Fünfte Szene.


[107] Man hört am Türschlosse schließen, es erscheint auf der Schwelle Sylva.

Monaldeschi. – Sylva.


MONALDESCHI. Jesu Maria! Ich bin doch geliebt!

SYLVA kommt ihm hastig entgegen und fällt an seinen Armen nieder, atemlos sprechend. Monaldeschi!

MONALDESCHI. Welch Glück des Himmels kommt da über mich! Fasse dich, Sylva, fasse dich, komm!


Er führt sie auf die Ruhebank und kniet vor ihr.


Welch eine Seligkeit dringt mir aus deinen Augen!

SYLVA. Ich habe meinen guten Vater getäuscht! Erst schlich ich ihm nach, als er dich fortführte, um die Tür zu kennen – dann – dann hab' ich ihm den Schlüssel entwendet, es trieb mich, ach so unwiderstehlich, dich zu sehn und dir Trost zu bringen. Der Vater nämlich sagte, man würde dir nichts tun, und die Königin würde dich mitnehmen übers Meer, und uns auch!

MONALDESCHI. Engel!

SYLVA. Nun weißt du's, und kannst ruhig sein, und nun will ich wieder zurück –

MONALDESCHI.

O bleibe noch!

Dein Hauch! Dein Blick! Dein Ton

Dringt wie der Frühling in mein wüstes Leben!

All wilder Drang, all ungestümes Streben,

Und was mich hetzt wie ruhelos Gedränge –

Es stockt und schweigt, als ob Musik erklänge[107]

Von deinem Leibe!

Bleibe;

Mein Auge hat zum ersten Male Tränen,

Mein Herz zum erstenmal ein heilig Sehnen.

Sylva, bleibe!

SYLVA.

Wohl dir! Mir wird es nicht so wohl,

Mich treibt's mit Schmerz und Ungestüm dir nach,

Und bin ich bei dir, treibt es mich hinweg –

Verwirrt ist alles mir, der Wunsch, der Zweck,

Und jetzt und einst, ich weiß nicht, was geschieht,

Weiß nicht, ob Sonne oder Mond uns sieht.

MONALDESCHI.

Die Sonne, Kind, die warme Lebenswonne,

Deiner und meiner Heimat Sonne.

SYLVA.

Welch ein Geschmeide trägst du auf der Brust?

Ich hab es nie bei dir gesehn.

MONALDESCHI zieht das Amulett hervor, das ihm die Königin gegeben.

Ein Zauberbild!

SYLVA.

Ein Frauenbild! – Bringt es dir Glück?

MONALDESCHI.

Es hat's gebracht! – Und so gehört es dir!

Du bist mein Glück, trag' es auf deinem Herzen.

SYLVA.

Nicht doch! Du wirst dein Glück verscherzen;

Man muß hübsch halten, was uns Zauber schafft:

Mit seinen Locken fiel des Simson Kraft.

MONALDESCHI.

So gib mir deinen Zauber, der ist reiner

Als meiner, eines vielversuchten Mannes:

Ich seh' ein lieblich Kreuz auf deiner Brust,

Laß mich es küssen und am Herzen tragen!

In langen Nächten und in leeren Tagen

Wird mir's erzählen, was es einst erlauscht

An deinem Herzen, eh' ich's eingetauscht.

SYLVA während sie tauschen.

Wir tun nicht recht – mein Kreuzlein ward

Mir von der Huld der Königin – wer weiß,

Was für ein Dank dem deinen angehört.

Ein lieb Geschenk ist wie ein Glied des Leibes:

Wenn man es von sich tut, entsteht ein Fehl.

Ich will dir meine schönste Locke geben,

Gib du mir diese, die auf's Auge fällt,

Sie stört dich oft, mich wird sie trösten –[108]

MONALDESCHI.

Laß mir das Kreuz, dies Zeichen meiner Jugend!

Die Königin hat keine Glückeshand,

Selbst eine Krone weiß sie nicht zu halten,

Was sie gegeben, muß man erst vertauschen –

Laß mir das Kreuz! Ach meine arme Mutter

Trug auch ein Kreuz, was diesem völlig glich;

Und willst du nicht, behalt' mein Amulett!

Mein Herz verlangt für dich nach Zauberei,

Daß du geschützt seist von verborgnen Kräften –

Horch!


Er springt auf.


Himmel! Du hast die Tür offen gelassen!


Er eilt zur Tür.


SYLVA springt ebenfalls auf. Was tat ich? Wo bin ich? Sie eilt nach der Tür. Ich muß hinweg! Schließ nicht!

MONALDESCHI eilig zurück. Man kommt! Man kommt, verbirg dich, Sylva!

SYLVA. Laß mich hinweg!

MONALDESCHI. Du kannst nicht ungesehn hinaus, die Schritte sind ganz nahe! Es kann die Königin sein!

SYLVA. Die Königin? Zu dir? Hierher? – O fort, hinweg!

MONALDESCHI hält sie. Törichtes Kind! Du läufst ihr ja entgegen! Sich umsehend. Wohin? Wohin? Tritt hinter diesen Vorhang, Sylva, tu's – tu's, ich beschwöre dich! Sonst sind wir beide verloren!


Sylva tut's zögernd.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 107-109.
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Monaldeschi
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