[62] Ein edler Mensch ist Perlen-Muscheln gleich:
In sich am meisten reich.
Aria.
Ruhig und in sich zufrieden
Ist der gröste Schatz der Welt.
Nichts geniesset/ der geniesset
Was der Erden Kreiß beschließet/
Der ein armes Hertz behält.
Ruhig und in sich zu frieden/
Ist der gröste Schatz der Welt.
[62]
Ihr Seelen/ die ihr ausser euch
Stets in der Irre lausset;
Und vor ein Gut/ das Schatten reich
Den Reichthum des Gemüths verkaufet/
Die der Begierden Macht umschlossen hält/
Durchsuchet nur die gantze Welt/
Ihr suchet/ was ihr nicht könt kriegen/
Und kriegt ihrs/ kans euch nicht vergnügen.
Vergnügt es/ wird es euch betrügen
Und muß zuletzt wie Staub zefliegen.
Wer seinen Schatz bey andern hat/
Ist einem Kaufmann gleich:
Aus andrer Glücke reich.
Bey dem hat Reichthum wenig statt/
Der/ wenn er nichts stets Banquerott erlebt/
Doch solchen zu erleben
In steten Sorgen schwebt.
Geld/ Wollust/ Ehre sind nicht sehr
In dem Besitzthum zu betrachten/
Denn Tugenhafft sie zu verachten
Ist unvergleichlich mehr.
Aria.
Du Schätzbarkeit der weiten Erden/
Laß meine Seele ruhig seyn.
Bey dem kehrt selbst der Himmel ein/
Der in der Armuth reich kan werden.
Schwer ist es zwar/ viel eitles zu besitzen/
Und nicht aus Liebe drauf/ die strafbar zu erhitzen/
Doch schwerer ist es noch/
Daß nicht Verdruß und Sorgen Centnern gleicht/
Eh' ein Ergetzen/ welches leicht/
Ist zu erlangen.
Und hört es auf/
So wie der Welt und ihrer Schönheit Lauf
So folgen Centner Grillen drauf.[63]
In sich gegangen/
In sich gesucht/
Und sonder des Gewissens Brandt
Gen Himmel sein Gesicht gewand.
Die Muscheln öfnen sich/ wenn Strahlen darauf schiessen/
Und zeugen dann in sich die Perlen Frucht:
So suche nur dein Hertz dem Himmel aufzuschliessen/
So wirst du durch sein göttlich Licht
Ein Kleinod auch empfangen/
Das aller Erden Schätze nicht
Vermögen zu erlangen.
Aria.
Meine Seele sey vergnügt/
Wie es Gott auch immer fügt.
Dieses Welt-Meer zu ergründen
Ist Gefahr und Eitelkeit:
In sich selber muß man finden
Perlen der Zufriedenheit.
Buchempfehlung
Die zentralen Themen des zwischen 1842 und 1861 entstandenen Erzählzyklus sind auf anschauliche Konstellationen zugespitze Konflikte in der idyllischen Harmonie des einfachen Landlebens. Auerbachs Dorfgeschichten sind schon bei Erscheinen ein großer Erfolg und finden zahlreiche Nachahmungen.
640 Seiten, 29.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro