[176] (Im April 1762.)
O du, dem durch drey lange schwarze Nächte
Ein Todes-Engel offenbahrt
Den Abgrund, wo für Ungerechte
Quaal zubereitet ward.
Freund, sprich wann sagt der Himmel seine Flüche
Der Wuth, die aus der Hölle flog,
Und durch Gewalt der Friedensbrüche
Ins Herz des Kriegers zog?
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Sie kam und hauchte pestisches Verderben
Auf ganzer Völkerschaften Glück,
Und sah' gestürzter Menschen Sterben,
Mit nimmer sattem Blick.
Tief in die Schlacht flog sie von Heer zu Heere,
Und weit verbreitet ward der Tod.
An allen Ufern bis zum Meere,
Ward das Gewässer roth.
O! von den Gräbern ungezählter Leichen
Verwendet oft der Tag sein Haupt,
Und sieht halb todte Menschen schleichen,
Die ganz der Krieg beraubt.
Dort wankt auf seiner unbeflügten Erde
Der Landmann traurig fort, und tritt
Noch in den Hufschlag von dem Pferde
Worauf sein Plündrer ritt.
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Wenn Hunger aus der bleich gewordnen Wange,
Gram aus des Mundes Seufzer spricht;
Dann reizet ihn zum Lobgesange,
Die satte Lerche nicht.
Ihn reizet nicht im buntgestreiften Kleide
Die Tulpe, die sich stolz erhebt – –
Ihr Rock ward ohne Hand und Seide
Geordnet und gewebt
Von Gott, erhaben über alle Thronen,
Der tausend Welten ausgeschmückt,
Und mehr als tausend Nationen
Auf einmahl überblickt.
Er sah' herab, zerstreute Frankreichs Flotten,
Und riß viel Inseln aus der Hand
Des Ludewigs, der sein zu spotten
Ein Heer hat ausgesandt.
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Er fuhr herab, in einer Feuerwolke,
Die ihn an Braunschweigs Mauren trug,
Als mit viel Muth und wenig Volke,
Das Heer ein Jüngling schlug.
O Freund, er warf drey grosse Gottesblicke
Auf uns. Wir zitterten voll Schmerz;
Da rief er schnell ein Weh zurücke,
Und sandt' ein Fürsten-Herz.
Mit seinem Finger wirft er alles nieder,
Was den Gerechten noch bedrängt;
Er eilt, daß bald die Hölle wieder
Des Krieges Wuth empfängt!
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