Der Affe und der Kater

[176] Bertrand und Raton – dieser war ein Kater,

Jener ein Affe – waren Hausgenossen

Desselben Herrn; trotz ihrer argen Possen

War er dem Paar ein guter Pflegevater.

Sie fürchteten kein peinliches Gericht.

Fand man im Hause einen Schaden,

So brauchte den Verdacht man nicht

Unschuldigen Nachbarn aufzuladen.

Bertrands Zerstörungslust war groß,

Und Raton mochte Käse gerne leiden

Und ging auf diesen statt auf Mäuse los.

Einst sahen unsre lockren beiden

Kastanien im Kamine rösten.

Ach, wie ergaunert man sie bloß?

Der Spaß wär zwiefach: erstens trösten

Sie dessen Gaumen, der mit Lust sich dran vergnügt,

Und zweitens wird Verdruß dem dritten zugefügt.

Zu Raton sagte Bertrand alsogleich:

»Hier, Brüderlein, mach deinen Meisterstreich

Und hol sie uns. O hätte Gott mich Affen,

Kastanien aus der Glut zu scharrn, erschaffen,

So hätten wir schon unsre Freude dran!«

Raton war stolz. Er nickte und begann

Ganz sacht die Asche mit der Pfote zu entfernen.

Er zog die Krallen schnell zurück.

Ach, solche Arbeit war ein heißes Stück!

Indes, er mühte sich, die neue Kunst zu lernen,

Und legte nach und nach Kastanien frei.

Die erste flog heraus, es folgten zwei und drei,

Und Bertrand hinter ihm ergriff und knackte sie.

Da kam die Magd und schimpfte auf das Vieh[177]

Und hat das Gaunerpaar geschwind geschieden.

Man sagt, Raton war unzufrieden.


So sind es meistens auch die Prinzen,

Die, stolz des Amts, wozu man sie ernannt,

Für einen König sich in den Provinzen

Die Finger haben arg verbrannt.

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 176-178.
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