Als sie eine zum Scherz verfertigte Ordre an den Kanzeleidirektor Brandhorst, und ein Executoriale auf einem Tisch fand

[326] Den 5. Julii 1763.


Da Mandloff, der einmal die Kanzelei regiert,

Und jetzt vom ganzen Kreis zu Potsdam Rechnung führt,

Da dieser, wie es uns vom Kammersekretaire

B*mann eröffnet ward, so eigennützig wäre[326]

Und ein poetisch Buch, das man ihm zugestellt,

Schon seit geraumer Zeit unartig vorenthält,

So oft man ihn auch schon erinnert, und gesagt:

Daß man es haben will – Als wird er hart verklagt,

Und nicht entschuldiget. Es wird zugleich befohlen

Durch Execution das Buch von ihm zu holen.

Der Müller, der umher im Lande reiten muß,

Wird zu ihm hingeschickt, er soll mit Ueberfluß

Sich speisen lassen, ja, er soll ihm gar nichts schenken,

Bey Tische laß er sich mit gutem Bischof tränken,

Und weiche eher nicht, bis er das Buch gewiß

In seinen Händen hat; auch mach' er überdies

Dem Mandloff noch bekannt, wie viel er sich entzogen,

Daß er die Billigkeit nicht ganz genau erwogen!

Manch nagelneu Gedicht von ungemeiner Art

Ist hier bekannt gemacht, das ihm verschwiegen ward:

Und wird er künftig nicht die Bücher wieder geben,

So soll er ohne Wein und ohne Liebe leben.
[327]

Quelle:
Anna Louisa Karsch: Gedichte von Anna Louisa Karschin, geb. Dürbach. Berlin 1792, S. 326-328.
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