Neunter Auftritt.

[229] Figaro. Baronesse.


BARONESSE tritt von der Seite ein. Außer Athem. Ich habe Sie warten lassen.[229]

FIGARO. Gnädige Frau?

BARONESSE. Allein, der Graf von Meldenstein ist angekommen. – Er brennt vor Begierde Sie zu sehen. – Nun sagen Sie mir nur – was haben Sie vor?

FIGARO. Wie so?

BARONESSE. Mit Greif?

FIGARO. Und seinem Kapital – Nicht wahr?

BARONESSE. Und in den Adel ihn zu erheben? Mit dieser Hoffnung reizte ich ihn – doch – erfüllen wollt' ich sie nie.

FIGARO. Und warum nicht? – Sie ahmen die Gerechtigkeit des Himmels nach. Seine Narrheit ist seine Strafe.

BARONESSE. Allein – man muß Narrheit im Preise erhalten.

FIGARO. Das habe ich, dünkt mich, da ich zu Ihrem Besten – den Schwamm ausdrückte, der sich von Ihnen füllte.

BARONESSE. Zu meinem Besten?

FIGARO. Des Herrn Grafen Hyazinth Verbesserung der Domänen fing an – mit Haben-wollen. – Man mußte, zum Besten Ihrer Plane, willfahren. – Ich, zum Besten Ihrer Plane, mußte bei dem Grafen Kredit zu haben suchen. – Der Ungestüm der Unterthanen mußte sich auf's neue an Bardenroden wenden; – also mußten sie empfangen. – Ihre Kasse ist geschont – und dies zu können, mußte ich Ihren Namen bei Greif gebrauchen – und die Hoffnung in den Adelstand zu kommen. – Das ist die Sache.

BARONESSE. Die Ihnen Ehre macht. Greif ist ein Narr – und bluten kann er auch einmal.

FIGARO. Zu beweisen, wie ich indessen für Sie gehandelt – ist hier die Garantie von Ihrem Kapitale. Er übergibt sie.[230]

BARONESSE. Von Bardenroden?

FIGARO. In aller Form.

BARONESSE. Von ihm? – Wirklich von ihm?

FIGARO. Ihr Gnaden sehen –

BARONESSE. Was ich meinen Augen nicht trauen kann. Er gibt die Garantie – und sieht, daß meine Tochter mit dem Grafen Christoph sich vermählt? – Wie machen Sie's? – Wie kommt's? – Wie war es möglich, daß Sie das erhielten?

FIGARO. »Warum sollte ich« – sprach er – »diese Zeremonie – denn mehr ist es nicht – da doch die Grafen Succession bekommen werden – diese Zeremonie der Mutter – einer Dame, wohl verweigern, die einst meine Mutter hätte werden können?«

BARONESSE erstaunt. »Einst?« und – »hätte werden können?« – Hat er denn selbst den Plan nicht mehr?

FIGARO. Der Graf – so viel ich merke – hat Plan auf – hm! – Sie wohnt hier in der Nähe – eine Gräfin – Alten –

BARONESSE. Altenhain? –

FIGARO. Von Altenhain!

BARONESSE außer sich. Ist's möglich?

FIGARO. Und das freuet mich für Ihr Projekt.

BARONESSE ohne ihn zu hören. Altenhain? – die neue Gräfin? – Und Bardenrode? – kann er sich so wegwerfen? – Wie? – die Altenhain? – für ihre Tochter? – einen der ältesten Grafen des deutschen Reichs?

FIGARO. Gefällt Ihnen das nicht?

BARONESSE. Nein.

FIGARO. Ja doch –[231]

BARONESSE. Nein – sage ich – Nein – Nein, gar nicht!

FIGARO. Ich begreife nicht –

BARONESSE. Es hat mir schon gar nicht gefallen, daß er gegen meine Tochter so gleichgiltig war.

FIGARO. Das macht ja Ihr Projekt –

BARONESSE. Zu nichts! – Liebt er nicht – so entreiße ich ihm auch nichts – kann ich ihm nichts entreißen – so bin ich nicht gerächt.

FIGARO. Ja – so –

BARONESSE wüthend. Und mir die Garantie zu geben! – So schnell – so leicht – so gerade hin – so ganz um nichts zu geben! – Kalt. Er hält mich für gar nichts. – Er fürchtet – achtet – haßt – und liebt mich nicht. – Mit einer Heftigkeit, daß ihr die Sprache fast fehlt. Mich so unbedeutend – wie eine gemeine Mutter anzusehen! – Mich nicht einmal zu hassen!

FIGARO. Er spricht von Ihnen mit der größten Achtung –

BARONESSE wirft sich in das Kanapee. Das macht mich rasend.

FIGARO. Nein, wahrlich er hält Sie für eine gute Dame.

BARONESSE springt auf. Ha ha ha! – Plane – Aufwand von Intriguen, Touren und Maschinen – umsonst – um nichts. – Nein – gegen mich. – Was ich verlangen kann, ist da – Ich habe es hier in meinen Händen – Ich kann nichts wünschen – fordern – hoffen – suchen, noch betreiben – Alles hat er erfüllt, und eine öde, leere Wüste in mir zurück gelassen. – Ich bin betrogen – durch mich – von mir. – Ich kann nichts sagen. – Kalt. Nein – nichts. Ich muß der Altenhain den Glückwunsch[232] machen – Glückwunsch zu einem Glück! – Und ich – bin nicht gerächt! – stehe, als Ueberlistete bei ihren Brautanstalten! Nimmer haben diese Grafen Descendenz. – Mein Kind kommt um die Grafschaft – und ich um meine Rache! Nach einer Pause, darin sie durch alle Möglichkeiten schweift, entschlossen. Fühlen Sie meine Lage?

FIGARO. Ganz.

BARONESSE. So denken Sie auf Hilfe.

FIGARO. Wie aber? – Denn, wenn der Graf nun einmal abgesprungen ist – was ist da noch –

BARONESSE. Die Grafschaft falle auf wen sie wolle – werde meine Tochter – Gräfin – Nonne – Mutter, oder nicht – nur – daß die Altenhain den Bardenrode nicht bekomme. – Das kann nicht – darf nicht – soll nicht sein.

FIGARO. Allein – wenn nun –

BARONESSE. Ich will's nicht haben. – Sie ahnen nicht, was ich vermag, wenn ich aus ganzer Seele fühle: – »Ich will's nicht haben.« – Ich kann – Nein – ich will jetzt nicht wissen, was ich könnte – ich will das Aeußerste von Schande und Ehre – von Herrschaft und von Ohnmacht jetzt nicht vor meine Blicke. – Figaro – Figaro – helfen Sie mir dorthin – Ich sehe Sie nicht mehr. – Mein Kopf –

FIGARO hilft ihr auf's Kanapee. Ich will Hilfe –

BARONESSE. Nein.

FIGARO. Aber die Erschöpfung –

BARONESSE. Nein! – Pause. Ich will – Schwach. keine Hilfe, als das zu sein aufhören, was mich so elend macht –

FIGARO. Ich will jede Kraft aufbieten –

BARONESSE. Gut! – Helfen Sie mir auf. Sie gibt ihm[233] einen Ring. Vergessen Sie – daß der Körper des Weibes – Mannesseele nicht ertragen konnte.

FIGARO. Kein Geschenk. – Finden Sie am Ende, daß ich Ihnen redlich diente – so lohne mich diese Ueberzeugung.

BARONESSE. Nehmen Sie dies Geschenk – Ich will's –

FIGARO. Ich werde nicht wollen, gnädige Frau. – Wenn aber – ich setze den entferntesten Fall – wenn Bardenrode mit dem Fräulein sich verbinden wollte – würden Sie das bewilligen?

BARONESSE. Nein – nein – nie – Aber – können Sie das bewirken, daß ich sie ihm abschlagen kann – so fordern Sie – fordern Sie, was Sie wollen.


Quelle:
August Wilhelm Iffland: Theater. Band 4, Wien 1843, S. 229-234.
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