59.

Amadis-Jungfern

[282] Pfui euch, die ihr euch rühmt der geilen Buhler-Lügen

Deß frechen Amadis, die dahin deutlich tügen,

Wo Circe machte Säu, wo Messalina gieng

Und für den schnöden Sieg der Wette Lohn empfing!

Die Zunge schärfft er zwar; allein er stümpfft die Sinnen,

Wil das, was ihr sollt thun, euch überreden künnen

Durch das, was nie geschehn, durch das, was, wanns geschehn,

Die Ehre gantz verdammt, die Tugend nicht mag sehn.

Der Worte göldner Glantz hat Gifft zu seinem Grunde

Und Operment steckt drinn; es schadet zum Gesunde;

Es sterbt die Einfalt hin, erweckt ein solches Klug,

Dafür ein keuscher Sinn Entsatz und Grauen trug.

Nicht mir den weisen Mund, den Amadis gelehret!

Ob Zunge lauffet gut, ist Sinn doch gantz versehret,

Und ist ihm kündig diß, was Oriana spricht,

So weiß er auch, was sonst bey Mireflor verricht,

Weiß, wie das feste Schloß ward endlich noch errungen,

Weiß, wie es letzlich noch nach vieler Müh gelungen,

Daß so beliebter Gart, im Anfang unerbaut,

In kurtzem kümmt zum Bau und seine Früchte schaut.

Er weiß, wie Florisel mit vielen kühnen Streichen

Ein königliches Bett und Buhlschafft kan erreichen;

Er weiß, wie viel der Held damals der Lantzen hat

Gebrochen, weil es Tag, und nachmals, da es spat.

Ein solcher Sinn gewohnt, daß Ehre drauß soll kummen,

Unehrlich seyn voran, daß vor- wird an-genummen[282]

Auff Hoffnung zum Erlaub, was nimmer noch erlaubt;

Daß Eltern ihre Pflicht im Winckel wird geraubt,

Daß Lieb und ihre Brunst mag, was sie wil, beginnen,

Obs gleich laufft wider Gott, Zucht, Ehr und frome Sinnen;

Daß Mutter eh als Braut man etwa werden mag,

Mag Braut bey Nachte seyn und Jungfer auff den Tag.

So viel erlernt der Sinn vom Meister geiler Lüsten!

Für dessen Schüler ich mir wüntsche zuzurüsten

Ein Schiff nach Tomos hin, auff daß der Liebe Schweiß

Zu leschen Mittel sey durch ein erfrischlich Eiß,

Wie Naso vormals thät, der nach geschriebner Liebe

Vom Pontus Klage-Brief und Trauer-Bücher schriebe

Und hätte wol gewolt, er hätte nie gekost,

Und niemals auch gelehrt die Lieb und ihre Lust.

Ihr Jungfern, glaubt es nur, daß euch das Wort zu führen

So frech und so gefach gar schwerlich wil gebühren;

Das Recht und ein Gebrauch, die habens so gericht,

Daß immer iemand ist, der eure Worte spricht,

Wo nützlich und wo noth. O, wie erschrackt ihr Väter!

O, wie befahrt sich Rom auff grosses Unfalls-Weter,

Da einmal für Gericht ein freches Weib aufftrat,

Selbst Sach und Klage führt und um die Rechte bat!

Man fragte drüber Rath, schlug auff Sybillen Bücher

Und bat die Götter drum, daß diese That sey sicher

Für allgemeines Heil; so seltsam war diß Ding!

Mehr als da eine Red einsmals ein Ochs anfing.

Ist Scham und Ehr in euch, so redet stille-schweigen

Genug von euch für euch, so kan die Hertzen neigen

Zu eurem Schutz und Gunst ein sitsam Angesicht,

Das ieden von sich selbst zu Hold und Dienst verpflicht.

Die Tugend, die ihr führt, ist Königin der Sinnen;

Die schaffets, die befihlts, daß anders wir nicht künnen,

Als euch nur wollen wol; die Zucht, die zeucht und zwingt,

Daß unser Will in uns euch volle Folge bringt.

Deß Goldes lieber Preis darff keinem Advocaten

Auff seine theure Zung in feilen Mund gerathen;

Es lobt sich durch den Glantz; es lobt sich durch die Krafft,

An welcher Erde, Lufft, Glut, Flut nichts thut und schafft.[283]

Der Rosen rothes Schön, wann sie auß grünem Bette

Früh-morgens lächeln rauß und spielen in die wette,

Leucothoë, mit dir, ist selbsten seine Pracht,

Die keine Zunge mehr noch minder zierlich macht.

Die Augen sind verblendt, die helle Diamanten

Für Glas und für Cristall nicht unterschiedlich kanten,

Da erst zu schweren ist: das ist der theure Stein,

Der nur von Blut und sonst wil nicht bezwinglich seyn.

Solls erst die Zunge thun, die Jungfern werth zu machen,

So ists gar schlecht bestellt, so sind der Tugend Sachen

Auffs schlipffrige gesetzt, und ihre Würde steht,

Nach dem die Zunge schwer, nach dem sie fertig geht.

Solls viel Geschwätze thun, so muß den Papageyen

Ihr Preis noch mehr als sonst ins hohe nauff gedeyen,

So kümmt auch hoch die Schwalb, und ein gemeiner Heer

Gilt einer Jungfer gleich, wie schön sie immer wär.

Fürwahr, ihr redet offt, viel, prächtig, frey und lange,

(Thuts euren Ohren wol, thuts fremden doch gedrange)

Und wann es dann ist auß, wird billich noch gefragt,

Ists auß? Was wil sie dann? Was hat sie dann gesagt?

Die Rohsne lachet offt, und sauer siht die Tyber,

Die Elbe rümpfft sich selbst, die Augen gehen über

Dem armen Priscian, wann euer strenger Mund

So bitter plagt ein Wort, das ihr doch nie gekunt,

Die Sprache würgt und kränckt, zermartert, krüpelt, stümmelt,

So lächerlich damit lallt, stockert, stammelt, tümmelt

Und so tyrannisirt und wider Willen zwingt,

Daß so sie gelten soll, wie sie durch euch nur klingt.

Ein Bach, ein Regen-Bach, vom Himmel her gestärcket,

Wann er, was er so sey, und was er künne, mercket,

Laufft über Thamm und Rand, scheust über Schütz und Wehr,

Bricht da und dort herauß, ergeust sich hin und her,

Mischt, was er in sich hat, treibt, was er führt zu Hauffen,

Daß Fisch, Frosch, Holtz und Schlamm hin mit einander lauffen,

Biß daß die Wolcke weicht, die ihm gab kurtze Krafft;

Dann bleibt das eine da, das andre dort verhafft.

Ihr Damen so genant, die krausen Complimenten,

Die euch das leichte Volck der tollen Liebs-Studenten[284]

In eure Sinnen geust, die schwellen euren Mut,

Weil euch das heucheln wol, das loben sanffte thut.

Sie werffen sich euch hin zu euren zarten Füssen,

Sie wollen sonst von nichts als nur von Knechtschafft wissen;

Sie küssen euer Hand; sie küssen wol den Grund,

Wo euer Fuß trat hin, wo euer Schaten stund;

Sie stelln auff euer Wort das Urthel ihres Wesens,

Deß Lebens Auffenthalt, die Artzney deß Genesens;

Ihr seyd der Seele Seel, und ausser euch sind sie,

Als wären sie nicht mehr und vor gewesen nie.

Die Sonne dieser Welt hat nie so schön gebrunnen

Als eurer Augen Licht, das göttliche paar Sonnen,

Der Wangen Lilien, mit Rosen untermengt,

Ist ihre Frühlings-Lust, daran ihr Hertze hengt;

Der theure Mund-Rubin, wem dieser kümmt zu küssen,

Der mag sich einen Gott und keinen Menschen wissen

Und düncken mehr als Mars, auch als Adonis mehr,

Die Venus Mund geküst, der vor berühmt war sehr,

Eh ihr kamt auff die Welt, und ietzt von eurem funckeln,

Wie von der Sonn ihr Stern am Himmel muß vertunckeln,

Und daß ihr in der Welt die Welt noch etwas acht:

Das ist ihr gröstes Heil, das sie noch rühmlich macht.

So saust der Buhler-Wind und schwellt euch die Gedancken;

Die bleiben nicht daheim in ihren alten Schrancken;

Ihr Haus ist viel zu eng und suchen dann ein Thor

Am nechsten, wo es ist; da brechen sie hervor

Zum Munde meistens auß, der wil sich lassen mercken,

Wil seyn gegüntes Lob nicht mindern, sondern stärcken,

Sagt her, wie er vermag, gibt rauß, was er nur kan

Und meint, daß Peitho selbst hat nie kein Wort gethan,

Das lieblicher geschallt. Allein es wird leicht Amen;

Der Nachdruck bleibt daheim; es mangelt an dem Saamen

Erfahrung und Verstand, der fruchtbar pflegt zu seyn

Und nichts, was ungeschickt zum reden, gibet ein.

Es gilt euch alles gleich, geschickt und ungeschicket,

Gereimt und ungereimt, gesticket und geflicket,

Gemengt und abgetheilt, halb oder außgeführt,

Und ist euch gar genug, wanns nur heist discurirt.[285]

Was nicht wil seyn, das bleibt; kümmts nicht, so mag es stecken,

Es scheint nicht höflich seyn, was schläfet, auffzuwecken;

Genug, wann nur der Berg sich groß und schwanger stellt,

Wann endlich gleich herfür nur wo ein Mäußlein schnellt.

Doch daß nur niemand lacht! O nein; ich muß nur klagen,

Und daß man eurer sich erbarmen solle, sagen,

Weil euch von Perlen träumt, und werden Threnen drauß,

Weil ihr nach Ehren greifft und ziehet Spot ins Haus.

Viel plaudern hat noch nie viel Nutzen heim getragen;

Viel schweigen hat noch nie viel Schaden zu beklagen;

Ein wol geschloßner Mund verwahrt ein weises Hertz;

Ein ungebundnes Maul bringt ihm und andren Schmertz.

Ihr irrt, so euch bedünckt, ihr wäret angenemer,

Wann ihr nur viel sagt her. Ich halt es viel bequemer

Zu aller Menschen Gunst, wann dieses ihr nur sagt,

Daß der euch mercke from, der euch um was gefragt.

Man rühmet Jungfern nicht, die allzuweit gereiset;

Ein Weib, das als ein Weib weiß mehr, wird nicht gepreiset.

Die Jungfern, die so wol im lieben sind geübt,

Die übt man zwar noch mehr, nur daß man sie nicht liebt.

Als wie der Zeit-Verdruß mit Schach-Bret, Karten-spielen

Bißweilen wird gestillt bey denen, die nicht zielen

Auff Gold und auff Gewinn: wann nun das Spiel ist auß,

So liegt, so gilt nichts mehr der König und das Taus.

Und also gehts mit euch; deß Schlafes sich zu wehren,

Den Unmut abzuthun, die Weile zu verzehren,

Hört mancher, was ihr sagt, sagt, was ihr gerne hört,

Biß daß er dann ist sat, ihr aber seyd bethört;

Dann hat der schlaue Fuchs den Raben bracht zum singen;

Dann hört man, wie das Faß sey leer und künne klingen;

Dann merckt und nimmt man ab, daß eure Fablerey

Ein Wiederhall, vielleicht noch weniger was sey.

Es machts nur Phantasos, der durch die blancke Pforte

Euch bringet einen Wahn, der gleich ist eurem Worte,

Das ihr für Glücke schätzt, das euer Mund gebiert,

Wann einer, wer weiß wer? Euch mit zu Bette führt.

Dann, wann nun dieser Stand von euch ist so errungen,

Und euch ist so und so ein freyer Sprung gelungen[286]

Ins weiche Feder-Feld; ey, lieber, sagt mir doch,

Braucht ihr den Amadis und discurirt dann noch?

Wann euer Kind ihr putzt, wann manchmal eure Backen

Fünff Finger euch zur Zucht biß auff das schwellen zwacken?

Wann ihr in Kühstall geht, wann ihr die Suppe kocht,

Wann ihr den Stockfisch bleut, wann euch der Prügel pocht?

Ach ja! Kind, Knecht und Magd, die stehen und verstarren;

Die Schweine sehn empor; Küh, Kälber, Ochsen, Farren

Und alles Feder-Vieh hört mit verwundren drauff,

Wie ihre kluge Frau gibt einen guten Kauff

Am Zuwachs edler Wort; allein es wil noch fehlen,

Daß sie nicht werden sat, noch so die Worte zehlen,

Wie Müntze wird gezehlt. Drum weg mit eurer Kunst,

Die einmal kaum nur gilt und weiter ist umsonst!

Die stille Frömigkeit, das eingezogne Wissen,

Was gut, was selig sey, darff nimmermehr vermissen

Sein Lob und seinen Nutz; es gilt für alle Welt

Und bleibet immer stehn, wann diese letzlich fällt.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 282-287.
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