Venus im Bade

Schüchtern fliehn die Jungen Hirten?

Wen verbergen diese Myrthen,

In geheimnißvoller Nacht,

Unter ihren leisen Blättern?

O von tausend Liebesgöttern

Wird der ganze Hain bewacht!


Täubchen lassen sich hernieder,

Huldgöttinnen singen Lieder:

Ist es Venus? will sie hier

In dem Silberteiche baden?

Ihr gefälligen Dryaden,

Einen Blick gewähret mir.


Wollt ihr unter euern Zweigen

Mich beschützen, mir sie zeigen?

Ewig dank ich euch mein Glück,

Ewig soll mein Lied euch ehren;

Zeigt, ach! zeiget mir Cytheren:

O ihr Nymphen, einen Blick!
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Die Gebüsche, die sie decken,

Hören mich. O süßes Schrecken,

Eine Göttin unverhüllt?

Wag' ich es nach der zu blicken,

Die mit Liebe, mit Entzücken

Eine ganze Welt erfüllt?


Darf ein Sterblicher? Es glühet

Mars, wenn er die Reize siehet,

Wenn ihr Busen sich empört,

Und er nicht den Lärm des Krieges,

Nicht den wilden Ruf des Sieges,

Nur ein zärtlich Seufzen hört.


O ihr Myrthen! o umschließet

Sie vor mir. Der Gürtel fließet

Nun auf heil'gen Rasen hin.

Nieder steigt sie schon zur Quelle!

Schon berührt der Fuß die Welle,

Dem in Wüsten Rosen blühn.


Nie wird euch ein Sturm entehren,

Ihr Gebüsche, wo Cytheren

Der verliebte Frühling fand.

Kömmt ein Mädchen sich zu kühlen,

An den Teich, so wird es fühlen,

Was kein Mädchen noch empfand.

Quelle:
Johann Georg Jacobi: Sämmtliche Werke. Band 1, Zürich 1819, S. 226-227,244-245.
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