[380] St. Petersburg. Audienzsaal.
Zar Peter auf dem Throne. Jaguschinsky. Menzikof. Ostermann. Schaphirow. Tolstoi. Theophanes. Viele Generale und Senatoren. Gordon im Hintergrunde.
PETER.
Ins Reich zurückgelangt, bedachten wir
Zuerst, die Ruhe heimzuführen, welche
Böswillig eine gottverhaßte Rotte
Aus ihrem stillen Sitz gescheucht. Wohl war
Hier Festigkeit vonnöten. Trifft das Feu'r
Auf Stein und Eisen, ist's von selbst gedämpft;
Wer aber hemmt die Flamme, faßt sie Zunder?
Noch voll des Zunders war das Land. Dies hielt
Fern unser Aug' bisher von andern Dingen,
Wodurch wir, will es Gott, das Volk der Russen
Aus seiner Nacht zu dem glorreichen Tag
Hinanzuleiten streben, den wir ahnend
In unsrer Seele schaun. Von Osten ging
Das Licht aus, so die Welt erleuchtete,
Und wanderte gen Abend bis zum Fels
Des Herkules. Der Ratschluß aber ist,
Daß es, zurückekehrend, ewig weile
Bei uns im Ost. Ich hab' den Schluß erkannt,
Und will der Mann sein, ihn ins Werk zu richten.
Ihr Diener meines Willens, meldet mir,
Was ihr getan.
THEOPHANES tritt mit einem Hefte vor.
Ich hab' den Wald gelichtet
Für deine schöne Pflanzung. Kein Gedeihn,
Wo Aberglaub' und Priesterherrschaft dunkeln.
Ich sag' es, selbst ein Priester. Überall
Fand ich die Städte blühnd, die Menschen fleißig,[381]
Wo fromme Könige dem Volk gewährt,
Soviel des Glaubens dienen mag dem Volk.
Des Landes Herr sei auch der Kirche Herr,
Ejus religio, cujus regio!
Es ordn' ein heiliger Synod das Heil'ge,
Sei du des heiligen Synodes Haupt.
Zu Füßen leg' ich Eurer Majestät
Der neuen Einrichtung Plan und Entwurf.
Er legt das Heft auf die Stufen des Throns.
PETER.
Bischof von Pleskow! So sei Gott mir gnädig,
Als ich ihn ehr' und fürchte. Mein Gewissen
Erlaubt mir zu empfangen, was Ihr bietet.
Ich rief es heftig einst, nun sag' ich's sanft:
Hier habt Ihr Euren Patriarchen!
JAGUSCHINSKY tritt mit einem Buche vor.
Das erste Gut des Menschen ist sein Recht.
Es weiht das Irdisch-Flücht'ge zum Bestand,
Und wer's dem Menschen rasch gibt, gibt es doppelt.
Mit einem Seitenblicke auf Tolstoi.
Obgleich denn mancher meint, es büß' etwas
Von seiner Würde ein, wenn es nicht schleiche. –
Erhabner Zar, gerechtester Monarch,
Wirf einen gnäd'gen Blick auf dies Gesetzbuch,
Das deinen Russen künftig weisen wird,
Was Rechtens, bündig, klar und kurz.
Er legt das Buch auf die Stufen des Throns.
PETER.
So lieb' ich's.
MENZIKOF tritt mit einer Zeichnung vor.
Rußland führt unter einem Haupt zwei Leiber.
Durch Asien streckt der eine sich, der andre
Bedeckt Europa. In jedwedem Leib[382]
Strömt eine Ader: Don und Wolga. Beide
Sind jetzt verbunden. Von dem Europäer
Rollt brüderlich das Blut zur Asiatin.
Schau' es im Bild.
Er legt die Zeichnung auf die Stufen des Throns.
PETER.
Du bist ein tücht'ger Werkmann.
SCHAPHIROW tritt mit einer Zeichnung vor.
Ich kann nicht flüssig asiatisch reden.
Mein Zar, ich bleibe lieber auf dem Trocknen
Zu ebner Erde. Dort hab' ich gebaut
Die Straße von St. Petersburg nach Asow.
Sieh's abgerissen hier.
Er legt die Zeichnung auf die Stufen des Throns.
PETER.
Ich mag in Worten
Den Scherz, wenn man, wie du, den Ernst betätigt.
Doch was bringt Ostermann?
OSTERMANN tritt mit einem Dokumente vor.
Die Frucht des Glücks,
Des Zufalls, der Gelegenheit, der Waffen,
Nicht meines geringen Verdienstes. Herr, den Frieden!
Auf Insel Aland haben
Der Baron Görtz und ich die Punkt' entworfen.
Er eilte nach Stockholm. Nicht zaudern wird
Ulrik' Eleonore. Nach des Königs
Unvorgesehnem Hintritt ist das Land
Geteilt, bestürzt, verworren. Gerne gibt
Die Hälfte sie, den Rest zu retten.
Er entfaltet das Dokument.
Wiborg,
Kexholm, Karelien, Livland, Ingermanland,[383]
Estland samt Reval werden unser. – Reservaten
Hab' ich hinzugefügt, woraus noch mehr
Ansprüche bei gelegner Zeit zu folgern.
Was alles klärlich steht im Instrument,
So ich zu höchster Bill'gung niederlege.
Er will das Dokument auf die Stufen des Throns legen.
PETER.
Nicht dahin, Ostermann! In meine Hand!
Er nimmt es.
So halt' ich's denn! Was wir mit Blut gekauft,
Ist endlich nun urkundlich unser. Endlich
Steh' ich auf meinem Grund und Boden hier!
Nach zwanzig heißen Jahren! Wieviel Leichen
Sind in ihr Grab gelegt, damit dies Blatt
Beschrieben werden konnte! – Ostermann,
Senk nicht den Blick zu Boden, wie du pflegst,
Sieh frei empor zu deinem Zar. Du darfst es.
Du hast die Bürgerkrone dir verdient.
Graf Ostermann, der erste dieses Namens,
Wir sind mit Euch zufrieden. Gern gestehn wir,
Wir hätten's nicht so gut zustand gebracht.
Ihr seid auf dem Papier ein bessrer Feldherr,
Als Admiral Peter.
Er steht auf. Zu Theophanes, Jaguschinsky, Menzikof, Schaphirow.
Nehmt die Sachen auf.
Sie nehmen das Niedergelegte von den Stufen des Throns. Der Zar kommt vom Thron herab.
Euch allen danken wir. Es ist doch anders
Bei uns geworden. Asiens Stoffe bringt
Auf deiner ebnen Straße, Schaphirow,
Uns das Kamel der Bucharei. Das Schiff
Fährt, Menzikof, auf Fluten, die du lehrtest
Zu unsrem Vorteil strömen. Neu Gesetz
Schirmt, Jaguschinsky, unser neues Volk.
Der Schwärmer dumpfes Brüten tilgtest du,
Theophanes. Und Ostermann schuf Frieden,[384]
Daß wir das alles auch genießen mögen.
Nach menschlichem Begriff steht's wohl um uns!
Man soll von jenen sieben Wundern nicht
In meiner Gegenwart mehr reden, denn
Es gibt kein Wunder. Nicht ohn' euch wär' mir's
Gelungen. In dem schlichten Wort empfangt
Des Zaren Herz.
MENZIKOF.
Nicht Zar mehr! Großer Herr:
Volk, Heer, Senat flehen zu dir durch mich,
Du wollst, weil du erneu'st der Römer Weltreich,
Ein Kaiser sein, Selbstherrscher aller Reußen,
Vater des Vaterlands dich grüßen lassen.
EINIGE.
Heil Kaiser Petern!
ANDRE.
Heil dem Selbstherrscher aller Reußen!
ALLE.
Des Vaterlandes Vater lebe hoch!
PETER.
Vater des Vaterlands! – Ein schöner Name,
Der Vatername! Dank noch einmal, Freunde!
Ihr seid entlassen. Tolstoi!
Alle bis auf den Zar und Tolstoi ab.
Ausgewählte Ausgaben von
Alexis
|
Buchempfehlung
Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.
42 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro