§. 3.

Etliche [23] præmonita.

Ehe wir aber zur würcklichen Examination der Argumentorum Schookii schreiten / wollen wir ein weniges noch vorhero præmittiren. Wenn man die Warheit einer particulair Historie investigiren will / so pfleget man zu consideriren die materiam rei gestæ, ingleichen die circumstantias und dererselben Scriptores. Und was den Glauben nicht gemäß / das kan man auch als eine mögliche Sache nicht glauben. Was aber wahrscheinlich ist / kan man wohl in Zweiffel ziehen / nicht aber gäntzlich ohne einige gegebene ration negiren. Sondern muß solche vielmehr nach der Chronologie, der bestimten Zeit / und derer Personen Umstände untersuchen. Kömmts nun ein wenig schwer zu glauben / so hæsitirt freylich ein solcher Untersucher / triffts aber fein ein / so macht er sich Hoffnung zur Warheit. [23] Schlägt man die annales auf /so ponderiret man nervos Historicorum. Diese sind nun nicht einerley. Denn einige sind zugleich Hörer und Zuschauer gewesen; Andere habens nur gehöret. Und ist es eine unmögliche Sache / daß die Scriptores alle dasjenige / was sie auffgezeichnet / solten gesehen haben. Solche sind nun entweder coætanei oder nicht. Die es mit ihren Augen gesehen haben / hält man freylich höher / als die es nur gehöret. Denn man giebt gar gerne zu / daß sie bißweilen aus blossen Gehör die Sache dijudiciret haben / und also wohl eine Lügen mit unterlauffen lassen. Daher ziehet man auch einen testem oculatum decem auritis vor. Wiewohl auch denen auritis deswegen nicht aller Glaube zu benehmen / sondern vielmehr in derer relation zu acqviesciren ist / bevoraus wenn sie ihre relationes aus bewährten edictis, öffentlichen Zeugnissen / und anderen monumentis, welche man pfleget in Archivis zu verwahren / nehmen. Denn öffentliche Zeugnissen lasse sich so leichte nicht proscribiren / als Sachen /die zum Andencken aufgezeichnet seyn. Und hält man mit den Nauclero [24] mehr auff öffentliche Zeugnisse /als auff alle Historien Schreiber.

Quelle:
[Meister, Johann Gottlieb:] M. Theodori Kirchmayeri Curiöse Historia von den unglücklichen Ausgange der Hamelischen Kinder. Aus dem Lat. ins Teutsche übers. von M. M. [d.i. Johann Gottlieb Meister], Dresden, Leipzig 1702, S. 23-25.
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