Waldesnacht

[154] Waldesnacht, du wunderkühle,

Die ich tausend Male grüß',

Nach dem lauten Weltgewühle

O wie ist dein Rauschen süß!

Träumerisch die müden Glieder

Berg' ich weich ins Moos,

Und mir ist, als würd' ich wieder

All der irren Qualen los.
[154]

Fernes Flötenlied, vertöne,

Das ein weites Sehnen rührt,

Die Gedanken in die schöne,

Ach, mißgönnte Ferne führt!

Laß die Waldesnacht mich wiegen,

Stillen jede Pein,

Und ein seliges Genügen

Saug' ich mit den Düften ein.


In den heimlich engen Kreisen

Wird dir wohl, du wildes Herz,

Und ein Friede schwebt mit leisen

Flügelschlägen niederwärts.

Singet, holde Vögellieder,

Mich in Schlummer sacht!

Irre Qualen, löst euch wieder;

Wildes Herz, nun gute Nacht!

Quelle:
Paul Heyse: Gesammelte Werke, 3 Reihen in 15 Bänden, Reihe 1, Band 5, Stuttgart 1924, S. 154-155.
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