Siebenter Auftritt.

[187] Vorige. Lämmlein.


LÄMMLEIN. Niemand, der mich gemeldet hätte ...

RICHARD aufspringend, für sich. Das ist ja ein Unglückstag! Laut. Haben wir unsre Scene vom heutigen Maskenballe nicht gut probiert, Herr Lämmlein? – Nun, auf Wiedersehen, meine Gnädige! Und es bleibt dabei! Schnell ab.

AMÉLIE kalt. Guten Tag, Herr Schwager!

LÄMMLEIN ihr die Hand küssend. Guten Tag, Frau Schwägerin. – Ich dachte wohl gleich, daß es auf solch ein sündiges Endziel hinausliefe, als da ist eine Redoute. Sie wollen die Nacht wieder durchschwärmen?

AMÉLIE. Man muß doch wissen, daß Fastnacht ist.

LÄMMLEIN. Das weiß ich auch. Denn ich weiß, es ist morgen Aschermittwoch, wo man Buße thut, im Sack und in der Asche.

AMÉLIE. Das ist morgen, Herr Schwager, aber heute –

LÄMMLEIN. Was würde mein guter, lieber Bruder, Dero seliger, in Gott ruhender Herr Gemahl dazu sagen, wenn er Zeuge wäre, wie das, Ihnen hinterlassene, mir, seinem nächsten Verwandten zweimal entzogene Vermögen nun in der argen Welt herumrollt –

AMÉLIE. Fürchten Sie nichts: ich greife mein Kapital nicht an.

LÄMMLEIN. – herumrollt, um Vergnügungen und rauschende Freuden zu kaufen, denen er so abhold gewesen.[188]

AMÉLIE. Weil er nicht mehr gehen konnte, sie aufzusuchen, und weil sie nicht zu ihm kamen, den übeln Humor des kranken Mannes zu theilen. Ich weiß am besten, was ich bei ihm ausgestanden.

LÄMMLEIN. Die werthgeschätzte Frau Schwägerin wußten wohl, warum?

AMÉLIE. Geben Sie mir die vertrauerten Tage meiner Jugend, geben Sie mir die verlornen Blüthen jener öden Zeit zurück.

LÄMMLEIN. Sie holen das Versäumte, Verlorene redlich nach! Aber was ich verlor: das Vermögen meines Bruders, das Vermögen, dessen Hälfte –

AMÉLIE ungeduldig. Er hat es mir hinterlassen, und das Testament konnte Niemand anfechten.

LÄMMLEIN. Es wird Ihnen keinen Segen bringen! Es ist mir geraubt, es ist meiner Tochter geraubt.

AMÉLIE. Frommer Schwager, Sie fallen ja ganz aus Ihrer Rolle? Wer Sie so über den Verlust irdischen, sündlichen Goldes klagen hörte, der müßte Sie verkennen, (wenn er Sie nicht so genau kennte, wie ich zum Glück), der müßte Sie: den edelsten, tugendhaftesten Sterblichen, für einen Habsüchtigen halten, – für einen Geizhals – einer Wucherer –

LÄMMLEIN. Ja, ich bin ein Habsüchtiger, ja, ich bin ein Wucherer. Aber nicht für mich, nicht um meinetwillen. Nur meine Tochter macht mich dazu. Schönheit ist eine Gabe der Natur, die Manche, welcher sie verliehen ward, schlau zu gebrauchen weiß, und mit ihr Alles erringt. Meiner armen Tochter fehlt diese Gabe –[189]

AMÉLIE. Das ist wahr. Ihre Demoiselle Tochter ist nicht überflüssig damit bedacht worden.

LÄMMLEIN. Ja, ja, sie ist sehr häßlich, das leugne ich nicht. Desto schlimmer, daß sie auch arm sein soll. Desto schlimmer, daß eine Schönheit wie Sie, Frau Schwägerin, dem armen Kinde auch noch vorenthält, was ihm eigentlich zukommt. Sie leben in Glanz, Ueberfluß und Eitelkeit. Meine Tochter verweint ihre Jugend einsam, und nie wird sich ein Mann finden, der der Armen, Häßlichen die Hand reichen will.

AMÉLIE. Immer und immer singen Sie Ihr Klagelied nach dieser Melodie, um mein Mitleid rege zu machen. Aber wenn es mich rührt, Sie für Ihr Kind besorgt zu sehen, so bringt mich diese Rührung sehr natürlich auf den Gedanken, daß mir die Sorge für das meinige weit näher liege. Auf meinen Sohn ist alle Hoffnung und Freude meines Lebens gesetzt, und ihm habe ich das ganze Vermögen, welches ich von Ihrem Bruder erbte, zugesichert. Seitdem Sie mich nicht besuchten, ist diese Angelegenheit in's Reine gebracht worden. Nicht die Angehörigen meines jetzigen Mannes, noch er selbst, – nicht meine Verwandte – Niemand soll einen Pfennig von dem Erbtheil meines Sohnes haben, und Sie selbst werden bei ruhiger Erwägung billigen, daß er mir theurer ist, als Ihre theure Tochter. – Jetzt jedoch, denk' ich, haben wir oft genug über diesen verhaßten Gegenstand gesprochen, und ich muß bitten, wenn Sie mir sonst die Ehre Ihrer Gegenwart noch schenken wollen, denselben nicht mehr zu berühren. Wäre ich kinderlos, so würden Sie mich für die Erfüllung jedes[190] billigen Wunsches gestimmt finden. Die Mutter, wie gesagt, denkt nur an ihr Kind. Sie entschuldigen übrigens, wenn ich mich Ihnen empfehle, ich habe noch mit meiner Toilette für den Abend zu thun. Ab, zur Seite.

LÄMMLEIN allein. Nun, so soll doch ein Himmel- Höllen – ein himmel-heller Sonnentag die Nacht meines Grames erleuchten! Ja, ruhig und gefaßt will ich mit schwachen Geisteskräften den Weg suchen, welchen göttliche Gnade mir vielleicht zu meinem Ziele weisen möchte. Nur Ausdauer! Nur Fassung! Nur Gebet! Also ihr Söhnchen steht mei ner armen Tochter im Wege? damit das Söhnchen vollauf habe, soll meine arme Tochter nach meinem Tode verhungern? Mit gefalteten Händen. Das wirst Du nicht zugeben, o Himmel! Das Söhnchen wird ein unglücklicher Mensch, die Eltern verziehen es, verderben es, es wächst ohne Religion auf, im Ueberfluß, es wird ein ruchloser Mensch werden, der dann in's Elend stürzt. Sein Reichthum ist sein Elend. Wer es davon befreite, wäre des Kindes Retter, für Zeit und Ewigkeit. Vielleicht hat der Himmel mich unwürdiges Werkzeug zu dieser edlen That ausersehen? – Wenn man den Knaben entfernen könnte, – das Kind der sträflichen, sich versündigenden Mutter wegnähme, es fern zu guten, frommen Leuten brächte, die sein Seelenheil besorgten, wo es auf der Bahn des Mangels und Elends zu Gott, dem Herrn geführt würde, – in der Spree könnte sich dann ein Tüchlein finden – ein Mützchen, dem Kleinen gehörig, – die Eltern würden's beweinen, – sie würden sich endlich trösten: die Zeit trocknet alle Thränen. Ohne das Kind würde die[191] lose Ehe nicht lange mehr bestehen. Und wenn sie getrennt wäre, dann böt' ich der Frau Schwägerin unsere Dienste an, meine Tochter suchte ihre Freundin zu werden. Die Frau Schwägerin sind mit ihrer Jugend und Schönheit bald auf der Rückreise, wo solche eitle Damen es vorziehen, häßliche Freundinnen zu haben, der vortheilhaften Vergleichung wegen. – Da kann ich mit meiner Tochter dienen, welche durch göttliche Gnade in diesem Punkte alle Ansprüche erfüllt. Dann fände sich so manche Gelegenheit – Emporgewendet. Aber nichts ohne Deinen Beistand! den rief ich ja immer an, bei all' meinen kleinen Unternehmungen, die auch immer dem Besten meiner armen Tochter galten, und stets hat er mich geschützt. Gieb mir ein Mittel an die Hand –


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 187-192.
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