Die dritte Abhandlung.

[80] Der Schauplatz stellet vor den Tempel der Isis in Alexandria / und die an dem Tempel hengende Todten-Grufft der Ptolomeer.

Cleopatra. Charmium.


CLEOPATRA.

Vertraute Charmium125 / das Werck / was wir solln schlüssen /

Erfordert: daß wir vor Serapen falln zu Füssen /[80]

Sein Bild andächtig ehrn / daß man in diese Glutt /

Die dreissig Göttern hier stets lodert /126 Weyrauch thut /

Und daß wir ihr Altar mit Zimmet-Oel erröthen.

Hilf mir! Denn Andacht hat Gehülffen auch von nöthen.

Die Flamme spitzet sich und brennt wie flüssend Gold.

Es scheint / der Himmel sey uns gutt / die Götter hold.

Doch dient dis Heyligthumb Uns nicht zu unsern Sachen.

Wir müssen hier hinab und in die Grufft uns machen.127

Erschrick für Topf und Asch und Todten-Beinen nicht /

Sie sind ein Heyligthum / der Lebenden ihr Licht.

Der Balsam läßt hier auch nicht Würmer Nahrung ziehen.128

Auß dieser Grufft solln mir die Wolfahrts-Eeren blühen;

In dieser Nacht sol mir der Morgenstern aufgehn;

Daß / wo wir itzt mit Ach und Weh umbdüstert stehn /

Uns sol der lichte Strahl gewünschter Lust erkwicken.

Vertraute Charmium / nur muttig! wir erblicken

Die Morgen-röthe schon / die Uns den Tag sagt an!

CHARMIUM.

Bestürtzte Königin! ist dis die Lebens-Bahn?

Der Hafen der Gefahr / der Ancker unsers Hoffen?

Stehn bei den Todten uns die Gnadens-Pforten offen?

Ist dis das Paradis / der Garten reiner Lust?

Wil sie den zarten Leib / die Alabaster-Brust /

Der Adern Purper-Oel den Schatten-Geistern weihen?

Sol uns der schwartze Sarch von Furcht und Angst befreyen?

So ist ihr neuer Weg / den sie so hoch gerühmt /

Mit keinen Rosen nicht / nein! mit Napell beblümt.

CLEOPATRA.

Nein / liebes Haupt / nein nein! die Wolcke gibt zuweile

Dem einen nutzbar Licht / dem andern Donner-Keile.

Für euserste Gefahr muß euserst Artzney sein.

Du sihst / das Wasser dringt zu allen Seiten ein /

Der zehnde Sturm fehlt nur noch uns in Grund zu sencken.

Itzt itzt ists hohe Zeit das Ruder recht zu lencken!

August ligt uns am Portt: Er suchet seinen Thron

Zu gründen auf den Grauß des mächtigen Anton.

Wird dieser Sturm-Wind nun die feste Zeder fällen /[81]

So muß sein Fall zugleich mich schwachen Ast erschellen.

Drumb ist es hohe Zeit: daß man sich des entbricht /

Dem das Verhängnüß schon sein letztes Urtheil spricht.

Zwar wünschten wir ihn wol uns noch vermählt zu schauen /

Durch unser Gutt und Blutt ihm seinen Thron zu bauen;

Allein umbsonste wird der Bezoar verbraucht /

Wenn das entflammte Gifft schon in dem Hertzen raucht.

Man spar an Todten nur die teuren Perlen-Träncke.

Hier ist des Keysers Brief / der gibt uns zum Geschäncke

Das Leben / da man ihm den Fürsten todt gewehrt.

Dis / Charmium / dis ists / was unsern Geist beschwert.

CHARMIUM.

O Stern-vermählte Seel /129 und Spiegel kluger Sinnen /

Wer / wenn das Schiff zerbricht / den Wellen kan entrinnen /

Thut thöricht / wenn er sich mit andern stürtzt ins Meer.

Wo aber sucht sie Hülff aus dieser Grufft hier her?

CLEOPATRA.

Einfältge! wagestu dich den Anton zu tödten /

Den blancken Reben-Safft mit Giffte zu beröthen?

Wollstu dich Stahl und Dolch zu brauchen unterstehn?

Nein / Charmium / nein nein! man muß behuttsam gehn.

Dis ist ein klüger Rath: du weist / Verliebter Leben

Pflegt mehr in frembder Seel / als in sich selbst zu schweben /

Auch weistu: daß / da nur die Lib ist ungeschminckt /

Die Brust des Piramus in Thysbens Spitze sinckt:

So auch / da wir uns hier ein falsches Grabmal bauen /

Traun wir uns den Anton selbst-händig todt zu schauen /

So denn fällts uns nicht schwer durch unser Lilgen-Brust /

Durch den benelckten Mund zu zwingen den August.

CHARMIUM.

Egyptens Labyrinth130 wird seinen Ruhm einbissen;

Weil kluge Weiber stets wo einen Ausgang wissen.

CLEOPATRA.

Gar recht! drumb sey auch du mir hülfbar / und verschmitzt /

Weil mir kein Glücke blüht / das dir nicht dient und nützt.

Doch / weil der Schein mehr Pracht / und Bländung grössern Schimmer[82]

Als Wahrheit darf / so ruff uns her mehr Frauenzimmer.

Nebst diesem laß ich dir alleine dis zu thun:

Daß / wenn mein schlaffend Leib wird als entseelet ruhn /

Anton den falschen Todt als wahrhafft stracks erfahre;

Geh hin! dein und mein Heil wächst auß der Todten-Baare.


Cleopatra. Charmium. Iras. Belisama. Sida. Salambo. Babia. der Cleopatra Frauenzimmer.


CLEOPATRA.

Auf auf! Cleopatra / ermunter Witz und Sinn!

Auf! segel in die See mit schwartzen Flacken hin!

Willkommen edle Schaar / ihr Schwestern unsers Glückes /

Kommt / würdigt noch einmal mich eures letzten Blickes;

Kommt / drückt mir Sterbenden die starren Augen zu!

Weint ihr? mißgönnt mir nicht die süsse Todten-Ruh.

IRAS.131

Wil ihre Majestät uns so verweiset lassen?

Sol dieser zarte Leib in frischer Blüth erblassen?

Sol dieser Adern Kwäll / der Glider Helffen-Bein /

Der Lippen ihr Rubin der Schlangen Speise sein?

Sol ihrer Brüste Milch die faulen Würmer säugen?

Solln diese Sonnen Molch' und grüne Nattern zeugen?

Der Himmel lasse nicht so herben Schmertz uns schaun!

CLEOPATRA.

Ja / Schwestern / ja! kommt / helft mir Sarch und Baare baun.

BELISAMA.

Wil sie ihr / Göttin / selbst verkürtzen Heil und Leben?

CLEOPATRA.

Pflägt nicht der Seiden-Wurm ihm selbst sein Grab zu weben?

Der kluge Schwan singt selbst behertzt sein Sterbe-Lied.

Ihr rühmet: daß an mir Gestalt und Alter blüht;

Die Schönheit ist ein Rauch / die Jugend ist ein Schatten.

Eh als die Knospen uns sind kommen recht zu statten /

Frißt schon der Zeiten-Wurm die welcke Blume weg.

Wieviel gibts Wespen nicht / die die Verleumbdungs-Fleck'

Auf unsre Lilgen schmirn / aus unsern Süssigkeiten

Wie Schlangen tödlich Gift aus besten Klee bereiten;

Den ausgesognen Safft in garstig Eyter kehrn;[83]

Mit unsrer Libes-Milch nur ihre Wollust nehrn.

Du weist es / Charmium / worauf mein Eifer ziehlet.

Hat Julius nicht nur mit uns die Brunst gekühlet?

Der Keuschheit Purper-Blüth entfärbt mit schnöder Lust?

Dis / libste Schwestern / nagt noch itzo Marck und Brust.

Geht euer Absehn denn auf meinen Stand und Würde?

Mein itzig Beispiel lehrt: der Stand sey Last und Bürde;

Daß keine Distel so wie Seid und Purper stech;

Und daß ein Zepter eh als schwirrend Glaß zerbrech.

Als ich den ersten Blick des Tages kaum empfangen /

Hat mich das Elend schon an seine Brust gehangen;

Mir minder Mutter-Milch als Wermuth eingeflößt.

Eh als durchs Lallen mir die Zunge ward gelößt /

Must ich der Eltern Todt / des Brudern Haß empfinden /132

Und / was sich Drachen nicht auf Drachen unterwinden /

Mein Kristallinen Glas mit Giffte schaun befleckt /

Und auf der Schwester Hals das grimme Schwerdt entdeckt.

Ist auch gleich im Anton mir einig Licht erschinen;

Die Hochzeit-Fackel muß oft auch zu Grabe dinen.

Der Krocodil beweint den / den er fressen wil /

Und die Sirene regt beim Strudel Seiten-spiel:

So lib-kost auch das Glück uns / wenns uns wil vergraben.

Behertzigt / was wir nicht zeither erlitten haben /

Seit uns bey Actium Gelück und Sieg verließ /

Und unser Königreich in frembde Banden stieß.

Mein Athem-loser Geist / mein abgemergelt Hertze

Fällt nun ohnmächtig hin / und ist so herbem Schmertze

Nicht mächtig zu bestehn. Dis Leben ist nicht werth:

Daß es die Seele stets mit Thränen-Saltze nährt.

Dis fehlt mir ja nur noch von seinem Zucker-Thaue:

Daß ich die Kinder nicht der Römer Sklaven schaue;

Nein! dis zu schaun bin ich zu edel vom Geblütt /

An Tugend viel zu groß / zu Hertzhafft im Gemütt.

Entschleuß dich / hoher Geist / wie du dir vorgenommen /

Durch den behertzten Tod den Fässeln vorzukommen;

Auf! Seele flügel dich!133 schwing dich vom Kot zu Gott;[84]

Aus Staube zum Gestirn. Ein unverzagter Tod

Sticht tausend Jahre weg. Drum sparet eure Zehren /

Hertzliebsten Kinder / doch.

SALAMBO.

Solln sich die Augen klären /

Wenn unser Isis sich in schwartze Wolcken hillt.

CLEOPATRA.

Des Himmels Krachen wird durch Kleinmuth nicht gestillt.

SIDA.

Auch Wehmuth hat ihr Recht.

CLEOPATRA.

Vernunfft muß sie umbtämmen.

IRAS.

Ach! Königin / wer kan den Trieb der Liebe hemmen?

CLEOPATRA.

Wer Ruh und Himmel uns nicht gönnt / der libt uns nicht.

BABIA.

Es ist das Leben ihr zu retten unsre Pflicht.

CLEOPATRA.

Und Wahnwitz / wenn ihr euch lehnt wider unser Götter /

Die keine Kleinmuth beugt.

BELISAMA.

Der Lotus hüllt die Blätter /134

Die sich früh breiten aus / des Abends traurig ein /

Wenn ihm sein Augen-trost / die Sonn / entzeucht den Schein.

Und wir solln Kisel sein / wenn unsre Sonne schwindet?

CLEOPATRA.

Weint ihr? weil Isis nun einst den Osiris findet?135

SALAMBO.

Weil Isis wird verlohrn.

CLEOPATRA.

Und sich zur Göttin macht.

BABIA.

So schlägt sie Reich und Mann und Kinder aus der acht?

CLEOPATRA.

Reich / Mann und Kinder sein der Götter Schutz ergeben.

BELISAMA.

Sie werden ohne sie verweist und hülf-loß leben.

CLEOPATRA.

Der tritt aufs Fall-brett auf / der sich auf Menschen stützt.

SALAMBO.

Ein umbgefallner Baum lehrt / was sein Schatten nützt.

CLEOPATRA.

Setzt mir nicht ferner zu mit den unfruchtbarn Thränen!

Helfft mir vielmehr den Weg in diesen Garten bähnen /

Da ich mein Leben kan der Nachwelt pfropfen ein.

Knüpft in mein krauses Haar die Diamanten-Stein /136

Bekräntzt mein Himmlisch Haupt mit Rosen und Narcissen /

Last meinen nackten Hals die Muschel-Töchter küssen /

Den Armen legt Schmaragd / den Achseln Purper an /

Daß ich dem Bräutigam ja nicht mißfallen kan.

BELISAMA.

Wem wil Cleopatra sich sterbend noch vermählen?

CLEOPATRA.

Dem Tode; den wir nun viel freudiger erwehlen /

Als da ich dem Anton und Cæsarn ward vertraut.[85]

BELISAMA.

Legt dem Gespenste man / für dem der Seele graut /137

Für dem das Auge starrt / für dem das Hertz erkaltet /

So holden Nahmen bey?

CLEOPATRA.

Schweigt Kinder / denn ihr haltet

Nur mein Vergnügen auf. Lebt glücklich! gutte Nacht!138

Ihr seht die Kuh hier knien139 von kostbarm Ertzt gemacht /

In diese solt ihr mich / wenn ich erblaßt / begraben.

SALAMBO.

Wil sie ihr eigen Bild denn nicht zum Sarche haben /140

Das hier steht / und Anton ließ giessen zu Corinth?

CLEOPATRA.

Bin ich so edel nicht / als Mycerins sein Kind?

CHARMIUM.

Egyptens Isis sol in Isis Bilde schlaffen.141

BABIA.

Ach! was verhängt nicht GOtt auf uns für Leid und Straffen.

CLEOPATRA.

Bereite / Charmium / was zum Begraben noth.

Weil ich Serapens Bild umb einen sanften Tod

Hier kniende fleh an. Doch laßt uns euch vor küssen /

Eh eure Liebes-Hand uns wird die Augen schlüssen.142

Nun ruffts Verhängnüs uns. Komm / Iras / diene du

Zum Gottesdienste mir.

CHARMIUM.

Ihr Kinder füllt die Kuh

Mit Myrrhen / Cassia / Amomum /143 Gummi / Zimmet /

Zibeth und Aloe / und was man sonsten nimmet /

Die Leichen für Gestanck und Fäule zu bewahrn.

SIDA.

Ach! dörft ich doch für sie zu Hecaten hinfahrn.

BELISAMA.

Zerfleischt die Haut mit Stahl /144 zerkwetscht das Fleisch mit Stössen.

CLEOPATRA.

Du must den rechten Arm / die lincke Brust entblössen.

Nimm Stab und Dreyfuß hin / sätz auf den Habicht-Kopf.145

Gib mir das Wachsbild her;146 geuß aus den Wasser-Topf

In dem man den Gott Nil und den Canopus ehret /147

Hier in die Opfer-Schaln.

IRAS.

Ihr grossen Götter höret!

Erhört Cleopatren / die euch zu Fusse fällt!

Vermähle dich mit ihr / du grosser Geist der Welt!

CHARMIUM.

Sätzts Mohnden-Bild der Kuh hier zwischen beide Hörner.

CLEOPATRA.

Streu / Iras / aufs Altar die fettsten Weyrauch-Körner.

CHARMIUM.

Bringt eine Ampel her / die den Anubis stellt

Durch einen Hunds-Kopf für /148 und ewig Feuer hält /149

Darzu Asbestisch Oel / Carpasisch Flachs muß kommen /

Saltz / das von Ertz und Gold und Silber wird genommen /

Der Amianten-Stein / und Salamander Haar.[86]

SALAMBO.

Anubis / nimm allhier Cleopatrens so wahr /

Wie du Osiris Leib / der Isis Gang bewachest.150

BELISAMA.

Serapis / der du nie dein grosses Auge machest

Mit Augenliedern zu /151 entzeich dein himmlisch Licht /

O Auge dieser Welt / hier diesem Sarche nicht.

SIDA.

O Mutter der Gesätz / Erfinderin der Früchte /152

Die du den Nil mit Flutt / den Hundes-Stern mit Lichte /

Die Welt mit Mehl besämst / beseel auch dieses Grab.

BABIA.

Treib / grosser Hermes / auch den Typhon von hier ab /

Daß er den Sarch in Nil nicht wie Osiren werffe /

Kein Krocodil den Zahn auf unsrer Isis schärffe;153

Sonst wiedme ich das Bild des güldenen Osir

Dem Typhon / und werf ihm ihn selber wieder für.

CHARMIUM.

Deckt ein Phönicisch Tuch154 dem Ochsen auf den Rücken.

BELISAMA.

Man muß Cleopatren / wo sie das Licht erblicken

Der Ewigkeiten wird / hier ewig Prister weihn /

Ihr ein Altar baun auf / stets Rosen auf sie streun.155

Zwölf Jungfraun müssen Thrän und Balsam hier vermengen /156

Der nur zu Jercho wächst / und dis ihr Grab besprengen.

CLEOPATRA.

Serapis höret mich. Ist kein schwartz Lamm nicht dar?157

Stracks / Iras schlacht es ab / das Blutt spritz aufs Altar /

Wasch es mit Wasser ab / das Ibis hat getrübet /

Wirf Wermuth in die Glutt / die Isis so sehr liebet /

Erfrische sie mit Oel. Versöhnt die Geister mir /158

Auch die mir feind gewest. Wolan! ist alles hier?

So komm / O süsser Tod / O liebstes Wolgefallen!

Kommt und erkwicket mich / vergifftete Kristallen!

Ich küsse Gifft und Glaß!

CHARMIUM.

Was thut sie / Königin?

CLEOPATRA.

Was das Verhängnüs heißt.

IRAS.

Wo denckt sie / Göttin / hin?

CLEOPATRA.

Nun in die Ewigkeit.

BELISAMA.

Sol die ein Gifft-Glaß schencken?

CLEOPATRA.

Dis nimmt zu rechter Zeit den Preiß den Perlen-Träncken.

SALAMBO.

Gifft rührt vom Typhon her.

CLEOPATRA.

Auch Typhons Tranck ist gutt /[87]

Wenn er die Seel auflöst / wie des Saturnus Glutt.

SIDA.

Ach! weh uns! wo wir sie so schnöde sterben lassen.

CLEOPATRA.

Verflucht sey die / die uns wil wehren zu erblassen.

BABIA.

Reißt ihr das Gift-Glaß aus / die Angst hat sie verrückt.

CLEOPATRA.

Zähmt euch / Verwegene!

CHARMIUM.

Verschmertzet / was GOtt schickt.

IRAS.

Ach! Sie besinne sich.

CLEOPATRA.

Umbsonst! ihr wehrt vergebens.

CHARMIUM.

Ach GOtt! was sehen wir?

CLEOPATRA.

O Nectar unsers Lebens!

O Labsal unsrer Seel! O Zucker-süsses Gifft!

Wol diesem! der durch dich so trüber Noth entschifft!

Der in dein Todten-Bild sein einigs Heil vermummet!

Wol diesem!

CHARMIUM.

Sie erblast.

IRAS.

Durchlauchste!

CHARMIUM.

Sie verstummet.

SIDA.

Sie röchelt!

CHARMIUM.

Sie erstirbt.

IRAS.

Seht wie das Hertze klopfft!

BABIA.

Reißt ihr die Kleider auf!

BELISAMA.

Der Adern Kwell verstopfft

Sich leider!

CHARMIUM.

Sie ist hin! die Augen sind gebrochen!

IRAS.

Man fühlt die Seele noch im engen Hertzen kochen.

SALAMBO.

Die Brust ist noch nicht kalt / bringt Eßig / Narden / Wein!

CHARMIUM.

Weckt / Thörchte / Todten auf!

IRAS.

O Jammer-reiche Pein!

Ist Geist und Athem hin?

CHARMIUM.

Sie ist / sie ist verblichen.

SIDA.

Die Himmel-hohe Seel ist aus der Welt entwichen!

IRAS.

Ich bebe voller Furcht / der Angst-Schweiß bricht mir aus!

BELISAMA.

Bestürtztes Vaterland! in Grund gestürtztes Hauß!

IRAS.

Ach Gott! wer wird den Fall dem Fürsten offenbaren?

CHARMIUM.

Anton muß ihren Tod aufs minste doch erfahren.

IRAS.

Ich mag so herber Post nicht erster Bothe sein.

CHARMIUM.

Eilt / Babia / geht rufft wen von Trabanten ein.

IRAS.

Ihr Götter! habt ihr denn Egyptens gar vergäffen

Und unser; denen man wird diesen Fall zumaßen?

Kan keine trübe Wolck uns hier vorbey nicht gehn?

Muß Ptolomæens Stul Fall über Fall ausstehn?

Wer wird Cleopatren satt zu bejammern wissen?

Laß mich nur noch einmal zu gutter letzte küssen /[88]

Entseelte Königin! nun Göttin! diesen Mund /

Durch dessen Libreitz selbst die Götter wurden wund.


Eteocles. Etliche andere des Antonius Trabanten. Charmium. Iras. Sida. Belisama. Salambo. Babia.


ETEOCLES.

Welch Blitz rührt meinen Kopf? wo bin ich hingeleitet?

Wem hat man Sarch und Grufft und Grabmal zubereitet?

Wie? bin ich bey Vernunfft? träumt mir? bin ich bey Sinn?

Ist dis Egyptenlands erblaste Königin?

CHARMIUM.

Ach leider! ja sie ists! die Pallas unsrer Jahre /

Das Wunder der Natur ligt auf der Todten-Baare.

Die Sonne dieses Reichs versanck ins todte Meer.

ETEOCLES.

Ach Götter! ach! wo rührt so schwerer Unfall her?

IRAS.

Sie hat durch Gift ihr selbst das Lebens-Garn verschnitten.

ETEOCLES.

Hilf Himmel! kontet ihr solch Unglück nicht verhütten?

CHARMIUM.

Wer darf den Königen Gesätze mahlen vor?

ETEOCLES.

Auch diese geben oft dem Rath ein offen Ohr.

IRAS.

Wir suchten / doch umbsonst / das Gifft ihr auszuwinden.

ETEOCLES.

Die Ausflucht kan euch nicht von Schuld und Straff entbinden.

CHARMIUM.

Was das Verhängnüs schleust / ruht nicht in unser Macht.

ETEOCLES.

Was meint ihr? daß sie hab auf diesen Schluß gebracht?

CHARMIUM.

Nichts / wie sie vorgab / sonst als ihr Verdruß zu leben!

Als die bestürtzte Zeit / die täglichs Ach umbgeben /

Und die von dem August andreuende Gefahr.

ETEOCLES.

Wie? daß ihr grosser Muth itzt erst so zaghaft war?

CHARMIUM.

Ein Schiff / wie steif es ist / läßt die erbosten Wellen

Den rasend-tollen Sturm sich endlich doch zerschellen.

ETEOCLES.

Weh dem / der oft das Schiff verwahrlost ohne Noth!

Ich eile / dem Anton den jammer-reichen Todt

Der grossen Königin umbständlich zu erzählen.

Indes lasst dennoch nichts an Fleiß und Mitteln fehlen /

Schafft kräftge Wasser / Oel und Lebens-Balsam her;

Bestreichet Schlaff und Pulß: schaut / ob ihr ungefähr[89]

Den kalt-erstarrten Leib mit Reiben mögt erkwicken.

IRAS.

Der Himmel wolle mehr uns Hülff als Hofnung schicken.


Der Schauplatz verwandelt sich in des Antonius geheimes Zimmer.

Des Antigonus, Artabazes und Jamblichus Geister. Antonius auf einem Bette schlaffend. Eros, gleichfalls zu seinen Füssen.


ANTIGONUS UND GEISTER.

Die Erde bricht / der Abgrund reißt entzwei /

Die Rache tagt mich aus den finstern Hölen /

Wo die mit Mord und Blutt besprützte Seelen

Sich laben durch ihr Angst-Geschrey.

Du Mörder / den stets Mord und Brand gelüstet!

Schau an mein Schatten-Bild / den Nebel meiner Faust /

Mit Flamm und Fackel ausgerüstet.

Dis Pech / die Glutt / für der dir graust /

Sind deines Untergangs ergrimmte Blutt-Cometen;

Die deines Hertzens schwartze Nacht /

Mit bebend-banger Furcht und stetem Ach erröthen.

Dein Gewissens-Wurm erwacht /

Und mein beschimpftes Bild gibt einen Spigel dir /

Darinnen du kanst deine Laster schauen /

Für denen dir itzt selbst muß grauen.

Schau an / erhitzter Löw / erbostes Tigerthier /

Wie du den geweihten Zepter Henckers-Hand zerbrechen liessest /

Und mit knechtschen Peitsch' und Rutten159 der Gesalbten Leib zerrissest!

Wie du mein gekröntes Haupt Sklaven machtest unterthan /

Und an ein verdammtes Holtz nageltest die Glider an.

Erzitterstu du wildes Unthier so

Für deines ermordeten Königes Schatten?

Dis kommet / Tirannen / euch billich zu statten;

Daß euch ein Espen-Laub / ein Rauch / ein raschelnd Stroh /

Ein schleichendes Gespenst / ein irrend Licht erschrecket /[90]

Und mit blutt-roten Purper-Farben160

Euch abmahlt die Gewissens-Narben!

Daß ihr die Natter selbst in eurem Busem hecket /

Die euch beist / sticht und necket.

Ja! nicht nur schreckt / euch wol bezwinget:

Daß ihm ein Blutt-Hund selbst verzagt sein Licht ausläscht /

Und sein ergrimmte Klau im eignen Blutte wäscht.

Indem es ihm noch nicht so gutt gelinget:

Daß ihn ein frembder Dolch / ja nicht sein Knecht umbbringet.

Jedoch! schau her! ich wil dir gnädig sein /

Und dir den Dinst noch thun / den Sklaven dir versagen /

Die doch für deine Brust Schild / Helm / und Harnisch tragen /

Zu säncken dir dis Schwerd in Brunn der Adern ein;

Indem du doch wirst lernen müssen /

Wo nicht zuvor schon wissen:

Daß der Tirannen Sarch und Mantel stets sey roth:

Ihr bluttig Ende sey keinmal ein trocken Todt:

Und / daß sie aufs Busiris Mord-Altaren

Zur gelben Zeres schwartzem Eydam fahren.161

ARTABAZES UND GEISTER.

Halt halt! verzieh! halt Stahl und Stoß zurücke!

Der Blutt-Hund ist nicht frembder Schwerdter werth:

Recht ists: daß der durch eigne Faust ersticke /

Der sich von Schweiß und andrer Blutte nehrt.

JAMBLICHUS UND GEISTER.

Der Wütterich muß sich vor sterben fühln;

Denn ein geschwinder Tod ist Gnade / keine Straffe.

Der Hencker mag zwölf Tage mit ihm spieln;

Daß sein gekrümmter Leib vor auf dem Pferde schlaffe /162

Sein Rücken fühle Peitsch und Bley /

Ein eisern Kamm zerkratze seine Glieder /

Die Schraube kwetsch ihm Arm und Bein entzwey /

Die Wippe laß auf Nadeln ihn falln nieder.

Man schneid ihm ab die Zung / und brech ihm aus die Zähne /

Die Fuß-Sohln schlagt ihm ohne Zahl;

Die Nägel schnürt bis auf das Blutt mit einer Seene /

Reißt alle Haar' ihm aus / doch eines auf einmal.[91]

Tropft Schwefel / siedend Ertzt / und Oel ihm auf die Brust /

Schmiert ihn mit Honig ein / daß ihn stets Wespen stechen /

Bereitet ihn zu einer Mäuse-Kost /

Und laßt das Rad die Schienbein' ihm zerbrechen.

Wenn nun nach diesem Kurtzweil-Spiel

Anton nicht länger tauern wil /

So sterbe ja der Hund / der mich hat todt gepeinigt;

Doch thut ihm hundert Tod' auf einmal immer an.

Er werd in einen Sack mit Schlang und Hund gethan /

Er werde / doch nicht todt / geröstet und gesteinigt /

Man wind ihm seine Därmer aus dem Bauche /

Tränckt ihn mit Kröten-Safft / speist ihn mit Hütten-Rauche /

Neht ihn in Bären-Häut / und werft ihn Hunden für.

Denn er war wüttender als kein gebeißig Thier.

Setzt ihn auf einen Stul aus Stahl /

Krönt ihn mit einem Helm aus glüend-heissen Eisen.

Denn bratet ihn in Ochsen / und am Pfal /

Und endlich mag sein Fleisch so Rab als Geyer speisen;

Die Beine brennt zu Asch / und streut sie in die See /

Kratzt seinen Nahmen aus. Sein gantzes Hauß vergeh.

ANTIGONUS UND GEISTER.

Erschrecklicher Palast / da so viel Geister irren!

Da so viel Zimmer nichts als Todten-Grüffte sein!

Was für Gespenste spieln sich durch die Pfosten ein?

Was hör ich umb den Leib für güldne Ketten schwirren?

Die Häupter krönet Gold / die Füsse tragen Stahl /

Und ihr entblößter Hals ein bluttig Wunden-Mahl.

ARTABAZES UND GEISTER.

Das Haupt Armeniens hat diesem Mörder müssen

Auch Füß und Bügel küssen.

Der Räuber samlete den Schweiß der Völcker ein /

Daß er durch meiner kostbahrn Fässel Zierde

Bezeugte seine Mord-Begierde /

Nebst der meist ein Tirann verschwändrisch pfleget sein;

Biß endlich er von Brunst und rasend-blindem Lieben

Ward durch ein wüttend Weib getriben:[92]

Daß er / doch ohne Schuld / mir einen Blutt-Spruch schrieb /

Krafft dessen mir das Beil den Kopf abhieb.

Jedoch du Wütterich / den Drach und Molch gesäuget /

Der du den Purper hast durch so viel Blutt befleckt /

Der doch für Stab und Stahl die Erdens-Götter deckt /

Hast dir nur Glutt ins Haus / Wurm in die Brust gezeuget /

Und dein Blutt-fettes Schwerd gewetzt /

Das dein verzweifelnd Arm dir selbst ans Hertze setzt.

Auch trifft der Donner nicht nur dich;

Die Schlangen werden der auch Gifft und Geist aussaugen /

Die als ein Basilisk aus den entflammten Augen

Sprützt eitel Mord und Tod umb sich.

Du zaubernde Medea dieser Zeit /

Egyptens Helena / zwar durch dein lodernd Kleid /

Durch dein gebisamt Gift fällt der in mördrisch Rasen /

Der dich als seinen Abgott ehrt:

Jedoch Sie / die dis Feuer aufgeblasen /

Erstickt auch in dem Rauch und wird nebst ihm versehrt.

Erwache grimmer Fürst / weil du dir durch die Brust /

Wie das Verhängnüs heist / dis Eisen treiben must!

ANTIGONUS UND JAMBLICHUS.

Wache Tiranne! denn Donner und Rache

Krachet / erwache! Verräther / erwache!


Antonius. Eros. Trabanten. Antyllus.


ANTONIUS.

Auf / Eros! Diener auf! es ist nicht Schlaffens Zeit /

Nun auch der Abgrund selbst auf uns sein Feuer speit!

Auf! auf! Mord / Gift und Brand ist embsig uns zu tödten!

Auf! last der Ampeln Glas durch brennend Oel erröthen!

Auf Eros! ist kein Mensch / der umb den Fürsten wacht?

EROS.

Ach! leb ich? bin ich todt? wer stört die schwartze Nacht

Mit Flammen / Glutt und Licht?

ANTONIUS.

Auf! auf! Feind! Feind! Trabanten!

Trabanten! seyd ihr taub? was für Verräther rannten

Durch Pfort und Wachten weg?

TRABANTEN.

Wir sind von Schrecken kalt![93]

ANTONIUS.

Bringt Fackeln! suchet durch!

EROS.

Hilf GOtt! wer braucht Gewalt?

1. TRABANTEN.

Wir zittern voller Furcht!

ANTONIUS.

Ist Burg und Schloß versehret?

2. TRABANTEN.

Wir haben nichts gesehn / ach! aber viel gehöret!

EROS.

Welch Blitz umbschüttet mich!

ANTONIUS.

Weiß denn kein Mensch nicht Rath?

Eröfnet / was für Furcht euch überfallen hat?

3. TRABANTEN.

Das Haar steht uns zu Berg / uns beben alle Glider.

Des Fürsten Stimme gab uns die Vernunfft kaum wieder;

Solch ein erschrecklich Knall erschütterte den Saal.

EROS.

Ach Himmel! ach! mich traf ein grimmer Donnerstral!

ANTONIUS.

Entdeck es / was du hast erschrecklichs vorzubringen.

EROS.

Herr / ich sah ins Gemach drei grimme Geister dringen /

Gerüstet in der Hand mit Schwefel / Pech und Schwerdt.

Die Glutt war dir aufs Haupt / der Stahl aufs Hertz gekehrt!

ANTONIUS.

Ach Himmel! ach wir sind / wir sind / wir sind verlohren!

Es hat kein falscher Traum dis Schrecken uns gebohren!

Ach Himmel! wir sind hin!

EROS.

Fürst / da ichs glauben darf /

Ligt hier der Dolch / den das Gespänst an Boden warf.

ANTONIUS.

Es ist mein eigen Dolch / hier steckt die leere Scheide.

Hengt denn der Fürsten Fall nur an so dinner Seide!

JUNIUS.

Ich muß Ihm / grosser Fürst / was Schrecklichs bringen bey.

ANTONIUS.

Was dreut der Himmel mehr? entdecke / was es sey.

JUNIUS.

Es war gleich Mitternacht / als Wolck und Himmel krachte /

Die Erde bebete: daß Stad und Bürger wachte.

Des grossen Tempels Thor sprang von sich selbst entzwey.

Nach diesem hob sich an von Bachen ein Geschrey163

Und wilden Satyren / die tausend Fackeln trugen /

Und hundert Trinckgeschirr in kleine Stücke schlugen /

Wie wenn sie bey der Nacht Sabazus Fest begehn.164

Ein Esel trug vorher den trunckenen Silen /

Ihm folgte Bachchus nach bekräntzt mit frischen Reben /

Sein Spiß und Wagen war mit Epheu rings umbgeben /

Vier Luchse zohen ihn durch die bestürtzte Stadt /[94]

Für Mæris Thor hinaus / wo Cæsar's Läger hat.

ANTONIUS.

Die Götter flihn für uns. Weh mir! ich bin verlohren.

Ich bin dem Vater nach vom Hercules gebohren /165

Vom Bachchus aber stammt mein Mütterliches Hauß /166

Ich rüstete mich auch stets wie Lyæus aus /167

Und that ihm alles nach. Den hab ich so verletzet:

Daß seinen Fuß von hier mein grosser Schutz-Gott setzet

Und sich zum Keyser schlägt / da ohne diß mein Geist

Für seinem sich entsetzt /168 und zu Athen zerschmeißt

Der Wind des Bachchus Bild / in Patra wird zu Staube

Alcidens Heiligthum / wir hier zu Cæsars Raube.

Entweiche Junius. O Hellen-schwartze Nacht!

In der mehr Furcht umb uns als unsre Sklaven wacht!

Bestürtzte Seelen-Angst! durchaus-vergälltes Leben!

Muß denn der Sorgen-Wurm stets an den Cedern kleben!

Kan denn kein Purper-Kleid nicht ohne Blutte sein /

Und nisten in Scharlat nur fette Schlangen ein?

Muß Angst und Aegel stets an Fürsten-Adern nagen?

Muß denn der Blitz allzeit nur in Paläste schlagen?

Und bleibt die Schäffer-Hütt im Sturmwind unversehrt?

Wie? daß der blinde Mensch dis fleucht und jenes ehrt?

Ihr Parzen / die ihr uns den Lebens-Faden spinnet /

Wie kommts: daß einem Gold von eurem Rocken rinnet?

Daß ihr dem Silber dreht / dem andern Stal und Blei?

Dem reist die Spille bald / dem andern spät entzwei.

Ihr Parzen / wie daß ihr das Gold der ersten Jahre

Mir itzt in Ertzt verkehrt / und mir die Todten-Baare

Mit so viel Jammer schwärtzt? sucht ihr so sehr mein Grab?

So schneidet mir nur bald den Drat des Lebens ab /

Eh jede Spanne sol so harte Knoten haben.

Denn wer so lebt / der ist lebendig schon begraben.

ANTYLLUS.

Herr Vater / ach! ich muß ihm leider bringen bey:

Daß auch Archibius zum Schelmen worden sey!

Weil durch sein Bubenstück der Pharos ist verlohren.

ANTONIUS.

Ach! hat's Verhängnüs denn sich wider uns verschworen?[95]

Ists wahr dis was du sagst?

ANTYLLUS.

Ich habe selbst gesehn

Von's Philadelphus Thurm169 ein Römisch Siegs-Fahn wehn.

ANTONIUS.

So ist denn Glaß und Krebs der Grund so hoher Thürme?170

Dient Marmel / Meer und Stahl nicht mehr zu unserm Schirme?

Wil auch ein Pharos uns ein Irrlicht / wie's Gelück

Ein schädlich Fallbrett sein? was geht uns nicht zurück /

Ob gleich Vernunft und Müh die Hand daran geleget?

ANTYLLUS.

Die Klugheit / die nicht's Glück auf ihren Flügeln traget /

Kommt freylich auf den Grund. Cleopatra verdient

Mehr Ruhm / als Sostratus; daß sie sich hat erkühnt

An Alexandrien dis Eyland anzuhängen.

Nun aber dient dis Werck uns ärger zu bedrängen /

Die beiden Hafen sind auf einmal eingebißt /

So Schiff als Schiff-Geräth und aller Vorrath ist

Verspielt / und uns zur Flucht nun jeder Weg verschrencket.

ANTONIUS.

So ists nun hohe Zeit: daß ich und jeder dencket /

Wie man der Dienstbarkeit des Keysers komme für.

Wo / Eros / ist mein Dolch?

ANTYLLUS.

Herr Vater / wollen wir

Ja sterben / so geschehs; jedoch mit bessern Ehren.

Laß unsern Todfeind uns durch unsern Stahl versehren!

Sind gleich die Hafen weg / ist schon die Flucht verwehrt;

So stehn die Mauern noch. Laß mein behertztes Schwerd

Und derer / die noch treu / dich und die Stadt beschirmen.

Eh als Augustus wird aus so viel festen Thürmen

Uns treiben / wird manch Feind noch beissen in das Graß.

Mein Degen ist aus Stahl / und das Gelück aus Glaß;

Wer weiß den Ausschlag noch? Muß endlich sein gestorben /

So haben wir mehr Ruhm zu hoffen / und erworben;

Wenn eigne Kleinmuth uns nicht in Verzweifeln stürtzt;

Wenn unsre Tapferkeit Gefahr und Unglück würtzt.

ANTONIUS.

So geh. Der Himmel helff euch Glück und Feind bezwingen!


Eteocles. Antonius. Eros. Die Trabanten.


ETEOCLES.

Ach Fürst! ach dörft ich doch die rauhe Post nicht bringen!

ANTONIUS.

Was ists?

ETEOCLES.

Cleopatra.

ANTONIUS.

Was ists? verschweig es nicht.[96]

ETEOCLES.

Die grosse Fürstin hat durch Gift sich hingericht.

ANTONIUS.

Cleopatra durch Gift?

ETEOCLES.

So ists / wie ich erzehle.

ANTONIUS.

Läscht das Verhängnüß denn die Unglücks-Glutt mit Oele?

Armseeliger Anton! unheilbar Hertzen-Riß!

Armseeliger Anton! ist / was du sagst / gewiß?

ETEOCLES.

Ach Fürst / ich habe selbst an der erblasten Leichen

Den Todten-Schweiß gesehn; es war kein Lebens-Zeichen

Mehr an dem Pulse dar. Die Brüste waren Eiß /

Der Adern Türckis Schnee / die Mund-Corallen weiß.

Darzu so ließ sie selbst auch durch ihr Sterben schauen:

Daß sie Cleopatra ein Fenix edler Frauen /

Die ander Isis sey / indem sie selber ihr

Aus Gold und kostbarm Ertzt / aus Jaspis und Porsier

Ein Grabmal hat gebaut / und zwar den Geist verlohren /

Doch ein unsterblich Lob ihr sterbende gebohren.

ANTONIUS.

Ihr leichten Götter ihr / die kein Erbarmnüs regt /

Wie daß der Blitz so stets auf eine Stelle schlägt?

Muß unser Hafen uns nun auch zum Wirbel werden?

Unglücklicher Anton! Verlassenster auf Erden!

Nun muß dein Lebens-Schiff schnur-stracks zu Grunde gehn /

Nun dieser Ancker nicht hat können feste stehn.

Cleopatra mein Licht! Cleopatra mein Leben!

Du Seele meiner Seel! umb deinen Schatten schweben

Die Lebens-Geister schon / die mich sie heisse Noth

Dir aufzuopffern zwingt. Komm angenehmer Todt!

Erwünschter Jammer-Port! ich suche dein Gestade;

Wer deine Küsten kiest / der seegelt recht gerade

Den Glückes-Inseln zu. Cleopatra mein Licht!

Ach! ich erblicke schon dein sternend Angefleht!

Schaut ihren neuen Stern in den Saffirnen Zimmern /

Und den verklärten Geist umb diese Pfosten schimmern;

Hört! wie die Turteltaub umb ihren Buhlen girrt /

Der in der Sterbligkeit ein-öder Wüsten irrt.

Schaut / wie ihr Göttlich Haupt mit Ariadnens Kräntzen /

Schaut / wie die Augen ihr als Ledens Kinder gläntzen;

Schaut / wie ihr Rosen-Mund gleich einer Sonne spielt /[97]

Die steter Athems-West mit feuchtem Balsam kühlt!

Schaut / wie die Marmel-Brust sich mit Rubinen spitzet /

Wie die gewölbte Schooß wol-richend Ambra schwitzet /

Wie noch die Libes-Flamm aus Hertz und Adern kwillt

Und unser schatticht Nichts mit güldnem Licht umbhüllt!

Schaut ihrs? Hier steht sie ja. Sie reicht uns Arm' und Hände /

Sie küßt / sie armet uns. Cleopatra / nein wende

Dein Antlitz nicht hinweg! nein / bin ich doch bereit /

Der morschen Sterbligkeit meist schon vermodert Kleid

Dem Leib zu ziehen aus. Nicht scheue / meinem Schatten

Den Himmel-hohen Geist der Seele zuzugatten!

Schau doch! ich atheme mehr in dir als in mir /

Komm Schwerdt! komm süsser Todt! vermähle mich mit ihr.

Weg Thron! weg Zepter weg! dein kaum erschwitztes Prangen

Ist wie ein Regenbog' in schlechte Flutt zergangen.

Ich mag mit dieser Lust nicht mehr bebürdet sein /

Nun keine Venus sie mit Libe zuckert ein.

Nun gutte Nacht! der stirbt / den Glück und Himmel hassen.

Ihr Knechte / seyd hiermit vollkommen frei gelassen;

Daß ja mein Todt gedeih iedwedem zu Gewinst:

Du Eros thu uns nur171 noch diesen treuen Dinst /

Stoß den geweyhten Dolch172 in deines Herren Hertze.

Nicht fürchte dich / stoß zu! wie? gibstu weibschem Schmertze /

Gibstu der Wehmuth nach? stoß / Eros / stoß / stoß zu!

Verweiger diesem nicht / der gerne stirbt / die Ruh.

Stoß her! die Brust ist blos. Wilstu dem / der dein Leben

Dir stündlich nehmen kan / Dolch / Stoß und Todt nicht geben?

EROS.

Herr / kan sein Vorsatz denn gar nicht geendert sein?

ANTONIUS.

Schweig! Sklaven sollen nicht den Herren reden ein.

EROS.

Doch für der Herren Heil Geist / Seel und Leben wagen.

ANTONIUS.

Wie denn / vollbringstu nicht / was wir dir aufgetragen?

EROS.

Des Herren Knecht trägt Stahl für ihn / nicht wider ihn.

ANTONIUS.

Es ist nicht wider uns / dis was man wil / vollziehn.

EROS.

Kein Knecht darf seine Faust mit edlem Blutte färben.[98]

ANTONIUS.

Der tödtet / der nicht den / der sterben wil / läst sterben.

EROS.

O Himmel-hoher Geist! O Sternen-werther Held!

Wolan! mein Segel wird so / wie du heist / gestellt!

Wolan! komm edler Stahl vollbringe das Beginnen /

Durch das ein Sklave noch kan eingen Ruhm gewinnen!

Rom rühmt die Knechte noch /173 die in der Herren Glutt

Den freien Leib gestürtzt und durch verspritztes Blutt /

Die Holtz-Stöß angefärbt. Eh ich der That sol leihen

Die viel zu treue Faust / wil ich den Dolch entweihen

In meiner eignen Brust. Schau / Held / der Stahl dringt ein!

Ein Knecht sol / wenn der Herr stirbt / nicht bei Leben sein!

ANTONIUS.

O mehr als edler Knecht! dein Tugendhaft Gemütte

Sticht tausend Römer weg / und lehrt: daß das Geblütte;

Daß das Gefangnüs auch nicht wahre Sklaven macht.

Entröthe dich Anton! daß Eros dis vollbracht /

Was dich erst lehren muß ihm rühmlich nachzusterben.

Auf! rüste dich Anton! auch diesen Dolch zu färben /

An dem das frische Blutt des edlen Sklaven klebt.

Stoß ein! wer rühmlich stirbt / der hat genung gelebt.


Antonius. Eteocles. Dercetæus. Diomedes. Etliche Trabanten.


ETEOCLES.

Ihr grimmen Götter ihr / ist dis das Grundgesätze:

Daß hoher Fürsten Blutt stets kaltes Eisen nätze!

Daß Sonnen-heller Glantz meist wäßricht untergeh /

Und hoher Thürme Pracht stets auf dem Falle steh!

DERCETÆUS.

Es ist nicht Weinens Zeit / wenn Thau und Ancker sincket!

Man muß / wenn in der Flutt der Steuerman ertrincket /

Umb Schutz-Herrn sinnen für / umb Hülffe sich bemühn.

Laßt uns den scharffen Dolch aus Brust und Wunde zihn /

Und durch dis Opfer uns den grimmen Feind versöhnen.

Man folgt dem Strome nach / der nicht ist abzulehnen.

Ist dis der Dolch? der sich mit dessen Blutte netzt /

Auf welchen Rom umbsonst viel tausend hat gewetzt.

DIOMEDES.

Erwünschte Post! es ist Cleopatra bei Leben!

Last mir dem Fürsten doch alsbald Gehöre geben.[99]

ETEOCLES.

Gehöre? Diomed / Gehör und Sinn ist hin.

DIOMEDES.

Glaubt sicher / glaubt es lebt Egyptens Königin.

ETEOCLES.

Sie mag ja / aber er nichts von Gehöre wissen.

DIOMEDES.

Wolt ihr der Freuden-Post des Fürsten Ohr verschlissen?

ETEOCLES.

Schaustu nicht / daß der Todt den Fürsten dir verschleust?

DIOMEDES.

Ach Jammer! welche Wolck ist / die dis Leid ausgeust?

ETEOCLES.

Er selbst / als er den Todt Cleopatrens vernommen /

Ist durch Verzweifelung auf diesen Irrthum kommen.

DIOMEDES.

Verrücktes Trauerspiel! O grimmer Parzen Schluß!

Ach! daß der grosse Fürst so bluttig fallen muß!

Wie aber? ist niemand / der nach der Wunde fühlet?

Der Narden auf ihn wagt / und ihn durch Eßig kühlet?

Stock-blinde! schaffet Wein und Wunden-Balsam her.

Wie? ist dis Zimmer itzt von eitel Bisam leer /

Das sonst von Ambra raucht / und Sterckungs-Wässern schwimmet?

Eilt / bringt Schlag-Balsam / Wein / zerbeitzte Perlen174 / Zimmet /

Gold-Oel / Korallen-Safft / wascht ihm die Wunden aus.

Bestreichet Schläff und Pulß: es schlägt noch Hertz und Mauß.

ETEOCLES.

Er athmet / nun bewegt er die erwärmten Glider.

DIOMEDES.

Er rührt den matten Mund.

ANTONIUS.

Wer gibt den Geist mir wieder?

DIOMEDES.

Mein Fürst! er schöpffe Luft: Cleopatra lebt noch.

ANTONIUS.

Cleopatra?

DIOMEDES.

So ists.

ANTONIUS.

Spart falsche Tröstung doch.

DIOMEDES.

Ich wünsche mir den Todt / da sie nicht noch wird leben,

ANTONIUS.

Wer hat durch falsche Post uns denn den Todt gegeben?

DIOMEDES.

Herr / zwar die Fürstin lag durchs Gifft gleich als schon todt:

Nachdem man aber ihr bei so bestürtzter Noth

Durch starcken Mithridat und kräftiges Gewässer

Alsbald zu Hülffe kam / ward unser Fürstin besser /

Und sie erholet sich von Schwachheit allgemach.

ANTONIUS.

O süsse Freuden-Post! ihr Götter gebet nach:

Daß ich noch einmal nur / eh ich die Augen schlüsse /

Cleopatren mein Licht / sie / meine Sonne / küsse.

Gewehrt / ihr Götter / nur noch diese Bitte mir!

Trabanten traget uns unsäumbar hin zu ihr.


[100] Der Schauplatz stellet abermals für die Königliche Todten-Grufft.

Cleopatra. Charmium. Iras. Sida. Belisama. Salambo. Babia. Antonius. Die Trabanten.


CLEOPATRA.

Wird uns nun auch der Weg zu Gifft und Grufft verschnitten?

Muß das Verhängnüs denn noch auf mich Todte wütten?

Nun euer Vorwitz uns schier dreimal sterben heist /

Weil schon zum andernmal mein einverleibter Geist

Im sterbenden Anton des Todes Schatten küsset.

Geht / weil ihr doch kein Heil für meine Wunde wisset /

Geht eilt dem Fürsten nur mit Stärckungs-Säften zu:

Mir bringt nur Gift: daß mans in mein Geträncke thu.

Ein Sklave mag den Kopf in Fesseln ihm zerdrücken;

Und ihr dürft mir den Todt / den Port der Noth / verstrücken?

IRAS.

Man trägt / Durchlauchste / gleich den Fürsten zu ihr her.

CLEOPATRA.

Sind alle Wolcken denn itzt alles Blitzes leer?

Sind keine Scillen nicht in dieser See zu finden?

Und kan kein Dolch / kein Gift des Lebens mich entbinden?

O Himmel! daß dis Leid wir niemals dörffen schaun!

Hieß unsre bange Furcht uns dis Begräbnüs baun?

Ach! aber was uns hat den Anblick solln verhütten /

Dis hat die tiefste Wund ihm in das Hertz geschnitten!

Ach Gott! sie bringen ihn! mein Fürst / mein Haupt / mein Licht!

Lebt er / erblickt er uns? besinnet er sich nicht?

Welch Sturmwind schmettert uns auf diese Schiffbruchs-Klippen?

Er athmet / er blickt auf / er rührt die blassen Lippen /

Das Wort erstirbt im Mund / es bricht der Angstschweiß für.

ANTONIUS.

Mein Schatz!

CLEOPATRA.

Mein Fürst!

ANTONIUS.

Mein Licht!

CLEOPATRA.

Mein Haupt!

ANTONIUS.

Sie drücke mir

Die starren Augen zu / nun sie mein Geist gesegnet.

Wenn dieser letzte Trost noch meiner Angst begegnet:

Daß ihre Schoß mir kan mein Sterbe-Küssen sein /175

So schifft Anton mit Lust in Todt und Hafen ein.[101]

CLEOPATRA.

Ach! sol Cleopatra des Fürsten Tod erleben?

Sol der gesalbte Leib ihm eine Baar abgeben?

Ihr Götter gebet nicht so herben Unfall zu!

Gift / Dolch / und Messer her!

ANTONIUS.

Sie gebe sich zu Ruh.

Sie weiger' uns / mein Schatz / nicht unser letztes Bitten.

CLEOPATRA.

Kan keine Schlange mehr kein tödtlich Gift ausbrütten?

Lebt mehr kein Scorpion / der uns entseelen kan?

Eilt / macht Kristall und Wein mit giftgern Molchen an.

ANTONIUS.

Wil sie durch neuen Schmertz mich Todten zweifach tödten?

CLEOPATRA.

Eh uns die Untreu schwärtzt / sol uns der Bluttschaum röthen.

ANTONIUS.

Gedult und Zeit verleiht gelinder' Hülff und Rath.

CLEOPATRA.

Sagt / was Cleopatra noch gutts zu hoffen hat?

ANTONIUS.

Viel / nun mein Sterben nur des Keysers Blutt-durst stillet.

CLEOPATRA.

Glaubt: daß der Zorn-Sturm mehr von mir als ihm herkwillet:

Zu dem was frommt die Gunst des Keysers endlich mir?

Nun er / mein Haupt / mein Schatz / hin ist / so schätzen wir

Thron / Kron und Reich für nichts / für Nebel / Dunst und Schatten.

Ich mag mit derer Ach nicht mehr den Geist abmatten.

Genung / Cleopatra kan sterbend sanffte ruhn /

Nun sie dem Keyser nur darf keinen Fußfall thun.

ANTONIUS.

Mein Schatz / sie lasse sich dis Irrlicht nicht verführen.

Und da mein Elend ihr nicht kan die Sinnen rühren /

Da auch kein Kind ihr nicht das Mutter-Hertze bricht.

So kwäle sie mich doch auch nach dem Tode nicht.

Denn / wird sie mir den Trost / ihr nicht das Leben gönnen /

Werd ich auch in der Gruft nicht sicher ruhen können /

Der schwere Staub wird mir zermalmen mein Gebein /

Mein Grab wird öd und leer / mein Sarch entweihet sein.

Mein von Furcht blasser Geist / mein von Angst zitternd Schatten /

Wird sich umb Mitter-Nacht mit mehr Gespensten gatten /

Und durch die wüste Burg mit Schrecken irre gehn

Zu schaun: in was für Noth Volck / Reich und Kinder stehn.

Wird aber sie / mein Licht / mir Sarch und Leiche schmücken /

Die Augen-Lider mir ersterbenden zudrücken /

Die Leiche balsamen auf Ptolomeisch ein /[102]

So wird mein Leib erkwickt / mein Geist beruhigt sein.

CLEOPATRA.

Ach! was für Elend wird mir Aermsten noch begegnen!

ANTONIUS.

Die milde Sonne scheint nach dem betrübten Regnen.

Mein Schatz! mein Geist wird schwach; mein Abschied ist nicht weit.

Es ist das Testament zu machen hohe Zeit.

Nicht ich; ihr Mutter-Hertz befihlt ihr schon die Kinder /

Weicht dem Verhängnüsse / gebt nach dem Uberwinder.

Augustus sol nebst ihr ihr Neben-Vormund sein.

So gutte Zuversicht wigt oft den Löwen ein /

Der doch auf unser Brust schon Klau und Zähne wetzet.

Mein Leib werd auf die Glutt auf Römisch nicht gesätzet /176

Sätzt ihn nur in die Gruft der Ptolomeer bei.

Der Dercetæ sei loß und Diomedes frei.

All andres steht bei ihr. Dis ist mein letzter Wille.

Daß auch mein Schatz gewis den letzten Schluß erfülle /

Besigel ihn ihr Mund durch ihren letzten Kuß.

CLEOPATRA.

Ach! daß dis Liebes-Band zwey Seelen trennen muß!

ANTONIUS.

Gebt mir noch einmal Wein.177 Ich sterb.

CLEOPATRA.

Ach! er vergeht!

Geist / Puls und Wärmbd ist hin / der Brunn der Adern steht

In todtes Eiß verkehrt. Mein Fürst / mein Haupt / mein Licht!

IRAS.

Wer hilft uns Aesten nun / nun unser Stamm zerbricht?

BELISAMA.

Ach! wer steht ferner vor dem Haupt-entblösten Reiche?

CHARMIUM.

Weh! unsre Königin erstarrt aufs Fürsten Leiche!

Tragt die Ohnmächtige weg in ihr Schlaffgemach.

Die Gegenwart gibt stets zu sehr der Wehmuth nach.


Reyen der Parcen.


Clotho. Lachesis. Atropos.


ALLE DREY.

Ihr schnödes Volck der Sterbligkeit /

Wie daß ihr so sehr alber seyd?

Wenn ihr die Zeit- und Glückes-Flucht

Durch euren Witz zu hemmen sucht?

Glaubt: daß ihr Sinn und Hand hirumb vergebens schärft /

Und ohne Frucht und Grund in Trübsand Ancker wärfft.[103]

LACHESIS.

Durch euren Witz ist nichts gethan.

Denn Clotho legt den Rocken an;

Die / was und wie viel ihr belibt /

Zu eurem Lebens-Fadem gibt.

Wie der Verhängnüs-Schluß euch gram ist / oder hold /

Gebraucht sie euch darzu Flachs / Seide / Silber / Gold.

ATROPOS.

Was Tag und Nacht mit euch beginnt /

Dis ist / was Lachesis euch spinnt.

Schaut / wie ihr eifern Wirtel schwirrt /

Wie ihre Faust das Garn verwirrt.

Es nützt und schadet euch der Sterne kräftig Lauf /

Nach dem die Farce Garn dreht auf die Spindel auff.

CLOTHO.

Wenn Lachesis den Lebens-Drat

Aufs köstlichste gesponnen hat /

So steht es meiner Schwester frei /

Zu reissen Garn und Geist entzwei.

Gleich wie die Ros' oft stirbt / eh sich die Knopf aufmacht /

So macht euch Atropos aus Mittag Mitternacht.

ALLE DREI.

Der Jugend Glutt / des Alters Eiß /

Der Wollust Dunst / der Tugend Preiß /

Der Purper und ein hären Kleid /

Der Zepter und ein Grabescheid

Gibt euch kein neues Recht / uns keinen Ordnungs-Zwang /

Wir theiln nach Willkühr aus Geburth / Blüth / Untergang.

CLOTHO.

Cleopatrens versponnen Gold

Währt länger nicht als ich gewolt.

Das Silber des Anton wird Bley /

Eh es der Unfall reist entzwei.

Eh man die Hand dreht umb / der Blick vom Auge fährt /

Hab ich die Seid in Strick / Scarlat in Stroh verkehrt.

LACHESIS.

Ich spaan am Nilus dem Anton

Das Gold zum Purper und zur Kron /

Und Seide zu der blinden Lust

Aus eines geilen Weibes Brust.

Doch / wie des Seiden-Wurms Gespinste wird sein Grab /

So gibt dis Garn ihm auch den Sterbe-Kittel ab.[104]

ATROPOS.

Der Nil sei Zeuge meiner Macht /

Die itzt auf seine Götter kracht:

Des Fürsten Faden trennt ein Dolch /

Cleopatrens zerbeist ein Molch.

So bald die Uhr auslauft / fällt auch mein Fallbeil ein /

Und solte / der da fällt / gleich selbst sein Hencker sein.

ALLE DREI.

Jedoch sind wir nicht Scheltens werth:

Daß unser Blitzen euch verzehrt;

Weil doch der Donner / der euch stürtzt /

Euch oft ein länger Ach verkürtzt.

Wenn edle Freiheit sol in knechtsche Ketten gehn /

Muß euch der Todt beim Sturm für einen Hafen stehn.

Quelle:
Daniel Casper von Lohenstein: Afrikanische Trauerspiele. Stuttgart 1957, S. 80-105.
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