An Damon

[161] Stöhrer deiner eignen Ruh,

Damon! warum trauerst du?

Soll dein Kummer ewig siegen,

Und dir Stirn und Wangen pflügen?


Wie der Glanz von dunkelm Licht

Schwach aus Todtengrüften bricht;

So blinkt deine trübe Sele

Aus des Leibes Trauerhöhle.


Doch die kluge Mine zeigt,

Wenn dein blasser Mund gleich schweigt,

Daß die Weisheit, die dich quälet,

Dich für Sinnlichkeiten stählet.


Weiser Damon! dessen Haupt

Lorber um und um belaubt,

Muß die Weisheit immer sitzen

Und das Haupt voll Unmuth stützen?


Nimmer, nimmer sey ihr gut,

Wenn sie dieses jemahls thut!

In den Wüsten zwischen Eulen

Baue sie sich Ehrensäulen!


Freund! in deiner Jahre Zahl

Rechnet dir der Tod einmal[161]

Nebst den freudenreichen Tagen,

Auch die Tage voll von Plagen.


Du schwimmst in der Zeiten Raum,

Wie auf Strömen leichter Schaum;

Kanst du nicht so schnell zur Erden,

Wie der Schaum zu Wasser werden?


Doch itzt schmeckt noch Wein und Kuß.

Auf! ertränke den Verdruß.

Sieh, wie mir die Tropfen gleiten

Ob der Kürze dieser Zeiten.


Zehnmal füll ich schon dieß Glas

Mit der Trauben edlem Naß;

Noch reitzt mich sein güldnes Blinken,

Und die Freude wächst im Trinken.


Mädchen! küß mich, mich – – ver – – langt,

O! mein froher Schedel wankt.

Laß mich, unter Scherz und Lallen,

Sanft dir in die Arme fallen.


Thür und Teppich tanzt um mich,

Erd und Himmel drehet sich;

Seht die Fenster in den Zimmern,

Wie sie an dem Boden schimmern!


Alles sieht mich lächelnd an.

O Evoe, o Evan!

Laß sich nur zu deinen Ehren

Damon auch einmal bekehren.

Quelle:
Ewald Christian von Kleist: Sämtliche Werke. Stuttgart 1971, S. 161-162.
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