Zweite Szene

[77] Ein Wäldchen vor Leipzig. Fritz von Berg und Pätus stehn mit gezogenem Degen. Rehaar.


FRITZ. Wird es bald?

PÄTUS. Willst du anfangen?

FRITZ. Stoß du zuerst.

PÄTUS wirft den Degen weg. Ich kann mich mit dir nicht schlagen.[77]

FRITZ. Warum nicht? Nimm ihn auf. Hab ich dich beleidigt, so muß ich dir Genugtuung geben.

PÄTUS. Du magst mich beleidigen wie du willst, ich brauch keine Genugtuung von dir.

FRITZ. Du beleidigst mich.

PÄTUS rennt auf ihn zu und umarmt ihn. Liebster Berg! Nimm es für keine Beleidigung, wenn ich dir sage, du bist nicht im Stande mich zu beleidigen. Ich kenne dein Gemüt – und ein Gedanke daran macht mich zur feigsten Memme auf dem Erdboden. Laß uns gute Freunde bleiben, ich will mich gegen den Teufel selber schlagen, aber nicht gegen dich.

FRITZ. So gib Rehaarn Satisfaktion, eh zieh ich nicht ab von hier.

PÄTUS. Das will ich herzlich gern, wenn er's verlangt.

FRITZ. Er ist immatrikuliert wie du; du hast ihn ins Gesicht geschlagen – Frisch Rehaar, zieht!

REHAAR zieht. Ja, aber er muß seinen Degen da nicht aufheben.

FRITZ. Sie sind nicht gescheit. Wollen Sie gegen einen Menschen ziehen, der sich nicht wehren kann?

REHAAR. Ei laß die gegen bewehrte Leute ziehen, die Courage haben. Ein Musikus muß keine Courage haben, und Herr Pätus, Er soll mir Satisfaktion geben Stößt auf ihn zu. Pätus weicht zurück. – Satisfaktion geben. Stößt Pätus in den Arm. Fritz legiert ihm den Degen.

FRITZ. Jetzt seh ich, daß Sie Ohrfeigen verdienen, Rehaar. Pfui!

REHAAR. Ja was soll ich denn machen, wenn ich kein Herz habe?

FRITZ. Ohrfeigen einstecken und das Maul halten.

PÄTUS. Still Berg! ich bin nur geschrammt. Herr Rehaar, ich bitt Sie um Verzeihung. Ich hätte Sie nicht schlagen sollen, da ich wußte, daß Sie nicht im Stande waren, Genugtuung zu fodern; vielweniger hätt ich Ihnen Ursache geben sollen, mich zu schimpfen. Ich gesteh's, diese[78] Rache ist noch viel zu gering für die Beleidigungen, die ich Ihrem Hause angetan: ich will sehen, sie auf eine bessere Weise gut zu machen, wenn das Schicksal meinen guten Vorsätzen beisteht. Ich will Ihrer Tochter nachreisen; ich will sie heiraten. In meinem Vaterlande wird sich schon eine Stelle für mich finden, und wenn auch mein Vater bei seinen Lebzeiten sich nicht besänftigen ließe, so ist mir doch eine Erbschaft von funfzehntausend Gulden gewiß. Umarmt ihn. Wollen Sie mir Ihre Tochter bewilligen?

REHAAR. Ei was! Ich hab nichts dawider, wenn Ihr ordentlich und ehrlich um sie anhaltet und im Stand seid, sie zu versorgen – Ha ha ha, hab ich's doch mein Tag gesagt: mit den Studenten ist gut auskommen. Die haben doch noch Honettetät im Leibe, aber mit den Offiziers – Die machen einem Mädchen ein Kind und kräht nicht Hund oder Hahn nach: das macht, weil sie alle kuraschöse Leute sein und sich müssen totschlagen lassen. Denn wer Courage hat, der ist zu allen Lastern fähig.

FRITZ. Sie sind ja auch Student. Kommen Sie; wir haben lange keinen Punsch zusammen gemacht; wir wollen auf die Gesundheit Ihrer Tochter trinken.

REHAAR. Ja und Ihr Lautenkonzertchen dazu, Herr von Bergchen. Ich hab Ihnen jetzt drei Stund nach einander geschwänzt, und weil ich auch honett denke, so will ich heute dafür drei Stunden nach einander auf Ihrem Zimmerchen bleiben und wollen Lautchen spielen, bis dunkel wird.

PÄTUS. Und ich will die Violin dazu streichen.[79]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 77-80.
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