§ 41
Das lyrische Komische oder die Laune und die Burleske

[161] Wenn im Epos der Dichter den Toren, im Drama der Tor sich und jenen, aber mit dem Übergewichte des objektiven Kontrastes spielte: so muß in der Lyra der Dichter sich und den Toren spielen, d.h. in derselben wahnsinnigen Minute lächerlich und lachend sein, aber mit dem Übergewichte der Sinnlichkeit und des subjektiven Kontrastes zugleich. Der Humor, als der komische[161] Weltgeist, erscheint verkleinert und gefangen als Haus- und Waldgeist, als bestimmte Hamadryade des Dornenstrauchs, ich meine als Laune; und wie Ironie zur Persiflage, so verhält sich Humor zur Laune. Jener hat den höhern, diese einen niedern Vergleichungspunkt. Der Dichter wird bis zu einem gewissen Grade das, was er verlacht; und in dieser Lyra kommt jene Objekt-Subjektivität des Schellingischen Pans unter dem Namen burlesk wieder hervor. Denn der burleske Dichter malt und ist das Niedrige zu gleicher Zeit; er ist eine Sirene mit einer schönern Hälfte, aber eben die tierische erhebt sich über die Meersfläche, ja oft ists ein Hirtengedicht, das ein Hirtenhund bellt.

Dahin rechn' ich auch alles Travestieren – trotz dem Scheine epischer Form, die nirgends ist, wo der Dichter die Empfindung des Lesers oder Objekts selber vorempfindet –, dieses Widerspiel der Ironie, die ihr Lachen so zudeckt als jenes ihres auf. – Wie ist denn nun das Niedrig-Komische darzustellen ohne Gemeinheit? Ich antworte: nur durch Verse. Der Verfasser dieses begriff eine Zeitlang nicht, warum ihm die komische Prose der meisten Schreiber als zu niedrig und subjektiv widerlich war, indes er den noch niedrigern Komus der Knittelverse häufig gut fand. Allein wie der Kothurn des Metrums Mensch und Wort und Zuschauer in eine Welt höherer Freiheiten erhebt: so gibt auch der Sokkus des komischen Versbaues dem Autor die poetische Maskenfreiheit einer lyrischen Erniedrigung, welche in der Prosa gleichsam am Menschen widerstehen würde.

Diese Stimmung will, wie man an den Travestien und am 17. Jahrhundert sieht, wo in Paris die burlesken Verse blühten, mehr sich als den Gegenstand lächerlich machen, indes die Ironie es umkehrt; und ihr froher Ausbruch wird durch die Phrase »sich über etwas lustig machen«. wahr bezeichnet. – In einigen neuern Werken, z.B. in den Burlesken von Bode, noch weit höher aber im Herodes vor Bethlehem, schimmert in diesen niedersteigenden Zeichen der Poesie ein höheres Licht, der Sinn für das Allgemeine, da die frühern von Blumauer und andern tiefe Marschländer sind, voll Schlamm, obwohl voll Salz.

Derselbe Grund, welcher die Burleske in Versen fodert, begehrt[162] auch, wenn sie in dramatischer (obwohl unpassender) Form erscheint, Marionetten statt Menschen zu Spielern. Eine lyrische Verrückung, welche z.B. in Bodens Burlesken vor der Phantasie leicht und nur als Sache vorüberfliegt, martert in der festen Gestalt eines lebendigen Wesens uns mit einer unnatürlichen Erscheinung; hingegen die Schaupuppe ist für das niedrigste Spiel das, was für das erhabenste die Maske der Alten war; und wie hier die individuelle lebendige Gestalt zu klein ist für die göttervolle Phantasie, so ist sie dort zu gut für die vernichtende.

Die komische und niedrig-komische Poesie hat das eigene, daß sie zweierlei Wörter und Phrasen am häufigsten gebraucht, erstlich ausländische, dann die allgemeinsten. – Warum machen wir gerade durch das Ausländische am stärksten lächerlich, so wie wir es dadurch gerade am meisten werden als Ehrenmitglieder und Adoptivkinder aller Völker, besonders des gallischen? Schon durch deutsche Biegung wird das ernste lateinische Wort uns lächerlich. Französische bezeichnen, deutsch umgeendet, immer etwas Verachtendes – z.B. peuple (Pöbel), courtisan (Hasenfuß), maîtresse (Beischläferin), caressieren, canaille, infame, touchieren (als Beleidigung), blamieren, courte sieren – teils aus Volkshaß115 gegen das vorige fürstliche repräsentative System, nach welchem die deutschen Fürsten Vice-Res und missi regii von Ludwig XIV. waren, teils weil die damalige Sprachmengerei der Höfe und Gelehrten (z.B. flattieren, charmieren, passieren) in das Volk heruntersank und also noch für uns bei ihm als Schöpf-Quelle gemeiner Sprechart bleibt. Lateinische Worte werden geachtet und erhoben; folglich recht gut als Kontraste burlesk geworben. Griechische sind tafelfähig sogar im Epos; ja sogar lateinische ohne deutsche Biegung.

Der reichste und helleste komische Sprach-Born, woraus Wieland glücklich seine komischen Pflanzungen begossen und gewässert, ist unser Schatz von gemein-allgemeinen Sprechweisen.[163] Ich will einen ganzen folgenden Perioden aus ihnen formieren: »Es ist etwas daran, aber ein böser Umstand, wenn ein Mann in seinen Umständen überhaupt viel Umstände macht und (so lass' ich mir sagen), ohne selber zu wissen, woran er ist, zwar mit sich reden, aber doch nicht handeln lässet, sondern, weil er darin nicht zu Hause ist, Stunden hat, wo er die Sachen laufen lässet, wenn er auch Mittel hätte.« – Diese Phrasen, welche das Gemeinste ins Allgemeine hüllen und daher nie das Komische zu sinnlich aussprechen und woran der Deutsche so reich ist, stehen mit hohem Werte weit über allen den komischen sinnlichen plattdeutschen Wörtern, welche Mylius und andere für »humoristische« ausrufen. – Außerdem daß man mit gleichem Rechte auch scharfsinnige Wörter, elegische, tragische aufwiese, hasset gerade der Humor, ja sogar die burleske Laune die vorlaute Aussprecherei des Komischen.

Ich werde niemals ein Buch ansehen, auf dessen Titel bloß steht: zum Totlachen, zur Erschütterung des Zwerchfells u.s.w. Je öfter lachend, lächerlich, humoristisch in einem komischen Werke vorkommt, desto weniger ist es selber dieses; so wie ein ernstes durch die häufigen Wörter: »rührend, wunderbar, Schicksal, ungeheuer« uns die Wirkung nur ansagt, ohne sie zu machen.[164]

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Franzosen und Engländern fehlt es zu dieser Quelle des Komischen nicht am gegenseitigen Hasse, sondern ihren Sprachen an gegenseitiger Unähnlichkeit und Beugungsfreiheit. Nur ihre heroischen und burlesken Metra tauschen sie wechselnd gegeneinander aus.

Quelle:
Jean Paul: Werke. Band 5, München 1959–1963, S. 161-165.
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