8

[73] O Leib meiner Dame, du köstlicher Schrein,

Wo Gott seine köstlichste Perl' legt' hinein!

Nun ruhst du und schläfst du, doch in dir erstrahlt

Die träumende Perle im sonnigsten Schein!

Den zartesten Liliengeist bergender Kelch,[73]

Des reinsten Gedankens still blühendes Sein:

O wär ich, du Kleinod, dein Schatzmeister nur,

Dürft ich mich, du Blume, zum Gärtner dir weihn!

Mit Liebe umschließen dich innig und fest,

Wie treu schützend Gold einen funkelnden Stein!

Dann trüg ich die Erde, den Himmel, die Welt

Beisammen als Herzschmuck, geläutert und rein;

Dann tränk ich die klareste Seele aus dir,

Du zierlicher Becher, wie perlenden Wein!

Schlaf sanft und schlaf selig, du köstlicher Leib,

Indessen ist träumend die Seele ja mein!


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 73-74.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte: Eine Auswahl
Gedichte in einem Band
Sämtliche Werke in sieben Bänden: Band 1: Gedichte
Sämtliche Werke in sieben Bänden: Band 1: Gedichte
Gottfried Keller's Traumbüchlein. Aufzeichnungen, Gedichte, Prosa