6.

Tag und ein Tages-Wuntsch

[7] Die Nacht ist nun dahin; die Sonn ist wieder kommen;

Der Schlaf, deß Todes Bild, ist weg von uns genommen.

Herr Gott, du reines Liecht, laß ferne von mir sein

Der Sünden finstre Werk und gib mir deinen Schein!

Laß mich dein werthes Wort frei öffentlich bekennen;

Laß mich in deiner Lieb und meines Nechsten brennen;

Laß meinen Sinn und Geist seyn wacker für und für

Zu thun, was mir gebührt und wol gefället dir!

Und so mein müder Leib noch länger soll beschauen

Das Unrecht dieser Welt und dieses Elend bauen:

Herr Gott, so gib Geduld, verleih' beständigkeit;

Laß scheinen deinen Trost und hilff zu rechter Zeit!

Laß mir mein Augen nicht von eitlen Dingen blenden,

Nach köstlich Ding der Welt von dir mein Hertze wenden;

Hilff, daß ich mich nicht theil und bleibe gantz an dir,

Auff daß du, höchstes Gutt, mögst bleiben auch in mir!

Wenn endlich denn mein Liecht und Leben muß vergehen,

So laß mich dort gantz schön und wie verkläret stehen

Da, wo du Sonnenstral, voll von Gerechtigkeit,

Schön hell erleuchten wirst die selig Ewigkeit!

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 7.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)