Sechster Auftritt.


[15] Peter Mayer tritt auf.


SPECKBACHER.

O alter Mayer! Warum schleichst du so,

Der Schnecke gleich? Du schmälerst mir die Lust.

Mein guter Freund, der Herzog Danzigs, sollte

Auch hören, was du bringst. – Von wannen kommst du?

MAYER.

Vom engen fürchterlichen Paß bei Laditsch,

Wo tief, daß sie der Sonne Blick nicht wärmt,

Die wilde Eisack über Klippen rennt,

Von blut'gen Felsen, blutgetränkter Erde,

Von einer Leichengrube komm' ich her.

SPECKBACHER. Wie war's? Geschwind!

MAYER.

Wir lagerten bei Laditsch.

Da hörten wir, der Royer zieh' heran

Durchs Felsental. Wo sollten wir beginnen,

Allein mit uns, und schwächer in der Anzahl?

So sprachen wir den Berg um Hilfe an,

Und redlich hat der Berg sie uns geleistet.


Wir klimmten auf die Felsen, suchten aus

Die Stätte, wo sie ob der Brücke hangen,

Die schmal und spärlich überbaut den Fluß,

Und lösten Lärchen aus den Wurzeln, hoben[15]

Gewicht'ge Blöck' aus ihren Betten, rammten

Ins Erdreich schwache Pfeiler.

Und auf die Pfeiler legten wir die Lärchen,

Dann schoben auf die Lärchen wir die Blöcke,

Jetzt luden unser guten Büchsen wir,

Und hingen still, wie Gemsen, an den Zacken.


Nicht lange drauf, da kamen hergezogen

Die hüpfenden Franzosen in der Tiefe.

Sie trippelten in Hasten übers Brücklein,

Und sahen aus von oben klein wie Mäuse,

Und als die rechte Zeit gekommen war,

Gab ich das Zeichen, pfiff! die Buben aber

Kappten die Stützen. –


Da hob der Berg zu dröhnen und zu wandern an

Und ging, als wie ein rollend Weltgericht

Hinunter in die Tiefe! – Alsobald

Klang ein erschrecklich Wimmern aus dem Schlunde,

Geschrei und Heulen, wie dicht bei uns, klang.

Drauf stieg ein Dampf empor, und rollte qualmend,

Die Schlucht bedeckend, bis zu unsern Füßen.

Wir aber schossen durch den Dampf hinab,

Daß, wer noch lebt', empfing vom Blei sein Grab!


Wie nun der Staub verzogen war, so stiegen

Wir von dem Grat, und gingen zu den Feinden.

Da sah'n wir nichts, als Stein getürmt auf Stein,

Gebrochne Augen, rauchendes Gebein!

Die Brücke lag in Trümmern, und die Eisack,

Von wildverschränkten Totengliedern starrend,

Sprang, wie ein rasend Untier, übers Schlachtfeld.


FALLERN. Ein graus Verhängnis!

SPECKBACHER.

Und gerecht Gericht!

Weißt du vom Rotbart was?

MAYER.

Der steckt ja hier[16]

Im Nebenstübchen schon. Er ist zu kenntlich,

Drum wollt' er sich nicht zeigen vor den Feinden.


Er öffnet die Seitentüre.


Quelle:
Karl Immermann: Andreas Hofer der Sandwirt von Passeier. Bielefeld und Leipzig 1912, S. 15-17.
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