Scena III.

[44] Frater Antonius. Trine. Warner.


FRATER ANTONIUS semipotus ex Aula rediens.

Ich hab einn halben rausch vorwar:

Man wolt zu tod mich haben gar,

All' Becher kamn zu mir herumb,

In die leng, in die quer vnd krümb.

Für andern war einer am Tisch,

Mit Latein sehr vorschnell vnd risch,

Der wolt viel disputierens machn,

Bracht herfür wunderbare sachn,

Fing an hoch zu Philosophirn,

Macht Argument: ich solts' solvirn,

Dabey wolt er mein kunst bald spürn.

Ja: wolt mich bey der naß vmbführn,

Mich haben für seinen Stockthorn,

Wie etlich' spieln mit jhrn Pastorn,

Die offtmahl müssn vom tisch entlauffn,

Oder sich gar zu Narren sauffn.

Ich fast ein Christallinen glaß,

(Es war darein ein Hypocras:)

Vnd hielt zwey quartier ohngefehr,

Brachts jhm gantz zu, sprach: Edler Heer

Lösst mir den Syllogismum auff:

Da gab er alßbalt bessern kauff.

Ander empfieng ich auch dermassn,

Das sie mich müsten traben lassn.

Doch gedacht' ich, weil jhr war zu viel,

Auffhören wer auch gut auffm spiell:

Machet' herunter heimlich mich,

Ließ den official im stich.

TRINE.

Halp Godt! wat ys de list nu groeth!

Ein Minsche möcht sick wünschen doet.[44]

FRATER ANTONIUS.

Wen hör ich da? schaw, lieber schaw!

Es ist die Schültzin von Schönaw.

TRINE.

Men kan so naw sick höden nicht,

Men wart bedragen: mit der wicht,

Mit Maet, mit Ellen, mit der Wahr,

Wo ick mit schaden söliks erfahr.

FRATER ANTONIUS.

Ich muß treten an diesen ort,

Anhören was sie fürt für wort.

TRINE.

Ick kame vaken in de Stadt,

Ick bringe eddet hale wat,

Kam nümmer vnvaxeirt henuth:

Truw ys hüden ein seltsam kruth.

FRATER ANTONIUS.

Warlich das Weib nicht vnrecht sagt,

Hievber yederman itzt klagt.

TRINE.

De Gleerden sind ein deel ock arg,

Ein deel listig, ein deel sehr karg.

FRATER ANTONIUS.

Das Weibs triffts, auff mein Seel, gar ebn:

Wir nehmen lieber, dan wir gebn.

TRINE.

An mynm Procater spoer ick dat:

Dem bring ick alle Weeken wat,

So Eier, Botter, Honnig, Was,

So Eppel, Beeren, Erffte, Flaß,

So Zeegen, Koh, efft Schapcskees,

So ein paar Ent', so ein par Goeß,

So ein par Hönr, so ein syd Speck,

He nimpt ydt all: ys truwn neen Geck.

FRATER ANTONIUS.

Der sack soll sein bereidt, sagt man,

Wenn man einm beut das Fercklein an.

TRINE.

Ick deed' gistrn aff ein schön fett Kalff,

Dat bracht ick em ock hüden halff.

Fragd' en: wo ißt vm myne sakn?

Will gy nicht drad' ein ende makn.

He sprack: kamt morgen wadder heer,

Vnd bringt ein daler effte veer,

Wy möthn den Affscheidt lösen in.

Ick seed': dat doeth wyl ick hyr bin,

Morgen kan ick nicht wadder kamn.

Habbe twe gülden mitgenahmn,[45]

Ward' gy dartho mehr leggen wath,

Wil ick tho danck betalen dath.

He schweeg stock still, vnd sach my an:

Do kam ein stadtlick Eddelman,

Den föhrd' he in syn' dörnttze fort,

Leth my wechgahn sunder antwort.

FRATER ANTONIUS.

Nicht lenger mich enthalten kan,

Wil gehen vnd sie sprechen an:

Ho, wilkommen Schültzin wilkommn,

Hab' euch lang nicht in arm genommn.


Interim eam amplectitur.


TRINE ridens.

Ha, ha: helsen vnd nicht genetn,

Heer dat plecht einm sehr tho vardretn.

FRATER ANTONIUS.

Sagt vber wen klagt jhr so sehr?

TRINE.

Schold' ick nicht klagn weerdige Heer?

FRATER ANTONIUS.

Kan man euch helffen nicht womit?

TRINE.

O Heer darum ick flytig bid.

FRATER ANTONIUS.

Was ist ewr anliegen, sagt an.

TRINE.

Gy wethen dat mit mynem Man

Ick rechte nu int veerde Jahr.

FRATER ANTONIUS.

Ich meint das wehr zum ende gar.

TRINE.

O neen leeffe Heer, myn vörsprack,

De hölt my lange vp de saeck:

Ick kan thom ende kamen nicht.

FRATER ANTONIUS.

Vieleicht habt jhn vnrecht bericht?

TRINE.

Neen Heer, ick hebb' berichtet recht,

Ick weet wol wat dat sprickwort secht:

Wol synem Prester vnrecht bicht,

Vnd synem Artzt nich recht bericht,

Ock vnwaer secht synm Advocat,

De bringt sick sülfst in noth vnd schad.

FRATER ANTONIUS.

Hört Schültzin was ich sagen will,

Lassts bey euch bleiben in der still:

Stellt ewer sach in meine hend,

Ich will sie bringn zum guten end.[46]

TRINE.

Ja Heer das könne gy wol doen,

Gott ward darvoer geeuen dat lohn.

FRATER ANTONIUS.

Wofern jhr wollet sein danckbar:

Sonst rechtet jhr noch woll ein Jahr.

TRINE.

Heer Tönnes Heer, wat gy begeern,

Dat wil ick geuen hartlick gern.

FRATER ANTONIUS.

Ihr habt mir warlich die zwey Jahr,

Da ich ewer Beichtvater war,

Erzeigt viel freundtschafft lieb vnd ehr,

Darumb kein Gelt von euch begehr.

Ihr wisst auch das kein Ordensman,

Muß Gelt anrürn, vnd eigens han,

Bringt mir einn alten Schinckn herein,

Damit will ich zu frieden sein.

TRINE.

Dat wil ick doen myn leefe Heer,

Begehre gy ock süß wat mehr?

FRATER ANTONIUS.

Ich werd müssen in kurtzen tagn,

Verreisen nach dem Brüdershagn:

Wo ich dann bey euch bleiben soll,

So klopffet mir das bette wol.

Ich hab wol eh bey euch gelegn:

Zur Herberg.

TRINE ridens.

Ja ick will tho deegn,

Juw Heer dat bedd' so kloppn vnd schlagn:

Idt schal yuw in dem hartn behagn.

FRATER ANTONIUS.

Aber ewr Alt wird darumb murrn.

TRINE.

O Heer ick achte nicht syn gnurrn:

Kämet gy men in Gades nahm,

Gy sind my alletydt wilkamn.

Dat kan my jo nemand verkehrn,

Gads dener schal men leefn vnd ehrn.

FRATER ANTONIUS.

Dafür wird euch in jennem lebn,

Der Herr einen grossen lohn gebn:

Vnd ich wil drumb bitten allzeit.


Videt Warnerum venientem.


Er Warner kömpt: trett vberseit.[47]

WARNER.

O Frater! Helt man so Horas?

FRATER ANTONIUS.

Hic perbreves feci moras,

Ignosce, quæso, mi Pater.

WARNERUS.

Dominicus der heilg' Vater,

Lehret euch warlich also nicht.

FRATER ANTONIUS.

Er, Senior, gebt euch zu fried.

WARNER.

Ihr sollt kein Weibsbildt auff der gassn

Anschawen: fliehen, meiden, haßn,

Alls was irgent zu einer Sünd

Anlaß vnd vrsach geben künt:

Nun haltet jhr hie station,

Weiß nicht mit was loser Person.

TRINE submisse.

Ey, ey: nu moth de goede Heer,

Sick minenthaluen lyden sehr.

FRATER ANTONIUS.

Erwürdigr Vater, zürnet nicht,

Hört doch zuvohr was ich bericht.

WARNER.

Kompt mit mir ein: vns stehts nicht an,

Das wir hie viel parlierens han.


Frater Antonius. Warnero non vidente Rusticae innuit. Rustica eum à tergo intrò sequitur.


Quelle:
Ludwig Hollonius: Somnium Vitae Humanae. Berlin 1970, S. 44-48.
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