in ungeheuren Kreisen,

Tod aus den Augen blitzend, die goldenen Apfel bewachet?[150]

Was möcht dieser uns schaden an seiner atlantischen Küste,

An dem unwirtbaren Ufer, wo keiner von uns den Fuß hin

Setzet, das der Barbar selbst zu betreten sich scheuet.

Also verhält es sich auch mit den übrigen Abenteuern.

Hätte sie keiner bestanden, wer möchte sie jetzt noch bestehen?

Niemand, wie ich glaube. Was sollten sie Schaden uns bringen?

Noch ist voll die Welt von Ungeheuern, es herrschet

Noch in den Tälern, den Wäldern, den tiefen Klüften der Berge

Raubbegierige Wut; allein, was gehet sie uns an?

Aber welche Gefahr und welche tötende Zwietracht

Schleicht sich in eine Brust, die von Leidenschaften nicht rein ist!

Wie zerfleischen das Herz die ängstlichen, scharfen Begierden!

Wie zernaget die Sorge den Menschen! wie quälet die Furcht ihn!

Welche Verwüstungen richtet der Stolz nicht an und die Geilheit,

Und der Übermut, das Prassen, die niedrige Faulheit!

Alles dieses hat er, mit Waffen nicht, aber mit Worten,

Tief aus dem Herzen hinweggeräumet und selber gebändigt;

Und ihm gebührete nicht der Dank, der Göttern gebühret?

Ihm, dem Manne, der selbst mit Götterzunge von ihnen

Oft gesprochen und ganz der Dinge Natur uns enthüllt hat.

Auf die Spuren von seinem Pfade tret ich –


So pries ein römischer Dichter, Lukrez, einen seiner Lieblinge der Vorwelt, und er hat mehrere derselben als Genien unsres Geschlechts, als Götter und Sterne an den Himmel[151] gesetzt, weil sie Lebensweisheit und Humanität unter den Menschen gegründet oder befördert haben. Keiner seiner edeln Mitbürger ist ihm hiebei in Wort und Tat nachgeblieben.

Viele Oden des Horaz, noch mehr aber seine Sermonen und sogenannte Satiren sind feine Bearbeitungen der Menschheit; sie haben alle, wenigstens mittelbar, zum Zweck, einen Umriß in das rohe Gebilde des Lebens zu bringen, die Ideen und Sitten jener Person, dieser Stände nach dem Richtmaß des Wahren und Guten, des Anständigen und Schönen zu ordnen. Persius, Juvenal, Lucan und andre wirken dahin, jeder nach seiner Weise; vor allem aber bezeichnet Virgil, wo er kann, seine Gesänge mit einem zarten Druck der Menschenliebe. Unmöglich ist's, daß ein Mann oder Jüngling, dem das Innere dieser Heiligtümer aufgeschlossen wird, sein Inneres nicht durchdrungen und zu einer Form gebildet fühlte, die ihm vielleicht wenige neuere Schriften gewähren. Es ist, als ob jenen großen Autoren die Menschheit reiner vorstand oder als ob sie mehr Kraft gehabt hätten, auch unter allen Unarten der Zeit, ihre wahre Gestalt lebhafter anzuerkennen, stärker und reiner zu schildern, wozu denn, nebst vielem andern, auch ihre Sprache und der Begriff beitrug, den sie sich von Poesie machten.

Doch nicht bei Poesie allein blieb diese Bildung stehen; trotz alles Harten und Drückenden zeigt sie sich auch in der römischen Geschichte. Man lese im Cornelius des Atticus, in Sallust Catilinas, in Tacitus Agricolas Leben, vor allen aber den letzten, den wegen seiner dunkeln Härte so berüchtigten Tacitus, und man müßte ein entschiedner Barbar sein, wenn man in ihnen die tiefen Züge echter Humanität nicht bemerkte. Tacitus beschreibt die greuelvollsten Zeiten, die lasterhaftsten Charaktere; er deckt einen Abgrund von Sitten und einer Regierungsform auf, vor dem man schaudert; zeige man in ihm aber ein einziges Gemälde solcher Untaten und verderbten Seelen, das er nicht in das Licht gestellt hätte, dahin es gehöret! Livia, Tiber, Sejan, Caligula, Claudius, und wie[152] die Unmenschen weiter heißen; gegenteils jede unterdrückte Sprosse des Guten, die sich auf diesem abscheulichen Boden zeigte, alle sind von ihm, wenn auch nur mit einem Wort, in einem Zuge, dem unparteiischen Mit- oder Gegengefühl nahegebracht; sie stehen auf ewig in der Klasse menschlicher, halb- und unmenschlicher Wesen, wo sie stehen sollten. Wer uns keine Umschreibung, sondern eine Übersetzung dieses Geschichtschreibers ganz in seinen Umrissen, in seiner Physiognomie gäbe, könnte nicht anders, als den Sinn der Menschheit auch für unsre Zeit tausendfach erwecken und bilden.

Lassen Sie uns also glauben, daß jung und alt in beiden Geschlechtern, wenn es die Schriften der Alten in ihrem Geist lieset, nicht anders als zur Humanität bearbeitet werden könne. Die barbarische Rinde des Herkommens, die uns von außen angesetzt ist, muß einigermaßen gebrochen werden, wenn wir andre Menschen zu einer andern äußerst verderbten Zeit männlicher denken, würdiger sprechen hören. Wir werden aus unserm Todesschlafe geweckt und lernen in strengern Umrissen kennen:


Quid sumus, aut quidnam victuri gignimur, ordo

Quis datus, aut metae quam mollis flexus, et unde,

Quis modus argento, quid fas optare, quid asper

Utile nummus habet, patriae carisque propinquis

Quantum elargiri deceat, quem te Deus esse

Iussit et humana qua parte locatus es in re –

Discite, o miseri, et causas cognoscite rerum.
[153]

31.

Die Griechen hatten das Wort Humanität nicht; seit aber Orpheus sie durch den Klang seiner Leier aus Tieren zu Menschen gemacht hatte, war der Begriff dieses Worts die Kunst ihrer Musen. Ich bin weit entfernt, die griechischen Sitten und Verfassungen zu jeder Zeit und allenthalben als Muster zu preisen; das kann indessen nicht geleugnet werden, daß das


Emollit mores nec sinit esse feros


mittelbar oder unmittelbar der Endzweck gewesen, auf den ihre edelsten Dichter, Gesetzgeber und Weise wirkten. Von Homer bis auf Plutarch und Longin ist ihren besten Schriften bei einer großen Bestimmtheit der Begriffe eine so reizende Kultur der Seele eingepräget, daß, wie sich an ihnen die Römer bildeten, Sie auch uns kaum ungebildet lassen mögen.

Einzelne Blätter, die mir über die Humanität einiger griechischen Dichter und Philosophen in die Hände gekommen sind, sollen Ihnen zu einer andern Zeit zukommen; jetzt bemerke ich nur, daß, wenn in spätern Zeiten bei irgendeinem Schriftsteller, er sei Geschäftsmann, Arzt, Theolog oder Rechtslehrer, eine feinere, ich möchte sagen, klassische Bildung sich äußerte, diese meistens auch auf klassischem Boden, in der Schule der Griechen und Römer erworben, der Sprößling ihres Geistes gewesen. Wie die griechische Kunst unübertroffen und in Absicht der Reinheit ihrer Umrisse, des Großen, Schönen und Edlen ihrer Gestalten allen Zeiten das Muster geblieben, fast also ist's auch, weniges ausgenommen, mit den Vorstellungsarten des menschlichen Geistes. Was wir kraus sagen und verwickelt denken, gaben sie hell und rein an den Tag; ein kleiner Satz, eine schlicht vorgetragene Erfahrung enthält bei ihnen, wenn man's zu finden weiß, oft[154] mehr als unsre verworrenste Deduktionen; die Probleme, welche die neuere Staatskunst verwickelt vorträgt, sind in der griechischen Geschichte hell und klar auseinandergesetzt und durch die Erfahrung längst entschieden. Die Kritik des Geschmacks endlich, ja die reinste Philosophie des Lebens, woher stammen sie als von den Griechen? In den schönsten Seelen dieser Nation bildeten sie sich; hie und da hat sich ihr Geist schwesterlichen Seelen mitgeteilet. Solange uns also die Griechen nicht geraubt und da sie bisher dem Sturz der Zeiten, der Vertilgung wilder Barbaren und Schwärmer entronnen sind, wird wahre Humanität nie von der Erde vertilgt werden.

Immer wird mir wohl, wenn ich auch in unsern Zeiten einen reinen Nachklang der Weisheit griechischer und römischer Musen höre. Eine Ausgabe, eine Übersetzung, eine wahre Erläuterung dieses oder jenes Dichters, Philosophen und Geschichtschreibers halte ich für ein Bruchstück des großen Gebäudes der Bildung unsres Geschlechts für unsre und die zukünftigen Zeiten. Eine verständige Stimme, die über unsre jetzige Weltlage aus alter Erfahrung spricht, ist mir mehr, als ob ein Barde weissagte.


32.

Aus Ihren Briefen, meine Freunde, ziehe ich mir folgendes:

1. Das weiche Mitgefühl mit den Schwächen unsres Geschlechts, das wir gewöhnlicherweise Menschlichkeit nennen, macht die ganze Humanität nicht aus. Zu rechter Zeit, am rechten Ort ziert es den Menschen allerdings, da Sympathie in reinem Verstande, d.i. eine lebhafte, schnelle Versetzung in den Zustand des Fehlenden, Irrenden, Leidenden, Gequälten, der zarteste Kitt der Vereinigung ähnlicher Geschöpfe und unter Menschen das lindeste Band ihrer Verbindung ist. Nichts stößt mehr zurück als gefühllose, stolze Härte. Ein Betragen, als ob man höheren Stammes und ganz andrer oder[155] gar eigner Art sei, erbittert jeden und ziehet dem Übermenschen das unvermeidliche Übel zu, daß sein Herz ungebrochen, leer und ungebildet bleibt, daß jedermann zuletzt ihn hasset oder verachtet.

So notwendig indessen eine menschliche Lindigkeit und Milde gegen die Fehler und Leiden unsrer Nebengeschöpfe bleibt, so muß sie doch, wenn sie zu weich und ausschließend wird, den Charakter erschlaffen und kann eben dadurch die härteste Grausamkeit werden. Ohne Gerechtigkeit bestehet Billigkeit nicht; eine Nachsicht ohne Einsicht der Schwächen und Fehler ist eine Verzärtelung, die eiternde Wunden mit Rosen bedeckt und eben dadurch Schmerzen und Gefahr mehrt.

2. Auch ist Humanität Ihnen nicht bloß jene leichte Geselligkeit, ein sanftes Zuvorkommen im Umgange, so viel Reize dies auch dem täglichen Leben gewähret. Vielmehr ist sie, subjektiv betrachtet,

3. ein Gefühl der menschlichen Natur in ihrer Stärke und Schwäche, in Mängeln und Vollkommenheiten, nicht ohne Tätigkeit, nicht ohne Einsicht. Was zum Charakter unsres Geschlechts gehört, jede mögliche Ausbildung und Vervollkommung desselben, dies ist das Objekt, das der humane Mann vor sich hat, wornach er strebet, wozu er wirket. Da unser Geschlecht selbst aus sich machen muß, was aus ihm werden kann und soll, so darf keiner, der zu ihm gehört, dabei müßig bleiben. Er muß am Wohl und Weh des Ganzen teilnehmen und seinen Teil Vernunft, sein Pensum Tätigkeit mit gutem Willen dem Genius sei nes Geschlechts opfern.

4. Zum Besten der gesamten Menschheit kann niemand beitragen, der nicht aus sich selbst macht, was aus ihm werden kann und soll; jeder also muß den Garten der Humanität zuerst auf dem Beet, wo er als Baum grünet oder als Blume blühet, pflegen und warten. Wir tragen alle ein Ideal in und mit uns, was wir sein sollten und nicht sind; die Schlacken, die wir ablegen, die Form die wir erlangen sollen, kennen[156] wir alle. Und da, was wir werden sollen, wir nicht anders als durch uns und andre, von ihnen erlangend, auf sie wirkend, werden können, so wird notwendig unsre Humanität mit der Humanität andrer eins und unser ganzes Leben eine Schule, ein Übungsplatz derselben. »Was wahrhaftig, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich ist, was wohllautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dessen befleißigt euch,« sagt selbst ein Apostel.

5. Alle Einrichtungen der Menschen, alle Wissenschaften und Künste können, wenn sie rechter Art sind, keinen andern Zweck haben, als uns zu humanisieren, d.i. den Unmenschen oder Halbmenschen zum Menschen zu machen und unserm Geschlecht zuerst in kleinen Teilen die Form zu geben, die die Vernunft billigt, die Pflicht fodert, nach der unser Bedürfnis strebet. Daß die Wissenschaften, die man humaniora nennt, zum leeren Zeitvertreib oder zu eitelm Putz ausgeartet sind, ist ein Mißbrauch, den schon ihr Name strafet. Ursprünglich war dies nicht also. Vollends Künste und Wissenschaften, die den angebornen Stolz, die freche Anmaßung, das blinde Vorurteil, die Unvernunft und Unsittlichkeit stärken, verschleiern, schmücken, beschönen, sollte man brutalisierende Künste und Wissenschaften nennen, wert, von Sklaven getrieben zu werden, damit auf ihnen die menschliche Tierheit ruhe.

Es freuet mich, daß Sie den Dichter, der den unmenschlichen Achill besang, aus der Reihe humanisierender Weisen nicht ausschließen wollen; das Theater der Alten und ihre Gesetzgebung wird davon gewiß auch nicht ausgeschlossen sein. Das Gemüt läutert, hebet und stärkt sich durch die Betrachtung: »Wir sind Menschen. Nichts mehr, aber auch nichts Minderes, als dieser Name saget.«


Nachschrift

[157] Fragment eines Gespräches des Lords Shaftesbury


Theokles: Kann eine Freundschaft so heroisch sein als die gegen das menschliche Geschlecht? Halten Sie die Liebe gegen Freunde überhaupt und gegen unser Vaterland für nichts? Oder glauben Sie, daß die besondre Freundschaft ohne solche erweiterte Neigung und ohne das Gefühl der Verbindlichkeit gegen die Gesellschaft bestehen könne?

Philokles: Daß man Verbindlichkeiten gegen das menschliche Geschlecht habe, wird niemand leugnen, der auf den Namen eines Freundes Anspruch macht. Schwerlich würde ich dem nur den Namen Mensch zugestehen, der nie jemanden Freund genannt oder nie selbst Freund geheißen hat. Aber wer sich als ein wahrer Freund bewährt, der ist Mensch genug und wird es der Gesellschaft an sich nicht fehlen lassen. Für meine Person sehe ich so wenig Großes und Liebenswürdiges an dem menschlichen Geschlecht und habe eine so gleichgültige Meinung von dem großen Haufen der Gesellschaft, daß ich mir sehr wenig Vergnügen von der Liebe zu beiden versprechen kann.

Th.: Rechnen Sie denn Güte und Dankbarkeit unter die Handlungen der Freundschaft und des Wohlwollens?

Ph.: Ohne Zweifel, sie sind ja die vornehmsten.

Th.: Gesetzt also, der Verpflichtete entdeckte Fehler an seinem Wohltäter, würde dies jenen von seiner Dankbarkeit lossprechen?

Ph.: Nicht im geringsten.

Th.: Oder macht es die Ausübung der Dankbarkeit weniger angenehm?

Ph.: Mich dünkt vielmehr das Gegenteil. Denn wenn mir's an allen andern Mitteln der Vergeltung fehlte, so würde ich mich freuen, wenigstens dadurch meine Dankbarkeit gegen meinen Wohltäter sicher zeigen zu können, daß ich seine Fehler als ein Freund ertrüge.

Th.: Und was die Güte betrifft, sagen Sie mir, mein Freund,[158] sollen wir denn bloß denen Gutes tun, die es verdienen? Etwa bloß einem guten Nachbar oder Verwandten, einem guten Vater, Kinde oder Bruder? Oder lehrt Natur, Vernunft und Menschlichkeit uns nicht vielmehr, einem Vater, bloß weil er Vater, einem Kinde, bloß weil es Kind ist, Gutes zu tun? Und so in jedem Verhältnis des menschlichen Lebens.

Ph.: Ich glaube, das letzte ist das richtigste.

Th.: O Philokles! Bedenken Sie also, was Sie sagten, da Sie die Liebe gegen das menschliche Geschlecht der menschlichen Gebrechen wegen verwarfen und den großen Haufen seines elenden Zustandes wegen verachteten. Sehen Sie nun, ob diese Gesinnung mit der Menschlichkeit bestehen kann, die Sie sonst so hoch schätzen und ausüben Wo kann Edelmut stattfinden, wenn nicht hier? Wo können wir je Freundschaft beweisen, wenn nicht an diesem Hauptgegenstande derselben? Gegen wen werden wir treu und dankbar sein, wenn nicht gegen das menschliche Geschlecht und gegen die Gesellschaft, welcher wir so stark verpflichtet sind? Welche Gebrechen oder Fehler können eine solche Unterlassung entschuldigen oder in einem dankbaren Herzen je das Vergnügen vermindern, welches aus liebevoller Erwiderung empfangener Wohltaten entspringt? Können Sie bloß aus guter Lebensart, aus einem natürlich-guten Temperament Vergnügen daran finden, Höflichkeit, Gefälligkeit, Dienstfertigkeit zu beweisen, Gegenstände des Mitleidens selbst aufsuchen und, wo es in Ihrer Macht steht, selbst Unbekannten dienen; kann es auch in fremden Ländern oder, wenn's Auswärtige betrifft, auch hier Sie entzücken, allen, die es bedürfen, auf die leutseligste, freundschaftlichste Art zu helfen, zu raten, beizustehen; und sollte Ihr Vaterland oder, was noch mehr ist, Ihr ganzes Geschlecht weniger Wohlwollen von Ihnen fodern können, weniger Achtung von Ihnen verdienen als einer von jenen Gegenständen, die Ihnen von ungefähr in den Wurf kommen? –[159]

Ph.: Ich befürchte, daß ich auf diese Art nie ein Freund oder Liebhaber werde. Eine Liebe gegen eine einzelne Person kann ich so ziemlich fassen; aber diese zusammengesetzte, allgemeine Art von Liebe (ich gestehe es, Theokles) ist mir zu hoch. Ich kann das Individuum, aber nicht die ganze Gattung, ich kann nichts lieben, wovon ich nicht irgendein sinnliches Bild habe.

Th.: Wie, Philokles? Sie könnten nie anders lieben als auf diese Art? War Palämons Charakter Ihnen gleichgültig, da er Sie zu dem langen Briefwechsel vermochte, der Ihrer neuerlichen persönlichen Bekanntschaft voranging?

Ph.: Ich kann dies nicht leugnen, und jetzt, dünkt mich, verstehe ich Ihr Geheimnis und begreife, wie ich mich dazu vorbereiten muß. Denn eben wie ich damals, als ich Palämon zu lieben anfing, mich genötigt sah, mir eine Art von materiellem Gegenstande zu bilden und immer ein solches Bild im Kopf hatte, sooft ich an ihn dachte, ebenso muß ich's in diesem Falle zu machen suchen –

Th.: Mich dünkt, Sie könnten immer soviel Gefälligkeit gegen das menschliche Geschlecht haben als gegen die alten Römer, in welche Sie, aller ihrer Fehler ungeachtet, doch immer verliebt gewesen sind, besonders unter der Vorstellung eines schönen Jünglings, der Genius des Volks genannt.

Ph.: Wäre mir's möglich, meiner Seele ein solches Bild einzudrücken, es möchte nun das menschliche Geschlecht oder die Natur bedeuten, so würde das vermutlich auf mich wirken und mich zum Liebhaber nach Ihrer Art machen Noch besser aber, wenn Sie es so veranstalten könnten, daß die Liebe zwischen uns wechselseitig würde, wenn Sie mich überreden könnten zu glauben, dieser Genius sei nicht gleichgültig gegen meine Liebe und fähig, sie zu erwidern –

Th.: Gut! ich nehme die Bedingung an. Morgen, wenn die östliche Sonne, wie die Dichter sagen, mit ihren ersten Strahlen den Gipfel jenes Hügels vergoldet, dann wollen wir, wenn's Ihnen beliebt, mit Hülfe der Nymphen des[160] Hains dieser unsrer Liebe nachspüren, erst den Genius des Orts anrufen und dann versuchen, ob wir nicht wenigstens eines schwachen, fernen Anblicks des höchsten Genius und der ersten Urschönheit gewürdigt werden. Sollte es Ihnen glücken, nur einmal diese zu sehen, so stehe ich dafür, alle jene widrige Züge und Häßlichkeiten sowohl der Natur als des menschlichen Geschlechts werden augenblicks verschwinden. Ihr Herz wird ganz mit der Liebe erfüllt werden, die ich Ihnen wünsche.


Soweit dies Gespräch. Wie Theokles seinen Zweck bewirkt habe, mögen Sie in der vortrefflichen Rhapsodie »Die Moralisten« beim edeln Shaftesbury selbst lesen.28




33.

Mit Recht nennen Sie Shaftesbury einen edeln Schriftsteller; ob ihn gleich hie und da sein Stand, ich möchte sagen seine Lordschaft, übereilte. Sein zuweilen zwangvoller Stil, manche Späße, die er sich über die Geistlichkeit erlaubte, sein Einfall, »Witz und Humor zum Prüfstein aller, auch der ernstesten Wahrheit zu machen,« haben Tadler und Widerleger gnug gefunden; über seinen Kunstgeschmack wäre auch manches zu sagen. Die bessere philosophische Seele aber, die in ihm wohnte, sein honestum und decorum in der Moral, hundert feine Bemerkungen über Grundsätze, Sitten, Komposition und Lebensweise sind nach allem Tadel unwiderlegt geblieben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein unbefangener honetter Mann diesen Schriftsteller ohne innige Achtung aus der Hand legen sollte; und für Jünglinge wünschte ich[161] in unsrer Sprache zum übersetzten Shaftesbury eine Zugabe, »wie Shaftesbury zu lesen und was in ihm zu berichtigen sein möchte«. Wie Leibniz, so hielten Diderot, Lessing, Mendelssohn von diesem Virtuoso der Humanität viel; auf die besten Köpfe unsres Jahrhunderts, auf Männer, die sich fürs Wahre, Schöne und Gute mit entschiedner Redlichkeit bemühten, hat er auszeichnend gewirket.

Und doch, m. F., dünkt mir sein System der Moral unzureichend, sofern es sich bloß auf das decorum et honestum als auf ein Gefühl gründet. Es kommen starke Stellen darüber, auch als Pflicht, als Gesetz betrachtet, in ihm vor; im ganzen aber, scheint mir's, hat er, um seine Moral liebenswürdig zu machen, mit der menschlichen Natur etwas zu sehr getändelt. Hier muß man hinter allem doch endlich mit der stoischen Philosophie zum alten Wort Gottes zurückgehen: »Du sollt! Du sollt nicht!,« sofern uns dies nicht Konvenienz, Geschmack und Vergnügen, sondern Pflicht und Vernunft vorhält.

Neulich kam mir ein Lehrgedicht zu Handen, wo mir zuerst folgende Stelle in die Augen fiel:


Sei liebreich mit Vernunft; nur weise Huld ist echt,

Gibt jedem, was sie soll, und kränket keines Recht.

Kein Schimmer äußrer Macht, kein Geld, das Sklaven rühret,

Hält den Gerechten ab, zu tun, was ihm gebühret.

Gleich feurig zu dem Schutz des Edlen als des Knechts,

Ist er der treue Freund des menschlichen Geschlechts.

Unfähig zu der Kunst, die den Vertrag verdrehet,

Hält er dem Fürsten Wort wie dem, der nackend gehet;

Bei ihm ist, was du hast, so sicher als bei dir,

Das ihm geliehne Gut zieht er dem eignen für;

Im kleinsten Werk getreu, verschwiegen bis zur Bahre

Und zu des Freundes Dienst bereit bis zum Altare.

Hört, Bürger der Natur, den Inhalt aller Pflicht:

Lernt die Gerechtigkeit! vergesset Gottes nicht!


Gereizt durch diese Stelle schlug ich weiter zurück und fand die Geschichte der Humanität so vorgetragen:
[162]

Vernunft, der Gottheit Strahl, der rohen Völkern schien,

Hieß aus des Waldes Nacht sie in die Städte ziehn;

Gab Ordnung und Gesetz, schuf Menschen aus Barbaren,

Gebot den Wilden selbst, Verträge zu bewahren.

Dies hob der Weisen Ruhm in Griechenland empor

Und rief aus Skythien den Anacharsis vor.

So war der Menschheit Recht der Leitstern alter Weisen;

Doch keiner wagte sich, es andern anzupreisen – –

Die Welt verdankt dir's nie, unsterblicher Sokrat!

Dein Fuß betrat zuerst den ungebahnten Pfad.

Der alte Philosoph, vertieft in Zahl und Sternen,

Erhielt von dir die Kunst, sich selbst beschaun zu lernen.

Es sah der Mensch das Licht, das längst in ihm gebrannt,

Und das, vom Wahn umwölkt, nur Trägheit nicht erkannt.

Da fühlte sich Athen und lernte Platons Lehren,

Des Weisen von Stagir, des Epiktets verehren,

Da tratest du auch auf, erhabner Epikur,

Der Tugend echter Freund und Kenner der Natur. –


Verehrungswürd'ges Rom! groß durch erfochtne Kronen,

Noch größer durch den Geist gepriesner Ciceronen,

O Rom, Europa selbst, von deiner Herrschaft Joch

Vorlängst entlediget, ehrt dein Gesetze noch

Aus Quellen der Natur sind deines Rechtes Lehren

Ursprünglich hergeführt; sie müssen ewig währen!

Die Nacht der Barbarei verfinsterte dies Licht,

Die Welt verwilderte und sah die Tugend nicht.

Ein schwarzes Wundertier, der Ketzereifer, siegte,

Der Dummheit Tugend hieß und mit der Wahrheit kriegte,

Bis ihr verstärkter Glanz der Welt mehr Einsicht gab;

Da fielen der Vernunft die schweren Fesseln ab.


Der Dichter nennt Baco, Grotius, Pufendorf u.a. mit verdientem Ruhm; er gehet die Pflichten durch gegen Seele und Leib, gegen Gott und andre. Über Irrtum und Unwissenheit, Klugheit und Torheit, über die Verbindlichkeit zur Wissenschaft und zu allgemeinen Begriffen, über Erfahrung, Vernunft,[163] Geschichte, Fabel, Selbsterkenntnis, als Mittel zu Besserung des Verstandes und Willens, enthält sein Gedicht schöne Stellen. Desgleichen über einzelne Pflichten, die Mäßigkeit, Sittsamkeit, Gnügsamkeit, Verbindlichkeit zur Arbeit, über Pflichten in Glück und Unglück, über die Dankbarkeit gegen Gott, das Vertrauen auf die Vorsehung, über gesellige Hülfe, Sanftmut, Großmut, Wahrheitliebe, Freigebigkeit u.f., wobei sowohl die entgegenstehenden Laster als die Grenzen der Tugend bemerkt oder geschildert werden. Es sind Lehren in ihm, die der Jugend Gedächtnissprüche werden sollten, indem sie die Grundfesten aller moralischen Wahrheit enthalten, z.B.:


Es ward ein gleicher Trieb in aller Herz gelegt

Und allen Sterblichen die Regel eingeprägt:

Du sollt das Gute tun, du sollt das Böse lassen;

In diesen Götterspruch läßt das Gesetz sich fassen,

Das die Natur uns schrieb. Er hält ein Recht in sich:

Beginne, denke, flieh, begehre, schweige, sprich.

Nicht Erz, das Rost verzehrt, nicht Blätter, die veralten,

Kein Stein hat dies Gesetz der Menschen aufbehalten!

Der Allmacht Tochter grub mit ewigheller Schrift

Es in die Seelen ein, die nie Verwesung trifft.

Ein ewiges Gebot, darin ich wandeln müßte,

Wenn, welches ferne sei! ich auch von Gott nichts wüßte! –


Zu wünschen wäre es, daß der Verfasser sich durchaus auf diesem strengen Pfade gehalten hätte. Da er aber das sogenannte System der Vollkommenheiten als Grund der Moral annimmt, so wird sein Gebäude hie und da schwankend. Allerdings vervollkommt uns die Ausübung der Pflicht; nicht aber müssen wir sie tun, um über Gewinn an Vollkommenheiten zu markten. Das Gebot heißt: »Du sollt!« nicht: »Du wirst!« welches bloß eine höfliche Bettelei wäre.

Sie halten vielleicht dies schöne Lehrgedicht für ein Manuskript; leider ist's seit seiner Bekanntmachung im Jahre 1758[164] für viele ein Manuskript geblieben. Es heißt Lichtwers »Recht der Vernunft« und scheint unsrer poetischen Welt so veraltet wie Hallers, Hagedorns, Kästners, Uz', Witthofs, ja überhaupt die Lehrgedichte. Unser Publikum ist jung; es liebt Tändeleien der Jugend.


34.

Die Blätter über die Humanität Homers, die Sie zu sehen wünschen, nehme ich aus einer unvollendeten größern Schrift, die ihr Verfasser »Ionien« genannt hat, deren weitern Inhalt ich aber hier nicht zu verraten habe.


Über die Humanität Homers in seiner Iliade


Wir kommen allmählich wieder in die Zeiten zurück, da man von Homers Roheit nicht gnug reden konnte. In Frankreich warf man ihm vormals nur Mangel an Geschmack vor; in Deutschland scheint es ein Lieblingsgesichtspunkt zu werden, in den Sitten seiner Helden, mithin wohl gar in Homer selbst, Mangel an Bildung, an moralischem Geschmack zu finden und dies unsterbliche Gedicht endlich nur als die »historische Tradition wilder Zeiten« zu behandeln, die, wie man sich ausdrückt, Homers glühende Einbildungskraft aufnahm und feststellte. Soviel Wahres dieser Gesichtspunkt in manchem Betracht zeigen mag, so zeigt er gewiß nicht alles Wahre und sein Weniges gewiß nicht auf die nützlichste Weise Dazu gehört keine Kunst, hie und da Übereinstimmung der Zeiten, die er besang, mit Völkern, die auf einer, wie uns dünkt, niedrigern Stufe der Kultur leben, zu finden, diese gefundene Ähnlichkeit zu übertreiben und dabei das Auge vor allem sittlichen Gefühl, insonderheit aber vor der Kunst und Weisheit zuzuschließen, die Homer unstreitig auf die Komposition seines Gedichts gewandt hat.

Bei jeder Kunstkomposition fragt man: Wozu hat sie der[165] Künstler komponiert, was war dabei seine Idee und wie setzte er die Teile seines Werks zusammen? Sind Homers Rhapsodien die rohe Stimme eines griechischen Barden, der einem rohen Volk Märchen aus roheren Zeiten vorsingt, um diese mit ihren Unförmlichkeiten ja nicht untergehen zu lassen; warum wandte man Jahrtausende hindurch auf ihn so viele Mühe? Waren die Griechen, die Römer und unter andern Nationen die feinsten Denker, waren unter den Griechen Gesetzgeber, Künstler, Weise, Dichter nicht abergläubig und blödsinnig, daß sie aus einer Tradition vergangener Unmenschlichkeiten so viel Wesens machten und einen unreinen Schlamm in so viel Bäche ableiteten? Das hieße ja die Unmenschheit oder Halbmenschheit um so gefährlicher festhalten, weil sie mit Homers Farben geschmückt war.

Fragt man bei jeder Geschichte, bei jedem Drama: »Wer spricht dies? wenn? wozu spricht er's? in welchem Charakter handelt er? wozu stellte ihn der Geschichtschreiber oder Dichter auf?« – wie? und bei der größesten Komposition der Welt wollte man nicht also fragen?

Was besingt Homer? Nicht den Trojanischen Krieg, nicht eine Geschichte alter Zeiten als solche, auch nicht Achilles Geschichte, sondern


Den Zorn, des Peleiden Achilles

Schädlichen Zorn, der tausend Jammer den Griechen gebracht hat

Und viel tapfere Seelen der Helden zum Orkus hinabstieß,

Ihre Leiber den Hunden und allem Gevögel zum Raube

Gab –


Wahrlich, das heißt doch den Unmut Achills, er möge gerecht oder ungerecht sein, nicht unbedingt preisen. Sogleich bezeichnet ihn der Dichter als eine verderbliche Plage der Götter, die um so bedaurenswürdiger war, weil sie bloß aus einem unseligen Zwist entstand, den sein Held mit dem Könige Agamemnon hatte –[166]

Und wer ist schuld an diesem Zwiste? Homer eröffnet sein Gedicht mit einer Erzählung, die keinen Leser oder Zuhörer im Zweifel lassen kann. Ein Vater, ein Priester Apolls, ein schonenswürdiger, unantastbarer Greis kommt unter dem Schutz seines Gottes, um seine geraubte Tochter zu bitten. Er spricht weder Mitleid noch Erbarmen an; er will sie nur, und zwar überreichlich, loskaufen. Seine kurze Bitte ist so geziemend, so artig; und welche harte, ungeziemende Antwort gibt der König der Griechen dem flehenden Alten:


Alter! Daß ich dich nie bei den hohlen Schiffen erblicke!

Treff ich ferner dich an, es sei, du weilest noch jetzo,

Oder du kehrest ein andermal wieder, so möchte der Goldstab

Mit dem Kranze des Gotts dich nicht mehr schützen. Die Tochter

Geb ich nicht los, bis einst in unsrer Wohnung in Argos

Sie, von ihrem Geburtsland fern, bei Spindel und Webstuhl,

Und mein Lager bedienend, veraltet. Du aber entfliehe!

Reize mich nicht zum Zorn, wenn noch dein Leben dir lieb ist.


Nicht den Vater, den Fremden, den Bittenden, den Greis beleidigt diese Antwort allein; sie beleidigt den Gott in seinem Priester und ist wirklich die Rede eines übermütigen Atriden.

Nun steigt der Gott vom Olymp; die Pfeile fliegen, die Menschen sterben, die Holzstöße flammen; Achill, den die Not des Heers jammert, ruft die Versammlung zusammen, um die Ursache auszukunden, warum ein Gott auf sie alle jetzt also ergrimmt sei. Kann Achill edler auf den Schauplatz gebracht werden als also? Der Hirte der Völker war durch seinen Trotz ihr Verderben worden; sein königliches Herz machte sich keinen Vorwurf, ob er vielleicht an ihrem Untergange schuld sei, noch suchte er Mittel dagegen; den großherzigen Achill allein kümmert die Sache des Ganzen.[167]

Als solcher erscheint er sofort in seinen Reden, unbefangen, wie es die Großherzigkeit ist, und gerade. Da der weiseste Seher sich nicht erkühnt zu sprechen, weil er sich vor dem Unwillen des Mächtigsten, dessen Gemütsart ihm bekannt ist, fürchtet, nimmt ihn Achill für das gemeine Beste in Schutz; worauf denn der Übermut des Königs zuerst auf den Seher, sogleich nach einer sehr billigen Rede des Achilles auf diesen herfällt. Und da Achill nicht geschaffen war, sich vor der Versammlung oder sonst schmähen, beleidigen, das Seine sich rauben zu lassen, am wenigsten aber vom stolzen Dünkel eines übermütigen Atriden, so entbrennet der Zwist, so folgt die Erbitterung, bei der (ich wage es zu sagen) Achill auch im wildesten Feuer gerecht bleibt. Pallas erscheint ihm zu rechter Zeit, ihn bei der blonden Haarlocke zu ergreifen, und als der unbesonnene Fürst, auch nachdem er Zeit zu besserer Überlegung gehabt hatte, sein unbefugtes Machtwort vollführet und ihm sein Eigentum, seine geliebte Briseis raubet, beträgt sich Achill gegen die Herolde mit einer hohen Mäßigung. Ungern wie Briseis dahingeht, sehn wir sie hingehn und setzen uns mit dem Gekränkten weinend ans Ufer. Da hören wir ihn der Mutter klagen und teilen mit ihr den Jammer um einen so herrlichen Sohn, den bei einem kurzen Leben, ohne seine Schuld, diese öffentliche Beleidigung, dieser Gram, dieser Unmut treffen mußte. Mit Freuden sehen wir den Vater der Götter den großen Wink tun und den Gekränkten in Schutz nehmen.

Wenn nun, ganze Gesänge der Iliade hindurch, unschuldige, tapfre, edle Männer, wenn liebe Söhne, junge Gatten, blühende Jünglinge fallen, wer ist an ihrem Tode, wer an der Trauer, den Tränen, dem Verlust ihrer Eltern und Gatten und Bräute schuld? Achilles nicht; er streitet bloß nicht mit und kann und darf, als ein öffentlich und ungerecht Gekränkter, nicht mitstreiten. Unmutig sitzt er in seinem Zelt, und seine Myrmidonen murren zuletzt um ihn her, daß er sie nicht zum Streit führe. Der übermütige König allein ist's, der dadurch die Völker stürzt, daß er nicht nur jenen Helden[168] beleidigte, sondern sogleich auch, im Wahn seines Ruhms, zu zeigen, daß er Achills nicht bedürfe, seine geliebten Völker zur Schlachtbank hinführt.

Unglaublich ist's, wenn man es nicht sähe, mit welcher moralischen Zartheit Homer dies alles einleitet und beschreibet. Ebendieselbe Mutter des Beleidigten, die den höchsten Gott anfleht, hatte dem Dichter Raum gemacht, einen falschen Traum vom Himmel kommen zu lassen, der dem Könige einbilde, er könne jetzt, dem Achill zum Trotz, Troja im Hui erobern.

Dagegen erhebt sich nun freilich der alte Nestor


– Und sagte mit Weisheit:

Hätte den Traum von allen Achäern ein andrer erzählet,

Würden wir sagen: Du lügst! und ihn unwillig verschmähen,

Aber ihn sah der König –


Und sogleich steht der König von seinem Sitz auf, stützet sich auf seinen über alles gepriesenen Zepter, hat sogar eine herrliche List erdacht, die Anhänglichkeit der Griechen an ihn, an seinen Bruder Menelaus und dessen Weib Helena zu prüfen, überzeugt, daß sie sich ihm nicht anders als zum Opfer geben wür den. Die königliche Persuasion mißrät; der kluge Ulysses mit dem noch unveralteten Zepter Agamemnons in der Faust kann sie kaum wieder zu ihren verlassenen Sitzen bringen, wo denn Thersites aufsteht und er allein, auf die unschicklichste Art, der Sache Achills erwähnet.

So mancherlei über diesen häßlich-lächerlichen Thersit geschrieben worden, so steht jedermann das vor Augen, daß den Edelsten der Schlechtste, den Herrlichsten der Häßlichste allein und aufs niedrigste verteidigt. Jeder gönnet diesem die Schläge des Ulysses; es ist aber große Weisheit des Homers, daß er sie dem Thersites zukommen läßt, indes alle Fürsten des Heers, deren keiner Agamemnons Betragen gegen Achill loben konnte, dazu schwiegen. Allen bekommt dies Schweigen,[169] die ganze Iliade hindurch, sehr unwohl, ihren Völkern aber noch übler.

Es wird in einem andern Kapitel davon die Rede sein, wie Homer, der überhaupt keinen Groll gegen ein menschliches Geschöpf, geschweige gegen den König seiner Griechen, heget, den Agamemnon allenthalben nicht nur geschont, sondern, wo er irgend konnte, königlich und festlich ausgeschmückt habe. Zum Treffen läßt er ihn ziehen:


Ganz an Augen und Haupt dem donnerbewaffneten Zeus gleich,

Um den Gürtel dem Mars, an Brust und Schultern dem Meergott;

Wie der führende Stier sich in der versammleten Herde

Ausnimmt; unter den Rindern der Erst' und Größte von Ansehn.


Er lässet ihn den tapfersten Kriegern, einem Diomedes sogar, Verweise geben; doch das alles tut nichts zur Sache. Nach vielen erlittenen Niederlagen muß der alte Nestor mit dem Bekenntnis doch heraus:


–Ich denke noch heute, so wie ich schon vormals

Dachte, zur Zeit, o König, als du die junge Briseis

Aus des erzürnten Achilles Gezelten gewaltsam entführtest,

Nicht nach unserm Ermessen; ich riet es mit vielen und starken

Gründen dir ab; doch du, vom hohen Mute bemeistert,

Kränktest die Ehre des Helden, der selbst von Göttern geehrt war,

Und noch hast du bei dir den Siegslohn, den du ihm raubtest.


Er schlägt zur Aussöhnung Geschenke und schmeichelnde Worte vor; Achilles schlägt sie aus und muß sie ausschlagen;[170] ja wäre Agamemnon selbst in sein Zelt gekommen, er hätte einen bösen Weg daraus gefunden. Nun hatte dieser Raum seine Wunder der Tapferkeit und Oberherrschaft zu erweisen, die aber alle dahinaus gingen, daß nach Niederlagen von allen Seiten die Mauer der Griechen erstürmt ward und Hektor, ans Schiff des Protesilaus greifend, ausrief: »Bringt Feuer!« – Hier war das Ziel. Nicht Agamemnons Geschenke, noch eines schlauen Ulysses Reden, Achilles eigner Entschluß, mit welchem sich seines Freundes Patroklus Tränen verbanden, hemmte die äußerste Gefahr des Heeres. Jetzt gab Achill dem Patroklus seine Waffen mit dem gemessenen Befehl, wie weit er gehen sollte. Als Patroklus diesen überschritten hatte und den Feinden erlag, als Hektor, in die Waffen Achills zu seinem eignen Verderben gekleidet, dastand und die Nachricht vom Tode des Freundes, endlich auch seine kaum noch erbeutete Leiche ins Lager kam, da war aller Groll dahin; im Himmel und auf der Erde war Friede. In neue Waffen gekleidet, erscheint er in der Versammlung, und wie klein ist gegen ihn Agamemnon, ob er sich gleich noch jetzt, zur Entschuldigung seines Fehlers, in einem Märchen von der Ate dem Jupiter gleichstellt. Wie groß dagegen ist Achilles und wie zart! zart in den Klagen um seinen Freund, in den Klagen an seine Mutter, groß in der Versöhnung mit seinem Feinde, in der Anordnung des Begräbnisses seines Freundes:


Laßt Patroklus' Gebein, des Menötiaden, uns sammlen

Mit sorgfältiger Wahl; es ist nicht schwer zu erkennen.

Dieses legen wir bei in goldner Urne, bis ich auch

Sinke zum Hause des Pluto – –

Dann erhöhn wir den Hügel zum Grabmal; aber ich wünsch ihn

Nicht von stolzer Größe, nur mäßig. Breiter und höher

Möget ihr, Freund', ihn künftig erbaun, so viele von euch mich

Überleben – –
[171]

Groß endlich in den Kampfspielen, in der Überwindung sein selbst, da er den Leichnam Hektors zurückgibt, in der Behandlung Priamus' dabei, groß von Anfange des Gedichts bis zu Ende. Scherzend spricht er zu Priamus:


Greis, wie schläfst du so unbekümmert, kein Übel befürchtend,

Wenn dich allhier Agamemnon entdeckt und die andern Achäer! –


Dies ist das letztemal, da Agamemnons in der »Ilias« gedacht wird; wie tief steht er unter Achill, in dessen Zelte sein Feind ruhig schläft.

Ich weiß wohl, daß man die gedrohete Mißhandlung am Leichnam Hektors dem Achilles hoch aufnimmt; aber preiset sie Homer? und verhindern sie die Götter nicht selbst, denen Achilles sogleich wie ein Kind gehorchet? Und was hatte Hektor mit Patroklus, Leiche im Sinn, über die ein so hitziger Kampf war?

Man ist gewohnt, Achill und Hektor zum Nachteil des ersten zu vergleichen; nach welchem Maßstabe? Nicht nur waren es verschiedene Charaktere, und zu Achills Charakter gehörte, was er war, untrennbar, sondern Hektor war auch ein Trojaner. Daß in Troja, dem alten asiatischen Königssitze, ein größerer Reichtum, eine weichere Lebensart herrschte als in den meisten griechischen Staaten sein konnte, zeigt sich in mehreren Stellen der Iliade; der Charakter des ersten Trojaners mußte diesem Zustande gemäß sein. Der Spiegel Homers, in welchem sich alle Dinge der Welt gleich klar und rein darstellen, zeigt alle Gestalten gleich menschlich und milde. Bei völligen Gegensätzen scheint eine Vergleichung kaum möglich; und doch wirft Homer auf alle, wo irgend er kann, den milden Strahl der Menschheit.[172]

Sein Gedicht endet, ehe Troja erobert wird, ehe wir also die Greueltaten der Griechen in dieser eroberten Stadt gewahr werden. Selbst sein Held hatte das gute Schicksal, die schreckliche Folge seiner Tapferkeit nicht zu erleben; er fiel, wie wir aus andern wissen, im Tore von Troja. Und bei Homer, sobald Achill mit seinen neuen Waffen dahergeht, geht er zum Tode. Dies weissagt ihm seine Mutter, seine weinenden Rosse, der sterbende Hektor, und er selbst weiß es. Sein Leben ist an Patroklus, Leben geknüpft; ein Hügel soll sie decken und eine goldne Urne beider Asche am troischen Strande vereinen.

Was überhaupt der Glaube an ein Schicksal, was die Taten der Götter, ihre Hülfe und Feindschaft gegen Völker und Menschen in die Komposition Homers an Ruhe, Milde und hoher Ergebenheit bringen, ist unsäglich. Man nehme diese göttliche Farce, wie manche sie genannt haben (μωρον), aus seiner Iliade, und das Ganze wird widrig oder platt, wie fast alle politische Geschichte. Und doch ist alles Zuwirken der Götter bei ihm so menschlich, so natürlich! Nirgend ein zerstörendes Wunder; allenthalben nur der Gang des Menschengemüts, der Menschenkräfte, sofern es ans Zufällige, ans Unvorhergesehene, ans Unendliche reichet. Was zumal die Götter über die Sterblichen und über Achills Rosse sprechen, die einem Sterblichen dienen, ist seelezerschneidend.

Menschlicher Homer, wie liebe ich dich in allen deinen Formen und Gestalten! Auch Paris, auch die Sünderin Helena hast du nicht verschmähet und beide in das Schönste Licht gestellt, in welchem sie stehen konnten. Nicht vergessen sind ihre Brüder Kastor und Pollux, ihr Menelaus samt Ulyß sind mit allen Würden geschmückt, deren sie auf der Ebne vor Troja fähig waren. So Ajax, Diomed, Idomeneus, Nestor; jeder erscheint an seinem Orte, zu seiner Zeit in der Rennbahn des Ruhmes. Kurz oder lange leuchtet sein Schein; aber er geht nach Verdienst auf und nieder.[173]

Drei Lehren drückst du schweigend vor allen uns ins Herz:


1. »Discite justitiam, miseri, et non temnere divos,«


welches ich hier so übersetzen möchte:


»Lernt, ihr Fürsten, gerecht sein und treffliche Männer verehren.«


Dies lehrt uns mit seinem Übermut der prächtige Agamemnon in der ganzen Iliade. Er grenzt an alle Ausschweifungen, die Aristoteles, Ethik kannte, an die Habbegierde (Akolasie), den Neid, die Schamlosigkeit und Beifallgebung, die Prahlsucht; doch grenzt er nur daran, denn der weise Homer hat ihn vor jedem Zuge des Verächtlichen bewahret. Er ist und bleibt bei ihm ein unsträflicher König. Achilles dagegen besitzt den Kern dessen, was die Griechen Tugend nannten, Großherzigkeit (μεγαλοψυχια) und edlen Stolz, hohes Selbstgefühl und die äußerste Wahrheitliebe. Er ist freigebig und auf eine anständige Art prächtig, höflich in seinem Zelt und bis zur Scham bescheiden; dabei gebildeter als alle Griechen; denn er war Chirons Zögling und ergötzte mitten im Unmut sein schwerbeladnes Herz durch Töne. Der wärmste Freund seines Freundes, an Stärke, Tapferkeit, Schönheit und Ruhmliebe über alle Griechen erhaben. Und an diesem gottgeliebten Sohn einer Göttin und eines Helden zeigt uns Homer μηνιν.

2. Die erschreckliche Plage des harten, obwohl gerechten Unmuts. Achill konnte ihm nicht entweichen; denn der Vorfall, der ihn dazu reizte, drang auf ihn, ohne daß er ihn suchte. Er kann, die ganze Iliade hindurch, als Achill nicht anders handeln, als er handelt. Das Unangenehme aber dieses Unmuts für ihn und für andre entwickelt der Sänger durch Worte aus des guten Phönix, ja aus Achills eignem Munde und durch Erfolge in lauter lebendigen Situationen. Sogar[174] das herbeieilende letzte Schicksal des Edelzürnenden sehen wir in diese Reihe der Dinge verflochten, in diesen ihm unvermeidlichen Unfall. Konnte ein zarterer Punkt des menschlichen Herzens und Lebens zarter behandelt werden, als es der Dichter getan hat? Gemeine Seelen wissen nichts vom edeln, göttlichen Unmut; wie manchem größeren Gemüt aber ist er die Klippe des Glücks, seiner Brauchbarkeit fürs gemeine Wesen, des häuslichen und täglichen Wohlseins, ja endlich des Lebens selbst worden! Mehr als ein Gekränkter hat die Klagen angestimmt, die Achill am Ufer des Meers seiner Mutter zuseufzte; er konnte aber keinen andern Trost hören, als jenem die Göttin selbst zu geben vermochte.

3. Endlich, welch eine böse Sache ist der Krieg! Und wie mißlich ist jede Regierungsart unter den Menschen, so unumgänglich sie ist im Kriege und Frieden! Beides hat uns Homer so vorzüglich und hell dargelegt, daß wir auch hier den Meister sehen, der in die rohesten Dinge Weisheit und Menschlichkeit brachte.


35.

Sohn! Dir werden die siegende Stärke, nach ihrem Gefallen,

Pallas und Juno verleihn; du aber bezähme des Herzens

Stolzaufwallenden Mut; denn gütige Triebe sind edler.


Diese Lehre läßt Homer den alten Peleus seinem Achilles auf den Zug vor Troja mitgeben, und die ganze Iliade ist eigentlich ein Lob der Philophrosyne, d.i. gefälliger, menschenfreundlicher Gesinnung; Unmut ist dem Homer eine Plage des Lebens, selbst wenn es ein gerechter, göttlicher Unmut μηνις wäre. Er frißt am Herzen und naget ab die Blüte des Lebens; bei den menschlichsten Gesinnungen wird der Gekränkte wider seinen Willen ein Unmensch. Die älteste[175] griechische Philosophie ging dahinaus, das Gemüt der Menschen vor jedem Äußersten zu bewahren; die älteste Philosophie der Griechen aber war bei den Dichtern. Mit Rechtschaffenheit, Ruhm und Gesundheit ein heiteres, frohes Leben führen zu können, stelleten sie als den höchsten Wunsch der Sterblichen dar und warnten vor jedem Übermaße, vor jeder zu hart angesessenen Neigung. Wie klar muß es in der Seele Homers gewesen sein, da er, sein ganzes Gedicht hindurch, gleichsam die Waage Jupiters in der Hand haltend, die Neigungen und Charaktere der Menschen gegeneinander im Streit und in Folgen abwog! Der Schild Achilles zeigt bei ihm, wie er sich die Welt dachte; unbefangen sah er ihre mancherlei, einander oft nahe entgegengesetzten Szenen, fröhliche und traurige, ruhige und stürmische Szenen, und schildert sie, wie dort Vulkan sie hammerte, glänzend und unvergänglich. Wem Homers Muse den Nebel vom Auge nimmt, gewinnet über die Dinge der Welt gewiß eine große, weise und am Ende fröhliche Aussicht.

Wie Achill mit seiner Leier den Unmut sich zu zerstreuen suchte, so war es das Amt der lyrischen Dichter, der Menschen Herz zur Mäßigung in Glück und Unglück zu stimmen und es zur Freude, Freundschaft und Heiterkeit zu ermuntern. Leider sind die meisten derselben untergegangen; die übriggebliebenen Reste aber zeigen diese Bestimmung. Pindar selbst, ob er gleich laute Siege besingt, hat so manchen Spruch in seinen Gesängen, der zur Mäßigung im Glück, zum behutsamen Gebrauch des Lebens einladet, so manchen, der dem Unmute zuvorzukommen sucht oder nach Erfahrungen desselben die Seele des Kämpfers edel erquicket.

Das feine Echo der Griechen (wie einer unserer Freunde ihn nannte), Horaz, tut ein Gleiches. Es wäre zu wünschen, daß er in seiner wohlgefälligen, einschmeichelnden Art auch uns eigen werden könnte; vielleicht ist dies aber unmöglich, denn die meisten seiner Oden sind zu künstlich eingelegte musivische Arbeit.

Mehrere derselben, wissen Sie, sind nach dem Lateinischen[176] in Musik gesetzt; ich wollte, daß auch aus den für uns nicht ganz brauchbaren Oden alle rein menschliche Strophen, alle beruhigende, tröstende, aufheiternde Sprüche und Empfindungen latein komponiert würden. Stellen aus Virgil desgleichen. Ich erinnere mich aus Luther, daß ihm einige Worte der sterbenden Dido in der Musik einen unvergeßbaren Eindruck gemacht hatten; wem würden nicht jene ewigen Sprüche der Alten, mit welchen sie im einfachsten, kräftigsten Ausdruck des Menschengemüt stärken, einen nach- und widertönenden Eindruck geben? Durch Musik ist unser Geschlecht humanisiert worden; durch Musik wird es noch humanisieret. Was dem Unmutigen, dem Lichtlos-Verstockten die Rede nicht sagen darf, sagen ihm vielleicht Worte auf Schwingen lieblicher Töne.

Wenn dies von Gesängen der Alten gilt, sollte es nicht viel mehr von Sprachen gelten, deren Genius uns vertraulicher und näher Laute des Trostes und der Weisheit zulispelt? Kein Zweifel. In den Dichtern der Italiener, Spanier, Gallier schlummern Töne, die, wenn sie durch Musik und Anwendung zur Weisheit des Lebens würden, Völker und Stände menschlich machen müßten.

Auch in unsern lyrischen Dichtern sind Strophen, die der Sokratischen Schule würdig sind; warum leben sie so wenig im Ohr der Nation? warum schlafen sie mit ihren Erfindern vergessen im Staube? Die Ursache ist leicht zu finden: Weil nur ein so kleiner Teil unsrer Nation kultiviert ist und bei einem andern die scheinbare Kultur zu einem falschen Schmuck fremder Üppigkeit geworden ist. Wir wollen es uns nicht bergen, man spricht viel von Kultur und Aufklärung; man affektiert und fürchtet sie sogar, vielleicht weil man an sich selbst weiß, daß sie nicht tief gehet, daß sie selten von rechter Art ist. Denn wirklich gebildete Gemüter (in dem Verstande, wie Griechen und Römer dies Wort uns zugebracht haben) können am Nutzen der echten Bildung nicht zweifeln.

Doch wo gerate ich hin? Lassen Sie uns schnell zu unsrer Materie, zu dem unverfänglichen Wunsch nach Kompositionen[177] schöner Stellen aus lateinischen Dichtern zurückkehren. Oft, gar oft, wenn ich geistliche Musiken über lateinische Mönchsworte hörte, regte sich das Verlangen in mir, auch altrömische Stellen mit solcher Musik begleitet zu hören; und als in Reichardts »Totenfeier auf Friederich« nach Lucchesinis Worten altrömische Tugenden, eine nach der andern, auf des Unsterblichen Grab auch in Tönen sich zudrängten, ward der Wunsch aufs neue in mir lebendig. Strophen aus Horaz (z.B. B. 1, Ode 7, V. 21–32; B. 2, Ode 10, V. 13–24) oder ganze Stücke mit zweckmäßiger Abwechselung (wie vielleicht B. 1, Ode 9, 24, 26; B. 2, Ode 3, 11, 14, 16, 19, 20; B. 3, Ode 2, 9, 21; B. 4, Ode 7, Epode 7) würden der Musik notwendig den eigentümlichen Schwung geben, der ihr bei unsern verbrauchten Silbenmaßen zu finden oft schwer wird. Der Hörer würde dadurch gewissermaßen in die römische Welt oder wenigstens in Zeiten seiner Jugend versetzt, in welchen er Horaz zuerst lieben lernte.

Wie glücklich war Überhaupt dieser Dichter! Nicht nur im Leben, sondern auch in der Reihe von Wirkungen, die ihm nach seinem Tode das Schicksal anwies. Die lyrischen Dichter der Griechen sind untergegangen; er fast allein hat uns mehrere Formen ihrer Gedanken, ihrer Empfindungen, ihres Ausdrucks, ihrer Silbenmaße in seinen Nachbildungen gerettet; und was damit für ein Schatz gerettet sei, hat die Zeitfolge erwiesen. Die pindarische Form, die Form der griechischen Skolien und Chöre war und blieb den Sprachen Europas unanwendbar; in der horazischen Form erhob sich die Ode, selbst zu einer Zeit, da die Nationalsprachen der europäischen Völker ungebildet dalagen. In allen Ländern schlossen sich die Geister des Gesanges dem Venusinischen Schwan an und drückten zuerst in der geliehenen lateinischen Sprache Gesinnungen aus, die sie in ihrer Landessprache noch nicht auszudrücken vermochten. Wie niedrig ist's, was Balde u.a. deutsch sangen; wie edler, wo sie das von Horaz geheiligte Werkzeug der Sprache anwenden konnten! Ohne ihn hätten wir keinen Sarbievius, dessen Oden, von Götz u.a. wiederum[178] in unsre Sprache übertragen, immer noch den römisch-griechischen Geist atmen. Gehen Sie in diesem Gesichtspunkt die Sammlungen durch, die Gruter u.a. von den lateinischen Dichtern der Italiener, Gallier, Belgen, Deutschen, Dänen, Schotten, Engländer u.f. gegeben haben; unter vielem Wortgeklingel werden Sie unstreitig wahre delicias finden. Jeder edlere Dichter vergaß gleichsam den Lauf der Dinge um ihn her; über die Vorurteile seines Landes, seiner Sekte, seines Ordens hinausgesetzt, mußte er gleichsam mit dem römischen Dichter auch römisch denken. Was späterhin in unsrer Sprache eben auch durch die horazische Form geweckt und in ihr vorgetragen sei, darf ich Ihnen aus Klopstock, Götz, Uz, Ramler u.a. nicht anführen. Horaz ist Sänger der Humanität gleichsam vorzugsweise, die Form seiner Gedanken ist das erwählte Lieblingsmaß der lyrischen Muse worden. O daß wir also schon Stellen wie solche: Vitae summa brevis – Nil desperandum – Tu ne quaesieris – Felices ter et amplius – Quod si Threicio – Linquenda tellus –[179]

Aequam memento – Rebus angustis – Eheu fugaces- Tecum vivere amem, tecum obeam libens – in lateinischer Sprache komponiert hörten!

Hier eine von Sarbievs unschätzbaren Oden auch in der Form des Römers:


An die Weisheit


Die du, höchste Vernunft, weise die Schickung lenkst!

Wie zuweilen der Ernst deiner Verfügungen

Uns ergetzet, ergetzen

So die menschliche Spiele dich?


Mit freigebiger Hand streuest du Güter aus.

Und wir raffen sie auf, wenn sie gefallen sind,

Wie die Jugend die Nüsse

Mit kurzweiligem Zanke rafft.


Wer jetzt Kronen erhascht, bricht sie; wer Zepter kriegt,

Sieht sie wieder entführt, eh er sie tragen kann.

Welt! so schwankst du, zerrissen

Von den Händen der Mächtigen.


Was das geizige Glück unter die Völker teilt,

Ist ein Pünktchen. O laß, Weisheit, ich flehe dir!

Mich, indes sie so zanken,

Mit dir lachen und fröhlich sein.
[180]


36.

Ein zweites Fragment aus der Handschrift »Ionien« handelt von der Humanität Homers in Ansehung des Krieges und der Kriegführenden seiner Iliade. Lassen Sie es jetzt statt meines Briefes gelten.


Selbst in dem Heldengedicht, das größtenteils Taten der Krieger besingt, dachte Homer über Krieg und Frieden menschlich. Nicht nur, daß er jenen so oft den tränenreichen, männerfressenden, verderblichen, harten, bösen Krieg nennet, er läßt keine Gelegenheit vorbei, ihn seiner Natur nach, mit allen begleitenden Übeln, durch Tatsachen zu schildern.

1. Die Iliade beginnt mit einem Greise, der um seine geraubte, liebe Tochter vergebens flehet; und bald wird es nicht verschwiegen, daß die Griechen alle benachbarte Küsten und Inseln geplündert, daß sie die neun Jahre her großenteils vom Raube gelebt haben. Schon faulet das Holz an ihren Schiffen, die Seile vermodern:


Ihre Weiber daheim und unerzogene Kinder

Schmachten, sie wiederzusehn –


Daher denn, als Agamemnon ihnen den Vorschlag tat, nach neun Jahren vergeblicher Arbeit wieder die Schiffe zu besteigen und


–zu fliehn zum werten Geburtsland,


so hatte er kaum das Wort gesprochen, als die Versammlung es in freudigem Ernst befolgte:


–Der Staub stieg unter den Füßen der Männer

Wallend empor, und einer ermahnte den andern zur Eile,

Daß sie die Schiff, erreichten und bald ins Wasser sie zögen.
[181]

Nur durch vieles Zureden und durch den gebietenden Stab des Königs konnte die kriegssatte Schar wieder in die Versammlung, durch neue dringende Vorstellungen von Schande, Ruhm und Hoffnung wieder ins Feld gebracht werden.

2. Denn es hatte sich zur Last des Krieges auch die Plage der Pest gefunden; eben sie unterläßt Homer nicht im Anfange der Iliade schreckhaft zu zeichnen.


– Die Völker aus Argos

Fielen bei Haufen dahin; die scharfen Pfeile des Gottes

Flogen tötend umher im ganzen achäischen Kriegsheer,

Daß man täglich die Leichen, getürmt in Haufen, verbrannte.


Denn wem ist unbekannt, daß ansteckende Krankheiten das gewöhnliche Gefolge aller Kriegsheere sind und elender metzeln als das Schwert des Feindes?

3. Als die Göttin endlich im Busen der Griechen die Streitlust wieder erweckt,


Daß sie nach unablässigem Kampf und Schlachten sich sehnen,

und ihnen der Krieg wiederum viel süßer dünkt, – als vormals

Ihnen die Rückfahrt schien zum werten Lande der Heimat,


will der Dichter dem blutigen Gefechte noch durch eine billige Auskunft zuvorkommen. Menelaus und Paris, deren Sache es eigentlich allein ist, um derenwillen Menschen hingeopfert werden, sollen durch einen Zweikampf den Zwist entscheiden.


–Ihn hörten mit Freude die Griechen und Trojer,

Hoffend, das Ende zu sehn des elendbringenden Krieges.
[182]

4. Da dies Mittel aber nicht gelang und die Heere gegeneinander ziehen müssen, von wem läßt sie der Dichter empören? Die Trojer von Mars, den sein Vater, Jupiter, selbst späterhin also anredet:


Wisse, dich haß ich am meisten von allen Bewohnern des Himmels:

Denn du findest nur Lust an Zank und Kriegen und Schlachten.

Ähnlich bist du der Mutter am unerträglichen Starrsinn,

Der nie weichet und kaum von mir durch Worte gezähmt wird.


Die Griechen regt Pallas auf, und mit beiden Aufregern sind


– Das Schrecken, die Furcht, die rastloswütende Zwietracht,

Schwester des menschenverderbenden Mars und seine Gehülfin,

Die erst klein sich immer erhebt, bis endlich ihr Haupt sich

Hoch in Wolken verbirgt, indem sie die Erde bewandelt;

Diese durcheilte die Heer, und säte zu beider Verderben

Streitgier unter sie aus und mehrte der Krieger Getümmel.


Sind diese Namen hier allegorische Kunstwerke? Gespenster sind's, die Homer eben deswegen schreckhaft einführet, weil durch Personen, die in bestimmten Umrissen erscheinen, die Wirkung nicht hervorzubringen war, die er hervorbringen wollte So scheint er zu andrer Zeit den Zorn, die Schadenfreude, das schrecklich ergreifende Todesverhängnis zu personifizieren, zu gleichem Endzweck, unsere Begriffe nämlich zu verwirren durch diese unumschriebene Wortlarven. Der Zorn ist ihm wie ein Rauch, und die Zwietracht erhebt sich[183] gleichergestalt zwischen Himmel und Erde. – Von allen Künstlerideen weggesehen, wie wahr und wie gräßlich! Aus einem Nichts entspringet die Zwietracht und wird in kurzem unermeßlich. Nie umschrieben in ihrem Wesen, kommt sie vielleicht aus einer Kammer hervor und durcheilt Staaten, durcheilt Heere, säet Verderben und Streitgier umher, immer das Haupt in hohen, unabsehlichen Wolken verborgen. Selten wissen die Menschen, weshalb sie streiten; je länger aber, desto hartnäckiger hadern sie; denn von Schritt zu Schritt wächst die unersättliche Eris.


5. Jetzo trafen sie nah auf einem Raume zusammen,

Schild und Lanzen begegneten sich und Kräfte der starken

Eisengepanzerten Männer. Sie stießen die bäuchigen Schilde

Wechselnd gegeneinander, und ward ein schrecklich Getöse.

Laut ertönte zugleich das Jammern und Jauchzen der Krieger,

Schlagender und Erschlagner; es strömte von Blute die Erde.


Da sich Homers Iliade einem großen Teil nach mit diesem Gemetzel beschäftigt, so wird das Menschengemüt des Dichters hier vorzüglich fühlbar. Seine Tote läßt er nie als Tiere fallen; er bezeichnet, soviel er kann, in einigen Versen als Menschenfreund ihr trauriges Schicksal. Dieser wird nie mehr zu seinen geliebten Eltern, zu seinen Brüdern. seiner Gattin, seinen Kindern wiederkehren; jener hat Reichtum, Wohlstand, eine glückliche Ruhe verlassen, die er nie mehr genießen wird. Einen andern zeichnet er als Künstler, als einen geschickten, schönen, gottbegabten Mann; seine Kunst ist dahin, seine Schönheit verwelket, der Götter Gaben werden mit der Asche begraben. Jenen hat falsche Hoffnung, eine trügliche Weissagung ins Feld gelockt; der Tod ergreift ihn,[184] schwarze Nacht umhüllet sein Auge. Und ferner. Mehrere dieser Erinnerungen sind so zart, daß sie Inschriften zu den Grabmälern der Erschlagenen sein könnten, wenn arme Kriegserschlagene Grabmal und Urne erhielten.

6. Merkwürdig ist hiebei, daß Homer dieses zärtliche Andenken am meisten den Trojanern schenket. Er, ein Grieche, der den Ruhm griechischer Helden verewigen wollte, war zugleich ein Asiat, ein Ionier, ein Mensch und, ich möchte sagen, ein Bedaurer des trojanischen Schicksals. Weit entfernt von der barbarischen Kleinmut, seine Feinde verunglimpfend zu belügen, zeichnet er ihr zarteres Gemüt, die größere Weichlichkeit ihres Klima, ihre Familienneigungen, ihre Künste, ihr Wohlbehagen zu Friedenszeiten in Zügen, an denen sich offenbar das Auge des Dichters selbst ergötzte. Die armen Trojaner sind ihm eine Herde Schafe, die von Wölfen angefallen wird; unter ihnen sind viele fremde Bundsgenossen, die am Schicksal der bedrängten Königsstadt nur aus nachbarlichem Mitleid teilnehmen. Uns den inneren Wohlstand Trojas zu zeigen, unser Herz für die Bedrängten mitfühlend zu machen, führt er seinen edlen Hektor im Anfange des Treffens in die Stadt zurück. Er zeigt uns Priamus und seiner Söhne Wohnungen, zeigt uns die Helena selbst in einer zwar erniedrigten, aber nicht unwürdigen Gestalt, so die Ältesten der Stadt, so endlich Andromache und ihr Kind. Rührender ist wohl kein Abschied geschildert worden, als den Hektor von ihnen beiden nahm, und es ist eine Überkritik der Grammatiker, daß in der Andromache Rede einige Verse zu allgemein und zuviel sein sollen. Bei dem Dichter spricht sie im Namen aller trojanischen Frauen, für sie und ihre verwaiseten, gefangenen Kinder. Auch hat sich Homer wohl gehütet, uns die Untaten selbst zu erzählen, die dieser traurige Abschied nur vorahnet, ob sich gleich der Grund seiner ganzen Odyssee, die unglückliche Rückfahrt der Griechen, großenteils auf sie bezog. Weder mit der Greueltat des Ajax vor dem Bilde der Pallas noch mit des Priamus, der Polyxena und andrer unwürdigem Morde hat seine Muse sich befleckt;[185] die Künstler und tragischen Dichter nahmen ihre Vorstellung dieser Szenen aus andern sogenannten zyklischen Dichtern. Hektors letzter Gang nach Troja ist bei Homer in jedem Schritte groß und heilig. Der Edle will die zornige Göttin versöhnen und seine geliebte Vaterstadt entsündigen; daher er auch den Missetäter Paris ins Feld fodert, bis am Skäischen Tore endlich, an diesem Unglücksorte, der traurige Abschied die Szene endet – –

Homer war keiner von denen, die ihrem Lieblingshelden die ganze Welt aufopfern. Seinen Achilles kleidet er in gottähnliche Größe, Hektor dagegen in alle Würde und Zierde des Verteidigers seiner Geburtsstadt. Beide Helden konnten in dem menschenverderblichen Kriege nicht auf einmal glänzen; indes jener also einige Tage ruhet, lässet er diesen sein Glück aufs höchste treiben, bis er durch Anlegung der Waffen Achills die Nemesis reizet und dem Tode ein Opfer dasteht. So übertrieb Patroklus seine Bestimmung und sank, nicht von Hektor, sondern zuerst von Apollo selbst rückwärts getroffen, daß Achills Waffen von ihm fielen. So sollte, hinter Homers Iliade, Achilles, da sein Ziel erreicht war, auch sinken. Das Schicksal aller Dreien, der edelsten Männer, ist ineinander verwebt und der Tod eines ein Verkündiger vom Tode des andern. Im Leben und Tode ehrt Jupiter den Hektor. Da er vom Zorn der Juno ihn nicht erretten kann, opfert er seinen eignen geliebten Sohn Sarpedon mit ihm zugleich auf, und seinen Leichnam entzieht er der Rache Achills auf die edelste Weise.

Und wie den Hektor, so hat Homer den alten Priamus und alle seine Kinder geehret. Deiphobus ist vom Apoll begeistert wie keiner im griechischen Heere; selbst Paris' Vorzüge werden bei allem Tadel, der ihm gebührt, nicht verschwiegen.

7. Warum untersagt Priamus bei dem Begräbnis der Erschlagenen seinem Heer die weinende Trauerklage? Offenbar lag dies Verbot in der Situation der Trojaner. Sie, eine Versammlung asiatischer, weicherer Völker, an die laut weinende Trauerklage mehr noch als die Griechen gewöhnet, sie, die in[186] der Nähe ihrer Verwandten, Kinder und Weiber vor Trojas Mauern ihre nächsten Freunde und Landsleute bestatten und in ihrem Tode ihr eignes Schicksal voraussahen, sie hatten ein solches Verbot nötiger als die härteren Griechen, die der angreifende Teil waren und fern von den Ihrigen nur ihre Mitstreiter begruben. Um Patroklus, Leiche weinen die Griechen, insonderheit die Myrmidonen, am heftigsten Achilles; auch Briseis weint und die übrigen Weiber, letztere aber


Um Patroklus zum Schein, im Grund um eigenes Elend.


8. Noch mehr zeigt die Menschlichkeit Homers sich in der Weisheit, mit der er über das Schicksal des Krieges dachte. Alles Kriegsunglück läßt er durch Fehler entstehen, durch Fehler und Leidenschaften der Götter und Menschen. Das alte Troja wird vom Jupiter dem Eigensinn eines unversöhnlichen Weibes aufgeopfert, die eine Reihe ihrer Lieblingsstädte hingeben will, wenn Jupiter hier nur ihren Willen erfüllet. Die keuscheste, stolzeste Göttin errötet nicht, ihre Umarmung zum Netz des Betruges zu machen, aus tiefem Groll lieblos Liebe zu heucheln, mit geborgtem Schmuck an offnem Tage aus der Gattin eine berückende Buhlerin zu werden, nur damit einige Trojaner mehr bluten, indes ihr bestochener Kämmerling, der Schlaf, dem schicksalwägenden Gott die Augen zuschließt. Das Äußerste der Rache eines Weibes! Gegen Troja stehen zwo Weiber, für Troja zwei Männer; wer zweifelt, wenn es auf Haß ankommt, welche Partei zum Ziel gelangen werde? Ging es in den hartnäckigsten Kriegen der Erde je anders?

In der menschlichen Szene hangen, wie vorher gezeigt worden, der Griechen Unfälle bei Homer lediglich vom Stolz und Wahn des Königes ab, dem keiner der ratgebenden Fürsten sich zu widersetzen getraute. Ein falscher Traum ist seine belehrende Gottheit; sonst erscheinet ihm keine (deren mehrere doch andern erscheinen) während der ganzen Iliade. Dieser falsche Traum heißt Dünkel, dem Agamemnon, schon seinem Namen nach ein Jupiter auf Erden, zum Verderben[187] seines Volkes gehorchet. Den ältesten Ratgeber besticht er damit, daß der Traum in seiner Gestalt erschienen sei; andre Fürsten schweigen oder wetteifern töricht mit Achilles Ruhme. So kommt durch einen, durch wenige das ganze Heer an den Rand des Abgrundes. Zu spät wird gesprochen, zu spät geweinet; und unter diesem allen ist und bleibt Agamemnon der sorgsamste Hirte der Völker. O Homer, sooft ich von neuem deine Iliade lese, finde ich in ihr neue Züge der ordnenden Weisheit, Klugheit und Menschenliebe, mit der du wilde Verhältnisse eines rohen Zeitalters erzählest. Und keine Lehre, keine Warnung entfließt deinen Lippen, als ob sie die deinige wäre; jedes Laster, jede Torheit, jede Leidenschaft selbst lehret und warnet.


Diderot über die Einfalt in Homer


»Die Natur hat mir Geschmack an der Einfalt gegeben, und ich bemühe mich, diesen Geschmack durch das Lesen der Alten vollkommner zu machen.

O mein Freund, wie schön ist die Einfalt! Wie übel haben wir getan, uns davon zu entfernen!

Wollen Sie hören, was der Schmerz einem Vater eingibt, der jetzt seinen Sohn verloren hat? Hören Sie den Priamus. Wollen Sie wissen, wie sich ein Vater ausdrückt, der dem Mörder seines Sohns fußfällig flehet? Hören Sie eben den Priamus zu den Füßen des Achilles.

Was ist in diesen Reden? Kein Witz, aber so viel Wahrheit, daß man fast glauben sollte, man würde ebensowohl als Homer darauf gefallen sein. Wir aber, die wir die Schwierigkeit und das Verdienst, so einfältig zu sein, ein wenig kennen, mögen diese Stellen nur lesen, mögen sie mit Bedacht lesen und hernach alle unsre Schreibereien nehmen und ins Feuer werfen. Das Genie läßt sich fühlen, aber nicht nachahmen.« –

Was Diderot hier von Homers Einfalt sagt, möchte ich von seiner Humanität sagen. Man lese seine Beschreibungen[188] des Todes der Erschlagnen, man lese Hektors Abschied von seinem Weibe und Kinde, man bemerke jeden Zug, mit dem der Dichter des Achills erwähnet, insonderheit wenn er ihn selbst redend einführet, auch was er hie und da über das Glück und Unglück des menschlichen Lebens, über Reichtum, Ehre, Adel der Seele und des Geschlechts, über Gerechtigkeit, Tapferkeit, Geduld, Weisheit, Mäßigung, Sanftmut, Gastfreundschaft, Verschwiegenheit, Treue, Wahrheit, über die Verehrung der Götter, die Ergebung in den Willen des Schicksals und die ihnen entgegengesetzten Torheiten und Laster einstreuet: welch eine Schule der Humanität ist in ihm!


37.

Lessings »Emilia Galotti« hat mich wieder einmal ins Theater gelockt; wie zufrieden, ja gesättigt bin ich hinausgegangen! Ein Theaterstück muß gesehen, nicht gelesen werden; denn wenn es ist, was es sein soll, so ist ja eben auf die Vorstellung alles berechnet. Ich kann mir nicht einbilden, daß, wenn Stücke dieser Art (aber auch keine andre als solche) wöchentlich nur einmal auf die leidlich vollkommenste Weise gegeben würden und diese Stücke lauter Stände und Situationen unsrer Welt, wie dieses, enthielten, das Publikum ungebildet, unerleuchtet bleiben könnte.

Bei der zweiten Ausgabe des »Diderotschen Theaters« bezeugte Lessing diesem Schriftsteller öffentlich seine Dankbarkeit als dem Manne, der an der Bildung seines Geschmacks großen Anteil habe. »Denn,« fährt er fort, »es mag mit diesem auch beschaffen sein, wie es will, so bin ich mir doch zu wohl bewußt, daß er ohne Diderots Muster und Lehren eine ganz andre Richtung würde bekommen haben. Vielleicht eine eignere, aber doch schwerlich eine, mit der am Ende mein Verstand zufriedener gewesen wäre.« Und setzt sodann weiter den Einfluß ins Licht, den Diderots Stücke, insonderheit sein »Hausvater,« auf das deutsche Theater gehabt habe.[189]

Sie wissen, wieviel Diderot darauf hielt, daß Stände aufs Theater gebracht werden sollten, und was Lessing in seiner »Dramaturgie« dabei zu erinnern fand. Natürlich können Stände ohne bestimmte Charaktere auf dem Theater keine Wirkung tun; aber bilden sich die Charaktere der Menschen nicht in und nach Ständen? und welcher Stand hätte auf den Charakter mehr Einfluß als der Stand eines Prinzen? Hier hatte also Lessing ein weites Feld, das philosophische Allgemeine, dadurch Aristoteles die Poesie von der nackten Geschichte unterscheidet, als Philosoph und Dichter zu bearbeiten. Er zeigt den Charakter des Prinzen in seinem Stande, den Stand in seinem Charakter, beide von mehreren Seiten, in mehreren Situationen. Nicht nur bringt er den Prinzen in seiner gegenwärtigen Gemütsstimmung mit den verschiedensten Personen, Männern und Weibern, mit Künstler und Kanzler, Kammerherr und Kammerdiener, mit einer Geliebten, die er jetzt nicht geliebt haben, und einer andern, die jetzt von ihm eben nicht geliebt sein will, mit dem Vater, der Mutter, dem Bräutigam derselben, ja mit sich selbst in Gespräch und Handlung; er unterläßt auch keine Gelegenheit, in jeder dieser Situationen eigentlich nach dem Ringe zu rennen und, wenn mir der Ausdruck erlaubt ist, das Prinzliche dabei zu charakterisieren. Niemand wird unverschämt gnug sein, deshalb das Stück eine Satire auf die Prinzen zu nennen; denn nur dieser Prinz, ein italienischer, junger, eben zu vermählender Prinz ist's, der sich diese Späße gibt und bei Marinelli andre zuläßt. Auch ist sein Stand, seine Würde, selbst sein persönlicher Charakter in allem zart gehalten und mit wahrer Freundlichkeit geschonet. Am Ende des Stücks aber, wenn der Prinz sein verächtliches Werkzeug selbst verachtend von sich weiset und dabei ausruft: »Gott! Gott! Ist es zum Unglücke so mancher nicht genug, daß Fürsten Menschen sind; müssen sich auch noch Teufel in ihren Freund verstellen?,« und die unschuldige Braut dabei im Blut liegt, der Vater, ihr Mörder, sich eben vor diesen Fürsten als vor sei nen Richter stellt, Marinelli, der Unterhändler[190] dieses Gewerbes, sich noch bedenkt, den Dolch aufzuheben: wer ist, dem, wenn in solcher Situation der Vorhang sinkt, nicht noch andre Gedanken außer dem, den der Prinz sagt, in die Seele strömen? Notwendig fragt man sich, wie wird das Gericht über den alten Odoardo ablaufen? Wie lange wird Marinelli entfernt sein, d.i. wie bald wird er, wenn sein Dienst abermals brauchbar ist, wiederkehren? u.f.

Es ist vielleicht das höchste Verdienst der Poesie, insonderheit des Drama, Stände und Charaktere aller Art (wenn mir das niedrige Gleichnis erlaubt ist) an dem feinsten Spieß, aufs langsamste am Feuer eigner Torheiten, Neigungen und Leidenschaften umzuwenden. In der Seele des Zuschauers werden diese Stände und Charaktere dadurch gar oder, mit einem edleren Ausdruck, geründet. Man siehet, was an der Figur Ernst oder Scherz, Wort oder Tat ist; man blickt auf den Grund hinunter und greift das Beständige oder Unstatthafte ihres Charakters, ihre Versatilität und innere Ehrlichkeit gleichsam mit Händen.

Die alte Tragödie ging darauf hinaus, durch Darstellung unerwartet-schrecklicher Königsunfälle und Katastrophen die Urteile der Menschen zu berichtigen, ihre Grundsätze zu sichern und das poco più und poco meno der Leidenschaften, der Furcht und des Mitleids, dem Zuschauer auf echter Waage vorzuwägen. Die neuere Tragödie, wenn sie gleich ihren Bogen nicht so scharf spannen und ihre Keule so rasch schwingen kann als die alte, hat dennoch mit ihr einerlei Endzweck Sie spricht zum innersten Gefühl, zur treuesten Ehrlichkeit des Menschen; die Übeltat kann sie auch jenseit der Gesetze verfolgen, so wie das Lustspiel die Torheit auch jenseit der Gesetze straft. Beide sind Sprecherinnen vor dem erhabensten Richterstuhl unsres Geschlechts, vor der Humanität selbst, und ventilieren, bescheinigen und gegenbescheinigen vor ihr auf die schärfste, freieste Weise.

Lessing kannte diesen Prozeß über die innere Ehrlichkeit eines Charakters aufs genaueste; sein Tellheim ist ein von[191] allen Seiten geprüfter, militärischer Charakter; alles, was um ihn steht, was ihm begegnet, sichtet ihn das ganze Stück hindurch moralisch. Wen solche Komödien und Trauerspiele nicht bearbeiten können, der möchte durch Worte schwerlich zu bearbeiten sein.

Man rückt Lessingen vor, daß er die zarteste Weiblichkeit, das über allen Ausdruck Reizende je ne sais quoi des schönen Geschlechts nicht gekannt und solches ebensowohl in der Emilie als der Minna, der Recha als der Orsina verfehlt habe. Sie sind, sagt man, bei ihm Kinder oder Männer, Helden oder schwache Geschöpfe. – – Ich kann über diesen Punkt nicht entscheiden. Sollte es aber keinen Unterschied geben, wie ein weiblicher Charakter im Roman und auf der Bühne erscheinen darf? Das neuere Theater ist bei allen Völkern Europas, vorzüglich Spaniern und Franzosen, aus romanhaften Erzählungen und Sitten entstanden; sollte es diese nicht ablegen dürfen? ja sollte es sie endlich nicht ablegen müssen, da diese fremde Schminke aus der wirklichen Welt teils schon verbannet ist, teils in manchem offenbar ihrer Verbannung zueilet? Das Theater der Alten kannte diese romantische Schminke nicht, und doch waren ihre Weiber Weiber.

Wie dem auch sei, in diesem Stück getraute ich mir den Charakter der Emilie, Orsina, geschweige der Claudia völlig verteidigen zu können; ja es bedarf dieser Verteidigung nicht, da sich hier alles in der Sphäre eines Prinzen, um seine Person, um seine Liebe, Treue und Affektion drehet. Wer kennt die Übermacht dieses Standes beim schönen Geschlechte nicht? und wer darf es der Emilie in diesen Augenblicken einer solchen Situation verargen, wenn sie den Dolch ihres Vaters einer künftigen Gefahr vorziehet? Das flatternde Vögelchen (verzeihen Sie das naturhistorische Gleichnis) fürchtet nicht etwa nur den anziehenden Hauch der nahen großen glänzenden Schlange; es fühlet denselben schon, sieht ihren auf sie gerichteten Blick – oder ohne Gleichnis, sie[192] glaubt sich schon umschlungen von tausend feinen Netzen liebenswürdiger Eigenschaften, weiß, wie der Prinz ihre Empfindungen der Religion selbst vorm Altar störte, und wagt wie eine Heilige den Sprung in die Flut. Wie verstandvoll hat Lessing das Herz der Emilie mit Religion verwebet, um auch hier die Stärke und Schwäche einer solchen Stütze zu zeigen! Wie überlegt läßt er den Prinzen sie am heiligen Ort aufsuchen, sie in der Kapelle vor aller Welt anreden, und stellt die schwache Mutter, den strengen, grollhaften Fürstenfeind Odoardo neben sie. Ihr Tod ist lehrreich-schrecklich, ohne aber daß dadurch die Handlung des Vaters zum absoluten Muster der Besonnenheit werde. Nichts weniger! Der Alte hat ebensowohl als das erschrockene Mädchen in der betäubenden Hofluft den Kopf verloren, und ebendiese Verwirrung, die Gefahr solcher Charaktere in solcher Nähe wollte der Dichter schildern.

So erlaube ich auch der Orsina (die notwendig mit Mäßigung gespielt werden muß) ihre Verhöhnung des Marinelli, selbst ihre höllische Phantasie im siebenten Auftritte des vierten Akts. Wenn sie nicht den Mund öffnet, wer soll ihn öffnen? Und sie darf's, die gewesene Gebieterin eines Prinzen, die in seiner Sphäre an Willkür gewöhnt ist. Als eine Beleidigte, Verachtete muß sie anjetzt übertreiben und bleibt in der größesten Tollheit die redende Vernunft selbst, ein Meisterwerk der Erfindung.

So auch das Übereilen des Plans, das Hineintappen des Prinzen und vor allem seine unbescholtene Rechtfertigkeit, alles veranlaßt, gebilligt und am Ende doch, nachdem der Plan verunglückt, nichts befohlen, nichts getan zu haben. In wenigen Tagen, fürchte ich, hat er sich selbst ganz rein gefunden, und in der Beichte ward er gewiß absolvieret. Bei der Vermählung mit der Fürstin von Massa war Marinelli zugegen, vertrat als Kammerherr vielleicht gar des Prinzen Stelle, sie abzuholen. Appiani dagegen ist tot; Odoardo hat sich in seiner Emilie siebenfach das Herz durchbohret, so daß es keines Bluturteiles weiter bedarf. Schrecklich! –[193]

Als ich voll dieses Eindrucks nach Hause kam, fiel Diderot mir in die Hand, und zwar folgende Stelle:

»Der Schauplatz ist der einzige Ort, wo sich die Tränen des Tugendhaften und des Bösen vermischen. Hier läßt sich der Böse wider Ungerechtigkeiten aufbringen, die er selbst begangen hätte; hier hat er bei Unglücksfällen Mitleiden, die er selbst veranlaßt hätte; hier ergrimmt er gegen Personen von seinem eigenen Charakter. Aber der Eindruck ist geschehen, und er bleibt, auch wider unsern Willen; der Böse gehet also aus dem Schauplatze weit weniger geneigt, Übels zu tun, als wenn ihm ein ernster und strenger Redner eine Strafpredigt gehalten hätte.

Der Dichter, der Romanschreiber, der Schauspieler dringen verstohlnerweise ans Herz und treffen es um so gewisser und stärker, je weniger es den Streich vermutet, je mehr Blöße es folglich gibt. Die Unglücksfälle, durch die man mich rührt, sind erdichtet: was tut das? Sie rühren mich doch. Jede Zeile in dem ›Ehrlichen Manne, der sich der Welt entzogen‹, im ›Dechant von Killerine‹, im ›Cleveland‹ erregt in mir ein zärtliches Teilnehmen an den Unglücksfällen der Tugend und kostet mich Tränen. – Könnte es eine unseligere Kunst geben als die, die mich zum Mitschuldigen des Lasterhaften machte? Aber wo ist auch eine schätzbarere Kunst als die, die mich unvermerkt für das Schicksal des rechtschaffenen Mannes einnimmt, die mich aus der ruhigen und süßen Fassung, in der ich mich befand, reißet, um mich mit ihm umherzutreiben, mich in die Höhlen zu versetzen, in die er flüchten muß, mich zum Mitgenossen der Unfälle zu machen, durch die es dem Dichter beliebt, seine Beständigkeit auf die Probe zu stellen.

Wie sehr ersprießlich würde es für die Menschen sein, wenn sich alle Künste der Nachahmung einen gemeinschaftlichen Gegenstand wählten und sich einmal mit den Gesetzen dahin verbänden, uns die Tugend liebenswürdig und das Laster verhaßt zu machen! Des Philosophen Pflicht ist es, sie dazu einzuladen; er muß sich an den Dichter, an den[194] Maler, an den Tonkünstler wenden und ihnen auf das nachdrücklichste zurufen: ›O ihr von höheren Fähigkeiten, warum hat euch der Himmel begabt?‹ – Wird er gehört, so werden gar bald die Mauern unsrer Paläste nicht mehr von Gemälden der schändlichsten Wollust bedeckt sein; unsre Stimmen werden nicht länger die Verkündigerinnen des Lasters sein, und Geschmack und Tugend werden dabei gewinnen.

Ich habe manchmal gedacht, daß man gar wohl die wichtigsten Stücke der Moral auf dem Theater abhandeln könnte, ohne dadurch dem feurigen und reißenden Fortgange der dramatischen Handlung zu schaden.

Nicht Worte, sondern Eindrücke will ich auch aus dem Schauplatze mitnehmen. Das vortrefflichste Gedicht ist dasjenige, dessen Wirkung am längsten in mir dauert.

O dramatische Dichter! Der wahre Beifall, nach dem ihr streben müßt, ist nicht das Klatschen der Hände, das sich plötzlich nach einer schimmernden Zeile hören läßt, sondern der tiefe Seufzer, der nach dem Zwange eines langen Stillschweigens aus der Seele dringt und sie erleichtert. Ja, es gibt einen noch heftigern Eindruck, den sich aber nur die vorstellen können, die für ihre Kunst geboren sind und es vorauswissen, wie weit ihre Zauberei gehen kann, diesen nämlich, das Volk in einen Stand der Unbehäglichkeit zu setzen, so daß Ungewißheit, Bekümmernis, Verwirrung in allen Gemütern herrschen und eure Zuschauer den Unglücklichen gleichen, die in einem Erdbeben die Mauern ihrer Häuser wanken sehen und die Erde ihnen einen festen Tritt verweigern fühlen.« – –


38.

Als Swift über »Gullivers Reisen« brütete, schrieb er an Pope: »Ich habe ganze Nationen, ganze Professionen und Zünfte immer gehasset; meine Liebe gehet nur auf einzelne Personen. Zum Beispiel ich hasse die Zunft der Rechtsgelehrten, aber ich liebe den Rat N., den Richter N. N. So habe ich's[195] (von meiner eignen Profession nichts zu sagen) mit den Ärzten, mit den Soldaten, den Engländern, Schotten, Franzosen u.f. Vornehmlich aber hasse und verabscheue ich das Geschöpf, der Mensch genannt, obschon ich den Johann, den Peter, Thomas u. f. von Herzen liebe. An dieses System habe ich mich (unter uns gesagt) nun viele Jahre her gehalten und werde mich immer daran halten. Ich habe Materialien zu einer Abhandlung gesammlet, welche zeigen soll, daß man den Menschen unrecht durch ein vernünftiges Tier definiert und daß man bloß ein vernunftfähiges Tier setzen sollte. Auf dies starke und feste Fundament der Misanthropie (wiewohl nicht nach Timons Manier) gründet sich das ganze Gebäude meiner Reisen; und ich werde nimmer ruhig sein, bis alle ehrliche Leute hierüber meiner Meinung sind. Die Sache ist so klar, daß sie keinen Widerspruch leidet; ja, ich will hundert gegen eins setzen, daß Sie und ich in dem Punkte übereinstimmen.«

Diese Übereinstimmung war ein freundschaftlicher Wahn oder ein Kompliment, das der von seiner Meinung durchdrungene Swift sich selbst machte. Pope schien ihm recht zu geben, äußerte aber zugleich, daß er Maximen schreiben wollte, die Rochefoucaults Grundsätzen insgesamt entgegengesetzt wären, wogegen Swift in noch härteren Ausdrücken den »Rochefoucault« als seinen Liebling, in welchem er seinen ganzen Charakter gefunden, heftig in Schutz nimmt.

Bei Swift nämlich war diese Menschenfeindschaft nicht witzige Laune, sondern ein bittrer Ernst, wie seine Schriften, wie sein Leben es zeiget. Er hatte einen so tiefen Groll gegen die menschliche Gesellschaft gefaßt, daß selbst seine Meschenfreundschaft, seine strenge Sorge für die von der Natur und dem Staat verwahrloseten Unglücklichen sich in dies rauhe Gewand kleidete; er schien ein Zuchtmeister, auch wenn er ein wohlwollender Freund war.

Es hieße, Worte verschwenden, wenn man über das von Swift aufgestellte Paradoxon in der Form disputieren wollte; jedermann siehet, was in ihm wahr oder übertrieben sei.[196]

Eine andre oft aufgeworfene Frage, ob es besser sei, von den Menschen zu gut oder zu schlimm zu denken, d.i. den Menschen zu schmeicheln oder sie mit Schärfe zu behandeln, führt, wie mich dünkt, ihre Auflösung auch mit sich. Man muß keins von beiden, und eben hierin bestehet die Philosophie und Kunst des Lebens. Alle Übertreibungen sind ebenso unwahr als schädlich; meistens fallen sie auch zusammen und lösen einander auf. Young z.B., der in seiner Schrift »Über die Originalwerke« den armen Swift heftig und in der Gestalt des Menschenfreundes selbst menschenfeindlich angriff, hat sich gegen das von ihm verehrte Geschlecht ebenso versündigt, da er ihm in seinem jetzigen Zustande die Würde des Seraphs anschmeicheln, als Swift, da er es zum Yahoo erniedrigen wollte. Jener, um sein System zu verfolgen, ward gezwungen, den Lorenzo zu einem Teufel zu machen, damit der erdichtete Engel in sein Licht träte; dieser mußte seine vernünftigen Pferde mit allen Vollkommenheiten schmücken, die er doch nur im Menschengeschlecht kannte. Dem guten Rousseau ist es in seinen Übertreibungen nicht anders gegangen; in der Phantasie ein Idealist fürs Gute, mußte er in einzelnen Urteilen und im Betragen des Lebens ein leidendes Kind werden.

Zwischen zwei Äußersten gibt es keinen andern Weg der Vernunft und Rechtschaffenheit als die Mittelstraße Man sage soviel Gutes, man schreibe soviel Böses vom Menschen, als man wolle; lediglich kommt's auf den Gebrauch an, den man von beiderlei Urteilen macht, wie man sie durch tätige Güte und Weisheit zusammen vereinet.

Das edlere Schauspiel der Griechen hatte zum Zweck, zwischen beiden Extremen eine weise und tugendhafte Mitte im Menschen zu befestigen; o hätten wir Menanders und Philemons Schauspiele! Die übriggebliebenen wenigen Stellen und Sprüche zeigen, daß in ihnen der Mensch von allen Seiten betrachtet und zur Lehre aufgestellet worden, wie es denn auch Terenz, der halbierte Menander, klar an den Tag leget:


[197] Sprüche aus Philemon


Beschwerlich ist ein unverständiger

Zuhörer; vor dir sitzend, tadelt er

Aus Torheit nie sich selbst.


Viel leichter, eine Krankheit, als den Gram ertragen.


Der Seele Kummer wird durch Rede leicht.


Wer unter uns dort außerhalb der Stadt

Der Menschen Gräber sieht, der sage sich:

Auch jeder dieser sprach einst zu sich selbst:

»Ich werde, wenn die Zeit kommt, schiffen, pflanzen,

Die Mauer brechen und besitzen.« Jetzt

Besitzen sie ein Grab.


Ihr Götter, welch ein wohlgeartet Tier

Ist eine Schnecke. Kommt auf ihrem Gange

Sie einem bösen Nachbar nah; sie hebt

Ihr Haus und wandert weiter. Darum wohnt

Sie sorgenlos, weil sie die Bösen immer flieht.


Er ist ein Knecht, hat aber Fleisch und Blut

Wie du; denn keiner ward durch die Geburt ein Knecht;

Unglücklich Schicksal macht zum Sklaven nur.


Ein böser Diener wird der Strafe nicht entgehn;

Du aber sei der Strafe Büttel nicht.


Dein Wort, o Freund, hat deine schöne Tat

Geschmäht; des Reichen Tat hat Bettlers Wort vernichtet.

Rühmst du die Gabe selbst, die du dem Freunde gabst,

So warst in Taten du ein Feldherr und im Wort

Ein Mörder.
[198]

Sprich nicht: »Das will ich geben.« Denn wer spricht,

Der gibt noch nicht und hindert andrer Gaben.


Mit rechter Unterscheidung gib und nimm.


Das kleineste Geschenk, es wird das größeste,

Wenn du's wohlmeinend gibst.


Den Armen haß ich, der dem Reichen schenkt;

Er schilt das Glück, die Unersättliche!


Sei einem Alten, der da fehlt, nicht hart;

Ein alter Baum ist zu verpflanzen schwer.


Im Alter kommt der Reichtum uns zugut,

Er führt den Alten glücklich an der Hand.


Was grämest du dich, Freund? Du weißt es ja,

Daß, eben wenn das Glück den Menschen lacht,

Zu jedem Unglück es die Pforte finde.

Auch über keines Unglück freue dich;

Denn alles mischt und kehrt das Schicksal um.


Nie schilt das Glück. Du weißt, zu böser Zeit

Gehn auch der Götter Sachen selbst nicht wohl.


Gesundheit ist mein erster Wunsch; der zweite

Glück im Geschäft; der dritte Freude; dann

Noch einer: Keinem je verpflichtet sein!


Erst sieht, bewundert, dann betrachtet man

Und fällt in Hoffnung und zuletzt in Liebe.


»Sag an, wie soll ich Gott gedenken mir?«

Daß er, der alles sieht, unsichtbar sei.
[199]

»Was machst du, Syra? Wie befindst du dich?«

Kannst du noch also fragen einen Greis?

Ein Greis ist nimmer wohl. Man sagt mit Recht,

Und kann es sagen: »Auch der Tod ist gut.«


»Was ist es denn? warum will er mich sehn?«

Ist's, wie die Kranken, wenn der Schmerz sie quält

Und sie den Arzt erblicken, besser sind?

So der Betrübte: siehet er den Freund

Nur neben sich, gleich lindert sich sein Gram.


Auf Erden lebt kein Mensch, nicht einer lebt,

Der Böses nicht erfuhr, wie? oder noch

Erfahren wird. Nur wer, was ihm begegnet,

Aufs leichtste nimmt, nur der ist weis und glücklich.


Erkenne, was der Mensch ist, und du wirst

Doch glücklich sein. Hier hörst du einen tot;

Dort ist ein anderer geboren; diese

Gebar nicht, jenem ging es übel; der

Hat Husten, jener weint. Das alles bringt

Die Menschheit mit sich; fliehe nur den Gram.


Viel Unglück ist in vielen Häusern, das,

Wenn man es gut erträgt, uns Gutes bringt.


Der Menschen viele machen sich das Übel

Noch größer, als es ist. Dem starb ein Sohn;

Dem eine Mutter; dem, beim Jupiter!

Gar ein Verwandter. Nähm er's, wie es ist,

So starb ein Mensch. Das ist an sich das Übel.

Nun aber ruft er aus: »Das Leben ist für mich

Kein Leben mehr! Er ist dahin! Ich werd ihn

Nie wieder sehn!« Er sieht den Unglücksfall

Allein in sich und häuft auf Übel Übel.

Wer alles mit Vernunft betrachtet, wie[200]

Es an sich selbst und nicht für ihn nur sei,

Empfängt das Glück und hält das Unglück fern.


In Traurigkeit sein selbst noch Meister sein:

Dies ist's, was mich erhält und was den Menschen macht.


Wir armen Menschen! Unser Dasein ist

Ein Leben ohne Leben. Meinungen

Beherrschen uns, seit wir Gesetze fanden,

Der Vor- und Nachwelt Meinungen. Wir suchen

Dem Übel zu entgehn und finden uns

Zum Übel Vorwand.


Wer, was er sagen soll, nicht saget, der

Ist immer lang und spräch er nur zwei Silben.

Wer gut sagt, was er saget, ob er viel

Und lang auch spräche, der spricht nie zu lang.

Sieh den Homer. Er schrieb viel tausend Worte,

Und wem schrieb er zuviel?


Wenn, was wir haben, wir nicht brauchen und,

Was wir nicht haben, suchen; ach, so raubt

Das Glück uns jenes, dieses wir uns selbst.


Gerecht ist nicht, der niemand unrecht tut;

Der ist's, der unrecht tun kann und nicht will.

Nicht der, der kleinen Raubes sich enthält;

Der ist's, der großen Raub mit Mut verschmäht,

Wenn er ihn haben und behalten kann.

Nicht der ist's, der dies alles nur befolgt,

Der ist's, der ungeschminkten, reinen Sinns

Sein ein Gerechter und nicht scheinen will.


So viele Künste es, o Laches, gab;

Kein Lehrer, alle lehrte sie die Zeit.

Nicht Körper nur; es wachsen mit der Zeit

Auch Dinge!
[201]

Endlich den Hauptspruch:


Ανϑρωπος ων, τουτ' ισϑι και μεμνησ' αει.

Du bist ein Mensch; das wiß und denke stets daran.


39.

Neben den Griechen ist schwer zu stehen, und doch haben auch wir Stücke, die neben ihnen stehen können und dürfen.


Menschentugend


Die Ohren und die Herzen willig her,

Ihr Menschen! Euer Gott hat mich gelehrt,

Was Tugend sei; ich lehr es, Menschen, euch!


Dem Nackenden von zweien Linnen eins

Um seine Blöße selbst ihm schmiegen und

Von zweien Broten eins dem Hungrigen

Darreichen und aus seinem Quell dem Mann,

Der frisches Wasser bittet, einen Trunk

Selbst schöpfen, flöss' er noch so tief im Tal.


Ihr, meine liebe Menschen, Tugend ist:

Dem Hülfedürftigen zuvor mit Gold

Und Weisheit kommen; seine Seele sehn

Und seinen Kummer messen; und sich freun,

Daß etwa Gold und etwa Weisheit ihn

Der Freude wiederbringen; ihn auch nicht,

Wer seines Kummers Überwinder war,

Erfahren lassen.


Menschen, Tugend ist:

Und wenn die Bösen alle gegen euch

In ihrer Bosheit wüteten und sich[202]

Verschworen hätten alle gegen euch,

Von Menschenliebe nicht zu Menschenhaß

Hinübergehen; immer, immer gut

Den Bösen sein; dem undankbaren

Mann Exempel werden edler Dankbarkeit.


Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist:

Dem Gotterschaffenen Erhalter sein,

Lebendigen das Leben fristen, rohen Stoff

Umwenden, so daß er durch euren Fleiß

Einst Leben zu dem Leben bringen muß.


Ihr, meine lieben Menschen, Tugend ist:

Die Summe jedes Guten, welches Gott

In seine Welt gelegt, an seinem Teil

Vermehren, wenn und wo und wie sie nur

Vermehret werden kann. Vermehrest du

Die Summe dieses Guten, dann, o dann

Sei König oder Bettler, du gefällst

Dem Schöpfer alles Guten, deinem Gott.


Du willst ihm nicht gefallen? wie? du willst

Des Guten Summe nicht vermehren? willst

Des Bösen, welches Gott in seiner Welt

Zum Guten lenkt, Vermehrer sein? Sei es!

Du wirst dich schämen einst und es bereun.


So unser Gleim in seinem »Halladat oder Roten Buche,« dem wir jetzt lieber einen andern Namen geben wollen; es enthält Blätter zum echten Koran der Menschengüte. Und dieser Lehrer spricht nicht nur, er tut auch also.[203]

21

S. das Ende des vorigen Briefes. A. d. H.

22

Adelung hat sogar dem verbannenswürdigen Ausdruck »das Mensch« einen langen Artikel einräumen müssen. A. d. H.

23

Heyne hat diesen Zweck alter griechischer Institute in mehreren seiner »Opuscula academica« vortrefflich gezeiget. A. d. H.

24

Ernesti Rede »De humanitatis disciplina« ist hierüber bekannt. A. d. H.

25

Daher noch der Ausdruck: »Er ist ein homo!« – »Du homo!« u. f. A. d. H.

26

Weder Wachter noch Adelung haben diesen Ursprung der Endung im Wort »Mennisk« bemerkt, er scheint aber der wahre; denn wenn man das Wort »Mensch« nach niedersächsischer, d.i. der alten und echten Art, ausspricht, so heißt es Mens-ch (Mensk), d.i. ein elender unbewehrter Mann, ein Männlein. A. d. H.

27

S. hierüber Dufresne, artic. Homo: Homines denariales, chartularii, fiscales, ecclesiastici, de corpore, pertinentes, commendati, casati, feudales, exercitales, ligii, de manu mortua, de suis manibus, de manupastu etc. A. d. H.

28

Meiner Gesinnung nach ist es eines der schönsten Verdienste Spaldings, daß er zu jener Zeit, 1745, in seiner Lage, uns Shaftesburys »Moralisten« bekannt machte. Mehr als dreißig Jahre nachher ist zuerst die Übersetzung des ganzen Shaftesbury gefolget: Shaftesbury philosophische Werke, Leipzig 1776–1779. A. d. H.

Quelle:
Johann Gottfried Herder: Briefe zur Beförderung der Humanität. 2 Bände, Band 1, Berlin und Weimar 1971, S. 137-205.
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