Gedancken über den Streit der Seele und Wollust des N. der von seiner Maitresse allezeit übel sprach

[44] 1.

Du must lieben/

Aber ach/ du weist nicht wie?

Tausend Foltern und Betrüben

Fliehen deine Seele nie.

Daß sie so verflucht und hasset/

Was sie in ihr innres fasset.


2.

Du must ehren/

Was die Welt unehrlich heißt/[44]

Ehrbegierig/ ach und hören/

Daß dein Hermeliner Geist/

Wenn er sich zu ihr geleget/

Sich in Schlamm der Unzucht träget.


3.

Du wilst freyen

Die so viele Männer kennt/

Die der rechte/ welch bereuen/

Seine Hölle hat genennt.

Sonst das Paradieß auf Erden

Soll dein Fege-Feuer werden.


4.

Du must küssen/

Aber nur aus Raserey/

Und von der Tarantul bissen

Wird Vernunfft und Hertz nicht frey/

Biß die Wollust aufgespielet/

Und du in dem Schlamm gewühlet.


5.

Solst du lieben/

Ach so sey durch lauter Huld

Dir nicht weiter vorgeschrieben/

Himmel/ was mit Ungedult

Du vor eine Lust erkennest/

Und doch einen Abschen nennest.


6.

Drum ihr Seelen

Flieht wo Wollust aufgedeckt.

Die den Köder einmabl wehlen/

Welcher Anfangs lieblich schmeckt/

Werden Fischen gleich gefangen/

Und daran auf ewig hangen.


Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Menantes Academische Nebenstunden allerhand neuer Gedichte, Halle/ Leipzig 1713, S. 44-45.
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