Die Gewitternacht

[176] Mit dem Grafen Konopacki,

Seinem Freunde treubewähret,

Spricht Johannes angelegen,

Als der Abend wiederkehret.


Eben hat der Graf des Trostes

Mildberedtes Wort geendet

Und des Prinzen düstre Seele

Froher Hoffnung zugewendet.


Leise lächelt dem die Freude

Auf den kummerbleichen Wangen,

Und er hält die Hand des Freundes

Mit des Dankes Druck umfangen. –


Draußen sind die Warfenknechte

Rundgelagert in der Halle,

Und es dröhnt der Marmorboden

Vom Pokal und Würfelfalle.[176]


Weiche Provenzalenlieder

Tönen aus den rauhen Kehlen,

Und sie schweben durch die Runde

Schwankend, wie verirrte Seelen.


Doch den einen von den Wachen

Seine Kameraden schelten,

Denn er schweigt bei ihrem Jubel,

Hebt auch seinen Becher selten.


Klärchens Vetter, Heinrich ist es,

Den des Mädchens Flehn bewogen,

Daß der Krieger auf des Kerkers

Prevotalwacht ist gezogen. –


Schweigend blicken jetzt die Freunde

Durch des Kerkers Fenstergitter,

Nächtlich kommt heraufgezogen

Dort vom Westen ein Gewitter;


Und die freien Wetterwolken

Ziehen rasch vorbei und schneiden

Finstre, höhnische Gesichter

In den Kerker auf die beiden.


Brausend fliegt des Todes Jagdhund

Sturm bergan in wilder Eile,

Seinen Herrn zu suchen, irrt er

Durch die Felsen mit Geheule.


Immer wird der Himmel dunkler,

Und schon ist die Nacht vollkommen;

Wie von einer finstern Ahnung

Wird der Freunde Herz beklommen.


Donnernd hallt des Todes Weidruf

Ringsum in Gebirg und Talen,

Plötzlich zündet er die Nacht an

Mit den hingeschoßnen Strahlen.[177]


Immer lauter schreit der Donner

Durch die grausen Finsternisse;

Aus gebrochnen Wolken stürzen

Rauschend sich die Regengüsse.


Hart am Kerker Blitze zucken

Sehn die beiden mit Entsetzen:

An den Felsen scheint der Tod hier

Seinen Flammenpfeil zu wetzen. –


Doch wer sind die zwei Gestalten,

Die, umraset von den Wettern,

Es in solcher Stunde wagen,

Zum Gefängnis aufzuklettern?


Richelieus geheimes, sichres

Werkzeug in verruchten Taten:

Chantereine, der Hauptmann ist es

Von des Schlosses Wachtsoldaten.


Dieser weiß zu des Gebieters

Schlau verderblichem Befehle

Immer noch ein Gift zu fügen

Aus der eignen bösen Seele.


Und mit ihm der Knechte kühnster,

Dem er alles mag vertrauen,

Der ihm durch die Nacht der Sünde

Folgt wie durch Gewittergrauen.


Rastend halten sie jetzt inne

Auf bequemer Felsenfläche,

Daß des Greuels nahen Ausgang

Noch das finstre Paar bespreche.


Wildfrohlockend ruft der Hauptmann:

»Heute muß das Werk vollbracht sein

Und zur Freude des Ministers

Dies des Polen letzte Nacht sein![178]


Reich an Hasse ist der Priester,

Dessen mag manch Grab ihn loben;

Doch des Hasses herbste Fülle

Kocht sein Herz für den da oben.


Denn der hat sich kühn vermessen,

Einst in hoher Fürsten Kreise

Dem Gefürchteten zu nahen

Auf verächtlich kalte Weise.


Und er wäre längst verblichen;

Doch der König selbst, der schwache,

Hat Gewalt verboten, fürchtend

Österreichs und Polens Rache.


Heute will mit eigner Faust ich

Nach der rechten Stunde haschen

Und mit dem, was wir vollbringen,

Selbst den Teufel überraschen.


Doch daß unsrer Tat Geheimnis

Kein Verräterohr belausche,

Liegt der Wache ganze Rotte

Eingezecht im tiefsten Rausche.


Hurtig schleudern in den Kerker

Wir die lohen Schwefelbrände,

Daß der Fürst im schweren Qualme

Sein erlauchtes Leben ende!


Und sein guter, treuer Landsmann,

Der da schläft an seiner Seiten,

Wird den Freund wohl mit Vergnügen

In die andre Welt begleiten.


Lustig vorwärts, Kamerade!

Vorwärts, Bruder, ohne Zagen!

Morgen heißt es: in den Kerker

Hat der Donner eingeschlagen.[179]


Ja! dem Himmel aufgebürdet

Sei die Mordtat unsrer Hände;

Und der wütet heut so närrisch,

Daß ers selber glaubt am Ende!«


Hastig schreiten sie nun aufwärts,

Kommen zu den Kerkertoren;

Doch es ging von dem Gespräche

Nicht ein Wörtchen auch verloren.


Denn des Prinzen treuer Page,

Dem ein Unheil mochte ahnen,

Folgte ihnen Schritt für Schritte

Nach auf ihren schlimmen Bahnen.


Sachte sind sie nun getreten

In das Haus, die Schwefelbrände

Aus dem Dunkel still zu holen,

Und entzünden sie behende.


Klärchen weckt den Vetter schleunig,

Der in leichtem Schlummer nicket,

Hält die Hand ihm, daß er schweige,

Zitternd auf den Mund gedrücket.


Chantereine ist schnell und leise

Schon zum Fenster angeklommen,

Hat nun aus der Hand des Knechtes

Schon den Brand hinaufgenommen;


Plötzlich mit dem Feuerrohre

Bricht der Page vor, entschlossen:

In den bodenlosen Abgrund

Stürzt der Bösewicht erschossen.


Wütend, mit gezücktem Dolche,

Faßt den Pagen nun der Scherge;

Doch, von Heinrichs Schwert getroffen,

Taumelt er hinab die Berge.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 176-180.
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