Gesang der Jungen bei der Amnestierung der Alten

[48] 1841


Wie Wogendonner vom fernen Meer,

Wie Wetter und Sturm im Lenze,

So brauset der Tag, der junge, daher,

Und die alten Kerker, sie werden leer –

Kredenze, mein Liebchen, kredenze! –

Doch weiß ich noch manch einen wackeren Mann,

Der drein mit Ehren kommen kann.

Gott schütze dich, Liebchen!


Ihr habt die Erlösung so nahe gedacht,

Ihr Brüder, ihr lustigen Zecher;

Ihr glaubtet zu fallen in blutiger Schlacht;

In den Kerkern wird uns Quartier gemacht –

Den Becher, mein Liebchen, den Becher! –

Die Alten heraus und die Jungen hinein!

Wie sollte der Weltlauf anders sein?

Gott schütze dich, Liebchen!


Es gehet auf Erden wieder um

Der Teufel mit wildem Gebrülle;

Die deutsche Lippe bleibet nicht stumm,

Der Deutsche schützet sein Heiligtum –

O fülle, mein Liebchen, o fülle! –

Der Himmel will's und das Herz gebeut's:

Wir sprechen wie Männer und tragen das Kreuz.

Gott schütze dich, Liebchen!


Vom hohen Turme schauet ein Aar –

Denk mein, Feinliebchen, o denke! –

Dort ruhet mein Arm, dort bleichet mein Haar;

Doch über drei Tage und über ein Jahr –

Schenk' ein, mein Liebchen, o schenke! –[48]

Da läuten die Völker zum heiligen Sturm,

Wir leeren die Gläser und steigen vom Turm!

Gott grüße dich, Liebchen!


Quelle:
Herweghs Werke in drei Teilen. Band 1, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1909], S. 48-49.
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