86. Etlicher anderer Thiere Eigenschafft und Erklärung.

[323] Der Hirsch bringet uns auf diese Materie / und gibt Anlaß / unsere Meynung zu sagen auch von etlichen andern Thieren / davon viel gesagt und gegläubet wird / das dennoch nicht allerdings glaubwürdig.

Der Biber (schreiben die Medici und Historici) wann er vermercke / daß der Jäger ihn verfolget / und nun in die äusserste Todes-Gefahr gebracht / da beisse er ihm selber seine Scham und Gemächtsküglein aus / und werffe sie von sich / weil er weiß / daß wegen derselben man ihm nur allein nachstellet: Dieselben werden dann von den Jägern genommen / und dem weiblichen Geschlecht / die des Bibergeils offt und sehr gebrauchen /[323] zu Nutz verkaufft. Die solch Mährlein beschrieben / die haben ihr Lebenlang keinen Biber gesehen. Dann kein Biber hat seine Manns-Kügelein auswendig unter dem Leibe hangend / daß er mit dem Munde oder Zähnen darzu kommen könte / sondern inwendig im Bauch verborgen / eben wie der Haase / und hat nur ein Löchlein / dadurch er seinen Uberfluß und Eyter abwirfft / gleich wie die Ziebet-Katze.

Nichts ist gemeiners / als daß man dafür hält / die Bienen haben das Gehör / und wann sie schwärmen /so folgen sie dem Klange eines Beckens / und ziehen dem nach / der sie locket. Solches ist nicht also. Sie machen zwar ein Geläut / wie dann auch die Fliegen /aber am Gehör mangelt es gäntzlich so wol den Bienen als den Fliegen. Man gebrauche der Trompeten /der Trommel / oder anderer starcken Stimme / wofern dadurch nicht die Lufft erreget wird / die nächst um sie ist / (dann mit dem Geflug und Geruch seynd sie freylich begabet /) so wissen sie nichts davon / bleiben sitzen vor wie nach. Das Beckenschlagen / wann man einen Hauffen schwärmender Bienen für sich hat / ist zu dem Ende erstlich aufgebracht / nicht als höreten die Bienen solch Geläut / und folgten demselben /sondern der Nachbarn halber. Dann der Schwarm gehöret von Rechtswegen dem zu / der ihn verfolget mit einem Geläut / wann so einer nicht vorhanden / so mag ihn annehmen / wer ihn fahen kan.


Von der Turtel-Taube singet und saget man / daß sie nach Absterben ihres Ehegatten allezeit verbleibe in dem Wittwen-Stande / und sitze auf einem dürren Ast im Walde. Durch welch Exempel man die Wittwen herrlich tröstet. Solches befindet sich aber eben so[324] wenig in der Natur und Erfahrung als das vorige. Unsere Turtel-Tauben / die man zu Hause oder auf den Tauben-Schlägen aufzeucht / wann ihnen ihre Gatten abgestorben / fliegen alsbald mit andern wie der zusammen / ja nicht allein mit Turtel-Tauben /sondern auch mit andern zahmen Tauben. Ein jeglicher / der Achtung darauf giebt / wirds also befinden. Es sitzen aber die Turtel-Tauben auf einem verdorreten Zweige / nicht Traurenshalber / sondern wie andere unzehlige Vögel mehr / auf daß sie fein um sich hersehen / und sich für ihren Feinden hüten können.


Die Natur hält viel in sich verborgen / man dichtet ihr aber auch offt was bey.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 323-325.
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