|
[318] (Den 16ten des Wintermonaths 1761.)
Als Lissabon noch ganz in königlicher Pracht
Dem alten Tyrus glich; durch Schiffarth stolz gemacht,
Noch sein erhabnes Haupt bis an die Wolken thürmte,
Eh' aus der Erd ein Gott die starke Hand erhub,
Herauf an die Palläste stürmte,
Und tief im Abgrund sie begrub:
Da war ein reicher Mann, ein alter Portugiese.
Der Reichthum fiel ihm zu. So häufen auf der Wiese
Die Mäher trocknes Heu; und an des Meeres Stand
Hat kleine Steinechen so ungezählt der Sand,
Als dieser Goldofon, im raumichten Gewölbe
Dublonen aufgehäuft. Ihm gleichen an der Elbe[319]
Vielleicht auch reiche Männer? Nein!
Zu Magdeburg kann nicht der Geiz gebohren seyn!
In Lissabon war er nur ganz in seinem Knechte.
In Lissabon, da sind vom jüdischen Geschlechte
Viel tausende verkapt, die fromm im Tempel gehn,
An einem Rosenkranz die Körner zählen stehn,
Vor einem Bilde knien, und doch Hebräer bleiben.
In Lissabon allein, wie mir ein Buch gesagt,
War nur ein Mann, von dem ich weiter nichts beschreiben
Als nur die Stunde will, in der ein Reicher fragt:
Ob Millionen ihm nur einen Tag erkaufen?
Krank ward der reiche Greiß. Krank dacht er seinen Haufen,
Und seufzte blickend in das Grab:
»Was halfs, daß ich Allmosen gab?
Die Armen trotzten mir für das, was ich gegeben,
Doch kein methusalemisch Leben
Durch ihr Gebet vom harten Himmel ab!«[320]
So sprach Don Goldofon, mit Zittern und mit Beben,
Und hieß aufs Sterbebett sich einen Beutel heben,
Mit alten goldnen Münzen voll.
Er zählte seinen Trost, und klebte mit den Blicken
Wie mit der Hand daran. Doch für sein ewig Wohl
Befand ein Nachbar gut, den Priester hinzuschicken.
Der Pater kam, und sprach: »Don Goldofon, ich soll
Vermöge meiner Pflicht, euch fragen,
Ob ihr bereitet seyd zum Schritt in jene Welt?
Dort einem Gotte Dank zu sagen,
Der euch viel Güter hier, als Darlehn zugestellt!
Ihr wurdet alt, bey Glück und guten Tagen;
Jetzt hoff ich doch von euch, daß ihr als guter Christ,
Dem müden Wandrer gleich, die Bürde von euch gebet,
Und glaubt, daß über uns die beßre Gegend ist,
In welcher eure Seele lebet!«[321]
Don Goldofon vernahm des Priesters Stimme,
Und murmelte das Pater noster nach
Mit zwischen seinem Gaum verbißnem bittern Grimme.
Der Pater, der noch viel von jenem Leben sprach,
Verließ zuletzt das Krankenbette
Des Wuchrers, der schon lang ihn gern entlassen hätte.
»Man bringe mir den Beutel wieder her!«
Rief Goldofon und seufzte schwer,
Und zählte doppelte Pistolen.
Indeß ward schnell dem Tod befohlen,
Zu schlagen an sein Herz. Er traf den kranken Mann,
Des Grabes Dunkel kam sein Auge überdecken,
Die Hand, wie Eis erstarrt, blieb in den Beutel stecken,
Und welcher Mensch es sah, dem kam ein Schauder an.
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro