Das Siebende Buch.

[969] Weil die Begierde rühmliche Thaten nachzuthun ein edles Gemüthe nicht ruhen läst; sondern ein todter Marmel dem Alcibiades den Schlaff / ein leichter Schatten dem Alexander die Ruh verstöret; so empfindet selbtes nichts minder als der hungrige Magen nach der Speise einen beweglichen Trieb sich mit anderer Helden Beginnen zu sättigen / und selbte ihm zum Vorbilde tugendhaffter Nachartung fürzustellen. Weßwegen die Geschicht-Beschreibungen nicht nur ein Behältniß des Alterthums / ein Licht der Warheit; sondern auch eine Speise der Seele / und eine Wegweiserin zur Tugend und Klugheit genennt zu werden verdienet; Nach dem in Wahrheit viel grosse Helden ohne das Licht rühmlicher Vorgänger die Rennebahn der Ehren verfehlt hätten. Denn wie die Augen sich selbst nicht schauen; also muß der Mensch nicht aus seinem / sondern fremdem Thun die Richtschnur kluger Entschlüssungen ziehen. Diesemnach sich nicht zu verwundern ist: daß Hertzog Zeno / Rhemetalces /Malovend / Adgandester / Solonine / und die Gräfin von der Lippe der Morgenröthe zuvor kamen / und sich / ihrem Verlaß nach / in dem Zimmer der Königin Erato einfanden. Adgandester ersuchte alsbald den Fürsten Malovend: daß er seiner Vertröstung nach den Fadem der Deutschen und Römischen Geschichte abwinden / und durch seine Geschickligkeit die Fehler seiner unannehmlichen Erzehlung verbessern möchte. Malovend meinte sich zwar anfangs loß zu würcken; vorwendende: daß Fürst Adgandester nur deßhalben[969] sich dieser Ehre entschütten wolte; wormit er nach Art des schönen Frauen-Zimmers / welches durch angekleibte Mahle ihre schneeweisse Haut zeigen wil /durch eines andern Mängel nur seine Vollkommenheit desto herrlicher machen möchte. Nach dem aber Hertzog Rhemetalces und Zeno ihn seines Versprechens erinnerten / Adgandester fürschützte: daß seine Erzehlung für den Cheruskischen Stamm / unter dessen Schatten er so viel Gutes genossen hätte / vielleicht in einem und dem andern verdächtig fallen dürffte; und die Gräfin von der Lippe des Feld-Herrn und der Heldin Thusnelde Liebes-Geschichte beyzusetzen einheischig ward; schickte sich Malovend darein / und /nach dem sie sich alle in einen Kreyß niedergelassen /fieng er folgende Erzehlung an:

Der Gottesdienst ist bey den alten Deutschen von denen Fürsten verrichtet worden / und im Tuisco mit der Königlichen auch die Priesterliche Würde vermählet gewest. Nach der Zeit aber hat entweder die unachtsame Sicherheit der Herrscher / oder die Ubermaß der Geschäffte den Priesterlichen Stab / den so festen Ancker der Königlichen Hoheit in andere Hände kommen lassen; also: daß der Feld-Herr Alemann sich zwar aber vergebens bemühte / mit der andern Hand den hohen Priester-Stab wieder zu umfassen. Mit dieser geistlichen Würde bekamen anfangs die Priester / welche sie Barden hiessen / und von allem Volcke für sehr heilig geachtet wurden / zwar die Freyheit von allen bürgerlichen Beschwerden in Gaben und Aemptern / den Vorsitz über den Adel /die Unversehrligkeit auch unter den Feinden / und die Gewaltstrittige Rechts-Händel zu entscheiden. Ja die Fürsten brauchten sie zu Reichs-Räthen / zu Gesandten; liessen durch sie Bündnüße behandeln /Aufrührer besänfftigen / ihre Kinder in der natürlichen und Sitten-Weißheit unterrichten; über die Laster Straffen aussetzen; Zwistigkeiten der benachbarten Fürsten unternehmen / und das Kriegs-Volck in Schlachten zur Tapfferkeit anfrischen. Wiewol nun diese Macht allbereit der Weltlichen grossen Abbruch that; so blieb sie doch noch in den Schrancken der Erträgligkeit; und / weil sie sich mit edlen Jungfrauen verehlichen mochten / verknipften sie ihnen hierdurch so wol das Geblüte als die Gewogenheit des Adels; durch die Andacht aber den Pöfel. Denn der Gottesdienst ist nicht nur der sicherste Kapzaum / wormit Fürsten ihre Unterthanen in einem Faden leiten; sondern auch die Priester das Volck zu dienstbaren Knechten machen können.

Es war aber in Britannien eine Art gewisser Weisen / die sich Druyden nennen / und aus Aßyrien ihren Uhrsprung haben / aus Britannien aber / oder Calidonien / wo der König Fynnan selbte zum ersten unterhalten haben soll / in das benachbarte Gallien kommen sind. Ihre Tracht ist zwar einfältig und arm / ihre Gebährden demüthig / nachdem sie baarfüßig auf fünffeckichten höltzernen Schuhen / und mit blossem Haupte / in einem härenen weißen Rocke / eine Tasche an der Seite / einen gekrümten Stab in der Hand /und einen getheilten Bart biß unter den Nabel / in welchem ein sonderlich Pfand ihrer Verschwiegenheit versteckt seyn soll / anher ziehen / allezeit die Stirne ernsthafft runtzeln / die Augen nieder zur Erde schlagen / und sich meist in Eich-Wäldern aufhalten; welches Holtz die Griechen nur alleine zu den Bildern der Götter / die Herulen und Gothen zu Aufhenckung ihrer Leichen / die Druyden aber alleine zu Verbrennung der Opffer / und die Zweige zum Spreng-Wasser und Zierath der Alltäre brauchen / weil sie sich den Menschen durch das Anschauen eines einigen hohen oder alten Baumes / ja seines blossen Schattens überzeugt zu seyn achten: daß ein GOtt sey / und ihr Geist in der Einsamkeit am leichtesten zu GOtt entzückt würde. Alleine ihre Gewalt übersteiget dort die Königliche. Denn nicht nur alles[970] Volck / sondern die Könige selbst müssen ihnen zu Gebote leben. Sintemahl diese mehr verwechselt / und bey sich ereignendem Mißwachse oder Ungewitter / gleich als wenn er daran Schuld trüge / von den Priestern abgesetzt werden; jene aber bleiben hingegen unverändert. Und ungeachtet die Druyden auf dem Raasen / Fürsten auf Gold und Helffenbein sitzen / jene in holen Bäumen /diese zwischen Seyde und Perlen wohnen / dennoch ihre Knechte seyn. Sie sind im Kriege von so grossem Ansehen: daß wenn sie bey ihren Völckern zwischen zwey streitende Heere lauffen; selbte nichts minder als bezauberte Thiere oder unbewegliche Marmel-Bilder vom Gefechte nachlassen. Für ihren Hölen stecken sie einen grünen Lorber-Zweig empor / in welchen auch die zum Tode verdammten Sicherheit finden. Ja wenn dergleichen Missethäter ihnen ungefähr begegnen; sind sie aller Straffe frey / und dürffen sie nicht allererst wie die Vestalischen Jungfrauen zu Rom beschweren: daß sie nicht vorsätzlich dem Verdammten entgegen kommen. Sie selbst sind weder den Zufällen des Glücks / noch der Bothmäßigkeit einiges Richters unterworffen; außer ihres einigen Oberhauptes in Britanien; welcher nicht / wie sonst weltliche Fürsten /nur in den Gräntzen selbigen Reiches / sondern auch über alle Druyden / die sich in die gantze Welt vertheilet haben / zu gebieten hat. Sintemahl der Versamlung nicht unverborgen ist: daß selbte nicht allein in Gallien kommen / und in denen Carnutischen Eich- Wäldern ihr gröstes Heiligthum gestifftet haben / sondern auch in Hispanien / Asien / Africa / und nach Rom gedrungen sind; allwo Kayser August für etlichen 20. Jahren den Römischen Bürgern der Druyden Gottesdienst / weil sie in selbtem die Gefangenen zu opffern eingeführt / bey Lebens-Straffe verboten hat. Wormit auch das Ansehn ihres Oberhaupts so viel mehr unverrückt bliebe / reisenalle Druyden / theils daselbst die Geheimnüße desto besser zu begreiffen /theils durch seine demüthigste Verehrung eine besondere Heimligkeit zu erlangen in die Stadt Cantium; allwo die andern Druyden ihm den neunden Theil aller ihrer Einkünffte senden; und zu ihrer ersten Einsegnung einen eichenen Stab um so viel Goldes erkauffen müssen. Das Oberhaupt wird nicht von Königen eingesetzt / sondern von den obersten Druyden erwehlet. Wiewohl die Wahl offt auf zwey und mehr fällt; also: daß einer zu Cantium / der ander in dem Carnutischen Walde / der dritte zu Londen seinen Sitz erkieset; die Druyden aber / welche doch sonst nicht mit in Krieg ziehen / hierüber selbst gegen einander die Waffen ergreiffen. Wo diese Weisen einmahl ans Bret kommen / darff außer ihnen niemand die Weißheit lehren; und also halten sich allezeit eine unglaubliche Menge der geschicksten Jünglinge in ihren Hölen auf; welche bey ihnen gantzer zwantzig Jahr in der Lehre bleiben müssen. Wiewol sie auch keinen aus dem Pöfel / sondern alleine den fürnehmsten Adel ihrer Weißheit würdig schätzen. Und es kan in Britannien und Gallien so wenig als in Persien und Egypten einer zur Krone kommen / der nicht vorher ein Lehrling dieser Weisen gewest ist. Ihre Schüler müssen einen theuren Eyd ablegen: daß sie die Geheimnüsse keinem Weltlichen entdecken / der Druyden Aufnehmen mehr als ihr eigenes befördern / ihre Lehrmeister mehr als ihre Eltern ehren / mit ihnen Leben und Vermögen theilen wollen. Sie sind insonderheit auch in der Grichischen Sprache erfahren /und brauchen ihre Buchstaben in zu schreiben zuläßlichen Sachen auch in der deutschen Mutter-Sprache; ungeachtet die Deutschen noch ehe / als selbte Cadmus in Grichenland / und Evander in Italien gebracht / die von ihrem Thuisco erfundene eigene Schrifft gehabt; welche bey den Gothen an vielen Stein-Felsen und Leichsteinen von etlichen tausend Jahren her zu sehen ist. Ihrer[971] Heiligkeit geben sie einen grossen Schein durch ihre öfftere Fasten / durch den Genüß der blossen Kräuter und Wurtzeln / durch ihr hartes Lager entweder auf Steinen / oder rauen Häuten / und durch Gelobung ewiger Keuschheit; wiewol sie unter ihnen gewisse Orden und Staffeln haben / derer einer strenger als der ander ist; derer fürnehmste die Samotheer / und Semaneer sind; welche letztern nichts als Baum-Früchte essen; alle aber ins gesamt entschlagen sich der Ehe / ob sie schon anfangs in Britannien geheyrathet hatten. Jedoch ist keiner / der nicht seine Männligkeit hat / fähig bey ihnen einzukommen. Dahero sie der alten Gallier / und der Göttin Rhea Priester / welche sie ihnen ausschnitten / und die Priester Dianens die sie zerqvetschten / ingleichen auch die Atheniensischen / welche die Geburts-Glieder durch Ziegerkraut schwächten / verhönen; weil sie aus Mißtrauen ihre Begierden zu zähmen der Natur Gewalt anthäten. Der alten Barden Gewonheit aber / welche neun Tage für dem bevorstehenden Gottesdienste sich auch ihrer Ehweiber enthielten / hielten sie für zu geringe Bemeisterung der Begierden; trachteten also diese mit ewiger Gelobung zu beschämen. Damit auch ihr Ehloser Stand nicht aus einer Abscheu oder Gramschafft gegen das Frauen-Zimmer / wie bey denen Brachmanen in Indien / herzurühren schiene /lehren sie: daß selbte ein GOtt angenehmes Geschlechte sey / und in sich viel Heiligkeit und Klugheit habe. Daher auf der Druyden Veranlassung selbtes von denen Deutschen nicht allein zu Rathschlägen / sondern auch zu Wahrsagungen / insonderheit für den Schlachten / gezogen wird; wie denn auch durch ihr Zusprechen nicht selten grosse Schlachten gewonnen; ja deßhalben von denen Herulen / Polabern und Varinen an dem Codanischen See-Busem der Königin Syeba / des grossen Anthyrius Gemahlin; von eben selbigen und denen Sarmatern der Oraja Hernlischen Fürsten Anara Gemahlin / und der Heldin Aurinia herrliche Ehren-Seulen aufgerichtet / und / wiewol nicht als Göttinnen / verehret worden. Fürnehmlich erheben die Druyden die Alironischen Weiber; welche sich in weiße Leinwand kleiden / mit ausgebreiteten Haaren und baarfüßig gehen / um den Leib einen grossen messenen Gürtel tragen; für den Schlachten aus dem Geräusche und Umdrehung des Wassers künfftige Zufälle andeuten; bey währendem Treffen auf denen über die Wagen ausgespannten Ledern mit Klöppeln ein grausames Gethöne machen / hernach denen Gefangenen die Kehle abschneiden / ihr Blut in einen ertztenen Kessel auffangen / und endlich aus ihren Eingeweyden den Ausschlag des Krieges weissagen; zuweilen auch Geister beschweren / und selbte denen künfftiger Dinge begierigen Feld-Obersten erscheinen und wahrsagen lassen. Sie pflegen auch in die Asche / ohne Beobachtung der Zahl / Striche zu machen / und hernach aus der gleichbefundenen Zahl Glücke / aus der ungleichen / Unglück anzudeuten. Sie vermischen auch keine theils weißgelassene /theils schwartzgezeichnete Höltzer; streuen selbte auffs Altar / oder in ihre Schoß / und lassen sie entweder einen Priester oder Knaben erkiesen zur Nachricht künfftiger Begebnüße. Vielmehr aber gelten der Druyden selbst eigene Wahrsagungen. Denn diese hält das Volck für unzweiffelbare Ausleger des göttlichen Willens / Beförderer ihres Gebetes / und Ankündiger künfftiger Dinge. Es verrichtet alleine durch sie alle Opffer; iedoch ist diese Opfferung an kein gewisses Geschlechte / wie der Ceres Opffer zu Athen an des Eumolpus / des Hercules zu Rom an des Pinarius Geschlechte angebunden. Sie verehren keine Bilder; außer / in ihrem innersten Heiligthume stehet ein Bild einer gebährenden Jungfrauen; dessen Auslegung aber von ihnen nicht zu erbitten ist; außer: daß sie einen zu der Persischen Weisen Auslegung[972] verweisen: was derselben Jungfrau / die ein Kind säuget / und in beyden Händen eine Weitzen-Aehre hält / bedeute? oder auch nachsinnen heissen was die Sonne in der gestirnten Jungfrau würcke. Ihre Lehren schreiben sie in keine Bücher / ungeachtet sie fremder Sprache gute Wissenschafft haben; weil sie Rinde und Leder zum Behältnüße ihrer Weißheit allzu unwürdig achten; oder vielmehr ihre Geheimnüße mehr zu verbergen. Dahero muß ihre Jugend alle in tunckele und zweydeutige Reyme verfaste Lehren auswendig lernen /und täglich ihr Gedächtnüß üben. Darinnen stecken die Eigenschafft des göttlichen Wesens / die Bedeutungen der Opffer / die Beschwerungen der Geister /die Wahrsagungen aus dem Fluge des Geflügels / aus dem Falle und Eingeweiden der geschlachteten Menschen; welche sie mit grossen Beilen Creutz-weise über die Rippen oder die Brust schlagen / der Lauff des Gestirnes / die Beschreibung der Erd-Kugel / die Unsterbligkeit und Wanderschafft der menschlichen Seelen / wiewol nicht in viehische / sondern nur menschliche Leiber. Welche letztere Heimligkeit sie allein dem gemeinen Manne nicht verschweigen / um durch die Versicherung: daß die Seele nicht mit dem Leibe verschwinde / sie zur Tapfferkeit aufzufrischen. Weßwegen sie auch denen Sterbenden offtmahls Geld einhändigen / um selbtes der abgelebten Seelen zu überbringen. Sie beten zwar nur einen GOtt an; und bilden selbten weder in Holtz / Stein noch Ertzt / sie wiedmen aber ihm gewisse Bäume / die keine Axt berühren / in ihre heilige Heynen auch niemand ungebunden kommen / kein fallender wieder aufstehen darff / sondern er muß sich mit gantzem Leibe heraus weltzen. Sie meinen: daß auf solche heiligen Bäume kein Vogel sitzen / selbte kein Wind zerbrechen / kein Blitz zerschmettern könne; sie auch des Nachts ohne einige wesentliche Flamme einen Schein von sich geben. Zu gewisser Zeit ziehen sie an einem schönen Baume die ausgebreiteten Aeste an den Stamm / und binden sie an den Wipffel / schreiben unten den Nahmen Gottes / in einem Ast aber des Tharamis / in den andern des Belen ein / um in der göttlichen Einigkeit doch einen nähern Begrieff tieffsinnig zu entwerffen. Uber diß verehren sie die abgelebten Seelen / welche entweder ein heiliges Leben geführet / oder dem Vaterlande grossen Nutzen geschafft haben. Nebst denen Menschen-Opffern / aus derer Eingeweiden / Adern und Blute sie wahrsagen; wiewol sie zuweilen auch die Menschen nicht schlachten / sondern nur biß auffs Blut peitschen / schlachten sie zwey unter einen Eich-Baum angebundene weiße Stiere; auf welchem ein weißgekleideter Priester selbte mit einem güldenen Beile abhaut; Derer getrunckenes Blut so denn wieder alle Unfruchtbarkeit und Gifft helffen soll. Im Beten legen sie die rechte Hand auf den Mund / und drehen sich rings herum. GOtt opffern sie bey aufgehender Sonne; der Todten Gedächtnüß feyern sie / wenn sie zu Golde geht. Sie fangen allezeit von der Nacht anzurechnen; also: daß die Tage ein Anhang der Finsternüß sind; weil sie aller Menschen Uhrsprung von dem Gotte der Erden und Nacht herrechnen; oder auch die Nacht ehe als der Tag gewest ist. Sie eignen den frommen Seelen / wenn sie unterschiedene Leiber durchwandert / eine ewige Ergetzligkeit / den boßhafften theils eine zeitliche Abbüßung / theils eine ewige Pein zu. Ihrer Uhrheber Gesetze halten sie zwar für eine Richtschnure ihres Gottesdienstes; Sie schätzen aber die Auslegung ihres Oberhaupts für unfehlbar und jenem gleich; ohne dessen Vorbitte die Götter niemanden erhöreten; weil ihm die Schlüssel des Himmels und der Höllen anvertrauet wären. Sie ver werffen die Vielheit der Götter / und die Ewigkeit der Welt; als welche von GOtt aus nichts in sieben Tagen / wie der Mensch aus der Erde erschaffen sey. Jedoch setzen sie zwischen[973] Gott und den Menschen gewisse Schutz-Geister; glauben auch: daß das Ende des Menschen ein Anfang zu künfftiger Vergötterung sey. Denen irrdischen Dingen / ja selbst denen Gestirnen eignen sie so wol einen Anfang als ein Ende bey; weil künfftig sie vom Feuer und Wasser würden verzehret werden / weñ sie sechs tausend Jahr gestanden. Sie halten darfür: daß die göttliche Versehung niemanden verlasse / wer nicht vorher GOtt verläst; und wie der Mensch böse thue aus eigner Willkühr / sonder Zwang; also habe GOtt die Macht böses zu hindern /aber ohne Verbindligkeit. Sie schätzen alle Seelen für verflucht / welche nicht ihrem Glauben beypflichten /und das Oel des Lebens aus dem Balsame ihrer Weißheit schöpffen. Den auf den Eichen wachsenden Mispel halten sie für die heiligste Pflantze der Welt / für ein Merckmahl eines von GOtt erwehlten Baumes. Denn sie gläuben: daß der Mispel-Saame nicht von den Drosseln kommen / sondern vom Himmel gefallen sey; daß dieses Gewächse alle Kranckheiten heile / die Thiere fruchtbar mache / und dem Giffte wiederstehe; sonderlich / wenn selbtes im sechsten Monden /da sie ihr Jahr anfangen / gefunden wird. Sie verrichten ohne dieses keinen Gottesdienst / hegen auch kein Gerichte. Ob sie auch wol das Urthel über des gantzen Volckes Leben in ihren Händen haben / Staffen und Belohnung nach ihrem Gutdüncken aussetzen /der Gerechtigkeit die Tauerung eines Reiches / den Bestraffungen der Todschläger die Fruchtbarkeit des Erdbodens zurechnen; schätzen sie doch die Ausschlüssung von ihrem Gottesdienste für eine viel ärgere Straffe / als Galgen / Strick / Räder und Holtzstoß. Dahero sich ihrer / als von der Erde getragen zu werden unwürdiger Leute / derer Seele nichts minder als der Leib zum Aaße / und vom Feuer oder Wasser verzehret werden soll / iederman entbricht / mit ihnen nicht speiset noch redet / ja sie nicht allein aller Ehren unfähig schäzt / sondern ihnen auch nicht zu recht verhilfft / noch ehrlicher Beerdigung würdigt. Sie maßen sich auch der Artzney oder vielmehr Zauberey an; in dem sie das Samolische Kraut / welches den Tamarisken ähnlich sieht / nichtern / mit der lincken Hand / sich nicht umsehende auflesen / und wieder Kranckheiten des Viehes austheilen; ein anders aber mit rein gewaschenen blossen Füssen in einem weißen Kleide mit der rechten Hand ohne Schärffe des Eisens / nach geopffertem Brod und Weine abbrechen / und darmit vielen Kranckheiten helffen / insonderheit aber mit einem Ey eines Apffels groß / welches die im Sommer über einander liegende Schlangen durch ihren Speichel und Schaum fertigen / ein Mann aber / wenn sie es mit ihrem Zischen empor blasen /mit einem Tuche / daß es die Erde nicht berühre / auffangen / und spornstreichs davon bringen; solches aber so denn / ob es schon in Gold eingefast wäre /Strom-aufwerts schwimmen soll. Ferner machen sie ein fünffeckichtes Zeichen / um darmit die Gespenster zu vertreiben. Uber diß lesen die Druyden bey Aufgehung des Hundssterns zwischen Tag und Nacht /wenn weder Sonne noch Monde scheint / wenn sie vorher das Erdreich mit Honig / welches auch die Römer ihren Bothschafften zu den Feinden mit gaben / benetzet / und mit Stahle einen Kreiß darum gemacht / das Eisen-Kaut mit der lincken Hand; heben es empor / trocknen Wurtzel / Stengel und Blätter iedes abgesondert am Schatten; salben sich darmit ein / und vermeinen alsdenn fähig zu seyn allerhand Verbündnüße zu stifften / alle Kranckheiten zu heilen: weßwegen auch Jupiter darmit seine Zimmer ausfegen lassen / wo es herum gesprengt wird / die Gäste lustig machen / mit Weine aber vermischt die Schlangen vertreiben soll.

Diß sind die Sitten der Druyden; von welchen schier unglaublich ist / in wie so weniger Zeit sie in Gallien so feste eingewurtzelt sind; entweder[974] weder weil dieselben / welche aus dem Aberglauben ihren Vortheil zu suchen vermeinen / der Neuerung eines Glaubens alle Handreichung thun; oder / weil die Gemüther ja so gar die eusserlichen Sinnen eines Volckes durch nichts leichter als durch einen scheinbaren Gottesdienst verrückt werden. Daher die verbländeten Hispanier denen Phöniciern mit sehenden Augen zugelassen: daß sie unter dem Schein eines dem Hercules gewiedmeten Tempels eine Festung gebauet; Die Trojaner aber das Geräusche der geharnischten Grichen / welche in das der Pallas gewiedmete höltzerne Pferd gesteckt waren / nicht gehöret haben / als sie es über den Grauß ihrer eingebrochenen Mauern mühsam in die Stadt schlepten. Mit einem Worte: der scheinheilige Fürwand des Gottesdienstes ist die schönste Schmincke der Stirne / und das schädlichste Gifft der Seele. Ihren ersten Grund legten die Druyden so wol in Gallien als Deutschland / allwo man doch für heiliger hielt von Gott etwas gewisses zu glauben / als dessen Grund zu ergrübeln / auf die Freyheit dieser Völcker; welche nicht nur in zeitlichen / sondern auch in Gewissens-Sachen keinem weltlichen Zwange unterworffen seyn könte. Zumahl auch kein Erb-Fürst über seine Unterthanen / kein Herr über seinen Knecht sich dieser GOtt allein zustehenden Herrschafft anzumassen berechtigt wäre.

Hierwieder warffen zwar einige weitsehende ein: kein Feldmässer ließe ihm die Gründe seiner Kunst zweiffelhafft machen; mit was für Fug dörffte sich denn ein Unterthan erkühnen seines Königs Gottes dienst zu verwerffen? Die Natur pflantzte gleichsam die Liebe des väterlichen Gottesdienstes ein; desselbten Unterschied verursachte Zwytracht des Volckes /und Aufstand gegen die Obrigkeit. Ja ein vom Aberglauben eingenommenes Gemüthe könte der Gottesfurcht nicht hold seyn. Daher alle kluge Völcker / insonderheit die Römer die Verehrung fremder Götter /oder auch nur der Alten auf eine neue Art sorgfältigst verhütet; nach der Niederlage bey Canna die abergläubischen Frauen aus den Tempeln getrieben; alle Bücher des Egyptischen und Jüdischen Gottesdienstes verbrennet hätten; wolwissende: daß der Aberglaube niemahls ruhig seyn könne; und die Veränderung des Gottesdienstes ins gemein Aufruhr / und die Verkehrung der Herrschafft nach sich ziehe; selbter aber schwerer als tieff-eingewurtzelte Hecken mit Schwerdt und Feuer auszurotten wäre / ja seine Hartneckigkeit von dem versprützten Blute nicht anders als der Anteische Riese von Berührung der Erde neue Kräfften bekäme. Es wäre GOtt ein einiges unveränderliches Wesen. Daher müsse aus zweyen wiedrigen Verehrungen ihm eine als irrig mißfallen. Die Gemeinschafft eines Gottesdienstes wäre der festeste Leim / der die Gemüther eines Reichs zusammen kleibete / und eine unzerbrechliche Kette / welche die Kräfften einer Herrschafft beysammen hielte; hingegen zerspaltete der Unterscheid nicht nur die Liebe der Landes-Leute / sondern des Vaterlandes und der Eltern. Sintemahl ein gewissenhaffter mit dem keine verträuliche Freundschafft machen kan / den er für einen Feind und Verächter seines Gottes hält. Weßwegen einige Staatskluge die Duldung vielerley Gottesdienstes für einen Fallstrick derselben Fürsten gehalten hätten / welche ihrem freyen Volcke durch erregte Trennung den Kapzaum strenger Dienstbarkeit anlegen wollen. Alleine es überwog alle diese Erinnerungen die wiedrige Meynung: daß der Glaube freyer seyn solte / als der Wille. Denn ein gezwungener Wille wäre wol ein Wille; aber eine gezwungene Andacht nichts weniger als ein Gottesdienst; ja eine Gott-verhaste Heucheley; weil er so wenig als Menschen von gezwungenen Leuten verehret wissen wil. Auf welche Heuchler und halb-Menschen sonder Zweifel der Jüdische Gesetzgeber[975] Moses gezielet hätte / als er den Huren-Kindern und Verschnittenen /als derer Andacht aus keinem hertzlichen Triebe entspringet / und derer Gebet nichts männliches in sich hat / den Eintritt in das Heiligthum verboten. Denn ihr gleißnerischer Gottesdienst wäre schlimmer als Zenons gäntzliche Verachtung der Götter / und als die Boßheit des Spötters Diogenes; welcher Dianen einen Floch opfferte; weil er ein Gottesdienst seyn wolte /und doch keiner wäre; so wie die Affen und Meer-Katzen deßhalben so abscheulich und lächerlich aus sähen / weil sie Menschen ähnlich schienen / und doch nichts menschliches an sich hätten. Daher brächten die / welche aus Furcht für dem Scharfrichter Weyrauch auffs Altar streuten / GOtt an statt süssen Geruchs einen abscheulichen Gestanck. Ihre Frö igkeit gleichte den Schwan-Federn / welche das schwartze Fleisch dieses Vogels versteckten / deßwegen ihn auch kein Volck iemahls seinen Göttern zu opffern gewürdigt hat. Pythagoras / den der Fluß Caucasus seiner Weißheit halber gegrüst haben soll / als er darüber gesetzt / hätte deßhalben der Warheit des Glaubens / und der Reinigkeit des Gottesdienstes zu untersuchen / und darüber zu streiten freygelassen. Denn ein blinder Gehorsam wäre ein Werck unvernünfftiger Thiere; die in den tieffen Brunnen der Ungewißheit versänckte Warheit aber zu erforschen /und die Prüfungen der Meynungen ein Thun der Menschen. Uber diß hielten einige dafür: daß man zum Geheimnüße der Gottheit nicht durch einen Weg kommen könte; oder auch die unterschiedenen Meynungen endlich im Zwecke wie die unterschiedenen Striche in dem Mittel eines Kreyßes zusammen kämen. Es sey vernünfftiger der Gewissens-Freyheit etwas durch die Finger sehen / und die Hitze etlicher Glieder verrauchen lassen / als durch allzustarcke Artzneyen alle schädliche Feuchtigkeiten des gantzen Leibes rege machen. Die Grichen und Römer schmückten mit Persischen und Serischen Teppichten ihre Tempel aus; die Deutschen raucherten mit dem Weyrauche der Araber auf ihren Opffer-Tischen sonder Vernnehrung ihres gantz andern Gottesdienstes. Warum solte man denn alle etwas anders glaubende Menschen aus unserm Lande und Heiligthümern verstossen? Insonderheit kützelte bey den Druyden der so hoch geschätzte Adel die Ohren der Fürsten; für welchen hingegen der Abbruch und die Umschränckung ihrer Gewalt fürsichtig verhölet ward / mit scheinbarer Fürbildung: daß wenn das Volck durch unterschiedene Glauben zerspaltet würde / hätte ihr Haupt gut machen / und ein Fürst die beste Gelegenheit den Meister zu spielen. Weßwegen die Egyptischen Könige die Geheimnüße ihres Glaubens dem Volcke mit Fleiß verborgen / und ieden was ihn gut deuchtete zu glauben freygelassen hätten / wormit sie so viel weniger sich wieder ihr Haupt vereinbaren könten. Endlich wüsten die Fürsten ihren Unterthanen nichts so schweres auff die Achsel zu bürden; welches sie nicht bey Freylassung ihres Gewissens gedultig ertragen würden. Die fürnehmste Ursache aber dieser Rathgeber war das Absehen auf ihr eigenes Aufnehmen /welches die / so von ihres Fürsten Glücke rathschlagen / selten außer Augen setzen. Denn nach dem sie die Druyden von dem andächtigen Volcke mit dem Kerne der fruchtbarsten Güter überschütten / sie als Ausleger des Göttlichen Willens in den Rath-Stuben der Könige den Obersitz nehmen / den Pöfel selbte halb-göttlich verehren / und ihre Geschlechter auf die höchsten Staffeln der Ehren empor klimmen sahen /gaben die edelsten Gallier / und also hernach auch die Deutschen / insonderheit derer Vermögen entweder durch Unfälle / oder durch Zertheilung in viel Kinder vermindert ward / und zu Erhaltung des Geschlechtes nicht ausko entlich war / ihre geschicksten Söhne anfangs in ihre Lehre / hernach in ihre Gemeinschafft /dessen[976] drittes Gelübde ohne diß vermochte / nicht nur alle Kräffte / sondern so gar das Leben mit Hindansetzung eigenen Geblütes für das Aufnehmen der Druyden anzuwenden. Diese aufgehende Sonnen verdüsterten unnachbleiblich die vorigen Sternen. Daher ob wol die Gallier über tausend Jahr eine andere Art Priester gehabt / und insonderheit die neun geistlichen Jungfrauen verehret hatten / welche auf dem denen Osismischen Ufern gegen über liegenden Eylande Sena sich aufhielten / und / ihrer Einbildung nach /Wind und Meer an einer Schnur führten / ja wie der Proteus in allerhand Thiere verwandeln konten; verschwand für den Druyden anfangs ihr Ansehen / hernach fast ihr gantzes Wesen. Die alten Barden in Deutschland verlohren nach und nach fast allen Glantz ihres Priesterthums / und blieb ihnen fast nichts anders übrig; als daß sie die Thaten der alten und neuen Kriegs-Helden mit ihren nachdencklichen Reymen im Gedächtnüße der Nach-Welt behielten; bey denen Schlachten mit ihren Gesängen / welche sie gegen die für den Mund gehaltenen Schulden kräfftig heraus stiessen / das Kriegs-Volck zur Tapfferkeit anfrischten / oder auch darmit den künfftigen Ausschlag wahrsagten. Die / denen Druyden verstattete Freyheit sperrte zugleich andern ausländischen Gottesdiensten Thür und Thor auf; entweder: daß selbte gantz neuerlich einschlichen / oder dem alten eine unanständige Auslegung machten. Also ward der unter dem Theuth oder Thuisto verehrte Schöpffer und Anfänger der Welt auf den Mercur gedeutet; und ihm zu Ehren die Abschlachtung der Menschen-Opffer eingeführt; ja von den Deutschen so gar in Hispanien gemacht; endlich dieser Teutates oder Mercur / wie bey den Syriern Astartes / bey den Arabern Dysares / für Deutschlands Schutz-Gott gehalten. Der aus der Erbe geschaffene erste Mann / und die Fürstin Aurinia ward mehr als ein Held und menschlich / wiewol minder als ein GOtt verehret. Die Gallier brachten zu den Deutschen die Anruffung ihres Hercules / dessen Bilder / für welchem doch als einer den Göttern unanständigen Verkleinerung die Deutschen vorher eine Abscheu hatten / in der Hand mit einer Keule / auf der Achsel mit einer Löwenhaut / die aus dem Munde gesteckte Zunge mit unzehlbaren güldenen Ketten gemahlet wurden. Von denen Phöniciern ward der Egyptischen Isis Gottesdienst durch die Schiffarth zu den Friesen und Cimbern / und von dar zu den Schwaben und Vindelichern bracht; welche gleichwol ihr Bild anzunehmen Bedencken trugen / sondern nur zu ihrem Andencken entweder einen Tannzappen und Korn-Aehre / derogleichen Keñzeichen in der Licatier Hauptstadt Damasia zu sehen sind / ein leichtes Rennschiff auf einen Fichten-Baum setzten; entweder / weil auch die Egyptier die Isis auf einem Schiffe fahrende abbilden /ihr Sichelmonde auch einen Namen abbildet / oder zum Gedächtnüße der in Deutschland geschehenen Uberfarth. Dahero auch die Deutschen des Monden Schein in allem Fürnehmen genau beobachteten; und wie für Zeiten Agamemnon für dem Voll-Monde seine Iphigenia nicht verehlichen wolte / nur zu selbiger Zeit zu heyrathen; und wie die Lacedemonier nicht für dem voll- also die Deutschen nicht für dem Neumonden Schlachten zu liefern für rathsam halten. Bald darauf nistete auch die Verehrung des Kriegs-Gottes unter dem Namen Hesus / wie nichts minder eines andern des Hercules ein; und ward dem ersten von den Hermundurern an der Sale ein Tempel; dem andern von den Cheruskern ein Wald an der Weser gewiedmet. Wiewol die Deutschen alles diß / was die Grichen und andere Völcker vom Hercules rühmten /auf ihren Aleman den Vater uñ Uhrheber der Bojen /welcher nicht nur in seinem Schilde / sondern auch an der Hand stets einen lebendigen Löwen führte / deuteten; und daher rühmten: daß Hercules bey ihnen nicht nur gewesen / sondern auch entsprossen wäre.[977] Ja dieser Kriegs-GOtt ward endlich bey den Tencterern und Sveonen der Oberste aller Götter / also: daß da er anfangs nur mit Hund und Wölffen / oder mit der von ihren Fremden eroberten Beute versohnt ward / sie ihm hernach die gefangenen Menschen schlachteten. Uber diß erschossen sie die ertapten Diebe uñ Mörder mit Pfeilen / hiengen selbte in ihren Heynen an die Bäume / oder flochten aus Wieten grosse Riesen /steckten die Glieder zerfleischter Menschen oder wilder Thiere darein / und verbrennten sie als heilige Opffer. In Mangel der Missethäter aber musten auch die Unschuldigen loosen / und nach Art der Phönicier und Locrenser eine gewisse Zahl Jungfrauen oder Knaben zur Schlacht-Banck liefern. Die Noricher erkieseten die Sonne unter dem Nahmen des Belen oder Belatucad; die Celten unter dem Tharamis den Jupiter zu ihrem Schutz-Gotte. Die zwischen der Elbe und Oder an der Ost-See gelegenen Angeln / Varnier / Eudosen / Schwardoner und Nuithoner lernten die Erde unter dem Nahmen der Göttin Ertha anbeten; welche den Menschen ihren Unterhalt verschaffe / und wie die Ceres ein Volck nach dem andern heimsuche. Dieser Göttin ward auf dem Rügischen Eylande ein Wald und prächtiges Heiligthum gewiedmet. In demselben stehet ein güldener mit einem grünen Teppichte bedeckter Wagen / auf welchem sie mit zweyen weißen Kühen zu gewisser Zeit unsichtbar herum geführt /von keinem Menschen aber / als dem einiges Gewehr / biß diese Friedens-Göttin sich mit Anschauung der Menschen genung gesättigt hat / und wieder in Tempel bracht ist / niemahls aber der Wagen von iemanden anders / als dem Priester angerühret wird. Ja die Knechte / welche denen Priestern bey dieser Umfarth Handreichung gethan / werden von dem darbey liegenden See / welcher weder Fischer-Netze noch Schiffe leidet / und in dem der Wagen und der Teppicht iedesmahl gewaschen wird / ja sich selbst die Göttin darinnen baden soll / verschlungen. Weßwegen dieser gantze Wald von niemanden ohne innerliches Schrecken angesehen / in einer heiligen Unwissenheit angebetet wird / dessen Geheimnüße nur die / welche bald umkommen sollen / zu Gesichte kriegen. Die um den Weichsel-Fluß gelegenen Gothonen und Estier haben von denen fremden Handels-Leuten / die wegen des an selbigem Meerstrande befindlichen Agsteins häuffig dahin reisen / die Mutter der Götter anruffen lernen; welcher Stäncke sie entweder durch das Bild eines wilden Schweines abbilden; als welche ihre Liebhaber auch mitten unter den Feinden wieder die schärffsten Waffen beschirmen soll; oder auch auf das den Adonis tödtende Thier zielen. Uber diß ist bey den Deutschen auch unter dem Nahmen des Vulcan der Sonnen und des Monden Gottesdienst eingeschlichen; welchen sie bey ereignenden Finsternüßen mit vielem Ertz-Gethöne zu Hülffe kommen. Nicht ferne von der Elbe bey einem Saltz-Brunnen / bildet ein Mann / welcher vorwerts mit beyden Händen ein feuriges Rad hält / die Sonne in der Marians-Stadt an dem Wasser Leyn bey gleichmäßigen Saltz-Brunnen /ein Mann mit langen Ohren / der in den Händen einen goldenen Monden hält; und bey denen Wenden und Rhugiern / wo der Oder-Strom sich mit dem Meere vermählet / der Götze mit drey Antlitzen und einem halben Monden / dieses Nacht-Gestirne ab. Der Grichen und Römer übrige Götter sind in Deutschland zwar vom Nahmen nicht bekandt; doch scheinet dem Saturn nicht ungleich zu seyn das Bild eines alten Greisen auff dem Schlosse Hartzburg beym Melibokischen Gebürge; welcher auf einem Perßken in einem weißen Kittel baarfüßig stehet / mit einer leinwandtenen Binde umgürtet ist / in einer Hand ein Rad / in der andern ein Gefäße voll Rosen / Aepffel und anderer Früchte hält. Welch Sinnenbild auf die Zeit leicht auszudeuten ist. Auf den Jupiter kan unschwer auch gezogen[978] werden der an der Elbe oberhalb der Stadt Statio von dem Könige Gambriv aufgerichtete und auf einen Stul gesetzte Abgott / der in der rechten Hand ein Schwerdt / in der lincken Hand einen Königs-Stab führet; dem auff der rechten Hand aus dem Munde ein Donner-Keil / auff der lincken Blitz und Flamme fähret; auf dessen Haupte ein Adler sitzet / die Füsse aber einen Drachen zertreten. In der Stadt Mesovium ist zwar ein mit einem Myrten-Krantze gekräntztes Weib / welche auf der Brust eine brennende Fackel /in der rechten Hand die Welt-Kugel / in der lincken drey güldene Aepffel hält; und also die natürliche Venus / welcher noch darzu drey Holdinnen Aepffel hinreichen / zu sehen; aber es ist diß nur eine Ehren-Seule der holdseligen Vandala der Uhrheberin aller Amazonen. Die zwischen der Weichsel / Warte und dem Asciburgischen Gebürge wohnenden Lygier und Naharvaler haben von denen Colchiern und Amazonen den Gottesdienst des Castors und Pollux erlernet; welchen sie alle Jahre zwey Elend-Thiere opffern; iedoch selbten keine Bilder aufrichten. Die Sitones /Sviones und Fennen an der Rubeischen eussersten Nord-Spitze beten die Sonne an / schlachten ihr und andern Abgöttern jährlich / wenn der Tag beginnet zu zunehmen / neun und neunzig Menschen / mit so viel Hunden und Hähnen; Sie betheuern darbey: daß sie daselbst das Geräusche der für ihrem Wagen schäumenden Pferde des Morgens eigentlich hören; ja auch ihr strahlendes Haupt genau erkennen können.

Rhemetalces konte sich allhier des Lachens nicht enthalten; und fieng an: Es lohnte für die Müh diesen Weg dahin zu thun; wenn wir anders versichert wären: daß wir nicht stumpfere Augen / als diese Nord-Völcker hätten. Fürst Adgandester antwortete: Er besorgte sich gleichfalls diese Reise umsonst zu thun; und hielte dieses eben für eine thumme Einbildung des Aberglaubens; welches die schlimste Kranckheit des Gemüthes wäre; welche dem Menschen alle Sinnen verrückte / und ihn auf einmahl so wiederwärtige als unmögliche Dinge beredete. Denn da eine blosse Furcht offt etliche Sträuche für gantze Krieges-Heere / einen Schatten für Gespenster ansiehet; ja die Gallier wol ehe ihnen in der Schlacht eingebildet haben: daß aus den Augen der Römer Feuer-Strahlen führen; da die Einwohner der Atlantischen Insel die zu Pferde sitzenden Friesen für Centauren gehalten; da ein Miltz-süchtiger ihm aus Einbildung: daß er eine gantze Stadt ersäuffen würde / das Wasser nicht lassen wollen / biß man ihn die Gefahr eines grossen Brandes überredet; da Thrasyllus aus Einbildung: es wären alle zu Athen an- und ablauffende Schiffe sein Eigenthum / selbte täglich bewillkommt und gesegnet; ein ander Argiver in dem leeren Schau-Platze die schönsten Spiele zu schauen sich bedüncken ließ; da ein Traum einem die seltzamsten Ungeheuer für zumahlen; ja die Mondsüchtigen zu Uberkletterung der höchsten Thürme anzureitzen mächtig ist. Was ist es Wunder: daß wenn der Aberglauben die Vernunfft einschläfft / wenn die Augen des Leibes und des Gemüthes verblendet sind; der nicht einst in die Sonne zugeschweigen in das unermäßliche Licht der Gottheit zu sehen vermögende Mensch ihm mehrmahls was lächerliches träumen läst. Ich wil zwar meinen Landes-Leuten nicht das Wort reden; aber ich halte den Grichen Anaxagoras für blinder; da er die Sonne für einen Stein angesehen; wie nichts minder die Scythen / welchen kein Mensch ausreden wird: daß sie Sonn und Monde auf Pferden reiten / die andern Sternen aber an güldenen Ketten hencken sehen; die aber für thörichter / welche ihnen grausame oder um uns unbekümmerte Götter einbilden / als welche ihre Aehnligkeit in Wachs / Ertzt / Bein und Marmel ausdrücken wollen. Athanas und Agave / welche gemeinet / ihre Kinder[979] wären Hirsche und Löwen / sind mehr Entschuldigens werth / als des grossen Alexanders und Scipions Mütter / welche sich von Schlangen geschwängert zu seyn hielten; Als Midas / welcher aus Aberglauben durch Ochsenblut / und der Milesische König Aristodemus / der wegen eines an seinem Hause gewachsenen Krautes durchs Schwerdt sich hinrichtete. Und ich weiß nicht: was ich vom Nicias und seinem gantzen Heere urtheilen soll; welches in währender Schlacht bey sich ereignendem Monden-Finsternüße Degen und Hände sincken / und sich ohne Gegenwehr niedermachen ließ? Hingegen trugen die Einwohner der Atlantischen Insel unsern fast erhungerten Friesen reichliche Lebens-Mittel zu; als diese die bevorstehende Monden-Finsternüß vorsehende jenen den Untergang dräuten / und durch Verfinsterung dieses Gestirnes hierzu den Anfang machen wolten.

Aber ich muß / sagte Malovend / nun wieder zu unsers Vaterlandes Gottesdienste kehren; welcher zwar durch der abergläubischen Nachbarn Träume sehr verfälscht; iedoch derogestalt nicht vertilgt ward: daß aus den Schlacken nicht das eingebohrne Gold herfür leuchtete. Sintemahl die Deutschen außer den Estiern und Hieren / die denen Schlangen Eyer und Hüner opfferten / und sie zu beleidigen für Tod-Sünde hielten / kein Geschöpffe niemahls für GOtt den Schöpffer angenommen. Denn der Druyden Einweihung der Bäume / des streitbaren Bojus Andacht bey zweyen Eichen an der Donau machte sie so wenig / als die Gothen ihre Berge zu Göttern / wenn sie auf ihnen /wie die Syrier auf ihrem Berge Karmel ihrer Andacht abwarteten. Sintemahl diese so wol / als fast alle andere Völcker / hierdurch nur die Höhe ihrer angebeteten Gottheit andeuten wollen. Des Tuisko / des Hercules / der Aurinia Verehrung stehet noch in den Schrankten eines danckbaren Andenckens / und in einer heiligen Anweisung ihrem rühmlichen Beyspiele zu folgen. Die Anbetung geschiehet allein einer einigen / ewigen / und unsichtbaren Gottheit; ob schon die Art der Anbetung und der Opffer unterschieden ist. Unter diesen ist nunmehr die Weise der Druyden die gemeinste; und hat ihr Glantz von etlichen hundert Jahren her allen andern verdüstert / und selbte in die steilesten Gebürge / oder in die finstersten Hölen und Kolhütten eingesperrt. Hierzu ist ihnen nicht wenig behülflich eine Wahrsagung / welche der erste in Deutschland ko ende Druys Serapio noch ehe / als Rom vom Brennus eingeäschert worden / im Herzinischen Walde in einem Felsen eingegraben; so in folgenden Reymen noch nicht ferne von der Elbe zu lesen ist:


Zwar das Verhängniß hat ins Buch aus Diamant

Geschrieben: daß fůr Rom der heisse Mittag schwitzen;

Daß Löw und Drache nicht soll Africa beschützen;

Daß Ost die Palmen ihm muß lieffern in die Hand.

Die Elefanten solln in Siegs-Karn seyn gespannt /

Auch wird gantz West erstarr'n fůr seiner Schwerdter blitzen;

Doch auf den kalten Nord wird sichs umsonst erhitzen

Und Deutschland leisten ihm behertzten Wiederstand.


Ja selbst die Tiber wird die Donau und den Rhein

Anbeten; Rom und Welt den Deutschen dienstbar seyn.

Diß und nichts anders kan mit Fug der Himmel schicken /

Als daß fůr Riesen nur ein Zwerg die Segel streicht;

Daß eine W \lfin zwey gestirnten Bären weicht;

Roms sieben Berge sich fůr sieben Sternen bücken.


Weil nun die Menschen diß / was sie selbst wünschen / oder ihnen einbilden / leicht glauben; über diß nach und nach ein und anders von den Römern eintraff / ward es gleichsam für eine Missethat gehalten /an der Druyden Meynung zu zweiffeln. Die Fürsten liessen selbst ihre jüngsten Söhne / um den ältesten ihre Länder unzertheilet zu lassen / Druyden werden; ja die Cimbern wehlten ihrer zwey nemlich den Sciold und Hiarn zu ihren Königen; in Meynung: daß weil eines Fürsten herrlichstes Vorrecht für niedrigern Leuten dariñen bestehet: daß er mehr / als alle andere Gutes stifften kan; es[980] würden diese kluge und heilige Leute dem gemeinen Wesen am nützlichsten fürstehen.

Rhemetalces brach ein: Eure Cimbern scheinen desselbten Weltweisen Meynung gewesen zu seyn /daß dasselbe Reich nur glückselig zu achten wäre /darinnen die Weltweisen herrschten. Alleine diese Hoffnung hat nicht selten Schiffbruch gelitten; und haben offt die gelehrtesten Fürsten die einfältigsten Fehler begangen; oder das Glücke mühet sich zum minsten ehe diesen / als andern / welche nicht ihre Vernunfft / sondern alleine sie zu ihrer Leiterin erkiesen / ein Bein unterzuschlagen. Unter den Griechischen Helden für Troja wäre keiner gelehrter / aber auch niemand unglücklicher als Palamedes gewest. Er war wol geschickt vier neue Buchstaben zu erfinden; aber nicht sich aus der ihm vom Ulyßes fälschlich angetichteten Verrätherey zu wickeln. Etliche andere haben sich durch Betrachtung der Gestirne im Himmel so verstiegen: daß sie die Erde aus dem Gesichte /und den Wolstand in ihrem Reiche verlohren. Griechenland hat keine grimmigere Wütteriche gehabt /als die / welche aus den sieben Weltweisen geherrscht haben. Athen und Sparta hat allemahl geblutet oder geseuffzet; wenn einer mit dem Mantel des Pythagoras oder des Plato auf dem Stule gesessen. Daher Diocles der schlauste Hertzog der Sicambern seinen Sohn mehr nicht als diesen Griechischen Spruch: der Fürsten Wille ist ihr Recht / lernen ließ; und dem Priester Theocalus / dem sein Groß-Vater fast die Helffte seiner Gewalt eingeräumet hatte / seine Macht gäntzlich beschnitt. König Antiochus und Lysimachus wolten die Weisen nicht einst zu Bürgern haben / jagten sie aus ihrem Reiche / und hiessen die freyen Künste ein Gifft des gemeinen Wesens. Und die Scythen über dem Rypheischen Gebürge können noch nicht gestatten: daß ihre Unterthanen mehr / als ihre unwissende Herrscher verstehen sollen. Ob ich nun zwar das letzte nicht billiche / und wol weiß: daß die Weißheit an ihr selbst nichts böses hat; ja ohne ihre Hülffe schwerlich ein Reich bestehen kan; Weil die Unwissenheit nicht nur ein Mangel des Guten / sondern wesentlich etwas böses; und ein unverständiger Fürst ein lahmer Ober-Herr ist; für welchem der wahrsagende Apollo die Stadt Sparta so sehr gewarniget hat; über diß die glücklichen Fürsten Pericles / Alcibiades /Epaminondas / Numa / Philip in Macedonien / und Kayser Julius nicht geringere Weltweisen als Helden gewesen; So bin ich doch der beständigen Meynung: daß die / welche von Künsten und Wissenschafften gleichsam ein Handwerck machen / oder schon ihr Leben gleichsam der nachdenckenden Welt-Weißheit gewiedmet haben / sich zur Herrschafft nicht schicken. Sintemahl sie daraus eine solche Süssigkeit schmecken; welche ihnen die Sorgen für das gemeine Heil zu Wermuth und Galle macht. Daher Prometheus / Empedocles und Heraclitus ihre Fürsten-Hüte eigenbeweglich abgenommen / um in einer Einsamkeit der Weltweißheit unverhindert abzuwarten. Zeno antwortete: diese wolgegründete Meynung des Fürsten Rhemetalces hielte nichts mehres / als eine Verdammung des Mißbrauchs / nicht aber der Weltweißheit selbst in sich; von welcher König Phraotes recht Fürstlich geurtheilet hätte: Es wäre nichts Königlicher als die Weißheit; ja ihre Besitzer wären noch etwas mehr als Könige. Allein es stünde nicht die Weißheit / sondern andere wichtige Ursachen den Geistlichen am Wege; warum man selbten die Oberherrschafft einzuräumen billich anstehen solte. Denn weil sie eines strengen Lebens vorher gewohnt / wolten sie aller Untergebener Sitten und Leben nach ihrem Mäß-Stabe richten; und daher verfielen sie in eine gefährliche Schärffe der Herrschafft. Sie legten mit ihrem ersten Stande niemahls die Liebe gegen denselben ab; und deßhalben enträumten sie nicht nur[981] der Geistligkeit allzuviel; sondern vergrösserten auch noch ihre Freyheiten und Güter; welche doch beyde in einem Reiche ihr Mittelmaß haben solten; wormit weder die Bürgerschafft Schatzung zu geben / der Adel im Kriege zu dienen geschwächt / noch auch das Ansehen und die Gewalt des Königes durch sie verdüstert werde / wie in Comagene sich durch die übermäßige Gewalt selbigen Priesters ereignet hat. Adgandester versetzte: Es haben diß die Cimbern nach ihrer Wahl / aber zu langsam erfahren; ja auch uns übrigen Deutschen sind die Druyden / wo sie gleich nie den Fürsten-Hut aufgesetzt / zu Kopffe gewachsen.

Malovend fuhr fort: Ich weiß nicht: Ob sie mehr sich zu erhöhen / oder wir uns mehr unter ihre Fuß-Sohlen zu kriechen bemüht gewest. Daher wir nicht so wol sie / als uns selbst zu schelten Ursache haben. Sintemahl der Mensch von Natur mehr zur Herrschafft / als Dienstbarkeit geneigt; und es fast mehr als menschlich ist / bey übermäßigem Glücke lange Zeit die erste Gemüths-Mäßigung behalten. Es gehöret ein grosses Hertze darzu / welches das Gold und das Eisen beyderley Glücks-Fälle verdäuen soll. Denn das Hertze ist gegen das Glücke / was der Magen gegen die Speisen. Es sey nun aber schuld daran / wer da wolle; so verwandelte sich der Druyden erste Bescheidenheit in Herrschsucht; ihre Genüßligkeit in Wollust / ihre anfängliche Andacht in Scheinheiligkeit; welche auf der Welt jener den Preiß abrennt /und nicht ohne Wunderwercke Himmel und Hölle mit einander verschwistert; ja die Laster für Tugenden anwehret. Unter dem Schein heilsamer Warnigungen versteckten sie ihre Rache; unter dem Vorwand des Glimpfes sahen sie allen Lastern durch die Finger; mit dem Mantel des gemeinen Heiles verhülleten sie ihren Ehrgeitz; die Gerechtigkeit muste ihren Geitz /ein gerechter Amts-Eiver ihren Neid / die erbauende Unterredung ihre Geilheit verdecken. Ihre Enteusserung alles Eigenthums diente ihnen zur Herrschafft über aller / ja der Könige Güter; und welche keine Hütte haben wolten / wohnten nunmehr in eitel Fürstlichen Schlössern. Es war letzlich ihren Uhrhebern an ihnen nichts als das Kleid ähnlich. Diese Veränderung gebahr bey vielen tugendhafften einen heimlichen Unwillen; aber / weil sich niemand diesen bösen Sitten des Vaterlandes zu begegnen gewachsen sahe / musten sie nur mit andern Lastern ihre Schwachheit beseuffzen. Endlich kriegten die Druyden durch diß /welches alle unüberwindliche Machten zu Boden wirfft / nehmlich durch eigene Zwytracht einen gewaltigen Stoß. Denn zur Zeit des grossen Feld-Herrn Marcomirs / thät sich Divitiak einer der tieffsinnigen Druyden herfür; welcher in dem Semanischen Walde zwischen der Elbe und der Weser gebohren war / aber in Britannien / Egypten / und bey den Juden ihm eine grosse Weißheit zu wege gebracht hatte. Dessen Frömmigkeit nahm anfangs der Druyden Laster und Mißbräuche / seine Scharffsinnigkeit aber ihre Irrthümer wahr. Daher fieng er an jene mit einem hertzhafften Eiver zu schelten / diese mit sonderbarer Klugheit zu wiederlegen. Er straffte den Wucher der Priester; verda te ihre übermäßige Gewalt in weltlichen Dingen; eröffnete die für dem gemeinen Volcke versteckten Geheimnüße des Glaubens / verfluchte die Vergötterung der Menschen / zohe die Gründe der Warheit dem Sagen der Druyden und dem Ansehen ihres Hauptes für; Gründete den Wolstand der unsterblichen Seelen auf die einige Erbarmnüß des ewigen Schöpffers; verwarff alle abergläubische Zeichen und Tage-Wehlungen; wiederlegte die Wanderung der Seelen aus einem Liebe in den andern; und brachte mit einem Worte den alten Gottesdienst der Deutschen wieder ans Licht. Ob nun wol die hitzigen Druyden ihm[982] mit Feuer und Schwerdt dräueten / die vernünfftigen ihn erinnerten: Er möchte die Lehre der Druyden nicht gar verwerffen / sondern die Spreu von dem Weitzen absondern; so fuhr er doch mit einem rechten Helden-Muthe fort; brachte die auf dem Melibokischen Gebürge wohnenden Druyden selbst / ja auch die Fürsten der Hermundurer / Alemänner und Catten auf seine Seite. Allem Ansehen nach wäre es um die Druyden damahls gar geschehen gewest; sonderlich / weil Divitiack seine Nachfolger zur alten Armuth anverwieß / und sich der weltlichen Herrschafft anzumassen verbot; also die Fürsten nicht nur ihre erste Gewalt / sondern auch die unter dem Scheine der Andacht ihnen entzogene Güter zurück bekamen. Alleine dieser scheinbare Anfang kriegte einen gewaltigen Stoß durch den tieffsinnigen Eubages; welcher zwar in den meisten Sachen dem Divitiak wieder die Druyden beypflichtete; aber alle Geheimnüße nach dem allzuschwachen Mäßstabe der Vernunfft ausecken; alle Zufälle denen natürlichen Ursachen zueignen; dem Menschen den freyen Willen entziehen / und selbten der Nothwendigkeit des einflüssenden Gestirnes unterwerffen wolte. Also spalteten sich die / welche dem Divitiak und Eubages anhiengen / gleicher Gestalt / und nahmen jene den Nahmen der alten Barden an; diese aber nennten sich alle Eubagen / oder auch Vaties. Jedes Theil erlangte gleichwol von vielen mächtigen Fürsten in Deutschland / Gallien und Britannien eine Beypflichtung; also: daß es fast allenthalben zu bürgerlichen Kriegen ausschlug / und viel tausend Seelen unter dem Scheine der Andacht der blutbegierigen Rache aufgeopffert wurden. Denn so offt als der Ancker des Gottesdienstes bewegt wird; so offt erschüttert sich das gantze Schiff eines Reiches; weil mit dem Glauben ins gemein die Art und das Gemüthe eines Volckes verändert wird. Der kluge und gütige Marcomir pflichtete im Hertzen selbst Divitiaks Meynungen bey / ungeachtet er aus Staats-Klugheit solches nicht öffentlich mercken lassen dorffte. Gleichwol aber hielt er ihm wieder die Gewalt der Druyden Schutz / brachte es auch zu einem Frieden. Aber weil die Einheimischen Zwytrachten selten von Grund aus geheilet werden /brachen diese Wunden nach seinem Tode bey den Celten in Gallien wieder grausamer auf; indem sein Sohn Hippon den Druyden auffs allereifrigste beypflichtete / und nicht nur viel tausend dem Divitiak beypflichtende Barden hinrichten; ja auch den Druys /in dessen Armen Marcomir gestorben war / aus Verdacht gleichmäßigen Glaubens verbrennen ließ; zu geschweigen: daß etliche Druyden ihn verhetzten: Er solte seines Vaters eigene Gebeine ausscharren / und in Asche verwandeln lassen. Nichts minder verfolgten die Druyden in Gallien die Eubagen als Tod-Feinde; wordurch / den Römern sich täglich daselbst zu vergrössern / Thür und Thor aufgesperret ward. Insonderheit wurden die an dem Fluße Alduaria liegenden Heduer / bey denen Divitiak / und hernach Eubages sich lange aufgehalten und ihren Gottesdienst eingeführt hatten / auf der Sudwesten Seite von den Arvernern / gegen Nord-Ost von denen an dem Flusse Alduaria gelegenen Sequanern derogestalt beängstiget: daß sie sich unter der Römer Schutz begeben musten. Worzu ihnen denn die Vorschrifft des weisen Divitiak an den grossen Redner hernach Bürgermeister Cicero / mit welchem er in Gallien verträuliche Freundschafft gemacht hatte / sehr behülflich war; wordurch denn die von ihren Feinden in die Enge weniger Festungen getriebene / aller Kriegs-Macht und Aecker beraubte Heduer / welche der Alemänner König Ariovist gezwungen hatte ihm Geißeln und jährliche Schatzung zu geben / durch die Tapfferkeit ihres Fürsten Pferderichs und den Beystand der Römer wieder Lufft schöpfften / ihre vorige Unterthanen und[983] Lehns-Leute die Segusianer zwischen dem Rhodan und Arar / die Ambarren zwischen der Arar und Ligeris / und die Brannovier wieder unter sich brachten; ja weil sie hingegen den Römern in den Alpen gegen ihre Feinde treulich beystanden / ihre Brüder und Bundsgenossen zu werden verdienten. Noch ärger gieng es denen Eubagen im Aquitanischen Gallien. Die Fürstin der Aquitanier Irmingardis maste sich daselbst unter ihren dreyen nach einander herrschenden Söhnen / welche nichts minder ihres Unglücks / als ihrer Uppigkeit halber beruffen sind / der Herrschafft an; und ihre Herrschsucht machte sie nichts minder / als ihrer Kinder Unfähigkeit auch nach ihrer Mündigkeit zu ihrer Vormündin. Anfangs zwar schlug sie sich bald zu ihren Druyden / bald zu den Barden und Eubagen; und ließ bald dieser bald jener Wind in die Segel ihrer Ehrsucht wehen. Endlich aber machte die Staatssucht: daß sie mit den Druyden ein Sinn und ein Hertze ward. Daher sie alle Klugheit / alle Laster / ja auch die Zauberey selbst zum Verderben der Barden und Eubagen zu Hülffe nahm. Sie reisete mit dreyhundert der schönsten Weiber stets das Land durch; welcher einiges Absehen und Meisterstücke war / den Adel wie die Spinnen die Fliegen / in ihr Gewebe der Wollust und dardurch zu Verleugnung des Divitiakischen Gottesdienstes zu bringen. Ja dieser geschöpffet Haß verleitete sie so weit: daß sie mit ihrem vorigen Todfeinde Hevinserich einem Fürsten der Mediomatriker sich auffs verträulichste verknüpffte; ungeachtet dieser so wol / als sein ermordeter Vater das Aquitanische Reich ihm zuzuschantzen bemüht war. Mit diesem machten sie in einem Zimmer / darinnen Hevinserich aber hernach aus gerechter Rache Gottes wieder ermordet ward / einen festen Schluß / alle Borden und Eubagen mit Giffte / Feuer und Schwerdt zu vertilgen. Um diß so viel glücklicher zu vollziehen /machten sie mit den Barden und Eubagen Frieden /verlobten dem Fürsten der Bigerrionen Rubonor ihrem Haupte in Gallien der Irmingardis Tochter; und schlachteten sieben Tage lang viel tausend sich zum Fürstlichen Beylager eingefundene Gallier ab. Ja die säugenden / oder in Mutterleibe noch athmenden Kinder wurden nicht verschonet / sondern eh ermordet /als gebohren. Hevinserich führte die Meuchel-Mörder selbst eiffrig an; und war unter seinen Getreuen einer /der sich in einer Nacht vierhundert Eubagische Gallier zerfleischt zu haben rühmte. Die wilde Irmingardis stach selbst einigen / die in ihrem Schlosse schlieffen / mit den Fingern die Augen aus; und weidete die Augen an den nackten Leichen der Ermordeten / die sie Hauffen-weise für ihr Burg-Thor brachten. Unter andern ließ sie das abgeschlagene Haupt des tapffern Krieges-Helden Cigolin einbalsamen / und schickte es dem Obersten Druys in Britannien / zu einer vermeinten Versicherung: daß mit diesem Kopffe den Eubagen alle Spann-Adern zerschnitten wären. Irmingardis weltzte die Schuld dieser von der gantzen Welt / ja vielen Druyden selbst verda ten Verrätherey zwar auf den Hevinserich; um selbten schwartz zu machen /sich aber weiß zu brennen. Sie dräuete an dem Uhrheber dieses Blut-Bades den Entseelten ein Rach-Opffer zu lieffern / und die verbitterten Eubagen zu besänfftigen. Aber sie trauten nicht mehr auf diese Fallbrücke zu treten / sondern ergriffen zu ihrer Beschirmung die Waffen / und machten sich bey nahe in gantz Aquitanien zum Meister; brachten auch nach der Irmingardis und ihrer Söhne Tode den Bigerrionischen Fürsten zur Herrschafft. Nach dem aber dieser sich endlich selbst zu den Druyden schlug / nahm der Barden und Eubagen Macht von Tag zu Tag ab / biß sie endlich nach vielen Verfolgungen und Blutstürtzungen in die Haupt-Stadt der Agesinaten verschlossen daselbst mit Hülffe der Veneter die[984] Einfahrt im Meer zwischen den Eylanden Vilar und Antros durch eingesenckte Schiffe verstopfft / also ihnen der Hibernier Hülffe abgeschnitten / und sie also durch unmenschlichen Hunger zur Ubergabe gezwungen wurden. Die Druyden schaften ihnen ihren Gottesdienst mit grosser Schärffe ab; da sie doch den Greuel denen Samnitischen Weibern erlaubten / welche die Eylande des Aquitanischen Meeres bewohnen / daselbst gleichsam rasende dem Bacchus opffern / ihren Männern auf den Eylanden zu wohnen nicht verstatten / sondern zum Beyschlaffe ans feste Land überfahren; alle Jahr das Dach ihres Tempels abbrechen / und noch selbige Nacht für der Sonnen Aufgange wieder erbauen; worzu iedes Weib eine gewisse Last herbey schleppen muß / und die es fallen läst / von denen andern gleichsam zum Opffer mit ihren Nägeln zerrissen wird. Wiewohl auch hernach der großmüthige König der Svessoner Divitiak denen Eubagen beypflichtete / und durch seine Tapfferkeit nicht nur gantz Gallien / sondern auch ein grosses Theil Britanniens unterwarff; ward er doch durch einen Druys Meuchelmörderisch aufgerieben; sein unwürdiger Sohn Galba aber von seiner denen Druyden zugethanen Mutter ihnen zur Unterweisung untergeben. Inzwischen führten auch die Bellovaker / Ambianer / und Veromanduer wieder die Bataver und Menapier / welche aus Deutschland kommen / sich an der Schelde / Maaß und zwischen dem Rheine niedergelassen / und in dem Megusianischen Hercules-Tempel ihren Gottesdienst eingeführet hatten / einen so grausamen Krieg: daß in diesem mehr durch die Hände des Henckers / als durchs Schwerdt hinfielen. Weil über den zwischen den Batavern und Galliern eingepflantzten Haß die Gallier die Entweihung ihrer Heiligthümer / und sonderlich obigen Tempels zu unmenschlicher Rache verhetzte; welche sie so weit verleitete: daß sie zwey Morinischen Fürsten / nur weil sie mit den Menapiern und Batavern einen billichen Vergleich zu treffen einriethen / und deßhalben mit ihrem Fürsten Julius Tutor / dessen Enkel gleiches Nahmens hernach auch mit dem Civilis wieder die Römer aufstand / Brieffe gewechselt hatten / öffentlich die Köpffe abschlagen liessen / für denen vorher etliche mahl der Gallier Feinde erzittert waren. Wiewol die Bataver und Menapier mit Hülffe ihrer Blutsverwandten der Tribozer und Catten / wie auch des Cheruskischen Hertzogs Aembrichs / dessen Bruder Cattivolck sie bey ihm zu ihrem Feld-Herrn ausbaten / mit dem Degen ihre Freyheit behaupteten; ja Aembrich es so weit brachte: daß die in diesen Krieg mit eingeflochtenen Eburoner seinen Bruder Cattivolck zu ihrem Hertzoge erkieseten.

In Deutschland aber dämpfften theils die Klugheit der Feldherren und anderer glimpfflichen Fürsten /theils die mit denen Daciern und Sarmatern geführten Kriege das einheimische unter der Aschen glimmende Feuer zwischen den Druyden / Barden und Eubagen. Denn wie eusserliche Kälte innerliche Wärmde beysammen hält; also ist die auswerts sich nähernde Gefahr auch das kräfftigste Mittel die gegen einander verbitterten Bürger zur Eintracht zu bringen.

Als aber der deutsche Feld-Herr Malorich bey ziemlichem Friede starb / seinen Vetter Aembrich der Cherusker Hertzog unsers Feld-Herrn Herrmanns Groß-Vater zum Feld-Herrn fürschlug; gerieth gantz Deutschland in ein grausames Krieges-Feuer. Denn ein grosses Reich kan so wenig als ein grosser Leib lange in Ruh bestehen; indem / wenn es eusserlich keinen Feind hat / ihm einen in sich selbst machet. Die gröste Ursache aber war: daß auf einmahl in Deutschland vier Fürsten lebten / derer ieder würdig war / das gantze zu beherrschen; nehmlich Aembrich der Cherusker und Quaden / Ariovist der Alemänner /Arabar der Catten und[985] Vangionen / und Briton der Hermundurer Hertzog. Denn wie die mehrern Sonnen im Himmel nichts gutes bedeuten; also ziehet auch die Zusammenkunfft vieler großmüthigen Fürsten in einem Reiche tausenderley Ungemach nach sich; in dem zwar in einem kleinen Gefässe viel kleine Pflantzen / aber auch in dem grössesten nicht zwey oder mehr Palmbäume und Zedern Raum haben; sondern eine die andere verdämmet / oder durch allzustarcken Trieb das Gefäße gar zersprenget. Bey solcher Beschaffenheit schätzte ein ieder sich den würdigsten zum obersten Feld-Herrn Deutschlandes. Und ob wol Hertzog Aembrich für sich das Wort des verstorbenen Hertzog Malorichs hatte; so war dieses doch vielmehr ein Rath / als eine Wahl / welche nicht bey dem Erblaßer / sondern in der blossen Willkühr der deutschen Fürsten bestehet. Uber diß stach diese die grosse Macht der Cherusker / und die Nachfolge so vieler Feldherren aus diesem einigen Hause nicht wenig in die Augen; zugeschweigen: daß Ariovist / Briton und Arabar / welche theils denen Barden / theils den Eubagen beypflichteten / dem es mit den Druyden haltenden Fürsten Aembrich allem Vermuthen nach das Hefft in die Hände zu geben nicht allerdings sicher hielten. Die aller gröste Hinderniß aber brach allererst herfür durch den Auffstand der Quaden; welche meist denen Barden beypflichteten / sich aber von den Druyden gedruckt zu seyn beklagten / über diß dem Hertzoge Aembrich kein Erb-Recht über sie zu enträumen vermeinten / anfangs sich dem benachbarten Briton / und / als dieser es aus einer Heldenmäßigen Großmüthigkeit ablehnte / dem Cattischen Fürsten Arabar sich untergaben. Arabar verband sich mit dem Könige der Dacier Decebal / welcher von dem Flusse Cusus biß zu denen Bastarnen alles beherrschte; Die Marsinger / Gothiner / und Pannonier traten auf seine Seite; der Britannier König Caßibellin / und der Cimbern König Friedlev vertrösteten ihn grosser Hülffe. Auf welchen letzten gantz Deutschland ein grosses Absehen hatte; weil er die Kriegerische Jungfrau der Gothen und Riesin Rusila / welche mit zweyen Fingern das stärckste Hufeisen zerreissen / einen mittelmäßigen Baum mit den Wurtzeln ausreissen konte /im Zweykampffe erlegt; den Hillevioner Hertzog Huirvill im Kriege überwunden / die Orcadischen Eylande und die Haupt-Stadt in Hibernien Duflin durch Krieges-List erobert; auch / als er daselbst von der Menge seiner Feinde gantz umringt war / sich dennoch durch Auffstellung seiner vorhin erlegten Kriegs-Leute glücklich an den Seestrand und nach Hause gezogen hatte. Für aller Menschen Augen schien Hertzog Aembrich verlohren zu seyn; aber dieser Held erlangte mit Hülffe der Ubier bey der Stadt Boviasinum einen so herrlichen Sieg: daß Arabar mit Noth entran / und sich in Gallien flüchtete. Die Dacier zwang er auch alsofort Friede zu machen; nach dem der König der Cimbern Friedlev sein Reich wegen der Svioner / Sitoner und Fennen Königs Gotar seiner Macht nicht entblössen dorffte / welcher zu einem grossen Kriege sich rüstete / niemand aber seinen Feind erforschen konte. Wie nun kein kräfftiger Magnet ist der Menschen Gemüther an sich zu ziehen /als Tugend und Glücke; also ward Hertzog Aembrich ohne einiges Wiedersprechen zum Feldherrn erkläret; ja Briton selbst vereinigte mit ihm seine Waffen wieder seine Feinde / und Aembrich räumte der Ubier Hertzoge Dorulac ein Theil der vom Arabar verlohrnen Landschafften ein. Die Römer aber schickten ihm eine güldene Krone / einen Purpur-Mantel / und einen Helffenbeinernen Stul / nennten ihn ihren Freund /Bruder und Bundgenossen.

Der Alemänner Hertzog Ariovist schlug zwar sein ersteres Absehen diese Würde zu erlangen aus der Acht. Zumahl er vernünfftig wahrnahm: daß sie eine grosse Uberlast / aber nur einen[986] betrüglichen Schein eiteler Ehre an sich hätte; ließ sich noch bey offener Tafel heraus: Es würde ihm bey der Nachwelt rühmlicher seyn / wenn selbte fragen würde: aus was Ursachen er nicht / als warum er zu solcher Hoheit gelangt wäre. Jedoch vergaß er nicht unter der Hand unvermerckt seine Vergrösserung zu beobachten. Denn /nach dem die Bojen / welche denen Barden beypflichteten / von denen Druyden in ihrem ersten Sitze / den ihnen anfangs Alemañ zugeeignet / hernach Segovesus auffs neue behauptet hatte / nicht gelitten werden wolten / zohe ihrer ein ziemliches Heer theils wieder in Gallien / und setzen sich in der Arverner Lande um die Festung Gergovia / bauten auch an dem Fluße Ligeris die Stadt Boja / theils über die Donau an den Lech / vertrieben die Noricher / und nahmen den Hertzog Ariovist zu ihrem Schutz-Herrn an. Bey dieser allgemeinen Glaubens-Strittigkeit trieb auch Divitiak der Heduer Hertzog alle die / welche des deutschen Divitiaks und der Barden Gottesdienste anhiengen /aus dem Lande; welche aber von ihren Glaubensgenossen denen Arvernern und Sequanern willig aufgenommen wurden. Weil nun zwischen diesen Völckern ohne diß eine alte Feindschafft eingewurtzelt war /verfielen sie hierüber so viel leichter mit einander in Krieg. Die Heduer zohen alsofort die Römer an sich; welche ohne diß bereueten: daß sie nach Uberwindung des Königs Luer und Einsperrung des Königs Bituit in die Stadt Alba sich der Arverner nicht gar bemächtigt hatten. Hingegen rufften die Arverner und Seqvaner / derer Fürst Catamantales ein grosser Freund und Bundgenosse der Römer gleich starb /und seinen Sohn Casticus zum Erben hinterließ / den berühmten Fürsten Ariovist zu Hülffe; welcher denn in etlichen Schlachten den gantzen Adel / Ritterschafft / und Oberen der Heduer erlegte / dieses gantze Volk auch derogestalt ins Gedränge brachte: daß sie die noch wenig übrigen vom Adel den Sequanern zur Geissel einhändigen / sich auf ewig ihnen unterthänig geben / und mit denen Römern nimmermehr keine Gemeinschafft zu pflegen / sich eydlich erklären musten. Der Fürst Divitiak aber / ob er wol eben diß zu leisten dem Hertzoge Ariovist an die Hand gelobte /entflohe mit seinen Kindern heimlich nach Rom. Wie nun Ariovist verlangte: daß seinen Kriegs-Leuten /und insonderheit denen zwischen der Donau und dem Kocher ziemlich enge eingeschrenckten Haruden / die sich in diesem Kriege sehr tapffer gehalten hatten /das versprochene dritte Theil von der überwundenen Heduer Aeckern / oder auch bey denen Sequanern ein austräglicher Platz für vier und zwantzig tausend Mann eingeräumt werden möchte / brachte es Divitiak durch seine Künste dahin: daß die Sequaner zu höchstem Undancke sich wieder den Beschirmer ihrer Freyheit / wiewol unglücklich auflehnten. Denn er überfiel sie wie ein Blitz bey der Stadt Amagetrobia /und erlegte sie auf einmal biß auffs Haupt; also: daß sie sich seiner Herrschafft unterwerffen / und die für nehmsten ihre Kinder ihm zur Versicherung ihrer beständigen Treue einlieffern musten. Weil auch die Heduer sich in diesen Auffstand nicht gemischt hatten; sprach Ariovist selbte aus einer ruhmbaren Großmüthigkeit von seiner und der Sequaner Dienstbarkeit frey; außer: daß sie denen bereit eingesessenen Alemännern ihre zugeeigneten Aecker lassen musten. Hingegen weil die alten zwischen dem Berge Jura und dem Flusse Arola gelegenen Helvetier oder Urbigener nicht nur vorhin denen der Helvetier gröstes Gebiete besitzenden Alemännern / die Ariovistens Bruder den König der Noricher Vocion zu ihrem Schutz-Herrn erkiest hatten / wiederstrebten / sondern auch ohne Ursache mit den Sequanern die Waffen gegen den Fürsten Ariovist vereinbart hatten / grieff er die Urbigener behertzt an / und brachte sie nach zweyen Treffen dahin:[987] daß sie ihn für ihr Oberhaupt erkennen musten.

Wiewol nun die Helvetier unter dem Schirm des Fürsten Ariovists / der sich nunmehr einen König nennen ließ / in gutem Wolstande lebten / so thät es doch dem Adel weh: daß zu denen Aemptern meist Alemänner befördert wurden. Sintemahl ins gemein zwar fremde Gewächse / nicht aber ausländische Befehlichshaber angenehm sind; und der Neid oder die Ungedult sodenn der Vollkommenheit selbst Mängel auszustellen weiß. Insonderheit fraß die Ehrsucht dem Fürsten Orgetorich das Hertz aus; welchem die Thränen über die Backen lieffen / so offt er seiner Vorfahren Bilder ansahe / und darmit sich erinnerte: daß er zwar aus einem des Herrschens gewohntem Hause gebohren wäre / nunmehr aber müste gehorsamen lernen. Gleichwol aber hielt die grosse Macht des Königs Ariovists den Degen des Orgetorichs in der Scheide; und veranlaste ihn auff ein ander Mittel zu sinnen: wie er das Hefft wieder in die Hand bekäme. Weil nun die Alemänner sich täglich in Helvetien verstärckten / und es ie länger ie mehr gedränger machten / schlug er den Fürnehmsten und Vertrautesten vom Adel für / ihnen einen neuen Sitz in dem fruchtbaren Gallien um den Fluß Garumna einzunehmen; welches aller Muthmassung nach Ariovist nicht hindern / sondern vielmehr befördern würde / wormit seine Alemänner sich so viel mehr auszubreiten Lufft bekämen. Nach dem er durch seine scheinbare Fürschläge den meisten Adel auf seine Seite gebracht hatte; eröffnete er diesen Anschlag auch dem Casticus / welcher gleicher Gestalt unter Ariovistens Botmäßigkeit und nach der Sequanischen Herrschafft seines Vaters seuffzete. Hierauf brachte er es auch an des Divitiaks Bruder Dumnorich / der die höchste Würde bey den Heduern vertrat / aber aus Begierde der Freyheit dem Ariovist nicht hold / denen Römern aber Spinnen-feind war. Der Schein der Freyheit brachte alle drey unschwer in ein eydliches Bündniß; und die grosse Zuversicht zu ihren Kräfften verhieß ihnen in weniger Zeit die Beherrschung des gantzen Galliens. Dieses grosse Werck aber brach für der Zeit durch die ungewöhnliche Zurüstung des Fürsten Orgetorich /und hernach durch etliche Edelleute / denen ihr Vaterland zu lieb war / aus. Das Volck / welches lieber in Sicherheit gehorsamen / als aus Hartneckigkeit sich in Gefahr und Verterben stürtzen wolte / überfiel den sichern Orgetorich unverhofft / stellten ihn auch in Band und Eisen für ein Gerichte; das ihn als einen Aufwiegler und Störer der gemeinen Ruh zum Feuer verdammte. Er lag schon gebunden auf dem Holtzstosse / der Scharffrichter hielt schon die Fackel an den Zunder / als mehr als tausend Mann zusammen gerottetes / und dem reichen Orgetorich aus Pflicht / oder wegen genossener Wolthaten zugethanes Volck herfür brach / die Nachrichter zerstreute / den Holtzhauffen von sammen rieß / und den Verdammten aus dem Rachen der Flammen errettete. Dieser Frevel aber ward von der Obrigkeit durch Hülffe der Alemannischen Besatzungen mit vielem Blute bald gerochen / und Orgetorich derogestalt ins Gedrange bracht: daß er ihm selbst mit Giffte vom Leben halff. Die Helvetier aber befanden in der Höle / darein er sich versteckt hatte / eine so bewegliche Betheuerung: wie er durch sein Vorhaben drey freye Völcker in den Glantz der alten Freyheit / sich aber keines weges auf den ihm zugedachten Stul zu setzen angezielt hätte: daß auf des Fürsten Divico vernünfftiges Einreden das ihn vorhin zu verbrennen entschlossene Volck / welches zwischen eusserster Liebe und Haß kein Mittel weiß /ihn nunmehr von dem Scheiter-Hauffen in Himmel erhob; und des Orgetorichs Fürhaben auszuführen durch schärffste Eyde sich verschwor / ja viel tausend Rauraker / und Tulinger[988] unter dem Rhetischen Gebürge am Rheine / wie auch fast alle um den Uhrsprung des Rhodans wohnende Latobriger / und endlich zwey und zwantzig tausend derer wegen ihrer Menge auswandernde Bojen mit in das Bündniß zoh; also: daß ob wol dem Fürsten Casticus / und Dumnorich mit denen Sequanern und Heduern zu den Helvetiern zu stossen allerhand wichtige Hindernüße in Weg traten / weder König Ariovist noch Hertzog Vocio diese schwermende Völcker aufzuhalten / sondern vielmehr zu Beruhigung ihrer eroberten Länder den Willen zu lassen schlüßig wurden. Wie sie sich nun alle mit viel tausend Wagen / Vieh und anderm Vorrathe bey den Städten Sedun und Tarnada am Rhodan zu Ende des Merzens versammlet / und nach langer Berathung: Ob sie über das Gebürge Jura durch der Sequaner Land /oder der denen Römern noch nicht allerdinges holden Allobroger Gebiete / über die denen Helvetiern ohne diß zustehende Brücke zu Genf ihren Zug nehmen wolten / den letztern Weg als den leichsten erwehlt hatten; eilte Julius Cäsar mit einer Legion und vielen tausend denen Römern unterthänigen Narbonensischen Galliern nach Genf / brach daselbst die Brücke ab / um denen Helvetiern den Weg zu verbeugen /unter dem Scheine zwar: daß er diesem feindlichen Volcke / welches den Bürgermeister Lucius Caßius durchs Joch getrieben hatte / nichts gutes zutrauen könte / iedoch vielmehr aus Absehen / durch Erwegung eines schweren Krieges das Römische Kriegs-Volck zu seinen Diensten zu bekommen. Die Helvetier schickten alsbald den Fürsten Divico zum Julius Cäsar / beschwerten sich über Abbrechung ihrer eigenthümlichen Brücke / und baten zugleich um einen freyen Durchzug in das Aquitanische Gallien / mit Erbietung Geissel zu geben: daß denen Römischen Unterthanen kein Huhn versehret / sondern alles ums Geld gekaufft werden solte. Der schlaue Cäsar gab dem Divico ziemliche Vertröstung / iedoch bat er Bedenck-Zeit auff zehen Tage / in welchen er von dem Lemannischen See / biß an das Ende des Berges Jura einen neunzehn tausend Schritte langen / sechzehn Füsse hohen Wall mit einem tieffen Graben und vielen Bollwercken aufführte / hernach dem wiederkommenden und verhaßtem Gesandten Divico / als welcher der Tuguriner Heerführer bey Erlegung des Caßius und Lucius Pisonius gewest war / abschlägliche Antwort gab / und den Helvetiern die Spitze bot. Diese kehreten alsofort ihre Deichsel gegen die Sequaner / und brachte es Orgetorich durch seinen Eydam Dumnorich so weit: daß diese ihnen den Durchzug erlaubten. Wie nun die zwey und neuntzig tausend streitbare Helvetier / welche mit Weib und Kindern sich auff dreyhundert acht und sechtzig tausend Menschen belieffen / sich langsam durch die steinerne Pforte des Berges Jura durcharbeiteten /setzte Cäsar den Labienus über das Heer / rennte in Italien / zohe von Aquileja bey der Stadt Ocelum an dem Flusse Duria in den Cottischen Alpen fünff Legionen an sich / und kam mit selbten durch der mit denen Helvetiern in guter Verträuligkeit stehender Garoceler und Centroner Gebiete / nach etlichen mit ihnen gehaltenen Treffen / über die Grajischen Alpen in sieben Tagen in der Vecontier und durch der Allobroger Land über den Rhodan in das Segusianische Gebiete; als die Helvetier gleich über den langsamen Fluß Arar eine Brücke schlugen. Wie nun etliche dem Divitiak zugethane und dem Dumnorich wiedrige Heduer und Ambarrer / die den Helvetiern sich wiedersetzt und daher Schaden erlitten hatten / bey Cäsarn sich beschwerten und Rache baten; insonderheit Divitiak und Liscus schon lange Zeit Cäsarn wieder die Helvetier und Deutschen verhetzt hatten / rückte er alsofort gegen die Helvetier / und überfiel mit drey Legionen ihr vierdtes Theil / nehmlich die Tuguriner /[989] welche nur noch über die Brücke nicht kommen waren. Wiewol ihnen nun von den Römern kein Krieg angekündigt war / und sie sich also ehe des Himmels- als eines feindlichen Einfalls versehen hatten / also der wenigste Theil der Schlaffenden zu den Waffen kommen konten; so starben sie doch nicht gäntzlich ungerochen; in dem auch etliche tausend Römer auf dem Platze blieben; ein Theil der Tuguriner noch sich über die Brücke rettete / die meisten aber im Flusse umkamen / weil sie es rathsamer hielten / sich in diesen zu stürtzen / als in des rachgierigen Cäsars Hände zu fallen / dessen Schwehers Großvatern Piso dieses Volck erlegt hatte. Nach erlangtem Siege setzte er den Divitiak und Luscus den Heduern und Ambarren zu Häuptern für / schlug auch noch selbigen Tag eine Brücke über die Arar. Wiewol nun die Helvetier durch den Fürsten Divico sich des listigen Uberfalls halber beschwerten / die Unrechtmäßigkeit seines Krieges / und die Streitbarkeit der Deutschen fürhalten liessen; iedoch sich zum Frieden / und daß sie das Römische Gebiete in Gallien nicht berühren wolten /erboten; so forderte doch Cäsar hochmüthig die Ersetzung alles denen Heduern / Ambarren und Allobrogern zugefügten Schadens / ihre Rückkehrung und Geißel als Bürgen / für alles diß / was sie zusagten. Daher Divico Cäsarn antwortete: die Helvetier wären gewohnt Geißel zu bekommen / nicht zu geben; und von denen / die sie wol ehe überwunden / nicht als besiegte Gesetze anzunehmen; schickte also die Gesandschafft unverrichteter Sachen zurück. Folgenden Tag ließ Cäsar den Considius mit zwey tausend Römischen und den mit den Haaren in diesen Krieg gezogenen Fürsten Dumnorich mit drey tausend Heduern sich an der Helvetier Nachtrab hencken; welchen aber der junge Fürst Orgetorich mit fünff hundert Pferden so grimmig begegnete: daß nach zweyer Stunden Gefechte / und nach Verlust vier hundert Mann anfangs der unwillige Dumnorich / und hierauff Labienus die Flucht nehmen musten. Cäsar ward hierüber bestürtzt / verbot also den Seinigen sich ohne Noth in ferners Gefechte einzulassen; sondern gieng den Helvetiern funffzehn Tage lang immer an der Seite / und bemühete sich / die wegen noch nicht reiffer Saaten ohne diß sparsame Lebens-Mittel und Fütterung ihnen abzuschneiden. Weil aber auch die Heduer ihm nicht genungsam zuführten / und Liscus den Fürsten Dumnorich beschuldigte: daß er durch seine Gemahlin des Orgetorichs Tochter / seine Mutter eine Fürstin der Bituriger / seine Schwester und Neffen / welche an mächtige Fürsten in Deutschland und Gallien verheyrathet wären / und dem Stieff-Bruder Divitiak die wieder erlangte Hoheit mißgönneten / verleitet würde /das ihm geneigte Volck unter dem eingebildeten Scheine bevorstehender Dienstbarkeit von den Römern abwendig zu machen; oder auch Cäsar wegen des unglücklichen Treffens mit den Helvetiern ihn verdächtig hielt / ließ er den Dumnorich in Verwahrung nehmen. Den sechzehenden Tag ließ er den Labienus mit zwey Legionen einen Berg / unter welchem die Helvetier sich gelagert hatten / einnehmen / zohe auch mit dem gantzen Heere gegen sie; aber der mit der gantzen Reuterey vorangeschickte Considius kam spornstreichs zurücke / und berichtete aus eingebildeter Furcht: Er hätte aus denen Wolffshäuten und Federpüschen wahrgenommen: daß der Feind den Berg für den Labienus eingenommen und besetzt hätte; da doch Cäsar Mittags erfuhr: daß Labienus unvermerckt den Berg behauptet; also der durch Zagheit seiner Leibes- und Gemüths-Augen beraubte Considius durchs Blaster gesehen; Und weil inzwischen die Helvetier fortgerückt / diesen Vortheit zu siegen verspielet hatte. Daher auch[990] Cäsar die gegen dem Flusse Ligeris absackenden Helvetier verlassen / und aus Mangel der Lebens-Mittel sich recht und Ostwerts gegen Bibracte wenden muste. Die Helvetier wendeten hiermit ihre Deichsel um / verfolgten die Römer / die Cäsar auf einem zu ersteigen schweren Berge in vortheilhafftige Schlacht-Ordnung gestellt hatte. Gleichwol brachte der junge Fürst Orgetorich der Römer und Heduer Reuterey in die Flucht. Die fünff Römischen Legionen aber thäten mehr verzweiffelte als hertzhaffte Gegenwehr; und konte Labienus mit Forwerffung eines Römischen Adlers Cäsarn mit genauer Noth aus den Händen der ihn umringenden Bojen erretten. Die Schlacht währete vom Morgen biß drey Stunden für Abend mit solcher Hartnäckigkeit: daß kein Theil dem andern einen Fuß breit Erde einräumete. Nach dem aber die Römer an einem allzuvortheilhafftigen Orte fochten / da die Reuterey ihnen nicht bey konte / durch der Helvetier höltzerne oder lederne Schilde hingegen die Römischen Wurff-Spiesse meist durchdrangen / und sich darinnen das Eisen krümmete: daß sie selbte nicht heraus ziehen / sondern die Schilde wegwerffen und unbedeckt fechten musten /liessen ihre Krieges-Obersten sie sich mit Fleiß gegen einem andern Berge zurücke ziehen. Wie nun die Römer ihnen aus eingebildeten Siege folgeten / fielen funffzehn tausend Bojen und Tulinger ihnen in die Seite; verwundeten den Labienus; und hielten beyde Heere biß in den sinckenden Abend derogestalt einander die Wage: daß kein Theil des Sieges; oder daß er seinen Feind ihm hätte den Rücken drehen sehen /sich rühmen dorffte. Um Mitternacht stürmeten beyde Theile einander das Läger; worüber aber zu grossem Nachtheile der Helvetier der sich allezeit unter die Feinde wagende Orgetorich mit einem Sohne und einer streitbaren Tochter Lisanue / welche den Tag vorher zehn Feinde erlegt hatte / gefangen ward. Weil nun Cäsar in Sorgen stand: daß die Helvetier früh auffs neue mit ihm anbinden würden / erkauffte er einen Gallier: daß er zu den Helvetiern überlieff / und als wenn er vom Fürsten Dumnorich geschickt wäre /sie warnigte: daß den andern Tag zwey frische Legionen Römer und zwantzig tausend Narbonische Gallier zum Cäsar stossen würden; der Fluß Ligeris auch allbereit gegen sie starck besetzt wäre. Dieses bewegte die Helvetier: daß sie ihren Zug in der Lingoner Gebiete gegen die Stadt Andomatum an dem Brunnen des Flusses Matrona einrichteten. Weil aber die Lingonen auf Divitiaks Beredung so / wie die Heduer /mit den Römern in Bündniß getreten waren / und sich für der Helvetier Unterdrückung besorgten / verhieben sie ihnen die Wälder / besetzten alle Wege; also: daß sie nunmehr in nicht geringe Hungers-Noth verfielen; iedoch weil Cäsar mit einem verzweiffelten Feinde noch einmahl zu schlagen Bedencken trug / auch die ihm verdächtigen Alemänner und Helvetier an einander zu hetzen vermeinte / mit ihnen einen Vergleich machte: daß sie über den Fluß Arar durch der Rauraker Landschafft wieder ihren alten Sitz einnehmen mochten / die Allobroger ihnen auch einen grossen Vorschub an Getreide verschaffen musten. Ein Theil derer / die an dem Flusse und bey der Stadt Urba gewohnt hatten / nahmen das Vogesische Gebürge ein /machten ihnen mit dem Schwerte einen Weg durch der Leutzer Land / und liessen sich am Rheine nieder; Die Heduer aber baten die wegen Enge ihres Landes ausgewichenen Bojen: daß sie sich zu ihren Landes-Leuten um Gergovia niederlassen / und wieder die bey den Sequanern eingenisteten Deutschen auff den Nothfall beystehen möchten.[991]

Die theils für den Deutschen / theils den Römern zitternden Aquitanischen und Lugdunensischen-Gallier sagten durch kostbare Gesandschafften Cäsarn nicht allein Danck: daß er sie für der Sündfluth der schwermenden Helvetier errettet hätte; sondern der durch Ehrgeitz gantz verbländete Divitiak lobte ihnen das Römische Joch so sehr ein: daß sie aus Haß gegen den König Ariovist ihm zu Fuße fielen; sich dem Römischen Schutze unterwarffen; und / weil sie besorgten: es würden die rauen Deutschen sie nach und nach aus dem fetten Gallien vertreiben; wieder sie Schutz baten; worunter denn etliche entwichene Sequaner Cäsarn durch allerhand weibisches Wehklagen zu Mitleiden bewegten.

Wiewol nun Cäsar den so mächtigen König Ariovist zu bekriegen weder Ursache / noch auch anfangs das Hertze hatte / ja auch seinem Ruhme verkleinerlich hielt den anzutasten / dessen Freundschafft der Römische Rath durch köstliche Geschäncke und Ehren-Titel gesucht; ja den Cäsar selbst als Bürgermeister für einen Freund und Bundsgenossen der Römer eingezeichnet hatte; über diß der Bürgermeister Bibulus ihm zuschrieb: daß er mit den Deutschen keinen unnützen Krieg anfangen solte; so vertilgte doch Cäsars Ehrsucht alle Bedencken / welche alle Schrancken der Mögligkeit übersprenget / und die Gesetze der Mäßigkeit in Koth tritt. Gleich wie aber die Laster ihre Heßligkeit selbst erkennen / und daher ihnen selbst stets die Larve der Tugend fürmachen; und niemand dem Unrechte so unverschämt beypflichtet: daß er selbtem nicht einen Mantel umgebe; also saan Cäsar Tag und Nacht auff einen Fürwand des Krieges. Solchen zu erlangen schickte er einen niedrigen und trotzigen Krieges-Bedienten zu diesem mächtigen Könige / und ließ ihn nicht so wol ersuchen / als befehlichen: daß er in das Sequanische Gebiete zu ihm kommen solte / und daselbst denen Beschwerden / die die Heduer und Sequaner wieder ihn hätten / abhelffen. Ariovist ließ den geringen Gesandten nicht für sich; sondern ließ Cäsarn melden: weil er sich nicht geringer als Cäsar schätzte / ließe es weder seine Königliche Hoheit / noch / weil er ohne ein mächtiges Heer zu reisen ihm anständig hielte / dieses aber ohne grosse Kosten nicht geschehen könte / die Liebe seiner Unterthanen nicht zu / einen so fernen Weg zu thun. Hätte Cäsar von ihm etwas zu begehren / verpflichtete ihn die Gewonheit der Völcker: daß er sich zu ihm bemühete; wiewol er nicht begreiffen könte: was sich Cäsar seiner Unterthanen der Sequaner / und seiner Lehns-Leute der fürlängst bezwungenen Heduer anzumassen hätte. Cäsar entbot Ariovisten alsbald hochmüthig zu: Es wäre eine Antwort dem gar unanständig / der sich um der Römer Freundschafft so embsig beworben / und von ihnen so viel Gutthat genossen hätte. Da er nun nicht als Feind wolte gehandelt werden / solte er über den Rhein keine Deutschen mehr in Gallien schicken / den Heduern / als Römischen Bundgenossen / die jährliche Schatzung nachlassen / ihnen ihre Geißel zurück senden; den Sequanern eben diß befehlen; denen Entwichenen / und insonderheit dem Divitiak ihre Güter einräumen; und: daß er weder ein noch andern Gallier mehr bekriegen wolte / Bürgen stellen. Ariovist lachte zu diesem unverschämten Zumuthen / und antwortete Cäsarn: Sieger pflegten wol Besiegten / nicht aber einer seines gleichen Gesetze fürzuschreiben. Rom hätte über ihn so wenig / als Ariovist über Rom zu gebieten; weniger ihr blosser Amptmann als Cäsar wäre. Dem Römischen Rath aber berichtete er Cäsars Zunöthigung /und daß er in Gallien geruffen worden; die Heduer durchs Kriegs-Recht erobert / aus blosser Gutwilligkeit gegen einer leidlichen Schatzung freygelassen hätte; also könte er nicht glauben:[992] daß Cäsar auff des Römischen Raths Befehl ihm sein Recht abzwingen /und ihre Freundschafft zertrennen solte. Wolten sie aber sich an ihn reiben; müste er mit seinen Deutschen / derer Handwerck ohne diß der Krieg wäre /und die schon vierzehn Jahr unter freyem Himmel geschlaffen / nur Gewalt mit Gewalt ablehnen. Der Römische Rath konte Cäsars Beginnen nicht billichen; ja / weil kurtz hierauff nach Rom verlautete: daß Cäsar in Ariovistens Gebiete feindlich eingefallen wäre; riethen Bibulus / Cato / Lucius Domitius / Cicero / Rabirius und Metellus: man solte den unruhigen Kopff Cäsarn / welcher ohne diß nicht mit Willen des Raths / sondern durch Unterschlieff / und das Vatinische Gesetze Galliens Verwaltung an sich gezogen hätte /wegen unrechtmäßigen Krieges Ariovisten zur Straffe lieffern. Seine Freunde / und das Absehen auf das in seinen Händen stehende Hefft der Kriegs-Macht milderte es so weit: daß Cäsarn allein dieser Krieg verboten ward. Aber Cäsar hatte schon der Sequaner zwar wegen des sie fast gar umströmenden Flusses Alduasdubis / und einer natürlichen Berg-Mauer feste / aber unbesetzte Stadt Vesontio überrumpelt; Daher schrieb er nach Rom: das Spiel wäre schon / wiewol anfangs durch Ariovisten / angefangen; welcher auffs neue zwantzig tausend Haruden aus Deutschland bey der Stadt Arborosa zu höchster Gefahr der Segusianer eingesetzt / und durch sie von den Heduern die alte Schatzung erprest hätte. So hätten ihm auch die Trevirer Kummer-hafft geklagt: daß Ariovistens Vettern Nasua und Cimber mit hundert tausend Catten bey ihnen einzubrechen am Rheine fertig stünden. Also würde bey längerer Nachsicht nicht nur das Narbonische Gallien / sondern Italien selbst abermahls dieser unbändigen Völcker Raub werden.

Inzwischen kam das Geschrey nach Vesontio: daß König Ariovist mit einem mächtigen Heere im Anzuge wäre; die Fürsten Nasua und Cimber aber mit einem nicht geringern den Römern auflauerten. Wie nun die Heduer und andern Gallier der Alemänner Grösse und Streitbarkeit / derer Angesichter sie nicht einst hätten vertragen können / heraus striechen; in dem wie der Mittag dem kalten Saturnus / der die Menschen tieffsinnig machte / also der kalte Nord dem feurigen Kriegs-Gotte unterworffen wäre / und durch die eusserliche Kälte die innerliche Hitze beysammen hielte; kam die Römer eine solche Furcht an: daß die Edlen aus allerhand Fürwand / und insonderheit / weil der Römische Rath den Krieg wieder die Deutschen nie beliebt / Ariovist nichts verbrochen hätte / und eines unrechten Krieges Ausschlag nichts als Verterben seyn könte / das Läger verliessen; die aus Noth oder Scham zurück bleibenden aber sich weibischer Thränen nicht enthalten konten / und ihren letzten Willen versiegelten; die vernünfftigsten ihre Zagheit mit der gefährlichen Reise / dicken Wäldern /und Abgang der Lebens-Mittel verkleideten; ja endlich die zitternden Kriegs-Knechte ihren Obern nicht mehr gehorsamten. Ob nun wol Cäsar durch allerhand Schein / und fürnehmlich: daß der Rath ihm über vier Legionen auff fünff Jahr lang die Verwaltung anvertrauet; also wieder wen er zu kriegen für Recht und rathsam hielte / heimgestellt / Ariovist zwar noch keine thätliche Feindschafft wieder Rom verübt; aber / wie aus seiner verweigerten Unterredung leicht zu schlüssen wäre / Gall und Gifft im Hertzen gekocht /und durch sein Mißtrauen seine Beleidigung erkennet / ja durch sein blosses Aussenbleiben einen Römischen Feldherrn zu sehr beschimpfft / und Rom beleidiget hätte / sein Beginnen zu rechtfertigen; seinem Heere aber dadurch ein Hertz einzureden versuchte: daß die von ihnen überwundenen Helvetier mehrmahls denen Alemännern obgesiegt hätten; die Gallier aber bey der Stadt Amagetrobia von dem lange eingeschlossenen und bey nahe zur Verzweifelung gebrachten Ariovist mehr durch Arglist als[993] Tapfferkeit geschlagen worden wären; seine Unterthanen ihm wegen seiner Grausamkeit gram / die Nachbarn wegen besagter Unterdrückung heimlich feind / die Deutschen im fechten grossen theils nackt / die Römer gewaffnet wären; jene im Grimm / diese mit Vernunfft ihren Feind antasteten / und ihre grosse Leiber zu Empfahung / der Römer geschickte Glieder aber zu Beybringung der Wunden geschickter wären; so hörten sie ihn doch mit tauben Ohren / und gefrornem Hertzen; also: daß er theils die / auff welche er ein so grosses Vertrauen setzte / zu großmüthiger Entschlüssung mehr entzündete / theils die als furchtsam ihnen nachgesetzten durch Scham zu Leistung ihrer Pflicht brächte /sich verlauten ließ: Er wolte mit der einigen zehenden Legion Ariovisten die Stirne bieten / und entweder den Sieg erwerben / oder das Leben einbißen. Alles dieses aber hätte nicht vermocht denen / die schon ein Hasen-Hertz im Busem hatten / Bezeugungen der Löwen einzureden; weñ nicht der Verräther seines Vaterlandes Divitiak mit zwölff tausend Bojen / Liseus mit so viel Heduern / Divico mit zwantzig tausend Helvetiern / welchen die Alemänner in ihrem Vaterlande keinen Sitz hatten einräumen wollen / Cavarin mit dreyßig tausend Leuzern / Lingonen und Semnonern Cäsarn zu Hülffe kommen wären; ja auch Divitiak ihn versichert hätte: daß er einen der fürnehmsten Kriegs-Obersten des Königs Ariovists durch die Liebe seiner Tochter derogestalt gefässelt hätte: daß er wieder sie kein Glied regen / ja ihnen vielmehr selbst den Sieg in die Hände spielen würde. So wäre auch Ariovistens eigener Bruder Adolf in die gefangene Tochter Orgetorichs Theudelinda so sehr verliebet: daß er sie zu einem bequemen Werckzeuge seines Sieges gebrauchen könte. Uber diß wären ihm in diesen Ländern / ja in den tieffsten Wildnüßen alle Fußsteige und Löcher so bekandt: daß ihnen leicht niemand unversehens über den Hals kommen könte. Mit dieser versammleten Macht rückte Cäsar /Divitiaks Wegweisung nach / Ariovisten entgegen; welcher den siebenden Tag bey Näherung beyder Heere Cäsarn wissen ließ: Er wäre nun dar / entweder durch Unterredung den Frieden zu unterhalten / oder durch den Degen den unrechtmäßigen Einfall abzulehnen. Cäsar / ob er wol keine Eintracht / sondern alleine den Krieg im Schilde führte / beliebte in der Mitte beyder Heere auf einem in einer Fläche liegenden Hügel eine Zusammenkunfft / Ariovist nahm um keinem dem andern an Treu und Tapfferkeit nachzusetzen / zu seiner Versicherung zehn aus so viel ihm gehorchenden Völckern erlesene Ritter / Cäsar aber so viel Römer / die er alle aus der zehenden Legion auslaaß und zu Pferde setzte / zu sich; er stellte aber aus Mißtrauen zwey hundert Schritte hinter einen Hügel selbige gantze Legion. Wie nun Cäsar bey der Zusammenkunfft sich zwar über der herrlichen Gestalt Ariovistens verwunderte; Gleichwol aber seinen vorigen Anmuthungen etwas abzunehmen ihm verkleinerlich hielt; hingegen König Ariovist sich auf seine Hoheit und Recht / und daß er die ihn daselbst zum ersten mit Kriege antastenden Gallier durchs Kriegs-Recht bezwungen / theils die ihn zum Schutzherrn freywillig erkiesenden sich ihm unterworffen hätten / gründete. Dahero er seine Unterthanen so wenig / als die Römer die nur unter ihren Schirm genommenen / ihm könte abspenstig machen lassen. Wären die Heduer der Römer Bundsgenossen gewest; hätten sie selbte von seiner Beleidigung abhalten sollen; und wäre ihm nicht unbekandt: daß selbiger Bund mehr in Worten als Wercken bestanden / beyde Völcker auch ihre Freundschafft vielmahl an Nagel gehenckt hätten. Es wäre genung: daß er der Römer den Heduern heimlich geleistete Hülffe für keinen Friedens-Bruch auffgenommen; also könte er ohne seine Verkleinerung mehr Unrecht nicht verschmertzen; und da Cäsar nicht[994] sein Gebiete räumte / ihm anders nicht als einem Feinde begegnen; mit dessen Blute er in Rom viel Freundschafften erwerben und besiegeln würde. Welche Stadt ohne diß mehr seine nicht bürgerliche Gewalt einzuziehen / als auf Erweiterung des Reiches vorzusinnen hätte / und wol verstünde: daß durch Vergrösserung ein Reich nicht allezeit mächtiger / sondern wie ein Schiff durch übermäßige Grösse unbeweglich würde; und was man nicht umarmen könte / schwer zu behalten wäre. Aber Cäsar hatte hierzu taube Ohren / und verfiel in die seltzamen Gedancken: daß weil Quintus Fabius lange für Ariovisten den Arverner und Rutener König Bituit geschlagen hätte; wäre den Römern für ihm ein Vorrecht über Gallien zugewachsen. Daher beyde mit grösserm Eyver von sammen schieden; und der Fürwand des Friedens sich in offenbaren Krieg erledigte. Gleichwol aber trauete Cäsar ihm nicht zu sonder Arglist mit Ariovisten anzubinden; sondern schickte auf Einrathen Divitiaks einen Fürsten des Narbonischen Galliens Cajus Valerius Procillus / dessen Vater Cajus Valerius Cabur wegen Verkauffung seines Vaterlandes vom Cajus Valerius Flaccus das Römische Bürger-Recht erworben hatte / und den Marcus Mettius / welchem an Ariovistens Hofe grosse Ehre wiederfahren / und der gleichsam für einen vom Hause gehalten worden war / an Ariovisten ab / zwar unter dem Vorwand einen Vertrag zu versuchen / in Wahrheit aber Siwalden durch Divitiaks Schreiben / darinnen er ihm für Verrathung seines Herren und Königes seine Tochter zur Eh und Belohnung versprach; des Königs eigenen Bruder Adolff aber / durch Anreitzung Theudelindens / Orgetorichs Tochter; welche um ihren Vater aus der Dienstbarkeit zu erretten / in des geilen Julius Willen hatte willigen müssen / zur Untreue zu verleiten. Denn nach dem die Laster wie Ketten an einander hängen; oder ein boßhaffter Mensch / der einmahl in Fall gerathen / sich selbst nicht mehr hemmen kan; so verlernete Theudelinde nach verlohrner Keuschheit auch alle andere Tugenden; schrieb also dem Fürsten Adolff: Er solte nunmehr die Betheurung seiner unverfälschten Liebe im Wercke bezeugen; und nach dem zeither Ariovist der einige Verhinderer ihrer Vergnügung gewest wäre / denen Römern den Sieg helffen zuspielen; als unter welcher Schatten sie ihrer süssen Liebe nicht ohne Glantz der Ehre würden genüßen können. Also ist die Geilheit eine rechte Zaubergerthe der Circe / welche die Menschen in grausamste Raub-Thiere verwandelt; und die Pforte zum Pfule aller andern Laster. Procillus und Mettius brachten den Heerführer Siwald durch seine blinde Liebe leicht in das Garn der Verrätherey; zu dem Fürsten Adolff aber lieff ein Helvetier über / und berichtete ihn: daß Cäsar mit der in Manns-Tracht dem Läger folgenden Lisanue in einem Zelt schlieffe / sich in einer Sänffte tragen ließe / und beyde wie Mann und Weib zusammen lebten. Uber diß hätte er von einem Phönicischen Kauffmann zu Maßilien für zwölff tausend Sestertier zwey Schnuren Perlen gekaufft / derer eine er der Servilia seiner heimlichen Buhlschafft nach Rom geschickt / die andere Theudelinden verehret. Wie nun Procillus auch dem Fürsten Adolff an Puls fühlete / und bald von Lisanuen / bald von der Gütigkeit Cäsars / von Glückseligkeit der Römischen Bundgenossen / viel zu sagen wuste / der schlaue Adolff aber die Hefftigkeit seiner Liebe / die Härte seines Bruders Ariovistens gegen ihm berührte /um den Procillus desto mehr auszuholen / überreichte er ihm ein Schreiben von Theudelinden; und nach dem dieser es ohne einige Veränderung des Gesichtes schier durchlesen hatte / brach er unvernünfftig heraus: Cäsar wäre entschlossen ihn zum Könige über die Alemänner zu machen; da er ihm zum Siege wieder Ariovisten verhelffen[995] würde. Hiermit konte sich Adolff länger nicht enthalten; sondern redete den Procillus mit ernsthaffter Gebehrdung an: Verräther! ist es nicht genung: daß du und dein Vater dein Vaterland verkaufft? giebstu noch einen Kupler des Hurenbalgs Theudelindens ab? Meinestu: daß Cäsars Kebs-Weib einem deutschen Fürsten zur Gemahlin wol tauge? und trauestu dir wol zu mich nicht nur zum Verräther Deutschlandes / sondern auch zum Bruder-Mörder zu machen? Adolff befahl auch alsbald den Procillus in Hafft zu nehmen / gieng zum Könige / erzehlte ihm des Procillus Anmuthen / und bestärckte es durch das Schreiben Theudelindens; in welchem sie Adolffen fürmahlete: daß sie ohne Ariovistens Untergang ihrer Liebe nicht genüssen; mit selbtem aber er zugleich den Alemannischen Reichs-Stab in die Hand bekommen könte. Ariovist ward hierüber so erbittert: daß er den Procillus und Mettius in Band und Eisen schlagen; ihre Bedienten aber in das Römische Läger sicher bringen ließ. Ob nun wol Cäsar durch einen andern Gesandten solches für eine Verletzung des Völcker-Rechts / welches die Gesandten für heilig und unversehrlich hielte / auffnahm / und mit Dreuen ihre Erledigung suchte; so antwortete doch Ariovist: das Recht seiner selbst eigenen Beschirmung wieder Verräther und Meuchel-Mörder wäre viel älter / als die Freyheit der Gesandten; darunter diese nicht wäre: daß sie ohne Gefahr den Untergang eines Fürsten suchen möchten; zu welchem sie sich unter dem Schein angezielter Friedenshandlung einspieleten. Auskundschaffer und Verräther hörten den Augenblick / als sie wieder das natürliche Recht etwas anfiengen / auf Gesandten zu seyn. Und da das Völker-Recht erlaubte wieder die Feinde eigene Rache auszuüben; lieffe wieder die Vernunfft: daß man einem wieder die viel ärgeren Verräther und Meuchelmörder die Gewalt Urthel und Recht zu hegen / benehmen wolte. Ariovist brach auch noch selbigen Tag auf; und schlug sein Läger zwey tausend Schritte unter einem Berge neben dem Flusse Alduadubis / wo er sich mit dem Allius vereinbart; zwey tausend Schritte hinter Cäsars zwey verschantzten Lägern; umb ihm die von denen Sequanern und Heduern zukommende Lebens-Mittel abzuschneiden. Aus welcher Ursache / und weil seine Wahrsagerinnen ihm wiederriethen: daß er für dem neuen Monden nach Art der Spartaner / welche nicht für dem Voll-Monden ihr Heer ins Feld führten / mit dem Feinde nicht schlagen wolte / er denn fünff Tage sein Heer innen hielt / nur aber täglich durch die tapfferen Ritter Baden / Artenberg und Fryburg mit sechs tausend außerlesenen Reutern / und so viel hinten auff die Pferde genommenen Fuß-Knechten / welche beym Anfall von Pferden sprungen / und zu Fuße ihren Feind antasteten; hierauff / wenn es nöthig schien /sich wieder auff die Pferde schwungen / oder auch sich mit einer Hand an den Meyn der Pferde anhielten / und selbten gleiche lieffen / den Römern und Galliern grossen Schaden zufügte / und daher den wegen verhinderter Zufuhre bekümmerten Cäsar nöthigte; daß er etliche Tage nach einander sein Heer / wiewol vergebens / in Schlacht-Ordnung stellte / auch eines seiner Läger zurücke fortrücken muste. Wie nun den siebenden Tag Cäsar gegen den Abend sein Heer wieder in die Läger führte / fiel Hertzog Adolff / die Grafen Habspurg / Kyburg / Ebersberg / Solms und Falckenstein mit dreyssig tausend Mann das kleinere Läger der Römer / in welcher zwey Legionen und zwantzig tausend Gallier unter dem Divitiak waren /so grimmig an: daß nach Erlegung beyder Römischen Obersten und Verwundung Divitiaks / wenn nicht der verrätherische Siwald mit Fleiß die zehende Legion mit sechs tausend Lingonen hätte durch / und in das bestürmte Läger kommen lassen / selbtes unzweiffelbar erobert[996] worden wäre. Wie aber Cäsar mit diesen mächtigen Entsatz selbst dahin kam / muste Fürst Adolff mit seinen durch langes Stürmen abgematteten Kriegs-Leuten sich nur zurücke ziehen / und das schon eroberte eine Thor mit grossem Unwillen verlassen. Cäsar / welcher wol sahe: daß nichts / als eine Schlacht die Römer aus so grosser Gefahr erretten könte; auch besorgte: daß aus Siwalds Versehen endlich die Verrätherey gemuthmast werden dörffte /führte den dritten Tag sein Kriegs-Heer in einer dreyfachen Schlacht-Ordnung biß unter das deutsche Läger; welches den von vorigen glücklichen Streichen allzuvermessenen König Ariovist / ungeachtet es Hertzog Adolff und andere Fürsten beweglich wiederriethen / und die Wahrsagerinnen ihnen hierüber die Haare ausraufften / also das Kriegs-Volck wegen angedeuteten Unglücks nicht wenig bestürtzt machten /bewegte: daß er sein Heer zur Schlacht aus dem Läger führte. In die Mitte stellte er die Marckmänner / und die von dem Fichtelberge biß an die Donau wohnenden Haruder unter dem Grafen Salm des Tongrischen Hertzog Kolengs Brudern / der Ariovistens Tochter Klotilde zur Eh hatte; welchem / als Kriegs-Obersten / die Grafen Habspurg / Eberstein / Sultz / Leuchtenberg und Nellenburg an der Hand stunden. In rechten Flügel kamen zu stehen / die zwischen dem Kocher /Necker und dem Meyn angesessenen Seduscer / und acht tausend Catten / unter den Grafen Löwenberg /Lupf / Sultzbach / Dagsberg und Zeringen; in lincken die über dem Rheine wohnenden Tribozer / Vangionen und Nemeter / unter den Grafen Pfyrt / Brigantz /Arberg / Eichheim / Dockenburg und Rangweil. Bey iedem Hauffen waren zehn tausend Alemänner. Den ersten führte Ariovist / und der Herudische Lehns-Fürst Gundomar; den andern Hertzog Adolff / und ein Cattischer Fürst Erpach / dessen Schwester Ariovist zur Eh hatte; den dritten Siwald und Dornberg / Ariovistens Oberster Stallmeister. Hinter das Kriegs-Heer machte er eine Wagenburg / in der alles Geräthe und Frauen-Zimmer / welches mit gefaltenen Händen das Kriegs-Volck ersuchte: Es möchte sie nicht in Römische Dienstbarkeit verfallen lassen / verwahret / auch zugleich die Gelegenheit auszureissen verschränckt ward. Daselbst standen noch zehn tausend Alemänner unter Ariovistens Schwester Sohne dem Fürsten Teck / welcher den Tecktosagen zu gebieten hatte / zum Hinterhalt. Auff der Römischen Seiten hatte hingegen Cäsar mit allem Fleiße sich gegen den lincken Flügel und den Verräther Siwald / den Labienus Divitiak und der Lingonen Hertzog dem Könige Ariovist /Hertzog Adolfen / den Cotta / Decimus Brutus / und der Leutzer Fürsten entgegen gestellet / dem Publius Craßus aber die Reuterey anvertraut. Die Schlacht fieng mit gröster Verbitterung beyder Theile an / und dauerte mit fast verzweiffelter Hartnäckigkeit drey Stunden lang / sonder ein oder des andern Theiles Vortheil. Denn ob wol die voran gestellten Gallier dort und dar in Unordnung gebracht wurden; so verhinderten doch die hinter ihnen stehenden Römer ihre Flucht / und traten mit grosser Hertzhafftigkeit in die Lücke. Hingegen / ob wol Siwald durch allerhand wiedrige Anordnungen die Seinigen irre machte; so ersetzte doch Dornbergs Tapfferkeit und kluge Anstalt seines Führers Gebrechen; oder vielmehr Boßheit. Hierauff aber brach Hertzog Adolf mit seinem rechten Flügel gegen den Cotta und Brutus so gewaltig ein: daß diese in gäntzliche Verwirrung geriethen. Denn ob wohl die Römer durch eine Krieges-List diesem Fürsten ein Bein unterzuschlagen vermeinten; Da sie nehmlich einen starcken Jüngling zu Pferde gesetzt / demselben des Fürsten Orgetorichs Helm mit einem gekrönten See-Hunde hatten[997] auffsetzen / in den Schild aber ein Venus-Bild mahlen lassen / welche mit einem Fusse auff einen sich empor windenden Drachen / mit dem andern auf eine Himmels-Kugel trat / um welches zu lesen war: Liebe ist stärcker als Neid und Ehrsucht; Da denn ieden Wortes erster Buchstabe mit Gold und grösser gemahlt war / daß der Lisanue Nahmen so viel leichter ins Gesichte fallen könte; so hatte doch bey ihm die Eyversucht gegen Cäsarn alle Funcken der Liebe vertilget; und opfferte sein grimmiges Schwerdt die vermeinte Lisanue seiner grimmigen Rache auff. Cotta ward vom Grafen Kalb / Brutus vom Lützelstein verwundet; der Ritter Werdenberg / Cilien und Leuningen eroberten drey Fahnen; ja der gantze Römische lincke Flügel ward biß an das grosse Läger getrieben. Ariovistus hatte in der Mitte schon auch durch den Grafen Hanau einen Römischen Adler gewonnen / und den von dem Ritter Sarwerden verwundeten Labienus so ins Gedrange bracht: daß seine Ordnung auf allen Seiten zu wancken anfieng. So bald Siwald dieses inne ward / befahl er: daß die Helffte seines lincken Flügels sich des Römischen kleinern Lägers bemächtigen / und also dem bereit flüchtigen Feinde die Entkommung über den Strom Alduasdubis abschneiden solte. Er gab selbst dem Pferde die Sporne / und enblöste den gantzen lincken Flügel aller Reuterey. Und nach dem er sein Volck ohne Wiederstand in das mit Fleiß unbesetzte Römische Läger zum Plündern gebracht / gieng er selbst mit etlich hundert Pferden zum Feinde über. Also ward der hertzhaffte Dornberg vom Cäsar umringet; uñ nachdem er nach empfangenen vielen Wunden nebst den Rittern Rheinfeld / Rappersweil / Verlingen / Beutelsbach / Susenberg / Nidow / Witgenstein / Sonnenberg / Veldentz und Isenburg todt blieb / der lincke deutsche Flügel zertrennet. Bey dieser Gelegenheit kriegte Publius Craßus Lufft: daß er mit fünff tausend Reutern dem Cotta und Brutus zu Hülffe kam / also den Römischen lincken Flügel nicht allein wieder zu Stande; sondern auch / weil der verrätherische Siwald unter dem Scheine ihm zubringender Hülffe den tapffern Fürsten Adolff mit einem Wurff-Spiesse tödtete / und Erpach vom Craßus zu Boden gerennt ward / die andern Kriegs-Obersten Dachau / Egensheim / Zeringen / Urach / Waldburg /Klingenberg / Burgdorf / Braunfels / Leuchtenberg und Wittelsbach nach hertzhaffter Gegenwehre auch umkamen / diesen gantzen Flügel in voller Verwirrung biß an die Wagenburg trieb. Alldieweil nun der Fürst Teck / die Grafen Andey / Thaley / Schyr /Moßbach / Rietenberg und Löwenstein mit ihren zum Hinterhalt gelassenẽ Alemännern dem deutschen lincken Flügel wieder Cäsarn zu Hülffe kommen waren /und also daselbst alles bloß stand / ergriffen Ariovistens zwey Gemahlinnen / nehmlich Hatta des Cattischen Hertzogs Arabar / und Ermildis König Vocions Tochter / wie auch Klotilde Salms Gemahlin / und Ariovistens seine zwey unvermählte Töchter Eunöe und Metha mit dreytausend andern edlen Frauen die in der Wagenburg zur Verwahrung gelassenen Waffen; fielen die dem flüchtigen rechten Flügel in den Eisen liegende Römer so verzweiffelt an: daß sie mit Hülffe derer herzu rennenden Ritter Randeck / Abensberg / Hitpoltstein / Schaumburg / Orlemund / und Honstein die Deutschen wieder zum Stande brachten /und daselbst das Treffen noch zwey Stunden währte. Endlich aber wurden beyde Gemahlinnen Ariovistens durchstochen / Metha von Pferden zertreten / Eunöe /welche für Müdigkeit den Degen nicht mehr halten konte / wie auch nach Verlust dreyer Pferde der Hertzog Teck / Graff Haßban / Görtz / Waltey / Simmern / Bogen / Kyrburg / Spanheim / Pfulendorff / und Heiligenberg gefangen; und also beyde Flügel zu weichen gezwungen /[998] iedoch Klotilde von ihrem sich fast verzweiffelt durchschlagenden Ehherrn gerettet. Ariovist behielt nur noch seinen erstẽ Stand / welcher mit eigener Hand zehn Gallier / und darunter Divitiaks Sohn /wie auch fünff Römer erlegt hatte. Weil aber er auf beyden Seiten bloß stand / und Craßus auf einer /Quintus Titurius Sabinus auf der andern Seiten mit der Reuterey einbrachen / hierunter auch die Grafen Wertheim / Zweybrück / Lengfeld / Ror / Büburg /Julbach / Pleßenburg / Sinßheim / Schildach / Wandelburg / Dilling / Seyn / Keßelberg / und Thierstein erlegt wurden / beginnte die Schlacht-Ordnung nun auch zu zerreissen. Gleichwol aber wolte Ariovist lieber sterben als fliehen. Worüber er mit seinen hundert Alemännischen auff seinen Leib bestellten Grafen /welche der Graf Fürstenberg / Hohenloh / Henneberg / und Zimbern führten / derogestalt ins Gedrange: daß er eine halbe Stunde lang von seinem Heere gantz abgesondert fechten muste / und vier Pferde verlohr / die ihm Nothhafft / Werdenberg / Wildenstein / und Justingen vier tapfere Ritter mit Verlust ihres Lebens darreichten; Endlich aber brachen die Ritter Wolckenstein / und Heydeck mit zwey tausend Pferden durch; und brachten / iedoch mit Verlust der Ritter Beilstein / Ranßbergs / Schwabecks / Achalms / Druchburgs /Mindelheims / Weißenhorns / Bitsches / und vieler tapfferer Helden beyderseits den König zu seinem weichenden Heere; welchem er ja endlich auff bewegliches Zureden der Seinen die Wagenburg öffnen ließ / und mit der itzt anbrechenden Nacht den Römern wiewol ohne offenbare Flucht / und mit stets gekehrtem Antlitze und beharrender Gegenwehr das Feld räumte / und sich an das Vogesische Gebürge gegen die Brunnen des Flusses Lugnon setzte; allwo er von seinem Heere funffzig tausend Mann / ungeachtet die Römer noch dreyßig darzu setzen / mißte; am meisten aber seine zwey Gemahlinnen / Töchter und Bruder beklagte / und seinen Weg durch der Rauracker Aecker zurück über den Rhein setzte. Wiewol ihm nun die Römische Reuterey biß an selbigen Fluß folgte; geschahe es doch mehr zur Ruhmräthigkeit / als daß sie Ariovisten in seinem Hertzen anzutasten entschlossen waren. Bey welchem Verfolg ein Marckmännischer Ritter mit hundert Pferden an einem Furthe tausend Römische Reuter drey Stunden lang aufhielt / und von Ariovisten deßhalben den Zunahmen Wolfarthshausen; der Ritter aber / der der Gallier fürnehmstes Kriegs-Zeichen noch davon brachte / den Zunahmen Rothfahn bekam. Die meisten gebliebenen Deutschen waren die / welche auf Siwalds Verleitung das Römische Läger plünderten / und unter der Last ihrer Beute das Leben oder die Freyheit verlohren; wiewol sie sich noch grossen theils zu hunderten in einen Kreiß zusammen stellten / mit ihren Schilden gleichsam eine Mauer um sich machten / und theils dem Feinde ihr Leben theuer verkaufften / theils auch sich zu den ihrigen durchschlugen; und also auff Seiten der Römer und Gallier nicht weniger Todten als auf der Deutschen Seite zu zehlen waren. Daher auch Cäsar / und weil er vernahm: daß die zwey Cattischen Fürsten Nasua und Cimber mit hundert tausend Catten über den Rhein setzten und denen Römern die Stirne bieten wolten / nicht alleine mitten im Sommer sein abgemattetes Heer bey den Sequanern zur Winter-Rast einlegte / er aber am Po zwey neue Legionen / und durch die in Gallien gewonnene Beute die Gemüther der Römischen Bürger warb; sondern auch /weil er vom Labienus vernahm: daß die Gallier des Römischen Jochs schon überdrüßig waren; und insonderheit die im Belgischen Gallien wohnenden Völcker gegen so mächtige und verdächtige Nachbarn starcke Kriegs-Rüstung anstellten / und er derogestalt mit zweyen mächtigen Feinden sich zu verwickeln nicht rathsam[999] hielt / Ariovisten einen Frieden antragen ließ.

Weil nun inzwischen der Cherusker Hertzog Aembrich mit der Catten Hertzoge Arabarn in Krieg gerathen war / also nicht nur Fürst Nasua und Cimber mit ihrem Heere zurück beruffen wurden; die Ubier denen Catten auch bereit ins Land gefallen waren; über diß Ariovist sahe: daß er in den einheimischen Krieg würde eingeflochten werden; hatte er wenig Bedencken den angebotenen Frieden mit Cäsarn auff die Bedingung zu schlüssen: daß er alleine des Rechtes auff die Sequaner und Heduer sich verzeihen; alles übrige / was er in Gallien biß an das Vogesische Gebürge gehabt / behalten / und die Gefangenen gegen einander ausgewechselt werden solten. Alles ward auch vollzogen; ausser: daß Cäsar / welcher alle Tage neue Buhlschafften suchte / und mit dem ersten Anblicke sich in die gefangene Eunde verliebt hatte / sie in Italien vertuschte; welche er hernach durch tausend Erfindungen zu seiner Liebe bewegte / endlich sie dem Mauritanischen Könige Bogud verheyrathete. Uber diß verneuerte Cäsar mit Hertzog Aembrichen sein Bündnüß / um den in Deutschland entglimmenden Bürger-Krieg so viel mehr zur Flamme zu bringen. Denen Heduern halff er wieder zu der alten Hoheit über die Gallier; hingegen drückte er die Sequaner / welche vorher jenen lange Zeit die Wage gehalten / und endlich durch der Deutschen Hülffe den Meister gespielet hatten. Ob auch wol Fürst Tasget die an der Ligeris gelegene Stadt Genab und die darum wohnenden Carnuter / Procillus die Caducker /Cingetorich die Trevirer / Comius die Atrebater / Ollovico die Nitiobriger / und mehr andere ihre Lands-Leute aus Ehrgeitz und Eigennutz zu der Römischen Dienstbarkeit verleiteten; so wurden doch allen andern Galliern die Rhemer für gezogen / den Heduern fast gleiche geschätzet; weil sie durch ihre drey Fürsten den Iccius / Antebrog / und Vertiscus bald nach Ariovistens Niederlage sich auf Treu und Glauben Cäsarn untergaben; also: daß fast alle andere Celtische und Aquitanische Gallier / die wegen alter Feindschafft mit den Heduern keine Gemeinschafft hatten / nunmehr sich des Schirms der Rhemer bedienten.

Inzwischen kam zu Cäsars mercklichem Vortheil in Deutschland die Krieg-Flamme wieder zu Schwunge. Denn ob wol Aembrich nach überwundenem Cattischen Hertzoge Arabar seine Feld-Hauptmannschafft über die Quaden befestigte; so waren doch seine allzugrossen Siege die Ursache ihm grösserer zuwachsenden Nöthen. Er verliebte sich bey so wol gelungenen Streichen in sein Glücke: daß er weder seinem Uberwinden / noch seiner Rache ein Ziel setzte; da doch das Glücke niemahls weniger / als bey Vermengung der Waffen die Farbe hält. Wie nun derogestalt Hertzog Aembrich / ungeachtet des Britannischen Königs Caßibellin / ja selbst des Hermundurischen Fürsten Brito beweglicher Vorschrifft / unerbittlich war Arabarn ein Theil seiner Länder wieder einzuräumen; ja er nicht allein auf der ihm Tag und Nacht in Ohren liegender Druyden unabsetzliches Anhalten ihnen alle vorhin gewiedmete Eichwälder bey den Catten und Vangionen einräumete / sondern auch eben diese dem Fürsten Brito / welcher doch zu seinen Siegen ein grosses beygetragen hatte / anspracht; die Barden und Eubagen aber allenthalben drückte und vertrieb; lud er deßwegen nicht allein des halben Deutschland Haß auf sich; sondern auch die / welche denen Druyden beypflichteten / und denen Catten keinen andern Fürsten ihres Geblütes fürsetzen sahen / fasten einen Argwohn: daß Aembrich über gantz Deutschland eine unverschränckte Gewalt zu erlangen im Schilde führte. Gleichwol aber hielt die Furcht für dem in Deutschland und Gallien so sieghafften Uberwinder alle Schwerdter in der Scheide;[1000] und ihre Ungedult muste sich allein mit heimlichen Seuffzern abkühlen. Die Druyden wurden hierbey übermüthig / und wüteten wieder die Barden und Eubagen mit Schwerdt und Feuer. Die Cheruskischen Befehlhaber entsetzten nicht nur die / welche Arabarn angehangen / ihrer Stamm-Güter; sondern sie zähleten auch die unter die Aufrührer / derer Vermögen sie in die Augen stach. Wiewol nun der Feld-Herr Aembrich von diesen Bedrängnüßen wenig wuste; so ward doch dem Fürsten alle Schuld nicht anders / als der verfinsterten Sonne Mißwachs und Kranckheiten zugeschrieben. Insonderheit fiel die Beschwer wieder Terbaln einen Marcomannischen Edelmann / welchem Hertzog Aembrich die gantze Kriegs-Macht mit der Gewalt Krieg zu führen / Frieden und Bündnüße zu schlüssen / mit denen Uberwundenen nach eigner Willkühr zu gebahren anvertrauet hatte. Denn dieser mäßigte sein Thun nicht nach den Schrancken eines Dieners; sondern um den ihm anvertrauten Kreiß eines Fürsten zu erfüllen drehte er alles oberste zu unterste. Hertzog Zeno fieng an: Er hielte es für den grösten Fehler eines Fürsten; wenn er einem Diener so Treu und Glauben-verdienet er gleich wäre / das Hefft seiner Herrschafft / und diß / was einen zum Fürsten macht /in die Hand gäbe. Denn / nach dem die oberste Gewalt so wenig unvermindert in zweyen Häuptern / als die Erleuchtung der Welt in zweyen Sonnen bestehen könte / machte ein solcher Fürst sich zum Leibeigenen seines Knechtes. Dieser aber züge die Gemüther der Unterthanen an sich / versteckte für dem Fürsten alle Reichs-Geschäffte; und brauchte sich desselbten nur als eines Schattens; welcher seinen Glantz mehr sichtbar machte. Unter dem Scheine süsser Ruh sperrete er ihn in den Kercker der Ziergärte ein; und kein Mensch dörffte sich erkühnen bey ihm Verhör zu suchen / kein anderer Diener ihn einiges Irrthums zu erinnern. Fremde Gesandten verehreten täglich die Thür-Schwelle eines so mächtigen Knechtes; und vergässen dabey dem Königlichen Stule die geringste Ehrerbietung zu erzeigen. Der Fürst verliebte sich selbst so unmäßig in diesen unächtigen Fürsten; wie ein geiler Ehmann in sein Kebs-Weib. Da doch dieser / ie grösser und stärcker er wird / seine Zuneigung vom Fürsten / wie der erstarrende Eppich die Aeste von dem Stamme / daran er sich bey seiner Schwäche gehalten / abzeucht / entweder aus Beysorge: daß sein annahender Fall ihn nicht zu Bodem reisse; oder aus Haß: weil er durch übermäßige Wolthaten sein Feind worden. Und daher ihn anfangs bey seinem Volcke vergället; hernach wohl gar den Degen gegen ihm gezücket. Diesemnach denn ein Fürst auch die blossen Eitelkeiten / welche ihm zugeeignet wären / mit seinem Diener nicht gemein machen solte. Denn der Fürsten Ehre würde nichts minder durch gleiche Ehrerbietung der Heuchler; als das grosse Auge der Welt durch aus lauter Dünsten bestehende Neben-Sonnen verstellet. Fürst Malovend gab dem Zeno alsofort Beyfall; und erzehlte ferner: Der Unwillen erwuchs hierüber nicht nur bey dem gedrückten Adel / sondern auch bey dem unbesonnenen Pöfel / welcher weder künftige Gefahr wahrni t / noch seine Gemüths-Regungen lange verbergen kan; also: daß solche alsofort in einen Auffstand ausschlugen. Wiewol nun dieser ohne ein taugliches Haupt erregte Schwarm zeitlich gedämpfft ward; so war doch denẽ Häuptern Deutschlands ihr Argwohn uñ Mißgunst gegen den Feldherrn Aembrich nicht zu benehmen; sonderlich: da des Königs Ariovist / des Hermundurischen und Longobardischen Hertzogs bewegliche Bitte für ihren vertriebenen Vetter Arabar so gar nichts[1001] fruchtete / sondern seine Länder und Würden der Ubier Hertzoge eingeräumet wurden. Die zwey übergangenen Cattischen Fürsten Nasua und Cimber zohen Hertzog Aembrichs Beginnen nicht für eine Bestraffung des Fürsten Arabar / sondern für eine gäntzliche Unterdruckung des Cattischen Hauses an / welches iederzeit mit dem Cheruskischen um das Alterthum und die Hoheit gestritten hätte. Und weil sie so viel trübe Wolcken sich gegen den Feldherrn Aembrich zusammen ziehen sahen / wurden sie schlüßig ihnen mit dem Degen Recht zu verhelffen / und das Cattische Hauß in den alten Glantz zu erheben. Sie hatten zeither dem Spiele in Deutschland mehr zugesehen / als sich eingemischt / und die unter ihren Fahnen stehenden Catten zu dem besti ten Einbruche in Gallien fertig gehalten. Nunmehr aber schlugen sie loß / und brachen in Hoffnung der Cherusker Macht zu zertheilen und so viel mehr Anhang zu bekommen / an zweyen Orten in des Hertzogen Aembrichs Gebiete ein. Caßibellin der Britannier Hertzog sammlete auch ein mächtiges Heer / um selbtes an der Emse dem Hertzoge Arabar seinem Eydame zu Dienste wieder die Cherusker auszusetzen. Es verliebte sich aber des Königs Sohn Segonach zu Hertzog Aembrichs grossem Glücke in seines Bruders / des Eburonischen Hertzogs / Cativulck Tochter; welcher denn / wie wenig Zuneigung er gleich zum Fürsten Segonach trug; ihn mit langweiligen Heyraths-Bedingungen auf- und also den Einfall in Deutschland zurück hielt; endlich aber / als Caßibellin die Wiedereinsetzung seines Eydams Arabars bey denen Catten mit einzuschlüssen verlangte / des Fürsten Heyraths-Unterhandlung auf einmahl abbrach. Weil nun derogestalt Nasua und Cimber auf beyden Seiten bloß standen / hingegen Hertzog Aembrich den Nasua / der Ubier Hertzog Cimbern mit grosser Krieges-Macht auff den Halß drungen; musten sie nach ziemlichem Verlust unverrichteter Sachẽ zurücke weichen. König Caßibellin in Britannien / und Friedlev /der Cimbern Hertzog / verbanden sich hierauf zwar wieder Aembrichen auffs neue; jener / weil er durch den Cattivulck sich und seinen Sohn geäffet zu seyn klagte; dieser / weil Gotar der Svioner König wieder die Hirren und Estier seine Kriegs-Macht übergeschifft hatte. Alleine der Feldherr verband ihm den Hertzog der Chautzen / welche des Caßibellins Anlendung mit tapfferer Gegenwehr verhinderten; und nach dem er theils durch Sturm / theils durch Unerfahrenheit der Schiffs-Leute / welche mit vielen Schiffen auf den Chauzischen Sandbäncken bey der Epp sitzen blieben / einen grossen Schaden gelitten / unverrichteter Sache zurück segeln muste. Der tapffere König Friedlev nahm zwar öffentlich nicht die Sache des Fürsten Arabars auf sich; weil die meisten Fürsten Deutschlands endlich seine Verstossung gebilliget hatten; sondern er beschwerte sich alleine: daß Aembrich Sarmatische Hülffs-Völcker in Deutschland geführet; und ungeachtet sich wieder ihn kein Feind sehen liesse; Arabar / Nasua und Cimber auch aus Deutschland vertrieben wären / er dennoch seiner befreundeten Fürsten der Varinen / Angeln / Cavionen /Chamaver und Angrivarier Länder mit schweren Besatzungen plagte; derer Treue gegen das Cheruskische Hauß keine solche Bürde / ihr Nothstand aber sein Mitleiden verdiente. Wie nun Aembrich als Feldherr ihm in Deutschland in dem / was er zu Versicherung des Reichs angezielt meinte / nichts vorschreiben lassen / also die Besatzungen nicht abführen wolte / kam es zu öffentlichem Kriege. Alleine das Verhängnüß /oder die abergläubische Ausdeutung zufälliger Dinge wahrsagte dem hertzhafften Friedlev einen traurigen Ausgang des Krieges; in dem er mit seinem Pferde des Nachts in einen tieffen Graben stürtzte; darinnen das Pferd um / er aber allererst nach zweyen Tagen wieder zu[1002] seinem Verstande und Sprache kam. Denn ob wol das leichtgläubige Volck zufällige und natürliche Begebenheiten ins gemein für nachdenckliche Zeichen annimmt; gleich als wenn Fürsten nicht allein über den Staub des gemeinen Volckes / sondern auch über Zufälle und Schwachheiten erhoben wären; so ist doch nicht gäntzlich zu verwerffen: daß die göttliche Fürsorge mehrmahls die Menschen durch ungemeine Begebenheiten für Schaden warnige / und zur Vorsicht aufmuntere. Der Ausgang machte dieses mahl die Auslegung wahr. Denn der sonst so kluge Friedlev hatte in diesem Kriege weder Stern noch Glücke. Die vernünfftigsten Rathschläge giengen den Krebsgang; und denen hurtigsten Entschlüssungen hieb die Natur oder ein Zufall einen Span ein. Gleichen Unstern hatten auch die zwey Cattischen Fürsten Nasua und Cimber; welche bey dieser Gelegenheit mit zweyen neuen Heeren in Deutschland einbrachen. Nasua ward von Terbaln einem Marckmännischen Edelmanne / dem Aembrich seiner Kriegs-Wissenschafft halber eines seiner Krieges-Heere anvertrauet hatte / als er über die Elbe zu den Marsingen und Osen dringen / und von dem Könige der Dacier Decebaln Hülffe an sich ziehen wolte / geschlagen. Wiewol er sich gleichwol wieder erholte / und biß zu denen Jazygen durchbrach / allwo der ihm nachfolgende Terbal durch Hunger und Kranckheiten sein gantzes Heer / Nasua aber sein Leben einbüste. Der kühne Fürst Cimber / nach dem er die Cherusker durch öfftere Einfälle abgemattet hatte / kam auch frühzeitig durch eine gifftige Seuche ins Grab. König Friedlev aber verfiel mit dem Feldherrn Aembrich unter dem Semannischen Walde in eine blutige Schlacht / in welcher die Cherusker zweymahl zum Weichen gedrungen wurden / gleichwol aber endlich durch die Tapfferkeit ihres Fürsten den Sieg erhielten. Diesem Verluste folgte eine neue Niederlage der bey den Lygiern eingesessenen Cimbern /welche Terbal so gar über die Peucinischen Gräntzen verfolgte; Der Cimbrische König aber ward von dreyen mächtigen Heeren des Aembrichs in die Gräntzen seines Gebietes zwischen den grossen und Codanischen Meere getrieben; allwo der Donner zu einem neuen Schrecken seiner drey und zwantzig Vorfahren auffgerichtete Gedächtnüß-Säulen auf den Bodem warff und zerschmetterte. Welcher Zufall nicht wenig zu einem Frieden zwischen den Cheruskern und Cimbern halff; durch welchen Aembrich sich nichts minder in der Welt in grosses Ansehen; als in Deutschland seine Macht auf festen Fuß setzte.

Der Rauch von dieser Krieges-Flamme verdüsterte die Augen der Deutschen derogestalt: daß sie nicht sahen / was mit denen Römern in Gallien ihnen für eine gefährliche Nachbarschafft zuhieng; und was über ihre Lands-Leute im Belgischen Gallien für ein Gewitter aufzoh. Denn die Belgen / welche meist alle aus Deutschland dahin kommen waren / und die alten Gallier vertrieben hatten / sahen wol: daß der herrschsüchtige Cäsar nach überwundenen Galliern auch sie antasten würde; zumahl er über vorige sechs / noch zwey Legionen in dem nunmehr willig dienenden Gallien werben / und aus denen überwundenen Galliern die hurtigsten Jünglinge zu Hülffs-Völckern ausmustern und unterstecken ließ. Boduognat der tapffern Nervier Hertzog am Flusse Sabis / welcher wie die Catten und nach dem Beyspiele der Locrenser / und dem Gesetze ihres Zalevcus in sein Gebiete keinen fremden Kauffmann / weniger Wein / Gewürtze / Balsam / oder einige zur Uppigkeit dienende Wahren kommen ließ / und der mit dem deutschen Uhrsprunge auch die Liebe der Feryheit behielt / war der erste /der nicht allein auf allen Fall sich in Kriegs-Verfassung stellte; sondern auch den Hertzog der Bellovaken / welche von ihren alten Bundsverwandten[1003] den Heduern sich in Römischen Schutz zu geben beredet werden wolten / und den Hertzog Galba der Svessoner / welche die Rhemer zu gleichmäßiger Dienstbarkeit zu verleiten vermeinten / wieder auf bessere Gedancken und zu einem gemeinen Bündnüße für die Freyheit brachte. Diese uñ kein ander Absehen verknüpfte alle einander vormals oft wiedrige zwischen der Maaß und dem Rheine wohnenden Deutschen / nemlich die Condruser / Eburoner / Cereser und Pämaner; wie auch die Mornier / Atrebaler / Ambianer / Menapier / Caleter / Velocasser und Veromanduer. Denn die güldne Freyheit ist nirgends / als in Deutschland zu Hause; bey andern Völckern reiset sie nur durch / oder wo sie nicht gar eine Fremdlingin ist / verkleidet sich die Dienstbarkeit nur in ihren Rock. Daher war auch niemand / der sich anderes Absehen oder Vortheil von Beschirmung dieses herrlichen Kleinodes abhalten ließ; weil sie wol wusten: daß selbtes nach einmahligem Verluste so wenig als die Jungfrauschafft wiederbringlich wäre. Diese zu ihrer Sicherheit angesehene Vereinigung verriethen die Senoner Cäsarn / und der Rhemer zwey Fürsten Iccius und Antebrog; machten ihm die Uberwindung der Deutschen / welche ohne diß diese Länder mit Unrecht besässen / gantz leichte; also: daß er die blosse Beysorge eines Uberfalls für eine erhebliche Ursache hielt die Belgen zu bekriegen. Divitiak gieng mit viertzig tausend Heduern und Galliern über die Seene / und verheerte mit Feuer und Schwerdt der Bellovaker Gebiete. Iccius und Antebrog fielen mit viertzig tausend Rhemern und Senonern den Svessonern ein; Cäsar aber folgte mit acht Legionen / und hundert tausend Galliern. Hiermit grieffen die Belgen zu denen abgenöthigten Waffen / und machten der Svessoner Hertzog Galba wegen seiner Gerechtigkeit und Klugheit zu ihrem Feldherrn. Weil nun der Bellovaken Hertzog mit seinem Kriegs-Volcke zu dem allgemeinen Heere gestossen war / hausete Divitiak nach Belieben; Galba aber begegnete denen zur Dienstbarkeit nicht nur gebohrnen / sondern auch nun zu ihrem Werckzeuge gebrauchten Galliern bey Minaticum derogestalt: daß Fürst Antebrog mit zwantzig tausend Mann auff dem Platze blieb / zehn tausend gefangen wurden / und Iccius mit Noth sich nach Bibrach flüchtete. In dieser ward er von den Belgen belägert /und nun fast zur Ubergabe gebracht; als inzwischen Cäsar von dem Flusse Axona mit seinem gantzen Heere ankam / die Brücke bey Murenna durch den Titurius Sabinus besetzte / den Belägerten aber tausend Numidische Reuter / zwey tausend Cretensische Bogenschützen / und so viel Balearische Schleuderer zuschickte / welche durch die Rhemischen Wegweiser um Mitternacht glücklich in Bibrach gebracht wurden; worvon Hertzog Galba ohne diß schon gegen Cäsars Läger abgezogen war / und nur zwölff tausend Svessoner zur Belägerung hinterlassen hatte; Nach erlangtem Entsatz zohen die Belägerer zwar ab; iedoch verwüsteten sie das Rhemische Gebiete um den Römern die Lebens-Mittel zu vermindern. Galba / Boduognat / und die andern Fürsten setzten sich hierauff für Cäsars Läger / welches er mit vielen Bollwercken / tieffen Gräben und Thürmen befestigte / und zu Lieferung einer Schlacht nicht zu bewegen war. Nach dem die Belgen auch über den allenthalben starck besetzten Fluß Axona sonder grossen Verlust nicht durchbrechen / noch Cäsarn die von denen Galliern auff allen Seiten zugeführten Lebens-Mittel abschneiden konten; über diß die Deutschen denen unter ihnen vermengten Galliern / von derer heimlichen Verständnüß allbereit nachdenckliche Muthmassungen sich ereigneten / nicht trauten / und die Bellovaken Divitiaks Einfall in ihr Land vernahmen; ward beschlossen sich zurück zu ziehen; und dem / welcher von Cäsarn am ersten würde angetastet werden / mit schleuniger[1004] Hülffe beyzuspringen. Cäsar wagte sich nicht aus Beysorge einer Kriegs-List die Belgen zu verfolgen; außer: daß Pedius und Cotta mit der Reuterey ein Theil des Trosses ereilte. Wie er aber des gäntzlichen Abzuges versichert war / und die einfältigen Trevirer sich nicht nur vom Iccius den Römern sich zu ergeben bereden liessen; sondern auch Cäsarn sechstausend wol ausgerüstete Reuter zu Hülfe schickten / rückte er über den Fluß Aesia / welchen des Galba mit Römischen Golde bestochener Kriegs-Oberster Sambom mit zehen tausend Mann zu beschirmen bestellt war /aber unter dem Fürwand eines erlangten Befehles schändlich verließ / in der Svessoner Land für die Stadt Novidun / in welcher des Galba zwey tapffere Söhne sich biß auf den letzten Bluts-Tropffen zu wehren entschlossen; ungeachtet die Belägerten mit Verwunderung anschauten / wie die Römer eine Menge beweglicher und die Stadt-Mauern weit überhöhender Thürme anschoben. Alleine die von Cäsarn und den Rhemern entweder bestochene oder verzagte Kriegs-Obersten brachten den furchtsamen Pöfel dahin: daß sie nicht nur dem Feinde die Thore öffneten / sondern auch des hertzhaften Galba zwey Söhne in Eisen schlugen / und sich mit ihnen in die Dienstbarkeit liefferten. Gleicher Meyneyd spielte auch die Haupt-Stadt der Bellovaker Bratuspantium Cäsarn in die Hände. Denn ob schon dieser Stadt Einwohner den Divitiak mit seinen Heduern aus dem Felde geschlagen / und ihn bey Rhotomagus über die Seene zu weichen gezwungen hatten / wuste doch der Verräther seines Vaterlandes Torgo die Einwohner durch seine Künste solcher Gestalt zu bethören: daß sie Cäsarn zwantzig tausend Schritte weit die Schlüssel der Stadt entgegen trugen / die Weiber und aufgeputzten Knaben ihren Feind mit Streuung Geblümes / und entgegen gestreckten Armen gleich als ihren Erlöser bewillko ten. Also setzet die Heucheley Räubern Kräntze von Lorbern / wie der Undanck ihren Wolthätern von Eiben Laube auf. Die Verrätherey aber weiß die Fessel der Dienstbarkeit so zu vergülden: daß die Bethörten sie ihnen selbst als köstliche Geschmeide mit Freuden an den Hals hängen. Auf diese Art ergaben sich auch die einfältigen Ambianen; welche in Gallien nichts minder die Liebe der Freyheit verlernet / als ihren deutschen Uhrsprung vergessen hatten. Die nichts minder scharffsichtigen / als tapfferen Bellovaken aber wolten weder des knechtischen Divitiaks Schmeichel-Worten trauen / noch dem Römischen Joche ihre Achseln unterwerffen. Daher fiel der gantze Schwall der Römischen und Gallischen Macht ihnen auf den Hals. Cäsar grieff sie an dem Flusse Phradis an. Weil sie nun ein viel zu schwacher Tamm waren den reissenden Strom der gantzen Römischen Macht aufzuhalten; hielten sie für besser das gewonnene Land als die Freyheit einzubüßen / und daher flüchteten sie sich übers Meer in Britannien /und zernichteten alles / was sie nicht mitnehmen kunten.

Wiewol nun so viel Untreue und Verrätherey die Belgen in höchste Verwirrung setzten; in dem fast niemand mehr einen treuen Lands-Mañ oder Todfeind zu unterscheiden wuste; ließ doch der tapffere Boduognat weder Hertze noch Hand sincken; dessen Vor-Eltern aus dem Fürstlichen Cattischen Geblüte auch die Nervier aus Deutschland an den Fluß Sabis gebracht /und wieder die Unterdrückung der Celten und Britannier mit Darsetzung ihres Blutes vertheidigt hatten. Dieser versetzte alle unwehrbare Weiber und Kinder zwischen die Sümpfe / stellte sich mit seinen Nerviern nebst etlichen tausend Atrebatern uñ Veromanduern an den Fluß Sabis in einen Wald; umzäunete die herum liegende Gegend mit dickẽ Hecken: daß keine Reuterey ihn leicht ausspüren konte. Wie nun Cäsar nicht weit darvon sich lagerte / und sein Heer in Befestigung des Lagers beschäfftiget war / fiel[1005] Hertzog Boduognat mit grosser Tapfferkeit und Geschwindigkeit an dreyen Orten seinen Feind an: daß Cäsar / ob er vor die Schlacht-Ordnung machen / oder den Haupt-Adler aufstecken / oder das Wort geben solte /nicht wuste / die Obersten ihre Federn / die Haupt-Leute ihre Helme nicht auffsetzen / die Fähnriche ihre Bären-Häute umzunehmen / die Kriegs-Knechte die Decken von Schilden abzunehmen nicht Zeit hatten; sondern ieder nicht seinem / sondern zu dem nechsten und besten Fahne zulauffen / und / wie es der Zufall traff / fechten muste. Die Atrebater / welche Graf Egmont führte / hatten zwar anfangs den härtsten Stand /und traffen auf die neundte und zehende Legion / als welche in Bereitschafft gestanden hatten / und von Cäsarn selbst angeführt wurden. Gleicher Gestalt machte Labienus mit der eilfften und achten Legion denen unter des Ritters Areschott Anführung streitenden Veromanduern nicht wenig zu schaffen; also: daß jene so gar über den Fluß / diese biß zwischen die Hecken zurück weichen musten. Alleine Fürst Boduognat traff wie ein Blitz auf Cäsars Vettern den Quintus Pedius / trieb ihn und die Römische Reuterey in die Flucht; machte sich alsofort auch an die zwölffte Legion / und der Ritter Croy an die siebende; wiewol der erste ein Theil der Nervier denen Atrebatern / der andere denen Veromanduern zu Hülffe schicken konte und beyde wieder zu rechtem Stande brachten. Ob nun wohl Cäsar der nunmehr vom Hertzoge Boduognat / der ihren Führer Sextius Baculus selbst durchstochen hatte / am meisten bedrängten zwölfften Legion selbst mit einem Kern der zehenden zu Hülffe kam / vom Pferde sprang / einem gemeinen Kriegs-Knechte den Schild vom Arme rieß / und sich gegen den /einem Löwen gleichfechtenden Boduognat hervor zückte; die Römer auch im Antlitze Cäsars so verzweiffelte Gegenwehr thaten: daß fast alle ihre Haupt-Leute todt blieben; so drang doch die Tapfferkeit der Nervier durch: daß der Ritter Brederode nach durchstochenem Fähnriche den Römischen Adler zu Boden rieß; und Cäsar selbst sich aus dem Staube machen /die zwölffte und siebende Legion auch mehr fliehen als weichen muste. Inzwischen hatte der Ritter Horn und Hochstraten die fast unzehlbaren Gallier in die Flucht bracht; und / nach dem die Hülffs-Völcker der Trevirer an statt des Gefechtes ohne Schwerdstreich sich nach Hause gewendet / stürmte und eroberte er das Läger / ungeachtet die darinnen gebliebenen zwey Legionen / wie auch die Cretensischen und Balearischen Schützen solches eusserst verfochten. Als nun diese sich durch zwey Pforten heraus drängten / wurden ihrer etliche tausend von denen grimmigen Uberwindern abgeschlachtet. Gegen die Atrebater und Veromanduer stand die Römische Schlacht-Ordnung zwar noch feste; iedoch konten sie es in die Länge gegen die erhitzten Deutschen nicht ausstehen. Denn wenn einer gleich fiel / trat ein ander bald in die Lücke: ja die Nervier trugen aus denen todten Leichen Berge zusammen / wormit sie von der Höhe mit ihren Waffen desto gewisser ihren Feind treffen konten. Wie nun die Römischen Kriegs-Häupter sahen: daß die meisten Gallier und die Reuterey entlauffen / vier Legionen grossen theils zernichtet waren / und es endlich um ihr gantzes Heer gethan seyn würde; flehten sie den Kayser an: er möchte dißmahl dem Glücke und denen verzweiffelten Deutschen aus dem Wege treten. Cäsarn schossen für Grimm hierüber die Thränen aus den Augen; und er wuste nicht vernünfftig zu entschlüssen: was er heilsamlich thun solte. Als er nun auf einer Höhe sich eine gute Weile nach einem sichern Orte seiner Zuflucht umgesehen hatte; ließ Labienus ihn wissen: daß Cotta hinterwerts einen Weg in der Nervier wol befestigtes aber schlecht besetztes Läger gefunden hätte. Worauff Cäsar ihm befahl sein eusserstes zu thun in selbtes einzubrechen.[1006] Er ließ alsofort auch die andern Adler gegen selbige Seite wenden; er aber bedeckte mit der zehenden Legion an einem engen Orte das übrige Heer so lange / biß Labienus Meister des feindlichen Lägers ward / die Uberbleibung der andern Legionen sich darein gezogen hatten / und er endlich nach empfangenen dreyen Wunden daselbst seine Sicherheit fand; also nach einem so blutigen Tage iedes Theil in dem feindlichen Läger ausruhete; keines aber selbige Nacht auf des andern Antastung / sondern nur auf die Beerdigung ihrer Todten / und Verbindung ihrer Wunden bedacht war. Denn auf beyden Theilen war kein hoher Kriegs-Oberster / ja auch selbst Fürst Boduognat nicht unbeschädigt; fünff Häupter der Römischen Legionen /Egmont / Areschot und Croy auf der Belgen Seite nebst vielen Kriegs-Obersten todt. Ob nun zwar auf der Römer und Gallier Seiten zweymahl so viel Volck / als auf der Belgen blieben war; so waren diese doch für sich selbst noch kaum halb so starck / als ihre Feinde; das eroberte Römische Läger nicht nach dem Vortheil der Deutschen Waffen befestigt; durch Verlust ihres Lägers ihnen der Vortheil des Flusses Sahis / und die Gelegenheit mehr Hülffs-Völcker an sich zu ziehen abgeschnitten. Uber diß brachten die Kundschaffter der Nervier noch selbige Nacht Gefangene ein / mit Schreiben vom Fürsten der Rhemer Vertiscus: daß er nicht allein mit zwantzig tausend Galliern / sondern auch Sergius Galba mit den in Illyricum gelegenen Legionen von sechstausend außerlesener Römischer Mannschafft im Anzuge wäre. Diese Zeitung bekümmerte den Hertzog Boduognat nicht wenig; insonderheit aber trug er Beysorge: daß selbte nicht unter seinem Heere ruchbar würde / und sie zu einer glimpflichen Flucht veranlassete. Gleichwol aber befahl er die im Römischen Lager eroberte beste Beute aufzupacken / und das gantze Heer auf folgenden Tag sich so wol zur Schlacht als zum Fortzuge fertig zu machen. Inzwischen kriegte Cäsar ebenfalls Kundschafft: daß dreyßig tausend streitbare Aduatiker /welche ein Theil von denen in Italien einbrechenden Cimbern waren / denen Nerviern zu Hülffe kämen. Welche Zeitung Cäsarn derogestalt schreckte: daß er dem schon zu nächtlicher Zurückweichung entschlossenem Boduognat einen Friedens-Vergleich anbieten ließ; der auch / weil iedem Feinde zwar seine / nicht aber seines Feindes Wunden bekandt waren / nach kurtzer Unterredung dahin geschlossen ward: daß die Nervier / Atrebater / und Veromanduer in ihrer Freyheit ohne einige Schatzung bleiben / hingegen sie Cäsars andern Feinden keine Hülffe leisten solten. Wiewol nun diese Völcker für sich nach gegenwärtigem Zustande einen vorträglichen Frieden erlangt zu haben schienen; so war selbter doch der gemeinen Wolfarth der Belgen überaus schädlich; und hatten die Nervier hiervon keinen andern Vortheil / als daß die Reye der Dienstbarkeit an sie zum letzten kommen würde. Sintemahl die Römer nicht so wol ihre Tugend / als der Mißverstand derer nicht zusammen haltender Völcker zu Meistern des Erdbodens gemacht hat. Denn wenn auch die tapffersten eintzelich kämpffen / werden alle nach und nach überwunden; und die beysammen stehenden Zwerge werden auch der einzelen Riesen mächtig. Welchen Fehler die Deutschen von dem untergedrückten Grichenlande längst hätten lernen sollen; dessen sämtliche Städte dardurch ihre Herrschafft eingebüst; weil eine iede herrschen wolte; indem sie nicht alleine selbst einander ein Bein unterzuschlagen und zu Kopffe zu wachsen bemüht waren; sondern auch lachende zusahen und die Hände in die Schoß legten; als die Macedonier und Römer bald dieser bald einer andern die Dienstbarkeit aufhalseten; biß sie endlich alle es ehe am Halse fühleten als sahen. Dieses Unglücke traff zum ersten die streitbaren Aduaticher; wieder[1007] welche die ansehnlich verstärckte gantze Macht der Römer anzoh. Die Nervier dorfften ihnen nicht helffen; die angräntzenden Nachtbarn aber wolten nicht. Denn theils waren ihnen nicht grün /weil sie sich mit Gewalt zwischen sie eingedrungen hatten; theils wolten sich in ihr Unglücke nicht einwickeln / welches leichter zum Erbarmen als zum Abhelffen bewegt. Weil es nun denen Aduatichern unmöglich schien der Römischen Macht im Felde zu begegnen / zohen sie alle streitbare Mannschafft in ihre auf der Höhe und fast um und um in Sümpffen liegende Haupt-Stadt Aduatuca zusammen. Denn wie es nicht klüglich gehandelt war alle Kräfften in eine Mauer einsperren / und dem Feinde das gantze Land zum Raube übergeben; also fand die Verrätherey auch mehr denn zu geschwinde einen Schlüssel zu dieser Festung; aus welcher von Anfang durch stete Ausfälle den Römern und Galliern empfindlicher Abbruch gethan ward. Vermund / der Aduaticher Hertzog / hatte zwey Söhne Huglet und Uffo verlassen; von denen der erstere die Herrschafft bekam; der andere aber des Piso / eines Fürsten im Aquitanischen Gallien Tochter / geheyrathet; und mit selbter der Druyden Gottesdienst angenommen hatte. Durch dieses Ehrsüchtige Weib brachte Divitiak den Fürsten Uffo unter der Versicherung: es würde Cäsar ihn seinem ältern Bruder fürziehen / und zum Lands-Fürsten machen /dahin; daß / als der Feind auf funffzehn tausend Schritte weit in einen mit vielen Bollwercken befestigten Wall die Stadt einschloß / und ungeheure Sturm-Thürme an die zweyfache Mauer anschob /Uffo diese Rüstungen / als Wercke der Götter / dem albern Pöfel fürstellte; und / ungeachtet Fürst Huglet nebst dem Adel das Volck zu standhaffter Gegenwehr ermahneten / selbtes beredete; daß sie ohne einige Bedingung die Waffen zum Zeichen ihrer Ergebung über die Mauer warffen; und / wie sehr gleich die Verständigern über dieser zaghafften Untreu fluchten / den Römern ein Thor einräumten. Eine solche Krafft hat die abergläubische Einbildung: daß sie den tapffersten Leuten nicht nur des Hertzen / sondern auch der Vernunfft beraubet. Wie nun hierauf Fürst Huglet bey Cäsarn vergebene Ansuchung thät / daß sie aus freywillig Ergebenen nicht zu Knechten gemacht / insonderheit aber ihnen wegen ihrer untreuen Nachbarschafft nicht die Schutzwehren ihres Lebens und Vermögens abgenommen werden möchten; brachte die Ungedult ihn und den zu den Waffen gebohrnen Adel / der mit derselben Benehmung sich auch seiner Männligkeit beraubt zu seyn schätzte / in solche Verzweiffelung: daß sie des Nachts mit einem Theile den Uffo überfielen / und mit seinem gantzen Hause zu gerechter Rache der Verrätherey erwürgten / mit dem andern die Römische Besatzung von dem eingeräumten Thore wegschlugen / und hierauf mit hellem Hauffen und verzweiffelter Grausamkeit das Römische Läger anfielen. Hertzog Huglet / weil er nichts hoffen konte / wolte doch auch an nichts verzweiffeln; und die eusserste Noth zwang dem ohne diß allem Ansehen nach verlohrnen Adel die eusserste Tapfferkeit ab; ja die / welche bey zweiffelhafftem Ausschlage ihre Waffen aus Furcht weggeworffen hatten / faßten aus der verzweiffelten Erkühnung ein Hertze; weil sie doch ihre Schuld schon mit in die Straffe verwickelt hätte. Weil nun die Finsternüß alle Ordnung / der unvermuthete Uberfall alle kluge Anstalt verhinderte; war dieses Treffen mehr einer viehischen Abschlachtung / als einer Schlacht ähnlich. Jeder erwürgte den /der ihm begegnete; weil weder der Grimm noch das Geräusche der Waffen erlaubte selbten als einen Feind oder Freund zu rechtfertigen. Diese blinde Raserey währte biß der Tag anbrach; da die Römer /welche so wol von ihren eigenen / als den feindlichen Schwertern unglaublichen Schaden erlitten hatten /[1008] die übrigen Aduatiker leicht übermanneten und zurück in die Stadt trieben. Nach dem nun Hertzog Huglet nebst dem Ritter Wachtendanck und Kulenburg zu der Römer höchsten Verwunderung kaum drey Schritte von Cäsars eigenem Zelte zwischen erlegten Feinden tod gefunden wurden / und die in der Stadt ohne ein Oberhaupt in zwistige Meynungen verfielen /die verbitterten Römer aber auf allen Seiten zu Sturme lieffen / erbrachen sie endlich den dritten Tag ein Thor / und hieben alle gewaffnete zu Bodem. Die unbewehrten aber wurden alle mit Weib und Kindern bey aufgesteckter Lantze dem / der das höchste Gebot thät / verkaufft.

Ob nun wol diese Niederlage in Gallien ein solches Schrecken verursachte: daß die an der eussersten West-Spitze am Britañischen Meere gelegenen Gallier dem Publius Craßus Geißel einliefferten / zohen doch die Moriner / Menapier und Bataver eine solche Kriegs-Macht an der Schelde zusammen Cäsarn den Kopff zu bieten: daß er sich an selbte zu reiben Bedencken trug; sondern sein Heer in Gallien hin und wieder vertheilte.

Als Cäsar derogestalt in Gallien den Meister spielte / verkehrte sich das Spiel in Deutschland gantz und gar. Der Feldherr Aembrich meinte nun nicht alle in alle seine Feinde gedämpft zu haben; also: daß wieder ihn niemand den Kopff empor zu heben sich unterwünden / oder mächtig genung seyn würde; sonderlich: weil er mit den mächtigen Römern ein festes Bündnüß gemacht / ja so gar seinen sechzehnjährigen Sohn Segimer mit tausend Edelleuten ihnen im Kriege zu dienen / oder vielmehr ihre Kriegs-Wissenschafft zu erlernen zugeschickt hatte. Weil es nun schwerer ist / der Glückseligkeit mäßig zu gebrauchen / als selbter gar entbehren können / entschloß er sich nunmehr die Druyden in alle vorhin besessene Eichwälder einzusetzen / und durch gewaffnete Hand solches in gantz Deutschland zu vollstrecken. Allein wie nichtig und eitel ist die Rechnung / in der man die Ziffern der Göttlichen Versehung aussen läst! Weil nun die Barden und Eubagen diß für den Anfang ihrer angezielten gäntzlichen Ausrottung anzohen; des Gottesdiensts Ancker aber niemahls gerühret werden kan: daß sie nicht das Schiff einer gantzen Herrschafft erschüttere; machte gantz Deutschland hierzu grosse Augen. In sonderheit beschwerte sich der um die Cherusker so wol verdiente Hermundurer Hertzog Bricon: daß der Feldherr Aembrich ihm hierdurch ans Hertz grieffe. Wie er aber diesen Schluß einmahl nicht abbitten konte; sondern Aembrich mit einem mächtigen Heere über die Saale / und Terbal mit einem andern bey denen Varinen und Eudosen einbrach; Grieff Briton uñ Siegbrand / der Longobarden Fürst / nicht allein zu den Waffen / sondern Gotart der Svioner König wolte diese Gelegenheit nicht versäumen sich an Hertzog Aembrichen zu rächen; weil dieser den Estiern wieder ihn ansehliche Hülffe geschickt / Terbal seine Gesandten von der Friedens-Handlung mit dem Könige Friedlev abgewiesen / ja seine Bluts-Freunde der Variner und Eudoser nichts minder / als Arabarn aus Deutschland vertrieben hatte. Er kam also mit einem ansehnlichen Heere bey denen Swardonen an / schlug die Cherusker aus dem der Hertha gewiedmeten Eylande / und dem gantzen Gebiete der Variner / Eudoser und Cavionen. Sintemahl sie durch Gotarts erstern hertzhafften Anfall / oder vielmehr durch eine ihnen von Gott eingejagte Furcht derogestalt erschreckt wurden: daß ihrer Kleinmuth keine Festung sicher zu hoffen schien. Weil nun auch König Gotart sein Kriegsvolck ohne einige Beschwerde der Einwohner unterhielt; welche die Cherusker vorher schier biß auffs Marck ausgemergelt hatten / gewann er die Gewogenheit des Volckes / und damit so viel Werckzeuge seiner Siege / als Menschen. Die Fürsten[1009] der Nuithoner und Sidiner sperrten ihm Thür und Thor auff. Wo auch gleich Terbal und andere Kriegs-Häupter des Feldherrn einigen Wiederstand thäten / gieng alles durch Sturm über; und das Verhängnüß selbst bähnete durch allerhand seltzame Zufälle Gotarn und seinem Heere unwegbare Klippen und Flüsse. Wiewol nun der Feldherr Aembrich in der Hermundurer Gebiete fast nach eigenem Wunsche gebahrte / die Hertzoge der Tencterer / Sicambrer / und Usipeter /welche den Druyden gleichfalls beypflichteten / den Cheruskern zu Hülffe kamen / und die schöne Stadt Calegia einäscherten; so zohen doch König Ariovist mit seinen Alemännern / die Hertzoge der Bruckerer und Longobarden nunmehr auch die Larve vom Gesichte / und machten mit dem Könige Gotarn ein Bündniß wieder den Feldherrn Aembrich; und die Catten streifften das ihnen vorhin angelegte Seil zugleich von den Hörnern / und rufften den vertriebenen Fürsten Arabar wieder ein. Beyde versamlete mächtigen Heere rückten unterhalb dem Gabretischen Gebürge gegen einander. Und ob wol die grosse Verbitterung in Bürgerlichen Kriegen die Menschen fast in reissende Wölffe verwandelt / so wolte doch der kluge Feldherr Aembrich / welcher noch von dem Hertzoge der Marckmänner und Lygier mehr Volck erwartete /sein Glücke nicht auf die Spitze einer Schlacht setzen. Hingegen setzte der Feind sich nicht weit von dem Läger in volle Schlacht-Ordnung. König Gothart führte den rechten / Ariovist und Hertzog Briton den lincken Flügel / der Longobarden und Variner Fürsten waren über die Reuterey / und der Bructerer zum Hinterhalte bestellt. Der Usipeter Hertzog nahm vier tausend Reuter um des Feindes Stärcke und Anstalt zu erforschen / verfiel aber auf den Variner Hertzog / und ward alsobald derogestalt umzüngelt: daß er dem Feldherren wissen ließ: Er traute ohne viertausend neue Reuter sich nicht durch den Feind zurücke zu schlagen. Wiewol nun der Feldherr mit Unwillen diese wiederrathene Vergehung vernahm; wolte er doch den Kern seiner Reuterey nicht im Stiche lassen; schickte also ihm Litoperten / den Fürsten der Fosen /mit noch viertausend außerlesenen Reutern zu Hülffe. Diesen aber gieng der Longobarben Hertzog nicht allein in Rücken / sondern durchstach den Litpert / und ward allen acht tausend Mann alle Mögligkeit sich zurücke zu ziehen abgeschnitten; der Feldherr aber gezwungen nunmehr sein gantzes Heer zur Schlacht aufzuführen; welcher Zwang einem schon den Sieg selbst halb abspricht. Er selbst traff mit seinen Cheruskern und Quaden auff den König Ariovist und den Hertzog Briton / brachte sie auch durch seine kluge Tapfferkeit zum weichen; Hingegen schlug König Gotart den Hertzog der Ubier mit seinem lincken Flügel; und weil von Anfang alsbald die Cheruskische Reuterey grossen Verlust erlitten hatte / ward der Tencterer Fürst mit der übrigen Reuterey auch in die Flucht bracht. Inzwischen kamen die Bructerer Ariovisten zu Hülffe wieder den streitbaren Aembrich; welcher wie ein Blitz allenthalben durchdrang. Nach dem aber die feindliche Reuterey auff beyden Seiten ihn anfiel / und er selbst so gefährliche drey Wunden bekam: daß er sich kaum mehr zu Pferde erhalten konte / muste er nur das Feld / und seinem Feinde einen herrlichen Sieg enträumen. Sintemahl allhier der Kern des Cheruskischen und Quadischen Adels / die Fürsten der Fosen und Usipeter mit zwantzig tausend Mann todt blieben / zehn tausend mit allem Kriegs-Geräthe gefangen wurden. Dieser Sieg war ein Werckzeug vieler andern. Denn weil die Barden und Eubagen König Gotarten für den Schutz-Gott ihrer Freyheit hielten / thäten sie ihm allen Vorschub selbte zu befestigen. Alle Kriegs-Macht der Cherusker ward vom Hertzog Briton aus dem Gebiete der Hermundurer[1010] vertrieben. Und weil die Bojen des Feldherrn Seite gehalten / brach er bey ihnen ein / und eroberte ein ansehnliches Theil mit der Haupt-Stadt Boviasinum. König Gotart gieng als ein Blitz durch gantz Deutschland / und zermalmete alles was ihm den Kopff bot. Der Catten Hertzog Arabar hob nun auch sein Haupt wieder empor; und fiel in der Usipeter und Tencterer Hertzogthüme; erlegte an dem Sieg-Strome den Fürsten Lilith / eroberte alle festen Plätze / und nöthigte diese zwey ansehnliche Völcker: daß sie für dem Grimme der rauen Catten sich über den Rhein zu flüchten schlüßig wurden. Zumahl ihnen von denen bedrängten Galliern Land und Unterhalt angeboten ward. Weil aber die Menapier mit den Catten in Bündnüß stunden / sich also von denen überkommenden Usipeten und Tencterern nichts gutes versahen; besetzten sie den Strom so starck: daß jene sich zwischen Thür und Angel sehende bey entfallender Macht durch List sich zu retten vorsiñen musten. Daher zohen sie drey Tage-Reisen weit zurücke; gleich als wenn sie bey verzweiffelter Uberkunfft bey denen Chaßuariern einbrechen wolten. So bald sie aber vernahmen: daß die Menapier ihre Besatzung vom Rheine weg geführt hatten / kamen sie mit unglaublicher Geschwindigkeit in einer einigen Nacht an solchen Fluß. Und weil im Unglücke die Noth kräfftiger / als menschliche Klugheit ist / kamen sie ehe über den Strom und den Menapiern auf den Hals / als sie von ihrer Rückkehr einige Nachricht erlangten; also: daß sie ihrer Wohnungen entsetzt / und ferner in Gallien ihren Auffenthalt zu suchen gezwungen wurden. Hingegen rückte Arabar zu den Ubiern; welche zwar bey voriger Zeit der Catten Zinßgeber gewest / von dem Feldherrn Aembrich aber nicht alleine hiervon befreyet / sondern auch über die Catten weit erhoben worden waren. Die Catten rügten mit Hülffe der Alemänner allhier ihr altes Recht / und behaupteten es mit der nachdrücklichsten Beredsamkeit / nemlich dem Degen. Weil der Feldherr Aembrich wieder den König Gatarten alle Hände voll zu Beschützung seiner Cherusker und Quaden zu thun / den Ubiern aber zu helffen weder Zeit noch Kräffte hatte; nahmen sie mehr rachgierig / als vorsichtig zu einem viel gefährlichern Feinde / nemlich den Römern Zuflucht / und baten Schutz wieder die Bedrängung der unerbittlichen Catten. Weil denn diese mit den Römern alles Gewerbe verboten / also ihren Haß wieder sie genungsam an Tag gegeben / die Ubier hingegen mit den Römischen Kauff-Leuten schon lange Zeit Gewerbe getrieben hatten / Cäsarn auch zu Ubersetzung des Römischen Heeres genungsame Schiffe anboten; hemmete nicht Cäsars Gemüths-Mäßigung / sondern nur allerhand wichtige Bedencken die augenblickliche Ausübung ihres Begehrens. Denn er überlegte: daß das Spiel in Gallien noch nicht ausgemacht / der Gallier Gemüther zur Wanckelmuth / wie ihre Lufft zum Winde geneigt; Die Deutschen aber das streitbarste Volck wären / mit welchem die Römer noch gekriegt hätten. Er besorgte zugleich: daß seine Einmischung in die deutschen Händel zwischen ihnen nur die Ein tracht befördern / und den Römern zweyerley Kriege über den Hals ziehen würde. Seine Herrschsucht hingegen hielt ihm ein: was für unsterblichen Ruhm es ihm bringen würde; wenn er / als der erste Römer /seine Siegs-Fahnen über den Rhein schwingen könte. Weil er aber ohne der Deutschen Beystand solches für unmöglich hielt / wäre nicht rathsam mit der Ubier Anerbieten eine so herrliche Gelegenheit aus den Händen zu lassen. Gallien würde ohne diß von den Deutschen nicht unbeunriget bleiben / als biß ihnen die Flügel verschnitten wären. Sintemahl die von den Usipetern und Tencterern vom Rheine vertriebene Menapier gleichsam in seinen Augen sich auff beyden[1011] Seiten der Maaß / wo vorhin nur ein geringer Theil ihrer Landes-Leute unter der Moriner und Bataver Schutz lebten / nunmehr festen Fuß gesetzt hätten; die des Römischen Jochs schon überdrüßige Trevirer aber mit denen Usipetern und Tencterern verdächtige Handlungen pflegten; ja nunmehr der Cheruskischen Freundschafft mit entfallendem Glücke vergässen /und in der Eburoner und Condruser Gebiete / derer Hertzog Cattivolck / des Aembrichs Bruder / mit Cäsarn sich verglichen hatte / täglich streifften. Hierzu kam: daß Cäsar fast schleuniger / als er ihm träumen lassen konte / die Veneter und die Armorischen Städte im eussersten Gallien am Britannischen Meere überwand. Daher entschloß er dem ihn gleichsam mit der Hand leitenden Glücke zu folgen / mit sechs Legionen wieder die Usipeter und Tencterer auffzuziehen / und sie wieder über den Rhein zu treiben. Er war nur noch zwey Tage-Reisen weit von ihren Gräntzen entfernet; als bey ihm eine Bothschafft ankam / und fürtrug: Die Deutschen wären zwar nicht gewohnt bey dem / der sich an sie nöthigte / um Friede zu bitten / am wenigsten aber die Usipeter und Tencterer / welche an Tapfferkeit keinem Volcke / ausser denen Catten / was bevor gäben. Jedoch kämen sie alleine Cäsarn zu erinnern: daß sie ihn mit nichts beleidiget / ihre Freundschafft auch den Römern mehr als der Krieg vorträglich seyn könte. Denn es wäre kein festeres Vorgebürge / als der benachbarten Fürsten Freundschafft; welche / wenn sie einmahl zerbrochen / so wenig als das Glaß zu ergäntzen wäre / sondern allezeit Ritze des Argwohns / und Narben des Verdachts behielte. Diese wolten sie sorgfältig unterhalten / wenn er sie das Land ruhig bewohnen ließe / welches sie aus Noth als Vertriebene ein- und denen ihm wenig holden Menapiern abgenommen hätten. Cäsar aber gab ihnen zur Antwort: Es hätte der / welcher seine Schwäche schon anderwerts sehen lassen / wenig Ursache gegen andere groß zu sprechen. Zwischen den Römern und ihnen wäre vergebens von Freundschafft zu reden / so lange sie in dem durch die Waffen eroberten Gallien / darauff die Römer schon für längst ein beständiges Recht erworben hätten / einen Fuß breit Erde zu behaupten vermeinten. Jedoch wolte er sie bey denen Ubiern /welche ohne diß Hülffe wieder die Catten / ihre gemeine Feinde / brauchten / und seinen Beystand gegen Einliefferung gewisser Geißel suchten / verbitten: daß sie sie in ihre Gemeinschafft aufnähmen / auch ihnen auskommentliche Aecker an dem Taunischen Gebürge zwischen dem Mayn / und dem Siege-Flusse einräumten. Die Gesandten erboten sich diesen Vorschlag /und die Cäsarn von fremdem Gute zu schencken nicht schwer ankommende Freygebigkeit denen Usipetern und Teneterern fürzutragen; ersuchten ihn auch nur drey Tage stille zu stehen. Alleine weil Cäsar allen Verzug nicht nur für einen Verlust der Zeit und des Sieges / sondern auch für eine Gefärthin des Zweiffels und der Furcht; ja für eine Unholdin der Tapfferkeit hielt / war keines von Cäsarn zu erbitten; sondern er befahl noch selbige Stunde: daß Galba mit einer Legion und der halben Reuterey etliche tausend / die über die Maaß und den Demer Fluß gesetzt hatten / zu verfolgen; er aber rückte gegen den Rhein gerade zu. Wie er nun kaum eine halbe Tage-Reise von ihnen war /begegnete ihm vorige Bothschafft; und erklärte sich: daß beyde Völcker erbötig wären zu den Ubiern zu ziehen; mit Bitte: Cäsar möchte so lange zurück halten / biß bey den Ubiern ihr Unterkommen eingerichtet wäre. Aber Cäsar behielt die weder durch Zwang noch Arglist auffhaltbaren Gesandten ohne Antwort bey sich; wiewol er Vertröstung that:[1012] daß er selbigen Tag weiter nicht / als biß an den Urte-Strom rücken wolte. Wie nun die Usipeter und Tencterer Nachricht kriegten: daß Galba bereit an der Maaß ihre Reuterey angetastet hätte / der Ritter Löwenstein aber / der mit acht hundert Pferden den Strom bewachte / mit anbrechendem Tage gewahr ward: daß Craßus / Piso und Virodich zwey Aquitanische Fürsten / welche für Verrathung ihres Vaterlandes vom Römischen Rathe mit dem Nahmen Römischer Freunde beehret wurden /des Nachts mit mehr als fünff tausend Pferden wieder Cäsars Versprechen über den Fluß gesetzt hatten; fiel er die Römische / wiewol siebenmahl stärckere Reuterey mit einer so grossen Hertzhafftigkeit an: daß sie selbte mit dem ersten Angriffe in Verwirrung / nach Verwundung des Virodichs und Erlegung des Piso /in die Flucht / die Helffte vom Leben zum Tode brachten; die überbleibenden aber über den Strom biß in Cäsars Läger verfolgten. Das gantze Römische Heer erzitterte über dieser schimpflichen Niederlage; alleine des Usipetischen Fürsten Mißtrauen gegen die Römer es auszudauern / verterbte nicht allein alle Frucht des ersten Sieges / sondern auch das gantze Spiel. Denn auch das beste Beginnen / wenn es nicht von der Hoffnung gestärckt und genähret wird / verschmachtet wie ein ungebohrnes Kind einer todten Mutter; und erlischt wie eine Ampel / welcher das Oel entgehet. Und der allerhertzhaffteste wird kleinmüthig / wenn er ihm gewiß einen übeln Ausschlag einbildet. Bey solcher Beschaffenheit verfiel der Usipeten Fürst in mittelmäßige / und also in die gefährlichsten Rathschläge; nehmlich / gegen Cäsarn das Treffen durch Irrthum zu entschuldigen / und seinen Grimm durch Zurückruffung der deutschen Reuterey zu miltern. Ihr Führer Lowenstein kam mit Verdruß ins deutsche Läger zurücke; und beklagte: daß man ihn zwar hätte siegen / aber seinen Sieg nicht brauchen lassen. Als er aber durch kein Einreden die Fürsten der Usipeter und Tencterer zu Verfolgung des Krieges bewegen konte; trug er aus Liebe seiner nunmehr zwischen Thür und Angel stehenden Lands-Leute sich selbst zu einem Söhn-Opffer an; ließ sich also für das gemeine Heyl /als einen Störer des gemeinen Heyles / welcher ohne seiner Obern Befehl die Gallier und Römer angetastet hätte / binden und Cäsarn zur Rache überlieffern. Ob nun wol beyde Fürsten sich ins Römische Läger einfunden / das ohne ihren Befehl gehaltene Treffen betheuerlich entschuldigten / und den Ritter Löwenstein zu ihrem Feg-Opffer übergaben; ließ sie doch Cäsar wieder der Völcker Recht in Band und Eisen schlüssen / das Läger der gantz sicheren Deutschen an dreyen Orten anfallen / und darinnen viel tausend unbewaffnete Weiber und Kinder hinrichten. Sintemahl die Männer nach einer hin und her zwischen den Wagen geleisteten tapfferen Gegenwehr mit Hülffe der Nacht sich meistentheils in einen nahen Wald versteckten /selbten verhieben / und sich endlich bey dem zusammenflüssenden Rheine und der Mosel zu denen Sicambrern flüchteten. Wiewol nun der Römische Rath die gefährliche Beleidigung der Deutschen Gesandtschafft verdammte / Cäsarn / um hierdurch die erzürnten Götter zu versöhnen / verfluchte / und viel Raths-Herren ihn den Deutschen zu eigener Bestraffung zu übergeben einriethen; so fragte doch der gewaffnete Cäsar wenig nach den gläsernen Donner-Keilen des zwistigen Rathes; sondern um eine Ursache vom Zaune zu brechen; wormit er in Deutschland einfallen könte / forderte er von den Sicambern mit vielen Dreuungen die Ausfolgung der zu ihnen entko ener Usipeter und Tencterer. Die Sicambrer aber antworteten Cäsarn: Die Usipeter und Tencterer[1013] hätten sich nicht allein unter ihren Schirm begeben; sondern sie wären auch ihre alte Freunde und Bundsgenossen; also könten sie ohne Schimpff und Untreu selbte ihren Feinden nicht auslieffern. Cäsar hätte wegen der den Römern zugethanen Heduer wieder den König Ariovist einen Krieg angehoben; wie möchte er denn denen Sicambern anmuthen: daß sie die sich unter ihren Schutz begebenen Anverwandten ausantworten solten? zumahl da die Usipeter nicht mit den Römern / sondern diese mit jenen zu erst angebunden hätten; in welchen Fällen die Gesetze der Natur / welche unter allen Menschen eine Verwandschafft stiffteten /und die Gewonheiten der Völcker einem ieden die Hülffs-Leistung auch mit seiner selbst eigenen Gefahr aufbürdeten. Sie könten zwar leiden: daß die Geflüchteten sich aus ihren Gräntzen erhieben; sie hätten auch gerne gesehen: wenn sie ihre Zuflucht anderwertshin genommen hätten; Nach dem aber das letzte nicht zu ändern / zum ersten aber die Bedrängten nicht zu zwingen wären / würde Cäsar ihnen nicht aufbürden denen nunmehr die Klauen zu zeigen / welche sich mit ihren Flügeln zu decken gesucht hätten. Cäsar solte bey sich selbst ermässen: ob er sich einer Botmäßigkeit über dem Rheine anzumassen befugt wäre; da er der Usipeter Niederlassung in einem Theile des von ihm noch nicht gantz bezwungenen Galliens für eine genungsame Ursache des Krieges gehalten. Ja es heischte nicht nur die Ehre der Deutschen / sondern auch die eigene Sicherheit: daß sie die Usipeter und Tencterer nicht gäntzlich vertilgen liessen / weil der Sicambrer Wolstand in dieser Völcker Erhaltung derogestalt eingeflochten wäre: daß wenn sie dieser Verterben mit müßigen Händen zuschauten / sie zugleich mit auf ihr Fallbret träten. Alleine der Ubier bewegliches Anhalten / und der Ehrgeitz / welcher zwischen der Tugend und der eussersten Boßheit kein Mittel weiß / verleitete Cäsarn: daß er sich weder in den Gräntzen Galliens / noch in den Schrancken der Billigkeit zu halten vermochte. Dannenher ließ er sein gantzes Heer in dem Gebiete der Condruser unterhalb dem Einflusse der Mosel aber über der Siege gegen dem Berge Rhetico aus dem Rheine drey starcke Ströme ableiten; um dem Flusse seine Tieffe und Stärcke zu benehmen; und / weil er überzuschiffen ihm weder anständig noch sicher hielt / eine höltzerne Brücke in zehn Tagen darüber legen. Denn er stieß die Pfäle mit keiner Ramme ein / sondern ließ derer bey iedem Joche immer zwey und zwey auf ieder Seite neben einander / und zwar nicht gerade hinab nach dem Bleymaße / sondern die Obersten gegen die untersten abwerts vom Strome biß in den Grund des Flusses /legte quer über zwischen die obersten Ende einen starcken Balcken / und verband dessen eusserste Vorgänge mit festen Riegeln; also: daß ie mehr selbiger Balcken beschwert ward / ie fester stunden die Pfäle im Wasser. Die Liebe der Freyheit und die gemeine Gefahr machte in wenig Tagen einen Vergleich und ein Bündniß mit gesammter Hand den Römern zu begegnen / zwischen denen vorhin zwistigen Catten und Sicambern. Wormit sie aber Cäsarn verleiten / und ihm den Rhein hinter dem Rücken abschneiden könten / wiechen sie beyde sechs Meil-Weges hinter sich. Die Ubier stiessen zwar hierauf mit ihren übrigen Kräfften zu den Römern / und Cäsar schickte sechstausend Ubische / drey tausend Römische / vier tausend Gallische / tausend Numidische Reuter / und fünff hundert Balearische Schützen die Catten auszuspähen; Aber sie traffen auf Arabars Sohn / den Fürsten Catumer / welcher vier tausend Reuter von Catten / tausend von denen Usipetern / und tausend Sicambrer führte; und die Römische Reuterey mit solchem Gri anfiel: daß sie nicht einst ihr Gesichte zu vertragen / weniger ihre Waffen zu erwarten wusten; sondern durch die schimpflichste Flucht gegen[1014] dem Rhein umkehrten; und etliche tausend im Stiche liessen. Cäsar ward über so schlimmen Anfange stutzend; sonderlich / da die Entkommenen nicht genung die Stärcke und Tapfferkeit der Catten zu rühmen wusten. Sintemahl die Furcht ohne diß alles vergrössert um dardurch seine Fehler zu vermindern. Daher ließ er bey verlautender Ankunfft der Deutschen / in Meynung: daß eines schwächern Heeres Abzug ohne erlittenen Abbruch einem Feldherrn Ehre genung / ja im Wercke so viel als ein Sieg wäre / den funffzehenden Tag nach seiner Uberkunfft aufpacken / und Tag und Nacht sein Heer zurücke über den Rhein gehen. Jedoch übereilten die Catten noch eine zur Besetzung der Brücke gelassene Legion / nebst etlichen tausend Ubiern und Galliern / die sie meistentheils in Stücken hieben / also sie mit vielen Strömen Blutes die Brände ihrer vom Feinde eingeäscherter Häuser ausleschten. Ja der Catten Uberfall geschahe so schnell: daß Cäsar Noth hatte die Brücke abzubrechen. Diese noch auf der rechten Seite des Rheins gebliebene Ubier musten als einheimische / und also verhastere Feinde hierauf das Bad ausgiessen / und entweder über die Klinge springen / oder sich der Catten Herrschafft unterwerffen. Denen aber / welche mit Cäsarn über den Rhein flohen / räumte er in der Condruser Gebiete unter dem Flusse Abrinca gewisse Aecker ein.

Cäsar hatte in seinen Gedancken schon gantz Deutschland überwunden; und daher hielt er alles für Verlust / was seiner unersättlichen Ehrsucht abgieng. Von seinem empfangenen Streiche aber er goß sich die Galle so sehr: daß er Tag und Nacht nachsaan diese Scharte auszuwetzen / und dardurch nicht so sehr die Freude der Deutschen / als seiner Wiedrigen in Rom zu versaltzen / oder vielmehr Gelegenheit zu einem neuen Kriege zu suchen / wormit er vom Römischen Rathe das Hefft so vieler Legionen aus den Händen zu geben nicht genöthiget würde. Sintemahl so wol Heerführer / als Kriegs-Leute lieber Sieg / als Friede wünschen; weil mit dem letztern jenen das Ansehen / diesen der Sold entfällt. Mit den Deutschen traute er es so bald nicht wieder zu wagen; weil seinem Heere nichts minder noch das Schrecken im Hertzen als die Narben auf den Gliedern waren. Zu seinem Fürhaben aber gaben ihm die in Britannien handelnden Kauff-Leute durch ihren Bericht eine andere Gelegenheit an die Hand: daß die Britannier mit einander in einem steten bürgerlichen Kriege lebten; und durch fast angebohrne Blutstürtzungen sich überaus geschwächt; ja den Fürsten Prasutag aus Verdacht: daß er den Venetern wieder Cäsarn mit denen dahin gesendeten Hülffs-Völckern nicht treulich beygestanden / ermordet hätten. Diese Nachricht erfrischte in dem Hertzen des von Cäsarn zum Fürsten der Atrebater gemachten Comius den alten Groll / den er gegen dem Britannischen Könige Caßibelin wegen versagter Tochter bißher getragen hatte. Seine Rachgier verkleidete sich alsofort in eine Staat-Klugheit /welche Cäsarn den ersten Vorschlag that in Britannien zu segeln; durch welchen Zug ihm nicht allein grosser Ruhm / sondern auch Rom eine nicht geringe Vergrösserung ihres Reichs / ohne sonderbare Schwerigkeit zuwachsen würde. Also wird von Räthen mehrmahls nicht allein häußliche Gramschafft mit dem Mantel des gemeinen besten bekleidet / sondern auch eigner Haß mit dem Glantze ihrer Treue /und rühmlicher Entschlüssungen ihres Fürsten beschönet. Cäsarn stärckte in seinem Fürnehmen auch die Bothschafft des Feldherrn Aembrich / welcher zwar mit den Catten in schwerem Kriege lag / dennoch die mächtigen Römer in Deutschland zu seinen Gehülffen nicht begehrte; besorgende: daß die Deutschen nicht von dem im trüben Wasser fischenden Cäsar / wie für Zeiten die Selevcier von Parthen / die Carier vom Cyrus / die Grichen[1015] vom Könige Philip /die Sicilier von Römern / unter dem Scheine der Hülffe / möchten um ihre Freyheit gebracht werden / oder er ihm doch mehr als die öffentlichen Feinde beschwerlich fallen. Zumahl wie für Alters Athen / also neulich Rom durch nichts mehr als durch ihre willfärtige Hülffs-Leistungen so hoch ans Bret kommen waren. Weil nun der Bundsgenossen entfernter / und ausser seinem eignen Lande geleistete Beystand der sicherste ist; Caßibellin aber iederzeit sich an die Catten gehenckt / und seinem Eydame Arabarn mehrmahls Hülffe geschickt hatte / hielt der Feldherr für rathsamer / sonder eigene Gefahr diesen Zugang den Catten abzuschneiden / und die denen Cheruskern allezeit zugethan gewesenen Usipeten Tencterer und Sicambrer aus dem Römischen Kriege zu wickeln / als mit selbter diesen grössern Abbruch zu thun. Wie nun Cäsar in Gallien alle Anstalt zu einer grossen Schiff-Flotte machte / die Catten aber hiervon Wind kriegten / warnigten sie nicht allein den König Caßibelin /sondern stiffteten auch die Moriner und Menapier an /nach Cäsars Uberfarth den Römern in Gallien einzufallen. Caßibelin ließ / so bald er vernahm: daß Volusenus mit etlichen Kriegs-Schiffen auf der Britannischen Küsten kreutzte / und Gelegenheit zum Anlenden suchte / den von Cäsarn zu ihm mit grossen Freundschaffts-Vertröstungen abgeschickten Comius /als einen Kundschaffter / in Verwahrung nehmen. Cäsar hatte hierauf mit dem unwilligen Meere und dem Winde den ersten Kampff; welche von denen acht und neunzig Schiffen bey nahe die Helffte zerstreuten / ein Theil derselben in den Abgrund versenckten / ein Theil auch auff die Morinischen Sand-Bäncke zurücke trieben / oder auf den Britannischen Klippen zerschmetterten. Wiewol auch Cäsar mit zwey Legionen anfangs in den Fluß Tamesis einzulauffen vermeinte / aber Sudwerts um das Cantische Vorgebürge getrieben ward / uñ an einem bergichten Meerstrande anzuländen bemüht war / so rennte doch Boudicea eine Heldenmässige Jungfrau des streitbaren Wakon Tochter und Königin selbigen Gebietes /(welche / wegen ihrer aus Verdacht begangenen Ehbruch enthaupteten Mutter ein Gelübde gethan hatte /nicht zu heyrathen) eilends dahin / und schoß eine solche Menge Pfeile auf die aussteigenden Römer: daß sie wieder zurücke in die Schiffe lauffen / und Cäsar ausser dem Geschoß Ancker werffen muste. Des Nachts segelte er mit der Helffte der Schiff-Flotte und fast aller Mannschafft acht Meilweges ferner gegen West / an ein flaches Ufer; lendete auch mit den Schiffen und vielen Nachen an / aber Boudicea eilte mit ihrer Reuterey daselbst hin; und ließ ihr Fuß-Volck gegen die zurückgelassenen und bald dar bald dort blinden Lermen machenden Schiffe stehen. Ob nun gleich die Römer mehr als zehnmahl am Ufer festen Fuß setzten; so schlug sie doch die großmüthige Boudicea allezeit mit grossem Verluste in den Schlam und das Meer zurücke; also: daß derer mehr als zwey tausend darinnen erstickten / und fast niemand mehr auff Befehl der Krieges-Obersten ansetzen wolte. Dessen ungeachtet wolte Cäsar hier lieber selbst umkommen / als mit Abweichung allen vorigen Ruhm verspielen. Daher befahl er dem / der den güldenen Adler der zehenden Legion führte: Er solte mit selbtem aus dem Schiffe springen; oder da er kein Hertz hätte / selbten gegen dem Ufer werffen / um zu schauen: Ob die Römer diß heilige Merckmahl ihres ewigen Reiches den Feinden verrätherisch in Händen lassen wolten. Wie nun der Fähnrich voran / Cäsar auch selbst nachsprang / drang sich alles mit Gewalt aus den Schiffen; und wenn schon die Vorgänger von Britanniern erlegt wurden / traten dennoch die nachfolgenden verzweiffelt an ihre Stelle. Weil auch gleich zwölff mit Reuterey verschlagene Schiffe Cäsarn zu Hülffe kamen / muste Boudicea / nach[1016] dem sie einen gantzen Tag mit acht tausend Mann leichten Reutern die Römische Macht aufgehalten hatte / Cäsarn die Anlendung enträumen. Ob nun wol achtzehn andere mit Reuterey beladene Schiffe aus Gallien Cäsarn folgten; so erregte sich doch ein neuer Sturm / und bey damahligem Vollmonden ward die Flut so ungewöhnlich groß: daß jene Schiffe abermahls zerstreuet / die an dem Strande zu kurtz angebundenen aber entweder eingesenckt / oder von den Wellen zerschlagen wurden. Cäsar lernte hierdurch: daß die Hertzhaftigkeit nicht allzeit die Mäß-Schnure unserer Siege und Glücks wären / ward also hierüber nicht wenig bekü ert / sonderlich als er vernahm: daß Bondicea sich in der Nähe verstärckte / und auf ihn loß zu gehen sich anschickte. Gleichwol ließ er Tag und Nacht an Befestigung des Lägers / und an Ausbesserung der zerschmetterten Schiffe arbeiten. Boudicea that inzwischen bey Erwartung des zum Sturm nöthigen Fuß-Volcks den Römern / welche auf Fütterung ausritten /täglich grossen Abbruch / endlich stürmte sie gar das Läger. Weil aber selbtes wegen der tieffen Gräben /grossen Bollwercke / vielen Thürme / und mangelnden Sturm-Zeuges / wie diese ihnen gantz neue Art der Befestigung bedorffte / allzuviel Volckes zu bedörffen schien / hielt sie als eine nicht weniger kluge Landes-Mutter / als eine großmüthige Heldin für rathsamer / den Feind nur ins Läger einzuschliessen / und durch Abschneidung aller Lebens-Mittel zum Abzuge zu nöthigen; denn durch unersätzliche Verschwendung vielen Menschen-Blutes den eitelen Ruhm einer verwegenen Eroberung zu erwerben. Cäsar kriegte hierauf Nachricht: daß König Caßibelin hätte den Comius auf einem Nachen an das Gallische Ufer führen /und daselbst aussetzen lassen; zugleich auch ein Schreiben: Darinnen der König seine Bestraffung selbst heimstellte; weil er durch unrechtmäßige Bestechungen seine Diener verleiten / seine Geheimnüße auskundschafften / seine Unterthanen zu Aufruhre bewegen wollen; und dardurch nicht weniger das Recht der Völcker verletzt / als sein heiliges Amt verunehret hätte. Cäsar lachte zwar hierzu; und sagte: Bothschaffter wären die fürnehmsten Kundschaffter / und einen andern über den Stock stossen ihr Handwerck; gleichwol aber brauchte er die Loßlassung des Comius zu einem scheinbaren Vorwandte seiner Bestillung. Wie nun das ungestüme Meer sich nur etlicher massen besänfftigte; gieng er um Mitternacht in aller Stille zu Schiffe / und zwar mit grossem Verlust der Schiffe und Volckes; segelte aber mit keinem andern Gewinn zurücke / als daß die Römer Britannien gesehen hatten; und lieff theils in dem Iccischen Hafen /theils in dem Munde des Flusses Cancius zu Lutomagus ein.

Cäsar aber fand Gallien auch in ziemlich verwirrtem Zustande; Denn die Moriner und Menapier waren nicht nur denen Atrebatern eingefallen; sondern der Trevirer Hertzog Induciamor empfand auch sehr hoch: daß Cäsar ohne einige Ursache seiner Schwester Tochter die Königin Boudicea überzogen hatte. Daher er nicht nur mit dem Eburoner Hertzoge Cattivolck /sondern auch mit dem Feldherrn Aembrich Rath hielt / wie sie sämtlich ihrer nahen Bluts-Freundin / wie auch denen Galliern / welche von allen Seiten die deutschen Fürsten um Entbürdung des Römischen Jochs anfleheten / zu Hülffe kämen. Weil aber der Feld-Herr Aembrich noch mit denen Catten / Hermundurern und Svionen alle Hände voll zu thun hatte / dorffte er gegen die Römer nichts hauptsächliches entschliessen.

Inzwischen schickte Cäsar den Labienus mit zweyen Legionen gegen die Moriner; den Titurius und Cotta aber mit so vielen / und den Comius mit etlichen tausend Galliern wieder die Menapier. Alleine beyde Völcker verliessen[1017] ihre geringe Wohnungen /brachten ihre beste Sachen in die mit vielen Sümpffen umgebene Wälder; und fügten den Römern / welche sich unterstunden die verhauenen Forste zu öffnen /grossen Schaden zu; also: daß sie endlich ihnen die Freyheit lassen / und mit ihnen einen billichen Vergleich treffen musten.

Unterdessen stand Deutschland noch in voller Verwirrung; und nichts minder die Hertzen voller Rachgier / als das Land voller Kriegs-Flamme. Der Gottesdienst war zwar der Vorwand; das Absehen aber seiner Fürsten war die Ober-Herrschafft. Das Volck ward hierüber theils mit gäntzlichem Unglauben /theils mit Aberglauben eingenommen; welcher letzte die Seele übersüchtig macht / der erste aber sie gar verbländet. Die klügsten entzogen bey dieser Verwirrung dem Vaterlande so wol ihre Achseln / als ihre Rathschläge; wiewol diese Entziehung so gefährlich als anderer Anmassung war. Die bürgerliche Zwytracht hob an vielen Orten den nöthigen Unterschied der Gebietenden und Gehorchenden auf; also: daß diese sich wieder jene / wie zu Rom an dem Feyer des Saturnus die Knechte über ihre Herren der Bothmäßigkeit anmasten. Der Feldherr Hertzog Aembrich selbst gerieth bey vielen in so schlechtes Ansehen: daß etliche Pannonische Ritter ihn in seinem Zimmer übertraten; und ihm die Wiederruffung seiner wieder die Eubagen gemachten Schlüsse aufdringen wolten. Ihrer viel unter denen Grossen umarmeten sich mit den Aemptern seiner Hoheit / wie die Grichen an dem Plyntherischen Feyer mit den Bildern der Minerva und wie die wütenden Priester des Kriegs-Gotts / welche an seinem Feyer zu Rom wie thumme Leute mit den Ancilischen Schulden herum schwärmten. Mit einem Worte: das Gewebe der Herrschafft in Deutschland war derogestalt versitzet: daß es weder der kluge Feldherr / noch iemand anders durch ordentliche Mittel zu vernichten fähig war. Er erkennte sodenn aller erst / wie viel er durch Lindigkeit gefehlet; da er auf Beschwerführung der Ubier und anderer Bundsgenossen seinen Feld-Obersten Terbal seiner Aempter entsetzt hatte; und daß ein Fürst ihm selbst ein Auge ausreisse / wenn er einen in Treue und Klugheit lange geprüfften Diener von sich läst. Daher er diesen verstossenen nunmehr gleichsam wieder alle Gesetze der Staats-Klugheit; ja fast mit unverschränckter Gewalt seinem Kriegs-Heere fürsetzen muste. Denn ob zwar dieser kluge Fürst wol verstand: daß man seinen Diener zum Gefährten seiner Bemühungen / nicht aber seiner Würde machen / ihn mit seinem Schatten bedecken / nicht aber mit seinem Purpur umhüllen / am wenigsten aber man mit seinem Diener verbindliche Bedingungen machen / ihn aller künfftigen Rechenschafft zuvor aus erlassen / und denen Untergebenen ihre Zuflucht an den Fürsten verschrencken solte; so war doch nicht so wol die Klugheit / als die Noth dißmahl das Gesetze der Zeit / und eine Richtschnur seiner Entschlüssung. Terbal besiegelte auch alsobald seine Treue mit einem glücklichen Anfange; da er nemlich den König Ariovist / welcher bey denen Hermundurern sein verschantztes Läger stürmte / mit grossem Verlust abtrieb. Beyde grosse Kriegs-Machten kamen hierauf nicht ferne von der Elbe abermals an einander. Denn ob wol der Feldherr Aembrich daselbst in Eil um sein Heer einen zweyfachen Graben aufwerffen ließ; so trieb doch den König Ariovist die Rachgier wegen vorigen Verlustes / Gotarten das Vertrauen auff sein Glücke / und die Tapfferkeit seines so vieler Siege gewohnten Kriegs-Heeres / den Hertzog; Briton das Verlangen die feindliche Macht ausser seinen Ländern zu bringen dahin: daß sie das Cheruskische Heer / ungeachtet des für sich habenden grossen Vortheils / gleichsam verzweiffelt angrieffen. Zu ihrem grossen Unglücke aber ward der allzuhitzige Fürst Gotart an dem andern Graben von einem Burischen Ritter[1018] bald im Anfange des Treffens mit einem Pfeile tödtlich verwundet; zu einer Verwarnigung alter Kriegs-Häupter: daß sie sich die Begierde eitelen Ruhmes nicht zur Vermessenheit verleiten lassen /noch mit einem gemeinen Krieges-Knechte das Ampt verwechseln / sondern vielmehr erwegen sollen: daß ein Feldherr nichts minder in seinem Heere / als das Hertz im Leibe zum allerletzten sterben dörffe. Es ist wol wahr / sagte Zeno; daß ein Fürst / als die Seele seines Reiches sich nicht in allen Träffen befinden /weniger in Schlachten sich an die Spitze stellen solle. Wenn es aber um das Hefft der Herrschafft zu thun ist / oder Kron und Zepter mit dem Heile und der Wolfarth des Volcks auff der Wagschale liegen / scheinet der des Sieges kaum würdig zu seyn / der sich nicht zugleich der Gefahr theilhafftig macht. Das Verlangen sein Reich zu erweitern reitzte den König Philip in Macedonien: daß er seine Vergnügung suchte / wo es am schärffsten zugieng. Den Verlust seines Auges hielt er nach Erlegung seines Feindes für Gewinn; und die Schrammen seiner Glieder für Ehren-Maale. Sein noch grösserer Sohn Alexander suchte allenthalben die Gefahr / wo sich sonst niemand wolte finden lassen. Und es scheinet: daß so denn der Tod sich für denselbigen scheue / die ihm so hertzhafft unter die Augen gehen. Wenn aber auch ja das Verhängnüß ein anders über ihn bestimmet; ist es besser: daß einer als ein Fürst sterbe; als ein Verjagter der Welt ein Schauspiel des Unglücks abgäbe. Zumahl auch Codrus für sein Vaterland vorsetzlich dem Tode in die Armen rennte. Es ist nicht ohne / versetzte Malovend. Aber damahls war es Gotarten nicht um die Herrschafft /sondern um eine fremde Würde zu thun; auch war die Noth so noch nicht an Mann kommen: daß Gotart selbst sich in die Gefahr setzte; oder auch die Verrichtung so beschaffen: daß kein ander Kriegs-Oberster selbte hätte übernehmen können. Jedoch verbesserte der tapffere Gotart diese Ubereilung durch eine vernünfftige Erinnerung; da er nehmlich wegen Unvermögenheit zu reden seine Hand auf den Mund legte /und dardurch seinen Tod geheim zu halten anbefahl. Aber die Bestürtzung seiner Leute / oder das gewäschige Geschrey verrieth seinen Fall in kurtzem durch das gantze fechtende Heer; wiewol es selbtes mehr zur Rache reitzte / als einige Kleinmuth verursachte. Denn als König Ariovist mit dem Feldherrn selbst; Hertzog Briton mit Terbaln / der die Quaden / Lygier und Semnoner führte / nichts minder das Glücke / als die Streiche verwechselte / erlegten die verbitterten Spionen den Chaßuarier Hertzog / und brachten den ihm untergebenen lincken Flügel in die Flucht. Gleichwol blieben die andern Heerführer unverrückt gegen einander in blutigem Gefechte biß in die sinckende Nacht stehen; da deñ der Feldherr seinem Feinde für den Verlust eines so tapfferen Fürsten die Ehre eines theuer bezahlten Sieges einzuräumen gezwungen ward. Hertzog Aembrich büste dißmahl mehr als die Helffte seines Heeres / aber nichts von seinem Hertzen ein. Ja seine Tapfferkeit war niemahls-sichtbarer / als wenn es ihm übel gieng. Die finsteren Wolcken der Unruh erleuchteten gleichsam seinen Verstand; und die Gefährligkeiten befestigten seine Hertzhafftigkeit. Daher verstärckte er sein Heer nicht mehr durch neue Kriegs-Scharen / als mit seinem muthigen Beyspiele. Seinen Feinden hingegen verschwand durch Zwytracht der Heerführer nicht allein die Frucht alles Sieges aus den Händen; sondern ihre Kräfften vergeringerten sich auch unempfindlich / und ohne Wahrnehmung einiger Ursache. Sintemahl der Zwist der Aertzte nicht mehr Leichen zu Grabe schickt / als Uneinigkeit der Häupter denen mächtigen Heeren heim hilfft / oder wenigstens ihnen ihre Spann-Adern verschneidet. Der Hermundurer Hertzog Briton hatte schon für geraumer Zeit auf seiner Bundsgenossen anwachsende Gewalt ein scheles Auge gehabt; welche diesen so wenig zu[1019] seinen Gebietern als den Feldherrn Aembrich zu seinem Herrn /sondern beyde zu seines gleichen haben wolte. Uber diß empfand er: daß nach Gotarts Tode / welcher allein eine einige Tochter in seiner Herrschafft hinterlassen hatte; nicht ihm / sondern einem Svionischen Edelmanne Rixeston die oberste Kriegs-Verwaltung anvertraut ward. Denn Fürsten vertragen neben sich so ungerne niedrige Gefärthen / als das Auge der Welt neblichte Neben-Sonnen. Dieser Gelegenheit bediente sich der Feldherr Aembrich zu seinem ansehnlichen Vortheil / bot dem Hertzoge Briton anständige Friedens-Vorschläge an; wol wissende: daß seine Versöhnung ihm leicht vieler andern deutschen Fürsten Gemüther gewiñen würde. Er hätte auch unschwer seinen Zweck erreicht; wenn nicht sein Feldhauptmann Terbal aus Beysorge: daß der Feldherr ihn zum andern mahl seiner Würde entsetzen / und seinen eigenen aus Persien ruhmwürdigst zurück gekommenen Sohn Segimern darzu erheben würde / mit seinen Feinden in ein heimliches Verständniß getreten / und seine Verrätherey mit der Liebe des Vaterlandes /welchem der Feldherr die Fessel eusserster Dienstbarkeit anzulegen im Schilde führte / verdecket / also den auff Aembrichs Seite schon geneigten Fürsten der Hermundurer irre gemacht hätte. Wie nun Terbal mit dem Könige Ariovist schon zum Schlusse eines heimlichen Bündnüßes kommen war; unterstand er sich die Gemüther der andern Cheruskischen Kriegs-Obersten theils durch Wolthaten ihrem Herrn abzustehlen; theils durch Fürstellung seiner zweyten Abdanckung gegen sich zum Mitleiden zu bewegen; oder vielmehr ihnen fürzubilden: daß sie für ihre treue Dienste von einem undanckbaren Fürsten keinen bessern Lohn /von dem tapffern Könige Ariovist aber als einem / der die Tugend höher zu schätzen wüste / zuerwarten /auf des Feldherrn Untergang aber eine bessere Herrschafft des Vaterlandes und ihre eigene Wolfarth zu ergründen hätten. Also fänget niemand an seinen Fürsten vorsetzlich zu beleidigen: daß er hernach darmit aufhören wolle; und weder Ehrsucht nach Rache wissen in ihrem Beginnen Maaß zu halten. Terbal wuste seinem Meyneyde eine solche Farbe anzustreichen: daß er nicht nur die gemeinen Knechte / welche zwar anfangs wie das Meer unbeweglich sind / hernach aber / wenn der Wind sie einmahl erreget hat / auch /wenn dieser sich schon leget / nicht aufhören zu schäumen; sondern auch etliche der Kriegs-Obersten bländete. Denn / weil die Ehrsüchtigen bey verwirrtem Zustande Würden zu erlangen ihnen einbilden /die sie ihrer Verdienste halber bey ruhigem zu überkommen ihnen selbst nicht getrauen; die Eitelen aber sich nicht so wol über einem abgesehenen Preiße der auf ihre Hörner genommenen Gefahr / als über der Gefahr sich selbst erfreuen / oder dem gegenwärtigen Gewissen das künfftige ungewisse vorziehen; so fällt es einem verschlagenen Aufwiegler nicht schwer anfangs die boßhafften / hernach die leichtsinnigen zu gewinnen / und endlich auch die wenigen Klugen an das allgemeine Seil zu bringen. Gegen diese letztere bediente er sich sonderlich des Vorwands: daß die eingeführte Würde der Feldherrschafft mit der Deutschen Freyheit sich nicht allerdings vertrüge; welche dadurch verewigt würde / wenn alle Fürsten einander die Wage hielten; selbigen Augenblick aber Schiffbruch lidte / wenn einer auch nur eine Staffel die andern überstiege. Gleichwol aber nahm die Treue und Klugheit etlicher Cheruskischen Feld-Obersten Terbals Boßheit zeitlich wahr / welche dem Feldherrn die grosse Gefahr eilends entdeckten; und sich zu Werkzeugen selbter zu begegnen willig anerboten / inzwischen aber theils Terbals Anmuthungen ausdrücklich beypflichteten / wormit sie seine Geheimnüsse nicht nur besser ausforschten / sondern auch durch den Beytrag ihrer[1020] Rathschläge den offentlichen Abfall etwas verzügerten; theils als wenn sie sein Absehen nicht erkieseten / sich mit Fleiß alber anstellten. Rhemetalces fieng an: Ich werde hierdurch in meiner Meynung bestärckt: daß die Thorheit nicht allezeit eine Tochter der Unwissenheit / noch eine Kranckheit der Seele / sondern eine Gefärthin der Klugheit sey. Sonder allen Zweiffel antwortete Zeno. Denn wenn Brutus sich nicht mit dieser Närrin vermählt hätte; wäre Rom unter dem Joche der Tarquinier vollends verschmachtet. Ulysses ist niemahls verschlagener gewest / als da er sich unsinnig gestellt. Ja ich will noch wol mehr sagen; nehmlich: daß die Narrheit eine Erhalterin der Welt / und eine Säug-Amme vieler tausend Menschen sey. Denn wenn der Krieg / als der Rädelsführer aller Thorheiten / nicht so viel Menschen auffrässe; unsere Boßheit nicht den erzürnten Himmel zu Schickung der Pest / der Erdbeben und anderer Unglücke reitzte / würde die Erde kaum die Helffte der Menschen verpflegen können. Wie viel tausend erhalten sich nicht vom Spiele / Tantze / Gezäncke / von Bereitung des Werckzeuges unserer Wollüste; welchem allem unsere Thorheit seine Bewegung giebt. Ja das Siech-Hauß dieser unheilbaren Krancken hat einen so grossen Umschweiff / als die Erde. Daher sich nicht zu verwundern: daß zu Rom alle Jahr das Feyer des Quirinus den Narren zu gefallen gehalten ward. Malovend fuhr fort: die alberen Kriegs-Obersten waren auch in unserer Geschichte des Feldherrn Aembrichs klügste Rathgeber; ja seine und des Cheruskischen Hauses Erhalter. Denn weil es in Verräthereyen gefährlicher ist / als gifftigen Fleckfebern lange über Wahl der Artzney Rath zu halten; er auch wol wuste: wie das Kriegsvolck an Terbaln so sehr hienge / schickte er diesen getreuen Einfaltigen einen Befehl zu: Sie solten mit dem Kopffe denen Auffrührern die Adern verschneiden; und mit dem Blute des einigen Terbals die Schuld aller Mitverschwornen ausleschen. Diese übten den Befehl nicht weniger klüglich als hertzhafft aus. Denn als Terbal des Abends vorher seinem Anhange ein köstliches Gast-Gebot ausgerichtet hatte / überfielen sie ihn des Nachts in seinem Gezelt; also daß dem Heere nicht ehe sein Tod lautbar / als dem Heere der rückständige Sold bezahlet / Terbals Schrifften undurchlesen verbrennt / und zugleich allen angedeutet ward: Weil von Terbaln allein alles Gifft des Meyneydes herrührte /begehrte der Feldherr nach keinem Mitschuldigen zu fragen. Diese kluge Anstalt schreckte die Boßhafften /beruhigte die Verführten / vergnügte die Dürfftigen /versicherte die zweiffelnden; also: daß die derogestalt linde gehandelten Glieder nicht einmahl zuckten / als gleich ihrem Haupte das kalte Eisen durch die Gurgel fuhr; sondern vielmehr kurtz hierauf den Fürsten Segimer zu ihrem neuen Kriegs-Haupte mit Freuden annahmen. Zeno brach ein: Ich unterstehe mich nicht diesen glücklichen Streich des Fürsten Aembrichs zu schelten; weil ich alle Umstände nicht weiß / derer eine einem gantzen Wercke ein gantz ander Gesichte zueignen kan. Ich würde auch den Fürsten ihre über die Schrancken der Gesetze erhobene Macht strittig machen / wenn ich von seinem Urthel Rechenschafft fordern wolte / welches die Perser für eine ungereimte uñ Königen unanständige Umschränckung auslegten; als ihr Cambyses sie fragte: Ob er seine Schwester ehlichen möchte. Allein ich bescheide mich doch: daß die Deutschen wie die vernünfftigsten Völcker solche Fürsten haben / welche mehr für Ehre / als Zwang halten / sich der Vernunfft zu unterwerffen / und / um denen Unterthanen den Gehorsam zu erleichtern ihren Willen eigenbeweglich unter der Richtschnur der Gesetze zu beugen; die gleich von ihrer Willkühr ihre Seele und Krafft bekommen. Welche Gemüths-Mäßigung ihrer Gewalt sicher so wenigen[1021] Abbruch thut /als der Göttlichen Allmacht; wenn selbte ins gemein ihre Wege nach dem Lauffe der Natur einrichtet; und der Wunderwercke sich selten / niemahls auch ausser in den allerwichtigsten Verhängnüssen gebrauchet. Bey welcher Bewandnüß mir denn sehr bedencklich fällt gegen einen Beschuldigten ohne Vehör und Verantwortung zu verfahren. Denn wenn es genung ist einen begangener Laster halber anklagen / wer wird für den Verläumdern unschuldig bleiben? Wil man einem keinen Beystand erlauben / so kan man ihn doch nicht ohne Richter verdammen. Fürsten / ja Wütteriche können einem Sterbenden kaum diese Barmhertzigkeit abschlagen: daß er vorher die Ursache seines Todes erfahre / und die Gnade der Verdammung genüße. Gewiß / auch der gütigste Fürst wird bey einer solchen Verfahrungs-Art niemahls seine Hände von den Flecken zu unrecht versprützten Blutes waschen; und die ärgsten Ubelthäter die Nahmen unschuldiger Märterer zum Gewinn haben. Ein zu strenges Urthel über einen leichten Fehler hat keinen so grossen Schein einer Grausamkeit / als eine linde Bestraffung einer unerwiesenen Missethat. Beym einäugichten Könige Philip war es Halsbrüchig eines Cyclopen gedencken; und beym verschnittenen Hermias ein Beschneide-Messer nennen. Bey einem andern kahlköpfichten Fürsten musten die über die Klinge springen / welche einer Platte erwehnten. Aber alle diese verfielen beym Volcke nicht in so übele Nachrede / als Alexander / da er den durch nichts / als sein ausgepreßtes Bekäntnüß überwiesenen Philotas hinrichten ließ. Zumahl auch mit der Zeit die Rachgier wieder die ärgsten Ubelthäter veraltert / und der Zorn sich eben so in Mitleiden verwandelt; wie gegen der anfänglichen Verbitterung sich keine Unschuld ausführen kan. Ja es verrichtet selten der Scharffrichter sein Ampt: daß nicht das Volck das Urthel für ein zu scharffes Gerichte hält. Diesemnach ist es einem Fürsten nit nur anständiger / sondern auch rathsamer hundert schuldige zu verschonen / als einen unschuldigen zu tödten. Denn es hat die Straffe mehr mit der Hölle / die Begnadigung aber mehr mit dem Himmel Verwandschafft; welcher durch seinen Blitz zwar offt ihrer viel tausend schrecket / aber selten einen beschädigt; also gar: daß das Alterthum geglaubet: Jupiter könne zwar für sich alleine zum Schrecken donnern; aber ohne der andern Götter Einwilligung keinen treffenden Donner-Keil auf die Menschen herab fahren lassen. Ja die Natur selbst scheinet aus keiner andern Ursache das Blut in den mütterlichen Brüsten in Milch zu verwandeln / als damit die säugenden Kinder nicht dardurch zum Blutdurste angewehnet würden. Am allerwenigsten aber stehet die Eigenschafft der Aegln Fürsten an / welche Väter des Landes / und Säug-Ammen des Volckes seyn sollen. Ja dieselben /welche aus Verdacht ohne Urthel und Recht über ihre Diener ein so strenges Hals-Gerichte gehegt; haben meistentheils einen verzweifelten Unterthanen zu ihrem Richter und Hencker erdulden müssen. Daher Fürst Segimer / als einer in solcher Berathschlagung statt seiner Meynung fürbrachte: Des Pompejus Tod war Cäsars Leben; selbigem vernünfftig antwortete: Es ist wahr; aber diß mangelt noch zur Geschichte; Des Pompejus Tod war Cäsars Untergang. Rhemetalces begegnete ihm: Ich bin eben so wol kein Freund der Grausamkeit; und halte darfür: daß einem Fürsten viel Hals-Gerichte so wenig / als einem Artzte viel Leichen rühmlich sind. Es ist ausser Zweiffel auch mehr viehisch als menschlich einen verdammen / dessen Vertheidigung man nicht gehöret hat. Denn die Verläumdung scheuet sich nicht auch die reinste Unschuld zu schwärtzen. Keine Blume hat so gesunde Krafft in sich; daß sie nicht der Kröte zu einer Nahrung ihres Gifftes diene; und der Verdacht ist so wol ein verdächtiger Zeuge als[1022] ein schielender Richter. Alleine dieser Rechtsweg ist keine sichere Bahn in den hohen Verbrechen wieder den Staat und die Hoheit eines Fürsten. Beyde sind unleidlicher anzurühren als die Augen / ja auch sorgfältiger zu verwahren. Den Fischer / der den dem Alexander vom Haupte gewehten und in einen schilfichten Sumpff neben eines alten Königes Grab geworffenen Krantz aufhob / kostete seine Dienstbarkeit den Hals. Und Cambyses hielt einen Traum für genungsame Ursache seinem Bruder das Licht auszuleschen. Ob ich nun zwar in die Fußstapffen dieser scharffen Richter zu treten nicht rathe; so kan ich doch den nicht tadeln / der in den Lastern wieder den Staat das Recht von Vollziehung des Urthels anhebt / wenn entweder derer zu viel ist / die sich wieder das gemeine Wesen verschworen haben /und der Schlag gleichsam schon über dem Nacken schwebt / oder wo der Verräther die Waffen in Händen hat. In diesen Fällen erlaubet das oberste Gesetze / nehmlich das allgemeine Heyl / auch wieder die Gesetze gegen einen Verbrecher zu verfahren / und den Kopff der Schlange unversehens zu zerquetschen / ehe sie sticht. Also ließ Alexander den bey seinem Heere allzuhoch angesehenen Parmenio durch seinen besten Freund Polydamas abschlachten. Nicht anders halff Dion dem gewaffneten Heraclides zu Syracusa vom Leben. Zwar es kan geschehen: daß zuweilen die Unschuld hierdurch Noth leidet. Denn die mit einer Larve der Verläumdung verstellte Tugend sieht vielmahl dem Laster so ähnlich: daß sie auch der scharffsichtigste nicht unterscheiden kan. Aber die gemeine Wolfarth muß diesen Schaden ersetzen. Auch die besten Aertzte lassen gesunden Gliedern zur Ader / um das krancke Haupt zu erhalten / und dem bedrängten Hertzen Lufft zu machen. Wenn der zehende eines seiner Pflicht vergessenden Kriegs-Volcks durchs Loß zum Tode erkieset wird / trifft es mehrmahls die tapffersten. Ja in den Lastern wieder den Staat und die Fürsten machen die Gesetze der meisten Völcker Kinder und Bluts-Freunde / ja auch die straffbar / welche Alters halber zu sündigen nicht fähig sind. Alleine alle grosse Beyspiele haben etwas ungerechtes / wie die kräfftigsten Artzneyen ein wenig Gifft bey sich. Diesen Schaden aber muß die Erhaltung des Reiches und eines Fürsten ersetzen. Denn dieser ist der Steuer-Mann / an dem das meiste gelegen ist; und der in solchen Fällen sich eines andern Compasses in der Nacht / eines andern des Tages gebrauchen; ja bey sich näherndem Schiffbruche auch diß / was er am liebsten hat / über Port werffen muß. Malovend brach ein: Hertzog Aembrich kam eben so ungerne dran; iedoch zwang ihn die Noth sich des ihm nichts minder beliebten als benöthigten Terbals zu entschlagen; den er fast alleine der Feld-Hauptmannschafft gewachsen hielt. Alleine der seinen erledigten Platz vertretende Fürst Segimer erfüllte nichts minder sein Ampt / als den Platz; und kam so wol des Vaters Vertrauen und des Volckes Hoffnung / als seinen Jahren zuvor. Er setzte ihm alsbald für durch einen rühmlichen Anfang sich bey den Seinen beliebt / bey bem Feinde ansehnlich zu machen; wol wissende: daß wie die Sternseher aus dem einigen Geburts-Gestirne des menschlichen Lebens / also die Kriegs-Leute als ihres Heerführers erstem Streiche sein gantzes künfftiges Glück und Unglück wahrsagen. Weil nun durch lange Ruhe das Kriegs-Volck nur in allerhand Schwachheiten verfällt; tägliche Bemühung aber selbtes auff nichts böses gedencken läßt; rückte er mit seinem Heer denen Alemännern ins Hertz / und belägerte die Stadt Alzimoen. Wie nun Ariovist und Arabar[1023] der Catten Hertzog selbter zu Hülffe eilte / kam es daselbst zu einer hefftigen Schlacht / in welcher Segimer zwar verwundet / die Alemänner und Catten aber auffs Haupt erlegte; der Feinde zwölff tausend erschlagen / sechs tausend gefangen wurden. Dieser Sieg brachte den zwischen dem Feldherrn Aembrich und dem Hertzoge der Hermundurer schon ziemliche Zeit versuchten Frieden zu seiner Vollkommenheit /darinnen der Druyden Anforderungen ziemlich gemäßiget / den Barden und Eubagen auch die Freyheit ihres Gottesdienstes verstattet ward; wordurch der siegende Feldherr nicht alleine das alte Ansehen des Cheruskischen Hauses befestigte; sondern auch diß /was er aus erfahrner Unbeständigkeit des Glückes zu thun ihm hoch nöthig hielt; für eine ungemeine Gemüths-Mäßigung ausgelegt ward. Alle Klugen wusten ihn darum so wenig genungsam zu rühmen / als die Unterthanen ihm zu dancken. Sintemal ein seine unmäßige Gedancken zähmender Fürst einen unersättlichen Länderstürmer / wie ein gewandtes Pferd einen Läuffer / und wenn es mehr dem Zügel als dem Sporne gehorsamt / vielfältig übertrifft. In dem dieser nur entseelet und verwüstet; jener aber mit dem güldenen Frieden bauet und lebhafft macht; welchen Phielemon so unstrittig für das höchste Gut hielt; daß er alle als aberwitzig verlachte / welche es in was anderm zu finden meinten.

Hertzog Aembrich selbst meinte nun nicht alleine Deutschland guten theils in Ruh / sondern auch seine Hoheit in alten Stand gesetzt / und seine Herrschafft durch ihre Mittelmaß genung befestigt zu haben; welche eben so wenig von allzugrossem Wachsthume /als der Leib von übermäßiger Speise Kräffte bekommt; indem beyderseits die Verdäuung / nicht die Uberfüllung vorträglich ist. Alleine das Verhängnüß gönnte diesem Fürsten nicht lange diese Erquickung /und Deutschlande die süsse Ruh. Denn kurtz darauf benachrichtigte ihn die Königin Boudicea: daß Cäsar in dem Iccischẽ Seehafen bey nahe sieben hundert Schiffe segelfertig liegen / auch zu einem grausamen Kriege aus gantz Gallien fast alle Mannschafft aufgeboten; der Heduer Fürst Dumnorich sie aber in Vertrauen ihrer Schantze wahrzunehmen gewarniget hätte. Gleicher Gestalt fanden sich bey dem Feldherrn vom Fürsten Dumnorich / vom Hertzoge der Trevirer Induciomar / von den Carnutern und andern Galliern Gesandten ein / die wehmüthigst klagten: Wie sie nicht nur selbst in der Römischen Dienstbarkeit verschmachteten; sondern nunmehr wieder ihre eigne Blutsverwandten / die Britannier / ihre Schwerdter zücken und schärffen solten. Insonderheit beschwerte sich Induciomar: daß Cäsar ihm seine Gewalt überaus geschmälert hätte / und dem abgefundtnen Fürsten Cingetorich / welchem König Gotarts Tochter vermählet wäre; die Herrschafft über die deßhalben unwilligen Trevirer in die Hände zu spielen vorhätte. Wenige Zeit hierauf lieff auch Nachricht ein: Wie Induciomar sich wegen des mit sechs Legionen anziehenden Cäsars in dem Arduennischen Walde hätte verhauen; ja als er allenthalben sich umringet gesehen / endlich sich für Cäsarn demüthigen / und mit dem Cingetorich seine Gewalt theilen / auch erlauben müssen: daß Cingetorich den noch nicht bestillten Catten wieder die Cherusker acht tausend Mann zu Hülffe geschickt; Dieser schlimmen Zeitung folgte in wenigen Tagen diese betrübtere auf der Fersen. Nach dem Fürst Dumnorich weder durch den Vorwand seiner Verwandnüß / noch seiner Gelübde sich von dem Britannischen Zuge bey Cäsarn hätte loß bitten können /wäre er zwar mit seinen Heduern heimlich durchgegangen / in willens bey dem Feldherrn Aembrich unterzukommen / alleine Cäsar hätte deßwegen seine Abfarth verschoben / und ihm mit der gantzen Reuterey nachjagen / auch nach tapfferer Gegenwehr das Leben mit der Liebe der Freyheit benehmen lassen.[1024] Der Feldherr Aembrich meinte hierdurch zwar genungsame Ursache mit den Römern zu brechen überkommen zu haben; iedoch weil er seiner einheimischen Feinde sich noch nicht gar entledigt hatte / und er ohne gründliche Nachricht von der Römer Absehen / aus blossem Verdacht wieder sie einen Krieg anzufangen dem Rechte der Völcker nicht gemäß zu seyn achtete; schickte er eine Gesandschafft an Cäsarn seine Beschwerden ihm einzuhalten. Dieser aber versicherte den Feldherrn seiner beständigen Freundschafft: daß er nichts wieder die Königin Boudicea /sondern seinen selbst eigenen Feind Caßibelin / und auf Bitte des vertriebenen Fürsten Mandubrat / dessen Vater Imanuent vom Caßibelin unschuldiger Weise wäre durchs Beil hingerichtet worden / einen Zug in Britannien für hätte; daß er sich des Cingetorichs Fürhaben nicht anmaste; daß Dumnorich durch Antrieb seines Ehweibes des Orgetorichs Tochter viel Verrätherey wieder die Römer angesponnen / sein Bruder Divitiak ihm auch selbst schon etliche mahl den Hals abgesprochen / ja er wieder Cäsars Willen im Scharmützel das Leben eingebüßt hätte. Nicht so wol die Erhebligkeit dieses Vorwands / als die noch innerliche Unruh hielt Hertzog Aembrichs Schwerdt in der Scheide; und er für eine unvergebliche Sünde wieder die Herrschens-Kunst / wenn auch der mächtigste Fürst ohne Noth mit zweyen Feinden zugleich anbindet. Welchen Fehler die vermessene Stadt Athen allzutheuer bezahlte; in dem sie in Sicilien einzufallen sich wagte / da sie doch in den Pelopoñesischen Krieg eingewickelt war. Es reitzte ihn zwar sein Hertze an den Römern die Beleidigung zu rächen; seine Vernunfft aber sagte ihm: daß empfangenes Unrecht der Beleidigten Untergang sey / wenn sie den Eyver für ihre Ehre nicht mit der Klugheit vereinbaren; das schon vergangene Ubel rächen wollen / sich aber in neues Elend stürtzen / und aus einem Fehler / den sie verbessern wollen / tausend machen. Nebst dem überlegte er: daß Fürst Dumnorich nicht wiederlebendig gemacht werden könte. Denn wer unwiederbringliche Sachen wieder in ersten Stand zu setzen meinet / mißt ihm mehr Gewalt zu / als GOtt hat; und verspielet Müh und Kosten darüber mit Schaden / was keiner Glückseligkeit mehr als der Vergessenheit fähig ist. Bey dieser Entschlüssung brachte er nicht alleine fast gantz Deutschland auff seine Seite; sondern die Fürsten erklärten auch auf seinen Todesfall den tapfferen Segimer zu seinem Nachfolger; ungeachtet sonst freyen Völckern nichts ungewöhnlicher / oder dem Wahl-Rechte abbrüchiger ist; als bey Lebzeiten ihres erwehlten Hauptes sich schon einem künfftigen unterwerffen; sonderlich wenn dieser jenem mit Geblüte zugethan ist / oder viel Herrscher aus einem Hause genommen werden.

Als aber Cäsar nach Verlust vieler Schiffe und Volcks sonder andere Frucht / als daß er den verjagten Mandubrat denen Trinobanten wieder zum Fürsten eingesetzt hatte / in Gallien zurück kam; legte er den Quintus Cicero den Nerviern / den Fabius den Morinern / den Labienus den Trevirern mit einer / den Sabinus und Cotta den Eburonen mit zwey Legionen auf den Hals. Wie nun der Feldherr Aembrich Cäsarn auf Anhalten seines Bruders Cattivolck und des Fürsten Induciomar vergebens um Entlastung seiner Freunde anflehete / die Carnuter / welche den ihnen von Cäsarn auffgedrungenen Fürsten Taßget erschlagen / die Senones / welche gleichfalls den Cavarin aus dem Lande gejagt / und andere Gallier den Feldherrn Aembrich um Errettung von den grausamen Römern /welche doch auch schon Deutschland zu überziehen im Schilde führten / anfleheten; gieng er endlich mit zwantzig tausend Mann über den Rhein / zohe seinen Bruder Cattivolck an sich; und nach dem dieser den Sabinus und Cotta durch List aus der Festung[1025] Antuatuca und dem Läger gelocket / erlegten die Deutschen beyde Legionen mit ihren Häuptern; also: daß mit genauer Noth zwey Kriegs-Knechte durch die Wälder entkamen / und dem Labienus die traurige Zeitung brachten. So tapffer und klug rächete Hertzog Aembrich der Deutschen und Belgen Unrecht; welches auch die edelsten Gemüther aus Hoffnung künfftiger Vergeltung verschmertzen. Denn es ist so wol ein Streich der Klugheit die Empfindligkeit nicht mercken / als eine Zagheit sie verrauchen lassen. Wie es am schlimmsten ist / die Beschimpffung vergessen; also ist nichts künstlichers / als sie vergessen zu haben scheinen lassen. Cäsarn schmertzte dieser Streich mehr / als sein Verlust. Denen Atuatikern und Nerviern aber wuchs durch Aembrichs Sieg so weit das Hertze: daß sie den Cicero in seinem Läger belägerten; in Meynung: daß Induciomar mit den Trevirern den Labienus / und die Armorischen Städte den Roscius / der Abrede nach / angreiffen würden. Aembrich und Cattivulck führten selbst die Deutschen hertzhafft an / liessen die Gräber mit Reiß-Holtze füllen / die auf Römische Art gefertigten Sturm-Thürme anschieben; aber die verzweiffelte Gegenwehr der Römer schlug zwey hefftige Stürme ab. Dahero sie bey erlangter Nachricht: daß Cäsar bereit unterschiedene Legionen zusammen ziehe / sich entschlossen ihr Läger gleichfalls zu umschantzen. Den siebenden Tag ließ der Feld-Herr bey entstehendem starcken Winde eine grosse Menge thönerne Kugeln glüend machen /und selbte aus den Schleudern in das Römische Läger werffen / welches die mit Stroh- und Schilff-Schoben bedeckten Häuser leicht in Brand brachte. Der Feldherr führte hierauf zwar den dritten Sturm / und fiel an vier Orten das Römische Läger auffs grimmigste an. Allein weil kein Römer dem Feuer zulieff; sondern ieder mit unverwendetem Gesichte auff dem Walle gegen die stürmenden stehen blieb / die Sturm-Thürme auch durch brennende Pech-Kräntze in die Glut geriethen / zwey Sturm-Brücken zerbrachen / Cicero auch das ohne diß überaus feste Läger mit vielen vortheilhafften Abschnitten versehen hatte / musten nach sechsstündigen Sturme die Deutschen doch wieder ab lassen / ungeachtet die Cherusker und Nervier an zweyen Orten über den Wall kommen waren; allwo zwey Römische Hauptleute Varenus und Pulfio / welche ihre noch von den Eltern ererbte Feindschafft nicht allein in eine ruhmwürdige Eyversucht / wie einer den andern durch ritterliche Heldenthaten verkleinern möchte / verwandelten; sondern auch ieder dem andern diesen Tag das Leben erhielt; und derogestalt aus hartnäckichten Feinden zu vertrauten Freunden wurden; um nur nicht dem Vaterlande zu Schaden böse Kriegs-Leute abzugeben. Welche vernünfftige Gemüthsmäßigung auch des Themistocles Versöhnung mit Aristiden / noch den Emilius Lepidus / und den Livius Salinator nimmermehr vergessen lassen /die jener gegen den Fulvius Flaccus / dieser gegen den Nero ausübte / als die Gemeinschafft eines Amptes sie zusammen verband. Denn ob zwar die langsame Ablegung einer gefasten Gramschafft eines gerechten Zornes Kennzeichen seyn soll; so ist doch die geschwinde ein Merckmahl eines großmüthigen Hertzens / und eines redlichen Bürgers. Die Deutschen musten zwar dißmahl dieser beyder Römer Tugenden weichen; gleichwol aber waren der Römer so viel blieben / und die übrigen derogestalt abgemattet: daß nicht der zehende Mann ohne Wunden war / und sie sich folgenden Morgen ergeben hätten; wenn nicht eine Schildwache an einem Thurme zwey eingeschossene Pfeile mit zweyen daran gebundenen Briefen wahrgenommen / dieser aber durch Cäsars eigene Handschrifft dem Cicero theils in Grichischer Sprache / theils mit Ziffer-Buchstaben / welche Tullius Tiro des Cicero Freygelassener unlängst erfunden hatte /seine Ankunfft zu wissen gemacht hätte. Welche Nachricht Cäsar deñ noch selbigen Abend mit Anzündung vieler Feuer / und durch ein abermahliges Schreiben / das ein Gallier Vertico durchbringen ließ /[1026] bekräfftigte. Der Feldherr Aembrich rückte Cäsarn alsofort entgegen / und schlug ein Theil seiner Reuterey aus dem Felde. Dahero er den Deutschen eine Schlacht zu liefern sich nicht wagte; sondern in einem vortheilhafften Orte verschantzte. Ob nun wol die Deutschen das Römische Läger fort für fort beunruhigten / durch die Sümpfe biß an den Wall etliche Wege machten / die ausfallenden auch etliche mahl zurück trieben / und daher die Deutschen selbtes in Cäsars Augen zu erobern Hoffnung hatten; so störte doch eine Menge böser Zeitungen / oder vielmehr das Verhängnüß alle gute Anstalt. Denn Cingetorich hatte sich seinen Schweher Induciomar wegen des angezielten Krieges bey denen Trevirern wiedersetzt; die andern Gallier aus Zagheit und Furcht für Cäsarn ihre versa leten Kriegsvölcker wieder von sa en gelassen / die Semnoner durch Vermittelung der Heduer die Carnuter durch die Rhemer sich mit Cäsarn auffs neue verglichen / die sich wieder erholenden Catten und Alemäñer aber die mächtige Festung Utunte am Rhein / nach dem sie etliche mahl die zum Entsatz kommenden Cherusker und Quaden abgeschlagen /erobert / diese auch durch Hunger und Pest bey den Eudosen und Swardonen bey nahe dreyßig tausend Mañ eingebüst. Weil nun der Feldherr Aembrich wol sahe: daß im Kriege die Armen vieler Bundsgenossen mehr zur Verwickelung / als zum Siege dienten; und ihr Thun wie die Striche / welche gleich auf einen Mittelpunct zielten / ins gemein durch und wider einander gienge; hielt er den Galliern und seiner Ehre genung gethan zu haben / nun aber für nöthig dem Brande seines eigenen Feuers zueilen. Daher verließ er beyde Römische Läger / und überwältigte bey seiner Rückkehr die bey Zusa enfließung des Rheines und der Mosel auf einen hohen Fels gelegte Festung der Catten. Cäsar aber ward froh: daß er so wol sich erhalten / als den Cicero befreyet hatte. Weil aber fast alle Gemüther der Gallier gleichsam wider Rom im Jähren waren / traute er sich nicht die Nervier und Atuaticker zu verfolgen oder mehr zu verbittern / sondern blieb den Winter über bey der Festung Samarabrück stehen; iedoch war sein eines Auge stets gegen Deutschland wachsamer / als das andere über Gallien.

Induciomar hob inzwischen zwar seinen Römisch- gesinnten Eydam Cingetorich auf einem allgemeinen Landtage / da alle mannbare Mañschaft erscheinen muß / und der Letzte als ein Opffer abgeschlachtet wird / aus dem Sattel / nöthigte ihn zum Labienus zu fliehen; zohe auch ein Theil der Nervier und Atuaticker an sich / und beunruhigte des Labienus Läger; er ward aber in einem Ausfalle erschossen / und sein Haupt ins Römische Läger bracht. Gleichwol ließen die Trevirer den Muth nicht fallen / sondern bewegten mit Geld und großen Verheißungen den Herzog Aembrich zu abermaligem Beystande. Hingegen bekam Cäsar aus Italien drey neue Legionen; also: daß er derer nunmehr zehn in Gallien hatte. Uber diß stießen nach gemachtem Bündnüße zu Cäsarn sechs tausend Catten und Alemäñer / ja Cavarin und Comius führten unter ihm noch dreyßig tausend Gallische Reuter. Dahero schickte er zwey Legionen und den Cavarin dem Labienus wider die Trevirer zum Entsatz; Er und Comius aber brachen mit fünf Legionen unversehens bey denen Menapiern / mit derer etlichen Comius heimliche Verständnüß hatte / ein / und nöthigte sie zu einem Vertrage / Krafft dessen sie versprochen den Comius für einen Stadthalter des Römischen Rathes zu erkennen / und dessen Feinden nicht beyzustehen. Inzwischen verleitete Labienus die Trevirer durch angeno ene Flucht: daß sie unerwartet des im Anzuge begriffenen Feldherrn Aembrichs über die Mosel schwemmeten; welche aber Labienus / als die Helfte überko en war / aus einem Walde überfiel / und alles / was nicht in Eil zurücke schwa / erlegte. Welch unvernünftig Beginnen den Feldherrn so verdrießlich machte: daß er wieder über den Rhein zurück kehrte. Dahero der sieghafte Cäsar die Trevirer nicht allein leicht zum Gehorsam brachte / und ihnen den Cingetorich fürsetzte; sondern /[1027] weil die Uhier ihm auch allen Vorschub versprachen / schlug er dreyßig tausend Schritte oberhalb der ersten eine neue Brücke über den Rhein. Weil aber diese Uberkunfft denen Catten überaus verdächtig war; Zumahl da nach Absterben des Fürsten Winemars sein Kriegs-Volck Cäsarn die mächtige Festung Utente verkaufft hatte; zohe Hertzog Arabar in dem Bacenischen Walde eine grosse Macht zusammen / und ließ Cäsarn wissen: daß ihre Freundschafft länger nicht bestehen könte; da er über dem Rhein festen Fuß zu setzen vermeinte. Sintemahl er selbst wol wüste: daß vieler Völcker Freundschafft / und also auch ihre /keinen andern Nagel hätte / der sie hielte / als die Entlegenheit. Daher müste sie durch die Näherung nothwendig zerrissen werden. Diese unvermuthete Zuentbietung; der besorgliche Abgang der Lebens-Mittel /und die Nachricht: daß Hertzog Aembrich mit etlichen tausend Deutschen bey seinem Bruder Cattivolck an der Maaß ankommen wäre / nöthigte Cäsarn zurück über den Rhein zu kehren / die Brücke grossen theils abzubrechen / und durch den Arduennischen Wald gegen Hertzog Aembrichen aufzuziehen. Nach zweyen Tage-Reisen kriegte Cäsar vom Cingetorich Nachricht: daß Hertzog Aembrich und Cattivolck nichts wissende von der Römer Annäherung sich im Arduennischen Walde fast gantz einsam auf einem Lust-Hause aufhielten / und daselbst den Fürsten der Arverner Vercingetorich / dessen Vater Celtillus fast über gantz Gallien Feldherr gewest /aber wegen angemaster allzugrossen Gewalt enthauptet worden war / um zwischen ihm und seiner Tochter eine Heyrath zu stifften / wie auch den Fürsten der Semnoner Acco erwarteten / um ein gemeines Bündniß wieder die Römer zu treffen. Dieses hatte ihm ein vertrauter Gallier durch einen eigenen Reuter zu wissen gemacht. Cäsar laß alsbald tausend der berittẽsten aus den Römern und Ubiern aus / ließ sie aber sich so wol auff deutsche Art kleiden / als rüsten / und schickte sie unter dem Minucius Bibulus diese sicheren Feinde zu überfallen. Dieser hatte das Glücke die andere Nacht unvermerckt an diß Lusthauß zu kommen / und / ehe es iemand gewahr ward / rings um zu besetzen. Aembrich war nach den Hunden der einbrechenden Römer am ersten innen. Daher weckte er den Cattivolck / ruffte seinen Edelleuten auf / und sprang dem Thore zu der Gewalt zu begegnen. Weil aber nicht dreyßig gewaffnete Leute auf dem Lust-Hause waren / der grosse Lermen hingegen die Menge / die Sprache die Römer bey Zeite verrieth / baten ihn die Seinigen sich durch den Garten über einen engen Tamm zu flüchten; welches er / wiewol schwerlich /willigte; sonderlich weil er seinen krancken und bettlägerichten Bruder im Stiche lassen solte. Wie er nun kein ander Mittel sahe / machte er sich mit zweyen Rittern nach genommenem kläglichen Abschiede von seinem Bruder / der sich um nicht lebendig in die Hände der Römer zu kommen mit Eibensaffte hinrichtete / und als seine getreue Cherusker inzwischen die Römer an der Pforten hertzhafft aufhielten / glücklich darvon / und durch den Wald an die Schelde zu denen noch nicht den Römern unterworffenen Menapiern /dahin sich die meisten Cherusker und Eburoner bey erschallendem Anzuge Cäsars gleichfalls flüchteten. Wie nun Cäsar alle gefangene Eburoner niederhauen ließ / und ihr gantzes Gebiete denen angräntzenden Völckern zur freyen Beute erklärte / wagte sich gleichwol Aembrich mit etlichen tausend Reutern denen Römern bald dar bald dort einzufallen / und ihnen nicht geringen Abbruch zu thun. Zuletzt kriegte er auch zwey tausend auf den Raub über den Rhein gegangene Sicambrer an sich; mit welchen er durch die Wälder unvermerckt biß an die von Römern besetzte Stadt Atuatuca kam / daselbst herum in der Vorstadt etliche hundert Römer erlegte / viel Römische Kauff-Leute[1028] mit reichen Beuten gefangen bekam / ja biß in die Festung drang / welche er auch behauptet hätte / wenn nicht Cäsar mit fünff Legionen herbey gerückt wäre. Worauf sich also Hertzog Aembrich mit seinen übrigen Cheruskern / Eburonen und Sicambrern zurück über den Rhein zoh; und nach dem die feigen Gallier bereit etliche mal die ihnen zu Hülffe geruffenen Deutschen alleine baden lassen / mit dem Vorsatze ihrentwegen keinen Degen mehr zu zücken /dem unglückseligen Gallien mit Unwillen den Rücken kehrte; welches Cäsar nunmehr viel härter als vorher drücken; den ihm verdächtigen Fürsten Acco auch mit vielen edlen Semnonern und Carunten zu tode prügeln und hernach ihre Köpfe auf die Thürme stecken ließ. Zumal die Catten und Alemänner nicht nur abermals durch unterschiedene Siege das Haupt über die Cherusker empor hoben / also der Feldherr alleine auff sich und seiner Deutschen Bundsgenossen Erhaltung bedacht seyn muste; sondern auch mit Cäsarn ihr Bündniß verneuerten / und ihm auf den Nothfall mit etlichen tausend Reutern wieder die abtrinnigen Gallier beyzuspringen; hingegen aber die Römer nicht über den Rhein zu setzen / noch den Batavern / Menapiern / und denen andern aus deutschem Geblüte entsprossenen und mit den deutschen verbundenen Völckern einig Leid zu thun versprachen. Nach dem auch Vercingetorich nach des Feldherrn Rückkehr die Heyrath mit seiner Tochter abbrach / und sich mit des Comius Schwester vermählte; brachte der um die Römer so hoch verdiente Fürst Segimer zwischen Cäsarn und seinem Vater einen Vergleich zu wege. Hingegen riß Cäsar durch seine am Fürsten Acco verübte Grausamkeit das Band der Liebe in aller Gallier Hertzen entzwey; also: daß fast gantz Gallien / und darunter selbst die Heduer / Allobroger / Comius und andere den Römern vorhin zugethane auf einmahl abfielen /den Vercingetorich zu ihrem Feldherrn erwehlten /und nunmehr ihr eusserstes für die verlohrne Freyheit thaten; zu einer Erinnerung: daß Reiche zwar mit der Spitze der Waffen gewonnen / nicht aber mit der Schärffe erhalten werden. Alleine entweder die Unvorsichtigkeit der Gallier / oder ein über sie würckender Unstern machte: daß alle ihre Anschläge wie unzeitige Früchte in ihrer Geburt verschmachteten / alle tapffere Entschlüssungen krebsgängig giengen; und ihrer viel Edle / wie Acco / in Cäsars Blut-Gerichte /gantz Gallien auch in die eusserste Knechtschafft verfiel. Worbey nicht zu leugnen ist: daß die Deutschen entweder aus allzugrossem Vertrauen auf ihre Kräfften; oder aus dem Triebe des Verhängnißes zu ihrem selbsteigenen Schaden nicht wenig Zunder zu dem Holtzstosse / worauf der Gallier Freyheit eingeäschert ward / getragen haben. Denn als Vercingetorich die vom Cäsar belägerte Stadt der Bituriger Noviodun entsetzte / ward die Römische Reuterey von Galliern völlig in die Flucht geschlagen; ja wenn damahls nicht der Chaßuarier Fürst Erdmund / des Segesthes Vater mit vierhundert deutschen Edelleuten die Gallier gehemmt hätte / welche jener Anfall niemahls auszustehen getrauen / wäre / allem Ansehen nach / das gantze Römische Läger / als in welches ohne diß die Gallier an zwey Orten einbrachen / aufgeschlagen worden. Nichts minder hätte Cäsar wegen Hungersnoth die Belägerung der schönsten Stadt Avaricum aufheben müssen; wenn er nicht von der deutschen Reuterey mit Vorrath wäre versorgt worden / weil Vercingetorich in der Nähe alles verbrennt und verheeret hatte. Eben so trieb Acrumer des Cattischen Hertzog Arpus Groß-Vater mit fünff hundert Catten bey die Belägerung der Stadt Gergo via / die Gallier aus dem Römischen Läger / woriñen Cäsar nur mit zwey Legionen den Fabius gelassen hatte; Als auch kurtz hierauf den Römern ein Haupt-Sturm ab- und in selbtem sechs und viertzig Hauptleute erschlagen wurden / Vercingetorich aber das Läger zugleich anfiel /[1029] muste auf einer Seite Cäsar mit der zehnden Legion / auf der andern Erdmund und Acrumer mit ihren Deutschen das beste thun; namen hierauf die Heduer den Römern Bibracte und Noviodun weg; Camulogen sa lete an der Seene ein mächtig Heer wider sie / die streitbaren Bellovacker brachten den Labienus zum weichen / die Trevirer / welche an Streitbarkeit allen Galliern überlegen seyn wollen / rückten mit dreyßig tausend Mann zum Vercingetorich nach Bibracte; und also schien die Römische Bothmäßigkeit in Gallien auf Trübsande und zerbrechlichem Grund-Eiße zu stehen. Allein ich weiß nicht: ob das Verhängnüß oder das Ungelücke die Deutschen verblendet hatte. Denn dieses macht auch die Klügsten unbedachtsam; und der Verlierende krieget eben so schli / als ein einbissender Spieler. Für eine so schädliche Entschlüssung halte ich: daß der Catten Hertzog Arabar den Trevirern einfiel / und sie zwang ihrem eigenen Ungelücke zuzulauffen. Deñ hierdurch ward den Römern Luft /der Gallier Bund aber schwach gemacht. Jedennoch war Cäsarn nicht wenig kummerhaft: daß die Allobroger durch starcke Besätzung des Rhodans ihm alle Gemeinschaft mit Italien abschnitten; und als er zu denen zweifelhaften Sequanern fortrückte / den Vercingetorich mit einem mächtigen Heere in Rücken bekam / dessen Reiterey allezeit der Römischen überlegen waren. Diese Noth machte Cäsarn die Larve eines großen Freundes der Deutschen für. Er beehrte sie mit einer ansehlichen Gesandschaft / mit Ubersendung vieler köstlichen Geschencke / und bot sich zum Mittler ihrer Zwistigkeiten an. Die redlichen Deutschen hätten sich für einem versöhnten und so herschsüchtigen Feinde hüten und gedencken sollen: daß übrige Weiße und Röthe nicht eines natürlichen sondern geschminckten Antlitzes / allzugroßes Liebkosen aber eines falschen Hertzens Farbe sey. So aber ließen sie sich nicht allein bereden: daß Cäsar es gar aufrichtig meinte; sondern meinten auch ihrer Schuldigkeit zu seyn / nach gegen einander geprüfeten Kräften und beygelegtem Unvernehmen ihn nicht hülfloß zu lassen. Diesemnach schickten ihm die Alemänner Catten / und Ubier sechs tausend leichte Reiter zu; welche bald zu Pferde / bald zu Fuße kämpften. Diesen hatte Cäsar dißmal sonder Zweiffel seine Erhaltung zu dancken. Deñ der gantze Adel der Gallier gelobte dem Vercingetorich durch einen theuren Eid an: sie wolten ihren Kindern / Eltern und Ehweibern nicht wieder ins Gesichte ko en / sie hätten sich denn zweymal durch die Feinde geschlagen; ja unter ihnen war eine Anzahl Bellovakischer edler Jungfrauen / welche ihre deutschen Mütter mit der Bedreuung in diesen Zug geschickt: daß / welche nicht eines erlegten Feindes Kopf zurücke brächten / nimmermehr solten vermählet werden. O des Heldenmäßigen Gelübdes! fieng die Königin Erato an zu ruffen. Bey welchem ich nicht weiß: Ob die Töchter oder die Mütter eines grössern Ruhmes wehrt sind. Diese / weil sie ihrer Töchter edle Geburt und ihre häußliche Tugenden nur für die Helfte eines Frauenzimmers / die Tapferkeit aber für ihr bestes Theil achten; und weil sie durch die Hertzhaftigkeit ihrer Töchter gleichsam den Fehler der Natur zu verbessern gedencken: daß sie dem Vaterlande nichts männliches gebohren. Jene aber; weil sie sich nicht ehe einem Manne zu vermählen würdig schätzẽ /als biß sie mit der Tugend Verlobung gehalten; auch einen andern Braut-Krantz als von erfochtenen Lorbern aufsetzen / und ihren Bräutigamen eine recht blutige Jungfrauschaft liefern wollen! Malovend versetzte: Ich würde der Tugend ihren Preiß strittig machen / welches ihre ärgsten Feinde noch nie gethan; wenn ich diesem Gelübde einen Mängel ausstellte. Aber ach! daß es nicht so wol in unser Macht stehet /glücklich / wie hertzhaft seyn. Wiewol auch diß weder in unser Bothmäßigkeit zu bestehen / noch eine Eigenschaft der Natur zu seyn scheinet. Denn diese ist ihr allezeit ähnlich. Daher würde der / der einmal hertzhafft gewest / es i er / wie das Feuer[1030] allemal heiß seyn müssen. So aber sehen wir auch die manchmal für einem Schatten / oder einer Maus zittern; für welchen ehmals Mauern und Heerschaaren gebebt haben. Daher ist es GOtt / der den Menschen das Hertze giebet und ni t; und das Verhängnüß bindet zwar alles an sein Gesetze; es kan aber nicht vertragen: daß wir selbtes an unsers / noch den Sieg an menschliche Gelübde binden sollen. Ja Kräfte und Klugheit zusa en werden für der ewigen Versehung zur Ohnmacht und Fehlern. Vercingetorich theilte seine Reiterey in drey Theil; den ersten führte Cotus /den andern Cavaril / zwey Fürsten der Heduer / den dritten Eporedorich. Diese griffen den an dem Fluße Alduaria sich endlich setzenden Cäsar so hertzhaft an: daß die Römische Reiterey nicht alleine zwischen die Legionen weichen muste / sondern auch diese bereit Noth lidten; weil die Gallier sie auf allen Seiten anreñeten / mit Pfeilen und Wurfspiessen überschütteten / und denen annahenden Römern / welche mit ihnen zum Schwerd-Gefechte ko en wolten / wieder auswichen. Vercingetorich stand inzwischen mit seinem Fußvolcke an einem festen Orte stille / in Meinung nach der Römer gäntzlicher Abmüdung so denn allererst mit desto kräftigerm Nachdrucke einzubrechen. Die Noth war nun recht an Mann ko en / als auf einem Berge sich ein neues Heer Reiterey sehen ließ; welches anfangs die Römer wegen ihrer langen Spieße gleichfals für feindliche Gallier ansahen / und darüber bey nahe in Verzweiflung geriethen. Alle Glieder wanckten schon im Römischen Heere / und Cäsar hatte alle Hände voll zu thun sie in Ordnung zu halten. Sie erkennten sie aber bald darauf mit desto grössern Freuden für deutsche Hülfs-Völcker; welche zwar wegen angenommener Gefahr die gantze Nacht und den halben Tag ohne Fütterung geritten waren; dennoch auf die Gallische Reiterey mit eingelegten Lantzen loß giengen. Der Ritter Sultz führte den Vortrab / und traf auf den Fürsten Cotus so glücklich: daß er ihn aus dem Sattel hob / und vom Ritter Waldburg gefangen ward. Ein abgefundener Fürst der Catten Palland band mit dem Fürsten Cavarill an / und machte der Römischen Reiterey Luft sich wieder an den Feind zu hencken. Reifferschied / und Westerburg aber zwey erfahrne Kriegs-Obersten der Ubier hatten das Gelücke den Fürsten Eporedorich von einem hohen Felsen / worvon er die Römer mit Pfeilen als wie mit einem Hagel überschüttete / und beängstigte zu treiben; und hierdurch das gantze Kriegs-Spiel zu verrücken. Denn ob zwar Eporedorich und Cavaril das euserste thaten / Teutomat der Hertzog der Nitiobriger / und Comius der Atrebater / auch den Galliern mit dem Hinterhalt der Reiterey zu Hülffe kamen; Insonderheit aber die Bellovakische Fürstin Hadmudis mit ihren gewafneten Jungfrauen / welche aus ihren Augen hier so viel Gri / als sonst Liebe ausließen / durch ihre männliche Thaten den Deutschen und Römern gute Zeit den Sieg / und die Flucht der Gallier aufhielten / wurden sie doch endlich / wiewol nicht ungerochen / übermannet; also: daß nach dem Cavaril vom Ritter Tautenberg und Eporedorich vom Ritter Brandenstein gefangen ward; die Gallier mit Verlust mehr als sechs tausend der besten Reiterey die Flucht nehmen / und nebst dem Vercingetorich anfangs in ihr Läger / hernach gar an den Arar-Strom unter die Haupt-Festung Alesia / die auf einem hohen Felsen vom Fluße Armaneon auf beyden Seiten umgeben wird / weichen musten. Wie nun Cäsar nach an sich gezogenen zwey Legionen hierauf mit dem gantzen Heere folgte / und die Stadt Alesia / ungeachtet des unter der Stadt verschantzten Vercingetorichs / zu belägern entschloß / hielten die Deutschen nicht allein die gantze Macht der Gallier auf: daß die Römer sich ringsherum verschantzen konten; sondern als Vercingetorich auch mit seiner gantzen Reiterey die Römischen Arbeiter überfiel / und abermals ihre Wachten in die Flucht trieb; begegneten ihm[1031] die Deutschen abermahls so harte: daß ihrer zweytausend ins Graß bissen; verfolgten sie biß unter den Wall und an die Pforten des Gallischen Lägers; schnitten selbtem auch durch tägliches Streiffen alle Zufuhr ab; also daß Vercingetorich gezwungen ward unterm Comius alle Reiterey des Nachts zu Einholung mehrer Hülffe von sich zu lassen / sich aber mit allem Fußvolcke in Alesia einzuschliessen. Die Gallier kamen mit ihren eusersten Kräften über zweymal hundert tausend Mann starck zwar unter dem Comius / Viriomar / Vergasilan ihren obersten Kriegs-Häuptern der in euserste Hungers-Noth von Cäsarn gebrachten Festung Alesia zum Entsatz / und verschantzten sich nur fünffhundert Schritte vom Römischen Läger. Gleichwol aber war es keine Mögligkeit durch zu brechen. Inzwischen nam der Hunger / welchen allein die sonst alles zernichtende Zeit vergrössert / in Alesia so sehr überhand: daß denen meisten Kriegs-Leuten schon davon die Schenckel zerschwalen / und daher der darinnen befindliche Critognat / ein Fürst der Arverner / alle alte und zum Kriege untüchtige Leute zu der streitbaren Speise abzuthun unmenschlicher Weise einrieth. Rhemetalces fiel ein: Es wäre freylich wol mehr als viehisch zur Wollust Menschen-Fleisch verspeisen; weil wenig auch der grimmigsten Thiere auf ihr eigen Geschlechte wüteten. Dahingegen unter den Scythen und etlichen andern Völckern so abscheuliche Leute gefunden würden / welche Menschen-Fleisch zu feilem Kauffe auslegten / und auf ihre Gast-Maale die Gefangenen mästeten. Wiewol auch diese noch gegen dem Pollio zu Rom für heilige Leute zu achten wären / der seine Murenen in Hältern mit Menschen-Fleisch mästete / und in des Keysers Augustus Anwesenheit seinen ein Glaß zerbrechenden Leibeigenen zu ihrer Speise zerstücken hieß. Alleine die euserste Noth ist das oberste Gesetze / welchem alle andere Satzungen der Völcker ja der Natur unterworffen sind; welchem die Menschen nur blinden Gehorsam leisten müssen /ja die Götter es selbst nicht versehren können. Diesemnach in der eussersten Hungers-Noth Menschen zu schlachten und zu essen für keine unmenschliche Grausamkeit mit Rechte gescholten werden könte. Denn GOtt ließe alles zu / was nöthig / und das Recht / was unvermeidlich wäre; nach der einem Priester des Hercules von der Pythia eröfneten Wahrsagung. Die erwähnte Noth hiebe alles andere Recht auf / sie benehme andern ihr Eigenthum / und erlaubte fremdes Gut beym Ungewitter ins Meer zu werffen / beym Brande des Nachbars Hauß einzureißen / ja sie rechtfertigte den Diebstal; die Götter vertrügen den Kirchen-Raub / und die Entweihung ihrer Heiligthümer. Daher gantz Grichenland der Stadt Athen wider die Thebaner recht gab / die sie schmäheten / weil sie das heilige Wasser in dem Delphischen Tempel zu ihrer Nothdurft / ja so gar zum Handwasser verbraucht hatten. Denn wenn die Götter iemanden eine Nothwendigkeit aufbürden; bezeuget der / welcher sich ihr ohne Wiederspenstigkeit unterwirfft: daß er mit den Göttern nicht Krieg führen / noch durch gezwungenes Thun von der Bahn eines Weisen absetzen wolle; welcher zuweilen der Zeit / allemal der Noth aus dem Wege tritt / und mit dem willig zu frieden ist / worzu sie ihn doch zwingen würde. Die / welche das Loos /oder eine vernünftige Wahl zur Speise anderer bestimmet / haben sich auch so viel weniger über Unrecht zu beklagen; weil der Hunger sie ohne diß schmertzhafter aufreiben würde; und die wenigere Gesellschaft im Sterben den Tod ihnen nicht schwerer macht / ihre zeitlichere Abschlachtung aber vielen andern das Leben; ja das Vaterland im Stande erhält. Da es nun nicht allein zuläßlich / sondern rühmlich ist diesen zu Liebe sein Blut in Schlachten verspritzen /dem Codrus mit Fleiß in die feindlichen Spiße zu rennen / dem Themistocles durch[1032] getrunckenes Ochsen-Blut sich hinzurichten / den Philenen sich lebendig in Sand zu verscharren / dem Curtius sich in die gifftige Klufft zu stürtzen / den Deciern sich dem Tode zu verloben / warum soll es bedencklich seyn fürs Vaterland seiner Freunde Speise zu werden? Da die Eltern bey so viel Völckern ihre Kinder den Göttern fürs gemeine Heil aufopffern; da ein Feldherr seine Kriegs-Leute an einen Ort zu befehlichen Recht hat / wo der Tod seiner mit offenem Rachen wartet; da es rühmlicher ist sich mit der anvertrauten Festung durch die Glut in die Lufft schicken / sein Schiff in Grund bohren / als dem Feinde übergeben; warum soll es unrecht heissen auch die Wiedrigen zur Erhaltung mehrer und nützlicher Bürger abzuschlachten? Ist es denn vortheilhafftiger des Feuers / der Fäule / und der stinckenden Würmer / vielmahl auch der Fische Speise werden; als seiner hungernden Landes-Leute oder Blutsverwandten? Geben sich doch die Reb-Hüner den Habichten willig zur Sättigung hin / daß nur ihre Jungen entrinnen; warum sollen die unnützeren Menschen fürs Vaterland verspeiset zu werden Abscheu tragen? Dem Harpagus schmeckte an des grausamen Astyages Taffel das gebratene Fleisch seines eigenen Sohnes gut; warum soll uns in eusserster Noth / die uns offt Hunde / Katzen / Mäuse / Graß / Mist / und abscheulichere Dinge einnöthiget / für anderer Menschen Fleische grauen? Welches die Natur für andern zur Nahrung dienlich gemacht hat. Sintemahl doch diese unsere Mutter eben so begierig für Erhaltung des Leibes Unterhalt / als das Feuer Zunder verlanget; und uns zwar die Liebe unsers gleichen eingepflantzt /aber auch ein Gesetze gegeben hat uns in gleicher Noth mehr / als andere zu lieben / und wie sie durchgehends aus eines Dinges Verterb das andere gebieret / also auch mit anderer Untergang uns durch anderer Menschen Verterben darfür zu bewahren geboten hat. Die Gesetze erlauben den Eltern in so grossem Mangel ihre Kinder zu verkauffen / und der Willkühr fremder Grausamkeit heimzugeben. Haben denn nun diese durch gekaufftes Recht bessere Gewalt / als wir über sie? Ich finde nirgends: daß einige ihr Kind essende Eltern haben müssen für Recht stehen; zweiffelsfrey darum: weil der Hunger alles Ansehen der Natur wegnimmt / keines Schreckens achtet / die Empfindligkeit der zärtesten Mütter tödtet; daß sie nach dessen Blute lüstern wird / was sie mit ihrem gesäugt hat; ihre Frucht mit ihren Zähnen zerfleischet /die sie mit ihren Armen und Hertzen umfangen / und in ihren Magen vergräbt / was in ihren Eingeweiden lebendig ward. Daher die tapfferen Saguntiner ihnen das geringste Bedencken gemacht / so wol lebende Menschen zu schlachten / als Leichen zu essen / um der Treue ihrer Bundsgenossen keinen Abbruch / und für Erhaltung ihres Vaterlandes alles eusserste zu thun. Malovend versetzte: Ich weiß wol: daß diese letzte Schuldigkeit allen andern das Vor-Recht nehme / und die Liebe unsers Blutes / ja das Recht unser Leben zu erhalten uns benehme. Daher mag ich nicht hartnäckicht die Verspeisung der wol mehrmahls liederlicher verschwendeten Menschen nicht gäntzlich wiedersprechen. Gleichwol aber nicht ohne erhebliche Bedingungen / wenn nehmlich die eusserste Noth alle andere Erhaltungs-Mittel abstrickt; und einige Hoffnung der Erhaltung aus so grausamen Beginnen herfür blicket; wie es sich in etlichen Schiffarthen verirrten / oder Schiffbruch-leidenden begegnet ist. Wenn aber an unser Erhaltung das Heil des Vaterlandes nicht gäntzlich hänget; sondern man mit dem Feinde auff leidentliche Bedingungen abkommen kan / oder wenn so grausame Verfahrung nur eine Fristung /nicht[1033] eine Abwendung des Unterganges verheisset; halte ich selbte weder für vernünfftig / noch für verantwortlich. Zumahl da der bewehrten Aertzte Meynung nach / das Menschen-Fleisch eine schädliche Nahrung giebt / und das gantze Geblüte anzündet /hernach faulend macht. Massen diese Kranckheit bey denen Menschenfressenden Völckern sehr gemein ist; ja einsmahls ein gantzes Heer der Gallier darmit angesteckt worden / welchem boßhaffte Kauff-Leute gedörrtes Fleisch erschlagener Mohren für Stockfisch verkaufften. Ja in den Atlantischen Eylanden wird das schädlichste Gifft aus Menschen-Fett und Blute bereitet. Wenn es aber auch an sich selbst nicht so schädlich wäre / ist doch dessen Gebrauch selten iemand viel zu statten kommen. Massen denn die zu Sagunt und Astapa eben so wenig / als die Gallier in Alesia /nach ihren so blutigen Mahlzeiten weder sich noch ihr Vaterland / sondern alleine diß erhalten: daß sie der Flammen und des Todes Speise / oder ein Opffer ihrer gegen einander mehr / als viehisch ausgeübten Grausamkeit worden. Denn es scheinet: daß das Glücke denen sein Antlitz nicht zuwenden könne / welche der Natur verzweiffelt Gewalt anthun. Daher ich auch in dem Falle / da sich die Verspeisung der Menschen rechtfertigen läst / mir lieber die Speise / als der Gast zu seyn erwehlen würde. In Alesia hielt des Fürsten Critognat blutiger Vorschlag nicht lange den Stich /sondern die Noth verbitterte sich gleichsam ihnen alle Hülffe / und was der letzte Spar-Pfennig der Elenden ist / die Hoffnung abzustricken. Vercingetorich trieb zwar durch seine leichte Reuter und darunter vermischte Bogenschützen die zu Bedeckung des Lägers auff einer vortheilhafftigen Höhe stehende Römische Reuterey ab; alleine die deutschen Hülffs-Völcker schlugen mit einer unglaublichen Tapfferkeit / zu selbst eigener Verwunderung der Römer / die Gallier wieder herunter. Auch können die Romer nicht genung ihre Tugend heraus streichen / die sie in denen drey Hauptstürmen gegen die Gallier erwiesen. Insonderheit aber im letzten / als Vercingetorich und Critognat mit sechzig tausend Mann ausfielen / und Viriomar an zweyen Orten das Römische Läger stürmeten; ja Vergasulaun auff der Nordseite von einem hohen Berge in das niedrige Läger durch den Wall schon eingebrochen / Labienus verwundet / und alles voller Schrecken war; wuste Cäsar ihm keinen Rath /als daß er mit der Deutschen Reuterey auf der einen Seiten einen Ausfall thät; welche dem Vergasulaun in Rücken gieng; da denn der Ritter Blanckenberg dem Fürsten der Lemovicher den Kopff zerspaltete / der Ritter Beuchlingen aber den Hertzog Vergasulaun selbst gefangen bekam. Wordurch nicht allein die Römer aus eusserster Gefahr errettet / die Gallier Alesia zu verlassen / Vercingetorich aber den Belägerten einzurathen gezwungen ward: daß sie ihn todt oder lebendig Cäsarn einliefern / und darmit seinen Grimm besänfftigen solten. Wie nun dieser Angrieff als des sterbenden Galliens letzter Biß / Cäsars eigenem Bekäntnüße nach / der gefährlichste war; also war die Ubergabe Alesiens der letzte Schlag / welcher den Vercingetorich zu Bodem / und Gallien unter den Fußschemel der Römer stürtzte. Denn ob wol Comius / und Correus mit den Bellovaken die Deutschen um Hülffe inständigst anfleheten / und ihr Heil zum letzten mahl versuchen wolten / so brachten sie doch mehr nicht / als fünff hundert Sicambrer und Chauzen auff; welche die mit dem Cäsar wieder sie auffziehenden Rhemer in die Flucht brachten / und ihren Fürsten Vertisch todt schlugen. Alleine Cäsar setzte diesen Deutschen alsbald ihre eigene Lands-Leute in grösserer Menge entgegen; welche jene ohne sonderbahre Müh in der Gallier Läger trieben / und hernach in unterschiedenen Treffen den Galliern grossen Abbruch thäten / ja endlich den Fürsten Correus in[1034] Deutschland zu fliehen nöthigten; welchem Fürst Comius gleichfalls folgte / nach dem sich Volusenus ihn meuchelmörderisch hinzurichten vergebens bemüht hatte. Als auch Caninius die Festung Uxellodun belägerte /die Fürsten Drapes und Luterius aber in selbte einen grossen Vorrath zu bringen bemüht waren / schlug die deutsche Reuterey diesem nicht allein alle Wagen ab /sondern eroberte auch das Läger der Gallier / und kriegte der Ritter Waldenburg den Drapes selbst gefangen; welcher sich hernach durch Abbruch der Speisen selbst entseelte; als er vernahm: daß Cäsar den Carnutischen Fürsten Guturvat hatte zu tode prügeln /allen Gefangenen in Uxellodun aber die Hände abhauen lassen; wormit zugleich allen Galliern der Degen /oder vielmehr gar das Hertze entfiel.

Gallien war derogestalt wol überwältigt / aber Cäsars Hertze nicht gesättigt. Denn die Herrschsucht ist geartet wie das Feuer / das von seinem Zunder nur mehr hungrig wird. Sie ist weder mit sich noch mit andern vergnügt; und hält selbst die Zeit für ihren Feind / weil sie sich zwischen seine Begierde und den Besitz verlangter Dinge eindringet / und zwischen beyden eine Entfernung macht. Die Wehen ihrer Sehnsucht lassen niemahls nach. Denn ihre Mißgeburten lassen immer Affter-Bürden der ohnmächtigen Ehrsucht hinter sich. Weil nun Cäsar nach überwundenem Gallien keinen Oberherren / der grosse Pompejus nach untergedrücktem Asien aber nicht mehr seines gleichen vertragen konte / suchte das nunmehr allzugrosse Rom aus Mangel eines ausländischen Feindes ihm einen in sich selbst. Ein Ehrsüchtiger hält diß schon für einen Raub / wenn er nicht beko t / was seine Hoffnung seinen Verdiensten zugesagt hat. Daher war es Cäsarn zu Anspinnung des bürgerlichen Krieges schon genung: da der Rath ihm die Bürgermeister-Würde versagte / und nach geendigtem Kriege die Waffen niederzulegen ermahnte; gleich als wenn diese im Kriege wieder die Feinde / im Friede wieder die Bürger zu brauchen wären: daß sie nie mahls verrosteten. Beyde Uhrheber des grausamen Bürger-Krieges Cäsar und Pompejus meinten solchen allzu kaltsinnig anzufangen / wenn sie nicht die hertzhafftesten Ausländer mit ins Spiel wickelten. Diesemnach nahm Cäsar alle in Gallien geprüffte Deutsche Kriegs-Völcker mit in Italien; Pompejus aber zohe deßhalben Dejotarn mit seinen in Asien eingesessenen Deutschen an sich. Dieser allem Ansehen nach nicht so wol aus Kurtzweil des Glückes / welches durch unterschiedene Unfälle Cäsars Siege so viel herrlicher machen wolte / als Dejotarn zu Liebe er aus dem besetzten Brundusischen See-Hafen mit genauer Noth auf einem lecken Nachen entkam / durch dessen Hülffe er seine Sachen wieder zu Stande brachte / dem Dolabella und Antonius grossen Abbruch that / in Epirus Cäsarn friedsame Gedancken abnöthigte / und ihn mit grossem Verlust von der Stadt Dyrrhachium abschlug. Hingegen halffen die Deutschen bey Eroberung der Stadt Maßilien / bey Uberwindung des Petrejus und Afranius in Hispanien / nicht wenig zu Cäsars Siegen; weßwegen auch in dem Cäsarn auf dem Pyreneischen Gebürge aufgerichteten Siegs-Mahle auf der einen Seite des Cattischen Fürsten Acrumers Nahme mit in Marmel eingegraben ward. Den Gewinn aber der Pharsalischen Schlacht / da nicht nur der Stadt Rom und der beyden unersättlichen Kriegs-Häupter /sondern gleichsam der Welt und des menschlichen Geschlechtes Verhängnüß auf der Wag-Schale lag /hat Cäsar niemanden / als denen dreytausend deutschen Reutern unter denen Fürsten Erdmund und Acrumern ohne Wiederrede zu dancken. Denn nach dem Pompejus fast zweyfach stärcker / als Cäsar war / insonderheit aber dreymahl mehr Reuterey hatte / wormit er Cäsars Kriegs-Volck auf allen Seiten[1035] anfiel /mit solcher auch den rechten Flügel / in welchem Cäsar wieder den Pompejus stand / fast gantz umringte; musten die Deutschen das beste thun / welche nicht nur mit solcher Geschwindigkeit an allen Orten Cäsarn zu Hülffe kamen; daß alle andere Reuterey gegen jenen langsame Fuß-Knechte zu seyn schienen; sondern wenn der Feind meinte / er stritte mit einem Reuter / sprangen die Deutschen in einem Augenblicke von Pferden / und durchstachen die feindlichen über sich: daß sie mit ihren Auffsitzern zu Bodem stürtzten; oder sie zielten mit ihren Lantzen recht in die Augen ihrer zärtlichen Feinde; welchen also durch eine geringe Verwundung das Gesichte verbländet /und der Muth länger in der Schlacht zu bleiben benommen ward. Daher die Reuterey des lincken Flügels / nach dem Fürst Erdmund den Thracischen König Sadal über einen Hauffen gerennt / der Alemännische Ritter Zimmern aber den Cilicischen König Tarcondimot nach hefftiger Verwundung gefangen bekommen hatte / zum ersten in die Flucht bekam. Wiewol nun des Pompejus rechter Flügel wieder den Antonius eine gute Stunde länger Stand hielt; sonderlich weil König Dejotar als ein Löwe mit seiner Reuterey allenthalben für den Riß stand; so hatte doch der Ritter Leiningẽ anfangs das Glücke ihm durch Verwundung den rechten Arm unbrauchbar zu machen; Endlich drang Königstein / ein Bructerischer Ritter / welcher bey angehender Schlacht Cäsarn des Sieges / und daß er ihm / er stürbe gleich / oder bliebe lebendig / zu dancken Ursache haben würde / gleich einem wütenden Menschen durch seine Leib-Wache durch / riß ihn mit Gewalt vom Pferde / und kniete ihm auff den Hals. Worüber Königstein zwar mit vielen Wunden getödtet / Dejotar aber gefangen / und daher jenem von Cäsarn auff der Wallstatt ein köstliches Gedächtnüß-Mahl von Ertzt und Marmel auffgerichtet ward. Für diesen Schatten wurden die Deutschen lüstern nicht nur ihr Blut zu verschwenden /sondern auch durch Uberwindung anderer sich selbst Cäsarn überwunden zu geben. Mit Dejotars / und des Marcus Brutus Gefängnüße / welchen Ritter Salm in seine Hände bekam / entfiel allen Streitenden das Hertze; ja weil Cäsar allenthalben nicht so wol aus Erbarmnüß / als seine Feinde zu trennen ruffen ließ: Schonet der Bürger; und alle Macht aber auf die Asiatischen Hülffs-Völcker andrang / liessen die Römer /die zeither mehr für ihr Leben / als des Pompejus Sieg gefochten hatten / nunmehr die Hände / wie vorher den Muth sincken. Hierdurch ward nicht allein die Schlacht / sondern auch das Läger gewonnen; Pompejus aber / der hier durch keines Edlen Klinge fallen wolte / in Egypten zu fliehen genöthiget / wormit er seine Gurgel einem entwandten Knechte / und dem Messer eines verzagten Uberläuffers darreckte. Uber dieses ist des Chaßuarischen Ritters Tapfferkeit und Treue unsterblich; dessen Nachkommen hernach den Nahmen Steinfurth bekommen; weil er Cäsarn / als Ptolomeus zu Alexandria ihn mit grosser Macht in das Meer trieb / nicht nur wegen seiner Schwimmens-Kunst unterstützte / und durch die verborgenen Steinklippen zu denen Römischen Schiffen gleichsam einen Furth fand; sondern auch mit Fleiß sich in seinen Purpur-Mantel hüllete; wormit die feindlichen Pfeile nicht Cäsarn / sondern ihn selbst treffen möchten. Wie er denn auch zwar dardurch seine Grufft in den Wellen / aber auch hernach ein Ehren-Mahl an dem Egyptischen Seestrande / und die Unsterbligkeit seines Ruhmes bey der Nach-Welt bekommen hat. Alleine hatten die Deutschen Cäsarn bey Pharsalus den Sieg / bey Alexandria das Leben erhalten; so halffen sie bey Munda in der gefährlichsten Schlacht mit den jungen Pompejen / da Cäsarn[1036] sein Glücke selbst nunmehr verdächtig fürkam / und ihm eine traurige Abwechselung ahnete / seiner eignen Verzweifelung ab. Denn Cäsar ward daselbst gleichsam selbst zum Steine / als beyde Heere mitten in dem hizigsten Todschlagen / da iedem schier der Jäscht für dem Munde stand / in einem Augenblicke als todte und stumme Bilder gegen einander erstarrten / und die schon halben Streiche zurücke hielten. Ob er sich nun zwar und sein Heer wieder ermunterte / und beyderseits der aus Göttlicher Regung erwachsene Stillestand sich wieder in Würgen verwandelte / hielten doch Cäsars älteste Krieges-Leute wieder die verzweiffelten Pompejen mehr aus Schande als Tugend Stand. Der Kern seines Heeres die zehende Legion kam zum weichen / ungeachtet der gleichsam rasende Cäsar Augen / Hände und Stimme sie auffzuhalten brauchte. Daher er ihm selbst den Degen an die Brust setzte / wormit er nicht dem grossen Pompejus im Tode gleich würde / dem er an Macht schon zu vor kommen war. Aber nicht so wol ein Römer / der ihm den Degen ausrieß; als Sarganß / ein Alemännischer Kriegs-Oberster / der mit zwey tausend Mann in das Pompejische Läger einfiel / lehnte von Cäsarn nichts minder die Schande der Zagheit / als seine und seines Heeres Niederlage ab. Denn als Labienus dem Läger drittehalb tausend Mann zu Hülffe eilen ließ / legte Hertzog Acrumer es der Römischen Reuterey für eine Flucht des Feindes aus; waren also die Deutschen die Ursache eines herrlichen Sieges. Ja weil eine ziemliche Anzahl der deutschen Ritterschafft todt blieben / nagelten sie bey Belägerung der Stadt Munda aus Verbitterung ihrer Feinde Leichen mit Spießen zusammen; machten davon um die Stadt für sich eine Brustwehre / und bauten durch so viel Siege Cäsarn einen herrschafftlichen Stul in Rom über die halbe Welt / wiewol zugleich ein Ziel des Neides / und eine abschüßige Stiege zu seiner Grufft.


Als die Römer derogestalt mit ihren Waffen ihre eigene Eingeweide zerfleischten; Dachte kein Römer mehr den Deutschen einigen Abbruch zu thun. Cäsar hielt zwar zu Rom auf einmahl fünfferley Siegs-Gepränge. In dem über Gallien ließ er alle eroberte Städte und Siegs Bilder aus Citronat-Holtze; über das Pontische Reich / alle aus dem rothen Egyptischen Acanthus-Holtze / über Egypten aus Meer-Schnecken / über Africa aus Helffenbein / über Hispanien aus gedrieseltem Silber fürtragen. Er vertrug auch: daß der Römische Rath seine Seule zwischen die Bilder der sieben Römischen Könige setzte; ja ein Theil dessen ihm die Gewalt aller Römischen Frauen nach Belieben sie zu bedienen zueignete. Als aber der heuchelnde Antonius nebst einem Königlichen Krantze und Stabe ihm aus dichtem Golde das Bild des gefesselten Rheines fürstellte / und Cäsarn bereden wolte jene Königliche Zeichen nicht allein zu tragen / sondern auch dieses mit auffzuthürmen / schlug Cäsar beydes ab / vorwendende: daß das erste ihm zu wenig / das letztere zu viel wäre. Denn er wolte mit keinem Getichte die Warheit der übrigen Siege verdächtig /noch die Deutschen unwillig machen; sondern er rieth den Römern vielmehr: daß sie mit diesem unüberwindlichen Volcke lieber gute Verträuligkeit pflegen; als durch vergebliche Antastung ihre Schwäche verrathen solten. Wiewol auch seine vertrauteste ihm in Ohren lagen: daß er die Bürgerliche Ruh in Rom nicht besser / als durch eusserlichen Krieg / erhalten /und durch öffters Aderlassen das Haupt für allen beschwerlichen Dünsten verwahren könte; war er doch nicht zu bereden durch Krieg wieder[1037] die Deutschen seinen Ruhm noch einmahl in Gefahr zu setzen; sondern als er ermordet ward / berathschlagte er sich gleich / wie er den Parthen und Geten eines versetzen möchte.

Derogestalt hatten die Deutschen nunmehr wol die Hand in den Römischen / die Römer aber nicht in den Deutschen Händen. Alleine wie die Sommer-Wärmde die gifftigen Feuchtigkeiten in die Lufft empor zeucht; welche die Kälte des Winters in der Erde verschlossen hielt; als öffnete die verschwundene Gefahr für den Römern in Deutschland die alten Regungen der Herrsch- und Eyversucht. Die Catten waren den Cheruskern niemahls auffsetziger gewest / als itzt; da ihr Glück und Ansehen gleichsam wieder sichtbarlich zunahm. Denn der Neid hat die Eigenschafft der nur den vollen Mohnden anbellenden Hunde; und ist ein Gifft / welches nicht wircket / wo es keine Wärmde findet. Denn ob zwar einige die Todfeindschafft der Catten und Cherusker / wie auch etlicher andern Völcker einem wiedrigen Einfluße der Gestirne / oder einer andern geheimen Würckung der Natur zueignen; auch etliche gar getichtet haben: daß beyder Blut in einem Becken sich wie der Rhodan in dem Lemannischen See nicht mit einander vermischten; daher auch selbte mit der Mutter-Milch gleichsam denen Kindern eingeflößet würden; so ist doch der Warheit vielmehr gemäßer: daß die Ober-Herrschafft in Deutschland der Cheruskisch- und Cattischen Häuser Zanck-Eisen /und die Uberschlagung der Zunge in der Wage Deutschlandes stets der Uhrsprung eines neuen Krieges / wie für Zeiten zwischen den Grichen und Persen / Asien / zwischen Rom und Carthago das Mittelländische Meer mit seinen Eylanden der Zanck-Apffel gewest wäre. Dieser Eigen-Nutz wäre das Geheimnüß / das die Naturkündiger nicht zu nennen wüsten; und das nicht nur die Menschen / sondern auch Thiere und Gewächse gegen einander zwistig machte. Die Feindschafft zwischen der Eiche und dem Oel-Baume / zwischen Kohl und dem Weinstocke / zwischen Rosen und Knoblauch / rühret aus nichts anderm her / als daß eines dem andern die Nahrung raubt. Der Adler und Drache führen einen ewigen Krieg der Schlangen halber mit einander / die beyde zu ihrer Speise / wie die Catten und Cherusker die Deutsche Herrschafft allein haben wollen. Weil aber weder ein noch das andere Hauß wegen der andern Deutschen Fürsten Eyversucht ihm nach diesem Bissen die Zähne darff lassen wässericht werden; ist inzwischen die Feldherrschafft die Braut / darum beyde tantzen. Denn ob selbte zwar mehr Schatten der Ehre / als wesentliche Macht an sich hat; so ist doch die Ehrsucht nach einem Lorber-Blate offt lüsterner / als nach einem Granat-Apffel; und der Adler um die Herrschafft der Lufft alleine zu behaupten / verfolget den ohnmächtigen Schnee-König nur seines ihm verdächtigen Nahmens halber biß auff den Tod. Daher rückten die Catten dem Cheruskischen Hause auff: daß selbtes nicht so wol durch Tapfferkeit / als durch vortheilhafftige Heyrathen sich vergrössert / und in Deutschland so viel Leut und Länder unter sich gebracht hätte; dessen ungeachtet verschmäheten nunmehr von geraumer Zeit her die Cheruskischen Fürsten andere ältere Geschlechter / und vermählten sich entweder nur mit ihren Blutsverwandten / oder gantz fremden Weibern. Segimer hätte so gar eines Parthischen Leibeigenen des Surena Tochter geheyrathet; da doch voriger Zeit die deutschen Fürsten auch selbst denen Persischen Königen ihre Kinder versagt hätten. Uber diß stellten sie Asblasten / Segimers Gemahlin eine übrige Zärtligkeit zum Mangel aus / wordurch der Morgenländer weichliche Sitten und Lebens-Art in Deutschland unvermerckt eingeschleppt / und der alten Tugend / welche unter Schweiß und Staub einen sicheren Auffenthalt hätte / als Balsam[1038] und Seide / nicht geringer Abbruch gethan würde. Daher hätte der grosse Alexander auffs schärffste verboten einige Asiatische Weiber / oder nur die mit ihnen erzeugten Kinder mit in Macedonien zu nehmen; um durch sie nicht die väterlichen Sitten anzustecken. Unvergleichlichern grössern Schaden aber thäte eine solche Fürstin; welche nicht nur über das Volck / sondern über den Fürsten selbst zu herrschen gewohnt wäre. Andere Menschen könten zwar Verräther der Könige seyn / ihre Gemahlinnen aber verleiteten sie ins gemein: daß sie Verräther ihrer selbst würden; und die / welche ihnen nach Leben und Reiche stünden / rechtfertigten und belohnten. Da nun Fürsten selbst der Weiber Sclaven würden; und sie ihnen in Abgötter verwandelten; wer wolte zweiffeln: daß nicht auch das Volck nach dem Beyspiele der Thebaner / die des Königs Demetrius Beyschläfferin Lana zu Sicyon der Lamischen Venus Tempel einweihten / sie für ihre Herrscherin verehren / und für ihres Lebens Richtschnur annehmen solte? Die Heucheley wäre bey Hofe eine so dienstbare Sclavin: daß sie die Fehler der Fürsten für Tugenden / und die Gebrechligkeiten für Zierden anbetete; mit dem Clisophus / dem einäugichten und hinckenden Philip zu Liebe / ihr das eine Auge verbinde / und hinckte; ja mit selbtem das Maul rimpffte; mit dem Chirisophus dem Könige Dionysius sonder bewuste Ursache lachte /seinen eingeschluckten Speichel für süsser als Honig preiste / und mit dem Antlitze selbten auffienge; mit andern Tellerleckern dem Hiero zu gleichen sich bey der Tafel übersichtig stellte; mit andern dem grossen Alexander zu gleichen den Kopff auf die Seite hienge; ja mit dem Cambalus dem Selevcus / oder auch gar einem solchen Hofeschrantzen zu Liebe sich verschneiden liesse; und um eine Hand voll schnöder Gunst zu erhalten begierig die Männligkeit einbüste. Man hätte für weniger Zeit in der Nachbarschafft wahrgenommen / wie nach zweyer Fürsten Beyspiele ihnen gantze Länder ihre Köpffe kahl geschoren /derer einer wegen Hauptweh / der ander wegen empfangener Wunde die Haare abscheren lassen. Ein vertorbener Hut-Krämer hätte sich durch Bestechung eines Höflings wieder in Stand gesetzt; der seinen König beredet einen von seinen veralterten Hüten zu tragen; weil er die übrigen in einem Tage um zehnfach Geld anwehren können. Noch viel anfälliger aber wären die Laster der Fürsten. Denn iederman meinte so denn durch ihre Nachthuung ans Bret / und in die Gnade seines Herrn zu kommen. Die zaghafftesten der Sünden würden so denn behertzt. Und mit einem Worte / das Ubel fiele aus dem Haupte auf die Lunge eines gantzen Volckes / und daher müste daraus eine tödtliche Verzehrung folgen. Jedoch wäre diß noch alles Kinderspiel gegen dem / wie eine wollüstige Fürstin das gantze weibliche Geschlechte / ja das gantze Reich gleichsam im Augenblicke an ihr Seil bringen / oder vielmehr bezaubern könte. Keine edle Frau in einem Lande wird für gescheut gehalten / welche nicht eine Aeffin ihrer Königin ist. Denn alle lassen gedultiger ihren guten Sitten und Tugenden auf den Fuß / als jene Carische Weiber beym Artabazes auf den Rücken treten / welche dem auf die Wagen steigenden Frauen-Zimmer bey Hofe zum Fuß-Schemmel dienten. Eine fremde Königin hätte unlängst das benachbarte Sarmatien aller seiner Schätze beraubt /den König wie einen Zeidel-Bär an der Kette geführet / allen Reichs-Räthen güldene Ringe durch die Nase gezogen / die alten Gesätze und Sitten in ihre Landes-Art verkehret; und es wäre um der Sarmater so beruffene Freyheit gethan gewest; wenn der mitleidende Tod nicht mit dem Fademe ihres Lebens zugleich das Seil ihrer Dienstbarkeit entzwey geschnitten hätte. Nichts bessers hätte sich Deutschland von Segimers Gemahlin zu versehen / in welcher Vaterlande die[1039] Dienstbarkeit eine Tugend / ihr Geschlechte niemahls zu herrschen gewohnet / derer aus Königlichem Uhrsprunge zur Herrschafft gelangender Leute Eigenschafft aber wäre / in der Bothmäßigkeit keine Maaß halten / und ihrer Hoffart kein Ziel stecken. Auch müste man sich nicht Asblastens angenommene Tugenden irre machen lassen. Denn die Laster wären niemahls gefährlicher / als in diesem Kleide; und wie es schwer wäre der Männer Gemüther zu ergründen; also hielte er es für Unmögligkeit die weiblichen ausnehmen. Dieser schlaue und scheinbare Vorwand schaffte nicht nur eine grosse Verbitterung bey den alten Feinden der Cherusker / sondern auch eine nicht geringe Abneigung bey ihren Bunds genossen; zumahl der Hermundurer Hertzog Briton seine Tochter an Segimern zu vermählen vergebens sich verspitzt /der Catten Hertzog Arabar aber die Heyrath mit der Alemännischen Fürstin Vocione als ein dienliches Band des allgemeinen Frieden in Deutschland vorgeschlagen hatte. Ja in denen Cheruskischen Ohren selbst gewan dieser Vorschlag einen so süssen Klang: daß sie dem Fürsten Segimer anmutheten / entweder die ohne diß unfruchtbare Asblaste gar zu verstossen /oder / Vermöge der denen Fürsten in Deutschland vor Alters her zukommender Freyheit noch eine Gemahlin zu erkiesen. Hertzog Segimer nahm diese Meynung übel auff; sahe die sich hiervon nur etwas aufzuwerffen erkühnenden sauer an; und hielt ihnen ein: Fürsten hätten wol Macht ihren Unterthanen / ob und wen sie heyrathẽn solten / Gesetze vorzuschreiben / damit nicht des Vaterlandes Güter in die Fremde kämen /oder verdächtige Ausländer einnisteten; diese aber könten die Ehen der Fürsten eben so wenig ohne Unvernunfft / als die Sternseher die Vereinbarungen der Gestirne tadeln. Gleichwol verbarg er dieses Unvergnügen des Volkes für seiner so hertzlich geliebten Asblasten auffs möglichste: Alleine es ist kein Ritz so enge / durch welchen nicht die Heucheley den Fürsten die verborgensten Heimligkeiten zustecken könne. Wiewol allhier das Mitleiden einer an dem Cheruskischen Hofe lebender Dulgibinischen Fürstin diese bekü erte Zeitung Asblasten am ersten zubrachte / wormit sie durch ihre Klugheit dieser Gefahr so viel leichter / und ehe das Ubel mehr Wurzel faste / vorbeugen könte. Als nun ein und andere Frauen-Zimmer nach und nach eben diß erwehnten / Hertzog Segimer aber hiervon gegen sie das geringste nicht mercken ließ; verfiel ihr heimlicher Kummer in einen empfindlichen Argwohn: daß er unter der Hand mit der nicht nur schönen / sondern auch überaus reichen und verständigen Fürstin Vocione eine Heyrath abhandeln liesse / und daß man ihr erst nach geschlossener und unhintertreiblicher Sache hiervon Meldung thun / um ihr auff einen Schlag alle Wiedersprechung abzuschneiden. Es ist noch zur Zeit ungewiß: ob die über mäßige Begierde Asblastens ihren Eh-Herrn auch mit ihrer eussersten Seelen-Kränckung zu vergnügen /oder die unrechte Tochter der Liebe / nemlich die Eyversucht sie eine seltzame Entschlüssung zu fassen bewegt habe. Denn als Segimer von dem Feldherrn seinem Vater mit etlichen tausend Edelleuten gegen die Alemannische Gräntzen wieder den besorgten Einbruch geschickt ward / bildete ihr Asblaste ein: es wäre unter diesen Schalen viel ein ander Kern / nehmlich die gäntzliche Vollziehung einer neuen Heyrath mit Vocionen verborgen. Daher machte sie sich in männlicher Tracht mit zweyen ihrer getreuesten und lebhafftesten aus Parthen gebrachten Jungfrauen heimlich aus dem Staube. Der Feldherr Aembrich ließ ihr vergebens auff allen Strassen nachsetzen / weil eine ihrer Jungfrauen unter vor gewendeter Unpäßligkeit ihre Entrinnung drey Tage verhölete; der zurückkommende Segimer aber / welcher etliche Bojische Oerter wieder erobert / und[1040] den Alemannischen Aufzug durch blosse Kriegs-Listen vernichtet hatte /fand an statt eines Siegs-Gepränges diese traurige Zeilen in seinem geheimsten Schrancken:

Die den Tod für die gröste Würckung der Liebe halten / haben entweder ihre edelste Kraft nicht ergründet / oder ihr grosse Unvollkommenheit zugeeignet; wo nicht gar ein Irrlicht für einen Stern erkieset. Es ist leichter / und darff nur einen behertzten Schnitt / oder die Pein eines Augenblicks für den geliebten sein Blut abzöpffen; die Ausstehung aber vieler der Seele zusetzenden Gemüths-Regungen ist etwas übermenschliches. Dieses traue ich mir ausgeübt zu haben / wenn ich der tugendhafften Vocione das nur zur Helffte verlangte Bette meines unschätzbaren Segimers gantz einräume / ihm aber durch meine Anwesenheit keine Unmögligkeit auffbürde seine Liebe so zu theilen: daß die Wagschale nicht hier oder dort überschlage. Der Natur ist es unmöglich mit Feuer zu leschen / und mit Wasser anzuzünden / aber nicht der Liebe. Diese verzehret in mir selbst die lodernden Flammen; und meine angenommene Kälte stecket das Hertze meines unvergleichlichen Segimers gegen der Fürstin Vocione an; welcher ich deßhalben nicht gram seyn kan / weil sie der liebet / dem ich mein Hertze fürlängst tausendmahl aufgeopffert habe. Lebe diesemnach wol / Segimer! und betheile Vocionen mit deiner gantzen Liebe / deine unglückselige Asblasten aber nur mit einem wenigen deines Andenckens.

Die erste Nachricht von Asblastens Entweichung hatte Segimern in Verzweiffelung versetzt; dieser Brieff aber machte ihn gleichsam gantz rasend. Endlich als alle menschliche Mittel sein Gemüthe zu besänftigen vergebens waren / verlohr sich Fürst Segimer zu seines verlebten Vaters und des unruhigen Vaterlandes höchster Bestürtzung nicht nur vom Hofe /sondern aus gantz Deutschland.

Bey Entfallung dieser Seule / welche des nunmehr verlebten Feldherrn Aembrichs schwache Achseln unterstützte / fiengen die Cheruskischen Kräften wieder an zu sincken; die unter ihres Geblütes Fürsten zeither gestandene Eburoner und Moriner fielen durch einen gewaltsamen Aufstand ab / und erwehlten jene ein Kind von drey Monaten Arabars Sohn / diese aber einen Fürsten / der nur dem mütterlichen Stamm-Baume nach von Cheruskischem Geblüte herkam / zu ihrem Olerhaupte. Aembrich gerieth selbst mit vieler Fürsten Deutschlandes auf einer Reichs-Versammlung in der Stadt Casurgis in nicht geringe Gefahr; weil die Catten mit einem mächtigen Heere selbte unverhofft umgaben. Wiewol nun diese ungemeine Noth alle Kräfften der Cherusker und Ubier eilfertig zusammen brachte / und den Feind nicht allein aus dem gantzen Bojischen und Hermundurischen Gebiete trieb; so wendete sich doch bald das Blat. Obymal der Cheruskische Feldhauptmañ ward von Arabarn in dem Gebiete der Usipier geschlagen / er selbst gefangen. Aribert / ein Hertzog der Angeln / welcher nach des Fürsten Gotarts Tode auf die Cheruskische Seite getreten war / weil man ihm in der Feldhauptmannschafft den Ritter Stordesten für gezogen hatte / ward unter dem Sudetischen Gebürge mit seinem gantzen Heere erlegt; und kurtz darauff Löwenmuth Aembrichs ander Sohn auff eben der Stelle / wo König Gotart seinen ersten Sieg erlangt hatte / mit fast nicht geringerm Verlust aus dem Felde geschlagen. Also bindet das Verhängnüß nicht nur einerley Zufälle an gewisse Tage und Namen; sondern auch an etliche Oerter. Hertzog Aembrich legte hierüber mit seinem Leben auch die Sorgen seiner Herrschafft und die Bekümmernüß über sein zerrüttetes Vaterland und die Entfernung des Fürsten Segimers ab; verließ also inzwischen die Verwaltung des Reichs und die Aufferziehung seines nur einjährigen[1041] Sohnes Ingviomers dem Fürsten Löwenmuth. Seinen letzten Athem wendete er noch zu einer beweglichen Ermahnung gegen seine umstehende Räthe an: daß sie die Beruhigung Deutschlandes dem Glantze seines eigenen Hauses /und allen andern Staats-Gesetzen fürziehen solten. Denn der Friede wäre der einige Balsam / durch welchen ein verwundetes Reich wieder geheilet; das Horn des Uberflußes / aus welchem die erschöpfften Länder wieder erfüllet; ein Labsal / mit welchem ohnmächtige Völcker wieder erquickete ein Oel-Baum / von welchem Väter des Vaterlandes alleine bekräntzet werden könten. Wie hertzhafft und sorgfältig nun dieser Fürst dem Reichsfürstand; so war doch das blinde Glücke in seinem wiedrigen Rennen durch keine Tugend nicht auffzuhalten. Gleichwol aber brachte es seine Vorsicht so weit: daß weil die Catten die Alemännische Fürstin Vocione und die übrigen Bundgenossen den durch den König der Cimbern Frotho für geschlagenen Frieden gäntzlich ausschlugen / dieser tapffere Fürst wegen verschmäheter Vermittelung /oder weil der Catten und Svionen durch so viel Siege täglich anwachsende Gewalt ihm verdächtig ward /sich den Cheruskern zu helffen rüstete. Aber so bald Stordeston von dieser nachdencklichen Krieges-Rüstung Wind bekam / rückte er und die Fürstin Vocione dem Cimbrischen Könige Frotho auff einer / und Gunholm mit einem absonderlichen Krieges Heere der Svioner auf der andern Seite über den Hals; brachten es auch durch zwey zu Lande / und eine zur See gewonnene Schlacht dahin: daß er noch selbiges Jahr einen nachtheiligen Frieden schlüssen / und dem Cheruskischen Bündnüße abschweren muste. Als derogestalt der gröste Krieges-Schwall sich zwischen die Ost- und West See gezogen hatte / kriegte Fürst Löwenmuth zwar Lufft / etliche von den Svionen und Catten in dem Quadischen Gebiete besetzte Plätze wieder zu erobern; aber Arabar hetzte denen Cheruskern alsbald einen neuen Feind / nemlich die Könige der Pannonier und Japyden auff den Hals; welche durch ihren schleunigen Einfall den Lauff ihres vorigen Sieges hemmeten. Uber diß kriegte Vocione eine ansehnliche Hülffe von denen Rhetiern und Vindelichern. Weil aber die Cherusker nach Cäsars Tode mit dem Octavius sich verbunden / und ihm bey dem bürgerlichen Kriege wieder den Antonius und Sextus Pompejus mit ansehnlicher Reuterey ausgeholffen hatten; dieser auch nach überwundenem Lepidus / und als Antonius in den Morgenländern beschäfftiget war / zu Rom den Meister spielte; schickte Octavius Cäsar / oder der hernach genennte August den Cheruskern zu Liebe den Tiberius wieder die Rhetier und Vindelicher. Ob dieser nun zwar theils wegen des tieffen Schnees / theils wegen dieser Völcker ja auch ihrer behertzten Weiber / die nach verschossenen Pfeilen so gar ihre zerfleischten Kinder dem Feinde ins Antlitz schlugen / mit dem Degen wenig ausrichtete; machte er doch den Cheruskern Lufft; weil die Rhetier und Vindelicher von den Catten und Alemännern ihre Hülffs-Völcker abzufordern genöthiget wurden. Wieder die Japydes / ein aus Deutschland gleichfalls entsprossenes zwischen dem Durischen und Clavischen Gebürge gelegenes Volck aber rückte Augustus selbst mit fünff Legionen. Die Fläche und die an der Sau gelegene Stadt Segestica verliessen die Japydes gutwillig; im Gebürge aber hatten sie sich derogestalt verhauen: daß in selbtes einzubrechen kein ander Weg /als ein zwischen zweyen stellen Bergen abschüssender Strom zu finden war. Weil es aber dem Römischen Krieges-Volcke unmöglich schien dem rauschenden Wasser entgegen biß an die Achseln zu waten / und über die Klippen zu klettern / von welchen dieser Fluß vielfältig abstürtzte / wie nichts minder sich für den Pfeilen derer auf den Bergen wachsamen Feinde sich zu beschirmen; stutzten sie so lange /biß August selbst[1042] einem gemeinen Kriegs-Knecht den Schild vom Arme rieß / und durch Wasser und Felsen ihnen vorgehende den Weg bähnete; biß es an einer engen Tieffe / worüber die Japyder hatten die Brücke abgeworffen / zu einem schweren Gesechte kam / in welchem August mit seinen an beyden Händen und Schienbeinen empfangenen Wunden selbigen Strom und ihm zugleich seine Ehren-Fahn anröthete. Wie nun die Japydes alldar der Römischen Macht länger nicht die Wage halten konten / zohen sie sich in ihre Haupt-Stadt Mebulum / aus welcher sie denen belägernden Römern durch Abschlagung vieler Stürme /und Verbrennung ihres Sturmzeuges unglaublichen Schaden zufügten. Ja August selbst / als er im zehnden Sturme von einem angeschobenen höltzernen Thurme die Mauer besteigen wolte / ward mit einem Wurffspieße in die Seite derogestalt verwundet: daß man ihn ohnmächtig ins Zelt brachte. Alleine August ließ sich diß so wenig / als ein verlezter Löwe schrecken / der / weñ er sein Blut siehet / nichts minder seine Kräfften / als Grimm vergrössert. Er verschrieb noch zwey frische Legionen darfür / und dräute keines Kindes in Mutterleibe zu verschonen / wenn der Ort mit Sturm über gienge. Weil nun die Tugend endlich wie die Brunnen erschöpfft / und die gröste Hertzhafftigkeit durch ein erbarmendes Mitleiden weich gemacht wird / ließ der eine Japydische Fürst sich das Winseln der Einwohner verleiten: daß er wieder des andern Willen seine Helffte der Stadt mit einem Schlosse den Römern auffgab; und Römische Besatzung einnahm / welche aber folgende Nacht von dem andern Fürsten unversehens überfallen und erschlagen ward. Hierauff vertheidigten die verzweiffelten Japyden beyde Städte mit fast unmenschlicher Hartnäckigkeit / ja als alle Lebens-Mittel aufgezehret / die Mauern zersprengt / die Waffen zerbrochen waren /schlachteten sie ihre Weiber und Kinder selbst ab /zündeten die Stadt an allen Ecken an / vergruben sich also selbst mit der Asche ihres Vaterlandes; und wunden den Römern den Ruhm / ja alle Kennzeichen des geringsten Sieges aus den Händen. Jedoch betrauerte August nicht so sehr: daß er nur eines Steinhauffens /und etlicher Leichen Meister worden war / als daß die Verzweiffelten ihm den besten Ruhm / den ein Uberwinder erlangen kan / mit ihrem Leben abgeschnitten hatten; welcher ist / seinem Feinde vergeben. Derogestalt sind diese Japyden / fieng Salonine an / ein bewehrtes Beyspiel: daß der Mensch sein selbst eigener grosser Feind / ja seines Unglückes Schmid sey. Sintemahl sie aus Furcht eines ungewissen Todes wieder die Gesetze der Götter dem Verhängnüsse das Messer und die Fackel aus den Händen gerissen; und so wol ihnen als ihrem Vaterlande ein solch Unrecht angethan / was der ärgste Todfeind wieder beyde nicht hätte gri iger ausüben können. Diesemnach hielte sie es mehr für ein Werck rasender Thiere sich lieber selbst ins Verterben stürtzen / als dem Feinde sich ergeben; welcher ohne Verletzung des Völcker-Rechts die Ergebenen nicht tödten könte. Der Mensch alleine hätte von der gütigen Natur die Hoffnung in Besitz bekommen. Daher solte er niemahls was verzweiffeltes entschliessen / sondern noch allezeit des besten gewärtig seyn. Rhemetalces begegnete ihr: Ich wil die Hoffnung nicht schlechter Dings verwerffen /noch sie mit einigen für den Lustgarten der Narren /und eine Kurtzweil der Einfältigen schelten. Denn wenn selbte die Vernunfft zum Grunde hat / verdienet sie / das Merckmahl eines grossen Geistes genennet zu werden. Wenn man aber / wie hier die Japyden /von einem verbitterten Feinde nichts als Schmach und Pein zu gewarten / sondern um das armselige Leben zu betteln hat / ist es ja besser dem ohne diß unvermeidlichen Tode etliche Schritte entgegen gehen; als durch vergebene Ausweichung dem Feinde eine Freude machen / umb dem ohnmächtigen Leben mehr Weh zu thun / der von GOTT entsprossenen und niemahls[1043] veralternden Seele aber die verdrüßlichen Bin den des Leibes nicht loß zu binden / sondern ihre Vereinbarung mit den Sternen zu verhindern. Malovend brach ein: Es hatten die Japyden freylich wol wenig Ursache vom August einiger Gnade sich zu versehen; und ist aus seiner letzten Erklärung ihr Thun nicht bald als ein Irrthum oder Laster zu verda en. Denn auch die grausamsten Wütteriche streben nach dem Ruhme der Gütigkeit / und wissen von ihrer Gnade viel Werckes zu machen / weñ die Gelegenheit gnädig zu seyn schon verspielt ist. Wormit aber August nicht ohne Sieg nach Rom kehrete / grieff er die Pannonier an / und belägerte die zwischen dem Flusse Sau und Colops gelegene Stadt Sciscia; die aber so wol zu Lande / als zu Wasser den Römern grossen Abbruch thät. Der fürtrefliche Kriegs-Oberste Menas ward selbst erschlagen. Endlich aber als ihre Mauren fast allenthalben von den Sturmböcken zerstossen waren /musten sie sich auf erträgliche Bedingungen dem Kayser ergeben. Dieser warff alle eroberte Waffen ins Wasser / um den andern Pañoniern ein Schrecken einzujagen; Welches denn auch so ferne gelückte: daß sie mit ihm und denen Cheruskern Friede machten.

Alleine dieser Sonnenschein ward bald von einem grausamen Ungewitter verstellet. Denn Stordeston überfiel mit seinem von so viel Siegen muthigen Krieges-Heere den Cheruskischen Feldhauptmann Salgal einmahl an dem Fluße Chalusus / das ander mahl auf der Flucht bey der Stadt Mesovium. Arabars Sohn /welcher von seinem nunmehr auch abgelebten Vater die Herrschafft und den Haß gegen die Cherusker geerbt hatte / nahm denen. Ubiern und andern Cheruskischen Bundgenossen die besten Oerter weg. Und ob zwar der Ubier Hertzog die Catten einmahl in die Flucht brachte / wetzten sie doch bald die Scharte mit einer grössern Niederlage der Ubier und ihres tapfersten Feldhauptmanns aus. Einen noch grössern Sieg erlangte Stordeston über die Cherusker und Quaden bey der Stadt Boviasmum; welches die Hermundurer vollends gar von ihnen abzusetzen / und die Pannonier auffs neue in der Cherusker Gebiete einzufallen bewegte; wiewol diese Fulvius Geminus nach etlichen blutigen Schlachten / Meßala aber ihre Gefärthen die Saloßier / Agrippa und August selbst die Dalmatier wieder zur Ruh brachte; nach dem er vorher denen Ubiern und Cheruskern durch seine Anwesenheit in Gallien / von dar er mit einer Schiffs-Flotte nach dem Beyspiele des Kaysers Julius in Britannien überzusetzen vermeint / durch blosse Näherung seiner Waffen Lufft gemacht / und in Gallien dem Zwirbel-Winde /der ihn in Britannien dißmahl zu schiffen hinderte /einen Tempel gebaut hatte. So ferne bediente sich der kluge Aembrich des Römischen Bundes; wolte aber dem darnach seuffzenden August keines Weges erlauben: daß die Römischen Adler ihnen zu Hülffe über den Rhein fliegen solten. Hierüber zerfiel August mit dem Antonius aufs neue; und geriethen die Römer selbst wieder einander in die Haare. Daher sassen die Pannonier den Quaden wieder auf den Hals. Die Catten / Alemänner und Svioner spielten gleichfalls wieder den Meister; und entsetzten die wanckenden / aber hernach wieder beständig bleibenden Fürsten der Ubier und Usipier fast ihrer gantzen Herrschafft /namen auch durch Kriegs-List ein Theil der mächtigen Stadt Boviasmum ein.

Die Herrschafft des Cheruskischen Hauses hieng gleichsam nunmehr nur noch an einem seidenen Fademe; als der fast für verlohren geschätzte Fürst Segimer Deutschlande gleichsam als ein neuer Glücksstern aufgieng. Jede Zeit ist geschickt die Kräfften gemeiner Leute zu prüfen; die Noth aber nur einen Fürsten / wie das Ungewitter einen Steuermañ. Also hatte Segimer[1044] nun Gelegenheit genung / sich als einen Fürsten sehen zu lassen. Wie man nun schon das Licht und Würckung der aufgehenden Sonnen erkieset / ehe man sie selbst zu Gesichte kriegt / also erhielt der blosse Ruff von Segimers Zurückkunfft die schon um ihre Ergebung handelnde Stadt Boviasmum. Sein erster Streich aber war die Niederlage eines Cattischen Heeres in dem Gebiete der Ubier; ja ehe es schier menschliche Vernunfft begreiffen konte; brachte er unter seinem Schilde den Oelzweig des güldenen Friedens herfür; nach welchem das seuffzende Deutschland so lange Zeit vergebens seine Armen ausgestreckt hatte; ungeachtet ihre Einwohner sonst nichts minder zum Kriege geneigt / als geartet sind. Denn Menschen beruhigen sich so denn am leichtesten /weñ sie sich auf ihrem eigenen Wagen müde gemacht haben. Ja die nach Krieg lechsenden werden ehe nicht witzig; als wenn sie ihres geträumten Zwecks verfehlet / und mit Schaden gelernet haben: daß der Krieg /was für schöne Farbe er immer hat / nichts anders /als ein hitziges Feber der Reiche / der Friede aber ihre wahrhaffte Gesundheit sey. Die Catten und Alemänner vergnügten sich an ihren elterlichen Ländern / und an der denen Barden und Eubagen bestätigten Freyheit ihres Gottesdienstes. Die Svionen wurden mit gewissen denen Druyden abgenommenen Gebieten bestillet; diese alle aber erkennten nunmehr den klugen und großmüthigen Segimer für den würdigsten Feldherrn der Deutschen; und waren bemüht der tugendhafften Asblasten gleichsam die Hände unterzulegen; welche sie nunmehr wegen ihrer bewehrten Liebe und Treue für eine Halb-Göttin verehrten. Denn diese Fürstin hatte zwar ihrem Eh-Herrn zu Liebe Deutschland verlassen; in Meynung: es würde ihr Vaterland ihr einen andern Mittelpunct der in Deutschland verlohrnen Gemüths-Ruh zeigen: Alleine / weil der Kreiß unsers Lebens nur einen hat / und weñ dieser verrückt /alle unsere Abmässungen verfehlen; hatte Asblaste wol den Himmel / aber nicht ihren Zustand geändert; ja sie verfiel in Persien in einen Pful der empfindlichsten Bekümmernüße. Sie traff zwar ihren Vater Surena noch an dem Parthischen Hofe des Königs Orodes / aber weder auf der Staffel seiner Würde / noch in dem Ansehen an / das seine Dienste in dem Kriege wieder den Craßus verdient hatten. Denn die übermäßigen Wolthaten hatten den Orodes dem Surena zu einem so grossen Schuldner gemacht: daß / weil er selbte nicht vergelten konte / er sie nothwendig als grosse Laster hassen muste. Gleichwol aber konte Surena auch nicht von Hofe weg kommen; weil Orodes ihm nicht einbildete: daß Surena sich nicht würde mit eigner Hand bezahlt machen / nach dem es allerdinges in seiner Gewalt stund dem Orodes zu schaden. Also lebte Surena zu Hofe / aber wie in einem Gefängnüße / oder vielmehr in einer Hölle; weil er sich aus dem geheimen Rathe ausgeschlossen / nicht wenig Unwürdige ihm vorziehen / und sich seiner angestammeten Würden entsetzt sahe. Jedoch / weil grossen Gemüthern eine solche Erniedrigung so wenig als denen Irr-Sternen ihr Eintritt in einen niedrigern Himmels-Kreiß oder in ein schlechteres Hauß abbrüchig; hätte Surena diese Verachtung leicht verschmertzet. Sintemahl er leichter des Hofes / als der Hoff seiner entbehren konte. So aber stand er alle Augenblicke zwischen Thür und Angel; denn der Grimm des Orodes und der verläumderische Hof / welcher gegen iederman eine zweyfache Zunge und selten ein Hertze hat /dräuten allen seinen Tritten: daß sie auff ein Fallbret treten würden. Die Fürstin Asblaste kam gleich nach Hecatompylus / als Orodes seinen Sohn Pacor zum Nochfolger des Reichs erklärte. Wiewol nun das Surenische Geschlechte von Alters her berechtiget war denen Parthischen Königen die Krone aufzusetzen;[1045] ward doch des Craßus Meuchelmörder Maxarthes ihm hierinnen fürgezogen. Also sind manche Fürsten geartet: daß sie ehe Laster belohnen / oder wahre Beleidigungen verzeihen; als sie das Leid vergessen / welches ihnen ein geschickter Diener anzuthun fähig ist; ob er schon nie dran gedacht hat. Surena muste dieses Unrecht verschmertzen / und dem sich an ihn zu reiben suchenden Orodes noch wegen überhobener Müh Danck sagen; ob er schon sonst in seinem Thun und Reden auch bey seiner Unterdrückung die Würde seiner Ankunfft derogestalt in acht nahm: daß sich niemand ihn verächtlich zu halten erkühnete. Wie er denn selbst das Hertze faste gegen den König die angemuthete knechtische Aufwartung zu entschuldigen /da der / welchen der König seinen Freund nennt /unter die Taffel kriechen / und was ihm herab geworffen wird / wie ein Hund abnagen / ja noch darzu von Peitschen blutige Striemen verschmertzen muß. Zeno fiel ein: Meinem Urthel nach hat Maxarthes hierdurch weniger gewonnen / als Surena verlohren. Denn die Entziehung verdienter Ehren gereichet dem Beschimpfften nur zu grösserm Ruhme. Daher meinte Cato: es würde ihm rühmlicher seyn / wenn die Nachwelt nach seiner unsichtbaren Ehren-Seule fragen würde / als wenn die Unachtsamkeit selbte zwar für Augen / niemahls aber im Gedächtnüße hätte. Hingegen verschwinde der Glantz denen verunehrten Würden. Sintemahl diese sodenn nicht nur ihr Wesen /sondern auch den Nahmen einbüsten / wenn sie Unwürdigen zu theile würden. Daher hätte für etlicher Zeit ein Römer / als August seinem Knechte Menas einen güldenen Ring gegeben / seinen Ring vom Finger genommen / in die Tiber geworffen / und angehoben: Diese wären vormahls Merckmahle tapfferer Ritter gewest; nunmehr würden sie Kennzeichen der Freygelassenen. Jedoch machten die Fürsten nicht allezeit Würden und Ehren-Mahle aus Unverstande und Leichtsinnigkeit gemein / sondern es steckte zuweilen ein grosses Staats-Geheimnüß darhinter. Denn es wäre der klügste Handgrieff die Gewalt des Adels zu mäßigen / wenn selbter vielen / und zwar auch denen /die ihn so sehr nicht verdienten / zukäme. Daher hätte August so viel fremde mit dem Römischen Bürger-Rechte betheilt / und so viel Freygelassene zu Edelleuten gemacht. Es ist wahr / sagte Malovend. Und ich erinnere mich: daß Herzog Aembrich dardurch ihrer viel von der Eubagen Gottesdienste ablenckte: daß er nicht wenig denen Druyden anhängende in hohe Aempter und über die Eubagen setzte; die gleich wenig Geschickligkeit hatten. Sintemahl nichts mehr als der Verdruß einem Unwürdigen nachgesetzt zu werden / einem seltzame Entschlüssungen abnöthigen kan. Aber Surena behielt bey seiner Beschimpffung ein freudig Gesichte / und ein ruhiges Gemüthe. Nach dem aber zarte Seelen der ihrigen Unrecht mehr als ihr einiges fühlen / war es der Fürstin Asblaste / welche in Deutschland gelernt hatte: daß Beschimpffungen nur durch Blut ausgetilget werden / unmöglich /ihres Vaters Unrecht ungeahntet zu lassen. Daher / als folgenden Tag Pacor allerhand Ritterspiele anstellte /fand sich Asblaste in unbekandter Deutschen Rüstung auch auf die Rennebahn. Und nach dem sie durch ihre Geschickligkeit unterschiedene Preiße erhalten; derer einen ihr Maxarthes reichen solte / weigerte sie sich solchen aus seinen / als eines Meuchel-Mörders Händen / anzunehmen; ja sie sagte ihm in die Augen / sie hielte ihn so lange für keinen Edlen / biß er ihr zeugte: daß er auch vorwerts einen zu beleidigen das Hertz hätte. Der dem Maxarthes wenig günstige Adel gebährdete sich bey dieser Gelegenheit derogestalt: daß Maxarthes Schande halber mit Asblasten fechten muste. Aber bald im ersten Rennen sprang Asblaste nach Deutscher Art mit solcher Geschwindigkeit vom Pferde / und durchstach Maxarthen: daß er sich ehe auff[1046] dem Bodem liegen fühlte / als dessen Ursache wahrnahm. Gleichwol ließ sie ihm Lufft wieder auf die Füsse zu kommen / und sich gegen ihrem Degen zu vertheidigen. Alleine nach kurtzem Gefechte versetzte sie ihm einen solchen Streich in den Hals: daß Maxarthes nicht nur todt zu Bodem fiel / sondern der Kopff nur mit weniger Haut an dem Leibe häncken blieb; welchen sie vollends ablösete / und mit tieffer Ehrerbietung gegen dem Könige zuförderst auffs Schau-Gerüste legte. Wenig Zuschauer waren / die dem aufgeblasenen Maxarthes nicht diesen Trauerfall gönneten / und dieses unbekandten Ritters Tapfferkeit rühmten; Oroden alleine bieß dieser Unfall so sehr: daß er zwar die Freyheit der Rennebahn schonte; so bald aber Asblaste nach geendigten Schauspielen abwiech / sie von der Königlichen Wache in Hafft nehmen / und als einen Ubelthäter für das strengste Blut-Gerichte stellen ließ. Der einsame Surena / welcher bey den Schauspielen nicht gewest war / weniger von der Rache seiner Tochter das geringste wuste /ward vom Könige selbst zum Ober-Richter ernennet; als welchen er zu keinen andern / als nur zu verhasten Verrichtungen gebrauchte. Surena / welcher gleichsam mit den Haaren zu einem Gerichte gezogen ward / in welchem er entweder den König oder sein Gewissen beleidigen muste / verlohr Sprache und alle Sinnen / als er seine Tochter in Band und Eisen für den Richter-Tisch treten sahe. Nach dem man ihn aber durch Kühlung wieder ein wenig genung ermannet hatte / fieng er seuffzende an: Grausamer Orodes /zwingestu mich nun auch über mein Blut ein Blut-Richter zu seyn! Alle Anwesenden sahen Asblasten hierauff mit starren Augen an; aber ehe sie sich noch auf sie besiñen konten / fieng sie selbst an: Zweifelt nicht / ihr Richter: daß die / welche des Surena Beleidigung und so viel Laster am Maxarthes gerochen hat / Surenens Tochter Asblaste sey. Diese Begebung ward zwar für den König gebracht; aber sie entzündete mehr seine Rachgier gegen Asblasten / als daß sie ihn hätte erweichen sollen / Surenen eines so unanständigen Richter-Amptes zu übergehen. Ja / weil Orodes diesen Fallstrick nicht gern außer Händen lassen wolte / ließ er Surenen andeuten: die Gerechtigkeit hätte keine Augen / und daher kennte sie ihr eigenes Kind nicht. In Wercken des Oberkeitlichen Amptes müste alles Ansehen natürlicher Verwandschafft weichen. Denn wer jenes annehme / züge einen gemeinen Menschen aus. Ja die Götter selbst hätten rechtmäßige Hals-Gerichte so lieb: daß sie solche nicht übel aufnehmen / wenn man gleich darbey der Natur selbst Gewalt anthäte. Daher solte er das Blut-Gerichte hegen; oder als ein Ungehorsamer für selbigem selbst fürtreten. Surena / welcher lieber seinen Kopff / als sein Vater-Hertze verlieren wolte / erwehlte ohne einiges Bedencken das letztere; und die für Furcht zitternden Richter musten um ihre eigene zu erhalten dem Wütterich zu Gefallen / beyden das Leben absprechen. Der Feldherr Segimer kam gleich nach Hecatompylus an dem zu Vollziehung des Urthels besti ten Tage an. Das allenthalben zulauffende Volck leitete ihn für die Trauerbühne / als dem tapfferen Surena sein Kopff von den Achseln gespaltet ward. Dieser Streich hätte Segimern bey nahe mit entseelet / wenn nicht die Erblickung seiner Liebsten Asblaste ihm eine neue Regung verursacht hätte. Diese brachte man nun auch auf das Todten-Gerüste; worüber ein niedriges Gemüthe zweiffelsfrey vergangen wäre. Aber der kluge und hertzhaffte Segimer / welcher vorher die Parthischen Sitten wol begriffen hatte; als er gegen der Trauerbühne den König Orodes erblickte / und also ihm die Rechnung leicht machen konte: daß diese Grausamkeit auf seinen Befehl geschehen müste / lieff augenblicks und schöpfte mit seinem Schilde Wasser aus dem nähesten Springbrunnen / hierauf ergrieff er einen Brand aus dem in der Königlichen Burg[1047] unaufhörlich brennenden Feuer. Mit diesen zweyen wiedrigen Dingen trat er für Oraden / und ruffte selbtem mehr Dräuungs- als Bittweise zu: Er möchte die unschuldige Asblasten der Todes- Straffe entziehen / oder er wolte der Parther heiliges Feuer durch das geschöpfte Wasser ausleschen. Die umstehenden Persen / welche zeithernach menschlicher Gewonheit mehr zum Mitleiden / als zu Abhelffung sich geneigt erwiesen hatten / billigten nunmehr mit Augen und Gebehrden seine Hindernüß. Die zu ihrer Hinrichtung bestellten Hencker erstarrten und liessen nicht allein alsobald die Hände sincken / sondern der grausame Orodes ward Vermöge der Parthischen Grund-Gesetze hierdurch gezwungen die durch das Feuer geschehene Bitte nicht zu verweigern / und Asblasten frey zu sprechen / aber er befahl diesen verwegenen alsofort in den tieffsten Kercker zu werffen; welcher denn auch so geschwinde dahin gerissen ward: daß die über ihrer so fremden Erlösung erstaunende Asblaste nicht einst ihren Erretter zu Gesichte bekam. Gleichwol war sie um selbten zu erfahren eusserst bekümmert / sonderlich da sie erfuhr: Es habe Orodes befohlen: daß dieser Verunehrer des Feners folgenden Mittag dem Feuer solte geopffert werden. Asblaste war folgenden Tag die erste auff dem Berge / in dessen Höle das ewige und ihrem Glauben nach vom Himmel gefallene Feuer verwahrt / und auf dessen Gipffel demselben geopffert ward. In dem heissesten Mittage ward der mit Rosen gekräntzte Fürst Segimer auf einem mit vier schneeweißen Pferden gezogenem Wagen als das bestimmte Opfer herbey bracht; und so wol von dem gantzen Hofe / als vielen tausend Menschen begleitet. Die Opfferknechte schäleten alsbald die Rinde von dem mitgebrachten Ceder- und Lorber-Holtze / der oberste Priester aber verfügte sich in die Höle / und zündete mit grosser Andacht eine Wachs-Fackel an; von welcher hernach der zum Opffer bereitete Holtzstoß angesteckt waren. Die Priester fasten bereit Segimern / bunden ihn / und legten ihn zur Zertheilung auf den Opffer-Tisch; als die sich herzu dringende in einen Parthischen Krieges-Mann verkleidete Asblaste den / der geschlachtet werden solte / für ihren hertzgeliebtesten Eh-Herrn erkennte; und mit dem ersten Anblicke rieff: Nicht beflecket euch mit dem Blute des vollkommensten Fürsten der Welt! Weil sie aber ihre Wiedersprechung für ein allzu schwaches Mittel hielt / des Königes Willen zu hintertreiben / sprang sie zum Opffer-Feuer / und weil sie diese grausame Opfferung zu stören so bald nichts unsauberes zur Hand hatte / nahm sie ein Messer / kerbte sich etliche mahl in den Arm / und ließ das häufig herfür dringende Blut ins Feuer lauffen; wormit die gantze Opferung gehemmet ward. Der hierüber erbitterte Orodes schäumete für Zorn / und befahl beyden den gri igen Nachen-Tod anzuthun. Die Königin aber brachte nach abgekühletem ersten Eyver ihn dahin: daß er vorher die Ursache solcher Entweihung erforschen solte. Daher warb Segimer und Asblaste / welche inzwischen einander mit tausend Küssen umarmeten / für das Königliche Zelt geführt. Da denn Asblaste auf erforderte Rechtfertigung antwortete: Ich bin Asblaste des Surena Tochter / dieser mein Eh-Herr / der um das Persische Reich so hoch verdiente Fürst Segimer. Dieser hat gestern mich aus dem Rachen des Todes gerissen; urtheilet demnach: Ob ich heute ihn zu retten nicht euer heiliges Feuer entweihen müssen; wo ich nicht die viel heiligern Flammen der ehlichen Liebe in mir habe erstecken sollen. Ich habe gesündiget; aber gedencket: daß die Liebe keinen Mäß-Stab / die Noth kein Gesetze leide. Segimer aber bat alleine: daß das strenge Recht an ihm / als einem Fremdlinge. ausgeübet / die tugendsame Asblaste aber möchte freygelassen werden. Worüber Asblaste und Segimer selbst mit einander zwistig wurden; in dem iedes für[1048] das andere wünschte ein Söhn-Opffer zu seyn. Jederman lobte beyder ungemeine Liebe; und ob sich zwar niemand wagte für sie ein gut Wort einzulegen; redeten doch theils die Gebährden / theils die mitleidenden Thränen für sie. Dem sauersehenden Orodes aber ward weiter nicht sein Gemüthe erweichet / als daß er beyde in einen Kercker zu verwahren befahl; weil die Gütigkeit entweder mit seiner Geburts-Art unverträglich war; oder daß seine Aenderung seinen gefasten Zorn keines Unrechts beschuldigen möchte. Hingegen hatte die Schönheit der Fürstin Asblasten dem jüngern Sohne des Königs Orodes Phraaten die Seele derogestalt verwundet: daß / als des Caßius und Brutus zu den Parthen abgefallener Gefährte Labienus und Pacor mit einem mächtigen Kriegs-Heere in Syrien / Orodes auch selbst / um dem Kriege näher zu seyn / nach Edeßa in Mesopotamien verreiset war / er sie heimlich aus dem Gefängnüße auff eines seiner Lust-Häuser zu bringen vorsaan. Wormit er nun seinen Anschlag so viel geschickter ausübte / entschloß er sich Asblasten vorher feine Zuneigung zu entdecken; weil er ihm nicht einbilden konte: daß sie nicht lieber in den Armen eines so grossen Fürsten schlaffen / als in so schweren Fesseln würde verschmachten wollen. Dieses Schreiben vertraute er einem theils durch Gaben bestochenen / theils durch Dräuung genöthigten Hauptmanne über die Kercker-Wache; welcher solches Asblasten abliefferte. Diese laß mit höchster Bestürtzung diese unvermuthete Zeilen; erholete sich aber alsbald / und sagte mit freyem Gemüthe: Sie würde dahin willig folgen / wohin Fürst Phraates befehlen / und der Hauptmann sie leiten würde. Phraates ward über so gewünschter Antwort erfreuet; und ließ durch den Hauptmann mit ihr abreden: daß folgende Nacht die Wache mit gewissen vertrauten Leuten besätzt / und sie unvermerckt aus dem Kercker solte geholet werden. Asblaste bat unter dem Fürwand einiger Unpäßligkeit biß auf die dritte Nacht Auffschub. Inzwischen beredete sie unter dem Scheine: daß sie in ihrem tieffen Gefängnüße von den Feuchtigkeiten um ihr Leben käme / mit vielen Thränen und Geschencken den Kerckermeister dahin: daß er ihr und Segimers Gefängnüß verwechselte / ihn in ihr unteres / sie aber in sein oberes einschloß. Auf die bestimte Nacht kam der vom Phraates bestellte Hauptmann / schloß Segimern die Fessel auffs leiseste auff; und nach dem er ihm alle Wortwechselung verboten / führte er ihn im Finstern unvermerckt aus dem Kercker / und liefferte ihn andern bestellten Leuten ein / die ihn zu Pferde sätzten / und biß zu anbrechendem Tage spornstreichs mit ihm fortjagten. Nach dem sie des Tages über in einem unbewohnten Jäger-Hause ausgeruhet / ritten sie die gantze Nacht wieder mit ihm fort / und kamen ein wenig für dem Tage an ein prächtiges Gebäue; da ihnen in aller Stille die Garten-Thüre eröffnet / Fürst Segimer allein hinein genommen / und die Thüre wieder versperret ward. Segimer / dem diß alles nicht anders als ein Traum fürkam /ward in ein oben von Golde / auf den Seiten mit Helffenbeine / unten von denen köstlichsten Persischen Tapezereyen gläntzendes / und mit wolrüchendem Balsam durchzogenes Zimmer bracht; allwo ihm eine prächtig-gekleidete Person um den Hals fiel / und dem Küssen kein Ende machte. Segimer wuste durch kein Nachsinnen ihm diesen Traum oder Rätzel auszulegen; biß Phraates selbst den Nahmen Asblaste heraus stieß; und die Stimme so wol den Fürsten Phraates als seinen Anschlag verrieth. Segimer entbrach sich hiermit alsofort aus Phraates Armen / und um seinem Irrthum abzuhelffen / sagte er: Ich bin Segimer / nicht Asblaste. Es ist leicht zu erachten / wie Phraates nicht nur über seiner betrogenen Liebe / sondern auch der unbesonnenen Verrathung seiner blinden Liebe verändert worden sey. Gleichwol[1049] erholete er sich / und fragte Segimern: wie er denn an diesen Ort käme? Segimer versetzte: Phraates müste es besser wissen / als er / den man um Mitternacht aus dem Kercker genommen / und dahin geführet hätte. Phraates verstand hieraus leicht den Irrthum des Hauptmanns / und sagte: Ich wil deiner Asblaste zu Liebe dir gleichwol die Freyheit gönnen. Hiermit machte er Anstalt: daß Segimer von zwantzig Parthern durch Meden biß auf die Armenische Gräntze geführt ward. Fürst Segimer /dessen Hertze bey seiner gefangenen Asblaste noch zu Hecatompylus eingekerckert ward / hielt diese Freyheit für was ärgers als eine Dienstbarkeit. Daher war ihm so unmöglich als unverantwortlich das ihm doch so unholde Persien schlechter Dinges mit dem Rücken anzusehen. Weil er nun in Armenien erfuhr: daß Labienus und Pacor den Römischen Feldhauptmann Saxa geschlagen / Antiochien / Apamea / Jerusalem und gantz Syrien biß auff die Stadt Tyrus / Cilicien biß auff die Stadt Stratonicea eingenommen hatte /und König Artabazes dem Ventidius / welchen Antonius mit Kriegs-Macht in Cilicien schickte / etliche tausend Reuter zusendete / zohe Segimer mit diesen Hülffs-Völckern auch dahin. Flavius ein Cheruskischer Ritter / welcher tausend deutsche Reuter führte /empfing seinen Herrn mit unglaublichen Freuden; und ob wol Segimer vom Flavius nicht entdeckt seyn wolte / trat er ihm doch unter anderm Vorwand die Botmäßigkeit über die Deutschen Hülffs-Völcker ab. Labienus flohe aus Cilicien biß an das Taurische Gebürge / ehe er einen Römer zu Gesichte bekam. Wie aber Pacor mit der gantzen Persischen Macht zu ihm stieß / hielt er Stand / und Ventidius schlug sein Läger aus mit Fleiß angenommener Furcht auf einem hohen Berge; wormit er die durch vorige Siege verwegen gemachte Parthen verleitete: daß sie das Römische Läger stürmten. Diese aber liessen sie so nahe anko en: daß sie keinen Platz hatten sich der fernen Bogenschüsse zu bedienen. Hierauf fielen die Römer aus allen Pforten so grimmig die Parthen an: daß sie schier keine viertel Stunde festen Fuß hielten / sondern die Flucht nahmen / und durch Herabstürtzung von den Höhen ihnen selbst mehr als die Römer Schaden thäten. Segimer war mit seinen Deutschen und zweytausend Armeniern unter das Gebürge gestellt / welche denen flüchtigen Parthen mächtig in die Eisen giengen / und derer etliche tausend in der Flucht aufrieben. Pacor entkam mit genauer Noth in Syrien /und besetzte mit dem Pharnabates die Cilicischen Pforten an dem Amanischen Gebürge / Labienus aber flohe mit der grösten Uberbleibung des Parthischen Heeres in Cilicien; welches sich aber für dem folgenden Ventidius hin und wieder zerstreute / nach dem Labienus verkleidet sich desselbten entbrach und versteckte / aber vom Demetrius einem Freygelassenen des Kaysers ausgespürt / erschlagen / sein Kopff dem Antonius nach Athen geschickt ward / allwo er es bei einem prächtigen Gastmahle den Grichen zu einem Schau-Essen auffsätzte. Nach wiedergewonenem Cilicien wehrte sich zwar Pharnabates in seiner Enge wieder den Silo tapfer; aber die darzu kommende Macht des Ventidius / und die durch den grösten Schnee über das Amanische Gebürge sich durchscharrenden Deutschen umringten die Parthen / und brachten sie ins Gedrange. Ja Segimer hatte das Glücke: daß er dem Pharnabates selbst einen tödtlichen Streich versetzte. Ob nun zwar die Parthen sich mit Hülffe des Nabatheischen Königs Malchus wieder verstärckten /musten sie doch für der Römischen Macht bald gantz Syrien räumen. Hiermit rückte Ventidius sonderlich auff Veranlassung des Fürsten Segimers gegen dem Flusse Phrat zu / welchem aber Pacor mit einem über aus mächtigen Heere entgegen zoh; also: daß wenn er nicht durch einen[1050] in seinem Lager ihm bekandten Parthischen Auskundschafter Pharneus des Pacors Anzug durch Einrathung eines fernen Umweges aufgehalten /und inzwischen sich zu verstecken Lufft bekommen hätte / die Römer dißmahl in nicht geringere Gefahr als Craßus verfallen wären. Ventidius ließ hierauff den Pacor mit seinem gantzen Heere unverhindert über den Phrat setzen / und verleitete durch angemaste Furcht diesen hitzigen Fürsten zum andern mahl: daß er an eben dem Tage / als Craßus geschlagen worden war / unter der eitelen Einbildung: Es hielte das Rad des Glückes einen so richtigen Lauff als die Sonne innen / das in der Höhe verwahrte Römische Läger stürmte. Alleine der Ausschlag lehrte ihn: daß der Sieg ein Geschäncke des Verhängnüßes / nicht gewisser Zeiten sey. Zwantzig tausend Parthen bissen ins Graß / und Pacor selbst ward auf der Flucht an einem steilen Berge von der deutschen Reuterey überritten / von einem Friesischen Ritter / welcher hernach hiervon den Nahmen Rittberg bekam / durchstochen /und der Kern des Parthischen Adels / welche seine Leiche noch zu erfechten vermeinten / erlegt. Ja die Deutschen schnitten so gar den flüchtigen Parthen die Brücke über den Phrat ab: daß die überbliebenen sich nach Samosata in das Comagenische Syrien flüchten musten. Ventidius / der des Fürsten Pacor Kopff zu einem Zeichen seines Sieges / und einem Schlüssel aller mit Parthen noch besetzten Festungen brauchte /hatte zwar Lust nunmehr gar in Persien einzubrechen; aber der über so viel Siegen eifersüchtige Anton setzte durch einen über Hals über Kopff mit den Parthern gemachten Frieden ihm allhier ein Ziel / dem Fürsten Segimer aber schob er einen Riegel für sich seiner gefangenen Asblaste weiter zu nähern; und muste sich jener an einem Siegs-Gepränge / dieser an einem Lorberkrantze / einem güldenen Halsbande / einem mit Türkißen versetzten Sebel und Bogen / einer blauen Fahne / und einer goldgestückten Roßdecke / die ihm der Römische Rath liefern ließ / vergnügen. Also naget der Neid nichts minder an der Tugend; als die Kefer an den edelsten Blumen und Aehren; ja er schläget selbter öffter als der Feind ein Bein unter; und fället so wol dem Glücke als der Tapfferkeit in die Speichen: daß sie nicht das völlige Ziel erreichen kan. Alleine Segimers Liebe erregte täglich in seinem Gemüthe ein solches Ungestüm: daß es sich mit so eitelen Geschencken / als mit welchem Rauche der Römische Rath sonst meisterlich zu bandeln / und ihre Bundsgenossen zu verblenden wuste / nicht beruhigte. Diesemnach nahm er acht hundert seiner Deutschen / und zweyhundert Armenier der Parthischen Sprache wol erfahrne Kriegs-Leute / ließ sie der erschlagenen Parthen / theils auch Comagenische Kleider und Rüstung nehmen; und streiffte sonder einigen Menschens Verletzung oder Wiederstand unter dem Schein / als wenn sie ein Theil des geschlagenen Parthischen Heeres wären / biß unter die Stadt Edeßa. Daselbst kriegte er Kundschafft: daß folgenden Tag König Orodes gegen der Stadt Carra aufbrechen würde; nach dem ein Theil der Hoffstadt und der meiste Reisige-zeug schon für zwey Tagen voran wäre. Daher stellte sich Segimer mit seinem Volcke in einen Wald / fiel hierauff die sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes versehende Parther so grimmig an: daß Orodes mit genauer Noth wieder in die Stadt Edeßa entran / seine zwey liebsten Söhne Pharnabazes und Orosmanes aber / welche er mit des Comagenischen Königs Antiochus Tochter gezeuget hatte / vom Fürsten Segimer nach Zeugma / allwo er die Brücke über den Phrat besetzt gelassen / gefangen hinweg geführet wurden. Orodes meinte über diesem Verluste zu verzweiffeln / sonderlich weil er nach des Fürsten Pacor Tode Pharnabazen zum Reichs-Erben bestimmt hatte. Er schickte deßhalben nach Zeugma[1051] sich über diesen Raub und Friedens-Bruch zu beschweren; aber Hertzog Segimer ließ ihn wissen: daß er mit seinen Deutschen sein in Persien erlittenes Unrecht gerächet / und Orodens Söhne für seiner Gemahlin Asblaste erlangter Freyheit nicht loß zu lassen beschlossen hätte. König Orodes schickte hiermit auf der Post nach Hecatompylus / um Asblasten zur Auswechselung nach Zeugma zu lieffern. Aber Phraates hatte inzwischen daselbst den Kercker mit Gewalt erbrochen / den sich wiedersetzenden Stadthalter Moneses aus der Stadt verjagt / und Asblasten nach Rhodis / wo im Frühlinge pflegte die Hof-Statt zu seyn / geführet. Sintemahl nunmehr / da Orodes durch Alter und Hertzeleid über des Pacorn Niederlage gantz verfiel / iederman am Phraates die aufgehende Sonne anbetete. Wiewol nun Asblaste Phraatens unzüchtigen Anmuthungen durch tausenderley kluge und hertzhaffte Begegnungen hintertrieb / und er nach allen theils selbst / theils durch die dreyhundert Frauen-Zimmer / die ihn nach Königlicher Gewonheit des Nachts bewachen musten / vergebens angewendeten Versuchungen an ihrer Gegen-Liebe zu zweifeln hatte; konte er sich doch nicht überwinden / diesen Schatz aus seinen Händen und Hertzen zu lassen; ob ihm schon Orodes die Königliche Gewalt abzutreten Vertröstung thät; entweder / weil Phraates schon das Hefft in Händen zu haben vermeinte / oder ihm anständiger hielt Kron und Zepter zu nehmen als zu überko en; Ja weil er vielmehr in seinen Kram dienlich zu seyn erachtete: daß Orodens zwey Schooß-Kinder Pharnabazes und Orosmanes entweder in Segimers Dienstbarkeit verschmachteten /oder durch seine Rache aufgerieben würden / überwand seine Ehrsucht die Liebe / oder diese verwandelte sich nach langer Verschmähung in eine Unholdin. Sintemahl er Asblasten mit Giffte hinzurichten schlüßig ward. Dieses zu vollziehen befahl er Ternamenen seiner Schwester und geheimsten Rathgeberin; welche solchen Meuchel-Mord an Asblasten zu vollbringen / theils wegen angebohrner Grausamkeit /theils aus Beysorge: es möchte Asblaste sich einst von Phraaten erweichen lassen / und ihr also zu Kopffe steigen / kein Bedencken gehabt hätte; wenn sie nicht in Pharnabazes verliebt gewest wäre / und durch die Hinrichtung Asblastens auch ihrem Pharnabazes das Messer an die Gurgel zu setzen besorgt hätte. Weil sie aber auch gegen den grimmigen Phraates vorsichtig verfahren muste / ließ sie Asblasten zu ihrer Tafel beruffen / und an statt des Gifftes ihr einen Safft von gewissen Kräutern beybringen; welcher sie im Augenblick aller eusserlichen Siñen beraubte: daß sie für tod auf den Bodem sanck. Ternamene ließ alsbald Phraaten erfordern ihm die Würckung des Giffts zu zeigen; welcher denn seine Grausamkeit mit vielen Thränen bedeckte / iedoch nicht wissende: daß seiner Bländung vielmehr ein blauer Dunst für die Augen gemacht ward. Ternamene ließ zu desto mehrer Bescheinigung: daß Asblaste todt wäre / sie in einem Cypressenen Sarche in das Königliche Begräbnüß tragen / welches König Arsaces in einem Lustgarten nach Art des alten Pasargadischen vom Cyrus aufgeführten / iedoch mit viel höhern Säulen und weitern Bogen hatte aufführen / und die Wände über und über mit hertzfärbichten Persischen Fleck steinen künstlich besetzen lassen; in willens sie folgende Nacht von dar weiter zu bringen; wie sie denn gegen den Abend / da sie muthmaste: es würde die todte Asblaste nun allbereit anfangen wieder Athem zu schöpffen / sich unter dem Scheine der Andacht / und des Arsaces auf einem güldenen Stule aufgethrönten Leiche mit neuem Balsame der Perser Gewonheit nach zu erfrischen / selbst in das Begräbnüß verfügte / durch kräftige Stärckungen Asblasten wieder zu rechte halff / und selbter das gantze Geheimnüß ihrer angezielten Erlösung entdeckte. Asblaste wuste mit nicht genungsamen[1052] Thränen Ternamenen zu dancken; versicherte sie auch: daß ihr Eh-Herr Segimer den gefangenen Pharnabazes dahin / wo sie nur verlangte / unversehrt liefern würde. Diese gab Asblasten auch ein in Ariana wachsendes Feuer-rothes Kraut; welches das Oel anzündet / dafern es abgebrochen worden / wenn die Sonne im Löwen ist; wormit sie auf die Nacht bey ihrer angestellten Abholung alsbald Licht machen / und aus denen so weit schweifigen Gewölbern ihren Abholern ein Zeichen geben könte / wo sie zu finden wäre. Höret aber / wie das Verhängnüß diese kluge Anstalt bey nahe verrückt hätte. Phraates / welcher durch die Hinrichtung Asblastens und seine Wiedersetzligkeit sich vom Könige Orodes nichts anders / als seines hefftigen Zornes zu besorgen hatte / entschloß sich nunmehr die Larve gar vom Gesichte zu ziehen / und wieder seinen Vater Orodes sich zum Könige aufzuwerffen; weil doch grosse Laster anders nicht / als durch grössere auszuführen wären; auch so denn wie die grossen Schlangen zu Drachen würden / den Nahmen der Tugenden erwürben. Daher er denn das Königliche Zimmer bezog / wo die zwey grossen Schätze verwahret waren / die man des Königs Haupt-Küssen und Fußschemmel hieß; auch sich in das Bette legte /welches der güldene Weinstock mit denen Trauben aus Edelgesteinen überschattete / und mit dreyhundert schönen für den Orodes verwahrten Dirnen sich ergötzte. Gleich als wenn die Herrschafft ohne Wollust eine unreiffe Frucht wäre; und der Ehrgeitz dem / welchen man vom Stule stürtzt / in der Liebe Eintrag thun müste. Diesen Schluß nun so viel glücklicher auszuüben / hatte ihn ein Zauberer beredet: daß er um Mitternacht dem Geiste des Arsaces opffern / seinen Siegel-Ring / in welchem auff einen grossen Rubin ein Pferd eingegraben war / abziehen und tragen solte. Also kam Phraates mit dem Zauberer des Nachts in die Grufft. Ob nun wol ieder eine Fackel in der Hand hatte / und wegen ihrer abergläubischen Gebährden einer und der ander bald hin bald her lieff; wolte doch Asblaste / dem Verlaß nach / auch ihr Feuer-Zeichen von sich geben. Hiermit er grieff sie eine bey dem Grabe des Pharnaces / (welcher aus Liebe des gemeinen Wesens seinen Bruder Mithridat / mit Nachsetzung seiner Kinder / zum Reichs-Erben setzte /) mit Oel und Balsam gefüllte Schale / berührte sie mit dem Ariannischen Feuer-Kraute; welches augenblicks eine helle Flamme bekam. Darmit gieng sie geraden Weges auf Phraaten zu. Dieser und sein Zauberer erschracken über der schnellen Glut: daß sie unbewegter / als die aufgestellten Leichen der verstorbenen Könige blieben. Wie aber Phraates die sich ihm nähernde Asblaste erkiesete / meinte er / es wäre ihr Geist; welcher käme an ihm als dem Mörder Rache auszuüben. Denn ein böses Gewissen bücket sich auch füreinem Schatten / und meinet: daß die Göttliche Straffe die Hand ihn zu peitschen schon gezückt habe. Daher warff er die Fackel von sich / und flohe mit Zittern und Zagen nebst dem ihm auff der Ferse folgenden Zauberer aus den Grüfften. Asblaste erkennte hierüber allererst Phraaten; und wie sie nach der ihr bevorstehenden Gefahr nachsaan / ward sie in der Ferne eines neuen sich nähernden Lichtes gewahr; welches ihr endlich Ternamenen zu erkeñen gab; die sie deñ nach angehörtem Ebentheuer aus der Grufft und durch den Garten leitete / an der Pforte ihr männliche Kleider durch einen Parthischen Edelmann Mithridat / des Moneses Vetter / reichen ließ; und nach dem sie ihm Asblasten auffs beste befohlen hatte /von ihr Abschied nam. Dieser brachte sie in Begleitung etlicher 20. Parthẽ / unter dem Vorwand: daß er bey dem Comagenischẽ Könige was wichtiges zu verrichten hätte /[1053] glücklich nach Samosata; wie ihn denn Ternamene auch mit Briefen an den Antiochus begleitet / und ihn um die Befreyung der Parthischen Fürsten auffs beweglichste ersucht hatte. Wie aber Mithridat alldar erfuhr: daß die Gefangenen des Fürsten Segimer nach Tyrus wären gebracht worden / reisete er unter sichern Geleits-Briefen dahin / und übergab dem für Unmuth schier halb todten Segimer seine Asblaste. Die Freude he ete eine gute Weile beyder Zungen / und die bißherigen Trauer-Wolcken verwandelten sich in einen Thränen-Regen; worauf allererst der Sonnenschein tausend Ergetzligkeiten ihre Gemüther erleuchtete / und sie mehr mit annehmlichen Küssen / als hierzu viel zu kaltsinnigen Worten-ihre Vergnügung gegen einander ausdrückten. Hertzog Segimer ließ alsbald nicht alleine Pharnabazen / und den Orosmanes loß;. sondern beschenckte auch Mithridaten und die andern Parther Königlich. Wiewol diese Freyheit beyder Parthischen Fürsten und ihres Vaters Todten-Bret war; in dem der wütende Phraates sie beyde an seinem Geburts-Tage durch Gifft in gewissen bestellten köstlichen Speisen / welche gegen ausgesetztem Preiße von den Persen auf die Königliche Taffel pflegten geliefert zu werden / hinrichtete; und als beym Orodes die anfangs in Wasser / aus dem Fluße Choaspes in Chalydonischem Weine / welchen die Persischen Könige allein trancken / ihm beygebrachte Wolffs-Milch ohne Schaden durchgieng / seinen Vater mit eigenen Händen erwürgte. Als die Parther derogestalt in ihre eigene Glieder raseten / und Antonius durch seiner Feld-Hauptleute des Sosius und Canidius Siege / welche durch Iberien und Albanien biß an das Gebürge Caucasus seine Herrschafft erweiterten / lüstern gemacht ward / des Craßus verlohrne Adler dem verhasten Phraates abzugewinnen /ließ Hertzog Segimer ein gutes Theil seiner Deutschen unter dem Flavius zurücke; welcher denn auch durch der Seinigen Tapfferkeit den Antonius von einer des Craßus gleichen Niederlage errettete / hierüber aber durch vier tödtliche Bogenschüße seinen Helden-Geist ausbließ. Segimer aber kam durch Grichenland und Pannonien mit seiner Asblasten zu allem Glücke in sein zerrüttetes Vaterland / um durch das Steuer-Ruder seiner Klugheit selbtes aus dem für Augen schwebenden Schiffbruche zu erretten. Denn nach dem ein Reich ohne Fürsten einer des Kopffes beraubten Natter gleichet / welche sich wol hin und wieder wendet / aber nicht von der Stelle kommt / hatten die Cherusker in Segimers Abwesenheit gleichsam in einer Ohnmacht gelegen / biß sie dieser Fürst durch seine Hertzhafftigkeit / ja gantz Deutschland mit dem Sonnenscheine des edlen Friedens wieder beseelte. Ob auch wol die Trevirer und Moriner nach der Zeit wieder die Römischen Landvögte einen Auffstand machten / und die Catten durch ihre Hülffs-Völcker in solchen Krieg schienen eingeflochten zu werden; weßwegen Nonius Gallius oberhalb der Mosel / und Cajus Carinas oberhalb der Maaß mit etlichen Legionen biß an den Rhein kam; so vermittelte doch der Feldherr Segimer diesen Zwist / und traff sich also nicht ohne Nachdencken: daß als Augustus nach überwundenem Antonius zu Rom den Tempel des Janus zusperrete /Segimer nicht nur Deutschland / sondern alle Nord-Völcker zu Einsteckung ihrer Sebeln bewegte. Wiewol auch Segimer Deutschland nicht mit so viel Gold und Edelgesteinen anfüllte / als August derselben in seiner reichen Beute aus Egypten und Syrien nach Rom brachte; so nahm jenes doch für einen unschätzbaren Reichthum auff: daß folgendes Jahr die holdselige Asblaste einen Sohn gebahr / welcher schon in der Wiege Merckmahle der väterlichen Tugend und der mütterlichen Holdseligkeit von sich blicken ließ; nemlich den Fürsten Herrmann / welcher nechst[1054] hin den Ruhm verdienet ein Erhalter der Deutschen Freyheit genennt zu werden. Alleine wie die Freude zu Rom bald als ein Schatten verschwand / oder die Erfahrung den Römern die Augen öffnete: daß Kayser August zwar die Ketten / an denen er seine Gefangenen im Siegs-Gepränge zu Rom einführte / sehen lassen / die aber / welche er denen Römern selbst an Hals zu werffen Sinnes war / in dem Siegs-Wagen versteckt hatte; also verstellte der Wolstand in Deutschland auch bald sein annehmliches Gesichte; Gleich als wenn in der Welt so wenig eine Glückseligkeit ohne Unlust seyn könte / als die Natur Rosen ohne Dornen zu zeugen fähig wäre; und das Betrübnüß der Ergetzligkeit so nothwendig / als der Sturm auff die Windstille und auff den hellesten Tag dennoch eine tunckele Nacht folgen müste. Wiewol man endlich nachgeben muß: daß wir ins gemein selbst unsers Unglückes Uhrheber sind / und unsere eigene Thaten böse Sternen in den Kreiß unserer Geburts-Lichter setzen.

Kayser August ließ sich bedüncken: daß seine Gewalt und Siege aller vorigen Römer übertreffe / deßwegen hielt er es auch für eine Nothwendigkeit in Pracht und Schau-Spielen es allen Vorfahren vorzuthun. Er weihete der Minerva einen köstlichen Tempel / seinem Vater Julius ein Rath-Hauß und ein Heiligthum ein. Beyde erfüllte er mit unschätzbaren Seltzamkeiten Egyptens. Aus des Jupiters / der Juno und anderer Götter Tempeln räumte er alle alte Zierrathen / unter dem Scheine: daß sie vermodert oder allzu befleckt wären; wormit ihm alle ihren neuen Reichthum zu dancken hätten. Auff das Altar der Venus setzte er Cleopatrens Bild aus dichtem Golde. Mit Löwen / Tygern und Elefanten dem Volcke Lust-Spiele zu halten / war ihm schon allzugemein. Denn Lucius Marcellus hatte schon bey nahe für zweyhundert Jahren hundert und zwey und viertzig den Mohren in Sicilien abgenommene Elefanten in dem grossen Spiel-Kreiße von den Bürgern mit Pfeilen erschiessen lassen. Der grosse Pompejus hatte mit vielen bey Einweihung seines Schauplatzes / ein andermahl mit sechshundert Löwen / wie auch Scipio Nasica zwischen Elefanten und Bären / Mucius Scävola mit Löwen einen Kampf angestellt. Sylla hatte nur als Stadtvogt hundert grosse Löwen von Mohrischen Bogenschützen erlegen / und hernach Elefanten und wilde Ochsen mit einander eine blutige Schlacht halten lassen. Vom Kayser Julius waren eine grosse Menge fremder Thiere in eitel silbernen Kefichten / vierhundert Löwen / ein Camelpardel und zwantzig gethürmte wieder Menschen fechtende Elefanten; vom Aurelius Scaurus die ersten /und zwar hundert und funffzig Pantherthiere / etliche Krocodile und Wasserpferde / ja auch die Gebeine von dem Meerwunder / welchem in Syrien Andromede für gestellt gewest / aufgestellet worden. Mit allem diesem zusammen und noch mehrerm erlustigte August das Römische Volck. Nun wären zwar seine verordnete Schlachten zwischen Löwen und Tigern /zwischen Panthern und Bären / zwischen Wasserpferden und Krocodilen / zwischen Elefanten und denen vorhin nie zu Rom gesehenen Thieren / die von dem Horne auf ihrer Nasen einen Nahmen bekommen; ja endlich das Gefechte des hierzu freywilligen Raths-Herren Vintelius hingegangen. Allein dieses war unverantwortlich: daß er die in dem Parthischen Kriege so hoch verdienten / in der Schlacht bey Accium aber gefangenen edlen Catten und Dacier zwang: daß sie nicht alleine unter sich selbst / sondern auch so gar wieder die grimmigsten Thiere fechten / zuletzt aber doch von den Pfeilen Römischer Knaben sterben musten. Ob auch wol drey deutsche Ritter in dem grossen Spiel-Kreiße auf die in der Mitten erhobene Marmelnen Geländer die heiligen Bilder / als einer der Göttin Cybele / der[1055] ander die grosse Sonnen-Seule /der dritte den Schutz-Geist der Stadt Rom umfaste /wurden sie doch von denen Schergen herab gerissen /und auf sie die grimmigsten Tyger loß gelassen. Worüber des Feldherrn Segimers anwesender Gesandte mit denen Zähnen knirschte / und denen ihm zugegebenen zweyen Römern ausdrücklich zu vernehmen gab: daß sein Fürst diese Grausamkeit nicht verschmertzen würde. Am allermeisten aber wurden hierüber die Catten erbittert / welche an den Römern sich auf gleiche Art / wie sie es ihren Bluts-Freunden mitgespielt hatten / zu rächen sich verlobten. Hierzu kam: daß die Römer nun auch auf der Sud- und Ost-Seiten allzu nahe graseten; in dem Marcus Craßus wieder die Dacier / und die von Deutschen entsprossenen Bastarnen mit einem mächtigen Heere geschickt ward selbte unters Joch zu bringen. Nicht weniger machte es in gantz Deutschland ein grosses Nachdencken: daß die Sarmatier Gesandten nach Rom schickten / und mit dem Kayser ein Bündnüß machten; insonderheit aber: daß er mit einem mächtigen Heere in Gallien ankam / unter dem Scheine in Britannien überzusetzen und bey den Galliern eine Gleichheit der Schatzungen einzuführen; oder vielmehr durch Erhaltung alles Uberflußes die Gallier ruhig und feige zu erhalten; weil Klagen nach Rom kamen: daß nicht das zehende Theil in die Kayserliche Schatz-Kammer gebracht / ihr Schweiß und Blut aber von denen üppigen Landvögten durch Wollüste verzehret würden / und also sie durch Armuth mit der Zeit zu hertzhafftern Entschlüssungen gebracht werden dörfften.

Rhemetalces bat den Fürsten Malovend um Verlaub seine Meynung zu erforschen; Ob er denn mit dem Kayser das Reichthum für eine Ursache der Zagheit und für rathsam hielte: daß ein Fürst seine Unterthanen durch ihre Bereicherung im Zaume halten solte. Seinem Bedüncken nach schiene es ihm für den unbändigen Pöfel ein härter Kapzaum zu seyn / wenn er ihnen durch schwere Schatzungen die Schwung-Federn verschnitte; und ihnen die Flügel ihrer Kräffte und Vermögens nicht liesse zu lang werden. Da man aber auch gleich alten Unterthanen / derer Treue von vieler Zeit gegen ihre Fürsten eingewurtzelt wäre / derogestalt müste Pflaumen streichen / schiene es doch bey denen nicht thulich / derer unwillige Hälse man allererst unters Joch gesteckt hätte Diesen nehme man ja die Waffen aus den Händen; das Vermögen aber wäre die Spann-Adern / ohne welche jene nicht könten gebraucht werden. Cyrus habe deßhalben die überwundenen Babylonier durch aufferlegten Krieges-Sold mit Fleiß erschöpffet / und die Römer hätten durch übermäßige Schatzung den Demetrius in Syrien so gar zum Kirchen-Raube genöthiget. Ja auch bey getreuen Unterthanen wäre übermäßiges Reichthum mehr schädlich als nützlich / weil es geitzig und verzagt / die Nachbarn aber darnach lüstern machte. Aus welchem Absehen die Satarchischen Scythen Gold und Silber aus ihrem Gebiete wie Gifft verbannt hätten. Und nach dem diß Ertzt den Hercules in Hispanien gelocket / wäre selbtes lange Jahre ein verbotenes Besitzthum der Einwohner gewest; also gar: daß die Hispanier / welche der Stadt Carthago im Kriege dienten / ihren Sold nicht nach Hause bringen / sondern zu Erkauffung Africanischer Weiber verwenden musten. Massen denn auch die Römer mit den ärmsten Völckern am meisten zu thun bekommen / der reichsten aber am ersten Meister worden. Weder in einem noch dem andern Falle / versetzte Adgandester / halte ich es für gut sein Volck verarmen zu lassen. Die Natur ist wie in allem / also auch in der Herrschens-Kunst die klügste Lehrmeisterin. Die Ackersleute behauen zu ihrer Nothdurfft nur die Bäume / rotten sie aber nicht gar aus. Ein Schäfer zöpfet seiner Heerde kein Blut ab / sondern vergnüget sich[1056] an der übrigen Milch und Wolle. Und Fürsten müssen die Brunnen ihrer Unterthanen derogestalt schöpffen: daß sie selbst nicht darbey erdürsten. Denn auf solchen Fall werden auch die getreuesten unwillig; und ihrer viel werden ehe einen Stich in ihrem Leibe / als die Abdrückung ihres Vermögens verschmertzen. Das den Leuten angebohrne oder durch Unglück verursachte Armuth drücket zwar die Gemüther zu Bodem; welches aber von dem / der ihr Schutz-Herr seyn / und als ein hoher Berg sie wie Thäler selbst wässern soll /entstehet / bringet sie zu verzweiffeltem Auffstande wieder ihre Ober-Herren. Daher das Römische Volck zwar allemahl seine mit dem Rathe habende Zwistigkeiten wegen Verwaltung der Aempter beylegte / als aber dieser jenes durch das Acker-Gesätze in seinem Vermögen drückte / gieng die gantze Herrschungs-Art zu Grunde / und ward in eines eintzelen Menschen Botmäßigkeit verwandelt. Denn der / welcher nichts mehr / als das nothleidende Leben zu verlieren hat /setzet selbtes leicht vollends in die Schantze; sonderlich / wenn er seinen Bissen Brodt anderwerts liederlich verschwenden / oder Fremden zum besten anwenden sieht. Die Medischen Städte entbrachen sich wegen solcher Bedrängung vom Gehorsam gegen den Cyrus / und Alcibiades bewegte unter diesem Schein die Asiatischen Städte zum Abfalle von seinem Vaterlande. Halb Africa blieb den Carthaginensern treu auch bey denen unglückseligsten Läufften; biß sie durch unersättliche Blut-Egeln den Einwohnern ihren halben Zuwachs abpresten. Aus gleichmäßiger Ursache fielen von ihnen die Hispanier / und von Athen die Bundsgenossen ab. Herentgegen empfindet ein Volck nicht einst die Koppel der Dienstbarkeit an seinem Halse / welches von Uberflusse wol ausgemästet wird; es bekümmert sich nicht um die Zerdrü erung der alten Gesetze / weñ es täglich vom Wolleben angefüllt ist. Es fraget nicht nach der Tichtigkeit seines Fürsten; Also ward von den Persischen Weisen durch die Freyheit von den Gaben der an des Mergis Stelle auf den Stul gesetzte Orpasta etliche Jahr nicht gerechtfertiget / biß ihn endlich der Mangel der Ohren verrieth: Es vergisset endlich seiner angebohrnen Tapfferkeit: Also sind die Gallier / von welchen wir reden / als von Uhrsprung Deutsche / für Zeiten so streitbar / als wir gewest; aber unsers Wissens durch nichts anders / als ihren Uberfluß so weibisch worden. Fürnehmlich aber hatte Kayser August Ursache Gallien nicht allzusehr mit zu nehmen; weil sie die eusserste Gräntze des Reiches halten; weßwegen auch Darius von Mohren und Colchiern keine Schatzung nam. Deßhalben befreyte der Kayser auch alle Edlen /den Pöfel aber ließ er zinsen / was er am leichsten aufbringen konte / als die Friesen Leder / die Sicilier Getreyde / die Corsen Wachs. Wormit aber jene unempfindlich das ihrige beytrügen / setzte er auf Edelgesteine / Perlen / Würtzen grosse Zölle; die unentpehrlichen Lebens-Mittel waren dem Armuth zum Schaden mit nichts belegt. Ja er ließ den Galliern selbst die Verwaltung des Zinß-Kastens / und bestellte darüber ihre Priester zu Auffsehern. Rhemetalces versetzte: von dieser Gelindigkeit hätte August kurtz hernach selbst abgesetzt / und den Galliern durch den zwar eingebohrnen aber scharffen Knecht Licinius /welchen Kayser Julius freygelassen / eine bleyerne Hand aufgelegt; welcher des Jahrs vierzehen Monate rechnete / um so viel öffter die monatliche Schatzung zu erheben / das Gold- und Silber-Gewichte in der Einnahme der Rentmeister erhöhete / ausser dem es aber in vorigem Stande ließ; Die Verkauffung alles Saltzes an sich zoh; auf den Rauch / Lufft / Wasser und die Begräbnüß-Erde / ja auff die Ergetzligkeiten des Ehstandes; insonderheit aber auff eines bey den Morinen noch vom Kayser Julius gepflantzten Ahorn-Baumes Schatten-Genüß / einen ansehnlichen Zoll schlug. Und ob schon gantz Gallien über ihn Ach und Weh schrieh / besänfftigte[1057] er doch durch die Auslieferung des erpreßten Gutes den Kayser nicht allein; sondern trug auch den Ruhm davon: Er hätte denen Galliern dem Kayser zum besten die übrigen Schwung-Federn wol ausgezogen. Malovend begegnete ihm: Fürsten müssen zu ihrer Diener Fehlern offt wieder Willen ein Auge zudrücken / um sich der eigenen Schande zu entbrechen: daß sie in Bestellung der Aempter nicht vorsichtiger gewest. Denn es versöhnet zwar kein Opffer so kräfftig des unwilligen Volckes vergällte Gemüther / als das Blut eines verhasten Dieners; ja selbst-schuldige Fürsten können sich offt hierdurch weiß brennen. Aber es benimmet doch einem Fürsten nichts minder das Ansehen / wenn er Diener ihrer Boßheit halber absetzen muß; als einem Leibe / dem man wegen des Krebses ein Glied abschneidet. Gleichwol aber ließ August den Licinius nicht in Gallien; sondern versetzte ihn nach Art gewisser Kräuter / welche sich in allzu fettem Bodem in Unkraut verwandeln / in das sändichte Arabien. Welch Mittel den Fürsten bey Liebe / den Diener bey Ehren / die Länder beym Gehorsam behält. Alleine diese Erleichterung Galliens wahrsagte den Deutschen eine grosse Bürde. Denn nach dem die Britannier durch Botschafften und Geschäncke den Kayser begütigten; mit ihm auch der Handlung wegen einen gewissen Vergleich trafen / richtete er auch bey dem Altare der Ubier am Rheine eine Niederlage auff; von dar er Wein / Gewürtze / Seide / und andere zur Uppigkeit dienende Waaren häufig Deutschland verführen ließ. Weil nun die Catten nicht alleine in ihrem Lande keine Handlung verstattet hatten / sondern auch augenscheinlich wahr nahmen: daß die Römer durch dieses Gewerbe die Härte der Deutschen weich und weibisch zu machen anzielten / ließen sie auf den Gräntzen bey Leib- und Lebens-Straffe allen Eintritt fremder Handels-Leute verbieten. Der Kayser nahm diß zwar übel / und gleichsam für eine Fehde auf. Sintemahl nicht nur das Recht der Völcker / sondern die Natur zwischen allen Menschen eine Gemeinschafft aufgerichtet; und ihr getroffener Friede so wol die Deutschen / als Römer zur Freundschafft gegen einander verknipfft hätte. Die Catten aber antworteten: Es wäre andern Römern / ausser Kauff-Leuten /ihr Land unverschlossen. Jedes Volck aber wäre berechtiget / die ausser seiner Gräntze zu halten / die den innerlichen Wolstand verterben könten. Uber diß wäre ihr Verbot nicht neu / gienge auch nicht nur die Römer / sondern alle Völcker an. Denn sie hätten niemahls diese Art Menschen bey ihnen gelitten / auch noch neulich Sarmatische Handelsleute wieder zurück gewiesen / und denen Svionischen Fürsten das Verlangen ihren Handelsleuten der berühmten Stadt Wisbye auf dem Eylande Gothland Gewerbe zu verstatten abgeschlagen. Wenn der Kayser sich erinnern würde: daß er keinem Raths-Herrn aus Italien / insonderheit in Egypten zu reisen / sein Vater Julius keinem über zwantzig Jahr alten Bürger zu Rom länger / als drey Jahr ausser Italien zu leben verboten hätte; daß die Serer und Ripheer keinen Einwohner ausser Landes reisen liessen / könte er auch das Verbot der Cattischen Fürsten / welche in ihren Ländern diß / was August zu Rom / wären / keiner Feindseligkeit beschuldigen. Zeno fieng an: die Catten haben hierinnen wol Recht gehabt. Sintetemahl es so gar in eines Fürsten Willkühr stehet: Ob er von fremden Fürsten einige Botschafft einlassen wolle. Alleine nach dem die Handlung uns nicht nur mit Würtzen der Wollust; sondern auch mit vielen zum Leben nöthigen Dingen versorget / und gleichsam der Sparsamkeit der Natur oder den Mängeln der Länder aushilfft; kan ich kaum glauben: daß die einige Beysorge einschleichender Wollüste die Cattischen Fürsten zum gäntzlichen Verbote der Handlung bewegt haben solle. Nach dem[1058] auch kein Land alles nothwendige zeuget / und derogestalt sonder Armuth schwerlich leben kan; weiß ich nicht: Ob diß Gesetze den Catten heilsam seyn könne. Malovend antwortete: die der Natur gemäß lebenden /und also mit wenigen vor lieb nehmenden Catten halten die Kaufmannschafft allerdinges für ein schädliches Ding; welches nicht so viel fremde Waaren als schädliche Sitten einführte / und die Gemüther mit Geitz und Betrug vergifftete. Ja ich kan versichern: daß unter diesem Volcke ihrer viel seyn / welche sich mit dem Zerstörer der Städte Numantia und Carthago Scipio Emilius rühmen können: daß sie ihr Lebtage nichts gekaufft noch verkaufft haben. Welches mir keine gemeine Glückseligkeit / ja das handeln mit der Deutschen Aufrichtigkeit fast nicht verträglich zu seyn scheinet. Sintemahl der Käuffer und Verkäuffer gleichsam für eine Tugend und Geschickligkeit / oder für eine Eigenschafft ihres Gewerbs halten / wenn dieser seine Wahre zu theuer / jener sein Geld zu hoch anwehret / und einer den andern vervortheilt; Gleich als wenn die Klugheit verpflichtet wäre der Gerechtigkeit ein Bein unterzuschlagen. Denn es wird schwerlich mehr ein Quintus Scevola gefunden / der für einen Acker seines Werths mehr giebt / als er ihm geboten wird. Wiewol nun diese Mängel freylich nur Mißbräuche der Handlung sind; so lassen sie sich doch durch keine menschliche Vorsicht davon absondern. Daher Anacharsis über dem zu Athen gemachten Gesetze / welches alle Lügen auf öffentlichem Marckte auffs schärffste verbot / auch zu seiner Beobachtung absondere Richter hatte / lachen muste; weil nirgends unverschämter / als auff eben dem Marckte gelogen würde. Plato hätte zwar auch alle Schwüre /und das Uberbieten der Waare / Aristonicus die ungleiche Verkauffung einerley Dinges verboten / aber beyde Gesetze wären schier eher ab / als aufkommen. Nebst diesem hätten die Catten wol freylich einige absondere Bedencken hierbey. Denn der Adel wäre bey ihnen so starck / als fast in keinem andern Lande. Daher wolte dieser die Handlung keines Weges aufkommen lassen; entweder / weil er selbter als einem verkleinerlichen Fürhaben gram ist / oder dem Pöfel grösseres Reichthum / welches die Handlung zu wege bringt / den Glantz des Adels aber verdüstert / mißgönnet. Zeno versetzte: Ich weiß wol: daß in den meisten Ländern nicht nur die geringe Krämerey / sondern auch kostbare Stückhandlung den Adel anstincket; da er sich doch beym Land-Leben mit schlechterem Kramern zu verunreinigen nicht schämet. Ich erinnere mich auch: daß zu Rom anfangs den Raths-Herren einig Gewerbe zu treiben unanständig / und zu Thebe Kaufleuten einig hohes Ampt zu verwalten durch ein Gesetze verschrenckt war. Alleine die Herrschsücht- und argwöhnischen Herrscher haben dieser herrlichen und nützlichen Nahrung eine so schwartze Farbe angestrichen; wormit der Adel dardurch entweder nicht zu reich / oder von Ubung der zu Vertheidigung des Landes nöthiger Waffen abgezogen würde; so gar: daß bey etlichen Völckern das handeln schimpflich / Morden und Rauben aber Adelich ist. Alleine an ihr selbst ist die Handlung ein unschätzbares Wesen / welches die Spann-Adern des Krieges / und den Uberfluß des Friedens verschafft; kleine Länder mächtiger / als weit umschweiffige Reiche macht; also: daß der grosse Alexander mit Bezwingung der Handel-Stadt Tyrus mehr / als mit dem Persischen Reiche / Rom mit Carthago länger / als mit dem übrigen Theile der Welt zu schaffen gehabt hat. Dieser zwey Städte Seele aber war die Handlung; ihre Kaufleute Fürsten; und der Adel trieb daselbst sonder einige Besudelung fast alleine das Gewerbe. Die Grichen hielten es eben so wenig für verkleinerlich; und der vom Jason aus Colchis geholete güldene Wider deutete nichts / als die Handlung / und das unter[1059] die Sternen gesetzte Schiff die Fürtrefligkeit der Schiffarth an. Endlich war auch Rom klüger / und Pompejus schämte sich dessen nicht / woraus die Parthischen Könige gleichsam ein Handwerck machen. Malovend antwortete: Alle Dinge gleichen fast den gemahlten Gläsern / welche so viel Farben zeigen / so viel mahl man die Stelle sie anzuschauen ändert. Der Unterscheid der Herrschafft ist meines Bedünckens hierbey nicht ausser Augen zu setzen. Deñ bey der Bürgerlichen scheinet die Handlung dem Adel noch etlicher massen anständig zu seyn; aber nicht bey der Fürstlichen. Eines Volckes Sitten schicken sich auch besser darzu / als des andern. Daher ich glaube: daß /wenn in der gantzen Welt der Adel handelte / der Deutsche doch / ich weiß nicht / aus was für einer Abscheu / sich hierzu schwerlich verstehen würde. Deßwegen auch die Catten / als die Römischen Kauf-Leute wieder gethanes Verbot / entweder aus Begierde des Gewinns / oder auf Anstifftung ihrer Vorsteher / im Cattischen Gebiete einen Marckt aufrichteten /sie erschlugen / ihre Wahren aber ins Wasser warffen. Hierzu kam die Nachricht: daß viel edle Catten zu Rom im Schau-Platze von wilden Thieren wären zerrissen worden; und daß August in Hispanien todt kranck läge / dahin ihn die auffstehenden Salaßier /Cantabrer / und Asturier zu ziehen genöthigt hätten. Daher ein Theil der Catten ihrer Bluts-Freunde schmählichen Tod zu rächen in Gallien einfiel / und alle nur zu ereilen mögliche Römer todt schlug. Dieser Einfall brachte das Schrecken biß nach Rom; und ward Marcus Vinicius mit drey Leigonen / und zwantzig tausend Hülffs-Völckern wieder sie geschicket. Die Catten / ob sie zwar nicht halb so stark waren /hielten es doch für eine Schande zu weichen / also kamen sie an dem Flusse Sara mit einander zu schlagen. Wiewol nun die Catten mit dem Abende sich zurücke zohen; blieb auff Römischer Seiten doch viel mehr Volcks auff dem Platze; gleichwol aber schätzte der Kayser diese Schlacht so hoch: daß er dem Vinicius zu Rom ein Siegs-Gepränge anordnete; und als dieser um nicht Liviens und Agrippens Neid zu erwecken solches anzunehmen weigerte / weil der Niedrigern Ehren-Kräntze den Grössern nur Dornen in Augen sind / ließ der Kayser ihm auf den Alpen einen Marmelnen Sieges-Bogen aufrichten; gab ihm auch die Freyheit alle ersten Tage des Jahres einen Krantz und Siegs-Kleid zu tragen. Zeno fiel ein: Es ist dieses eine feine Art des Rauches / welchen zwar gemeine Leute auch um nichts anwehren können / kluge Fürsten aber theuer genung zu verkauffen wissen. Insonderheit aber hat August sich auf diese Kauffmannschafft wol verstanden. Also belohnet er des Agrippa nach der bey Sicilien gewonnenen grossen See-Schlacht mit nichts mehr / als einer blauen Fahne; sein dem Kayser zu Ehren gebautes Pantheon / und des Neptunus Lust-Gänge mit der Freyheit beym Kayser in denen ohne diß übrigen Zimmern zu wohnen. Der grösten Könige Gesandten eignete er als eine grosse Würde in dem Schau-Platze einen Sitz nach denen sechshundert Raths-Herren ein. Eines der edelsten Geschlechter verehrte er mit der Freyheit ihm sein Geträncke einzugiessen; ein anders unangemeldet in sein Zimmer zu kommen; das dritte ihm das Rauchfaß bey den Opffern; und etliche Asiatische Könige ihm den Steigereiff zu halten. Welche Bländungen alle so viel mehr geschätzt wurden / weil er gegen sich selbst in Ehrenbezeugungen sparsam war / und viel ihm vom Rathe angetragene Würden anzunehmen weigerte. Ja /sagte Malovend: Alles dieses that der Kayser aus gewisser Staats-Klugheit. Denn er schlug gleichwol nichts aus / was nicht etwan leere Hülsen eiteler Ehre / sondern den Kern der Obmäßigkeit in sich hielt. Den Agrippa selbst setzte er endlich zum Steuer-Ruder des[1060] Reiches; weil er sich nicht allenthalben hin selbst traute; ja auch in den Rath niemahls ohne Pantzer kam. Wiewol ich gestehe: daß Agrippa / und nebst ihm Mecenas sich um den Kayser so hoch / als noch zur Zeit kein ander Staats-Rath um seinen Fürsten verdient / und das Gewichte aller Vergeltung überwogen / also dieser von jenem dem Kayser nicht weniger klug / als getreu eingerathen habe: Er müsse den Agrippa entweder tödten oder zum Eydame machen. Wie es denn August zu seiner Verbindung nicht genung hielt: daß er vorher mit seiner Schwester Tochter vermählt war / sondern er muste diese verstossen /wormit er des Kaysers eigene Tochter Julia heyrathen konte. Er verzuckerte den der Freyheit gewohnten Römern die neue Dienstbarkeit; er setzte durch seine Siege des Kaysers Waffen in Ansehen bey den Bundgenossen / und gieng gleichwol mit denen Uberwundenen so um: daß der Welt die so sehr gefürchtete Gewalt annehmlich ward. In Rathschlägen zeigte er eine durchtriebene Scharffsichtigkeit / und einen feurigen Eyver in derselben Ausübung. Wo er des Kaysers Zuneigung befördern solte; sahe er sein Absehen ihm in Augen an. Wo es um sein Ansehen zu thun war /grieff er nichts ohne seinen Befehl an / wormit nicht er / sondern der Kayser die Ehre davon trüge; wo ein zweiffelhaffter Ausschlag zu besorgen / nahm er die vermutheten Entschlüssungen des Kaysers auff seine Achsel und Gefahr. Eben dieses wagte er / wie ihm August die Verwaltung über gantz Gallien anvertraute. Denn wiewol der Kayser mit den Deutschen anzubinden Lust hatte / stand er doch wegen des ungewissen Ausschlags an / dieses gefährliche Feuer aufzurühren. Daher nahm es Agrippa auf sich; wormit /wenn es mißriethe / ihm die Schande / wenn er aber seinen Zweck erreichte / dem Kayser der Ruhm zuwüchse. Der ausser dem Narbonischen Gallien wohnende Adel / und insonderheit die um die Römer so hoch verdienten Heduer nahmen es übel auf: daß nur aus jenen / nicht aber aus ihnen einige zu Römischen Raths-Herren erkieset wurden / und daher gaben sie dem vom Geld schmeltzenden Licinius ohne diß ausgemergelten Volcke ins Geheim Anlaß zum Auffstande; welches vorhin überaus schwürig war: daß der Kayser so viel Römer in Gallien versetzte / denen sie ohne Entgelt und Wiederrede ihr väterlich Erbtheil abtreten musten; da sie doch sonst nichts verschuldet hatten / als daß sie fruchtbares Erdreich besässen. Also mangelte ihnen nichts als ein Haupt den Römern die Stirne zu bieten. Dieses fanden sie endlich an des Feldherrn Segimers Bruder / dem Fürsten Ingviomer /einem jungen abgefundenen Herrn; welcher / um die Cheruskischen Kräffte durch Theilung nicht zu schwächen / sich selbst seines väterlichen Erbtheils verzieh / und mit dem Degen sein Glücke zu suchen sich entschloß. Wie er nun der Gallier Gemüther ausgeholet; kam er mit fünf hundert jungen Edelleuten und etlichen tausend dort und dar zusammen gelesener Mannschafft in Gallien; brachte von Heduern /Trevirern / Sequanern und Mediomatrichern unter dem jungen Fürsten Divitiack ein ziemliches Heer zusammen / mit dem Vorsatze den Galliern ihre Freyheit wieder zu erwerben. Agrippa hielt diß anfangs für eine gewünschte Gelegenheit den Deutschen in die Haare zu kommen; er erfuhr aber bald: daß noch etliche tausend Catten zu den Galliern gestossen / und also die Feinde stärcker wären als die Römischen Kräfte in Gallien zu bestreiten vermöchten. Daher muste er mit seinen dreyen Legionen durch allerhand Kriegs-Lift den Ingviomer aufhalten; biß er aus Hispanien und Italien mit noch drey andern verstärckt ward. Worauff es denn bey der Stadt Divodur zu einer blutigen Schlacht kam / in welcher Ingviomer die Hertzhafftigkeit[1061] eines Löwen / und den Witz eines alten Feldhauptmanns für den Jahren derogestalt ausübte: daß kein Theil sich des Sieges zu rühmen hatte; sondern iedes auf eine Tage-Reise zurücke wiech. Agrippa schätzte dieses gleiche Gefechte gleichwol für einen nicht geringen Verlust / nicht allein wegen seiner selbst / sondern auch der Römischen Waffen /welche nunmehr in dem Ruffe waren: daß kein Volck ihnen zu begegnen mehr mächtig wäre. Noch mehr aber ward er durch die Zeitung aus Hispanien bekümmert: daß die vorhin überwundenen und verkaufften Cantabrer ihre Römische Herren erwürget / sich nach Hause gewendet / und daselbst bereit unterschiedene Festungen den Römern abgenommen hatten. Zu allem Glücke kam Segesthes der Chaßuarier und Dulgibiner Hertzog / welcher in dem Kriege wieder den Antonius dem Kayser grosse Dienste geleistet / auch deßwegen von ihm das Römische Bürger-Recht erlangt hatte /zum Agrippa / mit welchem er in Egypten verträuliche Freundschafft gemacht. Durch diesen bewegte er Ingviomern durch Einräumung eines Stücke Landes an der Mosel / und den Divitiak durch Versprechung der Römischen Raths-Würde: daß sie mit Agrippen einen Vergleich eingiengen. Ja Ingviomer zohe selbst mit Agrippen wieder die Cantabrer / für welcher Nahmen die Römer gleichsam zitterten / hielt sich auch mit seinen Deutschen so tapffer: daß die edlen Cantabrer sich aus Verzweiffelung mit Giffte hinrichteten / die gemeinen sich ergaben und von denen Gebürgen ins flache Land versätzt wurden. Zeno fieng an: Es ist diß eine harte Art / sich der Uberwundenen zu versichern. Sintemal nichts empfindlichers seyn kan / als sein Vaterland mit dem Rücken ansehen / und das alte Volck auffhören zu seyn. Daher ich den Saguntinern und Carthaginensern nicht für übel habe: daß beyde sich lieber eingeäschert wissen / als jene auf Hannibals / diese auf der Römer Befehl den alten Sitz / die heilige Behältnüß ihrer Großväterlichen Aschen verlassen wollen. Malovend versetzte: Es ist diese Wanderung mehr schmertzhafft als grausam; weil ieder Ort der Welt einem vernünfftigen Menschen zum Vaterlande dienet; und so viel Völcker freywillig ihre ersten Wohnungen verlassen / die Scythen in Parthen /die Amyoler in Peloponnesus / die Athenienser in Asien / die Phönicier in Africa / die Phrygen in Italien / die Celten in Hispanien / die Deutschen in Grichenland und Galatien einen annehmlichern Himmel gesucht haben. Uber diß ist es ja eine grosse Gütigkeit des Uberwinders / wenn er denen Uberwundenen durch Veränderung ihres Sitzes weh thut / als seine durch das Kriegs-Recht über sie erlangte Gewalt des Todes durch gäntzliche Vertilgung ausübet. Zumahl wenn er sie nicht als Knechte / wie Dionysius es denen Camarinen / die Persen den Juden mitspielten /vertheilet und untersteckt; sondern sie nur an einem neuen Orte das alte Volck seyn / und nach ihren alten Gesetzen leben läst. Massen denn auf diese Art den Feinden gleichsam aus Vortheilhafftigkeit des Ortes die Gelegenheit zu sündigen / und sich unglücklich zu machen benommen ward; solches auch für ihm Pompejus mit denen unter dem Caucasus zu wandern genöthigten Colchiern / sonder einige übele Nachrede /nicht besser gemacht hat. Ich zweiffele auch fast: daß August mit den Cantabrern so gelinde verfahren hätte / wenn es nicht dem für sie bittenden Ingviomer zu Liebe geschehen wäre / welchen der Kayser mit herrlichen Geschäncken empfieng / und ihn über seine deutsche Leib-Wache setzte / der er auch mit grossem Ansehen fürstand / biß der Kayser nach zweyen Jahren mit Terentien in Gallien kam. Da ihn denn der gemeine Wechsel des Hofes und des Glückes / welche beyde sich ins gemein vorwerts weiß / auf dem Rücken schwartz kleiden / aus des Kaysers zu seines Vaterlandes rühmlichern[1062] Diensten brachte; weil er von Terentiens Reise ein wenig zu frey geurtheilet hatte. Denn Fürsten / welche auf ihrer Diener Fehler ein Luchs-Gesichte haben / wollen: daß diese ihre mit Maulwurffs-Augen ansehen / oder doch selbte wie die Flecken in der Sonne und dem Mohnden zu was besserm machen sollen / als sie an sich selbst sind. So bald nun Ingviomer von des Kaysers Unwillen Wind kriegte / und er wol verstund: daß Fürsten dieselben nicht gerne im Gesichte / welche durch blosses Anschauen ihnen ihre Gebrechen verweisen / saan er für / solche Empfindligkeit ihm in eine Gnade zu verwandeln. Sintemahl man nicht leicht mit iemanden / weniger mit Fürsten gar zerfallen soll; weil zwar wenig einem helffen / alle aber / ja die schwachen Käfer dem Adler schaden können. Diesemnach ersuchte Ingviomer den Kayser um seine Erlassung; weil sein Bruder Segimer seiner bey denen innerlichen Unruhen Deutschlandes benöthigt wäre. Welche kluge Zuvorkommung er so wol aufnahm: daß er ihn nicht ohne kostbare Geschencke weg ließ / und also bezeugte: daß seine Gewalt zwar groß / sein Gemüth aber noch grösser wäre.

Hertzog Ingviomer kam zu höchster Noth wieder in sein Vaterland / welches in eine ärgere Kriegs-Flamme / als iemahls versuncken war. Denn der Hertzog der Hermundurer Britton war für etlichen Jahren verstorben / und hatte seinem Sohne eben dieses Nahmens zugleich die zwischen dem Necker / Kocher und der Donau gelegenen Hertzogthümer der Marckmänner und Sedusier verlassen; welche nach des ohne Söhne verschwundenen Königs Ariovists Tode /Vermöge einer zwischen beyden Fürstlichen Häusern aufgerichteten Erbverbrüderung dem alten Briton heimgefallen / und also mit der Hermundurer Ländern vereinbart worden waren. Diese Völcker bezeugten sich für andern Deutschen überaus genaue Eyverer für ihre Freyheit zu seyn. Ihre Hertzoge dörffen ohne Verwilligung des Adels und des Volckes keinen Krieg anfangen / keinen Frieden schlüssen / keine Bürde dem Volcke auflegen / noch für sich allein in wichtigen Reichs-Geschäfften etwas entschlüssen. Gleichwol aber enthiengen sie dem Britton ihrem neuen Hertzoge aus einer besondern Zuneigung anfangs mehr / als seinen Vorfahren; also: daß sie ihm auch nach seiner Willkühr zu heyrathen erlaubten; da das Volck voriger Zeit seinen Fürsten nach dem Vortheil des gemeinen Wesens ihre Gemahlinnen erkiesete; ja etliche Marckmännische Edelleute für achtzig Jahren in der Fürstin Sartuda Armen ihren Eh-Herrn erstachen / den sie wieder des Landes Willen geehlicht hatte / sie auch kurtz hierauff den zu nehmen nöthigten / der zum ersten den Degen auf ihren vorigen Gemahl gezückt hatte. Also sind die Unterthanen niemahls anders / als gewaltsam zu herrschen / und der vorhin demüthigste Pöfel die grausamsten Gesetze fürzuschreiben gewohnet. Hertzog Britton vermählte sich mit des Königes der Bastarnen Deldo Tochter /dessen Vater gleichen Nahmens vom Craßus erschlagen worden war. Diese aber / als eine Ausländerin /ob schon die Bastarnen sich vom Uhrsprung ebenfalls Deutsche rühmen / und weil sie der Druyden Gottesdienste beypflichtete / dem Volcke / und insonderheit den Eubagen verhast; welche in diesen Ländern noch die Oberhand hatten. Als er aber seiner Gemahlin gar etliche zwantzig Druyden / und ihren öffentlichen Gottesdienst in der Stadt Calegia verstattete / sich auch derer ie länger ie mehr in sein Gebiete spielten /und viel ihren zeither vermummten Beyfall öffentlich erkläreten; seuffzeten die Stände / insonderheit die Marckmänner öffentlich nach der vorigen Alemännischen Herrschafft / ob sie schon mit Ariovisten auch nicht allerdings waren zu Friede gewest / kamen auch in den Argwohn: es müste Hertzog Britton im Hertzen selbst den[1063] Druyden beypflichten; und nunmehr nach dem Beyspiele des Cheruskischen Fürsten Aembrichs der Barden und Eubagen Gottesdienst vertilgen wollen. Denn der Verdacht in Glaubens-Sachen brauchet sich eines Schau-Glases / welches nicht allein in andern Hertzen mehr zu sehen zeiget / als sie selbst gedencken / sondern auch die Spinnweben vergrössert; daß sie für Ketten und Banden angesehen werden. Daher machten die Marckmänner einen Auffstand wieder die Stadthalter des Fürsten Britton /unter dem Scheine: daß sie ihnen in ihrem Gottesdienste etliche aber gläubische Gebräuche der Hermundurer aufbürden wolten. Die andern Ursachen aber waren: daß die Marckmänner voriger Zeit / ehe sie unter die Alemannische und folgends die Hermundurische Botmäßigkeit verfallen waren / eigene Hertzoge gehabt hatten; nunmehr aber denen Hermundurern gehorsamen / und unter dieser Nahmen versteckt gleichsam erleschen musten. Jedoch wäre diese ihr gemeines Wesen treffende Wunde noch verschmertzt worden / und das Feuer noch eine Weile unter der Asche verborgen blieben / wenn nicht König Britton eine Untersuchung verordnet hätte: Aus was für Recht einer oder der ander seine Güter besässe. Sintemahl die in vorigem Kriege denen Druyden abgenommene Ländereyen Vermöge Landes-Schlusses dem Reichs-Vermögen einverleibt werden solten / derer viel aber der Adel entweder eigenmächtig an sich gezogen /oder die der alte Britton etlichen auf Lebetage zu genüssen vergünstigt / als ihr Eigenthum behalten hatten. Wie er denn auch von einem Theile solcher Besitzer ein grosses erpreste / hiermit aber nichts minder den Adel / als Pöfel ihm aufsätzig machte. Denn der Eigen-Nutz ist so ein fürnehmes Theil am Menschen /als Feuer und Wasser. Daher er auch die dem gemeinen Wesen biß ans Hertz gehende Wunden so nicht fühlet / als die blossen Anrührungen dieses seines Augapffels. Uber diß verstieß Britton darinnen: daß das unwillige Volck durch Absonderung / wie die Bienen durch unter sie geworffenen Staub zu trennen sind / er bey denen Hermundurern diesem Ubel zu steuern einen Land-Tag ausschrieb. Denn die Land-Boten stärckten die Marckmänner ins gemein in ihrem Vorhaben; und veranlasten das Volck sich wieder die Kriegs-Steuer zu beschweren / welche Britton zwar ohne ihre Einwilligung / doch aus hochdringender Noth angelegt hatte / um die Gräntzen gegen die Semnoner zu besetzen / welche ihm das Eigenthum des Elbe-Stroms strittig machten. Wiewol nun die Hermundurer ihrem Hertzoge wenig zu Willen waren /brachte er doch durch der Bastarnischen Druyden /und insonderheit ihres Oberhaupts in Brittannien Vorschub / weil die Königin sie der freyen Ubung ihres Gottesdienstes versicherte / wie auch durch der meist den Druyden beypflichtenden Sedusier Hülffe ein Kriegs-Heer auf die Beine / und schickte es für Vorkehrung anderer sicherer Mittel wieder die Marckmänner; welche noch zur Zeit weder unter einander einig / noch so vermessen gewest waren / sich öffentlich wieder ihren Fürsten auffzulehnen; nunmehr aber durch die Noth leicht unter einen Hut gebracht wurden / und den scheinbarsten Vorwand bekamen / ihrer natürlichen Beschirmung halber die Waffen zu ergreiffen. Vorher aber hatte Britton schon zwey Fehler begangen; einmahl: daß er die Rädelsführer / ohne die das Volck eine so gefährliche Schantze nie gewagt haben würde / nicht bey den Köpffen geno en hatte; weil derogleichen Empörungen wie die Flüsse / ie weiter sie lauffen / sich vergrössern; und die anfängliche Furcht sich nach und nach in Kühnheit verwandelt; andern theils: er seinen nicht allerdinges unschuldigen Stadthaltern allzuviel Recht gegeben; da doch diese ihres Versehens halber billich; ja / wenn die gemeine Ruh durch diß Feg-Opffer / wie das wütende[1064] Meer bestillt werden kan / auch zu Unrechte etwas zu leiden schuldig sind. Sintemahl dieses durch die gemeine Wolfarth reichlich erstattet / auch beym Auffruhre / welcher in einem Lande eben diß / was der Krebs in menschlichen Leibern ist / ein Glied zu Erhaltung des Leibes ohne Unbarmhertzigkeit abgeschnitten wird. Uber diß entbot er nach ergriffenen Waffen alle die / welche nicht zugleich für Aufrührer gehalten werden wolten / bey Verlust ihrer Güter und Köpffe zu sich; da doch treue Diener ihrem Fürsten keinen grössern Dienst thun können; als wenn sie sich selbst zu Häuptern oder Werckzeugen der Auffrührer gebrauchen lassen; also nicht allein ihre Anschläge entdecken; sondern die Abtrinnigen auch leicht wieder zu rechte bringen können. Zu diesen Fehlern kam noch die Untreue des Hermundurischen Feldhauptmannes Monatil / welcher denen Marckmännern keinen Abbruch that / wie er wol Kräffte und Gelegenheit genung hatte / sondern mit ihnen einen Frieden schloß / welcher denen Aufrührern zwar ihre Verbrechen ließ ungenossen ausgehen / dem Fürsten aber keinen Vortheil noch Sicherheit brachte; sondern vielmehr ihm die Waffen unvermerckt aus den Händen wand; wormit sie hernach desto freyer sündigen konten. Denn sie verstiessen bald hierauf die Priester aus dem gemeinen Rathe / welche doch von undencklicher Zeit die erste Stimme noch für den Fürsten gehabt /darinnen das Reden und Stillschweigen verfüget / und die Fehler verwiesen hatten. Sie beschlossen auch: daß bey ihnen niemand anders / als ein Marckmann von Geburt und Geblüte einiges Ampt zu verwalten fähig seyn solte / also dem Fürsten Britton fast alle Gelegenheit einige treue und vertraute Leute einzusetzen entzogen ward. Inzwischen blieben auch die Hermundurer wieder das alte Herkommen und den Willen ihres Fürsten auf ihrem Land-Tage Jahr und Tag beysa en; uñ an statt: daß Herzog Britton durch sie die Marckmäñer zu demüthigen vermeinte; sonderlich /weil die Sebusier gegen versprochene Wiedererstattung aller Güter / die zu seiner Vor-Eltern Zeit denen Druyden und ihrem Anhange waren abgenommen worden / ihm eine ansehnliche Kriegs-Hülffe gewilligt hatten / lernten sie von jenen auch die Banden des Gehorsams zerreissen; in dem einige öffentlich zu sagen nicht scheuten: die alten Hermundurer hätten nichts minder / als andere Deutschen ihre Fürsten aus dem Kerne des Adels / ihre Heerführer aus denen erfahrnen Kriegsleuten erwehlet; jene hätten das Volck nicht nach Willkühr / sondern durch vernünfftige Anleitung / diese das Heer durch ihr Beyspiel zur Folge bewegt.

Inzwischen brachen die Marckmänner in der Hermundurer Gebiete ein / trieben das zu Besätzung der Gräntzen verlegte Kriegsvolck über den Kocher; unterhielten aber gleichwol den Hertzog mit demüthigen Bittschrifften und Friedens-Vorschlägen; und erlangten einen Stillestand der Waffen / wiewol ihr Kriegs-Heer aus des Hertzogs Gefällen verpflegt werden muste. Dieser suchte die Hermundurer nochmahls um Beystand an / aber sie verschoben selbten durch den Vorwand: daß vorher der Marckmänner Beschwerden untersucht / und ihren eigenen abgeholffen werden müste; ja der Rath drang auch auf die Verhafft der zwey treusten Staats-Räthe des Brittons / den einen anklagende: daß er die Eubagen bey den Sebusiern ermorden / zwey der fürnehmsten auch / welche von der Hertzogin üppigen Sitten stachlicht geredet / nach Abschneidung der Nasen ewig verweisen lassen; den andern / als er mit dem Oberhaupte der Druyden um eine hohe jährliche Besoldung heimliches Abkommen getroffen hätte. Sie wurden auch als Verräther des Vaterlandes / welche die Grund-Gesetze über einen Hauffen zu werffen angezielet / und das Gemüthe des Fürsten wieder seine treue[1065] Unterthanen vergället hätten / angeklagt / beyde zum Tode verdammt / ja Hertzog Britton selbst das Blut-Urthel zu unterzeichnen genöthigt. Denn ob er wol durch seinen eigenen Sohn den Rath um das Todes-Urthel in ewige Gefängnüß zu verwandeln ansuchte / ward doch jenes vollstreckt / und beyden der Kopff / mit diesem aber dem Fürsten gleichsam seine rechte Hand und die Hertzogliche Gewalt abgeschlagen. Den Marckmännern ward all ihr Begehren / ja auch die Befriedigung ihres Kriegs-Volckes von dem Rathe der Hermundurer gewilligt / welche ihnen selbst nur darum wehe thaten: wormit ihr Fürst unrecht bliebe / und seine Unterthanen gehorsamen müsten. Also wenn ein Fürst seinen Unterthanen schon verlaubet den Saum seiner Hoheit und Gewalt anzurühren / reissen sie ihm den Purper gar von dem Halse. Weil das Volck / welches schon einmahl die Süßigkeit nach eigner Willkühr zu leben geschmecket / also fort auch nach dem Herrschen lüstern / und zu Gehorsamen ungeschickt wird. Dahero ich mehr für ein tieffsinniges Lehrstücke / als eine Hoffart der Persischen Könige halte: daß bey Lebens-Straffe kein Mensch das so genennte güldene Wasser kosten darff / welches aus denen siebentzig nur für den König und seinen ältesten Sohn gewiedmeten Brunnen geschöpfft ward; wie auch: daß der König bey der Taffel einen Vorhang für sich hat: daß er zwar die Gäste /kein Gast aber ihn sehen kan. Insonderheit aber muß ein Fürst über seinen treuen Dienern die Hand halten /und sich nicht durch ihre Seite verwunden lassen. Denn ob er zwar jene für das gemeine Heil als ein Versohnungs-Opffer auch ohne Schuld auf die Schlacht-Banck liefern kan; wenn nehmlich des Volckes Grimm auff sie / nicht auf den Fürsten zielet; so stürtzet sich doch ein Fürst selbst in Grund / wenn er zwar siehet: daß es auff sein Haupt selbst gemüntzt sey; gleichwol aber sich durch Abschneidung seiner Glieder verstimmeln / und mit Untergrabung seiner Pfeiler seinen Stul selbst mit zu Bodem reissen läst. Sintemahl auch einem Zwerge nicht schwer fällt einen starcken Eich-Baum auff den Bodem zu reissen / dem man vorher alle Wurtzeln verschnitten hat. Zum wenigsten machet die Furchtsamkeit des Fürsten auch die treuesten Diener verzagt: daß sie entweder den Mantel nach dem Winde hencken / oder ihre Achseln der gefährlichen Herrschens-Last entziehen. Welches letztere denn des Fürsten Britton meiste hohen Befehlhaber thaten; als sie sahen: daß der zwey höchsten Treue sie um den Hals gebracht hatte; und alle freye Entschlüssungen nicht für einen Willen des frommen oder vielmehr alberen Fürsten / sondern für eine Erfindung der Staats-Räthe angenommen ward. Die Stände masten sich nunmehr selbst an / die vornehmsten Reichs-Aempter zu besetzen / und ihrem Oberhaupte zu gebieten. Hierüber machten die Sebusier /welche noch grossen Theils den Druyden beypflichteten / unter dem Vorwand des Hertzogs beleidigte Hoheit und ihre in Gefahr gesetzte Gewissens-Freyheit zu vertheidigen / einen Auffstand / und wüteten mit unmenschlicher Grausamkeit wieder die Eubagen. Wiewol nun Britton sie für Aufrührer erklärte / und selbte zu unterdrücken alle Kräfften hervor suchte; wol wißende: daß die Sedusier sich gar von Hermundurern abzutrennen / und zu den Buriern zu schlagen im Schilde führten; so war jenen doch der Verdacht nicht auszureden: daß er mit den Sedusiern unter einer Decke läge. Einige der Land-Boten unterwunden sich hierbey den Pöfel zu erregen: daß er für Hertzog Brittons Schlosse nicht ihn und seine geheimen Räthe die abscheulichsten Schmähungen ausstieß / in der Reichs-Versamlung aber auffzuwerffen: Ob es nicht rathsam wäre dem Fürsten die Ober-Anstalt zum Kriege zu entziehen / und ihm selbst andere Räthe an die Seite zu setzen. Brittons[1066] Gedult konte diese Frevel-That nicht länger verdeyen; befahl also die Rädelsführer feste zu machen / verfügte sich selbst in die Reichsversamlung / beklagte sich über diese Beleidiger seiner Hoheit / und begehrte ihre verdiente Bestraffung. Diese aber nahmen diß für eine Verletzung ihrer Freyheit auff / die Beklagten unter ihren Schirm / das verhandene Krieges-Volck unter ihre Pflicht /und das Schloß zu Calegia in ihre Gewahrsam; die wieder obige Auffrührer geschickte Wache in Hafft; also: daß Hertzog Britton mit seiner Gemahlin und zweyen Söhnen sich für andräuender Gewalt von Calegia in das Gebürge Gabreta wegzuflüchten gezwungen ward.

Inzwischen warffen sie die der Hertzogin erlaubte Druyden in Kercker / ihnen / wiewol nicht gar sonder Grund / beymässende: daß sie ihren Hertzog mit grossen Versprechungen zu Annehmung ihres Gottesdienstes zu bereden getrachtet hätten. Der Reichs-Rath schickte dem Britton gleichwol nach / und forderten in einer so benahmten Bittschrifft das Kriegs-Heer und den jungen Fürsten Jubil zu ihrer eigenen Aufsicht; und als diß Britton abschlug / nahmen sie eigene Kriegs-Häupter auf / führten ein Heer zusammen / besetzten etliche Festungen mit ihrem eigenen Volcke / schlossen selbte dem Herzoge für den Augen zu / erklärten seine Gewalt dem Reichs-Rathe unterwürffig zu seyn; und daß er zwar nichts ohne sie / sie aber alles ohne ihn kräfftig schlüssen und urtheilen könten; hiermit augenscheinlich bezeugende: daß das einmal jährende Geblüte des Volckes durch keine gelinde Artzney zu stillen sey; des Pöfels Entschlüssungen aber weder Maaß noch Ziel haben. Hiermit kam es zu einem öffentlichen Kriege / in welchem iedes Theil des andern Feld-Hauptleute für Verräther verdammte / und durch solche hitzige Ubereilungen die Wege zu gemeiner Ruh wieder zu kommen gleichsam gar verschrenckte / Britton aber öffentlich verkündigen ließ: daß er nichts wieder den Reichs-Rath noch sein Volck / sondern nur wieder die Uhrheber dieser Unruh zu Beschirmung seiner Hoheit / ihrer Freyheit und Glaubens die Waffen ergrieffen hätte: der Reichs-Rath hingegen: daß ihre Rüstung für ihren Fürsten /wieder die / welche sich seiner Gewalt mißbrauchten /und die Erhaltung des Vaterlandes angesehen wäre. Also hat sich niemahls kein so unrechter Krieg entsponnen / dessen Ursache nicht durch einen scheinbaren Vorwand überfirnset worden. Beyde Kriegs-Heere kamen gegen einander ins Feld / und ob wol einige dem Hertzog Britton riethen: Er solte durch allerhand Verzögerungen den Feind müde / die Reichs-Glieder zwistig / die Heerführer verdächtig / das leidende Volck ungedultig machen; weil dieses die beste Krieges-Kunst wäre / welche Fürsten wieder kriegende Stände ausüben könten; traute er doch zu viel seiner gerechten Sache / und seiner Kriegs-Macht; also kam es zu einer blutigen Schlacht / in welchem nicht der Sieg / sondern die Macht das Ende machte. Jedoch schlug ein Fürst der Narisker Patalin Hertzog Brittons Vetter die Reuterey des Reichs-Raths im lincken Flügel in die Flucht; und hätte er nicht den Feind allzu eiffrig verfolgt / wäre Britton vermuthlich diesen Tag nicht allein Meister im Felde / sondern auch ein völliger Uberwinder seiner Feinde bliebẽ. Alleine so büste er seinen Feld-Hauptmann / und eine ziemliche Anzahl des Adels ein / welche alle wie Löwen fochten; also daß ob wol auff der feindlichen Seite etliche tausend Mann mehr blieben / es dennoch das Ansehen gewann: als hätte Britton gegen Erbsen Perlen aufgesetzt. Gleichwol bemächtigte er sich etlicher Städte /und erschreckte durch seine Näherung gegen die Stadt Calegia seinen Feind dermassen: daß sie demüthiger als iemahls an ihn schrieben / und Friedens-Vorschläge thäten. Aber hiermit meinten sie den Britton nur einzuschläffen. Denn er hatte[1067] sich kaum alles gutes erboten; als der Feind mit einem verstärckten Heere auf ihn andrang. Den grösten Fehler aber begieng Britton darinnen: daß ob er zwar bey sich einen eigenen Reichs-Rath äuffrichtete / auch viel Glieder aus dem zu Calegia sich zu ihm schlugen / dennoch diesen letztern für den rechten Reich-Rath nicht nur in der That / weil er mit selbtem Frieden behandelte /sondern auch endlich durch eine ausdrückliche Erklärung erkennte / weil er anderer Gestalt mit dem Fürsten Britton nichts abhandeln wolte. Gleichwol vergrösserte sich Hertzog Britton auch / und ereignete sich / wiewol ohne einen Haupt-Streich / allerhand abwechselnde Treffen / worinnen aber Britton / und sonderlich Fürst Patalin meistentheils den Vortheil erhielten. Der Stände Feldhauptmañ Sekkes aber in grossen Verdacht der Untreue fiel / und ihm zwey andere Kriegs-Auffseher Lerwall und Facksariff an die Seite gesetzt wurden. Weil der Pöfel gewohnt ist Rathschläge nicht nach ihrer Güte / sondern nach dem Ausschlage zu mässen / und Zufälle in eine Schuld oder Boßheit der Obrigkeit zu verwandeln. Unterdessen maßte sich der Reichs-Rath eines Oberherrschafftlichen Sieges an / zerbrach die Hertzoglichen Zierrathen; er büste aber hierauff drey grosse Feld-Schlachten ein; und gewann Britton das gröste Theil seines Landes durch Hülffe der Sedusier wieder; ja die meisten Glieder des Reichs-Raths enteusserten sich des Bundes wieder ihren Fürsten / und demüthigten sich für ihm. Daher die übrigen Aufrührer gezwungen wurden sich mit den Marckmännern durch einen vortheilhafftigen Bund auffs neue zu verknüpffen; welcher ihnen auch mit einem mächtigen Heere zu Hülffe erschienen. Das Kriegs Spiel wechselte hierauff seltzamer Weise ab; und das Glücke kehrte bald einem bald dem andern das Antlitz oder die Fersen. Alleine kurtz hierauff schien es den Hertzog Britton wieder auff den Stul seiner ersten Hoheit und Glückseligkeit zu setzen / in dem er anfangs den Lerwall / hernach den Feld-Hauptmann Sekkes nach verächtlich ausgeschlagenem Friedens-Vergleiche auffs Haupt schlug. Alleine Britton übte gegen das gefangene Heer durch Freylassung aller derer / die ihm nicht gutwillig dienen wolten / eine übermäßige Güte / gegen sich selbst aber eine unverantwortliche Grausamkeit aus. Denn wie es erbärmlich ist / weñ man in einem Reiche nichts ohne Gefahr thun kan; also ist nichts schädlichers / als wo ieder ohne Furcht der Straffe thun mag / was er wil. Es ist einem Fürsten freylich zwar rühmlich Schuldige begnädigen / aber nicht wenn sie dem gemeinen Wesen auffs neue schaden können / und ihre Unstraffbarkeit andere zur Missethat verleitet. Denn in diesen Fällen muß man den Aufrührern wo nicht die Köpfe / doch die Hände / und damit das Vermögen schädlich zu seyn / abschneiden. Alleine Britton brauchte sich eines gantz andern Masses / so gar: daß er auch nicht zu rechter Zeit dräuen konte. Sintemahl er nach erlangtem Siege auffs beweglichste an den Reichs-Rath schrieb: Sein Kriegs-Glücke wäre viel zu ohnmächtig ihn wieder seine Beleidiger zur Rache zu reitzen / weil sein Vater-Hertze ihn fort für fort zur Erbarmnüß über sein Volck reitzte. Sie hingegen hätten nun eine Weile mit ihrer Pflicht und dem Verhängnüße gerungen / beydes aber hätte ihnen zeither ein Bein untergeschlagen / und sie dahin bracht: daß sie Mangel an Kräfften / und einen Uberfluß an Wehklagen eingeerndtet hätten. Also solten sie nunmehr die Hand nicht von dem Sieger zurück ziehen / der ihnen den Friedens-Oelzweig selbst zulangte; und da er könte / sie nicht mit dem Schwerdte bändigen wolte / um ihnen die Ehre freywilligen Gehorsams / ihm aber den Ruhm; daß seine Güte doch das Gewichte ihrer[1068] Schuld überwiege /nicht zu entziehen. Alleine der Haß gegen diesen Fürsten war in denen hartnäckichten Völckern derogestalt eingewurtzelt; oder ihre Einbildung: Britton könte weder straffen noch zornig seyn / verhärtete sie: daß sie allen Vergleich ausschlugen; sonderlich weil Britton nicht geraden Weges nach Calegia fortrückte /sondern mit Einnehmung anderer geringern Oerter sich auffhielt / und ins gemein mittelmäßige / als die schädlichsten Entschlüssungen erkiesete; Da doch die Haupt-Städte das Hertze eines Reiches sind; welche allen andern Theilen gleichsam Geist und Leben geben. Daher wie ein Fürst sie nicht ohne eusserste Noth verlassen soll; also hat er alle Kräfften anzuspannen sich der Verlohrnen wieder zu bemächtigen; weil offt in einer Stadt das gantze verlohrne Reich erhalten / oder mit ihr wieder gewonnen worden. Sintemahl auch in belebten Dingen nach Uberwältigung des Hauptes / die andern Glieder sich für sich selbst legen.

Als der Hermundurer Zustand derogestalt ziemlich ins Gedrange bracht ward / kam Marbod von Rom in sein Vaterland zu Hause. Dieser Marbod war eines Marckmännischen Edelmannes / nehmlich des Flavius Sohn / welcher in dem Zuge des Antonius wieder die Parthen so grosse Heldenthaten ausgeübt / und für der Römer Wolfarth sein Leben ritterlich auffgesetzt /vorher aber sich unter dem Ventidius schon in so grosses Ansehen gesetzt hatte: daß ihm der Parthische Fürst Moneses zu Larißa / welche Stadt nebst Arethusa und Hierapolis ihm vom Antonius geschenckt war /seine Tochter vermählte. Welche Freundschafft denn auch hernach dem Antonius zu wege brachte: daß ihr Bruder Marius ein Parthischer Feld-Oberster durch seine treue Warnigungen denen Römern aus dem unzweiffelbaren Untergange halff. Marbod war nur ein Kind von zwey Jahren / als sein Vater Flavius blieb /ward also von seines Vaters Bruder mit seiner Mutter in Deutschland geschickt / und in allerhand Kriegs-Ubungen erzogen. Wie er aber nur sechzehn Jahr alt war / begab er sich unter der Catten Kriegs-Volck /welches wieder den Vinicius in Gallien zoh. Die grosse Hitze der Jugend / und die Begierde der Ehre verleitete ihn aber: daß er bey allzu eivriger Verfolgung der Römischen Reuterey gefangen ward. Nach dem aber Vinicius erfuhr: daß er des so hoch verdienten Flavius Sohn wäre / beschenckte er ihn mit einem Arabischen Pferde / einer vergüldeten Rüstung / und schickte ihn dem deutschen Feldhauptmanne zurück. Diese Wolthat reitzte den ruhmsichtigen Marbod: daß nach geschlossenem deutschen Frieden er sich als ein freywilliger in das Römische Kriegs-Heer begab /welches Agrippa wieder die Cantabrer in Hispanien führte. Daselbst zeigte er durch vielfältige tapffere und kluge Thaten: daß der Apffel nicht weit von sei nem Stamme gefallen / er also ein würdiger Sohn des behertzten Flavius wäre. Insonderheit erstieg er des Nachts eine Spitze des Medullischen Gebürges / in welchem sich die Cantabrer verhauen / Agrippa sie aber mit einem Graben funffzehn Meilen im Umkreiße beschlossen hatte; von welchem sie nicht alleine mit dem Geschoß hefftig beschädiget / sondern auch alle ihr Beginnen übersehen werden konten. Dahero die Cantabrer auch nach diesem Verluste / worbey einer ihrer zweyen Häupter vom Marbod eigenhändig erlegt worden war / sich alsofort selbst verzweiffelnde aufrieben; Agrippa aber den Marbod mit nach Rom nahm / und ihn beym Kayser derogestalt einliebte: daß er ihm das Römische Bürger-Recht verlieh / und auf dem Feyer der Tugend und der Ehren / an welchem er Agrippens zwey Söhne Cajus und Lucius zu Kindern annahm / in dem von dem Marius nach dem Cimbrischen Siege der Tugend und Ehre gekautem Heiligthume / von denen um des Marius Bild geflochtenen Lorber-Kräntzen[1069] einen loß machte / selbten dem Marbod auffsetzte / und ihn noch darzu mit dem Degen des damahls erlegten König Bojorichs beschenckte; meldende: Er und sein Vater hätten sich um Rom so sehr verdient: daß er billich dieses seines großmüthigen Landes-Mannes Degen zurück bekäme. Er ward hierauf ein Hauptmann über die Deutsche Leib-Wache / und muste wegen seiner Annehmligkeit täglich bey Hofe seyn. Insonderheit aber stand er mit dem Tiberius in verträulicher Freundschafft / weil er ihn in dem Cantabrischen Kriege / darinnen er die erste Kriegs-Würde / als Oberster / erlangte / aus augenscheinlicher Lebens-Gefahr errettet hatte. Bey dieser Gemeinschafft gerieth Marbod auch in Kundschafft mit des Kaysers Tochter Julia / damahls des Agrippa Eh-Weibe. Diese entbrannte durch hefftige Liebe gegen den schönen und tapfferen Marbod derogestalt: daß als Agrippa einsmahls des Kaysers Geburts-Tag in denen von ihm dem Neptunus zu Ehren gebauten Spatzier-Sälen begieng / sie ihr Gelegenheit nahm den Marbod zu der Argonauten in Alabaster künstlich gehauenen Geschichten zu führen; und mit mehrmahls entfärbtem Antlitze ihn um sein Gutachten über der Bildung Jasons und Medeens zu befragen. Wie dieser nun so wol die Erfindung / als den Meißel des Bildhauers überaus lobte / und meldete: daß er dieses Bild weit über die unvollkommene Medea des Timimachus schätzte / welche Kayser Julius für achzig Talent gekaufft / und in der gebährenden Venus Tempel gesetzt hätte; fieng sie an: Es ist wol wahr: daß mein sonst so bäuerischer Ehmann diese Medea von den Cyzizenern viel theuerer erkaufft; Meine wenigste Sorge aber ist um diese todten Steine. Alleine was urtheilestu von der Liebe dieser schönen Fürstin? Marbod nahm zwar Juliens Veränderung in ihrem feurigen Antlitze wahr / ließ ihm aber ihr Absehen nicht träumen; antwortete also: Er hielte sie für eine der treusten und hefftigsten dieser Welt; sonderlich / da sie den Glantz der väterlichen Krone und Zepters ausser Augen gesetzt hätte / und einem unbekandten Ausländer über Klippen und Wellen gefolget wäre. Julia zwang hierüber alle ihr Annehmligkeiten zusammen / und fieng mit einem gleichsam zauberischen Liebreitze an: Glaube mir / Marbod / wenn ich auch wüste: daß du mir eine Glauce an die Seite legen /oder mit mir grimmiger als Jason handeln woltest; würde ich meines Vaters Kayserthum und meines Ehmanns Glücke doch in Wind schlagen / und durch Flammen und Schnee dir in dein raues Deutschland nachziehen. Marbod ward durch diese unvermuthete Erklärung nicht nur seiner Sprache / sondern gleichsam der Vernunfft beraubet. Weil aber Tiberius an einer / Terentia und Vipsania Agrippina des Tiberius Ehfrau an der andern Ecke des Spatzierganges eintraten / gieng Julia diesen / Marbod aber jenem entgegen. Dieser konte seine Gemüths-Veränderung derogestalt nicht verdecken: daß Tiberius sie ihm nicht also gleich an Augen angesehen hätte. Daher lenckte er alsofort in das nechste Blumenstücke des Gartens mit ihm ab / und ersuchte ihn: Er möchte ihm die Ursache seiner Verstellung nicht verschweigen. Marbod machte sie ihm anfangs zwar gantz fremde; hernach bediente er sich eines andern Vorwands; aber der schlaue Tiberius wolte sich weder eines noch das andere bereden lassen; sondern / als er wol merckte: daß Marbod schwerlich selbst mit einer so gefährlichen Eröfnung würde heraus wollen / beschwur er ihn bey ihrer beyder Freundschafft: daß / dafern er es erriethe /Marbod ihm die Warheit nicht verschweigen wolte. Als dieser es ihm in Meynung der Unmögligkeit auff so seltzame Begebenheit zu kommen angelobte / fieng Tiberius an: Die Liebe ist eine Schwäche der grösten Leute / und die Röthe ihr Verräther; daher muthmasse ich: es werde Julia dir was von[1070] ihrer Liebe entdecket haben. Marbod stutzte über so schleuniger Auflösung seines Räthsels; und fragte: gegen wem soll Julia verliebt seyn: daß sie ihr Hertz für mir ausschütten solte? Tiberius versetzte: Gegen wem pflegen wir diß eher zu thun / als gegen den / der sich desselbten schon bemächtigt hat? Sicherlich / Marbod / du trauest mir allzu blöde Augen und eine allzu geringe Kentnüß Juliens zu / da du mir diese meine Gedancken ausreden wilst. Wormit du aber so wol meiner Verträuligkeit /als des Grundes in dieser Sache vergewissert seyn mögest; so glaube: daß ich auch für dir auf diesem Kampff-Platze von Julien einen solchen Anfall überstanden; als sie nach dem Marcellus verheyrathet war; welcher sie doch mit mehren Ergetzligkeiten unterhielt / als der ernste Agrippa. Uber diß ist Julia gewohnet todte Bilder gleichsam zu Rednern für ihre Liebe zu machen. Deñ sie hat mir in dem über des Pompejus Schau-Platze gebautem Heiligthume der Venus / bey Beschauung der Gemählde so viel zugemuthet; als die Venus iemahls dem Adonis gewehret. Marbod / welcher ihm zwar für gesetzt hatte / dieses Geheimnüßes Wissenschafft ihm allein vorzubehalten / um es weder fremdem Urthel nach Verrath zu unterwerffen / ward durch diese Verträuligkeit verleitet dem Tiberius endlich zu bekennen: daß Julia eine Zuneigung gegen ihm hätte blicken lassen. Denn die Entdeckung eigener / ist der Schlüssel fremder Geheimnüsse. Kurtz darauf begab sich: daß der Kayser in Gallien reisete; da denn Julia / Tiberius und Marbod ihn begleitende / bey Patavium des Geryons Wahrsagungs-Heiligthum besuchten / und in dem Aponischen Brunnen mit dem güldenen Würffel spielten. Dieser heilsame Brunn war durchsichtig wie ein Spiegel / unten mit Marmel gepflastert / und mit vielfärbichten Steinen / darein allerhand Thiere eingelegt. Julia warff zum ersten einen Wirffel / in welchem zwar anfangs eine sechs oben kam / aber er wendete sich am Bodem um / kam auf einem See-Krebse zu liegen / und zeugete den Hund / als den geringsten Wurff. Tiberius und Marbod warffen beyde das beste / nehmlich die Venus; jener Wirffel aber kam auff einer Schnecke / dieser auf einer Syrene zu stehen. Der Priester des dreyköpfichten Geryons /oder der dardurch abgebildeten dreyfachen Zeit / weßwegen sein aus Porphir gehauenes Bild auch am Rücken Flügel / an den Füssen Renne-Schuh / in der Hand eine Sichel hatte / legte die Würffe derogestalt aus: daß sich Juliens Glücks-Blat wenden / und sie auff einem vom Meer umgebenen Eylande in Einsamkeit ihr Leben beschlüssen / Tiberius langsam / Marbod zeitlich zu der höchsten Würde gelangen / mit diesem es aber am Ende auch schlecht ablauffen würde. Diese Wahrsagung machte Julien für Liebe gantz blind: daß / wo sie nur einen Augenblick Zeit hatte / dem Marbod anlag mit ihr in Deutschland zu fliehen. Weil nun Marbod sie schlechter Dings durch eine abschlägliche Antwort zu erzürnen Bedencken trug / sondern mit annehmlicher Bezeugung stets allerhand Schwerigkeiten machte / schrieb sie ihm endlich einen Brieff / welcher umständlich berichtete: wie sie zu ihrer Flucht alles bestellet / und seine bißherige Schwerigkeiten aus dem Wege geräumet hätte. Diesen gab sie ihrer freygelassenen Phöbe dem Marbod zu überbringen. Weil diese aber / als Juliens vertraute Kuplerin / den Innhalt und Anschlag wol wuste / aber in einen Freygelassenen der Vipsania verliebt war /entdeckte sie ihm ihr gantzes Vorhaben / um ihn zur Nachfolge gleichfalls zu bereden. Alleine seine Treue überwog dißmahl seine Liebe. Denn er eröffnete alles der Vipsania / diese dem Tiberius / mit Andeutung: daß sie Juliens Untreue und Marbods Undanck ihrem Vater Agrippa nicht verschweigen könte. Weil nun Tiberius Vipsanien das letztere nicht auszureden /[1071] noch den Marbod des zugedachten Raubes entschütten konte; eilte er zu ihm / eröffnete ihm bevorstehende Gefahr; und wie sehr gleich Marbod seine Unschuld betheuerte / und derogestalt durch die Flucht sich schuldig zu machen anstund; so beredete ihn doch endlich Tiberius: daß er bey seinem zwar guten Gewissen / dißmahl dem Glücke als einer Stieff-Mutter einen Schlag verzeihen / der dringenden Noth und der Zeit aus dem Wege treten müste; weil die Unschuld ein genungsamer Schild wieder Verdacht und Eyversucht / niemahls aber in den Händen der Erzürnten sicher wäre. Also muste Marbod nur Rom mit dem Rücken ansehen / wiewol Tiberius durch seine Entfernung endlich Vipsanien bewegte: daß sie Juliens Anschlag Agrippen verschwieg; welche sich hierüber kranck einlegte / und endlich ihre verachtete Liebe gegen den Marbod / welchen sie vorsätzlich weggereiset zu seyn glaubte / in Gall und Gifft verwandelte.

Marbod kam derogestalt in sein Vaterland / als der Hermundurer und Marckmänner Kriegs-Zustand gegen dem Hertzoge Britton ziemlich schlecht beschaffen war. Alleine weil es der Marckmännische Adel für den höchsten Glantz eines Geschlechtes hält / wenn ihrer viel aus selbtem den Degen wieder Fürsten gezückt haben / wenn schon selbte hierüber den Hals unter das Beil des Scharffrichters bücken müssen / über diß die Geryonische Weissagung ihm einen Muth machte auff was hohes zu dencken; schlug er sich auff die Seite des Volckes; und ward ein Oberster über zwey tausend Marckmänner. Facksariff rückte hierauf mit einem verstärckten Heere für die Stadt Samulocen / und als der Narisker Fürst Patalin solches entsetzen wolte / geriethen beyde Heere in eine blutige Feld-Schlacht / Facksariff mit allem Kriegs-Volcke in die Flucht; aber Marbod hielt mit seinen zweytausend Marckmännern Stand; sonderlich als Patalin abermahls den lincken Flügel allzuweit verfolgte /und sein übriges Völck der Hermundurer Geräthe zu plündern anfieng. Dieses Beyspiel des behertzten Marbods / welcher hierüber gleichsam Meister im Felde blieb / bewegte die Flüchtigen: daß sie sich wieder erholeten / ihre Feinde angriffen / und über sie einen Haupt-Sieg erhielten. Hierauff gieng Samolucen / und alle Städte zwischen der Donau und dem Meyn über; Marbod aber ward für einen Erhalter der Freyheit ausgeruffen. Sekkes schlug unter dem Hercinischen Gebürge mit dem Fürsten Britton selbst nicht ohne Vortheil; gleichwol aber verließ er etliche Plätze / die Britton besetzte. Worüber der Reichs-Rath den Sekkes aus geschöpftem Verdachte: daß er es heimlich mit dem Fürsten hielte / seine Feldhauptmannschafft niederzulegen zwange; hingegen Facksariff an seine Stelle / und Marbod ihm an die Seite gesetzt ward. Diesemnach zohen beyde Theile ihre eusserste Kräfften zusammen. Britton ward von denen Sedusiern / derer Druyden seine Gemahlin güldene Berge versprochen hatte / die Hermundurer aber von Marckmäñern ansehnlich verstärcket. Hierauf rückten sie schwermüthig zusammen; gleich als wenn dieser einige Tag den Ausschlag der Sache geben solte. Die Kriegs-Häupter konten für Grimm ihre Völcker nicht einst zur Tapfferkeit ermahnen; aber die Verbitterung reitzte einen ieden schon zur Rache und Blutstürtzung an. Der hitzige Streit gab ein Gethöne von sich / als wenn Felsen gegen Felsen rennten / und sich auf einander zerscheuterten. Der kühne Fürst Patalin und sein Bruder Zomir fochten im rechten Flügel wie zwey grimmige Tiger-Thiere / jener stieß dem Grafen Onethier / der des Reichs-Raths lincken Flügel führte / einen Spieß durch das dicke Bein; dieser aber schmieß ihm eine lange Hacke ins Gesichte: daß er zu Bodem fiel und gefangen ward; worüber der lincke Flügel in offenbare Flucht gerieth. Hertzog Britton[1072] setzte in der Mitte dem Facksariff als ein großmüthiger Löwe so hefftig zu: daß seine Glieder schon hin und her zu wancken anfiengen. Dahero denn Facksariff einen Fähnrich / welcher sich mit seinem Fahne umwendete / bey der Gurgel ergrieff / und herum drehete / mit der Hand aber auf den Britton wieß / meldende: Hier ist der / gegen den du dich wenden und fechten solst. Durch welche scharffe Ermahnung eines einigen Kriegs-Mannes Facksariff eben so rühmlich / als Kayser Julius in der Afrikanischen Schlacht wieder den Scipio / die Zagheit denen sämtlichen Hauffen benahm / und die schon halb Uberwundenen überwinden lehrte. Gleichwol wäre die Schlacht unzweiffelbar verlohren gewest; wenn nicht Marbod mit seinem rechten Brittons lincken Flügel zertrennet / und als ein Blitz allenthalben durchgedrungen / auch den Facksariff mit seiner Hülffe entsetzt hätte. Patalin kam hierauff zwar zurücke /und brachte eine Weile Brittons Heer wieder zu Stande; ja beyde waren so abgemattet: daß sie / gleich als wenn sie mit einander einen Stillestand abgeredet hätten / gegen einander stille hielten / und eine gute Weile verbliesen / hernach aber ihre Grausamkeit so viel schärffer erneuerten. Alleine das Verhängniß hatte beschlossen diesen Tag alle Vorsicht und Tapferkeit des Fürstens Britton durch die Kühnheit und Hartnäckigkeit seiner Unterthanen in Staub zu legen. Dieser Fürst muste selbst die Tugend dieser seiner Feinde rühmen / als welche mit ihrem Beyspiele dem gantzen Heere gleichsam ihre Hertzhafftigkeit einbliessen; nnd nach dem er sein Heer zu erhalten alles vergebens versucht hatte / jenen das Feld und den Sieg enträumen; ja nicht nur alles Fuß-Volck / seine Haupt-Fahne mit einem gekrönten Löwen und Kriegs-Geräthe / sondern alle heimliche Nachrichten im Stiche lassen. Welcher letztere Verlust zugleich bey viel tausenden die noch gegen dem Britton gli ende Liebe der Hermundurer und Marckmänner vollends ausleschte; weil aus denen überkommenen Nachrichten erhellete: daß Britton denen Sedusiern den Gottesdienst der Druyden bestetiget; von denen Fürsten der Burier und Lygier fremde Hülffs-Völcker bedungen; die Druyden diese Fürsten wieder den Reichs-Rath beweglichst verhetzet; Brittons Gemahlin auch die gäntzliche Ausrottung des Reichs-Raths eingerathen; hingegen Britton vorher deßwegen seine Königin hochbetheuerlich verredet / und unterschiedene allhier sich anders befindende Dinge nicht nur dem Reichs-Rathe / sondern seinem eigenen Heere fürgebildet hatte. Weßwegen sie ihm öffentlich fürrückten: daß wer mit GOtt spielte / kein Gewissen haben könte Menschen hinters Licht zu führen. Wiewol es nun ihm auch bey denen schli sten Zufällen niemahls an Rath und Hertze mangelte; er auch bald dar / bald dort kleine Kriegs-Heere zusammen raffte; schien doch aller Stern und Glücke / welches der Apffel im Auge der Klugheit und die Hertz-Ader in der Tapferkeit ist / verschwunden zu seyn / und eine Niederlage der andern die Hand zu bieten. Marbod nahm gleichsam spielende die festesten Oerter / und Facksariff die fast unüberwindliche Stadt Brigobanna ein / ungeachtet Fürst Patalin solche selbst vertheidigte / und wegen der Ubergabe beym Britton in nicht geringen Verdacht fiel. Worüber dieser Fürst und sein Bruder nebst vielen andern tapfern Kriegs-Leuten unwillig waren / so wol den Britton / als seine Länder verliessen; und durch ihr Beyspiel erhärteten / wie schwer es sey einem leicht argwöhnischen Fürsten zu dienen; besonders bey unglücklichen Läufften; da selbter nach Art der Krancken auch für denen besten Speisen Eckel kriegt. Ja Britton verlohr in drey Monaten mehr / als er in drey Jahren gewonnen hatte. Denn ob wol der Ritter Rosenberg bey den Marckmännern unterschiedene Siege für ihn erhielt / schien doch das Glücke ihn nur zu äffen. Denn das Blat wendete sich bald wieder; und Britton selbst entkam mit genauer Noth in das[1073] Nariskische Gebürge. Ja endlich ward er gantz wehrloß / und in einem Schlosse belägert / aber durch etliche Marckmänner verleitet: daß er verkleidet in Knechtischer Tracht mit abgeschnittenen Haaren sich zu dem Marckmännischen Kriegs-Heere flüchtete /und von dar seinen Kriegs-Obersten Befehl zuschickte: daß sie die noch übrigen Festungen dem Reichs-Rathe abtreten solten. Mit welchen denn auch das Hertzogliche Schwerdt / das Siegel und andere Kleinodien in ihre Hände kamen / und schimpflich zerbrochen wurden. Denn so bald ein Fürst dem Volcke seine Schwäche des Gemüthes zeiget / giebt er ihm Gewalt ihn zu beschimpffen. Britton hatte zwar gemeint / bey den Marckmännern sichere Schutz-Flügel zu finden; er erblickte aber zeitlich ihre Klauen. Denn wie diese ihn bald anfangs nicht viel besser als einen Gefangenen hielten; also deuteten die Hermundurer seine Flucht zu ihrer Verkleinerung aus / und um diese Schmach zu rächen / brachten sie theils mit Geschencken / theils mit Dräuungen Brittons Ausfolgung zu wege / und ihren Fürsten ins Gefängnüß. Bey welcher seltzamen Veränderung unschwer zu ermessen ist; was für Bitterkeit dieser grosse Fürst aus so herben Trachten des Glückes zur Nahrung müsse an sich gezogen haben. Denn Fürstliche Gemüther sind eben so wenig / als andere aus unempfindlichem Kieselsteine; ja weil sie von Geburt viel zärter / und ins gemein des Elendes ungewohnter sind / ist unschwer zu ermessen: daß solche Gallen-Träncke ihnen eine unverdeuliche Speise seyn müssen.

Marbod hatte durch diesen Krieg nunmehr einen Uberfluß von Ruhm / und eines seiner Absehn /nehmlich die Entwaffnung des so mächtigen Fürsten erreichet. Allein es lagen ihm noch zwey schwere Steine auff dem Hertzen. Denn weil der Ehrgeitz sich auch mit demselben erlangten Würden-Maße nicht ersättigt / welches er doch nur anfangs in seinem höchst unverschämten Wunsche angezielet hatte; insonderheit aber neben sich keinen seines gleichen / und über sich keinen höhern vertragen kan; so saan Marbod Tag und Nacht den Feld-Hauptmann Facksariff aus dem Sattel zu heben / und zu verhindern: daß Britton nicht alles / was ihm der Reichs-Rath fürmahlte / unterschrieb / und er hierdurch wo nicht die Gewalt /doch den Schatten eines Fürsten erlangte; auf welches Facksariff zu zielen schien / wormit er im Wercke das Hefft in Händen behalten möchte. Welches dem Facksariff so viel leichter vorkam / weil Fürst Patalin dem Hertzoge Britton ohne diß für längst gerathen hatte: Er solte alles / was nur sein Volck verlangte /wie unrecht und schimpflich es auch schiene / auf eine Zeit eingehen. Denn hartnäckichte Gemüther würden so wenig / als kollernde Pferde durch einen Zaum und starckes Anhalten gebändigt / sondern man müste beyden den Zügel schüssen lassen. Und ein Feind /der einem zu mächtig wäre / müste durch Ruh und Friede entkräfftet / sein Kriegs-Volck durch Müßiggang und Wollüste verzärtelt / die Widerspenstigen durch Geschencke und Beförderung auff seine Seite; die Verführten durch die beste Lehrmeisterin die Zeit zu rechte gebracht / denen Bundgenossen sich selbst zu zancken Lufft gemacht / und ihnen die Süßigkeit einer Fürstlichen Herrschafft gegen die Drangsal vieler Oberherren gezeuget werden. Das gemeine Volck müste man seine Hefftigkeit ausdampffen / und ihre erste Hitze abkühlen lassen. Denn es wäre wie die Hirnßen beschaffen / welche mit ihrem ersten Stiche zugleich den Stachel einbüsten. Es wäre so leichtsinnig seinen Vorgänger zu verlassen / als seinem Verleiter vorher zu folgen. Es bewegte sich von einem Athem wie das Meer von einem kleinen Lüfftlein; und erstecke die / welche sich ihm vertrauten. Also hätte August den mächtigen Seeheld Sextus Pompejus[1074] durch einen scheinbaren Frieden geschwächet: daß er kaum auf einem Nachen entkommen; Agathocles und Antigonus aber ihre Königliche Gewalt dardurch behauptet; da sie Kron und Zepter dem aufrührischen Volcke für die Füsse geworffen.

Marbod hatte gleichwol seinen endlichen Zweck zu erlangen einen ziemlichen Grundstein gelegt / in dem er sich durch Freygebigkeit und Beförderung der Wolverdienten bey dem Heere / durch fürgebildete Einführung aber einer Bürgerlichen Herrschafft bey dem gantzen Volcke überaus beliebt gemacht. Denn Geschencke und Freyheit sind die zwey Klammern / welche die Kronen auch auf eines Wütterichs Haupte befestigen. Keine andere Tugend eines Fürsten ist allen Unterthanen beliebt. Denn die Rachgierigen wünschen einen grausamen / die Wollüstigen einen üppigen / die Ehrgeitzigen einen albern / die Boßhafften einen ungerechten Fürsten. Allen diesen aber gefällt ein Wolthätiger. Ja die Freygebigkeit macht alles Thun eines Fürsten reiff / das böse gut / das gute besser. Sie entschuldiget alle Fehler im Leben / und bereichert auch den Tod mit Thränen der Unterthanen. Mit dieser Angel hatte Marbod schon die meisten Gemüther gefangen / als sich ihm die Gelegenheit das Hefft alleine zu behalten in die Hand spielte. Denn der Reichs-Rath sahe vernünfftig: daß er nunmehr allererst sich für dem grösten Feinde fürzusehen hätte /da kein Feind zu bekämpffen mehr verhanden war. Denn weil das Kriegs-Volck zwar den Sieg / nicht aber den Frieden gerne hat / machet es ihm auch gegen seine Freunde was zu thun. Daher beschloß der Rath ein Theil desselbten abzudancken / und dardurch so wol das Volck der Verpflegung / als sich der Sorgen zu entbürden; vorher aber selbte zu zertheilen. Also ergieng ein Befehl: daß die Helffte wieder die aufrührischen Sedusier ziehen solten. Marbod ließ durch seine Vertrauten diß nicht allein dahin deuten: daß man für ihre treue Dienste und den rückständigen Sold sie ausser Landes auf die Schlachtbanck lieffern wolte / sondern auch ausstreuen: es solten die Kriegs-Völcker untergesteckt / die Befehlhaber abgedanckt werden. Hierüber kam das Kriegs-Volck mit vielem Wehklagen an Marbod; Sintemahl es selbtem weher thut von den Seinigen verächtlich gehalten / als vom Feinde überwunden werden. Marbod machte ihm des Reichs-Raths Vorhaben zwar fremde; vorgebende: Er könte selbtem so grausamen Undanck nicht zutrauen: daß sie so wol verdiente Kriegs-Leute / welche die Merckmahle ihrer Tapfferkeit mit so viel Narben zeigeten / derogestalt beleidigen solte; er bließ aber unter der Hand das Feuer so weit auf: daß das gantze Heer sich verschwor / sich nicht trennen / noch ausser Landes schleppen zu lassen; sondern es drang vielmehr auf Befriedigung; und erinnerte den Rath nunmehr des Volckes Glauben und Freyheit zu befestigen. Der Reichs-Rath hielt dieses Beginnen für eine Kühnheit weniger unruhigen Köpffe; sonderlich / weil Facksariff und etliche andere Häupter nichts hierum wissen wolten; erklärte sie daher für Verräther. Welches das Kriegs-Volck so verbitterte: daß sie geraden Weges nach Calegia rücken und Rache üben wolte. Marbod zohe hiermit die Larve vom Antlitz / pflichtete dem Bündnüße des Kriegs-Volckes bey; iedoch besänfftigte er ein wenig ihre allzuwilde Entschlüssung; Hingegen brachte er den Fürsten Britton aus der Verwahrnüß des Reichs-Raths in die Hände des Kriegs-Volckes; und endlich auch den Feldhauptmann Facksariff auf seine Meynung; die Einwohner aber dahin: daß sie ihnen viel tausend Beschwerden wieder unterschiedene Glieder des Raths einhändigten. Hier auff rückte das Kriegs-Heer gegen Calegia zu / und begehrte obige Glieder aus dem Rathe zu stossen. Denn dieses ist das Meisterstücke aller verschmitzten Aufrührer: daß sie[1075] nicht der Obrigkeit selbst / wenn sie es schon im Schilde führen; sondern nur etlichen Gliedern oder Beampteten derselben die Stirne bieten / da sie anders einen Beyfall der Gemeine verlangen. Sintemahl dieses nicht behertzigt: daß Irrthümern und Schwachheiten unterworffene Menschen in Aemptern sitzen / und die Amptleute durch Auffruhr oder auch durch ihre Verwechselung selten verbessert werden; ja die Häupter des Aufruhrs meist die laster hafftesten Leute sind / welche durch diese gifftige Artzney andern ab / und ihnen in Sattel helffen wollen; wormit sie wie der Scorpion im Himmel dem Lande so viel mehr Schaden anfügen können. Dahero selten ein Wütterich gestürtzt worden; es haben die Werckzeuge hernach sich selbst um seinen Stab gezancket / und einen Bluthund aus gebrütet. Wenn nun aber die Aufrührer das Volck so weit verleitet: daß sie ihren Fürsten ihm durch schwere Mißhandlung unversöhnlich gemacht; so greiffen sie ihm alsdenn selbst nach der Gurgel. Dieses erfolgte auch bey dem Reichs-Rathe der Hermundurer. Denn als gleich die beschuldigten Glieder sich aus dem Staube machten; weil sie mehrmahls selbst im Rathe gehört hatten: Wie ein Mensch / der sich selbst zu erhalten im Gewissen verbunden ist / nichts minder für einen Selbst-Mörder zu halten wäre / wenn er nicht das von dem kalten Brande angesteckte Glied absegete; als der sich durch Hunger tödtet; also verwahrlosete auch eine Obrigkeit / bey welcher das gemeine Heil das oberste Gesetze wäre / das gemeine Wesen / wenn sie einen oder den andern darfür abzuschlachten allzu barmhertzig wäre / nichts minder als die in einem Schiffe lieber ins gesamt erhungerten / als einen einigen Menschen zur Speise verbrauchten. Dennoch war das Kriegs-Heer mit dieser flüchtigen Unrathe nicht vergnügt; sondern ie mehr es sich von dem Rathe gefürchtet / oder seinem Begehren gewillfahret sahe; ie höher spannte es den Bogen seiner Forderungen; suchte der in der Stadt Calegia liegenden Besatzung ihre eigene Kriegs-Häupter für zusetzen / und rückte endlich selbst darfür; also: daß der Reichs-Rath / um zwischen dem Hertzoge Britton und dem Kriegs-Heere Argwohn und Zwytracht zu stifften / Brittons andern Sohn Obiak zu seinem Haupte erklärte. Das Kriegs-Heer aber lachte über diesem Kunst-Stücke / und lösete diesen Zweifels-Knoten mit der Schärffe seiner Degen auf; brachte es also dahin: daß die Stadt dem Facksarif selbst die Schlüssel entgegen brachte / und die Festung darbey einräumte. Also zohe das gantze Heer mit Sieges-Zweigen in die Stadt / seine Häupter vernichteten was der Rath eine zeitlang geschlossen hatte / erwehlten einen gantz neuen Rath / und setzten viel Glieder des vorigen in Gefängnüß / schätzten die Bürgerschafft /und richteten alles nach ihrer Willkühr viel anders ein. Hertzog Britton / dem das Kriegs-Heer anfangs in seine erste Höhe und Gewalt zu setzen weiß gemacht / und der seine Kinder zur Hand geschafft hatte / ward inzwischen von Facksarif und Marbod / welche beyde von dem Fürstlichen Hause der Hermundurer Väter des Reiches und Erlöser des Fürsten waren ausgestrichen worden / mit leerer Hoffnung eines Vergleiches gespeiset / seine getreue Diener ihm von der Seite gerissen; und deßwegen er von einigen Vertrauten gewarniget: daß er sich gegen das Kriegs-Volck / als einem tauben und hartnäckichten Thiere / nichts guts noch friedliches zu versehen hätte / sondern Facksariff und Marbod nunmehr um seinen Kopff spielten. Daher er sich auf die Flucht in das Hercinische Gebürge begab; aber von dem / bey dem er seine Sicherheit zu erlangen verhofft hatte / selbst angehalten ward. Hierauf brach der neue Rath und das Heer mit grausamen Beschuldigungen herfür / hinter welche man allererst kommen wäre; nemlich: Britton hätte seinen Vater durch Gifft hingerichtet; die Barden und Eubagen von den Cheruskern[1076] nicht allein unterdrücken lassen / sondern auch die Sedusier zu ihrer Vertilgung angestifftet. Daher wäre er weder der Wiedereinsetzung und Fürstlichen Würde fähig / noch der Hermundurer Freyheit mehr anständig einem einigen Menschen uñ seinen ungleichen Gemüths-Kranckheiten sich zum Knechte zu machen. Deñ weil die Kriegs-Häupter ihm seine Wiedereinsetzung so hoch betheuert hatten; Treu und Glauben brechen aber ein so heßliches Laster ist / dessen sich auch Mörder und Diebe schämen / musten sie ihre Untreu mit solchen Beschwärtzungen entschuldigen. Wiewol nun dieser letzte Schluß dem Volcke wie ein Donnerschlag durchs Hertze gieng / in dem es ihm nie hatte träumen lassen: daß der Vorwand der Freyheit auf die gäntzliche Ausrottung der Fürstlichen Gewalt gemüntzt wäre / und deßwegen die Hermundurer hin und wieder die Waffen für ihren Hertzog er grieffen / war ihnen doch Marbod allenthalben / ehe sie sich vereinbarten / als ein geschwinder Falcke den ohnmächtigen Tauben auf dem Halse; welche hernach meist als Verräther von dem Scharffrichter abgethan wurden. Gleichwol aber stieg den Marckmännern die gemeine Beschuldigung: Sie hätten ihres Fürsten Blut um Geld verkaufft / und Brittons ihren Gesandten gegebene Antwort: daß er sich bey seinen Käuffern werthgeschätzter hielte / als bey seinen Verkäuffern / derogestalt zu Hertzen: daß sie unter dem Fürsten Namiloth ein Kriegs-Heer von zwantzig tausend Mann für den Hertzog Britton wieder die Hermundurer führten. Alleine Marbod / welcher gleichsam das Glücke an einer Schnure führte /schlug sie nicht allein auffs Haupt / sondern kriegte auch den Namiloth gefangen; ja er drang biß in das Hertze der Marckmänner / und zwang sie alles diß /was das Hermundurische Kriegs-Heer und der neue Rath beschlossen hatte / zu belieben. Hiermit kam Facksariff und Marbod mit Siegs Gepränge nach Calegia / und wiewol etliche von Marbods Geschöpffen einriethen / um die Hertzogliche Gewalt zu begraben den Fürsten Britton durch Gifft hinzurichten / fiel doch endlich der Schluß dahinaus: Man solte wie wieder alle Verbrecher / also auch wieder den Herzog selbst durch Urthel und Recht verfahren / und seinen mit der Mutter zu denen Buriern geflüchteten Sohn Jubill bey Verlust seines Erbrechts für den Reichs-Rath betagen. Der Blut-Rath ward alsofort besetzt /und zwar meist aus dem Pöfel und von eitel solchen Leuten / die den Hertzog vorher auffs eusserste beleidigt hatten / und ihm dannenher auch Spiñenfeind seyn und sein Emporko en ärger als den Tod fürchten musten. Weßwegen auch / oder weil niemand einer Missethat und grausamen Mißgeburt Mutter seyn wil / und die / welche ein Laster am meisten eingerhürt / doch den Namen nicht haben wollen /sondern am ersten die Hände waschen / Facksariff nicht zu bereden war: daß er bey dem Blutgerichte eine Stelle bekleidet hätte. Seine Anklage bestand darinnen: daß er aus einem mit gewissen Richtschnuren umschräncktem Fürsten / sich zu einem nach eigner Begierden herrschendem Wütterich gemacht / den alten Gottesdienst / die Freyheit und die Grundgesetze des Reiches zerstören wollen / wieder den Rath und das Volck einen blutigen Krieg geführet / fremde Völcker ins Land beruffen / und wieder die Eubagen die Sedusier zu Brand und Mord gereitzet hätte. Britton hörte die Anklage mit unverändertem Gesichte /schützte aber vor: daß er als Haupt und Fürst der Hermundurer keinen höhern unter der Soñen über sich; und seine Unterthanen nicht für seine Richter erkennte. Fürsten wären über alle Gesetze / könten also nicht sündigen; da aber auch das Volck über ihr Oberhaupt / und die Gewalt über seinen Kopf zu urtheilen kein mit dem schuldigen Gehorsam verträgliches Ding wäre / hätte nicht das hunderste / weniger das meiste Theil feine Feinde zum Richter erkieset. Also würde durch diese Gewalt-That nicht nur er / sondern die Freyheit des Volckes auch wieder die[1077] grausamsten Laster ihren Unwillen zu bezeugen beleidiget; welches letztere doch den knechtischsten Völckern unverschrenckt wäre. Alleine der Ober-Richter antwortete ihm: Ein Fürst wäre wegen des Volckes /nicht ein Volck wegen des Fürsten; dieser könte nicht ohne jenes / aber jenes wol ohne den Fürsten seyn: und also wäre er zwar höher / als ieder vom Volcke /aber nicht über alles Volck. Dannenher hätten Fürsten / insonderheit in dem freyen Deutschlande GOtt / das Gesetze und den Reichs-Rath über sich; welcher das gantze Volck / wie der Fürst nur seinen Verwalter fürstellte. Also hätten die Stadt-Vögte zu Rom / die Auffseher zu Sparta / der obersten Vorsteher Thun untersucht und geurtheilt. Ein Fürst bleibe so lange das Haupt eines Volckes / so lange er dessen Schutz-Herr wäre. Er entsetzte sich aber seiner Würde selbst / wenn er sich zum Wütterich machte; denn darmit höret die Einwilligung des Volckes auff / welche allezeit diese Bedingung in sich begrieffe. Nach dem nun Britton auff seiner keinem Richter unterwürffigen Hoheit beruhete / und auff die Anklage sich nicht hauptsächlich einlassen wolte / ward von dem obersten Richter / der bey des Hertzogs Abtritte ein blutrothes Kleid angezogen hatte / wieder ihn zu einem denckwürdigen Beyspiele der Nach-Welt des Todes Urthel gefällt.

Die Cheruskischen / Friesischen und Burier Gesandten / derer Fürsten sich in diesen Innländischen Krieg theils wegen der zwischen den Catten und Cheruskern entstandenen Unruh / theils aus Beysorge nicht mehr Oel ins Feuer zu giessen / mit Fleiß nicht eingemischt hatten / mühten sich nunmehro das zeither unglaubliche Fürnehmen der Hermundurer wieder ihren Fürsten zu hintertreiben. Sintemahl kein denen Fürsten schädlicheres Geheimnüß iemahls aus Licht kommen könte; als daß ein Volck Macht habe über sein Oberhaupt ein Blutgerichte zu hegen. Es erlangte hierauff der Cheruskische beym Facksariff / der Friesische beym Marbod / und der Burische beym Ober-Richter wiewol mit schwerer Müh Verhör. Facksariff zohe über allem dem / was ihm eingehalten ward / die Achseln ein; und wiewol er sich nicht wagen dorffte das Blut-Gerichte zu unbillichen / gab er doch zu verstehen: daß seine im Felde gehabte Gewalt nach geendigtem Kriege mercklich verfallen wäre; und bey ihm itzt mehr der Schatten / als die Macht über das Kriegs-Volck bestünde. Gleichwol aber blieb er im Verdacht: daß er die Herrschens-Würde / als ein durch so viel Heldenthaten beruffener Hercules mit seinen Achseln zu unterstützen vorhätte / wenn diese schwere Kugel den Fürsten Britton würde zermalmet haben. Daher der Cheruskische Gesandte auf eine weitläufftige Ausführung verfiel: daß niemand auf demselben Eise könne feste stehen bleiben / wo er einem andern das Bein untergeschlagen hätte. Fürsten hätten nicht nur ihre Nachfolger / sondern auch das Volck / welches anfangs mit zusammen geschlagenen Händen über sie frolockte / verfluchte sie hernach /und brauchte ihre eigene Werckzeuge wieder sie zu Rächern. Denn die letztern lernten sie wegen ihrer selbst eigenen Gefahr erstlich fürchten; hernach aber hassen und endlich tödten. Das neubegierige Volck hielte ohne diß die Gramschafft gegen die Obern für eine Art ihrer Freyheit und für Ergötzligkeit auff ihre Häupter wüten. Weil es das Gute nicht zu unterscheiden wüste / nützete keine Tugend; weil es ein vielköpfichtes Ungeheuer / hülffe keine Gewalt; und weil es ein Thier / welches entweder eitel Schlangen-Gänge hat / oder gar keine Spure nach sich läst / wäre keine Klugheit genung selbtes im Zaume zu halten /und sich zu versichern. Die ermangelnde Gelegenheit ihren Grimm auszuüben verdeckte nur / aber vertilgte nicht ihre Verbitterung / wie die Winter-Kälte das Leben der Fliegen / Frösche und Schwalben. Muth und Eisen könten wol ein[1078] Land zur Einöde machen; aber nicht den Samen der Verrätherey austilgen. Eine in hundert Stücke zerkerbte Schlange wäre durch Zuthat des Regen-Wassers und der Sonnen-Hitze / der Safft einer zerquetschten Raupe ein Saam-Werck tausend anderer. In den Aessern unschädlicher Storche steckte ein Nattern-Brut; aus Wespen wüchsen gifftige Würmer / aus Hünern Spinnen. Also wäre das Blut der Verräther durch die Krafft der Verbitterung ein Saamen viel hitziger Meuchelmörder. Ja der gewaltsamen Herrscher eigene Bluts-Freunde würden durch des Pöfels Heucheley und eigene Ehrsucht angesteckt; daß sie wie das Blut der mit Fleckfebern oder Pest behaffteten Menschen in eigenen Adern Würmer gebähren / die den Drat des Lebens und der Herrschafft mit einander zerbiessen. Diesemnach solte ihm ja keiner träumen lassen: daß er sich auff Brittons zerschmettertem Stul würde feste setzen können; oder auch: daß der lange blühen könte / der die Staude seines Glückes mit Blute tingete / und auf Gräber pflantzte. Facksariff aber beruhete bey Fürschützung seiner Unvermögenheit / mit der Betheuerung: daß er so wenig seine Erhöhung / als Brittons Untergang suchte. Denn er wüste wol: daß Fürstliche Geschlechter der Keule des Hercules / und dem Spiesse des Romulus gleich wären. Denn wie diese mit frischen Hayn-Buchen /jene mit Oelzweigen ausgeschlagen / als sie iederman längst für verdorrt geschätzt; also kämen Fürstliche Reyser mehrmahls empor / wenn man meinte / der Stamm-Baum wäre mit Strumpff und Stiel ausgerottet. Marbod setzte allen Gründen der Friesischen Gesandten entgegen: das gemeine Heil wäre das oberste Gesetze / welchem die Hoheit aller Könige müste nachgeben. Die Hermundurer hätten nun lange genung unter dem Joch ihrer blutgierigen Fürsten geschmachtet; also müsten sie nunmehr / da ihnen GOtt die Macht und das Recht verliehen hätte / itzige Gelegenheit sich in die edle Freyheit zu setzen nicht aus den Händen lassen. Britton müste entweder herrschen / oder sterben / weil seine Geburts-Art kein Mittel vertragen könte; also: daß er sich lieber des Lebens /als der Herrschafft verzeihen / oder auch seine Enteusserung durch verzweiffelte Entschlüssungen den andern Augenblick zurück ziehen würde. Sein Sohn Jubill habe von ihm den Ehrgeitz geerbet / von der Mutter das Gifft der Druyden in sich gesogen / und würden sie durch seine verwechselte Herrschafft das Bette / nicht die Kranckheit ändern. Fürsten von so hohem Geblüte würden meist durch übermässige Liebe ihrer Eltern oder durch Einbildung: daß auch die Flecken so hoher Sonnen die Welt zu erleuchten tüchtig wären / verzärtelt / oder die Höflinge / durch derer Augen und Ohren sie allein sähen und hörten / verterbten sie / weil ihre Heucheley und die Begierde sich einzulieben ihre Boßheiten als Tugenden preisete / ihr Ehr-Geitz ihn mehr ungeschickt als klug zu machen bemüht wäre / wormit seine Scharffsichtigkeit nicht ihre Tücken ergründe / noch ihnen durch Anmassung eigener Herrschafft das Hefft aus den Händen winde. Wenn nun die Wurtzel der Untugend derogestalt bey ihnen erstarrt / wäre durch keine Klugheit auff so wilde Stämme eine süsse Frucht zu pfropffen. Die Ehrsucht / welche die Niedrigen auf die Bahn der Tugend leitete / wäre Fürsten ein Leit-Stern zu allen Lastern / ja sie schämten sich auff einer dem Pöfel erlaubten Mittelbahne zu gehen / und durch Beobachtung der Gesetze sich einem Bürger zu vergleichen. Gleich als wenn die Fürstliche Hoheit in dem bestünde: daß sie nicht was gutes; sondern was ihr beliebte / ausüben dörffte. Und ob zwar es eine Seltzamkeit wäre / wenn selbte nicht einen niedrigern Geist /als Knechte hätten / hielten sie doch die grössesten Gemüther für Leibeigene: daß ihre Macht in der Ohnmacht über ihre Begierden bestünde;[1079] und daß den Willen im Zaume zu halten die aller schimpflichste Dienstbarkeit wäre. Diesemnach denn die Herrschafft eines einigen solchen Menschen nichts anders / als das Elend des gantzen Volckes nach sich ziehen könte; als mit dessen Unlust er alleine seine Lust zu büssen vermeinte. Zwar weil bey einer gemeinen Herrschafft die Belohnungen so groß nicht wären / als bey der Fürstlichen / findete diese mehr / als jene Lobsprecher; und / weil allhier keine so grosse Abgötter aus Bret kämen / wie an den Höfen / in diesen auch den Lastern mehr durch die Finger gesehen / und mehr das Geblüte als die Tugend in acht genommen /ja durchgehends daselbst / wo beym Volcke die Gewalt besteht / man minder das Gute empfindete / als des Bösen entübrigt wäre / so wären die Ehrsüchtigen meist nach der einköpfichten Herrschafft lüstern; und zwar meist darum / weil sie mit ihrem Wachsthum andere Bürger zu verdämpffen hofften. Ja so gar ein vernünfftiger und von Natur guter Fürst müsse seiner Sicherheit halber gleichsam aus dem Geschirre schlagen / und dahin arbeiten: daß niemand so reich und mächtig werde / für dem er sich zu fürchten habe; daß niemand durch Tugend sich beym Volcke beliebt / und auf den Nothfall einen Anhang mache; daß kein treuer Stadthalter lange einem Orte fürstehe / und keine Stadt unzwingbar werde. Weßwegen so viel tugendhaffte Leute Zepter und Krone mit Füssen von sich gestossen / wormit sie mit selbten nicht eine böse Unart an sich nehmen / und aus fetten Oel-süssen Feigenbäumen und erquickenden Weinstöcken / sich in unfruchtbare und stachlichte Dorn-Hecken verwandeln / mit ihrem Schatten so viel Unkraut bedecken /und ins gemein Gifft zu ihrer Erhaltungs-Artzney brauchen dörfften. Denn Fürsten sehen ihren Dienern durch die Finger; wormit sie denen Unterthanen das ihnen verhaste Vermögen wie Blutägeln aussaugten. Weil auch die am geschicksten zum Gehorsam wären / die nicht recht ihre gemeinen Sinnen verstehen; drückten sie alle Wissenschafften um halb viehische Unterthanen zu haben; ja die Unwissenheit muste ihren eigenen Kindern ein Kap-Zaum seyn: daß sie nicht zu zeitlich die Süßigkeit des Herrschens erkennten. Vielmahl fingen sie ohne Noth und Hoffnung des Obsieges Krieg an / nur: daß sie ihren Unterthanen könten zur Ader lassen. Aber Leute / welche ihrer Begierden Meister wären / schmecken die Süssigkeit der gemeinen Freyheit und der durchdringenden Gleichheit. Alle Beschwerden wären hier gleiche und unempfindlich; denn der sie auflegte / müste sie eben so wol auf seiner Achsel tragen. Die Kräfften eines Reiches nähmen durchgehends zu / wie Rom nach Austreibung seiner Könige / Athen nach Befreyung vom Pisistratus / und die Friesen selbst / seit dem sie mit so viel Blut ihre Freyheit erfochten / dienten zum herrlichen Beyspiele / allen Nachbarn zu rühmlicher Nachfolge. Bey bürgerlicher Herrschafft wäre ein ieder seines Besitzthums versichert. Die Würden und Aempter würden abgewechselt; also hätte keiner Zeit sich mächtiger zu machen / als das Volck wäre. Die Künste und Handlungen wären hier in der Blüte; deñ sie würden nicht vom Adel gedrückt; und aller Gewiñ käme dem arbeitenden / nicht dem Fürsten heim. Zum Gewinnen Krieg zu führen wäre freyen Völckern nicht anständig / aber sich zu beschirmen pflegten sie nach Art der Saguntiner und Numantier wie Löwen zu fechten / weil es um das edelste Kleinod der Freyheit zu thun wäre. Und weil allhier ieder was zu verlieren hätte / eckelte allen für Unruh; also genüssen sie des güldenen Friedens desto länger. Alle Rathschläge zielten hier auf den Wolstand des Volckes; dort aber wäre des Fürsten Vergrösserung der einige Angel-Stern / wohin alle Rathschläge wie Magnet-Nageln sich wendeten. Der Friesische Gesandte wendete zwar ein: daß schlimmer Fürsten und eines tugendhafften[1080] Volckes Herrschafft nicht gegen einander auf die Wage zu legen wäre. Aus dem besten Weine würde der schärffste Eßig. Zwar die freye Herrschafft eines Volckes wäre nach ihrer Einrichtung und in ihrer ersten Blüte wol ein herrliches Ding / aber selten gar /niemahls auch ohne Blutstürtzung in ihr Wesen zu setzen; ja endlich veralterte sie doch / und brächten anfangs etliche das Volck / endlich einer den Adel und das Volck unter seinen Gehorsam. Rom hätte sich für der Dienstbarkeit genungsam gewehret: aber endlich hätte doch August das durch bürgerliche Kriege abgemattete Volck unter dem scheinbaren Fürsten-Nahmen unter seine Gewalt bracht. Brutus und Caßius hätten zwar ihr eusserstes gethan der Freyheit auff die Beine zu helffen; aber sie wären unter einem so baufälligen Gebäue erquetschet worden; und hätten mit ihren Leichen viel tausend ihrer liebsten Freunde erdrückt. Marius und Cäsar hätten zwar ihrẽ Herrschenssucht mit ihrem Blute ausgespien; die Freyheit aber wäre deßwegen nicht wieder lebendig worden. Ja aus der Asche eines gantzen herrschenden Geschlechtes komme doch ein neuer Herrscher empor / wenn schon irgendswo die Sitten der Bürger verterbt / und eine allzugrosse Ungleichheit eingerissen wäre. Daher würde mit dem springenden Kopffe Brittons nicht der einköpfichten Regierung das Haupt abgeschlagen werden / sondern der Strumpff nicht anders als die Schlange in der Pfützen Lerna stets neue Köpfe gebähren. Zumahl Fürst Jubill ein Herr von grosser Hoffnung / und so vielen grossen Häusern verwandt wäre / also Himmel und Erden vermischen würde /seines Vaters Blut zu rächen / und seine andere Seele nemlich die Herrschafft zu erhalten. Endlich wenn auch schon eine andere Herrschens-Art an ihr selbst besser wäre; solte doch redlichen Leuten diese die liebste seyn / unter welcher sie gebohren worden. Marbod antwortete lächelnde: Er hielte des Gesandten Vortrag mehr für eine abgenöthigte Vorbitte / als für ein ernsthafftes Begehren der Friesen. Denn weil diese bey dem Feuer der einhäuptigen Herrschafft hätten verbrennen wollen / wie möchten sie die Hermundurer bereden sich darbey zu wärmen. Uber diß schiene es mehr eine Staats-Larve / als ein Ernst zu seyn: daß die Friesen für den Britton ein Wort verlieren / und also was sie selbst gestern gethan / heute tadeln solten. Sie hätten aber nunmehr Zeit beyde Augen aufzusperren: daß ihnen nicht einer einen Rincken an die Nase legte / dessen Groß-Vater ihnen eines andern loß gemacht hätte. Auf welchen Fall bey bevorstehender Noth sie von der genossenen Hülfe der Hermundurer sie so bloß stehen dörfften / als die Vejentier / welche die Toscaner unwürdig schätzten für ihre Freyheit wieder die Römer einen Degen zu zücken / weil sie sich selbst einem Könige unterworffen hatten. Der Burier Botschafft gerieth mit dem Ober-Richter in Streit: Ob ein Volck über seinen König Urthel und Recht hegen könte. Dieser zohe an: daß wie viel ein Brunn edler wäre / als die daraus rinnende Bach; so viel höher wäre auch das Volck / als ein Fürst. Könige könten nicht ohne ein Volck / dieses aber wol / ja besser ohne jene seyn; Und weñ eines unter beyden solte zu Grunde gehen / wäre der gesunden Vernunfft zu wieder: daß das Volck hierinnen solte das Nachsehen haben. Weil nun Tyrannen dessen Untergang suchten / müste jenen ja ein Mittel sich zu erhalten übrig seyn. Niemand hätte Gewalt über sich selbst zu wüten; wie viel weniger könte ein gantz Volck solche einem Wütterich einräumen. Die älteste Herrschafft hätte diese End-Ursache gehabt: daß alle Glieder unter dem Schirme eines Oberhauptes der Gerechtigkeit genoßbar würden; diese wäre das Band / das Fürsten und Unterthanen zusa en knüpfte; wenn dieses zerrisse /wären Reiche nichts anders / als grosse Mord-Gruben. Weßwegen[1081] das Recht und die Gesetze allezeit dem verwilligten Gehorsame mit eingedrungen / und die Gewalt zwischen dem Volcke und dem Fürsten gleichsam wechselweise eingetheilet / also ein böser Fürst nichts minder / als ein schädlicher Vormünde seines Amptes zu entsetzen wäre. Ja die Völcker /welche ihrer Herrscher Lastern selbst fahrläßig den Zügel schüssen liessen / und durch die Finger sähen /machten sich derselben theilhafftig; und hätten mehrmahls die Göttliche Rache für ihre Fürsten empfinden müssen. Zu dem änderten sich mehrmahls die Beschaffenheiten der Menschen; und die / welchen eine natürliche Dienstbarkeit angeboren gewest / zeugten mehrmahls freye Gemüther. Solten diese darum in der Knechtschafft ihrer Eltern verschmachten? oder sich einen Menschen im ewigen Kercker halten lassen /dem GOtt und die Natur selbst die Fessel abgenommen hätte? diese zeigte den Menschen selbst eine Richtschnur in dem Gestirne / derer zwey höchste Fürsten / nehmlich die Sonne von dem weit niedrigern Mohnden / dieser aber von der untersten Erde verfinstert würden. Nach diesem himmlischen Beyspiele hätten alle Völcker wieder ihre untüchtigen Häupter den Kopff empor gehoben / und ihnen das Licht /wenn sie selbtes zur Einäscherung ihrer Länder mißbrauchen wollen / ausgelescht. Ungeachtet die Persen ihre Könige gleichsam als Götter anbeteten; hätten sie doch den Smerdes vom Stule gestoffen / und den unglücklichen Xerxes hingerichtet. Die Mohren machten zwischen GOtt und ihrem Könige schier keinen Unterscheid; Gleichwol müste er auf des Priesters Befehl ihm selbst das Licht ausblasen. Die Argiver hätten über Oresten ein ordentlich Blut-Gerichte gehegt; Thrasybulens Bildnüß wäre in dem Tempel / und des Brutus auffs Rath-Hauß gesetzt worden; weil jener sein Vaterland von dem grausamsten Critias / dieser vom hoffärtigen Tarquin errettet hätte. Eben diesen Preiß würden alle Richter über den Britton bey der Nach-Welt verdienen; wenn gleich die gegenwärtige ihnen für erlangte Freyheit keinen Danck wissen solte. Der Burier Gesandte versetzte: Wenn ein Volck einmahl ein Haupt erkiesete / hätte selbtes sich nichts minder / als ein Knecht / der sich in die Dienstbarkeit verkaufft / aller Freyheit enteussert; und stünde ihm nichts weniger zu / als seines Herrn Fürnehmen zu untersuchen. Eines Ehweibes Willkühr wäre es zwar anfangs einen Mann zu erwehlen / hernach aber der Nothwendigkeit ihm zu gehorsamen. Zu dem wäre Britton vom Volcke nicht erkieset / sondern durch Erbrecht zu der Herrschafft kommen. Es lieffe wieder sich selbst: daß das Volck ein Herr seines Herren seyn solte. Alle Herrschafften hätten nicht allein ihr Absehen auf den Nutzen des Volckes / sondern zugleich / oder auch zuweilen nur auf des Fürsten. Das erstere geschehe mit Rechte / wenn ein schwaches Volck eines mächtigen Fürsten Schutz erwehlet; das letztere / wenn er durch rechtmäßigen Krieg es ihm unterworffen. Vormünde wären zwar auch nicht zum eigen-sondern zu ihrer Mündlein Nutz bestellt; Gleichwol hätten jene nur diesen / diese aber jenen nichts zu befehlen; weniger sie abzusetzen / sondern nur ein höherer / welchen ein Fürst nicht hätte. Kein so grimmiger Wütterich hätte auch noch gelebt; weniger hätte Britton es angezielt das Volck gäntzlich auszutilgen; und auf solchen Fall stünde diesem doch besser ein Schild / als das Rach-Schwerdt an. Denn Fürsten hätten ihre Unschuld nur gegen dem Himmel zu verantworten. Uber das Volck wäre die Obrigkeit; über die Obrigkeit der Fürst / über Fürsten GOtt allein Richter; ohne dessen Wahl keiner den Stul beträte. Kein Volck besudelte durch Gehorsam sich mit seines Königes Lastern / wenn selbter sich nur nicht zum Werckzeuge brauchen liesse; der aber greiffe GOttin Richter-Stab / der über die Götter dieser Welt ihm eine Botmäßigkeit zueignete.[1082] Fürsten müssen zwar ihre Art zu gebieten nach den Gemüthern des Volckes nichts minder als ein kluger Reuter den Zaum und die Stangen nach dem Maule des Pferdes richten. Aber den Zaum gar weg zu werffen wäre beyden unanständig; ja ihr selbst eigner Untergang. Deñ ein Land könte so wenig ohne ein Oberhaupt / als ein Schiff ohne Steuer-Ruder und die Welt ohne Soñe seyn. Ja weñ sich auch diese Verbindung zuweilen unter dem Pöfel zergliedere / so ziehe sie sich doch so begierig wieder in wenig Köpffe zusammen / als das Feuer empor zu glimmen bemüht wäre. Der Himmel zeugte durch den Vorsitz der Sonne / durch den wunderlichen Lauff der Irr-Sternen / durch die vorgehende Grösse und Klarheit ein und des andern Gestirnes: daß auch auff der Erde / als im Spiegel des Himmels /unter den Menschen müsse ein Unterscheid / und über die Geringern ein Haupt seyn; welchem alle andere seinen Glantz und Wesen zu dancken hätten. Die zwey grossen Lichter des Tages und der Nacht würden keinmahl in ihrem Wesen / sondern nur in den Augen der Menschen verfinstert. Sie verdüsterten mit ihrer Gegenwart zwar alle andere Sternen / alle Gestirne zusammen aber wären nicht mächtig / einen Sonnen-Staub an ihnen zu versehren / oder den geringsten Strahl ihres Glantzes zu vertilgen. Die Ameißen und Bienen verschmachteten lieber für Hunger / ehe sie ihren König Noth leiden liessen. Keine Herrschafft könte ohne Beschwerde seyn. Die vollkommensten Sternen wären nicht ohne Flecken / und der helleste Tag nicht ohne Wolcke. Man müste aber nicht die Beschwerligkeit Fürsten aufmutzen / und ihre Wolthaten ausser Augen setzen. Wären zuweilen Völcker ihren Fürsten zu Kopffe gewachsen / weil die Menschen in gemein des gegenwärtigen Zustandes /wie gut er auch wäre / überdrüßig würden; hätten Ehrsüchtige Leute an Götter dieser Welt thätliche Hand gelegt / um sich in ihre Stelle zu schwingen /oder auch ein Volck sich nicht so wol in Freyheit gesetzt / als an statt eines sich vielen Herrschern dienstbar gemacht; wäre meist die Reue auf dem Fuße gefolgt; und hätte dieses nach dem verworffenen Zustande geseuffzet / die Uhrheber aber solcher Neuerungen hätten ins gemein ihre Köpffe darüber im Stiche ge lassen. Hingegen pflegten vernünfftige Völcker tausend mahl öffter ihre Häupter / wie sie ihnen das Verhängnüß fürgesetzt / zu vertragen / und ihre Schwachheiten wie andere irrdische Zufälle zu verschmertzen. Die dißfalls klugen Cappadocier hätten deßwegen die ihnen von den Römern angebotene und dem Pöfel so annehmliche Freyheit nicht auszustehen getrauet / und nach dem sie frey gestanden: daß sie ohne einen König nicht leben könten / ihnen den Ariobarzanes erkieset. Denen Armeniern wäre die für gülden beschriene Freyheit ein unbekandter Traum / oder ein für gebildeter Bleyklumpen. Weil die verhaste Freyheit auch allemahl unnachbleiblich gedrückt werden muß / in dem nichts minder die Dienstbarkeit Gunst und Beförderung / als die Herrschafft tausend Ergetzligkeiten zu ihrer Belohnung hat; hätten für Zeiten die dem Eumenes unterthänigẽ Städte mit keiner Freyheit ihr Glücke vertauschẽ wollen; und ihrer viel aus dem freyen Grichenlande sich unter die Königliche Gewalt des Evagoras nach Salamis gewendet. Zu Rom wäre für längst das Joch ihrer blutigen Freyheit verdammet; und Augusten die abzulegen gemeinte Herrschafft aufgenöthigt worden. Weil denn nun wieder des Volckes eigene Wolfarth lieffe: daß ein Fürst selbtem über sein Thun / welches die Staats-Gesetze in geheim zu halten nöthig erachteten / Rechenschafft geben; und der / welcher Gesetze zu geben und aufzuheben Macht hätte / selbten unterworffen seyn solte; machte sich das Volck selbst zu einem Wütterich /und zerstörte das erste Grund-Gesetze / nehmlich den Gehorsam; wenn es sich über den Höchsten einer[1083] höhern Gewalt anmaste. Die Völcker hätten mehrmahls ein stummes Gesetze zu ihrem Abgotte gemacht; Da die Thasier die Todtes-Straffe dem ausgesetzt / welcher mit Athen in Bündnüß zu treten / Athen demselbten / der zur Behauptung des Eylandes Salamis /die Thurier den Strick selbtem / der ihre Gesetze zu verändern rathen würde. Ein Fürst aber wäre das lebendige / ja über alle Gesetze. Der Ober-Richter antwortete: Es würde ihm nicht schwer fallen alle wieder der Völcker Freyheit und die allen Thieren von der Natur erlaubte Gewalt ungerechte Gewalt durch eigene Beschirmung abzutreiben streitende Einwürffe zu wiederlegen; aber / wenn er alles nachgäbe / was von einem durch keine gewisse Gesetze und seinen Eyd umschränckten Oberhaupte wäre auf die Bahn gebracht worden / liesse sich doch auf die nur unter gewissen Bedingungen angeno ene Fürsten der Hermundurer kein Schluß machen. Diese wären nicht über / sondern unter das Gesetze und den Reichs-Rath gestellt / auch / ausser der enträumten Gewalt / nichts anders oder bessers / als ein ander Bürger; welches der Gesandte für keine Mißgeburt aufnehmen solte. Denn Theseus hätte zu Athen / Agesilaus zu Sparta /die Kinder des Cisus zu Argos / Evander in Italien /Hanno zu Carthago in wenigen Dingen die Gewalt /im meisten aber nur den Königlichen Nahmen besessen. Vereingetorich habe in Gallien zwar den Titel eines Fürsten gehabt; als er aber sich der Herrschafft bemächtigen wollen / wäre er mit dem Leben auch ums erste kommen. Denn weil es schwer wäre bey grossem Glücke seinen Begierden einen Riegel fürschieben; weil der Irrthum den Menschen mehr / als der Schatten das Licht verfolgte / hätten / wie viel andere Völcker / also auch die Hermundurer ihren Fürsten Ziel und Maaß für geschrieben; zu Verhütung besorglicher Verschwendung ihm nur gewisse Einkunfften ausgesetzt / zu Hemmung der unersättlichen Herrschenssucht für sich selbst Krieg anzufangen verwehret. Welche Beschränckung mit gutem Recht geschehe; weil das Volck ihn aus Freywilligkeit nicht aus Schuld er wehlet / dem beruffenen Fürsten aber frey stünde / sich solcher Bedingung mit der angebotenen Herrschafft zu enteussern. Und nach dem niemanden mehr / als einem Fürsten daran: daß einem Angelöbnüße nachgelebet würde / gelegen wäre / erforderte die höchste Noth: daß er keines Nagels breit von seinem Versprechen absetzte. Dieser Umschränckung benähme gar nichts: daß Britton durch Erbrecht über die Hermundurer zu herrschen vermeinte. Denn diß eignete dem Sohne nichts mehr zu / als was der Vater gehabt; verstelle aber nicht die anfangs beliebte Herrschens-Art. Die Hofemeisterschafft zu Sparta wäre zwar erblich; aber enge eingespannt gewest. Insonderheit aber wären Königen die Flügel beschnitten; wenn das Volck ihm einen Reichs-Rath an die Seite gesetzt / und die Noth selbten jährlich oder zu wichtigen Sachen zu verschreiben aufgebunden hätte / und feine Verknipffung nicht in das gemeine Angelöbnüß dem Volcke löblich fürzustehen / sondern in gewisse Verbündligkeit eingepflöckt / ihm aber selbst die Freyheit wiedrigen Falls nicht zu gehorsamen vorbehalten /oder gar: daß ein Haupt seines Reiches verlustig seyn solte / bedungen hätte. Also hätten die Sabeer ihrem Könige die Burg nicht alleine zu seiner Wohnung /sondern auch zum Ende seiner Herrschafft eingeräumt; und wenn er aus selbter nur einen Fuß gesetzt /ihn gesteiniget. Die Egyptischen Könige vereydeten selbst ihre Richter; daß sie dem unrecht urtheilenden Könige nicht gehorsamen wolten. Die Taprobaner hätten Erkäntnüß über ihres Königes Urthel; und ob er schon keine Gewalt hätte einem andern den Hals abzusprechen; büste er doch seinen eigenen ein /wenn er das Volck beleidigte. Von der Römischen Könige Ausspruche hätte man sich mit Rechte an das Volck ziehen können; und Servius Tullius selbst ihm und folgenden Königen[1084] Gesetze fürgeschrieben. Zugeschweigen: daß wenn auch ein Volck nicht mit Gewalt unters Joch gebracht / sondern einem die höchste und unverschränckte Gewalt auftrüge; nicht so wol das bey dem Volcke verbleibende und eingewurtzelte / auch seinem Wesen nach viel edlere Eigenthum / als der blosse Genüß der selbten auf eine zeitlang / oder nur ein Theil der höchsten Gewalt ihm anvertrauet würde. Ja da wieder die höchste Gewalt der Welt Niedrigen sich zu beschirmen verstattet / ein rechtmäßiger Krieg aber ein zuläßiges Mittel wäre / fremde Völcker und Könige ihm unterthänig zu machen /könte man keine Ursache finden; warum nicht ein Volck wieder den Fürsten / der durch Eyd und Pflicht sich den Gesetzen nach zu herrschen betheuert hätte /selbte aber zerdrü erte / sich vertheidigen / und ihn dessen zu entsetzen trachten solte / was er durch Meineyd selbst gleichsam mit Füssen von sich stiesse.

Der Burier Gesandte aber versetzte: wie ein unverschräncktes Reich einem Fürsten nicht die Gewalt zueignete / ein Theil oder das gantze Volck aufzureiben; ieden ohne Ursache seiner Güter zu berauben; also wäre eine mit Gesetzen umschränckte Herrschafft bey ein oder anderm Abwege nicht stracks dem Volcke unterwürffig oder gar erloschen. Bey Fürsten stünde es zu unterscheiden / was zu der Wolfarth des Reiches diente; diese aber wäre das höchste Gesetze / welche alle vorhergehende aufhieb. Zugeschweigen: daß kein Volck mit Rechte seinem von GOtt für gesetzten Könige etwas von dem Maaße seiner Gewalt entziehen könte; ohne welche er seinem hohen Ampte nicht auskommentlich fürzustehen vermöchte. Weñ aber auch gleich Fürsten sonder gäntzliche Zerrüttung ihrer Hoheit / und daß ihnen die blosse Schale des Nahmens übrig bliebe; auch mit den härtesten Bedingungen umschränckt werden könte; benähmẽ ihm doch diese nicht die höchste Gewalt / weniger setzten sie die Unterthanen über ihm also: daß selbtes über ihn; ob er mit Recht oder Unrecht von denen Gesetzen abgewichen / erkennen könten. Auch der Pöfel selbst liesse sich nicht den verurtheiln / der ihn einer Handlung wieder sein Versprechen beschuldigte. Die Gerechtigkeit sähe vielen Fehltritten der Unterthanen durch die Finger; warum nicht auch diese denen Fürsten; welche / wie gut sie auch wären / unmöglich allemahl recht zu thun vermöchten. Man verschmähte nicht alsbald einen / der einẽ von Wind aufgeblasenen Ball fehlete; mit was Recht möge man nun gegen dem so strenge verfahren / der den Zentner-schweren Klumpen eines Volckes nicht allzeit in der Schnure hätte. Einige aberwitzige Völcker hätten zwar auf gewisse Fälle ihren Fürsten ein Ziel ihrer Herrschafft gesetzt; aber es wären nur solche handgreifliche und von den eusserlichen Sinnen zu entscheiden leichte Aufsätze gewest; welche keine Zweydeutung verstattet / noch allererst eine Rechtshegung erfordert hätten. Deñ die Anmassung einer Gewalt über Fürsten wäre ein Raub des himmlischen Feuers / welche Jupiter am Prometheus so harte gestrafft hätte. Weßwegen die klugen Egyptier für eine unvernünftige Greuelthat gehalten hätten / ihre mit den schärffsten Gesetzen umpfälete Könige ihrer Verbrechen halber im Leben zu rechtfertigen; sondern es wäre allein nach dem Tode ihr Gedächtnüß verdammt / die Leiche der Beerdigung beraubet / und derogestalt zwar den Lastern eine Straffe / der Fürstlichen Hoheit aber nichts ungebührlich entzogen worden. Der Reichs-Rath wäre in alle wege befugt einem Könige bey bedencklichen Entschlüssungen einzureden; aber nicht ihm seine Meinungen aufzunöthigen; als welche ohne des Fürstens Genehmhabung keine Krafft hätten; sondern wie der Mohnde sein Licht von ihm / als der Sonnen entlehnen müsten. Zwar wäre der Reichs-Rath in dem höher als die eigenen Räthe des Königs: daß er dieser Gutachten mit gutem Fug / jener aber nicht ohne Beleidigung seines Gewissens verwerffen könte; aber nur diß / nicht der Rath wäre deßhalben sein[1085] Richter-Stul. Die Serischen Könige nähmen mit gebogenen Knien von ihren Weisen ihre heilsame Erinnerungen an / aber diese hielten für höchste Thorheit sich weiser zu düncken / als ihr König / der das Ebenbild Gottes auf Erden wäre. Endlich möchten die Hermundurer wol erwegen: daß sie nicht nur über Brittons / sondern über aller Fürsten Häupter dem Volcke eine Botmäßigkeit zuzueignen sich erkühneten; welches Aergernüß alle die zu rächen bemühet seyn würden / derer Häupter man mit Enthauptung Brittons erschütterte /oder gar wackelnd machte. Und sein mächtiger Fürst der Burier würde der erste seyn / der den Degen zücken / und dem ermordeten Britton mit den Flammen seines Landes zu Grabe leuchten wolte.

Alleine weder dieses Einreden noch Dräuen verfieng bey denen etwas; welche bereit in diesem Wercke so weit kommen waren / dessen Ausführung ihnen keine grössere Gefahr zuzoh / als der bereits gemachte Anfang / und die nicht so wol dem Fürsten Britton / als der Freyheit des Volckes den Hals abzuschneiden beschlossen hatten.

Ein schwaches Weib hätte gleichwol bey nahe den letzten Tag das gantze Trauerspiel verändert. Denn des Facksariff Eh-Frau / welche von weitem dem Hertzoge Britton verwand war / und auf die selbter bey ihrem freyledigen Stande ein Auge geworffen hatte; zohe ihr seine bevorstehende Ermordung tieff zu Hertzen; beredete auch zwey der Kriegs-Häupter dahin: daß wenn anders ihr Eh-Herr darein stimmte; sie durch Verwechselung des zu dem Blutgerüste bestimmten Kriegs-Volcks den Hertzog Britton auf die Seite zu bringen / und zu denen Bastarnen zu flüchten hülffreiche Hand versprachen. Als sie diese gewonnen / setzte sie des Nachts mit denen beweglichsten Liebesbezeugungen / und Vorstellung / daß er seine bißherigen Siege durch Errettung des verdammten Fürsten allererst herrlich machen / und den grösten Ruhm der Nachwelt erwerben würde / an Facksariff. Wiewol dieser nun einwarff: Es stünde so wol sein / als des Reiches Untergang auf der Wiedereinsetzung Brittons; erklärte sie sich doch: daß sie bloß um sein Leben / nicht um seinen Fürsten-Hut bäte; dessen letztern sich Britton entweder selbst willig begeben /oder Vermöge der Reichs-Gesetze verlustig machen würde / wenn er mit des Kriegs-Volckes Vorschub sich aus den Reichs-Gräntzen verfügte. Facksariff ward von der Liebe / als der höchsten Gesetzgeberin in Helden Gemüthern / gezwungen sich dem Flehen seines mitleidenden Eh-Weibes zu bequemen. Allein es ward dieses gute Absehen abermahls gäntzlich verrückt. Denn Britton / welchen Facksariff durch angestifftete Kriegs-Leute ausforschen ließ: Ob er wol gegen Gewinn seines Lebens sich der Herzoglichen Würde zu enteussern entschlüssen könte; verwarff diese Vorschläge / fürschützende: Ohne Schuld gewaltsam sterben / wäre ein blosser Zufall; sein Leben aber mit schimpflichen Bedingungen retten / ein Selbst-Mord seiner Ehre. Welche Entschlüssung den Facksariff etwas stutzig machte. Nichts desto weniger gieng er noch für Tage nach Hofe / und fragte die zwey oben von seiner Ehfrauen gewonnene Kriegs-Obersten: was sie von dem bevorstehenden Trauer-Spiele hielten? Diese unwissende: Ob seine Eh-Frau bey ihm für den Hertzog was ausgerichtet hätte / antworteten allein: Es wäre alles zur Hinrichtung fertig; und / wie in seiner Hand Brittons Leben und Tod bestünde; also wartete man nur auf ihn / wenn er die Losung geben würde. Facksariff / welcher nicht in einer so lange berathenen Sache zum ersten eine Veränderung zeigen wolte; versetzte: daß er niemals was ohne sie geschlossen hätte; und also Brittons Tod nichts minder von dem Fademe ihres / als seines Willens hienge. Einer der Kriegs-Obersten begegnete ihm: das Urthel[1086] wäre gesprochen / nun fragte es sich um die Vollziehung. Facksariff / dem seine hierinnen allzu vorsichtige Eh-Frau nicht vertrauet hatte: daß sie diese zwey Obersten auf ihre Seite gebracht hätte /fieng aus geschöpfftem Mißtrauen sein Vorhaben durchzubringen; und weil er ohne diß den Marbod in Saal treten sahe / aus Verdruß an: So sterbe er denn. Fügte sich hiermit ins innere Gemach; Die zwey Obersten aber wusten nichts ferner zu thun; kamen auch darüber in Gedancken: Es wäre Gottes Wille nicht: Daß Britton bey Leben bliebe. Daher ward Britton alsbald auf eine schwartz beschlagene Trauer-Bühne gestellt / und auf einen seidenen Stul gesetzt /den tödtlichen Streich zu empfangen. Gleich als wenn das Gepränge Laster zu rechtfertigen vermöchte / oder die aufgeputzte Grausamkeit weniger eine Unholdin wäre / als die nackte / und der Blutschreyer auf Tapezereyen eine annehmlichere Stimme / als auf Stein oder Rasen hätte. Britton verlohr also mit einem Streiche seine Herrschafft und sein Haupt / aber nicht die Obmäßigkeit seines Hertzens / und den Muth itzt so standhafft dem Tode / als vorher dem Glücke in die Augen zu sehen. Sein Leib ward zwar gebalsamt und kostbar begraben; Gleichwol aber zu seiner mehrern Beschimpffung / als mit ärgerlichen Seuchen behafftet / ausgeschrien. Nach ihm wurden noch fünff Marckmännern hoher Ankunfft / die für seine Errettung die Waffen er grieffen hatten / gleich als wenn ein so grosser Baum nicht ohne Zerschmetterung vieler Aeste fallen könte / zugleich die Häupter abgeschlagen. Wiewol nun ihrer viel den itzt erblasten Fürsten Britton für dem Streiche des Scharffrichters mit den Augen getödtet hatten; vermochte doch die Grausamkeit nicht zu verhindern: daß das meiste Volck / dem das Schwerdt ehe durch die Seele / als dem Britton durch den Hals gieng / mit bittern Thränen seinen Fürsten beweinte / die Mörder aber bey der Göttlichen Rache verklagte. Ja Facksariff selbst muste wieder seine Einwilligung hierbey in der Klage gehn. Denn seine Gemahlin / welche für den Hertzog Britton umsonst sich bemühet hatte / grämte sich über seiner Hinrichtung zu tode. Hingegen ließ der Reichs-Rath für höchste Verräther ausruffen: Da iemand sich würde gelüsten lassen nur in Berathschlagung zu ziehen: Ob ein ander Fürst über die Hermundurer herrschen solte. Nach dem auch viel aus dem Pöfel sich der höchsten Gewalt theilhafftig gemacht hatten /diese aber wol wusten: daß der Adel nicht allein neuen Leuten / wie tugendhafft sie sich auch erzeigen / allezeit über Achsel; sondern auch nach der Königlichen Gewalt ins gemein lüstern wären; stiessen sie allen hohen Adel aus dem Reichs-Rathe; und besetzten den neuen grösten theils mit denen gewesenen Kriegs-Häuptern; hoben auch theils um seine Kräfften zu vermindern / theils aller abgestatteten Gewogenheit zu gewinnen das Vorrecht der Erstgebohrnen in Erbschafften auf. Welche hefftige Veränderung zwar anfangs von den Staats-klugen für eine Mutter eines bürgerlichen Krieges gehalten / endlich aber befunden ward: daß das Volck / welches ins gemein aus allen Neuerungen ihm güldene Berge verheisset / mit höchstem Frolocken die neue Herrschens-Art billigte.

Viel anders aber nahmen die Marckmänner und Sedusier diese Neuerung auf. Denn sie erklärten den funfzehnjährigen Fürsten Jubill Brittons Sohn für ihr Oberhaupt. Alleine das Verhängnüß schien sich gleichsam gantz wieder Brittons Hauß verschworen zu haben. Denn Marbod / dessen gröste Sorgfalt nun mehr war das Hefft des Kriegs-Volckes aus seinen Händen in keine fremde mehr kommen zu lassen /brach bey den Sedusiern ein; eroberte ihre beste Festung mit stürmender Hand; und ließ alles / was Waffen tragen konte / erwürgen. Dieser glückliche Streich eröffnete alle andere[1087] Festungen. Also machte ihn das Glücke zum Meister / der Staats-Rath aber zum Landvogt über alle Länder der Sedusier / ja zum höchsten Haupte über der Hermundurer Kriegs-Heere / und hiermit auch über den Staats-Rath selbst. Denn wer einem andern die Waffen über giebet / enteussert sich zugleich seiner Herrschafft. Nach dem aber inzwischen Hertzog Jubil mit denen Marckmännern völlig verglichen war / und sie zu ihrer und Jubils Versicherung eine ziemliche Kriegs-Macht versamlet hatten /fiel Marbod mit seinem des Sieges gewohntem Heere bey den Marckmännern ein; welche er deßwegen für Feinde der Hermundurer zu erklären sich berechtigt hielt; weil sie des alten Bundes vergessen / ihren Tod-Feind Jubil in ihre Schoos aufgenommen / und denen Hermunduren aufzuhalfen so viel Waffen versaũllet hatten. Marbod aber hätte bey nahe durch seine aus vielem Glücke erwachsene Verwegenheit seine gantze Schantze versehen. Denn weil er zu tieff ins Feindes Land rückte / ward er in einem Thale rings um von den Marckmännern umsetzt / und sein Heer in verzweiffelte Hungers-Noth gestürtzt. Alleine diese war die Ursache seiner Wolfarth. Denn es ist kein zum Siege dienlicher Gewehre / als die Nothwendigkeit zu Siegen. Hingegen war die Sicherheit der Marckmänner Verterben. Denn als diese sich es am wenigsten versahen / machte Marbod an der einen Enge des besetzten Gebürges einen blinden Lermen / fiel aber an der andern mit so grosser Tapfferkeit an: daß er nicht alleine mit seinem Heere aus dem Gedränge kam / sondern auch die Marckmänner aus dem Felde schlug / und fast alles Fuß-Volck mit dem Kriegs-Geräthe in seine Hände bekam. Als Marbod nun hierauf mit Einnehmung der Städte beschäfftiget war / zohe der tapffere Jubil die eussersten Kräften der Marckmänner zusammen. Mit diesen rückte er zwar dem Marbod entgegen; aber er ließ sich in kein Treffen ein; sondern suchte vielmehr Gelegenheit bey ihm vorbey zugehen / und bey denen Hermundurern einzudringen / in Hoffnung: daß er daselbst grossen Anhang finden würde. Alleine ihm begegnete ein frisches Kriegs-Heer / und Marbod gieng mit seinem ihm in Rücken; Hingegen verschmeltzte sein Volck wie der Schnee. Wie er sich nun dergestalt zwischen Thür und Angel sahe / muste er dem Feinde gezwungen eine Schlacht lieffern. Welcher Zwang schon eine Erkäntniß seiner Schwäche / und eine Wahrsagung des Verspielens ist. Gleichwol fochte er so tapffer: daß er an seiner Spitze den Feind zweymahl in Unordnung brachte / und den Marbod in Schenckel verwundete. Der Marckmännische Adel that gleichfals das eusserste; weil nichts minder die Verzweiffelung als die Tapfferkeit in ihren Händen die Waffen schärffte. Aber endlich wurden sie doch übermannet; und wiewol ihrer wenig von der Wallstatt entkamen / entrann doch Hertzog Jubil nach dreyen in der Schlacht eingebüsten Pferden durch eine wunderseltzame Flucht und viel Wildnüße in das Gebiete der Burier. Diesem Hauptverluste folgte auf des klugen und wachsamen Marbods Seiten die Uberwältigung des gantzen Marckmännischen Gebietes; und musten alle grosse Gefangenen zum grausamen Schrecken der kleinern über die Klinge springen; Gleich als wenn Marbods Haupt ohne Abhauung aller hohen Köpfe nicht genung sichtbar seyn könte. Ja diese ungemeinen Siege Marbods setzten die Macht der Hermundurer in so grosses Ansehen: daß / ob wol Fürsten freyen Herrschafften stets einen heimlichen Haß nachtragen; und so viel benachbarte Herzog Jubils nechste Bluts-Freunde worden /die Cherusker und Catten auch inzwischen dem Drusus einen gewaltigen Streich versetzt hatten / keiner doch das Hertze hatte für ihn einigen Degen zu zücken. Die Alemänner verehrten den Staats-Raath zum ersten mit[1088] einer prächtigen Gesandtschafft. Diesen folgten auch die Catten / und insonderheit der mächtige König der Lygier / der nach gehaltener langen Berathschlagung ihm so gar Bruder und Vetter zuschrieb. Weil die Staats-Klugheit nur die Glückseligen kennet; und bey abgesehenem Nutzen auf gewisse Zeit auch derer Bluts-Freund sich rühmet / die ihr mit keiner Ader zugethan sind / und dieselben umhalset; derer Hals gleich Morgen an die Kette / der Kopff aber auff den Pfal kommen soll. Die Cherusker und Bojen alleine hatten Bedencken sich derogestalt zu verkleinern; wiewol ihre Beschaffenheit sie auch hemmete gegen den Marbod einen unzeitigen Eyfer auszulassen. Also ist das Geblüte gegen dem Feuer der Ehrsucht Eyß-kalt; und der abgesehene Vortheil ist der Grund und die Zertreffung der meisten Freundschafft; ja die Spille / um welche sich alles Thun der Menschen windet und verwickelt. Insonderheit aber haben Fürsten keine Bluts-noch andere Freunde. Denn wie sie über Völcker gebieten / also gebeut der Vortheil über die Fürsten. Ja diesem grossen Thiere gehorsamen alle Menschen.

Wiewol nun die Hermundurer derogestalt ohne Feind waren / wolte doch Marbod nicht ohne Kriegs-Macht seyn; ließ sich auch öffentlich im Staats-Rathe aus: daß wenn eine Herrschafft des Volckes nicht in ihren eigenen Eingeweiden wolte Würmer hecken; müste sie selbte den Nachbarn in Busem setzen. Weil nun nichts leichters ist / als eine Ursache des Krieges zu finden; rieth er: daß / nach dem die Bojen von etlicher Zeit her sich des denen Hermunduren zuständigen Hercynischen Gebürges angemast / denen Römern das Goldwaschen in denen Bächen / und die Ertzt-Gruben theuer vermietet hätten; sie diesen Eingriff den Bojen untersagen / und den Vortheil selbst an sich ziehen solten. Critasir der Bojen Hertzog wolte diesen Nutzen so schlechter Dings nicht aus den Händen lassen; schützte also der Bojen alten Besitz und Genüß des Hercynischen Gebürges für / und daß sie diese verborgene Schätze der Natur als die ersten Erfinder ihnen mit Rechte zueigneten. Marbod aber versetzte: Die Hermundurer hätten das Nordwestliche Theil des Hercinischen Gebürges lange für den Bojen beholtzet / befischet / bejaget; und mit allen seinen offenbaren und verborgenen Nutzbarkeiten eigenthümlich besessen; daher wäre ihr jüngerer Besitz ein Eingriff; und könte die Erfindung einer schon von einem andern besessenen Sache selbten nicht rechtfertigen. Hierbey aber beruhte Marbod nicht / sondern weil er wol wuste: daß zwischen Fürsten ein gewaffnetes Heer der beste Sach-Redner / und der Degen das einige Messer wäre den Zanck-Apffel recht zu theilen /oder den Gordischen Knoten aufzulösen / versa lete er alle Kriegs-Macht zusammen. Weil aber gleichwol in dem Staats-rathe noch einige waren / welche den Schatten ihrer Freyheit allererst erblickten / als ihr Bild schon für ihren Augen verschwundẽ war / uñ wahrnahmen: daß mit diesem Kriege mehr ihre / als der Bojen gäntzliche Unterdrückung angezielet würde; und Marbod nunmehr mehr als den König spielte; liessen sie an ihn eine Bittschrifft ab: Er möchte das durch langen Krieg abgemergelte Volck ein wenig verblasen lassen / und mit ihren treuen Nachbarn und alten Bundgenossen den Bojen lieber einen billichen Vergleich treffen / darzu sie sich schon mehrmahls erboten hätten. Die Hofnung viel zu gewinnen / oder ein uhraltes Besitzthum wäre keine rechtmäßige Ursache. Deñ so würde keine Herrschaft in der Welt ohne Anspruch / und diese nie ohne Krieg seyn; weñ die Verjährung nicht so wol in Ländern /als in Gründen der Unterthanen statt finden solte. Auch würden Reiche mit ihrer Erweiterung nicht allezeit verstärcket; sondern zwar ihre Gräntzen / nicht aber ihre Kräfften vergrössert. Sonderlich aber stünde der Zusatz mehrer Länder freyen Völckern nicht an; welche ohne Wachsthum ihren Nachbarn[1089] schon gewachsen wären. Denn weil die überwundenen Städte grosse Besatzungen / diese aber ansehnliche Mittel dörfften; wäre dieser Gewinn den Uberwindern eine Bürde / und eine Aussaugung der Unterthanen / welche vorher schon so viel Gut und Blut zu dem verterblichen Obsiege beygetragen hätten. Selten stünden die reichsten Landschafften / die man dem Feinde abnähme / für die Müh und Kosten / am wenigsten für das theure Menschen-Blut / welches nicht gegen Gold auszuwägen / auch mehr eine Tinte der Ehrsucht /daraus die Krieges-Häupter ihre Siegs-Fahnen färben / als eine Tingung der Reiche / und ein Schmaltz der Länder wäre. Ihr Besitz ziehe bey den Nachbarn Neid / bey den Uberwundenen Haß / bey den Freunden Mißtrauen / bey den Bürgern Argwohn nach sich. Derselben Erhaltung erschöpfte das Vaterland an Volck und Mitteln; wären also krebsfräßige Glieder /welche man von dem Leibe des Reiches abschneiden solte; oder dem jenigen Fische gleich / der dem / welcher ihn mit dem Hamen fienge / die Hand starrend machte. Ja endlich wäre ihr Verlust kostbarer / als die Gewinnung. Die Landvögte vergässen bey ihrer Botmäßigkeit: daß sie Bürger wären / und verlernten die nöthigste Tugend des Gehorsams. Da aber Marbod ja auf seiner Meynung bestünde; solte man zum minsten nach der unter dem Fürsten gewöhnlichen Art vor die Landstände darüber vernehmen / als welche im Kriege zwar das meiste zu verlieren / aber das wenigste zu gewinnen hätten. Marbod trug diese wolgemeinte Erinnerung als eine Verrätherey den Kriegs-Häuptern für / durch welche der Rath sie eines ruhmwürdigen Sieges / das Vaterland eines ansehnlichen Auffnehmens / die Kriegs-Leute der fetten Bojischen Aecker /wegen welcher ihre Vor-Eltern zu kriegen iederzeit für Recht gehalten hätten / berauben; ja durch den Frieden ihnen die Waffen aus den Händen spielen /und weil der gemeine Kriegs-Mann selten was mehres / als Narben des Leibes / und Lähmde der Glieder mit aus dem Kriege brächte / sie zu armseligen Tagelöhnern machen wolte. Kriegs-Leuten wäre die ärgste Schande durch Schweiß erwerben / was sie durch Blut haben könten. Welches sie aber wenig kosten würde; weil die Bojen in ihrem fruchtbaren Lande bey dem Wolleben alle Kriegs-Ubungen vergessen; der hohe Adel die gemeine Ritterschafft / die besten Vormauern eines Reiches mit ihren Gütern gleichsam verschlungen hätten; ja sie selbst mit einander in eitel Mißverständnüße lebten. Einem schlaffendem Löwen und einem abgedanckten Soldaten träten auch die Hasen auf die Fersen / und der geringste aus dem Pöfel wolte an ihnen zum Ritter werden. Fern und ungelegene Länder zu bemeistern wäre freylich wol nicht rathsam; und hätte so wol Carthago mit Besetzung so vieler fernen Länder / als Athen durch Anfallung Siciliens seine dem Hertzen nöthige Lebens-Geister in die eussersten Glieder unvorsichtig zertheilet /und dardurch jene ihren Untergang befördert / diese auf einmahl ihren achzigjährigen Gewinn verspielet; hingegen wären beyde Meister in der See / und in höchster Blüte gewest / als Athen sich mit den Grichischen Eylanden / Carthago mit den festen Lande in Africa vergnüget hätten. Die Römer hätten ihrer Ausbreitung kein Ende gemacht; wiewol sie Fuß für Fuß fortgerückt / über Italien vierhundert Jahr zubracht /und bey der scheinbarsten Gelegenheit nichts übersprungen. Diese hätten bey ihrer bürgerlichen Herrschafft das meiste / und mehr als niemahls kein König gewonnen. Fürsten wären sterblich / Völcker aber blieben ewig / wären keiner unwissenden Minderjährigkeit / keinem ohnmächtigen Alter / wegen Vielheit der Augen keinen blinden Irrthümern unterworffen; hätten zwar / wie Könige über ihre Bedienten / aber nicht über ihre herrschsüchtige Kinder zu eyfern.[1090] Weil nun denen Hermundurern und Marckmännern nichts vorträglicher und leichter wäre / als das fast rings herum mit einem Krantze feste Gebürge umgebene /und biß an den grossen Donau-Strom reichende Land der Bojen einzunehmen / stellte er zu der Kriegs-Häupter Nachdencken: was sie wieder den schädlichen Rath für sich und das Vaterland gutes entschlüssen wolten. Die Kriegs-Häupter / welche freylich wol den Sieg / niemahls aber Friede verlangen / stimmten nicht allein in den Krieg wieder die Bojen; sondern weil sie doch kein anständiger Oberhaupt als den Kriegrischen Marbod zu hoffen hatten / machten sie unter sich ein eydliches Bündnüß ihn auf den Stul des ermordeten Brittons zu heben; weil doch die Sitten der Hermundurer und Marckmänner die bürgerliche Herrschafft nicht vertragen könten. Marbod vernahm ihren Schluß mit der höchsten Gemüths-Vergnügung; gleichwol aber verhüllete er seine Begierde mit dem Scheine einer beständigen Weigerung eine solche Last zu übernehmen / welche seinen Achseln zu schwer /vielen Zufällen unterworffen / seinen Feinden zur Verläumdung / und tausend Neidern zum Ziel ausgesteckt wäre; ja auch bey vielen seiner Freunde einen Schein gewinnen dörffte / samt er zeither nicht für das Volck / sondern für seinen Ehrgeitz gefochten / und nur mit Emporschwingung seiner Niedrigkeit ihre Freyheit selbst zu unterdrücken suchte. Die Kriegs-Obersten aber hielten ihm ein: Seine Achseln wären alleine fähig diese Last zu übernehmen. Daher solte er dem gemeinen Wesen nicht mißgönnen / was seine Thaten selbtem fürlängst versprochen hätten. Es wäre keine grosse Sache ein Fürst gebohren seyn; aber wol / durch Tugend sich zum Fürsten machen. Niedrige Ankunfft wäre nichts verkleinerliches; sondern nur /wenn man sich aus derselben nicht empor heben wolte. Der wäre schon zum Aufsteigen fähig und groß genung / der nur die / welche seines Standes wären /überträffe. Ein grosser Berg würde für klein geachtet gegen einem grössern / und ein Weitzen-Korn groß gegen andere gemeiner Grösse. Die Freyheit lidte unter einem tugendhafften Fürsten wenigern Abbruch / als unter hundert zwistigen Raths-Herren. Daher wäre es des Volckes Heil / wenn einer die Herrschafft an sich risse / welche von vielen Gebietern in Verwirrung mißbraucht und zerstückt würde. Diß wäre kein Werck eines Wütterichs; sondern eine Unterwerffung gemeiner Zwytracht unter die Einigkeit eines Fürsten. Es nehme dem Volcke nicht seine Freyheit / sondern es wickelte sie nur aus den Verwirrungen vieler herrschsüchtiger Leute. Den Unterthanen wäre leichter einem / als vielen gehorsamen; und denen Gesetzen wäre mehr geholffen durch einen / der sie ausübte / als durch hundert / die sie durch ihre Auslegung vertunckelten. Also dorffte es noch viel Bittens und heisser Thränen / den Marbod zu dem zu bereden / was er wieder Willen des Volckes schon für längst an sich gerissen hatte. Das Kriegs-Heer rückte hierauf alsofort nach Calegia / hob den Staats-Rath auf / erklärte den Marbod nicht nur für einen Fürsten / sondern /weil der alten Hertzoge Titel ihm zu verkleinerlich war / für einen König der Hermundurer / Marckmänner und Sedusier. Alles diß geschahe mit grösserm Gepränge / als vorhin keinem Fürsten geschehen war; welches dardurch nicht geringen Glantz bekam: daß Kayser August ihm zugleich eine güldene Krone /einen Purpur-Rock / einen Helffenbeinernen Stul /und einen mit edlen Steinen versetzten Degen überbringen ließ. Marbod / nach dem ihm alle Stände den Eyd der Treue abgelegt / alle hohe Aempter mit seinen Geschöpffen / und denen / welche zur Dienstbarkeit die gröste Zuneigung bezeugten; insonderheit aber mit seinen Landesleuten den Marckmännern besetzt hatte / brach an zweyen Orten bey[1091] den Bojen ein. Hertzog Critasir lebte daselbst mit den Bojischen Ständen in höchsten Mißverständnüße; weil er seiner Gemahlin Gangoza einer Fürstin der Lygier gleichsam alle Gewalt eingeräumt / und insonderheit alle Ehren-Aempter zu verkauffen verstattet hatte. Dahero waren sie weder durch den Ruff der sich nährenden Gefahr / noch durch ihres Fürsten bewegliche Erinnerung zur Gegenbereitung zu bewegen; also: daß es einem geheimen Verständnüsse zwischen dem Könige Marbod und den Bojen nicht unähnlich schien. Welche Muthmassung dardurch mercklich bestärckt war: daß Marbod einen der für nehmsten Bojen bey sich zum geheimen Rathe hatte / welcher deßwegen aus Critasirs Gebiete gewichen war; weil der König ihn: daß er mit seiner Gemahlin Gangoza / hingegen Gottschalck / also hieß dieser Ritter / Critasirn beschuldigte: daß er mit seiner Frauen allzu verträulich lebte; fürnehmlich aber: daß so bald Marbod über das Hereynische Gebürge ohne den geringsten Wiederstand kam / nicht nur etliche tausend von dem hohen Adel untergedrückte Ritters-Leute / sondern auch viel der grösten Herren zum Marbod ins Läger kamen / und sich unter seine Kriegs-Fahnen stellten. Ja der Bojen Zulauff mehrte sich derogestalt: daß sie an der Zahl stärcker / als seine eigne Kriegs-Leute waren; und daher er jene guten theils ausmustern / und sie unter allerhand Schein dort und dar hin verbrauchen muste. Alle feste Plätze brachten ihm die Schlüssel entgegen; die Haupt-Stadt Boviasmum wehrte sich allein acht /und die Stadt Casurgis fünff Tage. Hertzog Critasir selbst gieng entweder aus Verdruß: daß ihn seine Unterthanen gantz hülfloß liessen / oder weil er ohne diß alt war / und keinen Reichs-Erben / ja wol gar seine Herrschafft niederzulegen im Sinne hatte / aus dem Lande in das dem Feldherrn Segimer zustehende Gebiete der Quaden; und sahe aus der Stadt Celemantia der Uberwindung seines Landes gleichsam ohne Empfindligkeit des Gemüthes und ohne Rührung einiger Hand zu. Also ist die Unempfindligkeit eines Fürsten einem Reiche eben so schädlich / als die übermäßige Herrschenssucht. Denn wie diese die Länder einäschert; also lässet sie jene durch Erfrierung vergehen. Wie die Natur die Empfindligkeit / als ein Erhaltungs-Mittel / allen Thieren eingepflantzet hat; also eignet sie die Staats-Klugheit den Fürsten ein. Denn welchen nicht der Verlust seiner Unterthanen in der innersten Seelen beist / dessen Reiche fället ein Glied nach dem andern /als erfroren weg / der kalte Brand aber frißt endlich biß zum Hertzen / und reibet es gar auf. Welche Kranckheit ins gemein in Wahl-Königreichen / oder wo ein Fürst nicht vererbt ist / über hand nimmt. Denn viel / welche gleich nicht aus innerlicher Großmüthigkeit für ihre Länder wache wären / wecket die Kinder-Liebe auf: daß sie mit ihrem Erbtheile auch für das Vaterland sorgen.

Marbod hingegen wol wissende: daß geschwinder Einfälle gantze Krafft in der ersten Hefftigkeit bestehe / und daß die Spitzen / welche nicht durchgehen / nur stumpff werden; schmiedete das Eisen weil es warm; und seiner Feinde Hertz kalt von Furcht war; ruhete Tag und Nacht nicht / sondern machte sich in wenigen Wochen zum völligen Meister über die Bojen. Er selbst wuste sich in die Ubermaaß seines Glückes nicht zu finden; dessen Hefftigkeit nichts minder den Verstand / als allzugrosser Glantz die Augen verbländet. Daher er denn in Befestigung seiner Herrschafft nicht allenthalben seine gewohnte Klugheit fürkehrte; insonderheit aber denen freymüthigen Bojen allzu scharffe Gesetze aufbürdete; und durch Erbauung eines starcken Schlosses zu Boviasmum und Casurgis entweder sein Mißtrauen zu ihnen / oder seine Anstalt ihnen ein Gebieß anzulegen vermercken ließ. Weil ihm einer seiner Kriegs-Obersten rieth; Es sey sicherer einem die Hände binden:[1092] daß er nicht schaden könne / als sein Gemüthe gewinnen: daß er uns gewogen werde. Da doch ein Uberwinder neue Völcker durch nichts besser / als wenn er alles im alten Stande läst / im Zaum halten kan; weil sie sodenn nicht so wol eine neue Herrschafft empfinden / als des vorigen Fürsten Geist in einem andern Leibe sehen. Weil nun in edlen Gemüthern die großmüthigen Regungen mehr schlafen als gestorben seyn / und bey eusserster Roth wie die im Winter erstarrten Schlangen am Frühlinge lebhafft werden; standen in einem Tage die Bojen durch ihr gantzes Land wieder den Marbod auf; über fielen seine Besatzungen; ja ihn selbst umringten sie unter dem Sudetischen Riesen-Gebürge / dahin er unter dem Scheine den Brunnen der Elbe zu beschauen / in Warheit aber der benachbarten Marsinger Zustand auszuforschen verreiset war. Marbod hätte sich ehe des Himmelfalls / als eines Feindes versehen / als Gottwald / ein junger und hertzhaffter Ritter mit tausend Mann ihn in einem Walde an einem Furth überfiel. Ob er nun wol mehr nicht / als hundert bewehrte Leute bey sich hatte / munterte er doch durch seinen Zuruff und Beyspiel die Seinigen zu einer hertzhafften Gegenwehr auf. Marbod und Gottwald geriethen selbst an einander. Wie nun jener die gemeinen Schrancken menschlicher Tugend zu übertreffen sich bemühte / um den erlangten Ruff: daß er mehr / als ein Mensch wäre / zu behalten / und in einer Stunde nicht zu verlieren / was er durch so viel Jahre durch Schweiß und Blut kaum erworben hatte; also hatte der kühne Gottwald bey sich beschlossen: daß diesen Tag sein Schild entweder sein Grabe- oder der Freyheit Grund-Stein für die Bojen / ihm aber eine Staffel der Ehren und Glückseligkeit seyn solte. Marbod verletzte Gottwalden zwar mit einem Wurff-Spieße in den rechten Schenckel; aber diese Wunde nahm ihm nicht so viel Kräfften / als der Eyver hierüber seiner Tapfferkeit beysetzte. Dahero traff er den Marbod mit einer Lantze so hefftig: daß selbte zwischen dem Gelencke des Harnisches durch die lincke Achsel gieng. Marboden entgieng zwar hierüber nicht wenig Blut /aber das wenigste von seiner Hertzhafftigkeit. Inzwischen aber / weil die Bojen durch das Gehöltze denen Hermundurern und Marckmännern in Rücken kommen waren / lidten sie wegen ihrer Wenigkeit allenthalben Noth; also: daß Marbod / der nun seinen Untergang für Augen sahe / noch einmal sein eusserstes wagte; und nach dem er zwey Bojen zu Bodem geschlagen / einen verzweiffelten Streich auf den Ritter Gottwald thät / und ihm seinen Schild mitten entzwey theilte / ihm auch vollends noch was gefährlichers beybracht hätte / wenn ein Bojischer Edelmann / der hernach hiervon den Nahmen Nothhafft bekam / selbten nicht versetzt / und also fort Gottwalden seinen Schild eingehändigt hätte. Hierüber aber verlohr Marbod sein Pferd; ein Marckmännischer Ritter aber / den Marbod hernach von dem Orte dieses Gefechtes zum ewigen Gedächtnüße Tannenberg hieß / versetzte inzwischen alle feindlichen Streiche: daß er wieder auf die Füsse kam. Marbod / Tannenberg / Lichtenstein /und etliche andere Marckmänner machten ihnen durch das Gedränge mit dem Degen gleichwol einen Weg zu einer dicken Hecke; wohin es mit den Pferden zu kommen unmöglich war; aber Marbod bekam hierüber noch drey gefährliche Wunden. Endlich kam die finstere Nacht ihnen zu Hülffe; Tannenberg und Lichtenstein aber; als inzwischen die übrigen Marckmänner biß auff den letzten Bluts-Tropffen zwischen den Hecken die Bojen auffhielten / kletterten an einem gähen Berge hinauff / und brachten ihn um Mitternacht zu einer felsichten Höle. Wiewol sie sich nun nicht allerdings sicher schätzten / in dem sie um den Berg etliche hundert brennende Kien-Fackeln wie Irr-Lichter schwermen sahen /[1093] also muthmasten: daß die Bojen den König Marbod oder seine Leiche suchten /musten sie doch daselbst verblasen / weil der halb-tode und ohnmächtige Marbod unmöglich weiter zu bringen war. Daher schlepten sie den König Marbod in die Höle / zohen ihm seine Waffen aus / und erquickten ihn mit etlichen Handvolln Wasser aus einem dabey abrinnenden Quelle. Also ist doch niemand / wie viel tausend ihn gleich fürchten müssen /nicht immer der Furcht befreyet; und der mächtigste hat nichts minder von einem schwächern Gefahr / als aus einer kleinen Wolcke ein hefftiger Donnerschlag kommet / und ein verschlossener Wind gantze Gebürge umdrehet. Der verächtliche Gottwald brachte es derogestalt so weit: daß auf diesem hohen Gebürge der mächtige König Marbod so tieff verfallen muste. Und also ereignet sich mehrmahls: daß dieselben sich kaum mit einem Löffel Wasser laben können / welche kaum vorher der Besitz etlicher Meere und hundert Flüsse nicht zu sättigen vermocht hat. Bey anbrechendem Tage wolte Lichtenstein aus der Höle kriechen /um den eusserlichen Zustand zu erkundigen / und für ihre / besonders aber Marbods Wunden einige Kräuter aufzusuchen. Wie er hiermit zurück in die Höle kam / erblickte er zu hinterste einen grossen sich empor hebenden Bären / worüber er nach dem Degen grieff / und einen hellen Gall anzuruffen fieng / um den nicht ferne davon liegenden Tannenberg zu ermuntern. Dieser sprang hierüber auch auf / und wolten sie beyde sich an dieses wilde Thier machen. Es kroch aber ein Eysgrauer mit einer Bären-Haut bekleideter Mann / dessen Bart ihm biß unter den Gürtel gieng / hinter einem Felsen herfür; und gab ihnen zu verstehen: daß wo sie für keinem Menschen sich etwas zu befahren hätten / wären sie für diesem sonst grimmigen Thiere allerdings sicher. Wie nun aber Lichtenstein und Tannenberg ihre Degen nicht bald einsteckten; fuhr der Alte fort: Stehet ausser Sorgen /ihr Fremdlinge / wer ihr auch seyd / ich stehe für aller Gefahr und Schaden. Denn nach dem die Menschen gelernet haben grimmiger zu seyn / als wilde Thiere /fangen diese an zahmer zu werden als die Menschen. Die dem Alten aus dem lebhafften Antlitze sehende Redligkeit / und seine andächtige Gebährden verursachten bey beyden alsbald ein Ehrerbietiges Ansehen; und der Bär selbst streckte sich auf sein gegebenes Zeichen demüthigst zu Lichtensteins Füssen. Dieser hingegen grüste den Alten nunmehr mit tieffer Verehrung als einen Halb-GOtt / und bat um die Auslegung seiner vorigen Worte. Der Alte versetzte: Er sehe sie theils für seinen Füssen / theils trüge er sie an seinem Leibe. Denn seine Kleider deuteten eine nicht geringe Verwundung an; solche aber hätte schwerlich ein reissender Bär oder Wolff / sondern ein viel blutbegieriger Thier verursacht. Dieses wäre der Mensch /welcher biß zum zehenden Jahre einen Affen / biß zum zwantzigsten einen Pfauen / biß zum dreyßigsten einen Löwen / ins vierzigste einen Fuchs / ins funffzigste eine Schlange / biß ins Grab einen unersättlichen und alles Ertzt verdauenden Strauß abbildete; oder vielmehr iederzeit die Laster aller Thiere besässe / zehn Bären aber sich kaum mit der Grausamkeit eines Menschen betheilten. Ja weil kein Thier in sein eigen Geschlechte so wütete / würde die Welt sicher friedlicher / die Erde weniger blutiger seyn / wenn gleich Löwen / Panther / und Tiger-Thiere die Oberherrschafft der Welt behaupteten. Es ist wahr / antwortete Lichtenstein. Denn da wir in dieser Bären-Höle nicht mehr Erbarmnüß finden / wird die Grausamkeit gewiß noch unsern übrigen Lebens-Athem ihr aufopffern. Erbärmlicher Zustand der Menschen! ruffte dieser holdselige Alte / welchem zugleich die milden Zähren über die Backen lieffen / und an seinem Barte wie Morgen-Thau hängen blieben. Warlich! wenn die[1094] Sonne so wol Ohren als Augen hätte; würde sie mehrmahls in ihrer eyffrigen Rennebahn den Lauff hemmen / und dem auf dem Miste dieser Welt winselnden Elende der Menschen Gehöre geben / vielmahl auch auf ihre teuffelische Boßheit an statt der fruchtbaren Stralen Hagel und Blitz ausschütten müssen. Ihr verdammten Halb-Menschen / die ihr unter Englischen Gesichtern gifftige Scorpionen-Schwäntze und rasende Panther-Klauen verdecket; die ihr vom Himmel deßwegen die Waffen der Vernunfft überkommen zu haben vermeinet: daß ihr sie zu anderer Betrug und Blutstürzung gebrauchen köntet; gleich als weñ euch die Natur zu Priestern des Todes gezeuget hätte! Wisset ihr nicht: daß die Welt ein angefüllter Kercker von Missethätern sey / welche das Verhängnüß noch für ihrer Geburt durch ein unwiederrufliches Gesetze zum Tode verdammt hat; in dem ieder alle Augenblicke die Ausübung des Urthels und die Art seiner Hinrichtung zitternde erwarten muß? Ist euch verborgen: daß die Zeit selbst der Scherge oder der Todten-Gräber ist / der euch auf dem vom Verhängnüße ausgesteckten Wege über Hals über Kopff zum Grabe fortschleppet; und daß sie zwar zum Merckmahl / wie geschwinde unser Leben verrauchet / eine Sand-Uhr in der einen; eine Sichel aber in der andern Hand träget / welche uns unfehlbar abmeyet /ehe wir es uns versehen; weil wir schon in der Wiege reiff zum Tode sind. Aber lasset mich durch meine Trägheit nicht auch in verdammliche Grausamkeit verfallen. Hiermit machte der Alte dem noch sprachlosen Marbod die Kleider auf / besahe seine Wunden / wusch sie aus / holete Kräuter / zerquetschte sie zwischen zwey Steinen / und verband sie darmit. Nichts anders verfuhr er mit dem Ritter Lichtenstein und Tannenberg. Um den Mittag brachte er ihnen zur Mahlzeit allerhand Wurtzeln / und in einem ausgehölten Steine ein annehmliches Wasser / welches er nahe darbey aus einem Sauerbrunnen geschöpfft hatte; den lechsenden Marbod aber erquickte er mit Himpel- und andern annehmlichen Beeren; welche in Menge und ungewöhnlicher Grösse auf diesem Gebürge wuchsen. Seinen Bären schickte er auf die Jagt aus / welcher täglich etwas von Wildpret einbrachte; so der gute Einsiedler nach der ersten Welt Einfalt zurichtete; übrigens aber seine Gäste derogestalt unterhielt: daß sie ihn für ihren Artzt / ihren Verpfleger / ihren Lehrer /ja für ihren Vater rühmen musten. Tannenberg und Lichtenstein geneseten in drey / Marbod aber zu aller höchster Verwunderung in acht Tagen von ihren gefährlichsten Wunden. Worauf der Einsiedler allererst nach ihrem Zustande / und wie sie in diß Unglück verfallen wären / fragte; weil er es anfangs zu thun deßwegen anstand: daß ein Mensch nach dem Beyspiele der Sonnen / welche über Wolffs-Milch und Weitzen / so wol über die sie verfluchende Mohren als die sie anbetenden Persen ihre Strahlen ausschüttet / ohne einigen Unterscheid Bösen und Guten wolthun solle. Marbod / welcher gleichwol nicht trauen wolte / wer er wäre / zu entdecken; berichtete ihn: Sie wären Marckmännische Edelleute / welche in Begleitung ihres Königes von denen Bojen verrätherisch wären überfallen / und also zugerichtet worden. Sehet ihrs nun / sagte der Einsiedler: daß die Boßheit mit demselben Messer verwundet werde / welches sie vorher auf andere Hälse geschliffen hat. Marbod und ihr habt euch dieses Uberfalls halber weder zu verwundern noch zu beschweren. Denn habt ihrs den Bojen nicht vorhin ärger mitgespielet? Perill brennet nicht unbillich im glüenden Ochsen; den er vorher andern zur Pein ersonnen hatte. Wer aber sein Thun nach der Wagschale der Gerechtigkeit abwiegt / hat sich für ihrem Schwerdte nicht zu fürchten. Unsere ungezähmte Begierden stürtzen uns nur von den Steinklüfften solcher entsetzlichen[1095] Zufälle. Hätte Marbod / dessen Leib der Himmel nicht begreiffen würde / wenn er mit seinem Ehrsüchtigen Gemüthe gleicher Grösse wäre /sich nicht zum grösten Räuber der Welt / und einem Mörder seines Hertzen gemacht; so hätte das erreitzete Verhängnüß ihm keinen so sauern Blick gegeben. Ein tugendhafft und vergnügliches Leben ist der sicherste Ancker und der vollkommenste Glücks-Stern. Wie tieffsinnig aber ist die Ehrsucht der Menschen um ihr selbst weh zu thun; wenn sie alle Kreiße der Vergnügung übersteigt / und alle Augenblick ihr in den Gedancken eine so hohe Glücks-Staffel fürbildet; die sie gar nicht / oder nur mit ihrer Einäscherung erreichen kan! Wie zwinget sie ihr Verlangen so viel höher / als ihre Augen tragen / und ihre Kräfften reichen. Ja wenn ein Herrschsüchtiger auch schon den ersten Tag auf dem Wagen der Sonne zu sitzen käme; würde er doch Morgen schon in dem allerhöchsten Kreiße die unbeweglichen Gestirne mit seinen Füssen zermalmen wollen. Deñ ehe man sich einer Herrschafft bemächtiget / scheinet eine kleine groß / nach ihrer Uberkommung aber auch die gröste klein zu seyn. Dannenher GOtt gar billich der menschlichen Unersättligkeit durch so viel ohnmächtige Schwächen die Flügel verschnitten und verhangen hat: daß ein Knecht einem Fürsten offt zum Meister werde; und eine Hand mit einem Funcken Feuer in einem Augenblicke verterben könne / was hundert tausend in hundert Jahren gebaut haben. Ihr blinden Sterblichen! Wenn wird euch die Zeit oder euer Nachdencken die Larve vom Gesichte ziehen? wenn werdet ihr sehen: daß in der Tugend / nicht in eusserlichem Gepränge unsere Glückseligkeit beruhe? daß wie viel leichter in einem kleinen Zirckel unser Augen-Maß den Mittel-Punct zu erkiesen wüste; also in niedrigem Stande ehe / als auf denen geschwancken Gipffeln hoher Würden die Ruhe des Gemüthes zu finden sey! Wenn werdet ihr das Wesen für den Schatten ergreiffen; und euer Gemüthe mit Kost / nicht mit Winde speisen? Ist es nicht Thorheit oder vielmehr Boßheit: daß der Mensch den Glantz der Tugend / welcher die Stralen der Sonnen vertunckelt / darum verächtlich hält; weil selbter eine Selbständigkeit zum Grunde hat; und sich mit der Bländung der Laster vergnüget; weil sie das Nichts der Eitelkeit zum Fusse haben. Die Weißheit hält für das höchste / wenn sie was ist; darmit aber kein Gepränge macht / sondern ihre Diamanten mit rauen Steinen / ihren köstlichen Kern mit geringen Schalen verhüllet. Was nichts ist / und nichts zu seyn scheinet / wird billich von Tugend und Boßheit verworffen. Aber in der Welt / weil selbte voll von eitel leeren Dingen ist / und eitel Einwohner hat / die nirgends weniger / als in derselben wohnen / hält man für nichts / was gleich scheinet / und wahrhafftig etwas ist; hingegen für das vollkommenste Wesen /was nicht ist / und nur einen Schein hat / als wenn es etwas wäre. Weil der Papegoy zu reden scheinet /hencken ihn Könige in güldenen Kefichten in ihre herrlichsten Zi er / und speisen ihn mit Zucker; wenn aber Epictet einen Redner abgeben wil / schleust man ihm die eussersten Pforten für der Nase zu. Der grosse Alexander fand zwar beym Diogenes die Glückseligkeit / und sein Faß warff den Schatten weit über die Egyptischen Spitz-Seulen; dieser grosse Weltbezwinger aber wuste keinen Glantz diesem armen Weisen beyzusetzen; sondern er entzog ihm vielmehr die Stralen der Sonnen / und beeinträchtigte die Vergnügung seiner Niedrigkeit. Wenn Marbod in seinem ersten Stande blieben wäre / oder mit mir in dieser Höle gleich seine Vergnügung sehe; würde er doch lieber nach der Lufft eiteler Ehre schnappen / und inwendig gerne ein grausames Ungeheuer vieler Laster werden: daß er nur in den Augen der Eitelen ein Wunderwerck der Glücks-Kinder seyn möge. Es ist zu erbarmen:[1096] daß Menschen sich vernünfftige Thiere zu seyn rühmen; da sie doch selten der Richtschnur der Vernunfft folgen; sondern ins gemein den Absätzen ihrer rasenden Begierde nachhängen; Unter welchen die Ehrsucht die grausamste ist. Alle andere Laster haben ihren Stillestand; die Schwelgerey wird ersättigt / die Wollust überdrüßig / die Grausamkeit ermüdet / der Zorn abgekühlet; die Ehrsucht aber ist das Feuer /welches von seiner Nahrung wol vergrössert / keinmahl aber satt wird. Da doch eine weite Herrschafft die beschwerlichste Dienstbarkeit ist; und die / welche über viel tausend gebieten / nicht Herren über sich selbst sind; in welchem letztern doch die eigentliche Herrschafft bestehet. Der Wollüstige ist ein Sclave eines Antlitzes / der geitzige eines gläntzenden Erd-Klumpens / der Ehrsüchtige ein Knecht der Knechte; für welchen sich dieselben demüthigen /welche über Herren gebieten wollen. Das gröste Königreich aber ist die Freyheit seines Hertzens; welches an nichts / als an seinem Uhrsprunge dem Hi el hengt; welches keinen Menschen beleidiget / Gott nicht erzürnet; welches alle andere Stände ihm für unanständig hält; darein ihn das Verhängnüß nicht gesetzt hat / und den Begierden alsbald einen Riegel fürscheubt; wenn sich ihnen irgendswo ein Abweg zeiget; auf welchem die Lüsternen Hals und Kopff brechen; ob er schon im Eingange mit Lilgen und Jasminen bestreuet ist; wie euch das Beyspiel eures Marbods den gestrigen Tag fürgebildet hat; oder / welches mir glaublicher / der künfftige durch einen viel merckwürdigern Fall aller Welt für Augen stellen wird. Sintemahl die durch Laster an sich gezogene Gewalt eben so wenig / als der Schnee an der Sonnen / und das Wachs im Feuer tauern kan. Marbod färbte und entfärbte sich unterschiedene mahl über der nachdrücklichen Gewissensrührung dieses frommen Alten; er sahe bald den Tannenberg / bald den Lichtenstein an /sie gleichsam fragende: ob sie auch in ihrem Gemüthe die Stiche fühleten / welche so empfindlich sein Hertz träffen. Worüber der Einsiedler alsbald eine Muthmassung faste: daß diß König Marbod wol selbst seyn dörffte. Sintemahl eben so wenig eine Larve einen Fürsten / als eine Wolcke die Sonne völlig bergen kan. Lichtenstein aber / um entweder seinen Fürsten so viel möglich zu rechtfertigen / oder dem Alten mehr Anlaß zu fernerm Unterricht zu geben / sätzte ihm entgegen: Es gebe so wenig Menschen ohne Fehler / als Tiger ohne Flecken. Jeder Grundzeug der Natur wäre ein Behältnüß wilder Thiere / und ein Auffenthalt menschlicher Gebrechen. Die Hoffart hätte ihr Leben gleichsam in der Lufft / der Zorn im Feuer / der Geitz in der Erde / die Selbst-Liebe im Wasser; Die Ehrsucht aber schlüge ihr Gezelt schier unter den Sternen auf / und hätte an sich etwas hi lisches / und darum so viel weniger Rauch und scheltbares. Alle Arten der Thiere hätten unter sich gifftige /und fürnehmlich die Kriechenden. Keinem Vogel alleine klebte einig Gifft an. Daher hielt er die / welche sich von dem Miste des Pöfels erhieben / und über andere durch grosse Thaten empor schwingen / für die reineste Sünde / wormit sich Menschen befleckten. Ihm wäre zwar etlicher Weisen Meinung nicht unbekandt: daß man aus blosser Liebe der Tugend / nicht aus Begierde der Ehren gutes thun solte; und daß die letztere sonst die Tugend in Eitelkeit verwandelte; ja daß die Tugend sodeñ ihr höchstes Ziel erreichte; wenn sie nicht nur alles Ruhms entblöst / sondern gar mit Schmach / Schande und Verachtung verstellet würde. Er wüste wol: daß einige den Pithias beschuldigten / seine Freundschafft gegen den Damon hätte nicht die Liebe / sondern Eitelkeit zum Grunde gehabt. Scipio hätte sich der schönen Gefangenen nicht aus Liebe / sondern aus Staatssucht; Curius der Eitelkeiten aus Eitelkeit enthalten. Alleine heist das nicht Helffenbeinerne Bilder mit Kohlen überfirnsen / und die Sonne mit Gewölcke schöner[1097] machen wollen; und der Tugend ihre Anmuth nehmen / wormit sie so viel weniger Buhler beko e. Sintemahl die Menschen durchgehends so kalt gearthet wären: daß der Zunder der Ehre ihre todten Geister aufwecken müsse. Daher nichts gewissers / als daß der / welcher Ruhm und Ehre verachtet / der Tugend schwerlich hold seyn könne. Massen denn den Menschen die Ehre fast allein von andern Thieren absonderte / und zu GOtt näherte. Ja sie wäre ein viel edler Kleinod als das Leben. Denn diß möchte man wol für jene / niemahls aber jene für dieses einbüssen. Zumahl die Ehre das von der Natur in so enge Schrancken der Zeit eingesperrte Leben sodenn / wenn es rühmlich eingebüßt wäre / verewigte; und das Verlangen beym Leben hochgesehen / nach dem Tode bey der Nachwelt berühmt seyn / einen sichern Beweiß abgäbe: daß die Seele unsterblich sey. Denn wenn sie mit dem Leibe zu seyn aufhörte / was hätte sie für Genüß vom Nachruhme? diesemnach liesse sich keine Ubermaße leichter entschuldigen / als wenn das Verlangen nach einem so herrlichen Dinge über die Schnure rennte. Der Leib wüchse nur fünff und zwantzig Jahr / das Hertz aber funffzig / und das Gemüthe wie der Krocodil so lange man lebte; zu einer nicht unklaren Andeutung: daß die Ergetzligkeiten des Leibes ein zeitliches; tapffere Entschlüssungen ein langsames / das Verlangen über andere zu herrschen gar kein Maß noch Ziel haben solle. Der zerbrechliche Mensch würde wilden Thieren in vielem nachgeben / besonders den Raben; derer Jugend allein hundert Jahr austrüge / und den Adlern / welche biß über die Wolcken flügen / wenn er nicht durch Helden-Thaten sich bey den Nachkommen verewigen / und mit der Herrschafft über die heben könte / welche in der Verachtung bey den Lebenden / und in der Vergessenheit der noch ungebohrnen vergraben liegen. Britton hätte zwar wie ein kleiner Stern für der aufgehenden Sonne des Fürsten Marbods erbleichen müssen; aber dieses Gesetze wäre nicht nur in dem Reiche der Staats-Klugheit /sondern auch der Natur Herkommens; worinnen eines Dinges Geburt des andern Vernichtigung nach sich züge. Das geringe Gewürme des Pöfels krieche nur in dem Staube / die ohnmächtigen Schnecken trügen sich nur mit ihren engen Hütten; Grosse Gemüther aber zügen mit den Habichten und den Löwen auf den Raub aus. Und wie es dem Volcke wol anstünde das Seinige verwahren; also Fürsten um fremde Güter kämpffen. Mühte sich doch die Fettigkeit der stinckenden Moräste in empor steigende Dünste / und diese sich in Lufft-Sternen zu verwandeln. Und ob sie zwar endlich wieder verloderten, wäre doch ihre Asche nicht unedler / als der Uhrsprung. So viel weniger wäre dem von edlem Geschlechte entsprungenen Marbod zu verargen: daß er nach der Eigenschafft der besten Sterblichen ihm die höchste Pforte der Ehren /seinen Nachkommen der Würde / andern Edlen der Nachfolge geöffnet hätte. Weil so viel Riesen-Väter Zwerge; grosse Könige unedle Knechte zeugten / und ihr Geschlechte in Abfall brächten; müsten andere hingegen in Aufnehmen kommen. Wie einerley Ding unterschiedene Farben zu haben schiene / nach dem man es gerade oder seitenwerts ansehe; also wäre nichts seltzames: daß ein Mensch von einem erhoben / vom andern gescholten würde. Die alten Helden deuchteten uns Wunderwerke / die gegenwärtigen nichts zu seyn. Wie verkleinerlich man itzt vom Marbod redete; so groß würde die Nachwelt von ihm sprechen. Dahero wenn schon ihn der Neid oder das Unglücke unter seiner Last erdrückte / könte doch seine Einäscherung ihn zu nichts geringerm / als er gewest wäre / machen; die Welt würde sodenn auf ihn / wie auf die verfinsterte Sonne / mehr Augen wenden / als da er in vollem Lichte gestanden. Denen itzt sein Schweiß stinckte / würde seine[1098] Leiche köstlicher / als Ambra rüchen; Und wenn seine Asche schon nicht in güldene Todten-Töpffe solte verwahret werden; würde sie die Nachwelt doch in ihre unversehrliche Hertzen aufheben.

Der Einsiedler hörte den Ritter Lichtenstein wol aus; fieng hierauf an: Es ist wahr: daß man deßhalben lebe / wormit man nimmermehr sterbe. Ich gebe nach: daß die nach dem Tode nicht leben können; die / ehe sie gestorben / wie Todte gelebt haben. Aber wie es ein grosser Unterscheid ist zwischen einem unsterblichen Nachruhme / und einer ewigen Schande; also wird Marbod durch seine Ehrsucht zwar in diese verfallen / jene aber mit keinem Finger erreichen. Ein tugendhafft Leben balsamt allhier unsern Athem / nach dem Tode die Asche ein; wormit jener uns täglich erquicke; diese aber unverweßlich sey / so gar auch den Verläumdern nicht stincken möge; wie die / welche sich lebend im Blute gebadet / mit Winde gespeiset /im Kothe der Laster geweltzet / und weil sie die Pest der Lebenden gewesen / nichts als ein Aaß unter den Todten seyn können. Marbod / Marbod / lasse dir diesen Zufall eine Warnigung seyn / und überrede dich selbst nicht: daß deine Macht so vielen Feinden gewachsen sey; und daß menschlicher Witz die Streiche des Verhängnüßes versetzen könne. Sey nur versichert: daß kein Orion so groß und mächtig sey / welchen nicht ein kleiner Scorpion entseelen könne. Wärestu in deiner Mittelmäßigkeit blieben / würdestu so wenig / als Anteus / so lange er mit seinen Füssen die Erde erreichte / überwunden worden seyn. So aber hat die Eitelkeit der Erhöhung beyden einen tödtlichen Streich versetzt. Trachtestu dich zu verewigen; so wisse: daß alle nach der Erde rüchende Thaten mit ins Grab verscharrt; die aber alleine verewiget werden; welche der Tugend verwand / und dem Brunnen der Ewigkeit angenehm sind. Ubermäßige Ruhmsucht ist eine grössere Schwachheit / als jenes Menschen / der sich über der Kürtze seines Schattens betrübte / über der Länge aber erfreute. Darzu weistu nicht: daß dieser Schatten die Verfolgenden fleucht / denen fliehenden aber nachfolgt. Bilde dir nicht ein: daß die Ehre allezeit der Tugend Schatten sey. Es giebt offt Schattenwerck ohne Leib / und Ruhmsprüche ohne Verdienste; welche keinem Dinge ähnlicher sind / als denen auf leere Gräber geetzten Grabe-Schrifften. Das Glücke setzet mehrmals die Unwürdigsten auf die höchste Staffel der Ehren und Gewalt / wie die verschmitzten Baumeister die unvollkommensten Bilder in die obersten Gadem / und ausser dem genauern Urtheil naher Augen. Warlich / es ist dein grosser Schade: daß die Welt so viel von dir weiß. Denn hierdurch hastu dein eigen Erkäntnüß vergessen. Wärestu nicht so mächtig worden / so hätte dich niemahls eine solche Ohnmacht deines Gemüthes entkräfftet; und du wärest der lobwürdigste Herr in der Welt blieben /wenn du über dich die Gewalt behalten hättest niemanden unrecht zu thun. Als dieser Ehrwürdige Alte solches mit unverwendeten Augen gegen den König Marbod ausredete; kam dieser in die Gedancken: es müsse eine in ihm steckende Göttliche Würckung ihm / wer er wäre / offenbaret haben; fiel diesemnach dem Einsiedler mit thränenden Augen um den Hals; und nach dem er ihn eine gute Weile geküsset: sagte er: Es ist wahr / Vater / ich bin Marbod / der durch die Kriegs-Flamme so viel Länder angesteckt hat / dem so viel Völcker tausenderley Freuden-Feuer angezündet / kein Mensch aber noch ein solch Licht aufgesteckt hat; als ich durch deine Güte in dieser tunckeln Höle in meinem Gemüthe aufgehen sehe. O erbärmlicher Zustand der Fürsten! welche zwar durch ihre Botmäßigkeit über ihre Unterthanen herrschen; ihre Diener aber durch Heucheley über sich müssen wüten lassen! Derer blinde Eigen-Liebe das tödtliche Gifft unverdienter Lobsprüche[1099] für Treue und Zuneigung annimmt; da es den Fürsten doch nur in seinen Lastern einschläfet / und auf Vergrösserung der Heuchler angezielet ist. Diese öffnen die Ohren ihres Fürsten gegen die Sirenen-Lieder der reitzenden Wollüste / verstopffen sie aber gegen dem Schalle der heilsamen Warheit. Sie find die Spinnen / welche mit ihrem Kothe die Tugend besudeln / mit ihrem Gewebe den Abgrund des Verterbens überspinnen / mit ihrem Giffte die Seele des Königs und den Wolstand der Völcker tödten. Wie viel heilsamer ist es den Fürsten gehast / als geliebkoset zu seyn. Denn der Haß ist ein aufrichtiger Spiegel / welcher uns unsere Flecken deutlich für Augen stellt / und sie abzuwischen uns erinnert. Die Heucheley aber verdeckt sie nicht nur /sondern überfirnset sie auch mit dem Kleister grosser Helden-Tugenden; für welche ich Verleiteter auch vielmahl die grausamsten Tugenden angesehen habe. Aber / weiser Vater / würdige den nun auch einer heilsamen Artzney / dessen Gemüths-Wunden du ihm auffs Lebendige gerühret / und dessen Seuchen du ihm entdeckt hast. Dem Einsiedler gefiel dieses Erkäntnüß so wol: daß er Mitleiden mit Marbods Verbrechen hatte / und ihm antwortete: Er wäre bereit auf dem rechten Wege sein Hülffs-Mittel zu finden. Aber Marbod versetzte: Er würde selbtes dennoch verfehlen / wenn er ihn nicht mit der Hand darzu leitete. Denn wie die Natur in den Augen einen nicht geringen Fehler begangen hätte: daß sie alles andere / sich alleine selbst nicht sehen könten; also wisse der stets irrende Mensch ihm auch selten selbst zu rechte zu helffen; und wie er über andere Fehler Luchs-Augen hätte /also wäre er in seinen eigenen blinder / als ein Maulwurff. Daß er derogestalt die Heßligkeit seiner viehischen Verstellung / der Zornige nicht seine verdrehte Augen / der Wollüstige nicht seine thörichte Gebehrdung; weniger aber sein Heil erkennen kan. Der Einsiedler fieng an: Ich spüre diese Blindheit mehr denn zu viel an dir. Denn du hast das Kraut zu deiner Genesung in Händen / und siehest es gleichwol nicht. Wolte GOtt! antwortete Marbod; es wäre nicht allein so nahe bey mir / sondern auch nicht unsichtbar. Sich selbst kennen / fieng der treuhertzige Einsiedel an; ist die Artzney wieder alle Gemüths-Schwachheiten; und so allgemein: daß sie Königen und Kohlbrennern anschlägt / die Wurtzel aller Vergnügung / und der Pfeiler unser Glückseligkeit ist: Denn / was hilfft es alle andere Dinge kennen; wenn man ihm selbst unbekandt ist? wiewol auch der schwerlich was anders kennen kan; der sich selbst nie betrachtet / oder seiner vergessen hat. Alle andere Thiere kennen sich; und ihr eingebohrner Trieb leitet sie zu allem / was ihre Erhaltung erfordert. Der schädliche Scorpion fleucht das Scorpionen-Kraut / die Schlange den Schatten der Eschbäume / als ihr tödtliches Gifft. Die verwundete Gemse kennet ihr Wund-Kraut; und der Hirsch weiß ein Mittel: daß ihm die Natter nicht schade; welche er mit seinem Athem aus den Steinritzen gezogen hat. Der elende Mensch allein kennet weder sich / noch sein Gutes; sondern erquicket sich am Giffte / rennet in sein eigen Verterben / verwundet sich mit seinem eigenen Messer; weil er den Funcken der Göttligkeit /nehmlich die Vernunfft nicht zu Rathe nimmt / und das edle Kleinod des freyen Willens so schändlich mißbraucht; und sich dardurch derogestalt verstellet: daß Socrates / welchen doch die Göttliche Wahrsagung für den weisesten Menschen erklärt hatte / an ihm selbst nicht ohne Ursache zweiffelt: ob er ein rechter Mensch oder ander Thier sey; und daß der so weise Lehrmeister des Achilles Chiron sich nur für einen Halb-Menschen gelten läst; sein niedriges Theil aber zum Pferde macht; ja die Weisen gar artlich die viehischen Neigungen des Menschen dardurch fürgebildet haben: daß Prometheus bey Bildung[1100] des ersten Menschen die Leber vom Wolffe / das Hertze vom Tiger / die Nieren vom Schweine / die Nase vom Nasen-Horn-Thiere / die Zunge von der Schlange / die Zähne vom Hunde / die Augen vom Basilisken / das Gesichte vom Affen / die Hände vom Geyer / den Magen vom Strauße geborget habe. Bey welcher Bewandnüß Pythagoras wol Ursache gehabt hat seinen Nachfolgern alle Abend die Prüfung ihrer Gestalt /und die Untersuchung des verübten Bösen / oder des unterlassenen Guten so nachdrücklich einzuhalten. Sintemahl seine Fehler erkennen schon eine halbe Vollkommenheit ist. Denn wie nur die / welche erwacht sind / ihre Träume erzehlen können; also vermag auch niemand seine Gebrechen wahrnehmen / als der ihnen gram wird / und sich schon der Tugend befleißigt. Deßhalben band Plato in seinen Gesetzen nach anbefohlner Verehrung Gottes / die Ehrerbietung gegen seine eigene Seele so sehr ein / und daß ein ieder sie für seine Zeugin alles seines Thuns; ja gegen seinen eigenen Leib verschämt seyn solte. Denn hierdurch stellet man sich für den Richter-Stul des Gewissens / welches niemahls ohne Erleuchtung seines Verstandes / und ohne Besserung seines Willens abgehet. Diese Prüfung unsers Lebens ist die Mäß-Rute / welche uns benachrichtiget / wie viel Schritte wir uns der Tugend genähert haben / und wie ferne wir noch von dem Angel-Sterne der Glückseligkeit entfernet sind; welche in der Ruhe des Gemüthes bestehet. Sintemahl einen Lasterhafften seine Begierden nie ruhen / seine Sorgen nie schlafen lassen. Der Verdruß überfället ihn in der Einsamkeit / in Gemeinschafften ist er mit niemanden weniger zu frieden / als mit ihm selbst; er erzittert für einem rauschenden Blate / und seine ihm einkommende Boßheiten machen ihm alle Wolcken von Blitze trächtig; ja wenn alle andere ihn für unschuldig erkennen / verdammet ihn sein eigen Hertze. Denn sein Gewissen weiß mehr / als kein Zeuge / und hat mehr gesehen / als seine ihn Tag und Nacht bewachende Trabanten. Hingegẽ ist der / welcher sich kennen lernt / nicht nur selbst / sondern auch alle andere mit ihm zu frieden. Denn weil er sieht: daß er nicht besser / als andere sey / thut er andern auch nichts anders / als ihm selbst. Er bemüht sich deßhalben zweymahl so viel gutes zu stifften; weil er unstraffbar könte böses thun; ja weil wilde Thiere aus Furcht das verbotene unterlassen / schätzte er sich unwürdig ein Mensch zu seyn / wenn er sich dessen aus einem andern Triebe enthielte / als weil er vernünfftig ist. Dergestalt ist ein sich selbst kennender Mensch ihm allezeit gleich; wie unterschieden gleich seine Verrichtungen sind. Daher ihm Alcibiades niemahls unähnlich wird / ob gleich seine Klugheit ihn zu Athen ansehnlich / zu Thebe arbeitsam / zu Sparta sparsam / in Persen einen Jäger seyn heißt. Und Cato verändert in dem veränderten Rom niemahls sein Antlitz / weniger sein Gemüthe; wenn schon andere nicht nur / wie die Feldhüner in Paphlagonien / zwey Hertzen haben /sondern einem ieden ihnen beliebenden Dinge eines zueignen. Da ihr Erkäntnüß ihnen doch sagen würde: daß ihr einiges nur dem einigen Gotte zu wiedmen sey. Weßwegen die weisen Griechen diese Artzney der Selbst-Erkäntnüß billich mit Gold über die Pfosten des Delphischen Tempels geschrieben / ich aber zu meiner steten Erinnerung in diesen Felß über den Eingang der Höle gegraben habe / wormit es so wol ich / als ieder Kluger ihm in sein Hertz prege. Sintemahl diß der Delphische Apollo für den Kern menschlicher Klugheit erkennet hat. Lieber Marbod /weil du dich nun selbst nicht kennest; magstu dich wol unterstehen / denen Göttlichen Gliedern den Augen; welche nicht ohne Wunderwercke alle Dinge der Seele abbilden / oder sie gleichsam erschaffen /hierdurch aber selbst der Natur der Handlangerin Göttlicher Allmacht Mängel auszustellen?[1101] Allerdinges sind wol die eusserlichen Sinnen und Glieder die Abbildungen der Seele / und Ausleger ihrer Eigenschafften: daß aber die Augen sich selbst nicht sehen /ist eine kluge Behutsamkeit der Natur / welche dardurch den Menschen anweisen wollen: daß er durch stetes Ansehen seiner selbst sich ihm nicht selbst zum Abgotte mache; und wegen so geschäfftiger Eigen-Liebe nichts fremdem seine Augen gönne. Ich mag von allen Gliedern des Menschen dir nicht die Richtschnuren deiner Selbst-Erkäntnüß zeugen; sondern weil du ein Haupt so vieler Völcker bist / und diese Larve wol nicht ehe / als mit Verwechselung des Sterbekittels abzulegen denckest; dich allein an die Betrachtung deines Hauptes weisen; welches allerdinges ein Auszug der Welt / ein Ebenbild der himmlischen Stern-Kreiße / ein Schloß der Seelen / und das Zeug-Hauß ihrer Bewegungen ist; zur Anleitung: daß im Fürsten das gantze Volck gleichsam begrieffen; seine Verrichtungen der himmlischen Reinligkeit zugethan; ein Herrscher der Schutz seiner Unterthanen / und die Stärcke seines Reiches seyn solle. Ein Fürst ist so wol / als das Haupt über alle Glieder empor gesetzt / seines Ansehens und Amptes wegen; welches letztere ihm die sorgfältige Aufsicht über die Niedrigen; das erstere aber: daß er ihm niemanden zu Kopffe wachsen lasse / keinen Diener so groß / als er selbst ist /mache / einbindet. Weßwegen ein Reich mit zweyen Fürsten für eine so grosse Mißgeburt zu halten / als ein Leib mit zweyen Köpffen. Sintemal die einzele Zahl zum Herrschen / die Vielheit aber nur zum gehorsamen geschickt ist; ja die Bewegung des Himmels selbst aus einem Uhrsprunge fleust. Im Haupte haben alle fünff Sinnen ihre Wohnstatt; der übrige Leib / dessen Adern doch noch niemand gezehlet /dessen Gebeine mit den Tagen des Jahres einerley Zahl halten / ist allein mit dem irrdischen Fühlen begabet. Nach dessen Beyspiele ein Fürst so vielmahl seines gantzen Volckes Gaben übertreffen soll. Fürnemlich aber hat der Verstand allein im Haupte den Sitz; weil ein Fürst mit seiner Klugheit den Gebrechen eines gantzen Landes / und den Irrthümern vieler Völcker abzuhelffen gewachsen seyn soll. Das Gedächtnüß ruhet im Hintertheile des Hauptes / wie der Verstand in dem vördersten; weil dieser auf das gegenwärtige und künfftige Auffsicht haben / jenes aber auf das vergangene zurück sehen / und aus dem Menschen gleichsam einen zweyfachen Janus machen muß. Ein Fürst muß nichts minder seiner Vorfahren Thun und Zufälle; und du Marbod insonderheit Brittons Fehler im Gesichte behalten / und aus selbten die zukünfftigen urtheilen. Denn das Leben der Menschen ist ein blosses Schauspiel; in welchem zwar die Personen verändert werden; das Spiel aber einerley ist /und von vornen wieder seinen alten Anfang nimmt. Das Haupt kan nicht ohne Augen; ein Fürst nicht ohne Räthe seyn; weil es nicht rathsam ist: daß er die schwere Kugel der Herrschafft allein auf seine Hörner nehme. Denn ihm allein alles zutrauen ist mehr eine Vermessenheit / als klug gethan. Deßhalben verdienten die obern Staats-Diener bey den Persen schon den Nahmen der Augen; nach dem kluger Rath nichts anders / als ein auf künfftige Begebenheiten gerichtetes Auge ist. Das Hertz und die Augen sind an einander so genau verknüpffet: daß diese sich seiner Freude und Leid alsofort theilhafftig machen. Ein Fürst muß nichts minder seiner Diener empfindlichen Zuneigung versichert seyn; und keine andere erkiesen; als welche wie die Augen keinen Sonnenstaub des Eigen-Nutzes in sich vertragen; welche durch die geringste Betastung nicht ihres Fürsten Heimligkeiten erforschen lassen; und ob sie zwar gleichsam durch einen Tamm unterschieden sind / dennoch mit einander übereinsti en / einerley Augenwerck nehmlich die Ehre ihres Fürsten und den Wolstand[1102] des Volckes für sich haben. Ja der Fürst selbst muß so wenig / als die Augen in seiner Wachsamkeit müde werden / die hefftigen Gemüths-Regungen ihm keinen Nebel / die Arglist keinen blauen Dunst für die Augen machen lassen / noch einerley Ding mit dem einen Auge schwartz /mit dem andern weiß anschauen; wo eben die Augen nicht hernach diß beweinen sollen / was sie vorher verkehrt an- oder gar übersehen haben. Weil aber die Warheit vorwerts einem begegnet / der Betrug aber uns auf der Seite beykommen wil / hat die Natur am Haupte das Gesichte vor die Ohren seitwerts zu Wächtern bestellt. Ein Fürst muß nichts minder auf beyden Seiten wachsam seyn; und wie die Ohren /welche nicht wie die Augen mit Augenliedern / noch wie die ungezähmte Zunge mit zweyerley Zäunen verschlossen werden können / sondern Tag und Nacht offen stehen / iederman und allezeit hören. Denn der ist nicht werth / daß er König ist / dem das Hören verdrüßlich fällt. Wenn der gantze Leib schläfft / halten die Ohren Schildwache / um selbten für der sich nähernden Gefahr zu warnigen. Ein Fürst aber soll deßhalben wachen: daß die Unterthanen sicher ruhen können. Alle Thiere heben und sencken ihre Ohren /des Menschen alleine sind unbeweglich und stets in einem Stande. Ein Fürst soll iederzeit solche Aufacht haben: daß selbter niemahls was beyzusetzen sey /noch er bey andräuender Gefahr die Ohren spitzen dörffe / und seine Feinde ihm niemahls unvermuthet auf den Hals kommen / wenn sie gleich geschwinder /als der Blitz loß schlagen. Wiewol die Ohren nicht wie die Augen die Sachen suchen / sondern von den Sachen gesucht werden / stehen sie doch / wie der Mund mit zwey Mauern verschlossen ist / mit zweyfachen Pforten offen / um die Dinge desto besser in sich zu fassen / weil diß / was man siehet / bestehet; was man aber höret / alsbald verschwindet. Ein Fürst muß keine Ohrenbläser halten / noch nach Vergällung der Unschuld trachten; aber für nichts / was auch nur das leichte Geschrey seinem Reiche gefährliches andeutet / die Ohren verstopffen; ja in allem zum minsten zweymal so viel hören als reden. Weil aber unser Gehöre niemand anderm in die Augen und empfindlich fällt; muß ein Fürst sich mehrmahls anstellen; als wenn er nicht hörte / und wegen geringer Beleidigung sein Reich nicht in Krieg verwickeln / noch allenthalben mit der Stirne / daran die Natur ihm nicht ohne Ursache / wie etlichen grimmigen Thieren kein Horn wachsen lassen / durchfahren. Insonderheit aber muß er nach Art der den Zauberer hörenden Schlange /gegen die Heuchler bey Vernehmung unzeitigen Lobes das eine Ohr mit Erde in Erwegung seiner irrdischen Unvollkommenheit / bey wollüstigen Anreitzungen aber das andere mit dem Schwantze durch Behertzigung des heßlichen Endes zustopffen; und wissen: daß die Wollust zwar ein Englisches Antlitz /aber einen Drachen-Schwantz habe; und ihr Anfang ein Himmel / ihr Ausgang eine Hölle sey. Die Natur hat dem Menschen zwey Ohren / und zwar in Gestalt eines Irrgartens oder Schnecken-Hauses mit gekrümmten Eingängen gemacht; wormit diß / was er höret / an unterschiedenen Orten anschlage / und derogestalt wie das Ertzt aus dem Klange / also die Erzehlungen aus dem Schalle erkennet werden; insonderheit aber ein Fürst / als das lebendige Gesetze / gegründete Anklagen von Verleumdungen / redliche Gemüths-Ausschüttung von betrüglichen Schein-Worten unterscheiden / und wenn die Falschheit das eine Ohr besessen / er das andere der meist zuletzt kommenden / und das Nachsehen habenden Warheit / als eine unversehrliche Jungfrau / vorbehalten möge. Diesemnach denn ein Fürst auch eine dinnschälichtere Nase /als ein scharffrüchender Geyer haben / und nicht nur alles in seinem Reiche / sondern biß in die Staats-Cammern seiner Nachbarn rüchen;[1103] keines Weges aber nach Art des Geyers sich mit den Aessern der stinckenden Laster erquicken / noch wie einige ungezähmte schwangere Weiber für Zibeth Eckel / nach Bibergeil Begierde haben / oder nach blutigen Fleischbissen / sondern mit dem Fenix nach dem köstlichen Balsam der Tugend / welche alles Nabateische Rauchwerck übertrifft / als der süssesten Seelen-Speise lüstern seyn / und durchgehends Muschziegen von stinckenden Böcken; Amber-Bienen von Hirnsen / Syrische Balsam-Aepffel von Sodoms Aepffel-Bäumen / Jasmin von Napel / Rosen von Sammet-Blumen und Aloe von Teuffels-Koth / nemlich den tugendhafften Adel von dem albern Pöfel / tapffere Helden /welche mit dem Geruche ihrer ruhmwürdigen Thaten die Welt erfüllen / von ungeartheten Zärtlingen / derer Leiber nach Bisam rüchen / die Gemüther aber nach Unschlit stincken / treue Diener von Verräthern / Ehre von Schande / und Redligkeit von Boßheit unterscheiden muß. Denn dieses Urthel ist mit einem klugen Fürsten wie der Athem mit dem Leben / der Geruch mit dem Athem unzertrennlich vereinbaret; Ein leichtgläubiger aber / und der ihm Mäuse-Koth für Pfeffer verkauffen läst / liegt schon in der Ohnmacht seines Unterganges / und sein Reich stehet auf der Bahre des Verterbens. Ja sein gantzes Leben muß durch eitel Unschuld die Lufft einbalsamen; wormit sein Gewissen mit iedem Athemholen nicht allein diese anmuthige Erquickung an sich ziehe / und sein Ruhm sich über seine Reichsgräntzen ausbreite; sondern durch diese heilsame Krafft in seinem Reiche aller Gestanck des Unrechts und böser Sitten gedämpffet werde. Sintemahl doch / ihm selbst wol bewust seyn / die Speise des Gewissens / ein guter Nahme der beste Geruch der Gemüther ist / und ein Fürst durch Gesetze und Straffen nicht so sehr / als durch sein gutes Beyspiel seine Unterthanen vom Unflate der Untugenden saubern kan. Denn wie der allerweiseste Schöpffer des Menschen einerley Glied mit dem Geruche / und der Eigenschafft nicht nur das Haupt / sondern so gar die Glieder des andern Leibes von unnützen Feuchtigkeiten zu reinigen versehen; also hat er die Häupter der Erden angewiesen: daß sie nicht nur sich selbst / sondern auch ihr Volck / als ihre Glieder / des Rauches aller hefftigen Begierden / des Windes schnöder Eitelkeit / aller Feuchtigkeiten schläffriger Trägheit entschütten sollen. Ja wormit ein Fürst das denen leiblichen Augen unsichtbare Bild seiner Seele seinen Unterthanen zum Spiegel ihres Lebens fürstellen könne /hat die kluge Mutter dieses allen / durch den Mund eine Pforte geöffnet: daß das Gehöre darein schaue; einen Werckzeug ihm beygelegt / welcher die Seele aus ihrem verborgenen Behältnüß herfür bringe / und ihre weisen Vernunfft-Schlüsse offenbare. Denn der Mund ist ein Pinsel des Gemüthes / und eine Schreibefeder der Gedancken; Alle andere Thiere haben den Mund nur zum essen / der Mensch zum reden / ein König aber nur zur Weißheit. Ungeachtet die Speise gantz irrdisch / die Sprache gantz geistig ist / sind doch Essen und Reden in einem Gliede des Hauptes vereinbart; nicht weil Zunge und Mund allein um den Leib beschäfftigt seyn / sondern ihre meiste Bemühung im Dienste der Seele zubringen sollen / ein Mensch auch nichts zu reden hat / als was er gleichsam vorher gekäuet / wormit die Rede nicht zu Hilfen leerer Worte / sondern zum Kern heilsamer Lehren werde. Und nach dem die Zunge nichts minder das schädlichste als nützlichste Glied des Hauptes ist; hat wegen des letztern die Natur ihm eine gelencke Bewegligkeit verliehen / wegen des erstern aber sie so enge eingesperret. Diesemnach soll ieder Mensch allezeit nicht anders / als in einem letzten Willen / ein Fürst aber nur wie aus einem wahrsagenden Dreyfusse reden. Denn dieser ist eine zu alles Volckes Nachricht und Richtschnur empor gehobene[1104] Glocke; ie seltner selbte läutet / ie mehr erwecket sie Aufmerckung; wenn sie aber übel klingt / verräthet sie entweder die Geringschätzigkeit des Ertztes; oder daß sie zerbrochen sey. Weßwegen Kayser August mehr schrifft- als mündlich seine Meynungen entdecket. Schmincke und Verhüllung sind Kennzeichen eines ungestalten Antlitzes / übrige oder geschmierte Worte eines heßlichen Gemüthes; dessen Antlitz die Rede ist. Kürtze ist der Redner Meister-Stücke / eines Fürsten Eigenthum. GOtt redet gar nicht / ein kluger Fürst wenig / ein Thor zu viel; welcher doch keine geschicktere Larve der Weißheit hat / als das Schweigen. Auch aus ungefährlichen Worten eines Fürsten erzwingen die Zuhörer Geheimnüsse. Der Donner ist die Sprache Gottes; und sein Bild auf Erden. Ein Fürst soll nichts / als Zentner-Worte fürbringen; welche kein Verleumder verdrehen; kein Spötter übel auslegen / kein Boßhaffter verdrücken kan. Alles /was er in Geschäfften redet / sollen Befehle / in Rechts-Sachen Bescheide / in Verheissungen Verbindligkeiten / in Gesprächen Nachdenckligkeiten /im Schertze Räthsel / und alle Bejahungen so heilig /als würckliche Eyde seyn: Das kleine Glied der Zunge ist das Steuer-Ruder / wormit Fürsten das grosse Schiff der Reiche mit geringer Müh lencken und umwenden. Auf diesem beruhet die Ehre und Verkleinerung des Fürsten; das Heyl und Verterben / ja das Leben und der Tod der Unterthanen. Weßwegen der Mund des Menschen nicht mit vorragenden Wolffs- oder Elefanten-Zähnen ausgerüstet ist; wormit Dräu- und Ausübung der Rache entfernet sey. Ein Fürst aber soll gar nicht dräuen; sondern / wenn er auch beleidiget wird / ein Lachen darein geben; biß die Gelegenheit ihm nichts minder zu sicherer und gerechter Rache die Hand biete. Inzwischen aber / weil nicht nur das Haupt allenthalben an sich eine Fühle; sondern auch an Empfindligkeit des Leibes Theil hat; soll er geschwinder / als die Spinne so wol diß / was das Gewebe seines Reiches beunruhigen / als den Aug-Apffel seiner Hoheit verletzen will / ihm zu Gemüthe ziehen. Denn der ist kein Vater des Volckes / der seine Wunden nicht in seiner Seele empfindet; der aber kein großmüthiger Löwe / der von Hasen ihm läst die Haare ausrauffen. Dieses / Marbod / ist das wenigste / was ein Fürst zu seiner Selbst-Erkäntnüß nur aus Betrachtung der eusserlichen Sinnen zu lernen hat. Denn ein Mensch ist ihm selbst ein so grosses Buch / das er sein Lebtage nicht auslesen kan; Die innerlichen Kräfften der Seele aber so hoch; daß kein Weltweiser ihre völlige Wissenschafft erreicht hat. Uber diß glaube: daß mehr zu einem vollkommenen Menschen / als zu dem grösten Welt-Beherrscher gehöre. Dieses allein habe ich dich noch zu erinnern: daß ob zwar ein Fürst das Haupt des Volckes / er dennoch kaum ein Fußschemmel Gottes sey; und daß Könige sich zwar an die Richtschnur der Vernunfft halten / die Zeit ihnen nütze machen / die Gelegenheit mit beyden Händen erwischen / iedoch allezeit für dem Lichte der Göttlichen Versehung mit einer Ehrerbietigen Furcht die Augen zudrücken müssen. Denn diese ist in der Reichs-Uhr das Gewichte / unsere Vernunfft nur der Weiser; und wenn wir gleich alle Segel unserer Klugheit ausspannen / alle an denen Rudern unser Mühsamkeit schwitzen; kommen wir doch nirgendshin anders / als wo uns der Compaß der ewigen Versehung hinleitet; indem sie uns entweder sonder Zwang unsers freyen Willen ihr Absehen erkiesen läst; oder auch durch Sturm auf ihrem unerforschlichen Wege dahin verwirfft / wohin wir auch Traums-weise nie gedacht hatten. Gleichwol aber kan der nicht scheitern / noch eines Hafens fehlen; der auf diesem Meer der Welt GOtt zu seinem Angel-Sterne /sein Gewissen zur Magnet-Nadel hat.

Marbod hörte gleichsam als verzückt diesen[1105] nichts minder klugen / als heiligen Alten aus; und nach einem tieffen Seuffzer fieng er an: Warlich / Vater /diese Perlen sind in der Muschel dieser Höle nicht gewachsen! Denn wie mag die Einsamkeit eine Schule des Hofes / und ein Einsiedel ein Staats-Verständiger seyn? Dannenher wie wir zwar für diesen heilsamen Unterricht dir ungeltbaren Danck schuldig sind / werden selbte doch in unsern Hertzen so viel mehr Nachdruck haben; wenn die Wissenschafft ihres herrlichen Uhrsprungs ihren Werth noch vergrössern und Marbod erfahren wird / wer heute sein so grosser Lehrer gewesen sey. Der Alte blieb eine gute Weile voller Nachdencken stehen / endlich aber redete er den Marbod also an: Wenn das Reichthum meiner Einsamkeit so sichtbar / als der Menschen Begierde fremdes Gut zu besitzen gemein / oder auch meiner Vergnügung Abbruch zu thun iemanden möglich wäre; würde ich billich Bedencken tragen euch zu entdecken: daß ihr für euch einen König sehet / der für Jahren zwar über viel Völcker / nunmehr aber über sich selbst eine viel herrlichere Herrschafft führt; der nunmehr allererst ihm selbst lebt / nach dem er in aller Gedancken gestorben ist. Aber weil mein Glücke höher gestellet ist; als daß es der Neid mit seinem gifftigen Atheme solte können anhauchen / oder die Ehrsucht mit ihren Pfeilen erzielen; so wisse Marbod: daß du reden hörest den weyland unglücklichen / nunmehr aber seligen Ariovist. König Marbod fiel alsofort mit tieffster Ehrerbietung zu Bodem / umarmte Ariovisten mit diesen langsam heraus gestoffenen Worten: Darff ich mir wol das Glücke träumen lassen heute den grossen Ariovist zu sehen; und lässet sich mit Gedancken begreiffen: daß ein grosser Fürst für den Glantz so vieler Kronen das Finsternüß dieser Höle / für die fußfällige Bedienung hundert Völcker diese langsame Einsamkeit erkieset habe? Ariovist hob ihn auf / und hieß ihn von der seinem itzigen Zustande gar nicht anständigen Verehrung abstehen / an der Warheit seiner Erzehlung aber nicht zweiffeln; und an seinem entblösten Arme das angebohrne Kennzeichen der Alemannischen Fürsten / nemlich einen gesichelten Mohnden /wahrnehmen / wie Selevcus auf der Schulter einen Ancker / Kayser August den gestirnten Bär auf der Brust / seine Mutter Atia einen Drachen über dem Nabel gehabt haben solte. Das Abstürtzen von König-Stülen / sagte er / ist zwar gemeiner / als das freywillige herunter steigen; jenes aber rühret meist von Lastern / dieses von Tugend und Klugheit her. Jenes zeucht den Untergang / dieses eine Erhöhung der Seele und der Gemüths-Vergnügung nach sich. Es ist ja wol an Fürstlichen Höfen ein unbekandtes Wunderwerck / nicht herrschen wollen / wenn man kan; aber in der Schule des Weisen ein noch seltzamer die zur Herrschafft bestimmte Vernunfft denen wütenden Begierden unterwerffen; und sich selbst zum Knechte machen; wormit uns andere gehorsamen. Mein Vater Arbogast hatte mir eine ziemliche Anzahl Völcker zu Unterthanen hinterlassen: denn der Ehrgeitz hat nun auch der Menschen Dienstbarkeit erblich gemacht; aber das Glücke warff noch viel mehr Länder unter meine Botmäßigkeit; wormit es durch den Raub seines zugeworffenen Reichthums mit der Zeit einen desto grössern Raub gewinnen möchte. Cäsar hieb mir in das Rad meiner Siege den ersten Span ein; und ich lernte dazumahl allererst: daß das Glücke so wenig Bürgen über seine Beständigkeit / als Tapfferkeit in der Welt nicht ihres gleichen habe. Mit meinen Gemahlinnen und Töchtern verlohr ich mehr / als die Helffte meiner selbst. Denn ich wuste nicht: daß alles irrdische nur geborgtes Gut / die Ruhe des Gemüthes aber allein unser schätzbares Eigenthum wäre. Die Eintracht kehrte hierauf Deutschlande / alles Glücke aber schier mir den Rücken; zum Merckmahle: daß selbtes ein Weib wäre /[1106] welches nur mit jungen Leuten zuhielte / und die welche in der Jugend ihre Schoos-Kinder gewest / mit der Zeit müsten zu ihren Wechselbälgen werden. Das Verhängnüß flochte mich in den Bürgerlichen Krieg mit ein; um mein Gemüthe nicht allein mit allerhand Zufällen zu beunruhigen / sondern auch mehr meine Seele / als die Hände mit Blute des Vaterlandes zu besudeln. Mein Verlangen selbtes wieder mit Friede zu segnen / erschöpffte fast meinen Lebens-Athem; sonderlich / weil ich wol sahe: daß die Siegs-Fahne nicht allezeit auf der Seite der gerechten Sache wehete. Der frühzeitige Tod aber meines einigen Sohnes scharrete mich nahe mit ihm in den Sarch. Zum wenigsten war mit ihm alle Vergnügung erloschen; und wie etlichen Krancken auch so gar der Zucker bitter schmeckt; also däuchtete mich alle Ergetzligkeit Wermuth zu seyn. Es eckelte mir nichts minder für meinem eigenen Thun / als für derselben Anstalt / die es mit mir am besten meinten. Ich verwandelte meine Reichs-Sorgen in eine verdrüßliche Einsamkeit; also: daß die Ehrsüchtigen Diener durch Anmassung der Herrschafft mir zum Theil an das Hefft des Königs-Stabs grieffen; die treuesten meine Verfallung beseuffzeten; keiner aber mir meine Fehler fürhielt. Denn ob zwar der Fürsten Gebrechen nichts minder / als die Verfinsterung der grossen Gestirne sichtbarer sind / als der kleinern; so wird selbte doch nicht der verfinsterte / sondern nur fremde gewahr. Sintemahl nur anderer Augen der Werckzeug sind unsere Splitter zu fühlen / und das Schau-Glaß uns selbst kennen zu lernen. Aber dieses bekommen zwar gemeine Leute / selten aber Fürsten zum Gebrauch. Denn entweder die Heucheley / oder die Furcht wollen Königen nichts ins Ohr sagen / was sie nicht im Hertzen kützelt. Meine eigene Tochter Vocione erinnerte mich noch zuweilen an ein und anderm; also: daß ich bey solcher Beschaffenheit / da meine Schwachheit auch gegen einem Weibe und Kinde zu verstecken war / mich entschloß / ihr die Herrschafft abzutreten. Ich schlug mich mit diesen Gedancken etliche Zeit; Biß endlich auf meinem Schlosse Solicin am Necker um Mitternacht bey hellem Monden-Scheine ein vermeintes Gespenste für mein Bette trat / mich mit dem Arme zohe; und weil ich ohne diß allerdings munter war / auf meine Befragung: wer es wäre; antwortete: Ich bin dein guter Geist; und habe Mitleiden an deinem Unvergnügen. Du wirst aber in kurtzer Zeit nicht nur deine Ruhe /sondern deine wahre Glückseligkeit finden. Ich / fuhr Ariovist fort / sahe diesem Geiste mit unverwendetem Auge ins Gesichte; und hätte geschworen: Ich hätte mich selbst für mir stehen sehen; Gab ihm also / weil er sich und nach und nach entfernet / zur Antwort: Ich würde die Zeit mit unerschrockenem Hertzen abwarten. Denn ich machte meine Rechnung und Auslegung auf nichts anders / als den Tod / welcher auch die in Ruhe versetzt / die im Leben keine gehabt: und niemanden mehr beglückseliget / als die Unglücklichen. Auf den Morgen beredete mich meine Tochter Vocione einer von ihr angestellten Jagt beyzuwohnen. Denn sie unterließ keine Erfindung: daß ich mich meiner Schwermüthigkeit entschlagen möchte. Bey Verfolgung eines Hirschens kam ich zu einem Brunnen / bey welchem ein Stein-alter Greiß auf einem Felsen saß; mich aber bey meinem ersten Anblicke mit dem Nahmen nennte / und auffs freundlichste grüste. Wie ich nun / sagte Ariovist / nach seiner Beschaffenheit fragte; antwortete mir dieser Alte: Ich wundere mich nicht: daß ich dir itzt so unbekandt bin; nach dem die wenigsten Menschen sich selbst kennen. Ich bin aber einer von denen Samothischen Weisen / welche von deinem Uhran-Herr Thuiscon den Uhrsprung haben; und zwar derselbe / welchen dein Vater der tapffere Arbogast zu einem Lehrer deiner Kindheit erkieset hatte; und der kein[1107] grösser Glücke erleben könte; als wenn er dich nunmehr auch könte sterben lehren. Ich konte mich nicht enthalten / fuhr Ariovist ferner fort /diesen guten Alten auffs empfindlichste zu umarmen; als welcher ein weiser Leiter meiner Jugend gewest war / und nicht nur die Griechische Sprache / sondern alles diß / was ich iemals tugendhafftes begrieffen /ihm zu dancken hatte. Er hatte nicht nur unter den Celten den Grund seiner Weißheit gelegt; sondern auch bey denen Zamolxischen Priestern unter den Geten / und in Egypten selbte durch viel heilsame Lehren befestigt. Wiewol diese Samothische Weisen nun von allem Geitz und Ehrsucht entfernet sind /auch sich nur mit Haar bedecken / und von Baumfrüchten leben / haben sie doch die Alemannischen Könige iederzeit an ihren Hoff zu Aufferziehung ihrer Fürsten gezogen; wolwissende: daß gantze Völcker zwar von einem Fürsten können beherrscht; ein junger Fürst kaum von einem gantzen Volcke wol / von niemanden aber besser / als einem Weisen aufferzogen werden; welcher von rechtswegen nicht allein mehr wissen / sondern auch mehr gutes thun soll / als alle Gehorchenden. Ich kan mit Warheit sagen: daß ich diesem Lehrer mehr als Alexander seinem verbunden /iedoch in diesem mit ihm beschämt bin: daß keiner seiner Ehrsucht ein rechtes Maaß zu setzen gelernet hatte. Diesemnach ich denn unter meinen bethränten Umhalsungen diesen Weisen ersuchte mir seine vertröstete Unterrichtung zu der Zeit / da ich für meinen Irrthümern mehr / als in der unvorsichtigen Kindheit und in der verwegenen Jugend Sorge trüge / nicht zu entziehen; welcher denn nach einem tieffen Seuffzer mit vielen Thränen anfieng: Die Kunst recht zu leben ist zwar die gröste der Menschen / wol zu herrschen der Fürsten; selig zu sterben hat an sich etwas Göttliches; denn an dieser hänget unsere Ewigkeit. Weßwegen unser Leben von der blinden Kindheit den Anfang / und mit dem weisen Alter den Abschied nimmt; wormit man allhier keinen Tritt fehle / ja das Alter erwachet gleichsam alle Tage mit einer neuen Schwachheit; wormit selbtes so viel vorsichtiger dem besorglichen Falle zuvor komme. Zwar ist nicht ohne: daß die Herrschens-Kunst in einem klugen Kopfe / nicht in jungen Riesen den Sitz habe. Mehrmahls haben gantze Heere für zitternden Händen gezittert; und nachdem Zeit und Erfahrung das Hertze von unziemenden Begierden / das Haupt von Unwissenheit erlediget /der Verstand auch ins gemein zuni t / wenn die eusserlichen Sinnen ins Abnehmen kommen / siehet ein bejahrter Fürst offt mit einem Blicke weiter; als die scharffsichtigsten Jünglinge mit ihren eingebildeten Adlers-Augen. Ihre Ratschläge richten mehr aus als der hitzigen Jugend geschliffene Spiesse. Gleichwol aber ist ins gemein das Alter bey Fürsten eben so wol eine Kranckheit / als beym Pöfel. Der Stab / für welchem gantze Länder gebebt haben / verwandelt sich in eine Stütze ohnmächtiger Armen. So viel man in der Jugend schwitzet / so viel muß man im Alter husten; jenes aber gebieret Zuneigung des Volckes / dieses Abscheu; also: daß auch die Jugend mit ihren gefährlichen Annehmligkeiten wie eine Sirene die Gemüther an sich zeucht / das Alter aber mit seinen heilsamen Warnungen als ein Gespenste die verwegenen schichtern; und nach dem der bejahrten Eigenschafft ist alles zu verneinen / wie der Kinder iedes zu verjahen / die Begierigen unwillig macht. Die Kindheit des Menschen gleichet sich einem Qvelle / welcher zwischen dem unbefleckten Sande fast unempfindlich herfür rieselt / und bey seiner Einfalt auch seine Reinigkeit behält; Die Jugend wird schon eine rauschende Bach /welche über Stock und Stein abstürtzet / von Gemüths-Regungen schäumet / und mit dem Kothe der Wollust sich trübet; die männlichen Jahre gleichen einem vollkommenen Flusse / der zwar tieff / aber sittsam fortströmet / das Erdreich wässert /[1108] Schiffe träget / Städte befestigt / und hunderterley Nutzen schafft; Das traurige Alter aber ist ein gesaltzenes Meer / ein Abgrund der Gebrechen; wo alle Süßigkeit der Gebehrden sich in bittere Verdrüßligkeit / die nutzbare Hurtigkeit sich in keichende Schwachheiten verwandelt / das Schiff unsers Lebens leck wird / und allgemach in die Tieffe des Grabes zu sincken anfängt. Diesemnach wundere dich nicht / mein lieber Ariovist: daß du bey dem Alter ablegst / und das Volck dir itzt ein ander Gesichte macht / als für dreyßig Jahren. Kinder / die viel Mütter haben / nehmlich der unartige Pöfel / weiß auch unzeitigen Kindern die grauen Haare heraus zu treiben. Er wieget alle Entschlüssungen nach dem Ausschlage des Glückes ab; dieses aber ist eine Stieff-Mutter der verlebten / eine Buhlerin der Lebhafften. Gesetzt aber / Ariovist: daß ein Fürst bey seinem Alter alle Kräfften in- / alles Glücke neben sich erhielte. Wie man für den niedlichsten Speisen einen Eckel bekommt / also werden Unterthanen ihrer besten Fürsten überdrüßig. Je höher ein Berg / ie mehr bedeckt ihn Schnee; ie vollkommener ein Fürst / ie mehr klebet ihm Verleumdung an. Denn das Maul stincket dem lüsternen Volcke i er nach Neuigkeit; und die stärcksten Beine sind zu schwach in die Länge gute Tage zu vertragen. Man betet die mehrmahls Regen und Koth nach sich ziehende Morgenröthe an / und verschmähet die zu Golde gehende Sonne / ob selbte gleich Purpur und Perlen von sich schüttet / und einen erfreulichen Morgen ankündiget. Ja wenn Fürsten auch schon Vermögen und Ansehen behalten; haben sie doch endlich zu behertzigen: daß sie zwar ein grosses Theil ihres Lebens dem Vaterlande schuldig / aber alles ihnen selbst zu entziehen nicht berechtigt sind. Bey gemeinen Menschen soll die Liebe bey sich selbst anfangen /bey Fürsten aber sich endigen. Ich weiß wol: daß ihrer viel mit weniger Bestürtzung den Sterbe-Kittel an- als den Purpur ausziehen; aber sie verstehen nicht: daß in Königlicher Hoheit die wahre Vergnügung keines Weges stecke; weil die Unschuld darinnen nicht weniger seltsam ist / als neue Sternen im Himmel. Kronen bezeichnen nur prangende Knechte / und hoffärtige Elenden. Ja alle von der Einbildung nur begreifliche Wollust ist Wind und am Ende Schmertz; ihre erste Trachten sind zwar aus eingeambertem Zucker-Teige bereitet / aber inwendig stecket Gifft / und das letzte Gerichte schmecket nach Fäulnüß; wenn selbte was liebliches an sich kleben / ihre Ergetzligkeit aber nicht zum Grund-Steine die Ewigkeit hat. Denn tausend Jahre unsers Lebens / weñ sie vergangen / sind weniger als ein Schatten; und tausendmahl tausend Jahre lassen sich doch nur mit einer Ziffer und vielen Nullen schreiben / auch im Augenblick zertheilen; in welchen wir meist so viel Seuffzer eingezogen / als Athem geschöpfft haben. Und die von der Natur in unsere Lunge gesetzte Hauß-Uhr erinnert uns durch ihre alle Augenblicke schlagende Unruh: daß die Stunde unsers Abschieds sich nähere / und /ehe wir es uns einbilden / schlagen werde. Hiermit zerrinnet alles irrdische durch den Tod in nichts / welcher schon in unser Geburt mit uns anfängt zu ringen. Alsdenn lässet sich die Todten-Asche eines Weltbezwingers / der wie ein Blitz hundert Länder eingeäschert hat / von desselbten / der in dem engen Kreiße eines Fasses seine Begierden endigte / und völlige Vergnügung schöpffte / nicht unterscheiden. Die Fürsten und Bettler-Knochen sind nichts minder als ein Ey dem andern ähnlich. Der Ruhm von unserm Tode /uñ die Pracht unsers Begräbnüßes giebt der Sache auch nichts. Dieses blendet etlicher Augen jenes klinget eine Weile in Ohren / beydes aber verschwindet /ehe man es gedacht hätte; und der Tode selbst hat den geringsten Genüß darvon. Die Marmelnen Gräber /welche Könige ihnen setzen / machen nicht so wol ihre Thaten / als ihre Eitelkeit[1109] berühmt; und ob sie zwar die Nachwelt bißweilen zu ihren Abgöttern macht; so bleiben sie doch ins gemein länger ein Denckmahl köstlicher Steine / als derer / welche sie haben bereiten lassen. Nach dem aber die Beschaffenheit der Seele uns klar genung zeiget: daß nicht alles in uns vergänglich sey / uns gleichsam mit den Fingern auf ein Wesen weiset / welches ewig bleibet; wohin zu gelangen die Ablegung dessen / was an uns sterblich ist / eine Pforte abgiebt; so befiehlet uns die Vernunfft / wo nicht alle / doch wenigstens die letzte Zeit dahin anzuwenden: daß wir anders / als Vieh sterben; zumahl ohne Versicherung eines seligen Todes kein Leben vergnüget seyn kan; und weil der Mensch mehr nicht / als einmahl stirbt / also sich der hierbey begangene Fehler nicht mehr verbessern läst; muß hierum die eusserste Sorgfalt fürgekehrt werden; wormit unsere Unachtsamkeit nicht unser eingebildetes Leben mit einem wahrhafften Tode; unsere gegenwärtige Marter aber nicht vollends mit einer Hölle verwechsele. Daher müssen wir unsere Eigen-Liebe in eine Selbst-Erkäntnüß verwandeln / die gläntzenden Schalen aller irrdischen Güter / und mit ihnen die Begierde sie zu erlangen / als auch die Furcht sie zu verlieren / wegwerffen; wormit die sonst unaufhörlich zitternde Magnet-Nadel unsers Gemüthes unverhindert GOtt / den einigen Angel-Stern unserer Seele erkiese / und in der Welt zur Ruhe / nach dem Tode aber zum wahren Leben gelange. Warlich / Ariovist /dieses ist dir keine neue Lehre; ich habe sie dir mit der ersten Milch eingeflöst. Ich habe dir als ein ander Euclides eingehalten: daß ein Kind nur einen Punct /ein Knabe einen ziemlichen Strich / ein Jüngling die völlige Breite guter Künste und Wissenschafften begreiffen / ein Mann die Tieffe der Klugheit / ein Greiß aber den Mittel-Punct und den Zweck des gantzen Lebens-Kreißes / nemlich Gott und den Grundstein seiner Seelen-Ruhe ergründen solle. Aber ich weiß: daß die ewige Bewegligkeit der Staats-Sorgen / und das Getümmel des unruhigen Hofes deinem Leibe nicht einst die nöthige Ruh / noch in deinem dreyßig-jährigen Fürsten-Stande eine Viertelstunde dieser Weißheit nach zu dencken erlaubt haben. Diesemnach ist es Zeit: daß du dich der mehr von Eitelkeit / als dem Lebens-Geiste beregsamen Menschen / und also dieser Hindernüße entschüttest. Es ist Zeit: daß du alle irrdische Anschläge fahren läst; wo du nicht die willkührliche Gewalt des Glückes über dich verlängern /und den grausamsten Zufällen dich selbst zu einem Ziele fürstellen wilst. Verlasse diesemnach das vergängliche / ehe es dich selbst verläst; und kehre dem den Rücken / was dir im Leben noch viel Empfindligkeit verursachen / nach dem Tode nicht wenig von deinem Ruhme benehmen kan. Die Schönheit muß den Spiegel zerbrechen / ehe sie veraltert / ein Fürst den Zepter weglegen / ehe er ihm aus den Händen fällt. Mache dein Ende dir derogestalt nütze: daß es mehr einem Siege / als einer Verfallung ähnlich sey; und das grosse Auge der Welt / die Sonne / dir zu einem Vorbilde / welche ihren Untergang meist mit einer Wolcke verhüllet / um die Welt im Zweiffel zu lassen: ob die Sonne noch über- oder unter unserer Erden-Fläche sey. Es ist freylich wol kein geringes für das Heil der Völcker / und die Ruhe der Länder sorgen; aber ein Augenblick dieser Einsamkeit ist herrlicher und vergnüglicher. Alles ist friedsam in der Seele; alle sonst widerspenstige Gemüths Regungen gehorsamen der Vernunfft auf einen Winck. Müh und Verdrüßligkeit verschwinden; Neid und Ungemach tritt man mit den Füssen; wir unterbrechen das Spiel des Glückes; ja wir fesseln es selbst an / wie starck es sonst ist / und wie krumme Gänge es sonst zu gehen weiß. Die Unruh selbst findet hier ihre Ruh; die Nächte sind aller verdrüßlichen Finsternüß / das Leben der falschen Welt /[1110] und ungelegenen Uberlauffs entübrigt. Wir halten allhier täglich Siegs-Gepränge; man setzet der Tugend alle Augenblicke frische Ehren-Kräntze auff: Der Himmel und unser Gewissen ruffet unserer Unschuld tausend Lobsprüche zu; und wir verwandeln die Hefen des sonst beschwerlichen Alters in das vollkommenste Theil unsers Lebens / welches nunmehr weder Jahr noch Monat / weder Ende noch Anfang zu unterscheiden /für keinem Geräusche zu erschrecken / nach keiner Glocke sich zu richten / und so wenig als die Ewigkeit selbst einer Uhr von nöthen / die Gestirne zu seinem Zeitvertreib / die Welt zu seinem Garten / seine reine Gedancken zu seiner Speise hat. Mit einem Worte; Unsere Lebens-Art stehet reinen Seelen / wie das Wasser den Fischen / die Lufft dem Geflügel an /sie ist ein Muster des Lebens im Himmel; und ein Vorschmack seiner Süßigkeit.

Nach diesen Worten leitete er mich zum Eingange seiner Höle; da er die Lob-Sprüche seiner beliebten Einsamkeit mit folgenden Reymen in eine von dem grünen Moße gesauberte Stein-Klippe mühsam eingegraben hatte:


Der Seele süsse Ruh / der Kern der theuern Zeit /

Des Hertzens stumme Lust / der Unschuld treuster Freund /

Der Warheit Mitgeferth / und Eitelkeiten Feind /

Der List und Wollust nicht mit scheinbarn Körnern streut /

Die auf den Abend nie des Tages Thun bereut /

Die kein schlimm Beyspiel sieht / kein Unrecht nie beweint /

Der wenn es auswerts blitzt / die Sonn inwendig scheint /

Der Friede des Gemüths / diß ist die Einsamkeit.


Glaubt: daß die Unruh ihr der Welt ein Unding heißt;

Daß Ehrsucht nie den Tag / die Furcht keinmahl die Nacht

Zu kurtz; kein Kummer ihr zu lange Stunden macht;

Daß sie kein Zorn erhitzt / kein' Angst ihr Hertz umeyst';

Kein Heuchler sie bläh't auf / kein Dräuen sie zwängt ein;

Daß sie läst Einsame nie bang- und einsam seyn.


Durch diese / und mehr bewegliche Zuredung des Samothischen Weisen / sagte Ariovist / ward ich derogestalt eingenommen; oder / wenn ich zu einer so heilsamen Würckung ein so gefährliches Wort brauchen dörffte / bezaubert: daß meine Königliche Würde und alles irrdische mich anstanck; die gelobte Einsamkeit aber mein Gemüthe mit einem anmuthigern Geruch / als Balsam und Jasmin anhauchete; also: daß ich von Stund an meinem Pferde den freyen Lauf verstattete / meinen Degen / Kleider und Jäger-Geräthe wegwarff / mich mit dieser Haut deckte; und um von den Meinigen nicht ausgespüret zu werden /mit meinem Lehrer mich in eine nahe darbey verdeckte Höle verbarg. In welcher wir folgende Nacht und biß in dritten Tag ein unaufhörliches Gethöne von Jäger-Hörnern vernahmen; weil dem Vermuthen nach ich von den Meinigen gesucht; und nach vergebener Müh / Zweiffels-frey für tod gehalten ward. Nach dem ich mich aber in dieser Nähe nicht allerdings genung verborgen zu seyn achtete / beredete ich meinen Lehrer: daß er mit mir durch die dicksten Harudischen Wälder biß auf den Fichtelberg / und als wir da eine Zeit uns aufgehalten / auf das Hercynische Gebürge; und um selbtes herum biß auf gegenwärtigen Berg sich entfernte. Welchen ich deßwegen für den herrlichsten Ort in der Welt halte; weil ich von dem Samothischen Weisen die vollkommene Ruhe des Gemüthes gelernet / mich darauf über alle irrdische Sorgen erhöhet zu seyn befinde; und bey meiner Glückseligkeit die Thorheiten der Menschen / davon mir zuweilen ein oder ander Wurtzelmann zu erzehlen weiß; verlachen / und itzt mit deiner Eitelkeit / lieber Marbod / Erbarmnüß haben; nichts aber an deiner eingebildeten Hoheit beneiden kan; ja ich traute dir in mei ner Einsamkeit / oder vielmehr in der mir erkieseten Todten-Höle / solche Reichthümer zu zeigen; welche wenige Weltbeherrscher ihr Lebetage zu sehen / weniger zu besitzen bekommen; und da August nichts minder als du mein Grabmahl schwerlich ohne Mißgunst würden betrachten / und wie itzt von mir: daß die Natur / wenn sich die aufblehende Ehrsucht wiedersetzet / leicht zu ihrem ersten Stande und Kleinigkeit komme; also von erwähnter[1111] Höle lernen können: daß die Kunst eine blosse Magd oder Affe der Natur /der Menschen Wunderwercke gegen dieser Gebäuen weniger / als Ameis-Hauffen sind; beyde aber endlich nichts / als dem Feuer eine kostbare Asche; dem Winde einen theuren Staub abgeben.

König Marbod mühte sich mit aller nur ersinnlichen Ehrerbietung dem so berühmten Ariovist an die Hand zu gehen; und ob er zwar unterschiedene Einwürffe thät: daß die Einsamkeit eine böse Rathgeberin / und eine bangsame Geferthin wäre; und daher zu untadelhafter Selbstgelassenheit eine ungemeine Vollko enheit gehörte; die Gemeinschafft zwar ein Verlangen nach sich / die Einsamkeit aber nach andern verursachte; daß ein angebohrner Trieb die Menschen zusammen vereinbarte / und die Freundschafft dem Leben so nöthig / als die Sonne der Welt; der Fürstliche Stand aber nichts minder dem gemeinen Wesen /als das Steuer-Ruder dem Schiffe unentpehrlich; und wegen seiner Sorgen und Gefährligkeit so wenig / als die Rose wegen ihrer Dornen verwerflich; kein ander Stand auch ohne Schwachheiten wäre; sondern iede Fackel ihren Rauch hätte / und ieden Menschen sein Schatten begleitete; so eignete ihm Marbod doch selbst so blöde Augen / und einen so albern Verstand zu: daß er in das Licht einer so hohen Gemüths-Erleuchtung nicht ohne Verblendung sehen / noch sein Urthel über die Meinungen des weisesten Ariovists erstrecken könte. Hingegen lag er ihm mit beweglichsten Bitten so lange an: biß er ihm die erwehnte Höle zu zeigen Vertröstung that. Massen sich denn Ariovist den dritten Tag / als er den König Marbod und seine Geferthen die Zeit über mit Gemsen-Fleisch /Erdbeeren / und Kräutern / mehr aber mit vielen klugen Gesprächen unterhalten hatte / mit ihnen auff den Weg begab; und biß in die sinckende Nacht durch etliche finstere Thäler über viel raue Stein Klippen führte; also: daß diese sich in besten Jahren befindenden Nachfolger ihm mit genauer Noth gleich ko en /und daher sich nicht nur über der Hurtigkeit des Stein-alten Ariovists verwundern; sondern auch seiner gegebenen Ursache beypflichten musten: daß der Ehrgeitz nur nach vielen und seltzamen Speisen lüstern /der Hunger mit wenigem vergnügt, der schlechteste Unterhalt der Gesundheit und den Leibes-Kräften am vorträglichsten wäre. Gantze Heerde Ochsen wären mit einer engen Weyde; eine ziemliche Menge Elefanten mit einem Walde vergnügt; ein üppiger Mensch aber hätte in seinem Zwerg-Leibe einen unersättlichen Straus-Magen; welcher mit seiner Tafel die Lufft erschöpffte / gantze Meere ausfischte / grosse Wildbahnen verödete / den Erdboden arm machte; und / ob schon die Natur um seinem Eckel vorzukommen das Jahr über so viel mahl ihre Zeit / und darmit ihre Früchte veränderte / ihn darmit nicht vergnügte; sondern eines Menschen Leben das Jahr über mit etlichen tausend Leichen unterhalten müste. Dahero so viel weniger wunderns werth wäre: daß solche Schwelger ihnen durch so viel Tode den Weg zu Kranckheiten bähneten / und die Farth zum Grabe beschleunigten.

Sie erreichten aber selbigen Tag den verlangten Ort nicht; sondern übernachteten bey einem Brunnen / aus welchem die berühmte Elbe den Uhrsprung nimmt. Uber welchen sich König Marbod mehr als Alexander bey Erfindung seines Oelbrunnen ergetzte; weil die Elbe einer der Haupt-Ströme seines Gebietes war. Dahero er sich auch bedüncken ließ: daß ihm sein Lebtage kein Wein so gut / als das aus diesem Bruñen mit den Händen geschöpfte Wasser geschmeckt hätte. Nach genossener Ruh auff einem mit hunderterley köstlichen Kräutern bewachsenem Rasen / machten sie sich / als es nur zu tagen anfieng / über eine ziemliche Fläche / von welcher etliche Krystallen klare Bäche[1112] Nordwerts in der Marsinger Gebiete mit grossem Geräusche abstürtzten / auf den höchsten Gipfel des Sudetischen Riesen-Gebürges / von welchem man nicht nur der Bojen / sondern der Marsinger und Burier Landschafften weit und fern übersehen kan / lenckten aber hernach in ein ziemlich tieffes Thal / und kletterten durch allerhand Verdrehungen über viel Felsen biß in die sinckende Nacht. Den dritten Tag schliessen sie wegen ihrer Müdigkeit so lange: biß die Sonne schon mit ihren Strahlen selbiges Thal erfreute. Ariovist führte sie hierauf einen gantz ebenen Weg /da man aber weder von Menschen noch Thieren einigen Fußstapffen fand / zu einer gleichsam gespaltenen Stein-Klippe / machte hierauf ein Feuer / wormit ieder zwey Kyn-Fackeln in die Hand nahm / und dem vorgehenden Ariovist in den Steinritz / welcher eine verborgene Pforte in einen von Graß und Pflantzen gantz kahlen Berg abgab / durch den man sich seitwerts durchdrängen muste / folgten. Sie kamen aber bald in einen breiten aus dem schönsten weissen Marmel gehauenen Gang / in welchem sie anfangs funffzig Schritte gerade ein / hernach dreyhundert Staffeln hinunter giengen. Zu Ende desselbten kamen sie in eine Ey-rundte im Umkreyße siebendehalb hundert Schritte haltende / und mit einer anständigen Höhe versehene Höle. Ihr erster Anblick verbländete durch übermäßigen Schimmer aller Augen. Denn die Wände rings herum waren das vollkommenste Gold-Ertzt / oder vielmehr gediegenes Gold; weil man hin und her nur ein wenig Schlacke / oder vielmehr Beysatz andern Ertztes erkiesen konte. Uber diß hatte die Natur in diesem Gold-Bergwercke auch auf mancherley Arten gespielet; in dem sie allerhand Bäume / Berge / Bäche / gantze Landschafften / allerhand vierfüßichte / insonderheit kriechende Thiere / Geflügel / Fische / Muscheln / und Gewürme so wol / als kaum der künstlichste Bildhauer vermocht / geetzt; ja selbten so gar zuweilen die eigentliche Farbe und den Schatten gegeben hatte. Wie nun Marbod und seine Gefärthen etliche Stunden ihre Augen durch rings herum geschehende Beschauung dieser wunderwürdigen Goldmauern geweidet hatten; fieng Ariovist an: Ob sie wol glaubten: daß sie was köstlichers mit Füssen treten; als woran sich ihre Augen ergetzten; Bückte sich auch hiermit zugleich / und hob eine Hand voll allerhand theils grauer / theils schwärtzlichter Steine / welche sie anfangs für Kieselsteine angesehen / auf; zeigte dem Könige Marbod auch; wie aus selbten hin und wieder die darinnen verborgenen Diamanten herfür strahleten; und versicherte ihn: daß zwar selbte nicht alle / iedoch derer viel denen Morgenländischen an Härte und Glantz gleiche kämen; gantz Indien aber schwerlich so viel edle Steine hätte / als ihrer in diesem einigen Berge vergraben lägen. Gleichwol aber wüste er nicht: ob das reiche Deutschland in ein schmähliches Armuth verfallen könte; als wenn diese Reichthümer desselbten Einwohnern entdeckt würden. Weßwegen er sie alle drey bey ihrer zum Vaterlande tragender Liebe beschwüre: daß sie diesen noch heiligen Schatz / weil selbten keine geitzige Hand versehret und entweihet hätte / keinem Menschen kund machen; und dardurch nicht so wol zu Durchwühlung dieses Gebürges / als zur Peinigung ihrer Seelen / und zum Verlust ihrer freyen Gemüther Ursach geben solten. Sintemahl / wenn der Mangel einmahl diesen gläntzenden Koth in sein Hertze legte / würde dieser zu einem Abgotte / jenes zum Sclaven; und weil das Gold so gezüge wäre: daß ein Knopff einer Kirsche groß sich von der Elbe biß an Rhein ausdehnen liesse / umschlingte es im Augenblicke aller Menschen Hertzen. Da doch die Natur dem Golde darum den Geruch und Geschmack / wormit sie doch das unedlere Kupffer und Eisen begabte / gleichsam zu dem Ende entzogen hätte:[1113] daß die menschlichen Sinnen so viel weniger darzu solten gereitzt werden. Daher die Beschauung dieses Schatzes mehr Andacht und Mäßigkeit von nöthen hätte / als die Araber denen / welche Weyrauch suchen / und die Atlantischen Eyländer denen / welche in den Gold-Bergwercken arbeiten /aufbürden: daß sie sich so gar vorher ihrer Ehweiber enthalten müssen. Marbod betrachtete diese köstlichen Steine gegen dem Lichte mit höchster Verwunderung / Lichtenstein und Tañenberg rafften inzwischen beyde Hände voll / und befanden: daß nicht nur alle Steine Diamanten / sondern auch etliche darunter gantz rein und ausser ihrer Schale waren. Gleichwol aber hatte Ariovistens Zuredung einen solchen Nachdruck: daß sie auch nicht einen dieser Edelsteine zum Gedächtnüße bey sich behalten wolten; biß Ariovist die grösten ihnen einnöthigte / und ihnen einhielt: daß der gute Zweck nichts minder Reichthum / als Gift zu Nutzen machte / der Mißbrauch aber das herrlichste Gold in schädlichen Hütten-Rauch verwandelte. Marbod fieng an: Er sehe wol: daß der gütige Ariovist freygebiger wäre / als die Indischen / Scythischen und Egyptischen Könige; unter denen die ersten ihnen alle über hundert Gran wiegende Diamanten / die andern alle grosse Türckiße / die letzten alle grosse Topaße vorbehielten. Hierauf steckte Ariovist seine zwey Fackeln auf eine bey der Hand liegende sehr hohe Stange / und ermahnte seine Nachfolger nun auch das Gewölbe dieser Höle zu beobachten; welches sie wegen der Tunckelheit für eitel Regenbogen ansahen. Ariovist aber unterrichtete sie: daß es eitel von der Kunsthand der Natur zusammen gesetzte Schmaragden / Topasser / Beryllen und Granaten wären; ja in der Welt wenig Edelgesteine gefunden würden / davon dieses Sudetische Gebürge nicht einen grossen Uberfluß hätte. Aber alles diß / sagte Ariovist / worvon der Geitz so viel Wesens macht / würde ich nicht der Müh werth geschätzt haben / euch einen so beschwerlichen Weg anher zu leiten; wenn ich dir / Marbod /nicht etwas bessers zu zeigen hätte; welches dir theils die wunderwürdigen Geheimnüße der Göttlichen Versehung für Augen stellen / theils deinem Thun vielleicht ein nützliches Beyspiel abgeben könte. Hiermit nahm er den Marbod bey der Hand / leitete selbten hinter einen güldenen Pfeiler in einen ziemlich breiten Gang / durch welchen sie wol eine Stunde zu gehen hatten; dessen Wände anfangs ebenfalls eitel Gold-Ertzt war / hernach sich aber selbtes in Silber / so Marbod und seine Geferthen für Schnee ansahen /verwandelte. Nach und nach kam ihren Ohren ein Geräusche entgegen / welches sich hernach in ein mächtiges Brausen des Wassers verwandelte; also: daß für selbtem mit genauer Noth ein auch ins Ohr redender den andern verstehen konte. Endlich erblickten sie eine zweymahl grössere Höle; worein aber Marbod und die Seinigen zu treten Bedencken trugen; weil sie in selbter grosse Ströme aufwerts schüssen sahen. Ariovist aber versicherte sie: daß ihnen kein Finger oder Fadem naß werden solte: leitete sie also darein /führte sie an die Seiten-Wände dieser Höle; um durch derselben Antastung sie zu versichern: daß zwischen ihnen und diesem brausenden Gewässer eine wiewol gantz durchsichtige / iedoch Marmel-feste Mauer stünde. Marbod vergaß für Verwunderung alle diese Seltzamkeiten / und fragte: Ob denn diese glatten und helleuchtenden Wände eitel Berg-Cristallen wären? Ich kan es für nichts anders erkennen antwortete Ariovist; weil in diesem Gebürge hin und wieder auch auswerts Stücke von Berg Cristallen gefunden werden; und ander zerbrechliches Glaß gegen dem gewaltsamen Triebe dieser Flüsse nicht bestehen würde. Lichtensteins Vorwitz trieb ihn also fort zu fragen: Ob denn unter denen Gebürgen auch Flüsse wären? Ariovist lächelte mit beygesetzter Antwort: Es wäre daran nicht zu[1114] zweiffeln / weil der gantzen Welt unverborgen wäre / wie weit in Hispanien der Fluß Anas / in Africa der Neiger und Nil unter dem Erdbodem hinflüsse. Die Donau selbst werde zum Theil von der Erde verschlungen. In Sicilien bey der Stadt Metaurus habe er eine Höle gesehen / durch welche ein ziemlicher Fluß ströme; und nach dem er weit unter der Erden seinen Lauff gehabt / allererst hervor komme. Bey dem Emporischen Seebusem in Mauritanien solle eine Höle seyn / in welcher man so gar des Meeres Epp und Flut wahrnehme. Und in Sarmatien flüssen nicht ferne von der Weichsel in tieffen Saltz-Klüfften starcke Bäche / woraus man köstliches Saltz kochte. Alleine diß Wasser / welches ihr durch diese durchsichtigen Steine hin und wieder brausen höret / und schäumen sehet; sind keine solche unterirrdische Flüsse; sintemahl dieses wieder die gemeine Art des Oberirrdischen Wassers gerade empor steiget / welches sonst mit seiner Schwerde nichts minder / als der schwerste Stein gerade gegen dem Mittel-Puncte der Erden zudrückt. Marbod / Lichtenstein und Tannenberg / als sie aus genauer Beobachtung dieser wahrhafften Emporsteigung des Wassers diß wahr zu seyn befanden / ersuchten den weisen Ariovist ihnen dieses Geheimnüß auszulegen; welcher denn vermeldete: daß diß Wasser eben die Brunnen der Elbe / des Bobers / und etlicher anderer theils zu den Bojen / theils zu den Marsingern abschüssender Bäche; diese Krystallen aber die wunderwürdigen Röhre und Behältnisse dieser aufqvellenden Ströme wären / und verhinderten: daß diese zwey Hölen nicht von dem Wasser angefüllet würden. Denn ob zwar einige Berg-Brunnen von dem einsinckenden Regen und Schnee-Wasser herrinneten; wären diß doch keine ewige / sondern bey grosser Dürre vertrocknende Brunnen. Die ewigen Brunnen und Flüsse hätten zwar ins gemein auch einen Zuwachs von Regen und Schnee; wiewol in der Narinensischen und etlichen andern Landschafften die Brunnen beym Regen grossen theils versiegen / die Erde bey nassem Wetter zu Staube / bey dürrem zu Kothe wird. Der Brunnen ihr eigentlicher Uhrsprung rühre aber aus dem Mittel der Erd-Kugel her / zu welchem sich das Wasser aus denen Meeren / seiner eigentlichen Schwerde nach / durch seinen sandichten Bodem eindringe. Der begierige Tannenberg fiel alsbald ein und fragte: durch was für eine Wasser-Kunst oder Regung aber das einmahl schwere Wasser zu der eussersten Spitze des Erdbodens und zwar meist zu den Gipffeln der höchsten Gebürge empor gezogen würde; und ob alle Qvellen in solche steinerne Röhren eingeschlossen wären? Ariovist ließ ihm diese Sorgfalt gar wol belieben / und antwortete: Es hätten zwar einige der Druyden ihn anfänglich beredet: daß die Auffsteigung des Qvell-Wassers von dem die Erde überhöhenden Meere herrührte; und in eitel solchen Röhren das Wasser zur obersten Fläche der Erden nicht anders / als wie von Bergen oder Thürmen in die Wasser-Künste getrieben würde; indem es in solchen festen Verfassungen nothwendig so hoch steigen müste / als es anderwerts abfiele; alleine sein erster und letzter Lehrer der Sothische Weise hätte ihm gewiesen; wie diese Meinung allzuweit hergesucht / die angegebenen Wasser-Röhre auch blosse Träume wären. Sintemahl die oberste Fläche des Meeres nirgends so hoch / als die Gipffel der Alpen / des Caucasus / der Pyreneischen Gebürge; solche Brunnen auch mitten in dem grösten Welt-Meere (wordurch entweder derogleichen Wasser-Röhre unmöglich gehen /oder doch wieder Sturm und Wellen nicht bestehen könten; oder solche Röhren unter der Tieffe des Meeres viel tausend Meilen weit geführet seyn müsten) auf den Bergen der kleinsten Eylande gefunden; ja auf den höchsten Gebürgen in den Brunnen eine Verwandnüß in Epp und Flut mit dem nahe darbey und um[1115] viel hundert Schritte niedriger gelegenen Meere verspüret würde. Hingegen wäre aus dem Leibe des Menschens / welcher als eine kleine Welt alle Wunderwercke der grossen in sich begrieffe / die Art der Auffsteigung des Quell-Wassers unschwer zu ergründen. Denn wie im Menschen das in Adern verschlossene Geblüte wegen seiner lebhafften Geistigkeit empor stiege; ausser denen Adern aber / wenn es in die Lufft käme / und seine Geister verrauchten / oder auch in todten Cörpern wie andere schwere Sachen zu Bodem fiele / oder abwerts sincke; also würde auch das in der holen Mitte der Erden aus dem Meere zusammen sinckende und von seiner Bitterkeit gereinigte Wasser nicht zwar durch Feuer / welches wegen mangelnder Lufft daselbst nicht / wie in denen der Erden-Fläche nähernden Hölen tauern könte / in dem allzutieffen Ertz-Schachte schon so gar kein Lichtleiden / sondern durch seine selbsteigene Schwefel- und lebhaffte Krafft begeistet: daß selbtes nach Art des auch von der Sonnen in die Lufft gezogenen Wassers wie dinne Dünste der kalten Fläche der Erden durch alle nur zu durchkrichen mögliche Wege sich nähere /und daselbst gleich als in dem Kopffe eines Brenn-Topffes wieder zu Wasser werde; weßwegen etliche tieffsinnige Weltweisen die Brunnen gar füglich mit den Frauen-Brüsten verglichen haben; weil wie in diesen aus denen zugezogenen dinnen Feuchtigkeiten die Milch / also in jenen aus denen auffsteigenden Dünsten das Wasser gezeuget würde; also denn durch die Lufftlöcher der Erde / (welche das Meer nicht hat /und also solche Aufdampffung nicht zuläst) ausbräche / seine Schwerde wieder beko e / und anfangs Brunnen / hernach Flüsse verursache; also: daß das Meer innerhalb der Erde der Uhrsprung der Brunnen / die Brunnen aber oberhalb der Erde der Uhrsprung der Meere wären; und wie im Menschen das Blut / also in der Erde das Wasser niemahls ruhe / sondern durch unauffhörliche Bewegung einen Kreiß mache. Diesemnach es denn in der Mitte der Erden und aus der Höhe der Meere keiner verschlossenen Wassergeleite darff; wie zwar derer hin und wieder / und also auch allhier gegenwärtig nicht wenig gefunden werden; auch allerdings der Warheit gar ähnlich ist: daß durch solche Wasser-Röhre das Caspische und Schwartze; das rothe und Cyprische Meer an einander gehenckt sind. Diesemnach aber das Meer-Wasser in der Mitte der Erden von einer besondern natürlichen Säuerkeit /so man füglich den Eßig der Welt nennen kan / geschwängert wird; welche zwar das gemeine Quell- Wasser in dem Thone / dardurch es sich dringen und läutern muß / ableget; viel Wasser aber geräumert Gänge findet; ja auch noch darzu durch allerhand schweflichte / saltzichte und anderer Arthen Erde empor dampffet / und von derselben Eigenschafft nichts minder etwas / als die hier empor schüssenden Brunnen ein Theil des Goldes und anderen Ertztes /wie auch der Edelsteine mit sich in die Bäche führen; so ereignet sich: daß es in der Welt / fürnehmlich aber in unserm Deutschlande so viel Sauer- und Saltz- ja auch Feuer- und andere Wunder-Brunnen giebet; ja mitten in den grössesten Strömen / wie in dem Alemannischen Gebiete aus dem Rheine / und in dem Bojischen aus der Töpelbach siedend-heisse Quellen empor springen; in dem Taunischen Gebürge bey denen Mattiazern ein Brunn nach Weine schmeckt; ja in den Wässern eine Krafft sich in Saltz und Steine zu verwandeln stecke. Welches letztere mich am meisten bewogen / mein lieber Marbod / dich hieher zu bringen. Hiermit führte ihn Ariovist zu einem fast in der Mitte der Höle stehenden Bilde / welches einen Berg-Kristallenen Riesen vollkommen abbildete; ausser: daß beyde Schenckel nicht von einander zertheilet stunden / sondern dieser Riese unten gleichsam eine rundte Seule war. Marmod und seine Gefärthen[1116] sahen selbten Anfangs mit Entsetz-hernach mit grosser Verwunderung an. Ariovist aber reckte seine beyde Fackeln empor gegen dem Haupte / und erinnerte sie dieses Riesen-Bild / von welchem dieses Riesen-Gebürge den Nahmen führte / nicht überhin / sondern mehr seinen Kern / als die Schale zu betrachten. Worauf der Ritter Lichtenstein zum ersten gewahr ward: daß in diesem durchsichtigen Steine ein natürlicher Mensch steckte; weßwegen er alsofort / ob ihn seine Augen betrügen / Ariovisten fragte. Nein / antwortete dieser. Denn ihr sehet hier für Augen die unverwesete Leiche des grossen Fürsten Tuisco; und auswendig seinen Kristallenen Sarch. Aller Augen erstarreten für begieriger Betrachtung dieses Wunder-Grabes; und aller Zungen erstummten für Verwunderung; biß Marbod über eine lange Weile in diese Worte ausbrach: O glückseliger Tuiscon / dessen Tugend zwar unter allen Sterblichen verdienet köstlicher / als kein ander Mensch begraben zu seyn! dessen Geist aber auch schwerlich der Nachwelt ein so herrliches Begräbnüs verdancken kan; gegen welchem der Egyptischen Könige / des Mausolus und des Porsenna Marmel-Gräber Staub; Cleopatrens Perlen-Grufft Tockenwerck /der Macrobischen und derer ums Meere wohnender Mohren gläserne / und die güldenen Särche / darein Ptolomeus den grossen Alexander legte / für Asche und schlechte Scherben zu halten sind; also dieser grosse Fürst seines Begräbnüsses halber meinem Bedüncken nach mit niemanden / als mit derselben Natter zu eifern hat; welche über der Weichsel an dem Gothonischen Meer-Strande sich in den noch weichen Agstein verwickelte; und nach dem dieser sich versteinerte / darinnen begraben / von dem Fürsten selbigen Landes dem Feldherrn Segimern / von diesem aber der Kayserin Livia verehret ward. Warlich / wo iemahls ein Grabmahl in der Welt einer vieljährigen Tauerung werth gewest ist / verdienet diß eine Ewigkeit; und es ist zu wünschen: daß wie ohne diß der Donner denen Grabmalen keinen Schaden thut / dieses von keinem Erdbeben versehret werden möge. Aber durch was für Zauberey ist die Leiche in diesen durchsichtigen Stein gebracht / und durch was für kräfftigen Balsam über zwey tausend Jahr für Fäulnüs und Verwesung verwahret worden? Ariovist versetzte: Sie solten nur acht haben: so würden sie aus dem Gewölbe dieser Höle unaufhörlich Wasser abtröpffen /keines aber nirgends flüssen / sondern sich in kurtzer Zeit in so durchsichtigen Stein verwandeln sehen. Daher es nicht nur der Augenschein gebe / sondern ihn auch der Sothische Priester / welcher ihm diese Höle / als der Sothischen Weisen grosses Heiligthum / zum ersten gezeigt / glaubhafft berichtet hätte: daß man des grossen Tuiscons Sohn / welcher vom Tanais an / biß zum Rheine geherrscht / und diese Höle durch Anleitung eines Wahrsagers gefunden hätte /aber in dem Marsingischen Gebiete gestorben wäre /seines Vaters Leiche in einem versteinernden Brunnen dieses Gebürges gelegt / hernach / als selbte entweder das todte Fleisch wie vorhin Holtz und Pflantzen zu Steine gemacht / oder zum minsten mit einer steinernen Schale überzogen / in diese Höle versetzt hätte; wormit von dem stets abtrieffenden Wasser / welches die Krafft im Augenblicke zu versteinern hat / sein Bild von Jahre zu Jahre sich vergrösserte. Da es denn nach so langer Zeit zu einem solchen ungeheuren Riesen / diß Gebürge aber von den Sothischen Weisen /die sonst diese Hölen überaus geheim gehalten / das Riesen-Gebürge genennet worden ist. König Marbod hatte Ariovisten beyde Ohren / diesem Bilde aber beyde Augen gewiedmet /und wuste sein und seiner beyden Ritter Mund nicht genungsame Lob-Sprüche dieser Säule zuzueignen; gegen der sie alle Wunderwercke der Welt für Schattenwerck hielten; Tannenberg[1117] aber besonders die vorhin mit Erstaunen besichtigte Grabe Spitzen in Egypten nicht genung zu verachten wuste. Ariovist fieng hierauff an: Es ist nicht ohne: daß die Herrligkeit dieses Begräbnüßes allen andern in der Welt die Wage hält; zumahl ich euch versichern kan: daß dieser Kristallene Riese gediegenes Gold zu seinem Fuße hat. Wie er denn ihnen selbtes mit Wegstossung der obigen gleichsam gläsernen Schale / welche von dem abspritzenden Versteinerungs-Wasser über den Bodem gemacht war / augen scheinlich zeigte / und sodeñ ferner fort fuhr: Aber ich halte die Kostbarkeit und die Tauerhafftigkeit dieses Grabes an sich selbst für kein so grosses Wesen. Jene ist ein vergrabener Schatz / welcher wenig Menschen in das Auge kommt; und wenn ihr mich nicht zum Ausleger gehabt hättet; würdet ihr so wenig errathen haben: daß der grosse Thuisco darinnen begraben ist; als die Egyptier zu sagen wissen: wer in ihren Grabe-Spitzen beerdigt sey. Die andere ist ebenfalls der Vergängligkeit unterworffen / als die Leichen selbst /welche / wenn sie nicht Feuer oder Fäulnüß verzehret / doch Würmer und Ratten fressen. Sintemahl die Eitelkeit nicht nur über / sondern auch unter der Erden ihre Herrschafft hat / und durch Erdbeben gantze Gebürge und Flüsse verschlucket; durch Schweffel-Brände Ertzt und Felsen einäschert; durch Gewässer die geräumsten Hölen ersäuffet. Massen denn auch falsch ist: daß der Blitz kein Grab versehre. Sintemahl des Gesetzgebers Lycurgus / und des Tichters Euripides davon zermalmet worden; und ist die hieraus auf selbiger Todten Vergötterung gezogene Auslegung nur für eine abgöttische Heucheley zu halten. Es ist aber die Vergängligkeit in unterirrdischen Klüfften so viel weniger zu verwundern; weil die Eitelkeit für längst über das Rad der Sonnen sich geschwungen / und unterschiedene Sternen wo nicht vertilget / doch in dem Gesichte der Menschen ausgelescht hat. Ja mein Sothischer Weltweiser hat mir nicht nur unterschiedene Merckmahle abnehmender Sternen gewiesen / sondern mich auch versichert: daß mit der Zeit vier Sternen in dem Zeichen des Schiffes zwischen dem Hintertheile und denen Rudern / einer in dem rechten Ohre des Hundes / in dem Schnabel des Rabens / der sechste im Krebse / einer ins Ganimedes Knie / der letzte im Schwantze der Schlange /und der helleuchtende im Medusen-Haupte mit der Zeit gar oder grossen theils verschwinden; Hingegen einer im Mast-Baume / der eilffte im Löwen / der neblichte im Schwantze des Scorpion sich vergrössern /ja auf der Stirne des Hundes / in der Caßiopea / und im Wallfische gar neue Sternen gebohren werden würden. Wenn aber auch schon dieses oder einige andere Gräber mit der Erd-Kugel selbst um die Tauerhafftigkeit streiten könte; so scheinet es doch eine ewige Thorheit zu seyn / nach Ruhm unter den Todten streben; und aus dem Grabe eine Sonne machen; wenn zumahl einer im Leben kaum ein Stern der sechsten Gattung / oder einer derselben gewest ist / die in der Milch-Strasse sich gar nicht erkiesen lassen. Sintemahl wie die prächtigen Grab-Maale / welche Evagoras und Miltiades ihren auf den Olympischen Schau-Spielen obsiegenden Pferden / Lacydes seiner Ganß / die Römer einem Raben / andere Hunden aufgerichtet / diese Thiere in keine bessere verwandeln; also werden todte Wercke in kalten Steinen nicht lebhaft / und düncken mich die / welche nicht durch ruhmwürdiges Beginnen die Tage ihres Lebens / sondern durch Gepränge der Ehren-Maale die Nacht ihres Todes zu erleuchten vermeinen / nicht besser / als die gläntzenden Feuer-Würmer zu seyn / welche im Finstern dem Golde / in dem Tage verächtlichem Kothe gleichen. Alles was nicht die Tugend zum Grunde /und die Ewigkeit der Seele zum Absehen hat / ist vergänglicher Rauch. Frist die Zeder nicht der Wurm /das Ertzt nicht[1118] der Rost / so verzehret sie ein ander Zahn der Zeit; ja ein einiger verwahrloster Funcken. Da nun aber du / Marbod / seuffzest: daß dein Leib hier auf Erden mit der Zeit wie allhier Tuisco in Kristall möge verwahret werden; wie vielmehr hastu nachzusinnen: daß die viel edlere Seele im Himmel die Sonne selbst zum Kleide habe. Weil der Mensch scheinet gebohren zu seyn: daß er sterbe; muß er sich bemühen also zu sterben: daß er ewig lebe; und weil das Leben ihn zum Grabeleitet; soll das Grab ihm die Staffel seyn zu verweßlicher Ehre. Glaube mir aber /Marbod / du wirst ein herrlicher Grab / als diß ist; oder aus einem Diamantenen Felsen dir gehauen werden könte / verdienen; wenn du diß / was die Vorwelt an den güldenen Fuß dieses Bildes verzeichnet hat /beobachten wirst; ja dein Gemüthe wird im Leben unversehrlicher Ruh / deine Seele unvergänglicher Vergnügung genüssen; wenn du denen Erinnerungen über der Pforte dieser Höle nachlebest. Hiermit bückte sich Ariovist / räumete um den güldenen Fuß vollends das versteinerte Wasser weg; und zeigte seinen Gefärthen / wie daselbst mit eitel Edelgesteinen nachfolgende Worte auffs künstlichste ins Gold versetzt waren.


Der Erde Marck das Gold / und so viel edle Steine

Sind's Armuth dieser Grufft. Tuiscons edles Grab

Ist ihr und Deutschlands Schatz. Weil diß nur sein Gebeine

Beysammen hält / wird ihm kein Feind was ringen ab.


Als Marbod diese kostbare Schrifft gelesen / fieng er an: So sehe ich wol: daß die Leiche des grossen Tuisco ein Schutz-Bild / und also ein grosser Schatz Deutschlands sey; an dessen Bewahrung das Heil / an Versehrung aber der Untergang des Vaterlandes gelegen sey. Ariovist lächelte / ihm antwortende: Ich weiß wol: daß das der gemeinen Sage nach vom Himmel gefallene Trojanische Palladium / welches man mir noch zu Rom als ein grosses Heiligthum gewiesen /nichts anders / als des Königs Pelops Gerippe / welches ein Asiatischer Weiser bey einer gewissen Vereinbarung der Sternen aus seinen Todten-Beinen zusammen gesetzt / und dem Könige Troß verehret hat; das Olympische Schutz-Bild nichts / als Knochen eines Indianischen Thieres; der Spartaner Minerven- Schild die Menschen-Haut des weisen Pherecydes; das Syrische Dagons-Bild mit einer Wallfisch-Haut umzogen gewesen; und alle diesen Heiligthümern eine Krafft der Unüberwindligkeit zugeeignet worden sey. Alleine ich bin der Meinung: daß wie gegenwärtige Schrifft einen andern Verstand hat; also auch jene Bildnüße gar auf was anders gezielet haben. Marbod fragte alsofort: Ob denn diese ziemlich klare Reymen anders ausgelegt werden könten; als daß so lange Tuiscons Bild unversehrt bliebe / Deutschland würde unüberwindlich seyn? In alle Wege / antwortete Ariovist. Denn / weil ich meine Auslegung dieses Geheimnüßes wol so gefährlich nicht achte / als wenn einer das Palladium zu sehen bekommen; massen Ilus zu Troja / Metellus zu Rom hiervon soll verblindet seyn; so wil ich meinen gemuthmasten Verstand dieses Retzels nicht verschweigen: daß nemlich / so lange Deutschland sich nicht selbst durch Zwiespalt trennen werde / kein Feind selbtem was anhaben würde. Denn nach dem Schirme des Göttlichen Verhängnüßes kan den Feinden eines Reiches kein besserer Riegel / als die Eintracht der Bürger für geschoben werden. Einzele Pfeile können auch Zwerge zerbrechen; viel auf einmal aber nicht Riesen-Armen. Diese / mein lieber Marbod / hüte dich ja vollends zu zertheilen / wo du dein streitbares Vaterland nicht zu einer Magd / dich aber zum Leibeigenen der herrschsüchtigen Römer machen wilst. Aber ich muß dich durch die Uberschrifft des Eingangs noch für einer schnödern Dienstbarkeit warnen. Hiermit führte Ariovist den König Marbod daselbst hin / und zeigte ihm die in Berg-Kristallen tieff eingegrabene Worte:[1119]


Der's deutsche Reich in Grund / die Feind' in Staub gelegt

Tuisco steht allhier in dieser güld'nen Höle.

Lernt / die ihr Koth für GOtt offt zu verehren pflegt /

GOtt sey ein tauglich Grab den Leichen / nicht der Seele.


Aber / sagte Ariovist; ich traue dir selbst nicht zu: daß ob wol ins gemein der für unvernünfftig gehalten wird / der nicht mehr verlangt / als er darff / dein hoher Geist sich mit dem unflätigen Laster des Geitzes / welches einen reichen Fürsten dürfftiger macht /als ein freygebiger Bettler ist / mit diesem Armuthe des Gemüthes besudeln soltest; welches nicht ehe /als wenn der erblaste Mund die kalte Erde zu käuen beko t / ersättigt wird / und das durch eine unsinnige Begierde des Menschen Hertze alsdenn am ärgsten quälet; wenn er am wenigsten mehr zur Zehrung darff. Wie ich denn auch / da ich diese Beysorge gehabt hätte; keinem unter euch diese verborgenen Reichthümer und Anreitzungen zum bösen gezeigt haben würde. Aber meinem unvergreiflichen Urthel nach /wirstu in der darneben stehenden Kristallen-Taffel etwas mehr zu bedencken finden; in welche eingegraben war:


Die ihr aus Ehrsucht mehr / als Andacht Tempel bauet /

Nur: daß die Nachwelt euch / wie sie vergöttert schauet

Bant dem Tuiscon auf kein güldnes Rauch-Altar.

Denn / kont' er lebend gleich nicht mehr seyn / als er war /

Auch todt nichts weniger / als dieser Riese werden;

So bleibt er doch / wie ihr / für GOtt ein Zwerg auf Erden.


König Marbod; nach dem er diese ihm eingehaltene Zeilen etliche mahl nachdrücklich gelesen hatte; fieng er an: Es ist wahr; wenn wir eingebildete Welt-Götter unser Absehn und unser Wesen gegen einander halten / müssen wir nachgeben: daß die Gebrechligkeit in unserm Vermögen einen festern Fuß gesetzt habe; als die Allmacht in unser Einbildung. Daß unsere Gewalt auf nichts anders / als der Unterthanen Demüthigung /und der Nachbarn Schwäche gegründet sey. Wir sind unserer Hoffart nach in alle wege dem Egyptischen Memnons-Bilde zu vergleichen / welches nur mit der Sonne Gespräche hält / an sich selbst aber nichts / als ein zu Bodem sinkender Stein ist. Wir sind das eingebildete Gold in denen angefeuerten Schmeltz-Kolben /das im Glase Purpur zur Farbe hat / im Ausmachen aber nur Rauch und Asche ist. Ariovist fieng an: Warlich / Marbod / wenn du diß von Hertzen redest /hastu aus der Eitelkeit einen fernen Blick in das Ewige gethan. Denn das Erkäntnüs seiner eigenen Nichtigkeit / ist die Helfte seiner Verewigung / wie die Einäscherung irrdischer Dinge der Weg zu einer neuen Geburt. Wirstu nun behertzigen: daß alle Vergnügung der Welt nur Einbildungen; alle Güter / die die Eitelkeit der Ehrsucht und dem Geitze zur Schaue auslegt / verfälschte und betrügerische Waare sey; daß alles zeitliche vorwerts die Hoffnung / hinterrücks die Furcht zur Begleiterin hat; daß der anmuthigste Blick des Glückes ein Blitz sey / welcher mit seinem Anlachen einäschert; ja daß alles in der Welt Blendungen / Träume und Undinge; der vernichtende Tod aber allein etwas wahrhafftes sind; so wirstu bey Zeite deiner Herrschsucht einen Gräntz-Stein setzen; deine Vernunfft wird dich anverweisen den allzuweiten Zirckel deiner Gedancken in die Enge zu ziehen; wormit dein Gemüthe den Mittel-Punct der Ruhe finde / deine Seele aber nicht in dem Irrdischen eingezüngelt bleibe / sich zum Ewigen auffzuschwingen.

Diesen und vielen andern heilsamen Erinnerungen des frommen Ariovistes gab König Macbod / Lichtenstein und Tannenberg ein auffmercksames Gehöre; welche hierüber von ihm wieder aus diesen zweyen Hölen geführet wurden. Sie kamen nach derselben fleißigster Betrachtung zu dem Felsenritze wieder her aus / als die Sonne schon untergegangen war. Weßwegen sie daselbst übernachten und sich mit denen Wurtzeln und Beeren / welche Ariovist[1120] aussuchte /wie auch mit deme nahe darbey herraus spritzenden Quelle vergnügen musten; wiewol der Hunger ihnen diese schlechten Gerichte derogestalt annehmlich würtzte: daß sie ihnen besser / als der Uberfluß an der Königlichen Taffel schmeckten. Ob nun gleich Marbod auf den Morgen von Ariovisten Abschied zu nehmen meinte / in dem er durch der Marsinger und Semnoner Gebiete / keines Weges aber durch das Land der aufständigen Bojen zu seinen Hermundurern zu kommen getraute; so wolte doch Ariovist ihn und seine zwey Ritter in diesem irrsamen Gebürge nicht verlassen; sondern sie biß unten an desselbten Fuß begleiten. Er führte sie diesemnach über allerhand Berge / durch viel anmuthige Thäler und Wälder; biß die am Mittage brennende Sonne sie unter einer überhängenden Stein-Klippe bey einer rauschenden Bach auszuruhen / ihr Magen sich aber mit der gewohnten Kost zu sättigen nöthigte. Weßwegen Ariovist an der Lähne etliche Kräuter ausrupffte; worüber er aber zur Erde niedersanck; und deßhalben die andern drey herzu sprangen seinen Unfall zu vernehmen. Sie fanden ihn gantz erblast; sein Mund konte mit genauer Noth kaum diese verbrochenen Worte ausdrücken: Ich sterbe um nunmehr recht zu leben. Wormit er denn verstummete / und in selbigem Augenblicke gleichsam ohne einige Empfindung des Todes die Seele ausbließ. Marbod und seine Geferthen empfanden diesen unvermutheten Todesfall dieses anmuthigen Fürsten so sehr: daß sie alle seine Leiche mit bitteren Thränen netzten; insonderheit aber nicht ohne geringe Gemüths-Veränderung wahrnahmen: wie der den Ariovist stets auf dem Fuße begleitende Bär / nach dem er seinen Herrn eine Weile beleckt / und gleichsam / ob er lebend oder verbliechen wäre / erkundigt hatte / sich nahe darbey von dem Felsen in ein tieffes Thal abstürtzte. Gleichwol aber musten alle bekennen: daß wie Ariovistens Leben ein Beyspiel allen Lebenden seyn; also kein Mensch ein sanffteres Ableben wünschen könte; Sintemahl jenem das Glücke nichts zu nehmen; diesem aber der Tod seine anklebende Bitterkeit anzustreichen nicht vermocht hätte. Sie beriethen sich hierauff mit einander über seine Beerdigung; Marbod aber machte den Schluß: daß dieser grosse und weise Fürst verdient hätte / neben Tuiscons Grab gestellet zu werden. Weßwegen ihnen Lichtenstein und Tannenberg nicht beschwerlich liessen fallen / sich mit Ariovistens Leiche zu bebürden /und solche dem vor- und zurück gehenden Marbod gegen der verlassenen Höle nachzutragen. Sie verlohren aber bald die Spur; und ob sie zwar biß in dritten Tag selbte zu finden sich mit grosser Beschwerligkeit bemühten / war doch alles vergebens; also: daß König Marbod endlich seinen Vorsatz änderte / und anfieng: Ich weiß nicht: Ob das Verhängnüs dieser verlohrnen Wunderhöle durch ein Gesetze / wie die Griechen das Eyland Delos / als ihr allgemeines und hochheiliges Vaterland / und die glücklichen Araber eine andere Insel für Beerdigung der Todten verwahret habe. Alleine / nach dem selbte gleichwol des Tuiscons Leiche verträgt / sehe ich wol: daß das Verhängnüs nicht so wol Ariovisten das köstliche Grab mißgönnet / als unsere Augen verblendet; weil es uns nicht allerdinges zutrauet: daß wir künfftig reine Hände von diesen verborgenen Schätzen behalten dörfften; nach dem vielleicht einer oder ander unter uns schon ein Theil seines Hertzens in der Höle zurück gelassen hat; und wir selbtes vielleicht gar mit Ariovistens Leibe darein vergraben dörfften / nach dem uns mit ihm ein so heilsamer Lehrmeister entfallen ist. Diesemnach machte er in einem Kräuter-reichen Thale / unter einem drey grieffichten Ahorn-Baume durch seinen Degen mit Ausgrabung der Erde den Anfang ein Grab zu scharren; welches denn noch selbigen[1121] Tag durch aller dreyer Beyhülffe drittehalb Ellen tieff verfertiget / und also Ariovistens Leiche darein geleget ward. Das Grab erhöheten sie nach der alten Deutschen Art mit Rasen; und sagte Marbod: Ihre Vorfahren hätten Marmelne Gräber für keine Ehre / sondern eine Beschwerde der Todten gehalten. Ariovisten wäre rühmlich genung: daß er einen König zum Todten-Gräber / seine Jugend nebst der Tapfferkeit die Klugheit des Alters /sein Alter die Unschuld der Kinder gehabt; und als der Tod ihn gantz zu verriegeln vermeint / der Nachruhm und die Seele den Sarch für der Zeit erbrochen /jener sich in die Welt vertheilet / diese in eine herrlichere Wohnstatt verfügt hätte. Tannenberg schnitt in die Rinde des ansehnlichen Ahorn-Baumes folgende Reymen ein:


Hier ist's Grab Ariovistens / dessen mächtig Krieges- Heer /

Doch nicht ihn und seinen Muth Glück und Cäsar hat bestritten;

Dessen Beyspiel Fürsten lehret: iede Herrschens-Kunst sey schwer /

Gleichwol könn' ein Mensch du Welt / nur ein GOtt ihm selbst gebitten.


Nach dem sie sein Grab zu guter letzt noch mit häuffigen Thränen genetzet / und die vom Todten ausgeropffte Wurtzeln verzehret hatten / setzten sie ihren Fuß weiter / und kamen gegen Abend an einen stillstehenden See; welcher ihnen auf diesem hohen Gebürge / und weil alles darinnen für eitel grossen Forellen wiebelte / so viel wunderlicher fürkam. Tannenberg / welchen nach so vieler Tage schlechter Kost nach diesen köstlichen Fischen gelüstete / schälete ein wenig Bast von einem Baum / machte daraus und von einer Nadel eine Angel. Er hatte sie aber noch nicht recht ins Wasser gehenckt; als ein nackter / wiewol gantz schupfichter Mann auf einem Kahne aus dem Schilffe gegen ihn herzu schiffte / und ihn mit dem Ruder dräuende anschrie: Er solle ihm sein Heiligthum unversehrt lassen. Tannenberg / der ihn für einen Fischer hielt / antwortete: sie würden ihm für wenig Fische schon gerecht werden. Jener versetzte: Der grosse Wasser-Geist dieses Gebürges hat eurer Vergeltung nicht von nöthen; erholet euch aber in der nicht ferne von hier flüssenden Bach dieses Abgangs. Hiermit schlug er das Ruder auf das Wasser / worvon der gantze See nicht anders als das stürmende Meer zuschäumen anfieng; worüber allen dreyen die Haare zu Berge stunden / und sie eussersten Kräfften nach Berg- ablieffen / biß sie keuchende eine kleine / aber mit Forellen und Eschen so angefüllte Bach antraffen: daß sie nach gehaltener Berathschlagung und Anweisung obigen Wasser-Geistes ihrer nach Nothdurfft mit den Händen erwischen konten. Der Hunger und die Schönheit dieser Fische bewegten Tannenbergen abermahls: daß er um selbte zu rösten von denen nahe darbey stehenden Wacholder-Sträuchen Holtz abzubrechen anfieng. Er hatte aber kaum die Hand ausgestreckt; als von einer hohen Tanne ihm eine Stimme zuruffte: Hüte dich einen Ast zu versehren; wo du deines Lebens nicht müde bist. Tannenberg ward hierüber ungedultig / und antwortete: Ob in so Holtz-reichen Wäldern einem dürfftigen mit besserem Fuge eine Hand voll Holtz / als in der Lufft dem Menschen das Athemholen zu verwehren wäre. Er kriegte aber zur Antwort: Lässestu dir nicht an tausenderley andern Bäumen genügen; sondern mustu dem Wald-Geist dieses Gebürges mit Versehrung der ihm gewiedmeten Wacholder-Stauden beleidigen? Tannenberg und seine zwey Gefärthen erschracken abermals über dieser Stimme / sonderlich / da sie den zuruffenden mit Hörnern am Haupte / mit Klauen an den Füssen / und langen Bockshaaren am Leibe gebildet sahen. Gleichwol aber faste ihm Tannenberg das Hertze / und brach von der nechsten Tanne das benöthigte Holtz[1122] sonder fernere Vernehmung dieses wilden Mannes ab; darauf die Fische gebraten / und mit annehmlichen Schertz-Reden über dieser Begebenheit verzehret wurden. Lichtenstein schöpffte hierauf aus selbiger Bach mit seinem Helme Wasser / und tranck es dem Ritter Tannenberg zu auf Gesundheit des Wasser- und Wald-Geistes in dem Sudetischen Gebürge. Sie hörten aber aus der Höle eine Stimme: warum nicht auch des Lufft-Geistes? sahen aber über sich nichts als eine überaus grosse Nacht-Eule herum flügen. Kurtz darauff wölckte sich der Himmel kohlschwartz / der helle Tag verwandelte sich in eine kohlschwartze Nacht; ausser: daß selbte von unaufhörlichem Wetterleuchten erhellet / Marbod und seine mit ihm nunmehr wie ein Aspen-Laub zitternde Ritter von denen grausamen / und in denen Thälern mehr /als zehnmahl wiederschallenden Donnerschlägen gleichsam ertäubet; von dem häuffigen Platz-Regen /in welchem alle Ströme dieses Wasserreichen Gebürges verwandelt zu seyn schienen / aber schier ersäuffet wurden. Es währete aber kaum eine Viertel-Stunde / so klärte sich die Lufft aus / der Himmel war mit einem wunderschönen Regenbogen ausgeputzt; und die annehmliche Sonne gab ihnen mit ihren freudigen Strahlen gute Nacht. Alle drey hätten bey dieser geschwinden Veränderung das schrecklichste Gewitter /das sie iemahls gehöret / für einen Traum oder Blendwerck gehalten; wenn ihre Kleider nicht noch getroffen hätten. Sie vergassen hierüber fernern Schertzes und eilten möglichst den Berg hinab; sonderlich / da sie nicht weit von dannen ein Hauß erblickten / welches sie auch noch für gäntzlicher Finsternüß erreichten; für selbtem einen alten grauen Mañ / und ein nicht jüngeres Weib antraffen; die sich zwar über der Ankunfft so fremder Gäste anfangs etwas entsetzten /hernach aber auf verspürte freundliche Ansprache /sie willig beherbergten / etliche Milch- und Kräuter-Speisen fürsetzten / und sonst allen guten Willen erzeigten. Dieser Alte entschuldigte: daß sein Armuth sie besser zu bedienen nicht erlaubte; wiewol / wenn er sich in diesem einsamen Gebürge so stattlicher Gäste versehen hätte / er gleichwol was bessers aufzusetzen würde bemüht gewest seyn. Marboden gefiel diese Treuhertzigkeit sehr wol: daß er sich mit dem Alten in ein verträuliches Gespräche einließ. Welcher denn erzehlte: daß er seines Alters über hundert Jahr /seiner Lebens-Art nach ein Wurtzelmann wäre / und sonder allen Zweiffel durch die überaus gesunden Kräuter und Wässer dieses Gebürges nicht nur seine /sondern auch seines nicht ferne von dar wohnenden Vaters Jahre so hoch erstrecket / sondern auch sich für Kranckheiten / welche die Vielheit der Speisen /sonderlich die Ubermaße des Fleisches verursachte /verwahret hätte. Marbod hätte ihn gerne ausgeholet um den Zustand des Marsingischen Hertzogs zu erkundigen / dieser gute Alte aber wolte / oder wuste ihm nichts rechtes zu sagen; vorschützende: die aus dem Thale nach Kräutern zu ihm kommende Leute sagten ihm zwar zuweilen: daß er mit seinen Nachbarn Krieg führte; Er liesse sich aber darum unbekümmert / sondern vergnügte sich mit der nechsten Wiese und Pusche / und mit wenigen Stücken Vieh. Wie er denn seine Hütte und Ruh nicht mit des grösten Fürsten Schlosse und Kummer vertauschen wolte. Ja / wo es wahr wäre / was ihm zuweilen etliche andere Wurtzel-Leute von den Welthändeln wie der seinen Willen erzehleten; müsten grosse Herren nicht allein die elendesten Menschen / sondern die grausamsten Thiere seyn. Er wäre sein Lebetage nicht auffs flache Land kommen; wüste auch nicht ob diß Gebürge das Ende der Welt wäre / oder ob solche Menschen daselbst wohneten. Er hielte es für kein gemeines Glücke: daß er mehrerley Arten Thiere / als Menschen kennte / weil jene ihm nicht so viel schadeten / als er andere von diesen[1123] klagen hörte. Er redete öffter mit den Sternen / als seines gleichen; weil er in diesen zuweilen Falschheit / ins gemein Gebrechen /in jenen aber allezeit eine wahre Andeutung künfftigen Gewitters / selten eine Verfinsterung / die aber bald wieder vergienge / wahr genommen hätte. Ja /wenn er nicht so viel Kräuter kennte; unterstünde er sich zu sagen: er wäre im Hi el besser bekandt / als auf Erden beschlagen. Seine ferneste Reise wäre biß unter das Gebürge zu denen zwey warmen Gesund-Brunnen sein Lebtage gewest; die nahe bey der Zacken-Bach aus der Erde empor quillen / er aber sie nicht so wol aus Noth / als die Wunder göttlicher Vorsorge zu genüssen jährlich im Mey besuchte. Daselbst hätten ihm etliche Fremdlinge zuweilen viel von andern Völckern und Begebenheiten erzehlen wollen; er wäre dessen aber bald überdrüßig worden; hätte auch das meiste für Getichte gehalten; weil er eine so grosse Boßheit denen Menschen nicht zutrauen könte; derogleichen die gifftigen Thiere in diesem Gebürge nicht hätten. König Marbod seuffzete über der unschuldigen Einfalt dieses Wurtzel-Mannes; Gleichwol fragte er: Was für grausam Ding er denn gehöret hätte? Der Alte wolte zwar lange nicht heraus; in Meinung: daß sie seiner Einfalt nur spotteten; endlich sagte er: Es solte ein benachbartes Volck; oder vielmehr etliche Diener / die der Fürst als seine Kinder geliebt / ihn ermordet haben. Marbod verblaste und erstummte über dieser unvermutheten Gewissens-Rührung. Tannenberg aber fiel dem Wurtzelmanne mit Fleiß ein: Ob denn in diesem Gebürge die Natter dem Mäñlein in ihrer Liebes-Beywohnung nicht den Kopff abbisse; die jungen Nattern aber in der Geburt durch Zerreissung ihres Bauches ihre Mutter nicht tödteten? Der Alte lachte hierüber / meldende: Er glaubte auch nicht: daß diß anderwerts geschehe. Er habe mehrmahls Schlangen und Nattern sich wie andere Thiere umschränckende einander beywohnen sehen; er habe in öffterer derselben Zergliederung an ihnen Männ- und Weibliche Geburts-Glieder; ja in diesen zum Küssen / nicht aber zur Empfängnüs geschicktem Munde gewisse Eyer / welche in vier Mohnden zu dinnen Nattern würden / befunden; ja die alten Nattern in engem ja gläsernem Beschlusse gehalten / welche ohne einige Verletzung junge gezeugt und selbte genehret hätten. Tannenberg versetzte: Es würden vielleicht nicht alle / wol aber gewisse Arten der Nattern diese Eigenschafft haben. Sintemahl ja auch die Wiesel im Ohre / die Raben und Fische im Munde geschwängert würden / die ersten auch durch den Mund gebiehren. Warlich / antwortete der Wurtzel-Mann; diß letztere ist so irrig / als das erstere / ich will euch Morgen / weil nichts minder die Zeit / als eure Müdigkeit euch zum Schlaffe nunmehr einräthet /auf euer Begehren die von der Natur nicht umsonst geschaffenen absonderen Geburts-Glieder in diesen Thieren zeigen; und ich habe ihre Vermischung nach gemeiner Art mehrmahls mit Augen gesehen. Marbod danckte für so gute Vertröstung / und insonderheit so annehmliche Aufnehmung; sonderlich / da das alte Weib etliche gewärmete Tücher bey ihrer Entkleidung ihnen darreichte / sich desto besser abzutrocknen /auch bequeme Läger-Stätte anwieß. Uber dieser Trocknung konte Tannenberg gleichwol sich nicht enthalten zu fragen: Ob es denn an gegenwärtigem Orte nicht geregnet hätte? Wie nun der Wurtzelmann mit nein antwortete; erkundigte sich Tannenberg weiter: Ob sie aber das schreckliche Wetter nicht gehöret? Der Alte verneinte diß gleichfalls. Diesemnach Lichtenstein heraus fuhr: So sind wir in Warheit zu letzte von dem Gespenste nichts weniger verbländet /als anfangs geäffet worden. Ich meine deine trieffenden Kleider und deine nasse Glieder / versetzte Marbod / solten dir die Warheit[1124] des Gewitkers sattsam bezeugen / ungeachtet der zwischen diesem und jenem Orte stehende Berg desselbten Empfindligkeit diesen guten Leuten entzogen hat. Tannenberg fiel ein: Er hielte zwar das Gewitter für allzuwahr; aber weil es nicht so weit gereichet / noch die grausamen Doñerschläge in einer so geringsten Ferne wären gehöret worden / mehr für ein Werck des Gespenstes /als natürlichen Ursachen. Marbod antwortete: wer hat dich den Aberglauben überredet: daß die Gespenste oder Geister Regen / Schlossen / Blitz und Donner schaffen / also der Göttlichen Allmacht Eingriff thun /oder sich ihr vergleichen können. Tannenberg warff ein: weil man von denen Sitonen / und denen um das Gebürge Sevo wohnenden Nord-Völckern für unzweifelbare Gewißheit glaubte: daß sie denen um die Rubeische Nord-Spitze schiffenden Leuten in dreyerley Knoten dreyerley Arten von Winde verkaufften; daß die Einwohner der Cycladischen Eylande durch gewisse Opffer die kühlen Lüffte in Hunds-Tagen erregten; daß die Zauberer durch ihre Künste / worbey sie zusammen gemischtes Mehl / Honig / Menschen-Schweiß und Gans-Blut in die Lufft sprengen / übrige Dürre mit Regen abkühlen; ja durch einen in den Lucernischen See bey den Helvetiern geworffenen Stein Wetter erreget würden; traute er denen Geistern / welche zweiffelsfrey von denen Geheimnüssen der Natur mehr Wissenschafft hätten / als die Menschen / so viel mehr die Krafft zu / mit der Göttlichen Zulassung sich durch solche Würckungen zu erlustigen. Der Wurtzelmann lachte hierüber; weßwegen Marbod ihm alle ihre Ebentheuer erzehlte / und sein Gutachten hierüber zu eröffnen beständig anhielt. Dieser sagte hierauff: Gegenwärtiges Gebürge wäre von Gespenstern mehr beschrien; als er selbst glauben könte. Daß zwischen so viel hohen Bergen / an welchen die Sonnen-Strahlen sich hin und wieder stiessen / aus so viel gewässerten Thälern häuffige Ausdampffungen empor stiegen / und daraus oft Gewitter entstünden / wäre der Vernunfft gemäß / und also kein Gemächte der Gespenster. So pflegten sich auch mehrmals mehr /als fleischichte Menschen in Geister zu verstellen /und mit Einfältigen ihre Kurtzweil zu treiben. Wiewol er nicht umstünde: daß zuweilen die Geister auch allhier mit gewissen Erscheinungen ihr Spiel hätten /und wäre in seiner Jugend ihm wol ehe einer erschienen / der in einem Augenblicke einen Wurtzelmann /im andern einen Jäger / im dritten einen Fischer für gebildet hätte. Insonderheit pflegten diese Berg-Geister die Fremdlinge zu äffen; niemahls aber hätten sie seines Wissens iemanden einen empfindlichen Schaden zugefügt. Marbod und beyde Ritter überfiel hierüber der Schlaff / und sie erwachten nicht ehe / als biß die Sonne mit ihren Strahlen sie in dem Gemache begrüssete. Der Wurtzelmann führte sie hierauf in seine Kräuter-Kammer / zeigte ihnen wol tausenderley Arten / und darunter viel seltzamer nur auf diesem Gebürge wachsender Kräuter; und erklärte ihnen mit einer annehmlichen Bescheidenheit ihre wundersame Würckungen. Hierauf brachte er sie auch für eine fest verschlossene Höle; bey derer Eröffnung sie für Schrecken zurück prellten / weil der erste Anblick ihnen viel tausend in einander gewickelte Nattern und Schlangen zeigte. Der gute Alte aber versicherte sie: daß sie ausser Gefahr wären / gieng hierauff mitten in dieses grausame Loch / und laß daraus allerhand Arten abscheulicher Würmer; zergliederte selbte / und zeigte seinen Gästen augenscheinlich / was er ihnen den Abend vorher versprochen hatte; erzehlte zugleich / wie er aus den gifftigsten Molchen / und anderm Gewürme für köstliche Salben / Saltz / Staub / und andere bewehrte Artzneyen bereitete. Unter[1125] welchem Gespräche sie denn in eine Küche kamen; da auf etlichen Heerden über dem Feuer viel gläserne Kolben standen / in welchen er aus Thieren / Würmern / Kräutern /Ertzt und Steinen den Geist und die beste Krafft zu ziehen wuste. Zuletzt auch mit den herrlichsten Artzneyen sie reichlich betheilte; Bey dem nun nahe herbey gebrachten Mittage aber das alte Weib ihnen zu ihrer grossen Verwunderung / Forellen / Eschen /Grundeln / und Haselhüner fürsetzte; ja ihnen anlag: daß sie selbigen Tag; weil doch allem Ansehen nach sie eine ferne Reise hinter sich gelegt haben müsten /bey ihnen ausruhen / und / ob sie zwar sie für keine Leute gemeinen Standes urtheilte / doch mit ihrer armen Rauch-Hütte für lieb nehmen möchten. Weil nun der Alte ihr beystimmte / sich auch erbot auf den Morgen sie biß unter das Gebürge zu denen zwey warmen Brunnen zu begleiten; und ihnen / wie die Marsinger das Feyer der Frea jährlich zu begehen pflegten / zeigen wolte; hatten sie zwar Bedencken diesen treuherzigen Leuten beschwerlich zu seyn; iedoch schien es ihnen eine noch grössere Unhöfligkeit zu seyn / ihren Wolthätern was abzuschlagen / was zu ihrem Wolgefallen und selbsteigner Gemächligkeit gereichte / und zwar deßhalben sonder weniger Bedencken; weil diese guten Leute nicht einst nach ihrem Zustande / und nach dem Absehen ihrer Reise zu fragen sich unterwinden wolten.

Mit anbrechendem Tage machten sie sich auf / und gab dieser Stein- alte Greiß einen so hurtigen Wegweiser ab: daß sie in zwey Stunden ein etwa zwey Meilen lang und breites / rings um mit einem Krantze Baum-reicher Berge umgebenes / in der Mitte aber mit wol hundert fruchtbaren Hügeln (welche aber gegen denen Riesenbergen Maulwurffs-Hauffen schienen) gleichsam beseeltes Thal erreichten / und darmit nichts minder ihr Hertz erlustigten / als die Augen weideten. Unter Weges erzehlte der Wurtzelmann auf Lichtensteins Begehren: was das angedeutete jährliche Feyer eigentlich wäre? Sie als Deutsche würden wol wissen: daß die Deutschen zwar aus den Lastern /wie er von andern Völckern hörte / keine Sitten machten / weniger ein Lachen darein gäben; für das abscheulichste aber würde die Unkeuschheit / insonderheit bey denen Marsingern gehalten. Daher es bey ihnen die ärgste Schande wäre für dem zwantzigsten Jahre einem Weibe beygethan seyn; ja es würde die Vermischung den Männern für dem dreyßigsten / den Jungfrauen für dem zwanzigsten Jahre gar nicht erlaubt. Die Gesetze hätte Frea eines Marsingischen Hertzogs Tochter / welche hernach Wodan / oder der Deutsche Hercules geheyrathet / gestifftet / wormit die Heyrathenden vorher recht erstarren / und unter einem so tapffern Volcke wegen Unzeit durch die Liebes-Wercke erschöpffter Leibes-Kräfften keine ohnmächtige Zwerge / sondern kräfftige Leute gezeuget würden. Auch hätte sie denen Ehbrecherinnen diese Straffe gesetzt: daß ihr Mann nach abgeschnittenen Haaren sie aus dem Hause stiesse / und biß über die Gräntze desselbigen Fleckens ohne einige Erbarmnüs und verstatteten Einhalt der Obrigkeit biß aufs Blut peitschte. Hierentgegen diesen Lastern so viel leichter fürzukommen / hätte sie gezwungene Heyrathen verdammet / und allen auch noch unter ihrer Eltern Gewalt begrieffenen Kindern eine unverschränckte Wahl ihrer Ehgatten erlaubet; sonderlich weil hier zu Lande Jungfrauen nur einmahl heyratheten / und nichts minder keine Wittib wäre: die nach einem andern Ehmanne seuffzete / als einiger Mann / der selbte seines Ehbettes würdigte. Wenn nun die Töchter das bestimmte Alter erreichten / würden sie auf eben selbigen Tag des Jahres (an dem man dieser klugen Gesetzgeberin Gedächtnüs mit vielen Lobsprüchen heraus striche /sie aber nicht nach der Ausländer Meinung für eine[1126] Liebes-Göttin anbetete) von ihren Befreundeten an einen gewissen Ort; und zwar die in diesem Thale zu denen zwey warmen Brunnen gebracht; dahin sich ihre Liebhaber auch einfindeten / beyde also die freye Wahl ihrer Heyrathen vollzügen.

Wie sie nun zwischen die zwey Bäche kamen / welche die zwey warmen Brunnen gleichsam wie zwey Armen umschlüssen; fanden sie Ufer und Wiesen ziemlich angefüllet; und darunter eine ansehnliche Anzahl wunderschöner Jungfrauen; derer Wahl gleichsam nunmehr um ihre inbrünstigen Liebhaber solte das Loß werffen. Die Menge derselben machte: daß König Marbod und die zwey Ritter sie nur überhin betrachteten. Sie sahen aber endlich eine Jungfrau durch die Zackenbach waten; welche in einem Augenblicke alle ihre Augen gleichsam bezauberte. Denn ihr Mund war dem höchsten Zinober / ihre Wangen denen noch von Thau trieffenden / und noch halb zugeschlossenen Rosen / die braunen Augen zweyen blitzenden Sternen / der Hals / uñ der mehr als halb nackte Leib dem gefallenen Schnee zu vergleichen. Die Brüste waren der Landes-Art nach gantz bloß /und ein nicht ungleiches Abbild des nahen Schnee-Gebürges / wenn dessen Gipfel so wol / als jene / mit so Purpurrothen Beeren gekrönet / mit einer so vollkommenen Rundte erhöhet / und stets mit einem lebhafften Atheme nichts minder beseelet / als aufgeschwellet würde. Mit denen braunlichten Haaren /welche zwar hundertfach gekringelt waren / aber biß an die Kniekehlen reichten / spielte der anmuthige Westwind um die Schultern. Auf dem Haupte trug sie einen Rosen-Krantz / am Halse hieng ein Bogen / an der Seite ein Köcher; in der einen Hand hatte sie eine Sichel / in der andern eine Spindel. Von dem Gurthe biß an die Knie war sie zwar mit einer zarten Leinwand verhüllet; selbte aber mit so viel Blumen bedeckt: daß sie kaum zu erkiesen war. Ihr folgten auf dem Fuße zwölff der wunderschönsten Frauen; welche sie geraden Weges zu dem warmen Brunnen leiteten; und zu baden nöthigten. Da sie denn entweder von der Wärmde das Wassers / oder aus Schamröthe für so viel Zuschauern sich noch annehmlicher färbte; insonderheit aber stachen ihre Lippen alle Corallen und Purpur-Muscheln weg; und die Zuschauer stunden in Kummer: daß sie von übrigem Geblüte zerplatzen würden. Marbod konte sich nicht länger enthalten zu seuffzen / und gegen seine Gefärthen heraus zu fahren: Warlich; ich weiß nicht: Ob sie diese Halb-Göttin in diesem Quelle verunreinigen / oder das Wasser durch ihre Schönheit mehr ausklären oder anzünden wollen? Wie nun sie im Bade wenig Zeit zubrachte / also begleiteten sie ihre Führerinnen auff die nechste Wiese an die Bach / da sie denn um sie sitzende einen Kreiß machten / und folgendes Lied ihr zusungen:


Liebstes Kind / der Sommer glühet /

Da des reiffen Alters Safft /

Knospen reiner Jungfrauschafft

Auffzuschlüssen ist bemühet /

Blüth' und Kindheit ist vorbey /

Nunmehr lerne: was es sey

Ohne was wir Unding wären /

Und ein Brach-Feld sonder Eeren.


Itzt wird Einfalt weggeleget;

Fühl'stu ein süß Etwas nicht?

Das um diese Zeit uns sticht /

Und sich im Geäder reget.

Diß ist' s Honig dieser Welt /

Das sie labet und erhält;

Ja geliebt und liebend werden

Ist der Zucker auf der Erden.


Rosen speisen Schlang' und Bienen;

Liebe Jugend und die Zeit

Die bestimmt zur Fruchtbarkeit;

Nur daß Ros' und Liebe dienen

Dort zu Gifft und Raserey /

Hier zu Honig und Artzney;

Ja es ist dem Lieben eigen

Mehl- und Zucker-Thau zu zeigen.[1127]


Gleichwol lang so Lieb als Zierde

Zum Veraltern gleichfalls nicht.

Schönheit ist ein schwindend Licht.

Wohnt in Runtzeln gleich Begierde /

Klebt ihr doch Verschmähung an.

Denn sie brennt / und steckt nicht an;

Sie gebiehrt nicht bey viel Wieben /

Und erfriert bey Glut und Lieben.


Aber dieser Kern der Jahre

Ist gleich recht zu dem Gebrauch.

Drum erkiese dir nun auch

Eine nicht verleg'ne Waare /

Welche lieb ist und verliebt /

Und nicht todte Küsse giebt.

Denn nichts süssers ist zu finden

Als zwey Seelen auf zwei Münden.


Küsse' sind der Liebe Knoten /

Ang- und Aegeln / die sich müh'n

Unsre Seel' in sich zu ziehn.

Doch beseel'n sie auch die Todten.

Und der Liebe Pein schafft Lust /

Ja es soll'n / wenn deine Brust

Gleich wird keine Seele tragen /

Doch in dir zwei Hertzen schlagen.


Diese singende Frauen hätten allem Ansehen nach dieser aller Zuschauer Augen und Hertz raubenden Jungfrauen noch beweglicher die Liebe eingelobt; wenn sich nicht eine wol aufgeputzte Gesellschafft allerhand junger Mannschafft mit einem anmuthigen Gethöne diesem Kreiße genähert / und dardurch so wol das Stillschweigen der Frauen / als noch mehrern Zulauf des Polckes verursacht hätte. Dieser Aufzug war in unterschiedene Hauffen zertheilet / welche nach der Reye ihrer Ankunfft die Frauen rings umher besetzten. Im ersten waren eitel Weber / welche mit der schönsten Leinwand gekleidet / mit Tannen-Kräntzen aufgeputzt waren; und von dem glättesten Ahorn-Holtze flaserne Wurfften und Weber-Bäume trugen. Der alleransehnlichste unter ihnen drang sich in den Kreiß der Frauen / kniete für der Jungfrau nieder / legte Wurffte und Weber-Baum ihr zu Füssen /und fieng nach aller Anwesenden tieffem Stillschweigen folgender Weise zu singen an:


Verschmähe / Göttin / doch mein lodernd Hertze nicht /

Da Land und Stadt Lob meiner Kunst-Hand giebet;

Da iede Frau ist in mein Werck verliebet /

Und mir steckt zu / was sie ihr selbst am Leib' abbricht

Da was mein Weberbaum gewehret /

Die Welt unmöglich schier entbehret.


Es ist ja die Natur selbst eine Weberin /

Sie webt's Gestirn' in schwartzen Flor der Nächte /

Das Blumwerck ist auch ihrer Hand Gemächte /

Das sie auf den Damast der Wiesen streuet hin.

Ja daß du athmest / und ich lebe /

Ist des Verhängnüßes Gewehe.


Das Glücke schiebt bald Gold / bald schwartze Fädem' ein

Doch eh man's meint / trennt es des Todes Schere.

Steht nun kein Tag dir nicht für die Gewehre /

Wie mag dein Schönheits-Garn denn sonder Webe seyn?

In deiner Hand steh'ts: Tod und Leben /

Gelück und Unfall mir zu weben.


Nicht zweiffle: daß die Lieb' auch selbst ein Weber sey

Sie hat aus dem Gespinste der Gedancken

Dein Bild gewürckt in meiner Seele Schrancken /

Das keine Zeit vertilgt / kein Unfall reißt entzwey.

Wie magstu mir zu Pein und Leiden /

Denn selbst dein eigen Bild zerschneiden?


Der Gold-Drat deiner Haar' hat wol mein Hertz umweht /

Doch lacht es andrer Liebe Spinnen-Weben.

Soll meine Seel' hier gleich den Geist aufgeben;

So ist's ihr Trost: daß sie viel edler sich begräbt

Als Würmer / die nur Seide spinnen /

Ein köstlich Grab-Maal zu gewinnen.


Gewiß der Geist / der uns den Lebens-Fadem dreht /

Kan nichts als Gold und guld'ne Zeit mir weben /

Wo deine Gunst hierzu den Flachs wird gehen.

Ja wo sie Göttin mich zu lieben nicht verschmeht /

So wird mein Wurcken und ihr Schlüssen

Ein Webe zieh'n mit Händ und Füssen.


Die mit Rosen gekräntzte Jungfrau blieb so unbewegt gegen dieses Lied / als der Stein / auf dem sie saß. Daher der schönste unter den Fischern; welche alle von Wasser-Lilgen und andern in Sümpffen wachsenden Blumen Kräntze auff dem Haupte / um den mitlern Leib geflochtene Senden-Kleider / um den Hals Muscheln / auf der Achsel einen Hamen mit Fischen hatten / herfür trat; und nach gleichmäßigem Niederknien die unbarmhertzige um ihre Liebe mit folgenden Reymen anflehete:[1128]


Wo Liebe / wie man sagt / gebohrn ist aus der Fluth

So kam kein Mensch kein Vorrecht nicht ersinnen /

Nah / Göttin / dich inbrünst'ger lieb gewinnen.

Es zeigts der nahe Brunn: daß Wasser quillt aus Glut;

Wie vielmahl fühl' ich selbst beysamen

In Gliedern Eyß / im Hertzen Flammen?


Es wäre mir noch nicht / was Liebe sey / bekandt.

Hätt' ich in denen Silber-klaren Flüssen

Die Fische nicht einander sehen küssen;

Die Sternen der Forelln sind nichts als Liebes-Brand;

Der Aal läßt's Wasser / sucht das Grüne /

Daß er sich seiner Brunst bediene.


So sorge / Göttin / nun nicht: daß mein Lieben Eyß /

Mein Brand sey kalt; und daß in nassen Armen /

Unmöglich oder schwer sey zu erwarmen.

Ein Quell steckt Fackeln an / Fluth macht auch Kiesel heiß;

Sonst würde Venus nicht begehren.

Sich selbst in einen Fisch zu kehren.


Weil Schiff und Fisch' und Fluß selbst unter'n Sternen stehn /

Der Sand hier Gold' / und Wasser Silber gleichet /

Mein Fischer-Zeug auch keinem fremden weichet;

Und hier kein Wallfisch-Fang mich heißt zu Grunde gehn;

So würdige doch diese Flüsse

Der Wohnung / und mich deiner Küsse.


Wächst hier gleich kein Corall / so sind doch Perlen dar.

Dein Hals und Mund kan beydes selbst beschämen /

Die Brust das Meer auch mit Rubin besämen.

In wenn du auf die Fluth ausbreiten wirst dein Haar /

So wird iedweder Fisch verlangen

Sich in das edle Garn zu fangen.


Wie? wilstu kalt wie Fluth / mehr stumm als Fische seyn?

Dein Ohr in Felß / dein Hertz in Marmel schlüssen?

So werd' ich zwar in eine Bach zerflüssen;

Doch wird dein Antlitz auch sich traurig wölcken ein /

Und seine Sonnen / die itzt glühen /

Die werden nichts als Wasser ziehen.


Nach dem die von allen so hoch verehrte Göttin gleichfalls kein Zeichen thät / trat aus dem Hauffen der Schmiede einer herfür; welcher an Farbe und Länge zwar einem Cyclopen gleichte; alleine seine Gebehrdung gab genung zu verstehen: daß sein Aufzug mehr angenommen / als natürlich war. Er hatte wie alle seine Geferthen einen Krantz von Eisen-Kraute auf; in der Hand einen Hammer; welchen er mit gleichmäßiger Ehrerbietung für der Jungfrauen niederlegte / und seine Liebes-Brunst auff folgende Art ausathmete:


Beseeltes Marmel-Bild / aus dem die Anmuth lacht /

Entsetze dich nicht für mir schwartzem Mohren

Ich bin berähmt / nicht aber schwartz gebohren.

Verliebt sich doch der Tag auch in die finstre Nacht.

Des Himmels Glantz macht selbst aus Liebe

Der Finsternüß den Mittag trübe.


Die Sternen buhln der Nacht / ziehn ihr ihr Goldstück an /

Fliehn für der Sonn' / um mit den Finsternüßen /

Alleine sich zu sättigen und küssen.

Wie sonder Dunckelheit kein Demant schön seyn kan /

Also vergnügt der Welt ihr Hertze

An Flecken sich und an der Schwärtze.


Sind deine Augen doch selbst Sonnen voller Nacht;

Und weil in Kohl- und andern schwartzen Dingen

Nur Zunder steckt die Glut in Schwung zu bringen /

So hat ein lahmer Schmied so viel zu wege bracht:

Daß er in den schneeweissen Armen

Der Liebes-Göttin mag erwarmen.


Bin ich nun gleich kein Schwau / so hinck' ich nicht / wie er.

Nur weiß ich auch: daß gegen Liebes-Brünste

Der Schmiede Glut kalt Wasser sey und Dünste.

Und meine Flammen sind von Rauch und Falschheit leer.

Schmeltz-Oeff' und eines Hecla Höle

Sind nicht so heiß / als meine Seele.


Ein einig Strahl von dir schmeltzt Eltzt / zermalmet Stahl.

Mein Hertze muß die Amboß-Last vertragen;

Nur daß es wird viel grimmiger geschlagen;

Denn deine Blicke sind nur Blitz und Donner-Strahl.

Dein Licht verbländet mein Gesichte

Ein lebhafft Strahl macht mich zu nichte.


Die Eße meiner Brust brennt Lichter-Leh' und kracht:

Weil sie allzeit zwey Blase-Bälg' erhellen /

So offt an dir die Brüste sich auffschwellen;

Und meiner Seuffzer Wind die Flamme lebend macht.

Ja ich muß noch zu Asche werden

Wo du nicht abhilffft den Beschwerden.


So kühle / Göttin / doch mitleidend meinen Brand /

Sey härter nicht / als schmeltzend Ertzt und Eisen

So wird es sich in kurtzer Zeit erweisen:

Daß auch Ergetzligkeit sey Flammen anverwand:

Daß Lieb' und Glut nicht nur verzehren

Und brennen / sondern auch gebehren.


Wiewol nun diese Jungfrau / welche mit ihren Rosen den Frühling auf den Wangen / mit ihren kräfftigen Strahlen den Sommer in Augen / mit ihren anmuthigen Aepffeln den Herbst auf der Brust fürbildete / mit ihrer unbeweglichen Kälte den Winter im Hertzen zu unterhalten schien / ließ sich doch der erste unter[1129] den Gärtnern nicht abwendig machen für ihr sein Hertz auszuschütten. Er hatte einen Krantz von hundertblätterichten Rosen; sein Kleid über den gantzen Leib war nichts / als eitel durch einander vermischte Blumen. Auf der lincken Seite beym Hertzen war allein ein Kreiß eitel schwartz-rother Nelcken /auf der rechten ein Kreiß voll Lilgen; zweiffelsfrey um mit jenen seine hefftige / mit diesen seine reine Liebe zu entwerffen. An dem Arme hatte er einen Korb voll Hyacinthen; welche er nebst etlichen durch diese Blume getödtete Schlangen kniende für der Jungfrau ausschüttete; und vielleicht dardurch auf die Uberwindung aller Verleumder und seiner Neben-Buhler zielte; endlich folgende Reymen mit vielen Seuffzern absang:


Wenn in der gantzen Welt die Liebe wäre kalt /

So würde sie in Gärten feurig bleiben;

Mir Brand und Blut auf tausend Pflantzen schreiben;

Das Wachsthum sey ihr Werck und Feuer die Gestalt.

Wie soll ich nun verliebt nicht lechsen

Bey so viel liebenden Gewächsen?


Die Erd' ist selbst verliebt in Himmel; denn sie schmückt

Mit Gold' ihr Haar / die Bäume mit Korallen /

Das Blumwerck mit Rubin / ihm zugefallen.

Auch liebt der Himmel sie / der als ein Argos schickt

Aus tausend Augen Anmuths-Strahlen /

Sie zu befruchten und zu mahlen.


Der Scharlach auf der Ros / und Bisam auf Jesmin /

Ist theils der Brand / theils eine Krafft der Liebe /

Wenn nicht ihr Geist die Sonnen-Wende triebe;

So würde sie so nicht der Welt ihr Auge ziehn.

Der Eppich hält die Myrth umgeben /

Die Ulm umhalset sich mit Reben.


Die Blumen sollen meist verliebter Leichen seyn;

Worauff man theils kan lesen ihre Nahmen;

Ja ihr Geruch ist nichts als Liebes-Saamen;

Wie soll ihr Balsam nicht mein Hertze nehmen ein?

Wie soll ich / Sonn' und Ros' auff Erden

Von dir nicht reg' und lodernd werden?


Weil aber du auch selbst ein Liebes-Garten bist /

In welchem Brüste / Lippen / Stirne Wangen

Mit Schnee-Balln / Anemon- und Tulpen prangen;

Den Athem Hyacinth / Acanth den Schweiß ansüßt /

So werden ja an dir auch hafften

Verliebter Stengel Eigenschafften.


Sind ohne Liebligkeit die Gärte Wüsteney?

Ist sonder Hold die Schönheit wild Gewächse /

So fühl' es doch / wenn ich so sehnlich lechse /

Und dencke: daß die Lieb' ein herrlich Pfropff-Reiß sey;

Das auch auff wilden Stämm- und Zweigen /

Granaten-Aepffel weiß zu zeigen.


Alleine diese Seuffzer verrauchten wie die vorigen vergebens in Wind; weßwegen aus der Reye der Schäfer der vollkommenste herfür trat; und mit einer annehmlichen Höfligkeit seinen zierlich geschnützten /und mit allerhand Geblüme umflochtenen Hirten-Stab / ingleichen seinen Krantz von Hyacinthen / der seine weißgerolleten Haare bedeckte / und ein auf dem Arme herbey getragenes Lamm zu den Füssen der unbarmhertzigen Jungfrauen legte; und nach dem sie ihm mit einem annehmlichern Blicke / als keinem vorher / begegnet war; seine Liebes-Gedancken durch mehr Seuffzer / als folgende Zeilen vernehmen ließ:


Es soll die Liebe jung in Hürden worden seyn;

Die erste Welt rühmt nichts als Schäfferinnen.

Wenn Heucheley sucht hohen Stand und Zinnen /

Kehrt reine Liebe nur in Schäffer-Hütten ein /

Mit dieser dich nun zu bedienen /

Bin auch ich Schäfer hier erschienen.


Die Wolle meiner Heerd' ist weisser zwar als Schnee

Doch nicht so rein / als mein verliebtes Hertze.

Geschminckte Gunst zerschmeltzt wie Eyß im Mertze /

Vergeht wie Rauch durch Wind / und Trüb-Sand in der See.

Alleine meine Brunst wird glühen /

Weil meine Brust kan Athem ziehen.


Die Einfalt ist das Saltz; Auffrichtigkeit der Kern

Der Liebe / die soll Gegen-Lieb' erwecken.

So scheue nun nicht uns're Püsch' und Hecken /

Wo nichts als Unschuld wohnt / da scheint kein Unglücks-Stern /

Wo Sumpff und Laster nicht zu spüren /

Kan dich kein Irrwisch nicht verführen.


Du Engel kanst den Wald in Lustgefilde kehrn /

Dein fruchtbar Fuß den Sand mit Kräutern decken.

Ja welches Schaf wird deine Weide schmecken /

Wird für die Wolle Gold / und Seiden uns gewehrn;

So daß auch Götter dieser Erden

Nach unser Trifft verlangen werden.[1130]


Die Welt hat eine Perl' / und eine Sonn' an dir;

So soltestu nun zwar in Purpur-Schalen /

Ja nur an dem Saphirnen Himmel pralen;

Allein die Sonne schlafft auch neben Ochs' und Stier;

Und die beperlten Muscheln schämen /

Sich nicht in Sand und Schilff zu sämen.


Du wirst mein liebstes Schaf / und ich dein Hirte seyn;

Ich werde dich mit Milch und Honig pflegen;

Den Mund dir auf / die Hand dir unterlegen /

Die Schaare kommt zwar offt / doch bleibt der Nutz gemein /

Und alle Müh dich zu vergnügen

Wird nur auff meinen Hüfften liegen.


Bey währendem Singen streichelte sie anfangs das Lamm mit den Händen / hernach hob sie es gar auff die Schoos. Sie färbte und entfärbte mehrmahls das Antlitz; die Brüste schwelleten sich zum öfftern von tieffem Athemholen auf; ja man konte genau wahrnehmen: wie ihr Hertze schneller / als vorhin zu schlagen anfieng / und ihr Gemüthe mit neuen Regungen beunruhigt ward. Unterdessen verwendete sie doch kein Auge von dem knienden Schäfer; aus welchen nunmehr auch eine Anzahl milder Thränen herfür brach; gleich als wenn sie selbte vollkommen denen Steinen ähnlich machen wolte; aus welchen so wol Wasser herfür zu quellen; als man daraus Feuer zu schlagen pfleget. Sie aber nunmehr den mit ihren Zähren kühlen wolte / den sie vorher mit den Strahlen angesteckt hatte. So bald aber dieser Schäffer sein Lied endigte /und gleichsam zwischen Furcht und Hoffnung sein Todes- oder Lebens-Urthel erwartete; hob sie mit einer gleichsam Seele und Marck durchdringenden Stimme zu singen an:


Weil Spinnen auch Gewebe ziehen /

Weil ieder Fischer Arglist braucht /

Jedwedes Feuer schwärtzt und raucht /

Dorn und Napel in Gärten blühen;

Weil Unschuld nur wohnt Schaffen bey /

Erkies' ich mir die Schäfferey.


Hiermit faste sie mit beyden Händen des knienden Schäffers Haupt / küste ihn auff die Stirne; stand auf /er grieff den für ihr liegenden Schäffer-Stab; und nöthigte den Schäfer sich auch wieder auf die Beine zu machen; welcher schier unbeweglich worden war /weil er seine Glückseligkeit nicht begreiffen konte; und die Zunge nicht mehr zu rühren vermochte /indem nichts minder ungemeine Freude / als übermäßige Bestürtzung dieses bewegliche Glied zu hemmen vermag. Die anwesenden Schäfer umgaben diese zwey Neulinge in der Liebe; erfüllten die Lufft mit einem unglaublichen Freuden-Geschrey / unzehlbaren Lobsprüchen beyder Verliebten / und inbrünstigen Glückwünschungen. Ja welches denen Zuschauern am wunderlichsten fürkam; verwandelten die Neben-Buhler ihre vorige Liebe in Gewogenheit gegen den verliebten Schäffer; und an statt der vermutheten Eyversucht / urtheilten sie ihn alleine würdig diese Perle des Landes zu besizzen. Sie versicherten ihn: daß ihr Hertz durch übermäßige Liebe bereit in todte Asche verkehrt worden / also selbtes keiner fernern Flamme fähig wäre. Zwischen diesem allgemeinen Frolocken ward von vier schneeweißen Pferden ein in Gestalt einer rundten Muschel gefertigter Wagen herzu geführet; auff welchen sich die Verliebten setzten. Diesem folgten noch viel andere mit Laub und Blumen über und über bewundene Wagen; welche die Frauen und alle Neben-Buhler aufnahmen / und gegen einem kaum zweytausend Schritte davon auf einem gähen Felsen liegenden Schlosse fortbrachten. Marbod und seine zwey Ritter hatten bey diesem Gedränge den guten Wurtzel-Mann verlohren; und / weil sie nicht begreiffen konten: wie in diesem Lande von Leuten so niedriger Ankunfft so höfliche und geschickte Bezeugungen ausgeübt / und so prächtige Aufzüge erschwungen werden könten; ersuchten sie einen / den sie für einen Edlen des Landes ansahen / um die Auslegung. Dieser bezeigte gegen sie als Fremdlinge grosse Freundligkeit; und vermeldete: daß bey den Marsingern / und[1131] zwar an dem nahen Boberflusse die deutsche Tichter-Kunst ihren Uhrsprung genommen hätte / also durchgehends alldar gemein / und im höchsten Schwunge / diese Schäferin eines Marfingischen Fürsten Leidholds Tochter; der Schäfer aber ein tapfferer Ritter wäre / welchem dieses annehmliche Thal eigenthümlich gehörte / und der auf dem nechsten Berg-Schlosse wohnte. Weil es nun was ungemeines: daß diese vollkommene Fürstin einen Ritter zu ehlichen entschlossen hätte / er aber den Nahmen eines Schaffes / und ein Schaf in seinem Schilde führte; hätten sie durch diese Vermummung ihnen nicht allein eine Lust machen / sondern auch auf dem jährlichen Feyer der Frea die freye Willkühr dieser etwas ungleichen Heyrath so viel mehr ans Licht bringen wollen. Es wäre diesem Ritter aber seiner Verdienste und Tugend halber diß Glücke wol zu gönnen; wie sie folgenden Tag selbst würden erfahren; wenn sie bey ihm übernachten; und / weil er sie doch auch für Ritters-Leute ansehe / so denn nebst ihm zu denen bey den Marsingern auf den Hochzeiten zu üben gewöhnlichen Ritterspielen erscheinen wolten. Diese Höfligkeit war diesen Fremden ein gefundener Handel; weßwegen sie ungefähr eine Meile weit in sein an dem Bober-Flusse gelegenes Hauß geführet / und daselbst wol bewirthet wurden. Dieser Ritter meldete: er hiesse Vannius / sey von Uhrsprung ein Quade / und wäre wegen gewisser Unglücks-Fälle in der Bojen Land kommen. Alleine es hätten ihn viel von den Bojen ihm angethane Verdrüßligkeiten verursacht / seinen Fuß und Wehnung über das nechste Gebürge zu den Marsingern zu setzen. Weil er nun als ein Fremdling in diesem Lande so viel Gewogenheit genossen; hätte er sich in dieser annehmlichen Gegend säßhafft gemacht; und verbinde ihn die Art dieses Landes allen Fremdlingen möglichste Dienste zu leisten. Marbod ergrieff diese Gelegenheit zu seinem Vortheil; und vermeldete: wie sie Hermundurische Ritters-Leute wären / und ihre Ebentheuer zu versuchen zu den Bojen kommen / von diesen aber nicht nur durch Uberfall ihres besten Geräthes beraubet / sondern auch sich über die Berge zu machen genöthigt worden wären. Vannius erzehlte ihnen ferner: daß die Länder der Marsinger und Burier / welche der Jader-Fluß unterscheidet / und ein Theil der Semnoner zwischen der Warte und dem Jader unter viel Fürsten zertheilet wäre; welche aber alle vom Könige Stipa / der diese Länder / wie auch die Lygier / Peuciner / Veneder /und Estier beherrschet hätte / herstammeten; zeither aber durch viel innerliche Kriege sich nicht alleine sehr geschwächet / sondern auch die Gewalt über die letztern Völcker in fremde Hände hätte kommen lassen. Auff den Morgen versahe Vannius den König Marbod und seine zwey Ritter mit Pferden / Zeug /und der ihnen abgehenden Rüstung / wie nichts minder ieden mit einem geschickten Schild-Knaben. Sie kamen zeitlich in die Schrancken / welche unter dem Schlosse auff einer Wiesen an einer annehmlichen Bach ausgesteckt / und bereit mit etlichen hundert Rittern umsätzt waren. Darunter waren drey Marsingische / zwey Burische / und so viel Fürsten der Semnoner. Es war eine Lust zu sehen; wie ieder in allerhand Arthen der Ritter-Spiele seine Tapfferkeit und Geschickligkeit bezeugte. Die Sonne stand ihnen schon über dem Wirbel; als abgeblasen / und Friedrichen einen Fürsten der Marsinger der Preiß im Kopffrennen; dem Bräutigam im Ringen / einem Marsingischen Ritter Nostitz in Ubung des Wurff Spiesses /Marboden aber im Lantzen-brechen / Promnitzen einem Ritter der Burier im Pfeilschüssen / Erdmannen einem Fürsten der Semnoner im Wettelauffen / dem Ritter Vannius im[1132] Springen zuerkennt ward. Die Preiße waren etliche schöne Pferde / etliche Rüstungen /schöne Bogen und Pfeile; und iedem ward von Hedwigen / (also hieß des Ritter Schaffes Braut) ein zierlicher Krantz auffgesetzt. Wie nun Marbod mit freyem Anlitze für der schönen Hedwig erschien / seinen Preiß zu empfangen / erkennte ihn zu allem Unglücke Erdmann der Semnonische Fürst; welcher unter des enthaupteten Fürsten Britton Heere tausend Reuter geführet hatte. Marbod hatte nur mit gebührender Ehrerbietigkeit sich nach empfangenem Krantze umgewendet; als Erdmann zu seinem Nachbar sagte: dieses wäre Marbod. Der Ritter versetzte: wie diß möglich wäre: daß ein solcher König sich allein in ein so fremdes Land mit nicht geringer Gefahr wagen solte? Erdmann aber blieb beständig: Er kennte ihn allzu eigen; und weil verlautete: daß Gottwald mit den Bojen wieder ihn einen Auffstand erregt hätte; wäre möglich: daß er über das Gebürge sich gerettet hätte. So muß man denn / sagte Promnitz / diesen Fürsten- Mörder / und welcher gantz Deutschland in Verwirrung gesetzt / beym Kopffe nehmen / und an ihm eine Rache ausüben; welche durch ihre Grausamkeit allen so übelgesinnten Unterthanen ein Schrecken einjage. Die Sache gehet alle Fürsten an; und ist einem ieden daran gelegen zu verhüten: daß der / welcher gehorsamen soll / nicht verstehen lerne: daß er seinem Gebieter könne zu Kopffe wachsen. Nostitz fiel ein: Ritter Schaf dörffte es nicht wol aufnehmen; oder zum minsten es für kein gutes Zeichen halten: daß er in seinem Hochzeit-Feyer solte in Gefangenschafft verfallen. Promnitz meldete hierauff: wir müssen es gleichwol dem Bräutigam nicht verschweigen; und zum minsten auf diesen Wütterich acht haben: daß wir uns seiner in der Nähe bemächtigen. Vannius hörte dieses Gespräche mit an; und nach dem er ein wenig nachgedacht / ließ er seinen Preiß im Stiche / folgte dem Marbod; und sagte im Vorbeyreiten zu ihm: Folge mir / Marbod / oder du bist verlohren. So bald Vannius nun aus den Schrancken kommen war / gab er seinem Pferde die Sporen; und rennte / so sehr er nur konte /Westwerts dem nechsten Walde zu. König Marbod /der aus des Vannius wenigen Worten seine grosse Gefahr genungsam ermessen konte / gab dem auff der Seite haltenden Lichtenstein und Tannenberg einen Winck / und folgte dem Vannius; welcher in dem Walde ihm seine Erkäntnüs; und daß er unzweiffelbar verfolgt werden würde / umständlich entdeckte. Sintemahl alle Semnonische und Marsingische Fürsten dem Fürsten Britton mit naher Bluts-Freundschafft verwandt wären. Weil er ihm nun Anlaß gegeben /diese Ritter-Spiele zu besuchen / und also in diese Gefahr zu verfallen; wolte er lieber sein Leben einbüssen / als den übeln Nachklang haben: daß er eine Ursache seines Verterbens wäre. Wiewol nun König Marbod nach möglichster Dancksagung für so unverdiente Treue und Wolthat ihn bereden wolte / daß er zurück bleiben / ihm und den Seinigen nicht unausleschlichen Haß zuziehen solte; wolte sich doch Vannius nicht halten lassen; weil ihnen die Wege unbekandt wären / sie also nicht allein desto ehe ereilet werden / sondern auch bey denen Semnonern in neue Gefahr verfallen möchten. Diesemnach führte sie Vannius über viel Berge und durch dicke Wälder selbigen Tag noch biß an die Kweiß-Bach / welche die Marsinger und Semnoner unterscheidet. Sie wolten daselbst gleich absteigen und ein wenig verblasen; als sie hinter sich ein Geräusche von Pferden vernahmen. Diesemnach sie zu ihren Waffen grieffen; und auch alsofort von zehen Gewaffneten angefallen wurden.[1133] Wiewol nun ieder schier gegen drey zu fechten hatte; thaten sie doch so männlichen Wiederstand: daß in weniger Zeit drey von ihren Verfolgern von Pferden fielen. Marbod aber / dem am grimmigsten zugesetzt ward / verlohr hierüber sein Pferd / und muste eine gute Weile sich gegen zwey alleine zu Fusse wehren /wiewol er zu seinem Vortheil einen dicken Tannenbaum an Rücken bekam. Weil aber Lichtenstein und Tannenberg zweyen abermahls das Licht ausleschten /kriegte Vannius Lufft dem Marbod wieder auf ein feindliches Pferd zu helffen; wiewol jener darüber einen Hau in lincken Arm / und einen Stich in die rechte Seite bekam. Aber der ergrimmte Marbod rächte alsbald seinen getreuen Vannius / und durchrennte mit seiner Lantze seinen Beleidiger; welches Zettritz /ein Marsingischer Edelmann und der Führer dieses Hauffens war. Weil denn die übrigen vier von ihren empfangenen Wunden schwach zu werden empfunden; wendeten sie sich um und verliessen die vier Verfolgten. Ob nun wol Vannius etliche mahl von seiner Verletzung in Ohnmacht fiel / so erquickte ihn doch Marbod / verband ihm auch seine Wunden mit denen vom alten Wurtzelmanne empfangenen köstlichen Artzneyen; und weil er nicht zu bewegen war zurück zu bleiben / oder nur daselbst zu übernachten; ritten sie / nach dem die Pferde kaum eine Stunde verblasen hatten / die gantze Nacht fort; kamen auch den dritten Tag über die Elbe in das Hermundurische Gebiete.

König Marbod wolte in seinem eigenen Lande sich nicht zu erkennen geben / biß er nach Calegia kam; und durch seine unvermuthete Ankunfft die Seinigen erfreuete / seine Wiedrigen erschreckte / und die zweiffelhafften Gemüther im Gehorsam erhielt. Denn weil aus dem Lande der Bojen sein Tod für allzugewiß verlautete; hatten die mit ihrem Gemüthe noch an dem Geschlechte des Brittons hangende Hermundurer den beym Cheruskischen Hertzoge Segimer sich auf haltenden Fürsten Jubil durch schnelle Posten dieser Enderung verständigt / und ins Land beruffen. Welcher denn auch in der Eil zweytausend Cherusker an sich gezogen und Vertröstung hatte: daß die Sicambrer / Tencterer und Usipeter ihm mit gesamter Hand zu Hülffe kommen wolten / welche dem Marcus Lollius den Adler der fünfften Legion abgenommen / etliche tausend Römer und noch so viel Gallier erschlagen / und also den Kayser selbst in Gallien zu kommen verursacht / aber doch als gegen dieser Macht zu schwach nach erlangter reichen Beute mit den Römern Friede gemacht hatten. Marbod ließ seine glückliche Entkommung bald in alle seine Länder ausbreiten / er aber selbst rückte an der Saale gegen das Melibokische Gebürge dem Fürsten Jubill mit zehntausend Mann entgegen / um diesen Auffstand in der ersten Flamme zu dämpffen. Weil nun Jubils Vortrab geschlagen / er selbst zurück in den Semanischen Wald getrieben / die Cheruskische Hülffe durch den Krieg mit den Catten / der Beystand der Sicambrer /Tencterer / und Usipeter durch des Römischen Kaysers treuliche Abmahnungen zurück gehalten ward; über diß hernach des Claudius Drusus Einfälle das gantze Nieder-Deutschland zwischen dem Rheine und der Elbe in Krieg verwickelte / kriegte König Marbod nicht allein Lufft seine vorigen Länder völlig zu beruhigen; sondern auch wieder die Bojen auff Rache zu sinnen.

Die Bojen hatten nach Marbods Niederlage unter dem Gothonischen Fürsten Gottwald / welcher sich eine zeitlang an des Bojischen Königs Critasir Hofe aufgehalten hatte / alle Marckmänner und Hermundurer aus ihren Gräntzen getrieben / ja der Alemännischen Fürstin Vocione ein Bündnüs angetragen / und ihr Vertröstung gethan / derselbten zu allen Landschafften zu verhelffen / welche nach König Ariovists vermeintem Tode Vermöge einer mit dem Hermundurischen Hause auff den Fall[1134] nicht hinterlassener Söhne auffgezeichneten Erbverbrüderung dem Hertzoge Britton zugefallen / nunmehr an Marbod / der an solchem Geschlechts-Vergleiche weder Recht noch Theil hatte / durch Gewalt gediegen waren. Marbod ward hierüber nicht wenig bekümmert; weil die Alemannische Fürstin Vocione mit denen streitbaren Catten feste verknüpfft war / und also ihm nicht nur dieser grosse Schwall der Völcker leicht auf einmahl hätte über den Hals fallen / sondern auch die Marckmänner und Sedusier / welche ohne diß nach der ersten Alemannischen Herrschafft seuffzeten / von ihm abtrinnig machen können. Diesemnach schrieb Marbod eine weitläufftige Erzehlung alles dessen / was ihm mit ihrem Vater dem in ihren Gedancken zwar längst / in der Warheit aber erst für weniger Zeit gestorbenen Ariovist begegnet wäre / an die Fürstin Vocione / ließ selbte beyde Ritter Lichtenstein und Tañenberg unterschreiben / und mit einem kräfftigen Eyde desselbten Warheit betheuern. Zu mehrer Bestärckung schloß er einen güldenen Ring / den Ariovist allezeit an seinem kleinen Finger getragen / Marbod aber seiner Leiche zum Gedächtnüß abgezogen hatte / bey / schickte den Lichtenstein darmit zu Vocionen; mit dem Versprechen: daß er Ariovisten zu Liebe ihr alle väterliche Länder wieder abtreten wolte; da sie ihm zu Uberwindung der Bojen würde behülflich seyn. Vocione laß diese Geschichte ihres Vaters mit höchster Verwunderung / erkennte derselben Warheit aus Marbods und seiner zweyen Gefärthen hoher Betheuerung / insonderheit aber aus dem ihr mehr als allzukenntlichen Ringe / netzte also dieses Schreiben mit vielen Wehmuths-Thränen. Wiewol ihr nun das ehrsüchtige Gemüthe des Marbods bekandt / seine ungemeine Freygebigkeit anfangs verdächtig war /wuste doch Lichtenstein alle Bedencken so vernünfftig abzulehnen: daß sie die Bojische Gesandschafft unverrichteter Sachen beurlaubte / Lichtenstein aber alles erhielt / was er verlangte.

Marbod sammlete hierauf nicht allein zwey mächtige Kriegs-Heere; sondern bot durch die Vertröstung: daß er die Meyneydischen Bojen mit Strumpff und Stiel vertilgen / ihre fetten Aecker aber seinen Krieges-Leuten eintheilen wolte / fast alle seine Völcker auff. Die Fürstin Vocione schickte ihren Vetter / welchen sie auff ihren Todes-Fall zum Alemannischen Herzoge bestimmt hatte / mit zehntausend außerlesenen Alemännern und Herudern dem Könige Marbod wieder die Bojen zu Hülffe. Dieser brach an drey Orten in ihr Land. Dem Marbod selbst zohe der tapffere Gothonische Fürst Gottwald; welchem der Bojen König Critasir wegen seiner grossen Dienste inzwischen seine einige Tochter vermählt hatte / entgegen; und setzte sich beym Eger-Strome an einem vortheilhaften Orte feste: daß ihm fast nicht möglich beyzukommen war. Vannius aber / welchem Marbod seiner Treu und Tapfferkeit halber den lincken Flügel vertraut hatte / nahm hinter den Bojen einen Paß ein; wordurch er ihnen alle Lebens-Mittel abschnitt / und sie zu Liefferung einer Schlacht nöthigte. Beyde Heere wurden gegen einander auffs klügste gestellt; die Schlacht so grausam / die Feinde gegen einander so verbittert: daß bey Entfallung der Hände und Waffen / sie mit den Zähnen einander beleidigten. Diese Grausamkeit währete von der Sonnen Aufgange biß zwey Stunden für der Nacht / ehe einiges Horn der Schlachtordnung zu wancken anfieng. Marbod und Gottwald kamen selbst an einander / und verlohr ieder drey Pferde unter dem Leibe. Endlich brach Vannius zum ersten durch / und trennte der Bojen rechten Flügel; ein Marckmännischer Ritter Bercka verwundete den Fürsten Gottwald in der rechten Seite so sehr: daß er aus dem Treffen zurück weichen muste. Hierüber gerieth das gantze Bojische Heer in die Flucht;[1135] und blieben diesen Tag zwantzig tausend Bojen / und darunter der Kern des Bojischen Adels auf dem Platze; zehntausend wurden gefangen; welche Marbod folgenden Tag auf etlicher Kriegs-Obersten Einrathen: daß denen / welche ihren Eyd gebrochen / nunmehr billich die Hälse zu brechen wären / alle hätte abschlachten lassen; wenn nicht Lichtenstein ihn der Ariovistischen Lehren erinnert; Vannius ihm auch eingehalten hätte: daß kein stärckerer Pfeiler neugegründeter Reiche / als die Erbarmung eines Fürsten; und die Erhaltung eines überwundenen Feindes ein ewiges Beyspiel seiner Großmüthigkeit wäre. Wiewol nun die erstern einwarffen: es wäre den meineydigen Bojen nicht mehr zu trauen / noch einem Fürsten durch den Ruhm der Gnade Gefahr auff den Hals zu ziehen; ließ sie Marbod doch leben; die Todten aber beerdigen. Den dritten Tag rückte er ferner ins Land /und bekam die Zeitung: daß seine zwey andere Heere unter dem Nariskischen Gebürge die ihnen begegnenden Bojen gleicher Gestalt zurück getrieben / die Alemänner und Heruder auch bereit die Stadt Casurgis belägert hätten; sein ander Feld-Hauptmann Lobkowitz schon an dem Mulden-Strome ober halb der Stadt Boviasmum stünde; allwo König Critasir seine eusserste Kräfften des Reichs / die Hülffs-Völcker der Semnoner versammlet hätte / und in ein paar Tagen dreyßig tausend Sarmater erwartete / welche über das Carpatische Gebürge / und oberhalb des Flusses Pathißus über die Donau gesetzt hatten / und mit denen Pannoniern und Norichern denen Römern in Histrien eingefallen / endlich nach abgedrungenem Frieden vom Cajus Lucius unter dem Inn diß an die Donau getrieben / und bey dieser Noth von Bojen zu Hülffe gezogen worden wären. Marbod eilte deßwegen Tag und Nacht fort / in Meynung dieser Verstärckung zuvor zu kommen. Allein weil die Muldau sehr angelauffen war / und also das Fuß-Volck in Mangel der Schiffe nicht übersetzen konte / war die Vereinbarung der Bojen / Semnoner / Sarmater / ja auch zehntausend Bastarner / welche des hingerichteten Brittons Wittib bey dem Könige ihrem Bruder ausgebeten hatte / unmöglich zu verhindern. Weil nun Critasir so vieler fremden Hülffs-Völcker erste Hitze nicht wolte verrauchen / noch auch seinem Lande eine solche Last lange auf dem Halse lassen / führte er durch die Stadt Boviasmum auf den nahe darbey gelegenen Berg hundert und zwantzig tausend über / und stellte sie in Schlacht-Ordnung. Marbod aber / der sein ander Heer unter dem Lobkowitz erwartete / blieb in seinem Läger / und ließ die Bojen darum vergebens schwermen. Den dritten Tag näherte sich Marbods anderes Heer / welches er aber hinter einem Walde verdeckt stehen / von seiner Reuterey etliche mit Fleiß gefangen nehmen / und den Bojen weiß machen ließ: daß sein Heer Noth an Lebens-Mitteln liedte / und er daher in weniger Zeit erhungern / oder zurück ziehen /oder schlagen müste. König Critasir stellte deßhalben folgenden Morgen sein Heer abermahls für Marbods Läger in Schlacht-Ordnung; wiewol er um selbtes dem Scheine nach viel kleiner zu machen / ein grosses Theil in der Stadt behielt / und ein Theil hinter dem Berge stehen ließ. Marbod führte nunmehr seines auch ins Feld / und ward zwey Stunden in gleicher Wage gefochten; weßwegen Critasir seinen Hinterhalt auff beyden Seiten anrücken / Marbod aber mit allem Fleiße seinen lincken Flügel Fuß für Fuß zurücke weichen ließ; wormit die Bojen sich von der Stadt Boviasmum entferneten. Hierauff brach Lobkowitz mit der Helffte seines verborgenen Heeres durch den Wald herfür / und setzte sich harte für die Pforte der Stadt / den Bojen den Rückweg abzuschneiden. Mit der andern Helffte des versteckten Heeres aber stellte sich der Marckmännische Ritter Thurn an den[1136] lincken Flügel biß an den Moldau-Strom; also: daß die Bojen schier auf allen Seiten entweder von den Marckmännern / oder von dem reissenden Flusse umringt waren. Die Schlacht begonte nun allererst grausamer als niemahls; nach dreyen Stunden aber gaben die Sarmaten / welchen Vannius mit dem schweren reisigen Zeuge in diesem Gedränge überlegen war / die Flucht; und weil sonst keine Ausflucht zu finden /setzten sie mit ihren leichten Pferden über die Muldau; wiewol derer etliche hundert vom Strome verschlungen wurden. Critasir mühte sich zwar bey dieser Verwirrung durch die Hauffen des Lobkowitzes zu brechen; und Fürst Gottwald / der doch kaum wegen seiner in der ersten Schlacht empfangenen Wunden auff dem Pferde sitzen konte; that mit sechstausend Mañ theils Kriegs-Knechten / theils Bürgern einen verzweiffelten Ausfall auf ihn / um ihrem Könige Lufft / und den Weg an die Stadt offen zu machen. Alleine der Ritter Bercka kam mit seiner Reuterey dem Lobkowitz zu Hülffe; kriegte den für Grim schäumenden / und verzweiffelt-fechtenden Fürsten Gottwald gefangen; und trieb die übrigen wieder in die Stadt. Inzwischen kam Marbod dem Könige Critasir so nahe: daß er ihn umarmende mit sich vom Pferde rieß. Um diese beyde Könige drängten sich nun beyde Völcker wie Bien-Schwärme / und blieben von beyden Theilen etliche hundert der streitbarsten Ritters-Leute. Endlich aber wurden die Bojen übermannet / König Critasir mit sechs tausend Bojischen Edelleuten / und zwantzig tausend andern Bojen; Wittekind ein Fürst der Semnoner / welcher halb-todt unter den Leichen aufgelesen ward / mit fünffhundert edlen Semnonern; und dreytausend andern; in gleichen fünff tausend Bastarnen gefangen; dreytausend Bojische Reuter entrannen noch über den Fluß / und kamen in die Stadt. Alles andere Volck hatte die Schärffe der Marckmännischen Schwerdter / oder die Tieffe des Stromes gefressen; wiewol Marbod auf seiner Seiten auch über zehn tausend Mann eingebüst hatte. Marbod legte den Gewinn dieser Schlacht gegen sein Volck für ein Göttliches Zuerkäntnüß der Bojischen Herrschafft aus / als wordurch das ewige Verhängnüs die Streitigkeiten der Könige zu entscheiden / und die Reiche der Welt zu verändern pflegte. Insonderheit aber meinte er mit dem gefangenen Könige Critasir das völlige Hefft der Bojischen Herrschafft in seine Hände bekommen zu haben; weil Fürsten freylich die Seele in dem Leibe ihres Reiches sind; und so wol ein Volck / als ein Bienen-Schwarm nach Verlust seines Königs verlohren geht. Daher die Thebaner / als sie ihren Pelopidas gegen Alemandern / den König zu Pheres eingebüst hatten / sich für überwunden / Artaxerxes aber / als Cyrus gegen ihn blieben war / sich für den Sieger ausruffen ließ / ungeachtet dieser das Feld verlohren / jene es behauptet hatten. Massen denn auch König Critasirs Bestrickung die Bojen in solche Verwirrung setzte: daß sie den Marbod ohne einigen Wiederstand auf etlichen erlangten Nachen und in der Eyl gefertigten Flössen zwölff tausend Mann über die Muldau setzen / und auf der andern Seite die Stadt Boviasmum sperren liessen. Weil nun diese keine genungsame Besatzung / insonderheit kein Oberhaupt hatte; die Königin nicht mehr um Reich und Freyheit / sondern allein um ihres Gemahles Leben bekümmert war; er gab sie sich und die Stadt auf Marbods Gnade; welcher noch selbige Nacht zwey Thore mit zehntausend Mann besetzte. Folgenden Tag hielt Marbod durch die Stadt auf das Königliche Schloß einen prächtigen Einzug. Auf den Strassen lagen nicht nur die Bürger / sondern so gar Weiber und Kinder auf den Knien durch ihre Demuth des Uberwinders Rache zu besänfftigen. Nach dem Marbod nun den Vannius und Bercka mit dreyßig tausend Mann die[1137] flüchtigen Sarmaten zu verfolgen befehlicht hatte; ließ er den König der Bojen für sich erfordern; welcher nun gebunden für dem Stule seinen Feind kniebeugend verehren muste; darauf er noch den Tag zuvor so viel tausenden Befehl ertheilet hatte; zu einem denck würdigen Beyspiele: daß zwischen der höchsten Ehren-Staffel und tieffstem Kniebeugen nur ein Schritt / zwischen Lorbeern und Cypressen nur ein Hand umwenden / zwischen Kron und Fessel offt nur ein Sonnen-Untergang den Unterschied mache. Marbod fragte Critasirn: Was die Bojen und ihn bewogen wieder ihren einmahl beliebten Fürsten den Auffstand zu machen? Dieser antwortete: jene die Liebe der Freyheit / mich meines Volckes. Marbod fragte ferner: wie er nun beyde gehandelt wissen wolte? Critasir antwortete: Mit dem Volcke / wie es der Ruhm eines so grossen Siegers erfordert; mit mir /wie du gehandelt seyn woltest / wenn dich heute das wanckelhaffte Glücke in meine Stelle versetzt hätte. Marbod befahl nach einem langen Stillschweigen die Königin herbey zu führen; welche ihre vorige Pracht in schlechte Trauer-Kleider verhüllet hatte; und / weil das Hertzeleid ihrer schweren Zunge das Reden verbot / ihre Thränen an statt der Worte brauchte. Sie sanck für dem Marbod in halbe Ohnmacht nieder; endlich erholete sie sich gleichwol / und fieng an: Ob sie zwar das Verhängnüs alles Vermögens entsetzet hätte / bliebe doch auch denen Elendesten das Bitten übrig. Dieses wolte sie nicht für sich selbst verschwenden / sondern für ihren Gemahl und Tochter angewehren. Sie selbst entschüttete sich nicht allein aller Würde / welche nach erlangtem Besitzthume bey weitem nicht so viel wiege / als ihr die anfängliche Begierde hiervon träumen liesse / sondern auch des Lebens; welches ohne diß eine Uberlast der Unglückseligen wäre. Jedoch würde er zuversichtlich behertzigen: daß ein Mensch durch nichts / als Verzeihung sich GOtt ähnlich; auch nichts mehr als Gnade einen Fürsten berühmt / und seine Herrschafft unüberwindlich machte; und daher auch Marbod seine Sieges-Gesetze nach seinem Ruhme und der Uberwundenen Mögligkeit mäßigen würde; weil es schwerer wäre anbefohlene Dinge thun; als befehlen / was man gethan haben wolte. Wiewol nun der Hochmuth mit dem Glücke sich für längst in Marbods Hertze eingespielt hatte; Menschen auch zwar ihre ersten gerathenen Streiche mit vernünfftiger Gemüthsmäßigung aufnehmen / zuletzt aber Vernunfft und Empfindligkeit von übermäßigem Wachsthume verdrückt wird; redete doch die Königin so nachdrücklich: daß dem Marbod die Augen über giengen / und er ihr antwortete: Seine Waffen hätte er wieder kein Frauen-Zimmer gezückt; und also solte weder ihr noch ihrem Geschlechte einig Leid begegnen. Wiewol nun Critasir und die Bojen ihm sein Licht auszuleschen weder Arglist noch Anstalt gesparet; ob wol Meineyd durch kein Band der Wolthaten zu fesseln wäre; ja die / welche darmit betheilt würden / für eine Beleidigung annehmen / wenn etwas übrig bliebe / das sie noch hätten beko en können; und endlich untreue Gemüther nichts minder / als unreine Leiber durch zu gute Pflegung nur mehr versehrt würden; wolte er doch ihrer Fürbitte so viel enträumen: daß alle Bojen Leben und Freyheit behalten / das gantze Land aber den Marckmännern räumen / und ihnen einen Sitz entweder über der Weichsel oder der Donau suchen solten. Weil nun einem Schiffbruch-leidenden auch die ihn aufnehmende Scheuterungs-Klippe für einen Hafen dienet; und der zu allem leicht zu bereden ist / der sich so gar seines Lebens schon verziehen hat / nahm nicht nur die Königin /sondern Critasir selbst diese Erklärung für eine grosse Gnade mit tieffer Dancksagung an; wiewol nichts schwerer ist / als seinem Vaterlande auf ewig gute Nacht sagen; dessen Liebe viel ihrem Leben vorgezogen.[1138] Folgenden Tag kam die Botschafft: daß die Alemänner sich auch schon der Stadt Casurgis / und vieler Bergschlösser bemächtiget / den dritten Tag: daß Vannius und Bercka die entflohenen Sarmaten in einem Walde umringet hätten; Weßwegen Marbod noch zehntausend Mann dahin schickte; welche denn die Sarmaten dahin brachten: daß sie die Waffen weg- und sich der Willkühr des Siegers unterwerffen musten. Den zehenden Tag war auf einem grossen Platze in der Stadt eine Schaubühne / und darauf ein Königlicher Stul bereitet. Nach dem der Platz mit zehntausend Marckmännern besetzt war; kam König Marbod mit allen Grossen auffs prächtigste dahin / und besaß selbten. Diesem folgte König Critasir; welcher drey der vornehmsten Bojen ihm die Königliche Kron /den Zepter und das Reichs-Schwerd fürtragen ließ /und alles mit tieffer Ehrerbietung nach eydlicher Abschwerung allen an dieses Land habenden Rechtes dem Könige Marbod überliefferte. Diesem folgten die Priester; welche denen Marckmännischen Eubagen alles Opffer-Geräthe / die zum Gottesdienste gehörigen Bücher / und ein überaus grosses Geweihe von einem Elend-Thiere; welches der erste Bojische König an dem Orte / wo die Stadt Boviasmum stehet /geschlagen / und als ein Schutz-Bild des Bojischen Reiches aufzuheben befohlen haben soll / überliefferten. Endlich kam ein Ausschuß von der Bojischen Ritterschafft; welche den Bojischen Reichs-Schild /und die Abgeordnete von Städten / die derselben Schlüssel dem Marbod zu den Füssen legten; und dieses Land nicht ferner zu betreten eydlich angelobeten. Folgenden Tag geschach der Auffbruch der Bojen; und zohe von allen Enden alles / was Beine hatte /gegen dem Donau-Strom; allwo sie bey der Vereinbarung des Flusses Inn an zweyen Orten über die Donau setzten / und daselbst von Marckmännern ein Theil ihrer Waffen zu ihrer Beschirmung wieder bekamen; also daselbst die zwey Städte Bojodur und Passau bauten; hernach aber vollends über den Inn setzten /und die alten Vindelicher verdrangen; welche aber von der Alemännischen Fürstin Vocione in die von den Marckmännern ihr nunmehr eingeräumte / aber aller Einwohner entblösten Landschafften willig angenommen wurden. Marbod hingegen theilte seinen Völckern das gantze Land aus; gab ihnen die gefangenen Sarmaten zu Leibeigenen / welche des Feldbaues pflegten / vergrösserte die Stadt Boviasmum / und nennte sie nunmehr Marbod-Stadt. Inzwischen aber rückte er mit seiner gantzen Heeres-Krafft theils an-theils auff der Elbe mit einer grossen Menge Nachen denen zum Kriege schlecht bereiteten Semnonern auf den Halß; schlug selbte zweymahl aus dem Felde / eroberte die Stadt Budorigum / und bekam in selbter den Fürsten mit allen den Seinen gefangen; also: daß dieses gantze Volck den Marbod für seinen König annahm; und zwar mit so viel mehr Belieben / weil es zeither fast unauffhörlich mit beschwerlichen Kriegen bald von denen Hermunduren / bald von denen Longobarden / bald von denen Marsingern und Buriern (welche Völcker alle streitbare Schwaben sind) abgemattet worden war / und also sie durch die dem Marbod überreichte Krone ihnen selbst gleichsam den Krantz der Ruhe auffsetzten / und dieser zu Rom als eine Göttin verehrten Mutter der Vergnügung einen Tempel zu bauen meinten. Sintemahl doch unaufhörliche Unruh beschwerlicher / als die Dienstbarkeit ist; und weil ein Besitzer grosser Heerden die Kuh nicht so offt melcken / die Schafe nicht so viel mahl scheren darff / also eines weit und ferne gebietenden Königs Herrschafft nicht so sehr und offte die Unterthanen drücken / hingegẽ sie mächtiger schützen kan / die Semnoner nunmehr unter einem so mächtigen Könige viel gemächliger zu leben hofften; Worbey denn Marbod zugleich einen[1139] klugen Staats-Mann abgab; in dem er dem Semnonischen Adel grössere Freyheiten enträumte; wolwissende: daß wenn man die Köpffe abschneiden will / die Glieder gestreichelt und eingeschläfft werden müssen. Eben zur selbten Zeit hatten die Lygier und Burgundier wieder die Burier und Marsinger einen blutigen Krieg angehoben. Die Verbitterung war zwischen ihnen so viel grösser / weil sie einander verwand / und allesamt Scherben eines für Zeiten grossen Reiches waren; Die Lygier aber alle Gefangenen ihrem bey den Naharvalen in einem Heyne verehrten Gotte gewiedmet hatten; in welchem Falle nicht nur die Feinde / sondern so gar auch die Pferde müssen abgeschlachtet werden. Der Vorwand war: daß die Lygier von denen an dem obersten Jader-Flusse gelegenen Osen einem dahin eingesessenen Pañonischen Volcke die Marsinger keine jährliche Schatzung mehr erheben lassen; diese aber solche den Lygiern nicht enthängen wolten. Marbod schickte deßhalben den daselbst bekandten Vannius zu den Marsingern und Buriern / und bot ihnen so viel Hülffs-Völcker an / als sie verlangten. Dieser brachte es durch seine kluge Handlung so weit: daß alle Marsingische und Burische Fürsten; welche nach vieljähriger Zwietracht nichts minder der zertheilten Ober-Herrschafft / als der blutigen Kriege überdrüßig waren / den König Marbod für ihren Schutz-Herrn annahmen; und ihre Länder gleichsam dem Bojischen Reiche einverleibten. Hierauff vereinbarten Marbod und alle diese Fürsten ihre Waffen / trieben die Lygier und Burgundier nicht allein zurücke / sondern fielen auch mit dreyen mächtigen Heeren bey den Burgundiern / Lygiern und Logionen ein; welche alle die Länder an der lincken Seite der Weichsel bewohnen; und noch ferner in die Arier / Helvekoner / Manimer / Elysier / und Naharvaler eingetheilet werden. Diese Völcker liefferten zwar unter dem Aschenburgischen Gebürge dem Könige Marbod mit grosser Hertzhafftigkeit eine Schlacht; weil sie aber nur unordentlich zu scharmützeln / Marbods Völcker aber nach Römischer Kriegs-Art mit geschlossenen Hauffen allenthalben durchzubrechen gewohnt waren; zohen jene den Kürtzern / und blieben zwey Fürsten der Lygier mit acht tausend Kriegs-Leuten auf der Wallstatt. Worauf sie sich in ihre Wälder verkrochen / ihre eigene Dörffer anzündeten / dem Feinde die Lebens-Mittel abzuschneiden / und nur durch vielfältige Einfälle ihren Feind ermüdeten. Weil nun die Lygier durch keine Kriegs-List aus ihrem Vortheil zu locken waren; rieth Vannius mit der grösten Macht bey den Naharvalen einzudringen / weil alle diese Völcker mit denen angräntzenden Peucinen bey der Stadt Carrodun in einem hochheiligen Heyne zwey Jünglinge /wie die Griechen den Castor und Pollux Göttlich verehrten; welches der gemeinen Meinung nach zwey vergötterte Fürsten der Marsinger und Lygier gewest /und zwar in einer Schlacht von den einbrechenden Scythen erschlagen / gleichwol aber diese bey ihrem blutigen Siege von jenen derogestalt geschwächet worden seyn sollen: daß sie mit Furcht und Schrecken sich wieder über den Fluß Tanais geflüchtet / und zur Beute nichts / als viel Säcke abgeschnittener Ohren zurücke gebracht; hingegen wol hundert tausend Menschen im Stiche gelassen hätten. Gleichwol aber würden diese heiligen Helden in keinem Bildnüsse verehret. Der Priester dieses Heiligthums verrichtete die Opffer nach Art der Assyrischen Venus-Priester in Weibes-Kleidern; welche dieser zweyen Fürsten Mutter getragen haben soll / und zugleich alldar verehret wird. Weil dieser Heyn nun ihr gröstes Heiligthum ist; kein Ding aber auf der Welt ehe als Aberglauben menschliche Gemüther zu verzweifelten Entschlüssungen bringet; würden diese Völcker bey für genommener Ausrottung dieses Heyns zweiffelsfrey[1140] ihr eusserstes thun / solches zu verwehren. Marbod wolte zwar in die Verunehrung dieses Heiligthums nicht stimmen; weil die Entweihung des fremden / ja auch so gar des gantz falschen Gottesdienstes / als welcher ja besser / als gar keiner wäre / mehrmahls von Gott schrecklich wäre bestrafft worden; so ließ er doch allenthalben die Bauern des Landes feste machen / vorgebende diesen an der Weichsel gelegenen Heyn mit Strumpff und Stiel auszurotten; derer aber ein gutes Theil wieder mit Fleiß entkommen: wormit diß Vorhaben allenthalben ruchbar würde. Es ist unglaublich / wie diß Geschrey so geschwinde alle Wüsteneyen durchdrungen / und wie es die Lygier so geschwinde nach Carrodun gezogen. Unter allen diesen verbitterten Völckern waren am grausamsten die Arier anzusehen / derer Augen für Rache glüheten / die Riesen-Leiber mit abscheulichen Merckmahlen blutig bezeichnet / und alle mit kohlschwartzen Schilden versehen waren. Sie erkieseten zu ihrem Angrieffe ihrer Gewonheit nach die traurige Nacht / und begleiteten ihn mit einem erbärmlichen Geheule. Wiewol nun Marbod sein Heer auffs vortheilhaffteste gestellt; ein geübtes Kriegs-Heer an Kriegs-Wissenschaft und den Waffen ja vom Orte / der Lufft und dem aufgehenden Mohnden für den Lygiern einen grossen Vortheil hatte; so begonte doch unterschiedene mahl seine Schlacht-Ordnung zu mancken. Denn die Lygier kämpfften mehr / als menschlich / und gichtiger / als wilde oder gifftige Thiere; lehrten also den Marbod: daß wie der heleidigte Gottesdienst die grimmigsten Gemüths-Entschlüssungen nach sich zeucht; die Verzweifelung auch die feigesten behertzt macht; also der gröste Fehler / und die ärgste Gefahr sey im ersten einem Volcke ans Hertze greiffen; und mit einem verzweiffelten Feinde treffen. Das Morden und Blutstürtzen war so grausam; das Geheule der Streitenden / und das Winseln der Sterbenden so erbärmlich: daß der Monde sich anfangs gantz blutroth färbte; gleich als selbter zugleich von so viel verspritztem Blute befleckt würde / hernach aber sich mit einer dicken Wolcken verhüllte / gleichsam seine Augen für so viel traurigen Todesverstellungen zu verschlüssen /theils für so viel Wehklagen seine mitleidende Ohren zu verstopffen. König Marbod selbst gerieth zwischen einen Hauffen rasender Arier: welche zwölff seiner um sich habender Marckmäñischer Ritter in Stücken hieben; und wäre es um ihn gethan gewest; wenn nicht Vannius / Thurn und Posadof ein Burischer Ritter mit etlichen Reisigen ihm zu Hülffe kommen wäre; und dem zu Fusse fechtenden Marbod wieder zu Pferde geholffen; ja Vannius / weil ihm der Schild zerspalten war / mit seinem Arme / einen auf den Marbod von dem Fürsten der schwartzen Arier / Siebenhertz geneñt / geführten heftigen Streich aufgefangen hätte; worüber Vannius denn selbst ohnmächtig zu Bodem sanck. Endlich entsetzte ihn völlig Kunrad ein Fürst der Marsinger mit fünffhundert Edelleuten; darunter einer dem Fürsten Siebenhertz anfangs seine Bären-Haut mit einem grossen gelben Horne vom Kopfe rieß; hernach ihm selbten gar zerspaltete; weßwegen ihm König Marbod das gelbe Horn nicht nur zu seinem Schilde / sondern auch zu seinem Geschlechts-Nahmen zu führen verlieh. Ein ander Marsinger begegnete dem herzudringenden Fürsten der Naharvaler dergestalt: daß er ihm mit seinem über den Kopff abhängenden Bären-Tatzen den halben Schild abhieb; hernach ihm einen Pfeil recht durch den Mund zum Nacken heraus schoß; welchem Marbod die Bären-Klauen im Schilde zu führen / und den Nahmen Pfeil gab. Hierüber begonte es zu tagen / und die Sterne zu erblassen; zugleich auch der Vortheil der Lygier zu verschwinden / und der Marckmänner zuzunehmen; Gleich als wenn das Göttliche Verhängnüs diesen Völckern den Tag / jenen die Nacht zum Obsiege eingetheilt hätte. Den Lygiern war mit Hinfallung ihres Fürsten / und Zertrennung der Arier auch guten Theils das[1141] Hertze entfallen; die Marckmänner konten sich besser besehen; und also fielen der Ritter Bercka / Schaf / und Promnitz auff beyden Seiten denen wie eine Mauer noch unbeweglich-stehenden Helvekenen und Elysiern mit ihrem Reisigen-Zeuge ein: daß alle Lygier gegen den Mittag in offenbare Flucht geriethen; wiewol mehr als die Helffte Fuß für Fuß fechtende auf dem Platze todt blieb; der vierdte Theil und darunter sieben Fürsten gefangen wurden / und kaum ein vierdtes Theil in die Länder entran. Also überwältigte Marbod / wiewol mit Verlust / zwölff tausend streitbarer Krieges-Leute die Lygier / Logionen / und Burgundier / welche sich biß auf diesen Tag gerühmt hatten: daß kein Feind noch gegen ihre gleichsam höllische Gesichter stehen können; sondern sie mit ihrem blossen Anblicke schon den halben / mit ihren Schwerdtern allezeit den völligen Sieg erlanget hätten. Vannius ward mit Marbods höchster Bekümmernüs für todt von der Wallstatt auffgehoben; endlich aber durch Erquickungen wieder zum Athmen / und endlich durch Aderlassen; weil das Geblüte wegen verhinderter Umkreissung das Hertze erstecken wolte / zu Kräfften gebracht. König Marbod rückte noch selbigen Tag für die an der Weichsel auff einem Berge liegende Festung Carrodun; darinnen die Hertzogin der Naharvaler Hermegild des Logobardischen Fürsten Tochter selbst ihr Eh-Herr in der Schlacht erschlagen; ihre zwey Söhne aber gefangen waren. Weil nun der Ort feste; ließ Marbod selbten mit Bedräuung: daß er bey verweigerter Aufgabe der Fürstin Söhne um Carrodun zu tode schleiffen / und den Hunden fürwerffen wolte / auffordern. Die Fürstin ließ anfangs dem Marbod zur Antwort wissen: der Hunde Magen wäre ein edler Grab ihrer Söhne / als todter Marmel. Und als er einen Knecht in der Tracht eines ihrer Söhne um die Stadt schlieffen ließ; schickte sie ihm einen Korb voll Rosen heraus / und ließ ihm entbieten: Er möchte doch darmit ihres Sohnes Leiche bestreuen lassen / um zu schauen: Ob die Naharvalischen Blumen so kräfftig / als die Trojanischen wären / wormit Venus Hectors Leiche für Zerreissung der Hunde beschirmet haben solte. Endlich ersuchte sie den Marbod: er möchte auff gutes Vertrauen mit ihr selbst die Bedingungen der Ubergabe zu schlüssen belieben; und sich dem eussersten Thurme nähern; darauff sie bey Fürstlichen treuen Worten alleine erscheinen wolte. Marbod / welcher diese Fürstin ihrer Großmütigkeit halber sehr hatte rühmen hören / kam /ungeachtet alles Wiederrathens / an denselben Thurn; da er deñ von ihr allein die Bitte vernahm: er möchte sie mit der Leiche ihres Eh-Herrn beschencken. Marbod sagte: Sie solte diß und alle Höfligkeit bey Ubergebung der Stadt erlangen. Sie aber antwortete lachende: Es wäre eine grosse Thorheit die Todten mit Lebenden verwechseln; in dem ein Feind zwar diesen Schaden / jenen aber kein Haar mehr krümmen könte. Marbod fuhr fort: So wolte er denn ihre Söhne in ihrem Gesichte abschlachten lassen. Sie lachte abermahls / entblöste ihren Untertheil des Leibes / und sagte: Siehe Marbod: daß die Werckstadt mehrer Söhne hier noch gantz unverletzt sey. Marbod wendete schamroth das Pferd um / kehrte spornstreichs zurück; und befahl mit allen Kräfften die Belägerung zu befördern. Wiewol nun die Mauerbrecher wegen der Höhe nicht zu brauchen waren; so drangen die Marckmänner doch durch Untergrabung in die Stadt. Die Fürstin zohe sich hierauf mit dem Kriegs-Volcke in das Schloß; und ließ unter die Eroberer dreyhundert wilde Schweine loß; mit welchen sie ihnen genung zu thun machte / und inzwischen alles ihr Volck sicher in das Schloß brachte. Aber diese wilden Thiere wurden auch bald gefället; und hiervon zehen Rittern der Nahme Schweinitz zugeeignet; folgends von dem Ritter Thurn / der ihm die seines[1142] wegen gleichmäßiger Ersteigung erlangten Nahmens Ehre ausbat / das Schloß übermeistert. Ja ob sich wol die Fürstin der Naharvaler / wie Asdrubals Gemahlin zu Carthago /aus dem Fenster in Graben stürtzte; brach sie doch nur einen Schenckel; ward also wieder ihren Willen aufgehoben und geheilet. Wormit aber der kluge Marbod nicht so wol der Naharvaler Mauern / als ihre Hertzen eroberte / ließ er mit unglaublicher Mühe auff dem Bojischen Gebürge tausend der grösten Lier-Bäume ausheben / und selbte rings um der Naharvaler heiligen Heyn setzen. Denn er wuste wol: daß das Schiff eines Reiches nicht feste stehen könte / wenn es nicht der eingesenckte Ancker der wahren / oder wenigstens der angenommenen Gottesfurcht hielte. Alleine diß war nicht so wol ein Geschencke Marbods /als der Naharvaler selbst; welche unsäglich viel Schweiß nicht so wol der daselbst angebeteten Gottheit / als Marbods Ehrsucht und Heucheley opfferten. Diesemnach denn die Andacht und Freygebigkeit /wie auch alle dieselben Opffer / welche Fürsten für erwürgte Menschen von dem ausgepreßten Schweiß und Blute der Uberwundenen GOtt zu bringen pflegen / keine geringere Flecken an sich kleben haben / als das von der Phryne in den Grichischen Tempel gewiedmete goldene Bild / welches Crates gar recht ein Sieges-Zeichen der Grichischen Unmäßigkeit hieß. König Marbod aber hatte kaum diß Werck vollbracht; als er Nachricht bekam: daß die zwischen den Brunnen der Oder und der Weichsel wohnenden Gothinen; derer Sprache anzeiget: daß sie von den Galliern ihren Uhrsprung haben / auf Verleitung der Lygier nicht nur im Anzuge wären; sondern auch der Cheruskische über die Quaden zwischen der Donau / dem Bojischen- und Mohnden-Gebürge gesetzte Stadthalter /mächtige Krieges-Rüstungen machte; und weil ohne diß der Cheruskische Feldherr Segimer seinen Feind den Fürsten Jubil bey sich hielte / und den Marckmännern wenig hold wäre / solche nicht unbillich gegen ihm angesehen zu seyn schiene. Diesemnach schickte er den Vannius mit zwölff tausend Kriegs- Leuten den Gothinen entgegen; welcher sich in einen Wald versteckte / die darein sonder einige Furcht und Vorsicht rückende Feinde auf allen Seiten überfiel und mit ihrem Fürsten auffs Haupt erlegte; hierauf ein Theil seines Volckes in der erschlagenen Gothinen Röcke verkleidete / und den Ritter Oppersdorff darmit gegen die bey dem Brunnen der Oder gelegene Stadt Parienna schickte / und selbte unter dem Scheine: daß sie darein von dem Hertzoge zur Besatzung geschickt würden / ohne Wiederstand eroberte. Vannius selbst durchstreiffte das gantze Land / und bemächtigte sich etlicher festen Plätze. Inzwischen demüthigten sich die übrigen Lygier / Logionen und Burgundier unter die Siegs-Hand des mit den dreyen Herren ihnen im Hertzen stehenden Königs Marbod; leisteten gegen Bestetigung ihrer alten Rechte ihm den Eyd der Treue; und versicherten ihn im Wercke zu bezeugen: daß zwischen Sieger und Besiegten niemahls die Verträuligkeit fester klebte / als wenn sie vorher aufs eusserste ihre Kräfften gegen einander geprüfet hätten. König Marbod schlug eine grosse Anzahl derer / die in diesem Kriege sich tapffer gehalten hatten; und darunter Seidlitzen / Gerßdorffen / Pritwitzen / Stoschen / Rohren / Zedlitzen / Schmoltzen / Kitlitzen / Bocken / Hauwitzen / Pogrellen / Retschin / Hund / Tschammer / Abschatz / Röder / Schöneych / Schindel / Mülheim / Dier / Braun / Gafron / Ratzbar / Heyde /Logau / Strachwitz / Borschnitz / Waldau / Leftwitz /Hocke / Studnitz / Baruth / Niemitz / Nimptschen /und noch viel andere Marsinger und Marckmänner zu Rittern; ließ durch seine Kriegs-Obersten sich aller vortheilhafften Plätze / besonders an der Weichsel gegen die Sarmater auffs beste versichern / er aber rückte[1143] mit einem mächtigen Heere in der Gothiner Gebiete / darinnen er zu völliger Uberwindung dieser ohne diß zur Dienstbarkeit geneigten / und theils den Sarmaten / theils den Quaden Zinßgebender Völcker wenig zu thun fand; weil Vannius das meiste schwere gethan / den Ruhm aber alleine für seinen König ausgehoben hatte. Marbod rühmte diese ungemeine Dienste des Vannius / und fragte: welcher Gestalt er sie gegen ihm durch Danckbarkeit ausgegleicht wünschte. Vannius fieng hierüber an zu seuffzen; meldende: sein Wunsch übersteige die Bescheidenheit eines schlechten Dieners; wiewol nicht das Vermögen eines so grossen Königes; und daher wolte er lieber seinen Begierden / als seiner verbindlichen Erniedrigung etwas abbrechen; weil doch die Sache so groß wäre; die er ihm nicht zuzumuthen traute / wenn er schon zehnmahl so viel Verdienste für sich anzuziehen hätte. Marbod aber antwortete: Er hätte dem Vannius nicht nur viel Siege / sondern auch etliche mahl das Leben zu dancken; also solte er es kühnlich begehren; wormit er sein eigen Gemüthe erleichterte / ihn / den König aber einer so grossen Schuld entladete. Vannius eröffnete hierauf: Er wäre aus dem edlen Geschlechte des Fürsten Tuder / des berühmten Königes der Quaden. Vom Verhängnüsse rührte her: daß die Cherusker die Ober-Herrschafft an sich gerissen hätten; die Quaden aber durch die häuffig in ihr Land geführte Schwaben gleichsam wären zu Knechten gemacht worden. Sein Vater hätte zwar bey dem langen Bürgerlichen Kriege sich mehrmahls bemüht die unter dem Joche lechsenden Quaden in ihre alte Freyheit zu sezzen; und er selbst sich zweymahl ins geheim hinein gewagt; alleine beyder Anschläge wären allemahl durch seltzame Zufälle zu Wasser worden. Wenn ihm mm König Marbod ein Theil seines Krieges-Volckes verleihen wolte / wäre er entschlossen anitzt / da die Cherusker anderwerts alle Hände voll zu thun / den Drusus auf dem Nacken hätten durch der Marckmänner Siege die Macht der Cherusker auch von den Quaden gantz abgeschnitten wären / sein Heil in Eroberung seines väterlichen Reiches zu versuchen. Er hätte bereit etliche verträuliche Quaden an sich gezogen; die ihm die schlechte Verfassung der Cherusker /die Abneigung / welche die bedrängten Quaden von ihnen hätten / eröffnet / und zu einem leichten Obsiege grosse Hoffnung machten. König Marbod umarmte den Vannius / hieß ihn seinen Bruder / bot ihm alle Kriegs-Macht / ja sich selbst zum Gefärthen an /wenn nicht Vannius selbst seinem Anschlage dienlicher / seiner Tapfferkeit rühmlicher hielte: daß er nur alleine in das Gebiete der Quaden / als ihr rechtmäßiger König / einbräche. Vannius drang hierauf mit dreissig tausend Mann über das von vielem Eisen-Bergwerck berühmte Monden-Gebürge / in welchem die Gothiner / als Leibeigene / den Quaden arbeiten müssen. Der Wiederstand war schlecht / weil er seine Feinde durch eine Kriegs-List auf einen andern Ort verleitet hatte. Er nahm die am Marus-Strome unter dem Gebürge in einer fruchtbaren Fläche gelegene Stadt Eburan zwar mit Sturm ein / ließ aber keinem Quaden weder an Leibe noch Gütern das geringste Leid anthun / sondern sich für einen Enckel des Fürsten Tuder / für einen König der Quaden ausblasen /welcher mit seiner Kriegs-Macht nicht sie zu beschädigen / sondern aus der Cheruskischen Dienstbarkeit zu retten dahin kommen wäre. Er tödtete alle Cherusker / und setzte lauter Quaden in die Aempter. Marbod ließ daselbst sich auch erklären: daß er an die Quaden keinen Anspruch / sondern ihrem rechtmäßigen Fürsten nur diese Hülffs-Völcker verliehen hätte /die er alsobald wieder abfordern würde; wenn er die Quaden zu ihrer Freyheit gebracht. Vannius / weil er vernahm: daß der Feind bey Eburodun eine Macht versa lete; wolte keine Zeit verspielen / rückte also in zwey[1144] Tagen dahin; inzwischen breitete sich der Ruff von des Vannius Fürhaben durch das gantze Land aus; also: daß nach dem der Ritter Zierotin mit seinem Vortrabe sechstausend Cherusker und Schwaben geschlagen hatte; die bey Eburodun versammleten Quaden auf Anstifften eines von Eburum dahin vom Vannius geschickten Edelmanns Choltitz / die Cheruskischen Befehlhaber verliessen / und zum Vannius übergiengen; Die Cherusker und Schwaben aber theils in die Stadt und nahe darbey auf einem Felsen liegende Festung sich verstecken musten. Gleichwol entschloß sich Vannius mit der Helffte seines Heeres selbte zu belägern; mit der andern Helffte aber fortzurücken / und die Versamlung der zertheilten Feinde zu hindern. Die Ritter Losenstein / Würben / Schlick /Traun und Polheim waren die Kriegshäupter der Belägerer / Hardeck / Rothal / Schlawata / und Windisch-Grätz der Belägerten. Wie hartnäckicht sie nun gleich diese Stadt und Schloß vertheidigten / so giengen doch alle Nacht viel Quaden zu den Marckmännern über / alldar sie auffs freundlichste aufgenommen wurden / hingegen den Belägerern alle Heimligkeiten entdeckten. Dahero denn / weil diese durch einen unterirrdischen Gang fünff hundert Mann in die Stadt spielten / die Quadischen Einwohner auch selbst wieder die Besazzung die Waffen ergrieffen / die Stadt leicht stürmender Hand erobert / Schlawata und Windisch-Grätz selbst tödtlich verwundet wurden. Vannius aber rückte sonder einigen Wiederstand biß nach Medoslamium fort / allwo Segesthes oder Sieg-Ast der Caßuarier Hertzog als Oberster Stadthalter des Feldherrn Segimers / vom Flusse Narus / als dem damahls eussersten Ende des Quadischen Reiches / alle Macht versamlet hatte. Die Quaden aber verliessen ihn eben so wol grossen Theils; also: daß Vannius sonder grossen Verlust den Feind aus dem Felde schlug / den Segesthes selbst gefangen bekam; die Städte Medoslamium und Celemantia an dem Flusse Teja ihm die Schlüssel entgegen schickten; die Schwaben auch selbst sich dem Vannius ergaben; die früchtigen Cherusker aber nirgends hin / als nach Carnunt an der Donau zu entkommen wusten; welche mächtige Stadt sich unter der Römer Schutz freywillig begeben hatte; als Tiberius mit Hülffe der Skordisker so tieff bey denen Pannoniern eingebrochen war. Weßwegen der Römische Land-Pfleger zu dem Vannius schickte / und ihn bedreulich aus dem Quadrischen Gebiete / weßwegen die Römer mit den Cheruskern in Bündnüs stünden / zu weichen ermahnen ließ; welchem Vannius / nach eingeholetem Rathe des Königs Marbod / antwortete: Die Römer hätten ihm in seinem väterlichen Reiche so wenig / als er ihnen zu Rom Gesetze fürzuschreiben / und er hätte an dem Könige Marbod einen mächtigern Bundsgenossen /als die Cherusker an den Römern. Weil nun die Römer zu Carnunt zwar einen Fuß / aber keinen Nachdruck hatten / unterdeß aber die Feindschafft zwischen dem Segimer und Drusus ruchbar ward; machte sich Vannius zum völligen Oberhaupte der Quaden / und bestieg mit grossem Frolocken den Stul des grossen Königes Tuder.

Also hat das Verhängnüs gleichsam sein Spiel mit Veränderung der Herrschafften; und ergetzet sich an Erhebung eines untergedrückten / und an Abstürtzung eines empor gestiegenen Geschlechtes / welches aber mit der Zeit nach dem Beyspiele eines sich umwenden den Rades wieder in die Höhe steigt; und lassen sich alle der Herrschafft gewohnte Stämme schwerer / als Dornen ausrotten. Denn wenn selbte gleich aus bitterstem Hasse des Volckes verstossen / auch sie mit grosser Blutstürtzung vertilgt werden / bleibt doch noch ins gemein ein verborgener Käum übrig / welchen das Volck hernach so begierig wieder pfleget /als es vorher seinen Stamm beschädigt hatte / entweder weil es sich durch Erkiesung neuer Herren selten verbessert sieht; oder weil die[1145] Zeit so wohl die Gramschafft / als unreiffe Früchte versüsset; auch gehabte und künfftige Fürsten uns allezeit besser / als die gegenwärtigen zu seyn düncken.

Vannius war kaum fertig / als er vom Könige Marbod Nachricht erhielt: daß Drusus mit grosser Kriegs-Macht über den Rhein gesetzt / und wieder die Sicambrer und Catten bereit ziemlichen Vortheil erlangt hätte. Weil nun die Länder zwischen der Saale und Elbe der meisten Kriegs-Macht entblöst / einem so listigen Feinde aber nicht zu trauen wäre; Gleichwol aber er aus den Lygiern sein Heer nicht so bald daselbst hinziehen könte; ersuchte er ihn mit seinen entpehrlichen Völckern geraden Weges durch das Bojische Reich zu Beschirmung der Hermundurischen Gräntzen zu eilen. Vannius stellte bey den Quaden alles in gute Sicherheit / und kam mit zwantzig tausend Marckmännern und Quaden an die Sale. Weil er nun vernahm: daß Drusus seinen Zug recht gegen die Hermundurer einrichtete / verständigte er es den König Marbod / der mit seinem Heere bereit biß zu den Semnonern kommen war. Dieser eilte Tag und Nacht / und stieß den Tag vorher / ehe man des Drusus Vortrab ausspürte / bey dem Hermundurischen Saltz-See zum Vannius. Weil nun Drusus ihnen nicht gewachsen war / gab er gute Worte / beschenkte beyde Könige / machte mit ihnen Freundschafft und Bindnüs / und richtete seinen Weg gegen die Cherusker; allwo er aber den Ruhm seiner vorigen Siege und zugleich sein Leben einbüste.

Weil nun Augustus den dem Drusus angethanen Spott zu rächen / den Tiberius Nero abermahls mit Kriegs-Macht über den Rhein / den Sentius Saturninus aber in Pannonien schickte / jener zwar hin und wieder streiffte / aber nichts hauptsächliches ausrichtete / noch ein Haupt-Treffen wagen wolte / und also so gut er konte Frieden machte; wiewol ihn der Kayser deßwegen an statt des Drusus zum Sohne annahm / und ihm die Würde eines Feld-Herrn zueignete / dieser aber nach etlichen wieder die von den Quaden nunmehr Hülff-loß gelassene Pannonier erlangten Vortheilen zum Land-Vogte in dem von den Römern besessenen Deutschlande gemacht ward; kriegte König Marbod Lufft und Gelegenheit sich der übrigen zwischen der Weichsel und Elbe gelegenen Völckern vollends zu bemächtigen.

Es war der auf beyden Seiten der Weichsel und an dem Schwäbischen Ost-Meere gelegenen Gothaner /Estier und Lemovier Hertzog Arnold / des Mauritanischen Königs Bojud Schwester-Sohn. Denn sein Vater Ehrenfried / als damahls ein abgefundener Herr / hatte mit denen Africanischen Kauf-Schiffen / welche nach Wisbye auf Gothland handeln / und wegen des Agsteins offt an dem Estischen See-Ufer anlenden / sich in Mauritanien übersetzen lassen; und in dem Treffen zwischen des Kaysers Julius und des Pompejus Kriegs-Heeren sich nicht nur sehr ritterlich bezeiget / sondern auch dem alten Könige Bojud das Leben erhalten; weßwegen er ihm seine Tochter vermählet /und die Stadt Lix / des Anteischen Riesen alte Wohnung / an dem Flusse Lixus / nebst einer sehr fruchtbaren Landschafft eingeräumet hatte / in welcher so grosse Weinstöcke und Trauben wachsen: daß die ersten zwey Männer nicht umarmen können; die Weinbeeren aber Hüner-Eyern gleichen. Nach seines ältesten Bruders Tode aber erkiesete er doch für diesem Lustgarten sein raues Vaterland; zeugte daselbst mit ihr unterschiedene Kinder / und ließ zum Erben seiner Fürstenthümer oberwehnten Hertzog Arnold. Wie nun inzwischen König Bogud den unglücklichen Zug in Hispanien dem Antonius zu Liebe thät; daselbst geschlagen / und hernach / als die Tingitaner von ihm ab / Bochus und die Römer ihn mit grosser Macht überfielen / sein gantzes Reich dem Sohne zu theile; ja er[1146] endlich selbst vom Agrippa bey Methon erschlagen ward; nahm Micipsa Bogudes Sohn mit etlichen edlen Mohren zu seiner Schwester über das Meer in Deutschland seine Zuflucht. Dieser als ein so naher Freund und geschickter Herr / ward nicht nur von seiner Schwester Elißa / sondern auch von ihrem Sohne dem herrschenden Fürsten Arnold auffs freundlichste empfangen / und aufs beste unterhalten. Dieser Arnold hatte des Sidinischẽ Herzogs Tochter Gertrud zur Ehe / eine Fürstin von unvergleichlicher Schönheit. Weil nun seine Liebe gegen ihr übermäßig war /konte sie nichts / als eine ungearthete Tochter gebähren / nemlich die Eyversucht; also: daß / ob sie zwar sonst alles hatte / was ihr Hertz verlangte / sie den noch meist in der Einsamkeit / gleich als in einem Kercker leben muste. Gleichwol aber erlaubte er ihr wieder seine Gewonheit seinen Vetter Micipsa mit allen Ergetzligkeiten zu unterhalten. Es war kein Jahr seiner Anwesenheit vorbey; als Gertrud auf einmahl eine schneeweisse Tochter / und einen braunen Sohn gebahr. Die Freude der glücklichen Geburt verwandelte sich / so bald Gertrud dieses Mohren-Kind anblickte / in ein solches Hertzeleid / welchem die überstandenen Geburts-Schmertzen nicht zu vergleichen waren / und sie würde es mit hundert mahl so viel Wehen gerne in ihren mütterlichen Leib wieder verschlossen haben / als selbter es an das Tagelicht gebracht hatte. Sie stürtzte anfangs eine See voll Thränen / und ihre Augen nicht minder Wasser / als ihr Leib Blut von sich. Dieses Weinen verwandelte sich in Seuffzer / hernach in ein Recheln / und endlich in eine kalte Ohnmacht. Ihre Gehülffen hatten mit Kühlen und reiben eine Stunde zu thun / ehe man wieder ein Leben an ihr sah. Wie sie sich nun endlich wieder erholete / fragte Hertzog Arnolds Mutter nach der Ursache ihrer so plötzlichen Veränderung. Gertrud zeigte auf den für ihr liegenden schwartzen Sohn; gleich als wenn diß dem schwartzen Tode ähnliche Kind ihr eine genungsame Ursache ihrer Todes-Angst andeutete. Elißa sagte hierauf: bin ich doch selbst / und keines der Kinder in Africa weisser / als dieses. Gertrud seuffzete / und rieff allein mit verbrochenen Worten: Ach! Arnold! Arnold! Elißa merckte nunmehr: daß sie wegen ihres Eyversüchtigen Ehherrns in Beysorge stünde; samt sie bey ihm in Verdacht einer mit dem Micipsa zugehaltenen Liebe verfallen würde. Dahero ermahnte sie sie / ihr keinen Kummer zu machen; ihrer beyder nahe Bluts-Freundschafft / ihre Tugend und Treue wären genungsame Vorredner und Zeugnüsse ihrer Unschuld. Arnold wäre selbst der Mutter nach aus Mohrischem Geschlechte; da man denn Beyspiele hätte: daß die Art und Aehnligkeit der Groß-Eltern sich erst an Kindes-Kindern herfür thäte. Zu dem wäre die blosse Einbildung schwangerer Mütter eine seltzame Mahlerin und Bildschnitzerin. Eine Mohrische Königin hätte sich an einem weissen Marmel-Bilde Andromedens versehen: daß sie eine weisse Tochter gebohren. Eine Fürstin der Estier hätte wegen eines ihr nachdrücklich eingebildeten Bäres / den sie auff der Jagt erlegt / einen gantz rauchen Sohn zur Welt bracht. Ja es stimmten alle Naturkündiger überein: daß der Weiber hefftige Einbildung in der ehlichen Beywohnung durch die kräfftige Würckung der Seele sich auch in die eusserliche Bildung der empfangenden Frucht auszulassen mächtig; und dannenhero nichts verdächtiges wäre: daß diß ihr Kind nach dem Micipsa und andern um sich habenden Mohren wäre gebildet worden. Gertrud / nach dem sie durch einen hochbetheuerlichen Eyd bekräfftigt hatte: daß diß braune Kind Arnolds Sohn wäre; antwortete Elißen: Aller Verdacht liesse sich mit vernünfftigen Gründen ablehnen; was aber die blinde Eyversucht mit ihrem stinckenden Atheme einmahl schwärtzte /könte die vollkommenste Unschuld mit keiner Lauge noch[1147] Seiffe wieder rein waschen. Denn dieses Laster speisete sich nichts minder mit des Ehweibes Flecken; als die Kefer mit Mist und Unflat. Ja es wäre gearthet / wie gewisse Feigen / welche durch Zeugung eines besondern Gewürmes allererst sich reiff und vollkommen machten; und die Eyversucht meinte so denn den Purpur der Tugend anzuhaben; wenn es ein unschuldiges Weib mit dem Geschmeiße des Ehbruchs für der Welt besudelt und verdächtig gemacht hätte. Der argwöhnische Arnold hätte sie sonder einigen Anlaß wie ein hundert äugichter Argos bewachet; nunmehr würde bey so scheinbarem Grunde sie kein Ding auff der Welt von Verdammung des Ehbruchs entschütten können; und sie wolte durch selbsthändige Verspritzung ihres Blutes seiner Rache selbst gerne den Dienst des Nachrichters verrichten; sie solten nur ein Mittel er sinnen ihre Unschuld und guten Nahmen bey der Nachwelt zu erhalten. Elißen / und denen anwesenden drey andern edlen Frauen fielen für Mitleiden so viel Thränen aus den Augen: daß sie das berähmte Kind hätten daraus baden können / wenn nur ihr Saltz eine genungsam scharffe Lauge abgäbe natürliche Flecken des Leibes wie der Seele abzuwaschen. Weil aber diß vergebens war / machten sie nach reiffer Berathung einen Schluß dem Hertzoge nur die Geburt der weißen Tochter zu eröffnen / den schwartzen Sohn aber zu vertuschen / und anderwerts erziehen zu lassen; darzu denn Leitholde die Hofmeisterin eine Sidinische Edel-Frau schon Gelegenheit zu finden versprach. Diesen Schluß eröffneten sie der Fürstin Gertrud; bey welcher nunmehr die Ehren- und Mutter-Liebe einen innerlichen Krieg anfieng; indem jene zu der Entfernung ihres Kindes stimmte / diese aber sie nicht wolte geschehen lassen; weil über die besorgten fremden Zufälle in Deutschland auch unter Fürsten nicht nur ungewöhnlich ist / sondern für eine auch so gar wilden Thieren ungemeine Unart gehalten wird; wenn eine Mutter ihr Kind nicht mit eigenen Brüsten nähret; sondern sie Mägden als Seug-Ammen hingiebet. Daher / als Leitholde das Kind aus der Wiege nahm und forttragen wolte; fieng die Fürstin Gertrud überlaut an zu ruffen: haltet und last mir mein Kind ungeraubet; weil ich mich lieber selbst / als diß mein anderes Mich / das beste Theil meines Leibes und die einige Freude meiner Seele verlieren will. Unterstehet ihr euch das Gesetze der Natur zu verletzen / und das unzertrennliche Band des Gemüthes und der Liebe /welches Eltern und Kinder vereinbart / zu zerschneiden? Meinet ihr: daß eine Mutter ihr zartes Kind aus den Augen lassen könne / ohne daß sie es nicht zugleich aus dem Hertzen verliere? Sintemahl der Zunder der Mutter-Liebe durch die holden Anblicke ihrer Augen vermehret wird; also nothwendig durch ihre Entfernung verleschen muß. Was ists vor ein Unterscheid: Ob ich meines Kindes als eines Todten / oder als eines verstossenen vergesse? würde mein Sohn mich künfftig des Mutter-Nahmens zu würdigen Ursache / oder mich zu lieben Anlaß haben / weil ich ihm die Gelegenheit mich zu kennen / und die Empfindligkeit nach mir zu verlangen verstricke? die ersten Käumen der angebohrnen Zuneigung erstecke /wenn ich seinem Gesichte mein Antlitz / seinen Ohren die lockende Mutter-Stimme / seinem Fühlen die hertzlichen Küsse / seinem Geschmacke die süsse Mutter-Milch entziehe; und also keiner seiner Sinnen den innerlichen Funcken der Kinder-Liebe auffblasen kan; als an welcher die Einbild- und Angewöhnung fast mehr / als die Natur Theil hat. Daher lasset ehe meinen Eh-Herrn mich tödten / als daß ich eine Kinder-Mörderin werde. Denn es ist besser tod seyn / und das Kind nicht lieben können / als leben / und es nicht lieben wollen. Die[1148] Fürstin Elißa redete ihr ein: Es wäre verantwortlicher beyde / als eines / beym Leben erhalten; auch die nothwendige Entfernung eines Kindes nichts weniger als ein Todschlag zu nennen. Wie viel Kinder verlieren ihre Mütter bald nach- oder auch für der Geburt; müsten also nicht nur fremder Frauen / sondern zuweiln gar wilder Thiere Brüste saugen. Und ich / versetzte Gertrud / soll meine Brüste meinem Kinde entziehen / welche die barmhertzigen Wölffe und Bären Menschen verleihen? Keine andere Noth kan Mütter dieser ihrer Pflicht erlassen / als der Tod / welcher freylich alle Verbindligkeit nicht nur gegen Menschen / sondern gar gegen GOtt aufhebt. Sintemahl unsere Leichen weder iemanden dienen /noch GOtt verehren können. Ausser dieser Hindernüs aber ist die nur eine halbe Mutter / welche zwar gebieret / aber nicht säuget. Denn mit was für Gewissen kan sie sich weigern mit ihrer Milch zu unterhalten /was sie lebendig für sich und nach ihrer Nahrung lächeln siehet; Da sie nur das unsichtbare mit ihrem Blute in ihren Eingeweiden speisete / ehe sie noch wuste: Ob es ein Kind oder eine Mißgeburt seyn würde. O ihr grausamen Halb-Mütter! meinet ihr: daß die Natur euch die Brüste nur zu Aepfeln der Wollust / zu Lock-Vögeln der Geilheit / zu unfruchtbarer Zierde der Brust habe wachsen lassen / nicht vielmehr aber zu heiligen Lebens-Brunnen / zu Wunderquellen / für das noch ohnmächtige menschlichte Geschlechte erschaffen habe? Meinet ihr: daß es keine der Natur angefügte Gewaltthat / und weil es kein Wild thut /ein mehr als viehisches Beginnen sey / wenn ihr mit Binden und anderem abscheulichen Zwange die Röhren dieser Milch-Quelle verstopffet / die mütterlichen Adern austrocknet / und um nur schön und unverfallen zu bleiben / das Geblüte mit Gefahr des Lebens entweder erstecket / oder auf einen Abweg zwinget? Ist es ein grosser Unterscheid: Ob ihr in euren Brüsten / oder in eurem Leibe die Fruchtbarkeit hindert /ob ihr dort den Unterhalt / oder hier den Anfang eines Kindes tödtet / und mit abscheulichen Künsten die empfangene Frucht / weil sie noch unter der grossen Künstlerin der Natur Händen und in der Arbeit ist /abtreibet / wormit euer glatter Bauch nur nicht runtzlicht und abhängend werde / und ihr keine Geburts-Schmertzen fühlet? Elißa brach ein: Sie möchte ihr so schwere Gedancken über dem nicht machen /was nicht nur die Erhaltung ihres Lebens / sondern auch ihrer Ehre unvermeidlich erforderte; ja was die gütige Natur mehrmahls selbst zu thun keine Abscheu hätte; wenn sie entweder die Milch in Brüsten versäugen / oder einigen keine zur Säugung nöthige Wartzen wachsen liesse. Die gäntzliche Entziehung / nicht aber die Verwechselung der Frauen-Milch wäre unverantwortlich; und ihrem Sohne nichts daran gelegen: Ob ihn seine eigene / oder eine andere Mutter tränckte; ja ihm vielleicht dienlicher: daß er anderwerts alleine einer gantzen Amme / als hier einer halben Mutter genüsse; Gertrud aber ihre mütterliche Freygebigkeit so viel reichlicher gegen ihre Tochter mit Darreichung beyder vollen Brüste ausüben könte; welche für beyde Zwillinge eine zu sparsame Speise-Meisterin abgeben dörffte. Nein / nein / antwortete Gertrud. Darum hat die Natur nicht eine / sondern zwey Brüste wachsen lassen: daß eine Mutter mehr /als ein Kind säugen köñe. Und die / welche Kräften gehabt hat / in Mutterleibe mehr / als eines mit ihrem Blute zu speisen / darff an ausko entlichem Milch-Vorrathe nicht zweifeln; wo sie die reichliche Versorgerin die Natur nicht zu einer kargen Stieff-Mutter machen will. Da sie nun mich mit dem Reichthume zweyer Kinder / mit der Fruchtbarkeit zweyer von Milch strutzender Brüste begabet hat / welche durch ihr Stechen ihre Begierde meine[1149] Leibes-Früchte zu nähren eröffnen; wie mag man meine Grausamkeit mit dem Mangel unfruchtbarer Weiber entschuldigen? Vergebens müht ihr euch auch mir eines durch diesen Traum aufzubinden: daß die Natur für Kinder zwar die Nahrung / aber nicht so genau ihrer Mütter erfordere. Warum geben diese falsche Ausleger der natürlichen Geheimnüße nicht auch für: es liege nichts daran / in wessen Leibe / oder aus wessen Saamen Kinder zusammen geronnen sind? Sintemahl ja dieser von den Lebens-Geistern in den Brüsten weißgeläuterte Safft eben das Blut ist / welches das Kind in der Mutter genehret hat; welches die weise Heb-Amme und Kinder-Wärterin die Natur / so bald sie das Kind in Mutterleibe vollkommen gemacht hat / mit unbegreiflicher Kunst in geheimen Röhren in das oberste Theil der Mutter empor zeucht; und zu der Gebohrnen anständigem Brod und Weine bereitet. Ist es aber nicht wahr: daß nicht alle Speisen allen schmecken / oder gesund sind? daß die Natur für einem Geträncke diesem einen Eckel / jenem darzu eine Lüsternheit eingepflantzt hat? habt ihr nie gesehen / wie neugebohrne Kinder ins gemein an fremden Brüsten nicht saugen wollen? Glaubet ihr nicht: daß wie die Krafft des Elterlichen Saamens in den Kindern die Aehnligkeit des Leibes und Gemüthes verursache; also die Mutter-Milch ihm ihre Eigenschafften einflösse. Machet doch die getrunckene Schaf-Milch den Ziegen weichere Haare / und Ziegen-Milch bey den Schafen härtere Wolle. Der Safft der Erde / welcher der Bäume und Pflantzen Milch ist / machet in Trauben / in Granat-Aepffeln / und andern Früchten einen so grossen Unterscheid: daß niemand glauben würde / beydes sey aus einerley Weinstöcken / Gesäme und Stauden entsprossen. Warum soll nicht auch die Milch einer unedlen / einer an Leibe oder Gemüthe ungesunden Amme / denen herrlichẽ Eigenschafften eines edlen Kindes Abbruch thun? Wisset ihr wol eine vernünfftigere Ursache / warum mehrmahls Fürstliche Kinder ihren Helden-Vätern / ihren tugendhafften Müttern / mit keiner Ader ähnlich sind / auffzufinden; Als daß man selbte einer furchtsamen Ausländerin /einer geilen Magd / einer ungeneußigen Amme zur Säugung übergeben? Leitholde hörete dieser aus mütterlicher Liebe heraus stossenden Ungedult mit so viel mehr Gedult zu; weil sie wuste: daß sich undienliche Quellen und hefftige Regungen nicht verstopffen liessen / sondern man sie auf die Seite leiten müste. Daher hielt sie ihr / nach dem sie selbst zu reden aufhörte / anfangs ein: daß sie an ihrem Sohne keine grausamere Unbarmhertzigkeit / als durch ihren verlangten Tod verüben könte; ja / wenn sie seine Entfernung hinderte / würde sie ihren Ehgemahl zum Vater-Mörder ihres Kindes machen; weil die Eyversucht ihm dessen Hinrichtung als eine gerechte Rache / und eine ruhmbare Vertilgung einer unächten Mißgeburt fürbilden würde. Was könte aber schrecklicher seyn /als seines Kindes Scharffrichterin werden / und sein Ehgemahl in abscheuliche Laster stürtzen. Die Gesetze der Natur wären wol heilig; aber dem göttlichen Verhängnüße / welches offt davon Absätze machte /folgen / noch heiliger. Die für ihren Sohn bestimmte Amme wäre ihre eigene Tochter / welche / wie auch ihr Ehmann / Gertruden so wol von Gemüthe / als Geblüte bekandt wäre; also dieser junge Fürst aus ihren Brüsten hoffentlich nichts / was nach einer Magd oder Untugend rüche / saugen würde. Als Gertrud diesen Vorschlag vernahm / seuffzete sie / und gab sich endlich in der Anwesenden Willen / iedoch legte sie vorher ihren Sohn an beyde Brüste / und badete selbten mit mehr Thränen-Saltze / als er Milch aus dem reichen Vorrathe ihrer Brüste tranck; wormit sie zum minsten durch diese erstere Nahrung ihrer Mutter-Pflicht etlicher massen ein Genügen thäte. Hierauff muste[1150] nur / wiewol mit eusserster Schwermuth und einer halben Ohnmacht / die Natur der Vernunfft weichen / und Gertrud sich der süssen Umarmung ihres Sohnes entschlagen / um das Kleinod ihrer Unschuld und guten Nahmens zu behalten / ja ihr Kind lieber selbst verlieren / und Leitholden zur Entfernung überreichen / als selbten durch Behaltung zu gäntzlichem Verluste in Gefahr setzen. Die gemachte Anstalt ward so klüglich eingerichtet: daß weder der Hertzog noch einig ander Mensch von diesem Mohren-Kinde was erfuhr; welches denn / als es die Fürstin mit tausend Küssen gesegnet hatte / bey oberwehnter Sidinischen Edel-Frauen / die Dehnhofen einen tapffern Ritter zur Eh hatte / unter dem Scheine: daß es ein von seinem in Hispanien unter denen Celtiberiern angesessenem Bruder überschickter Knabe wäre / rühmlich und vielleicht besser / als in seines Vaters Fürstlichem Hofe aufferzogen ward. Deñ beym Hofe-Leben kirret die Wollust der schädliche Lock-Vogel mit ihren anmuthigen Beeren auch die besten Gemüther in das Garn des Verterbens; und die Heucheley vermummet mit ihrer Larve alle Laster: daß sie für Tugenden gelten /und verschwistert gleichsam Himmel und Erde / Sternen und Koth mit einander: daß ein junger Fürst zuweilen selbst nicht weiß: Ob er auf dem Scheide-Wege dieses irrsamen Lebens den guten oder irrigen Pfad erkieset habe. Da doch bey einem jungen Fürsten / welcher künfftig soll ein untadelhafftes Muster aller Unterthanen seyn / diß / was ihm zur Nahrung seiner Seele / zur Stärckung seines Gemüthes beygebracht wird / sorgfältiger / als die Leiblichen Speisen ihrer Gesundheit und Schädligkeit halber zu untersuchen sind. Daher / und weil die Natur ehe in ihren Würckungen irren / als ein Fürst bessere Unterthanen machen kan / denn er selbst ist / dieselben ärger thun und mehr Böses stifften / die eines jungen Herrn bösen Neigungen den Zaum lassen / als welche einen gemeinen Brunn oder Röhr-Kasten vergifften. Weil nun so wol Kinder / als Pflantzen mehr nach der Beschaffenheit ihrer Pflegung / als nach dem Einflüsse der Geburts-Sternen arthen; gerieth dieser junge Fürst unter der Auffsicht eines von keiner übermäßigen Liebe nicht verbländeten Auffsehers / zwischen dem Staube der Reñebahn / uñ unter der heilsamen Last der schweißichten Waffen so wol: daß dieser Ritter ihn im achzehenden Jahre in die Ferne zu schicken und daselbst sein Glücke zu suchen für rathsam hielt. Ja ich weiß nicht: ob es durch eine besondere Krafft der Elterlichen Zeugung / oder durch ein besonder Gelübde seiner Mutter geschahe: daß in diesem Knaben sich die Schwärtze in braun / die braune Farbe in gelbe; diese endlich in weiße nach und nach verwandelte; und kein Mensch ihn mehr für einen Ausländer angesehen haben würde. Wie nun der Sidinische Edelmann ihn rittermäßig ausgerüstet / seines künfftigen Verhaltens wegen väterlich verwarnigt; dieser auch mit Ausdrückung aller Kindlichen Demuth Abschied genommen hatte; eröffnete ihm dieser Ritter zu guter letzte: Er wäre sein Vater nicht / wie er ihm einbildete; sondern ein grösserer / als er fast wünschen möchte; gleichwol aber hielte er es ihm noch zur Zeit zu eröffnen nicht allerdings rathsam. Inzwischen wäre ihm darmit genung gesagt: daß er nichts Unfürstliches fürnehmen solte; wo er seinen Stand zu beflecken eine Abscheu trüge. Die in dem Meere von den gesaltzenen Wellen wol abgespielte Korallen behalten nach ihrer Absonderung von der mütterlichen Wurtzel ihre beständige Farbe; ja überkommen allererst eine gleichsam felsene Härte. Nicht anders ergieng es mit diesem jungen Gothonischen Fürsten; welcher bey den Bojen durch seine Tapferkeit anfangs einen hohen Ruhm der Tugend / hernach gar die Königliche Tochter Hedwig erwarb; endlich aber mit dem Falle seines Schwähers auch gleichsam wieder in seine erste Niedrigkeit[1151] verfiel. Denn diß eben war Fürst Gottwald /König Critasirs Eydam; welcher nach Eroberung der Stadt Boviasmum sich heimlich aus dem Staube machte / um sich mit den Bojen nicht der vom Marbod erzwungenen schimpflichen Eydes-Leist- und Auswanderung zu unterwerffen.

Gottwald kehrte also mit seinem Sidinischen Pflege-Vater zurücke / welcher bey dem Marsinger Hertzoge Bolcko wol auffgenommen ward / und daselbst die Nachricht von des Gothonischen Fürsten Arnolds Tode / und daß selbige Völcker seiner Tochter Marmeline die Herrschafft zugeeignet hätten / erfuhr / und weil der Ritter Dehnhoff dem Fürsten Gottwald seinen wahrhafften Uhrsprung mit allen Umständen eröffnete; machte er sich mit diesem Ritter und folgends seiner Pflege-Mutter nach der Gothonischen an dem Munde der Weichsel liegenden Haupt-Stadt Godonium auf. Der Ritter kam zu seiner Schweher der Fürstlichen Hofmeisterin / eröffnete ihr nichts minder alle Zufälle des Fürsten Gottwalds / als seine Anwesenheit in der Stadt; welche ihn denn ferner zu der Fürstlichen Wittib leitete / um mit einander fernere Anstalt zu berathen; weil der Tochter Vermöge Hertzog Arnolds Verordnung bereit die völlige Herrschafft übergeben / und nebst der Mutter die zwey Obersten Räthe ihr biß zur Vermählung an die Seite gesetzt waren. Diese hielt für rathsam ihrer Tochter der Fürstin Marmeline alsofort das gantze Werck zu eröffnen / und ihr Schwesterlich Hertze dem Fürsten Gottwald zum besten zu gewinnen; ehe solches durch Einblasung der Reichs-Räthe mit der Herrschsucht vergället würde. Diese kam und hörte ihrer Mutter Erzehlung mit mehrmahliger Veränderung ihrer Gemüths-Regungen an; verbarg aber selbte auffs möglichste. Beym Schlusse meldete sie: sie wäre begierig ihren Bruder bald zu sehen und zu umarmen; bestimme auch eine gewisse Abends-Stunde zu dessen Bewerckstelligung. Hertzog Gottwald ward auf besti te Zeit durch einen Garten in der Hertzogin Gemach geleitet / und nichts minder von seiner Schwester / als Mutter / mit denen allerempfindlichsten Liebes-Bezeigungen bewillkommet; iedoch / weil noch nicht alles nach Nothdurft unterbaut / nach denen Höflingen es offenbar zu machen thulich war; ward er mit seinen Pflege-Eltern wieder durch den Garten aus dem Schlosse gelassen. Gottwald wuste seine Vergnügung über so gewünschtem Anfange nicht zu begreiffen; und meinte schon dem Glücke in der Schoß zu sitzen; als er unversehens von einem Hauffen gewaffneter Leute umringt / und mit mördlichen Gewehren angetastet; also nebst dem Sidinischen Ritter sich zur Gegenwehre zu stellen gezwungen ward. Alleine beyde würden hier von einer solchen Menge bald aufgeopfert worden seyn / wenn nicht die alte Hertzogin in ihrem Zimmer das Getümmel gehöret; und ihr gleichsam das Hertze ein Unglück ihres Sohnes wahrgesagt / und endlich die Sidinische Frau an der Garten-Thüre durch hartes Anschlagen und heftig Mordgeschrey sie noch mehr ermuntert hätte. Daher sie mit der Hofmeisterin und einem Edel-Knaben / der mit einer Fackel ihnen vorleuchtete / durch den Garten selbtem zueilte / und den alten Ritter bereit auf dem Bodeme halbtod ausgestreckt / den Fürsten Gottwald aber an einer Wand angelehnet / gleichsam im Blute gebadet / und mit ohnmächtigen Armen die Streiche versetzende antraff. Sie lieff halb blind zwischen die Degen / verhinderte also seine endliche Ermordung /und erfuhr: daß sie auf Befehl ihres Kriegs-Obersten diese Leute angetastet hätten / und sie aufzureiben befehlicht wären. Die Hertzogin / welche hierüber nachdencklichen Argwohn schöpffte; verdiß selbten gleichwol in dem Eyver / und sagte dem Hauptmanns: Er müste an denen Personen geirret haben. Denn diß wären ihre Angehörigen /[1152] die sie auch hiermit in ihren Schutz nehme; also solte er sich auf die Haupt-Wache zurücke ziehen. Sie aber nahm den halb-todten Gottwald / und die für Hertzeleid ihr die Haare aus dem Kopffe reissende Frau bey der Hand / leitete sie auf das Schloß / ließ den Ritter ihr auch nachtragen. Die Stadt und der gantze Hof ward hierüber wache / nur in Marmelinens Zimmer war alles Maus-stille; welches der Hertzogin Argwohn vermehrte; die für allen Dingen nur um Verbindung ihres verwundeten Sohnes bekümmert war. Nach der ohne einigen Schlaff hingebrachten Nacht fügte sie sich in Marmelinens Gemach / erzehlte ihr thränende den Verlauff / den ihr diese gantz fremde machte / und nach etlichen Wortwechselungen anfieng: Ob sie auch genungsam versichert wäre: daß dieser ihr wahrhaffter Sohn wäre? Sintemahl er ihrer ersten Beschreibung nach / keinem Mohren mit einiger Ader ähnlich wäre. Die Hertzogin antwortete: Sie hätte zu melden vergessen: daß er nach und nach die ohne diß nur aus einer Einbildung bekommene braune Farbe verlohren hätte. Marmeline versetzte lachende: Ihrer Meinung nach vermöchte die Zeit so wenig / als Wasser einen Mohren weiß zu bleichen. Die angebohrnen kleinsten Maale wären durch keine Kunst zu vertreiben; also besorglich: daß dieser Sidiner sein eigenes Kind untergesteckt hätte. Die Hertzogin verstand nunmehr allzu deutlich: daß in ihrer Tochter Seele die Ehrsucht der natürlichen Zuneigung den Rang abgelauffen hätte / und die Süßigkeit des einmahl geschmeckten Reichs-Apffels einen Eckel erwecke / auch für denen durch das Geblüte ein gepflantzten Annehmligkeiten; Gleichwol aber wolte sie ihre Tochter durch augenscheinlichen Beweiß zu vernünfftigerer Entschlüssung bringen; mit Vermeldung: daß ihr Sohn an dem lincken Fuße sechs Zehen und auf der Brust wie sein Vater Arnold und sie selbst eine Bären-Klaue gehabt hätte; würde sich diß Merckmahl nicht finden; wolte sie ihm als einem Verräther bey seiner verdienten Abschlachtung selbst das Licht halten. Alleine die Aehnligkeit seines Gesichtes / in dem er seinem Vater gleichsam aus den Augen geschnitten wäre / vergewisserte sie schon der unzweifelbaren Warheit. Uber diesen Worten trat der oberste Reichs-Rath Leuterthal / der ohne diß in Verdacht war: daß er seinem Sohne Marmelinen zu vermählen im Schilde führte / aus dem iñersten Zimmer herfür / setzte der Hertzogin mit harten Worten zu; und schalt die für Verräther des Vaterlandes / die die gegenwärtige Ruhe und Verfassung der Gothonischen Herrschafft durch Einpfropfung eines fremden Reises stören wolten. Die Hertzogin begegnete ihm mit gleichmäßiger Hefftigkeit; und warff ihm für: daß er aus Ehrsucht seine Nachko en auf dem Fürstlichen Stule zu sehen ihre Tochter zu Vergessung aller Mutter- und Schwester-Liebe verleitet; und der vorigen Nacht Meuchelmord angestifftet hätte. Wie hitzig nun gleich dieser Abschied war; so kläglich hieng sich die Hertzogin an die andern dem vorigen wiedrig-gesinnten Reichs-Räthe; brachte auch zu wege; daß sie die Landstände zu Entscheidung dieses wichtigen Rechts-Streits verschrieben; inzwischen die Hertzogin und Fürst Gottwald mit einer genungsamen Leibwache wieder fernere Gewalt beschirmet wurden. Die Hertzogin saan auff Rechtfertigung ihres Sohnes /Marmeline uñ ihr Anhang aber auf listige Unterdrückung ihrer Mutter und des Bruders. So ungleich sind die Menschen geartet! wer eines Löwen / einer Schlange Eigenschafft weiß; weiß sie des gantzen Geschlechtes. Denn alle Tiger sind gri ig / alle Füchse listig; alle Schafe gedultig / alle Tauben einfältig /alle Adler behertzt. Aber wer einen Menschen von Grund aus aus geholt / keñet nur einẽ; wo anders das menschliche Herze durch einiges Bleymaaß zuergründẽ ist. Nichts aber verstellt den Menschẽ ärger / als Ehrsucht. Die Funcken kindlicher Liebe werden nicht nur von dem Rauche der Herrschenssucht erstecket /sondern[1153] so gar das Gedächtnüs einer Mutter und eines Bruders wird in dem Stande einer gebietenden Fürstin begraben. Gleichwol bewegte die Hertzogin durch Vorstellung dreyer bey der Geburt gewesenen Zeugen / durch den Augenschein der sechs Zeen und der Bären-Klau; und durch ihre vernünfftige Ausführung der gegen ihrer Tochter Marmeline tragender und mehrmals im Wercke bezeigter Mutter-Liebe den Reichs-Tag / ungeachtet aller Einwürffe so weit: daß sie Gottwalden für Arnolds rechtmäßigen Sohn / und weil so wol ihre vorige Herrschens-Anstalt / als der väterliche letzte Wille auf Irrthum bestünde / zum Erben der halben Erbschafft erklärten. Der Reichs- Rath Leuterthal meinte über diesem Ausspruche von Sinnen zu kommen; verleitete Marmelinen zu den eussersten Entschlüssungen; und versuchte durch das Recht des Degens für seinen Sohn zu behaupten / was das Urthel Marmelinen abgesprochen hatte. Nichts desto weniger machte er ihm durch den Schlüssel aller unmöglichen Dinge / nehmlich Geschencke / einen so grossen Anhang: daß er den Fürsten Gottwald mit Gewalt aus seinem Erbtheile zu vertreiben vermeinte. Die Tapfferkeit aber dieses wieder genesenen Fürsten machte mit Zertrennung der aufgebrachten Macht alle schädliche Anschläge zuschanden; und bewegte den Reichs-Rath dahin: daß sie Marmelinen ihres Erbtheils / den Leuterthal aber des Lebens / der Ehre und Gutes verlustig erkennten. Diese verzweiffelten aber /welche gerne Leibeigne seyn wolten / wenn nur Gottwald nicht ihr Herr wäre / nahmen nach anderwerts umsonst gesuchter Hülffe zu dem mächtigen / und dem Fürsten Gottwald ohne diß auffsätzigen Könige Marbod ihre Zuflucht; und umfaste die an Gestalt wunderschöne; im Gemüthe aber nicht wenig verstellte Fürstin Marmeline in der Stadt Carrodun nicht so geschwinde mit den Armen seine Knie / als sie mit ihren ersten Blicken sein Hertz umfässelte. Nichts hatte einen bessern Schein / als dieser von einem verdächtigen Ausländer verstossenen Fürstin hülffreiche Hand zu leisten; dem Könige Marbod war auch nichts leichter / als durch den Sieg einer solchen Halb-Göttin Hertze zu gewinnen / nichts anständiger / als zwey so ansehnliche Hertzogthümer zum Braut-Schatze zu überkommen. Diesemnach drang er mit einer so mächtigen Kriegs-Macht bey denen Gothonen ein: daß ob wol Leuterthal bey Marbods ausbrechender Liebe seine Hofnung und seines Sohnes Heyrath zu Wasser werden sahe / und er deßwegen zum Gottwald übergieng / der Sidiner Hertzog auch mit aller Macht denen Gothonen zu Hülffe kam / dennoch diese kleine Sand-Hügel von Marbods grosser Macht überströmet wurden / und nicht nur die Gothonen / sondern auch ihre Gehülffen die Sidinier unter Marbods Herrschafft ihre Achseln beugen / Hertzog Gottwald aber nunmehr zum andern mahl nicht minder dem Verhängnüsse / als dem Marbod / welcher gleichsam Sieg und Glücke an der Schnure führte / aus dem Wege treten muste. Marbod hielt zu Godonium mit der Fürstin Marmelinen ein prächtiges Beylager; und weil die schon für mehr als hundert Jahren von dem Rheine in Sarmatien gewanderten Estier / die Rugier /Nuitnoner / Schwardonen / Eudosen und Variner sich von einem so grossen Meere einer gleichmäßigen Uberschwemmung besorgten / erkieseten sie freywillig den König Marbod zum Schutz-Herrn. Zumahl diese deutschen Völcker ohne diß mehr / als andere der Unterthänigkeit gewohnt waren; ob sie sich zwar bey dieser ihrer Demüthigung niemals ihrer Freyheit gäntzlich enteusserten.

Weil König Marbod ihm derogestalt fast alles /was zwischen der Elbe und Weichsel unterthänig gemacht hatte / brauchte der Kayser August sich dieser Zwietracht abermahls zu seinem Vortheil und zur Rache wegen des erlegten[1154] Drusus; schickte daher den Tiberius mit einem noch stärckern Krieges-Heere durch Gallien wieder die Deutschen. Sentius Saturninus überfiel die Caninefaten / die Nachtbarn der Bataver so unverhofft: daß sie sich nit einst recht zur Gegenwehre stellen konten. Ob nun zwar Tiberius mit einer gewissen Art flügender Brücken / welche von küpffernen Schiffen eilfertig zusammen geschoben wurden / auch über den Rhein und Lahnstrom denen Attuariern oder Francken / wie auch den Bructerern über den Hals kam; begegneten sie ihm doch zwar mit geringer Macht / aber unerschrockenen Hertzhafftigkeit; ja Stirum / ein Ritter der Bructerer / drang durch die Römischen Schaaren mit seinen Reisigen so weit durch: daß er dem Tiberius selbst den Schild zerspaltete / ihn an Arm verwundete / und mit einem Streiche unfehlbar getödtet hätte / weñ nicht ein Römischer Hauptmann darzwischen gesprungen / und mit Auffangung des Todes jenem ein Schirm des Lebens worden wäre. Diese Völcker setzten auch noch ferner alles eusserste dran; in Hoffnung: es würde Hertzog Segimer mit seinen Cheruskern / und die Longobarden ihnen versprochener massen zu Hülffe kommen. Welches auch unzweiffelbar erfolgt wäre / wenn nicht der Tod diesen tapfferen Fürsten für der Zeit aus dem Wege geräumt hätte; und zwar nicht sonder Argwohn einigen ihm entweder aus Anstiftung der Römer oder König Marbods beygebrachten Gifftes. Wiewol ins gemein aller Fürsten Todes-Fälle nicht der gemeinen Zerbrechligkeit / sondern gewaltsamen Ursachen zugeschrieben werden. Ob nun gleich bey der Fürsten Lebzeiten an ihrem Wolstande gantze Völcker / an ihren Unfällen meist nur die eigenen Anverwandten Theil haben; so traff doch Segimers Absterben gantz Deutschland; welches als ein ohne Haupt zerrütteter Leib bey nahe sich selbst durch Zwietracht in gäntzlichen Untergang weltzte. Insonderheit aber blieben diß mahl die behertzten Bructerer bloß stehen; ja sie wurden mit denen ihnen noch von dem Fürsten Ingviomer zu Hülffe gebrachten Cheruskern sich über die Weser zu machen gezwungen; dem Tiberius aber Lufft gemacht sich der Festung Segodun und Cattenburg an der Eder zu bemächtigen. Worüber dem Sentius ein Siegs-Gepränge verstattet; dem Tiberius aber der Nahme eines Deutschen Feldherrn zugeeignet ward. Folgendes Jahr kam Tiberius wieder in Deutschland; brachte dem Fürsten der Caßuarier und Dulgibiner Segesthes / mit Vertröstung ihm zu der Feldhauptmanschafft über die zwischen dem Rheine und der Elbe gelegenen Deutschen zu verhelffen / auf seine Seite / bemeisterte sich des Lipp-Stromes und der Festung Alison. Weil ihm nun der streitbare Hertzog der Chautzen Ganasch am Wege zu stehen schien / wieß er dem Tiberius den Weg / und brach den Römern die Bahn dieses feste Land zu überwältigen. Also dienet auch die todte Asche des Vaterlandes dem Feuer der Ehrsucht zur Nahrung und Zunder; und der Grundstein des Eigen-Nutzes ist ins gemein ein Fallbret des gemeinen. Jedoch vergnügte sich Tiberius noch nicht an der Ehre: daß die Chautzen für seinem Stule musten fußfällig werden; sondern er segelte mit vierhundert Schiffen über das deutsche Meer an den Mund der Elbe; des Vorsatzes / die in aller Welt wegen ihrer Tapfferkeit beruffenen Longobarden zu demüthigen; welche aus Skandinavien sich an der rechten Seiten der Elbe zwischen der Havel und der Oder niedergelassen / zeither denen mächtigsten Nachbarn / wie wenig ihrer gleich gewest / mit ihrem Degen die Wage gehalten / und noch zuletzte dem gantz Deutschland gleichsam überschwemmenden Marbod die Spitze geboten hatten. Tiberius drang mit einem absondern Heere durch das Chautzische Gebiete; und eroberte die Stadt Fabiran an der Weser / setzte unterhalb Lauenburg an das[1155] lincke Ufer der Elbe seine Völcker aus den Schiffen / und vereinbarte beyde Heere; zohe hierauff an dem Strome auffwerts biß an das Gedachtnüs-Maal / das Drusus daselbst auffgerichtet hatte. Der großmüthige Hertzog der Longobarden Wilhelm zündete die über der Elbe habende Dörffer selbst an / und zohe alles Volck auf die rechte Seite / um den Römern die Uberfarth zu verwehren. Deßwegen schickte er auch denen Angeln tausend Longobarden zu desto sicherer Besetzung der Stadt Lauenburg zu Hülfe / welche in den Elbe-Strom eine grosse Menge breit-ästichter Eich-Bäume warffen: daß die Römer mit ihren Schiffen nicht weiter den Strom hinauf fahren konten. Weil nun der von Rom neu angekommene Hertzog der Cherusker mit unumstößlichen Gründen den Auffschub des von den Longobarden gebetenen Beystandes entschuldigte / Hertzog Wilhelm aber ihm leicht ein bilden konte: daß Marbod die Römer zwar zu Freunden / nicht aber zu Nachbarn verlangte; in dem klugen Fürsten kein ärgerer Dorn in Augen seyn kan / als das übermäßige Wachsthum seines Nachbars; schickte er einen Fürsten der Ascanier an Marbod / machte mit ihm ein Bündnüs zu ihrer beyder Vertheidigung wieder ihre künfftige Feinde. Weßwegen Marbod denen Longobarden zwantzig tausend Mann zu Hülffe sendete. Ehe diese aber noch ankamen / trieben die Longobarden die Römer / welche auf Nachen und Flössen über die Elbe setzen wolten / dreymahl zurücke. Wie nun Tiberius bey diesen blutigen Treffen viel seiner tapffersten Kriegs-Obersten einbüste; und nunmehr die Tugend der Longobarden grösser befand / als der Ruff von ihnen war; Hertzog Wilhelm auch dem Tiberius durch gewisse Gefangenen etliche Säcke Haare / die sie ihren langen Bärten zum Zeichen der vielen erschlagenen Römer hatten abscheren lassen überschickte; nach dem Vermöge eines theuern Gelübdes bey diesem Volcke kein Scheer-Messer einen Mann berühren darf / der nicht vorher drey Feinde erschlagen; über diß er die Ankunfft der Marckmännischen Völcker vernahm; trug er den Longobarden Frieden /iedoch unter harten Bedingungen an; insonderheit: daß sie Marbods Bündnüs abbrechen / den Römischen Feinden keinen Beystand leisten / ihnen hingegen mit sechstausend Mann ohne Kriegs-Sold dienen / und deßwegen Hertzog Wilhelm seinen Sohn / und zwölff edle Longobarden nach Rom zur Geißel schicken solte. Wilhelm lachte zu diesem Fürtrage; sagte aber / er wolte einen seiner Edlen selbst deßwegen zum Tiberius schicken. Auf dessen Befehl setzte sich Pudlitz / ein siebentzigjähriger Ritter in einen Nachen / ließ sich über den Fluß zum Tiberius führen / und betrachtete ihn eine halbe Stunde mit unverwendetem Gesichte / aber ohne Fürbringung eines einigen Wortes; also: daß Tiberius endlich aus Unwillen ihn fragte: Ob er nichts wegen seines Fürsten anzubringen hätte? Pudlitz hat hierauff ihm zu erlauben / des Tiberius Hand anzurühren; die er ihm in Meinung: daß er sie zu küssen verlangte / darreckte. Pudlitz nahm selbte / und fieng nach Beschauung derselben / und der daran sich befindenden Narbe an: Mein Fürst hat aus deinem Friedens-Vorschlage geurtheilt: Du müssest ein GOtt seyn / und mich die Warheit zu erkundigen herüber geschickt. So sehe ich aber aus dieser Narbe: daß deine Glieder nicht weniger / als unsere verletzt werden können. Daher ihr Römer gar billich eurer Kayser Vergötterung biß nach Verbrennung ihrer Leiber auffschiebet; da sie nicht mehr können versehret werden. Bey dieser Beschaffenheit wirstu uns Longobarden verzeihen: daß wir von dir / als einem Menschen / keine uns unanständige Gesetze annehmen. Tiberius biß für Gri sich in die Zunge und Leffzen: daß sie bluteten / ließ den Ritter von sich / und auffs neue mit aller Macht über die Elbe setzen. Die Longobarden aber begegneten ihn mit ihren kleinen[1156] Hauffen / weil die Römer wol zwölffmahl stärcker waren / mit unbeschreiblicher Tapfferkeit. Endlich kamen zu allem Glücke Marbods Hülffs-Völcker an; also: daß die Römer / welche schon an zwey Orten festen Fuß auf dem Ufer gesetzt hatten / über Hals und Kopff in Strom zurücke weichen und etliche tausend den Deutschen Schwerdtern /und nicht weniger dem Flusse zum Versöhn-Opffer hinterlassen musten.

Weil nun wiedrige Zufälle denen Glückseligen am empfindlichsten sind; hätte der so vieler Siege gewohnte Tiberius mögen von Siñen ko en. Diesemnach entschloß er / sich an Marbod zu rächen; besetzte also die von ihm eroberten Plätze / zohe mit dem gantzen Heere an der Elbe gegen die Hermundurer hinauf / in willens dieses dem Marbod vielleicht nicht allzu holde Volck / unter dem Scheine für gebildeter Freyheit / vom Marbod abwendig zu machen. Er schickte aber vorher an ihn nach Marbods-Stadt eine Gesandschafft; welche wegen der den Longobarden geschickter Hülffe Vergnügung fordern solte; um bey derselben Verweigerung die Ursache seines Krieges desto scheinbarer zu rechtfertigen. Marbod aber antwortete: Er wäre der Römer Freund / wolte es auch bleiben / so lange sie ihm keine Feindschafft abnöthigten. Sein den Longobarden geleisteter Beystand aber wäre darfür nicht aufzunehmen; weil das Bündnüs mit diesem Volcke ihn darzu verbunden; er aber solches mit ihnen aufgerichtet hätte; ehe ihm träumen können: daß die Römer mit den Longobarden brechen solten; zumal ihm keine Beleidigung bekant wäre. Meinte nun Tiberius sich an ihn zu reiben / und an Marckmäñern zum Ritter zu werden / müste er es geschehen lassen; und gielte ihm gleich: Ob er den Degen solte ausziehen / oder in der Scheide stecken lassen. Auf den ersten Fall müsten sie gegen einander versuchen: Ob Tiberius die Elbe und den Herzinischen Wald ehe bemeistern / oder er nach seiner Vorfahren Beyspiel über die Alpen in Italien / dahin er von seiner Gräntze nur zweyhundert tausend Schritte hätte / einbrechen würde. Marbod zohe hierauf in der Eyl sein Krieges-Heer zusammen / stellte es bey seiner Hauptstadt in Schlacht-Ordnung / zeigte also siebentzig tausend Fußknechte / und vierzehntausend Reuter des Tiberius Gesandten; mit Ermahnung: Sie solten ihm sagen / was er geredet / und sie gesehen hätten; Er wolte folgenden Tag ihnen mit seinen Marckmännern folgen / und an der Saale mit dem Tiberius entweder wie mit seinem Bruder Drusus freundlich reden; oder versuchen / welche Schwerdter unter beyden die schärffsten wären. Als Tiberius nicht nur diese Entschlüssung Marbods vernahm; sondern auch diß seine folgende Botschafft bestätigte / zohe er wie ein kluger Schiffer / der bey aufgehendem Gestirne des Orions die Segel fallen läst / oder ins Land setzt / lindere Seiten auf; weil er mit gegenwärtigem Heere den Marckmännern und Longobarden nichts abzujagen getraute; gab also den Gesandten gute Worte / stellte sich an / als wenn er mit Marbods für geschütztem Bündnüsse allerdings zu frieden wäre; zohe / allen Argwohn des Einbruchs zu verhüten /sein Heer zurücke / und vertheilte es in die Länder der Chautzen und Cherusker unter der Aufsicht des Sentius Saturninus; welchem er befahl den Catten und andern deutschen Völckern wol auf die Schantze zu sehen / und auf künfftiges Jahr zu einem mächtigen Feldzuge sich ins geheim zu rüstẽ. Er selbst eilte nach Rom / und bemühte sich den Kayser zu bereden: daß er für allen Dingen den Hertzog Herrmañ / als einen nichts minder schlauen als verwegenen Feind / mit seinen hartnäckichten Cheruskern übern Hauffen werffen müste. Saturnin hingegen redete der Treue der Cherusker das Wort / und stellte dem Kayser für Augen: daß Marbod ein den Römern nunmehr selbst zu fürchten nöthiges Reich auffgerichtet / die Longobarden[1157] und andere feindliche Völcker in seinen Schutz genommen hätte. Alle Römische Flüchtlinge findeten bey ihm ihren Auffenthalt. Er hätte auch nicht minder das Hertze / als Kräften den Römern einen gewaltigen Streich zu versetzen; welches er zweiffelsfrey schon längst gewagt hätte / wenn er nicht vorher gantz Deutschland zu bemeistern im Schilde führte. Erreichte er darinnen nun sein Ziel /möchten für einem so grossen Haupte die Römer nur Gallien und Pannonien räumen / und für den Deutschen die Alpen / als Vormauern Italiens / besetzen. Alles dieses aber wäre zu unvermögend gewest des mächtigen Tiberius Vorschlägen das Gewichte zu halten; wenn nicht eine mit der Fürstin Thusnelde sich ereignende Begebnüs beym Tiberius einen absondern Haß gegen den König Marbod erreget / und ihn auff Saturnins Meinung gebracht hätte. Hiermit erlangte er: daß ihn Kayser August mit sechs frischen Legionen verstärckte; welche er im Früh-Jahre gegen der Donau führte / in willens daselbst einzubrechen. Saturninus solte auf der andern Seite mit fünff Legionen / und dreyßig tausend meist Gallischen Hülffs-Völckern bey den Catten den Durchzug erlangen / sich durch den Hercinischen Wald hauen / und in das Hertze der Marckmänner / nemlich in das den Bojen abgenommene Land einbrechen. König Marbod feyerte inzwischen auch nicht; vereinbarte Rathschläge und Kriegs-Macht mit der Quaden Könige Vannius; und solte dieser gegen der Donau / er selbst gegen der Saale und Elbe den Römern die Spitze bieten. Ja er stellte sich wol selbst an / bald als wenn er in das Cheruskische / bald in das Norische / bald in das Pannonische Gebiete einfallen wolte; um der Römer Macht zu zertheilen. Insonderheit aber mühte er sich durch kostbare Bothschafften die Pannonier / Noricher / Thracier / Illyrier / Dalmatier wieder die Römer in Harnisch zu bringen; weil ein Fürst doch keinen klügern Streich thun kan; als wenn er seinem Feinde einen andern in die Haare schicket; und mit dem nicht leichte anbindet; dessen Stärcke man durch keinen Versuch nicht gemässen / hernach aber der einmahl überwundene nur ein zitterndes / die Sieger aber zwey feurige Hertzen haben. Dieser Streich glückte dem Marbod so wol: daß / als Tiberius mit seiner Krieges-Macht schon zu Carmunt an der Donau / Saturnin nahe an der Saale zum Einbruche fertig stand; beyden die unvermuthete Zeitung kam: daß hinter ihnen die Dalmatier und Pannonier / in Hoffnung / Marbod würde vorwerts den Römern genung zu schaffen geben / wieder die Römer auffgestanden wären / achthundert tausend bewehrte Leute auf den Beinen hätten / und zum Theil gar auf das aller Kriegs-Macht entblöste Italien einzudringen Anstalt machten. Diese Zeitung verrückte dem Tiberius alle seine Zirckel; Saturninus muste zurück / um nur die Deutschen zwischen dem Rheine und der Weser im Zaume zu halten / Tiberius aber nicht allein / sondern Germanicus und der junge Drusus wurden gezwungen aus allen Ecken die eussersten Kräfften wieder diese schwermenden Völcker / für denen man schon zu Rom erzitterte / zusammen zu ziehen / und anzuführen. Kayser August selbst muste den König Marbod mit einer prächtigen Botschafft und herrlichen Geschencken besänfftigen. Also muß die Staats-Klugheit / welche zuweilen mit trotzigen Riesen-Schritten gegen einem hergetreten /die Achseln einziehen / und mit Kniebeugen den Rücken kehren.

Die Dalmatier und Pannonier / welche nicht verstunden: daß man schlauer Fürsten Worte offt wie Träume nach dem Wiederspiele verstehen und auslegen müsse / sahen sich über Hoffen zwar in Krieg eingewickelt / aber von Marbod verlassen oder betrogen; welcher den Pfad des Krieges selbst nicht erkiesete / den er ihnen doch für so heilsam angewiesen hatte; und[1158] den auff ihn gezückten Streich in ihre Achseln abgleiten ließ. Ob nun zwar der Fürsten Bündnüße kein ander Hefft / als ihren Vortheil haben / so schiene doch auch diß beym Marbod viel zu schwach zu seyn. Denn ob wol der Dalmatische Krieg lange währte / und es mehrmahls das Ansehen gewann; als wenn es um die Römer gethan wäre; war doch Marbod nicht zu bewegen / sich darein einzumischen. Alleine die wenigsten wusten: daß eine geheime Liebes-Ursache den König Marbod im Zaume hielt / die weiter sehenden aber urtheilten: daß Marbod / welcher alle seine Länder durch Recht der Waffen erobert /und daher zum Zaume seiner Völcker mehr die Furcht / als Liebe brauchte / sich nunmehr in sich selbst mehr zu befestigen; und so viel ungleich-geartete Völcker unter einander selbst zur Verträuligkeit / gegen sich zum Gehorsam zu verbinden nöthig hätte / sich ohne Noth in eusserliche Kriege nicht einflechten und zwar nicht mit demselben Feinde anbinden könte; an dem zeither alle andere Völcker ihnen den Kopff zerstossen hätten. Also sind nur des Pöfels Anschläge allezeit hitzig / auf Blut und grosse Eroberungen gerichtet; ein kluger Fürst aber weiß durch sanfftere Entschlüssungen an sich zu halten; und ein Verständiger dem Volcke zu Athen wahrzusagen: daß sie in ihrem unzeitigen Kriege in Cilicien nach einem Schatten schnappen / und das unschätzbare Wesen ihres Wolstandes einbüssen würden. Daher ließ Marbod sich weder das Urthel des Pöfels / noch die versprochenen güldenen Berge der Dalmatier und Pannonier irre machen; sondern sorgte nur sich feste in Sattel zu setzen; weil doch fremde Herrschafft / wie gut sie an sich selbst ist / dennoch allen Völckern beschwerlich fällt; und der grossen Uberwinder Siegs-Gepränge meist ihrem Geschlechte zu einer Blut-Banck dienet /und den Nachkommen nur durch ihre Begräbnüs-Maale bekandt werden; ausser wo die Gewalt des Adels über Hand genommen hat; und dieser theils zu Erhaltung der Gleichheit unter sich selbst / theils die Unterdrückung der Freyheit zu verhüten selbst fremde und noch darzu meist ohnmächtige Fürsten erwehlet. Die Art der bezwungenen Völcker ist ins gemein ungleich; derer Sitten sich nicht so / wie die Kleider /leicht verändern lassen. Jene werden ihnen mehr von der Beschaffenheit des Hi els / ja aus Mutterleibe angebohren / und mit der Milch eingeflöst / als durch Gesetze und Gewonheit beygebracht. Etliche Völcker sind zur Dienstbarkeit gebohren; daher / wenn selbte in freyen Stand gesetzt werden wollen / geräthet es so übel; als mit jungen Weinstöcken / welche man bejahrten Bäumen an die Seite setzt; und deßwegen neben einem so unanständigen Bräutigam verdorren; dahin gegen sie bey jungen Pflantzen wol gerathen. Etlichen hingegen ist die Freyheit so eigen / und sie unter das Joch der Dienstbarkeit so schwer / als die Schweffel-Dünste in Felsen und Ertzt einzusperren; welche mit so viel mehr Ungestüm ihre Behältnüß zersprengen / als sie feste verriegelt sind. Etliche können weder eine unumschränckte Freyheit / noch eine Knechtische Dienstbarkeit vertragen; dörffen daher wie gewisse Pferde bald der Spiß-Ruthe / bald einer Streichelung. Diesemnach befließ sich der schlaue Marbod iedem Volcke einen besondern Zaum anzulegen / und durchgehends Gesetze / Sitten und Herrschens-Art in altem Stande zu lassen; denen Freyern mit Höfligkeit; denen Niedrigern / (welche schwer zu erobern / leicht aber im Gehorsam zu halten sind) mit Ernste zu begegnen / nirgends aber neue Titel zu brauchen; sondern allenthalben der alten Hertzoge Anstalten zu behalten; Niemanden vorige Begnadigungen zu entziehen; seine eigene Gebehrden derogestalt zu mässigen: daß seine Schärffe der Liebe / seine Leitseligkeit der Hoheit keinen Abbruch that. Zu denen Aemptern erhob er mehr langsame / ruhige /und mittelmäßige; als allzugeistige und hitzige[1159] Gemüther; welche erstere sich mehr des Volckes / als Völcker sich ihrer Eigenschafften angewöhnen; welche die Laster nachdrücklicher verbieten / als unbarmhertzig straffen / durch keine Neuerung schädliche Enderung einführen / und denen Vorfahren mehr Klugheit als ihnen selbst zutrauen; die letzteren aber ihre Anstalten nichts minder durch einen zu hefftigen Anfang / als durch unachtsamen Verfolg verterben / ja durch allzugenaues Ausecken und Schärffe den Zustand eines Reiches nur schärticht machen / und mit unzeitigen Mitteln die Kranckheiten mehr rege machen / als ihnen abhelffen; in dem ein Staats-kluger zwar alles ergründen / nicht aber alles ausüben soll. Er theilte zwar seine Landes-Leute die Marckmänner durch alle andere eroberten Länder aus / und eignete ihnen die Aempter / welche mehr Nachdruck als Ansehens haben / zu; aber sie musten vorher sich in derselbigen Länder fürnehmsten Adel verheyrathen; und derogestalt ihnen ehe die Gewogenheit / als die Einheimschafft der Völcker zu wege bringen. Er ließ alleine das von den Bojen eroberte Land der Marckmänner mit Weinstöcken und andern fruchtbaren Bäumen erbauen / gab auch nur denen Marckmännern die Freyheit Handlung zu treiben mit Ausländern; wormit die andern Länder gleichsam an die Marckmänner unvermeidlich verknüpfft würden; und so wenig ihrer Handels-Leute / als Gewächse entbähren könten. Er machte mit denen kleinern Nachbarn / welche theils von Römern / theils Sarmatern / theils Catten besorgten verschlungen zu werden; hingegen ihre Ohnmacht keinen Schatten einiger Gefahr über ihn fallen ließ / zu ihrem Vortheil feste Bündnüße; hingegen ließ er die ihm wegen erster Macht / und von etlichen hundert Jahren angewohnter Herrschafft verdächtige Cherusker mit Fleiß unter der Römischen Presse schmachten. Er baute zwar wenig / aber überaus starcke Festungen / besonders an Flüsse und Gräntzen / und neben grosse Städte; wormit er sich so wol der Unterthanen / als wieder die Feinde versicherte / auch diesen bey feindlichem Einfall eine nahe Sicherheit verschaffte; und gleichwol die Länder nicht mit übermäßiger Verpflegungs-Last ungedultig machen dorffte. Insonderheit aber legte er dem Adel der überwundenen Völcker unter dem Scheine einer grossen Wolthat einen unvermerckten Kapzaum an; in dem er selbten niemahls zu Feldzügen aufbot; sondern bey freygelassener Pflegung der Wirthschafften die Ubung der Waffen vergessen ließ; und ausser der Marckmännischen Ritters-Leute sich nur des geworbenen Kriegsvolckes bediente. Wiewol Marbod selbst dem Eubagischen Gottesdienste beypflichtete; und denselbten in Schwung zu bringen durch öffentlicher Lehre scharffsinniger und tugendhaffter Priester / wie auch durch Beförderung seiner Glaubensgenossen zu Würden und Aemptern sich eusserst bemühte; so ließ er selbten doch niemand mit Gewalt auffnöthigen; weil es ihm nicht nur eine Grausamkeit schien einem ein Bekäntnüs des Mundes aufdringen / welchem das Hertze wiederspricht / und sein Urtheil als thöricht alsofort verdammen; welches ihm von denen / die ihn am meisten geliebt / nehmlich den Eltern von Kind auf eingepflantzt / und also von denen / welche durch Verfolgung / Raub / Gefängnüs und Marter ihren Haß gegen ihn an Tag geben / ihm aus dem Gemüthe zu reissen unvernünfftig und unmöglich ist / sondern beschirmte sie auch wieder unzeitiger Eyverer Bedrängungen; nach dem er diese einmahl als Unterthanen angeno en; kein Mensch aber / der aus der natürlichen Freyheit sich irgendswo in bürgerlichen Stand begiebt / zugleich sein Recht aufgiebt etwas nicht zu glauben; was ihm der Warheit nicht ähnlich zu seyn scheinet. Ja er ließ den Barden und Druyden den öffentlichen Gottesdienst / wiewol mit diesen Umschränckungen zu: daß sie nicht den Eubagischen lästern[1160] oder verdammen / noch auch die Eubagen auf ihren Glauben zu bringen sich bey Straffe der Aufrührer und Frieden-Störer unterstehen dorfften; Ja weil keine Herrschens-Art lange ohne Aufruhr und bürgerliche Kriege seyn kan; wenn der Obrigkeit nicht von ihren Unterthanen die Gewalt des rechten und irrigen Gottesdienstes; so fern selbter nur zu keinem Gewissenszwang mißgebraucht wird / zu unterscheiden und nach ihrem Urtheil die Reichsverfassung einzurichten enthangen wird; so musten alle Druyden in seinem Gebiete sich eydlich verbinden: daß sie auf ihr in Britannien sonst habendes Oberhaupt kein Absehen haben / sondern alleine den König Marbod für den /welcher nach Belieben den eusserlichen Gottesdienst ordnen könte / erkennen; insonderheit aber / als eine aufrührische Lehre / mit den Barden abschweren musten: daß Unterthanen zu Beschirmung ihres öffentlichen Gottesdienstes wieder ihren Fürsten Beschirm- oder Beleidigungsweise die Waffen ergreiffen könten. Auf diese Art hat König Marbod fast biß auf gegenwärtige Zeit mit friedsamen Rathschlägen seine Reichs-Sorgen fortgetrieben. Auf der andern Seite Deutschlands / ob wol die Römer mit allen ihren Kräfften in den Pannonischen und Dalmatischen Krieg eingeflochten gewest; haben sie doch theils durch starcke Besatzungen an dem Rheine / der Weser und Lippe / theils auch durch die vernünfftige Bescheidenheit des Sentius Saturninus / insonderheit: daß er die Cherusker unter dem Fürsten Herrmann gegen einem erträglichen Beyschube gewisser Hülffs-Völcker fast ihrer alten Freyheit genüssen lassen / die Deutschen zwischen dem Rheine und der Weser derogestalt gefässelt: daß die Uberwundenen sich nicht getrauet die Römische Bürde abzuwerffen / und also die Sicherheit des erträglichen Zustandes / der Gefahr und Ungewißheit gäntzlicher Freyheit für gezogen; sonderlich / weil die noch meist freyeren Catten und Alemänner wenig Anzeigung spüren liessen / wegen ihrer Nachbarn bedrängten Freyheit die eigene auff die Spitze zu setzen. Es würde vielleicht auch noch allem Ansehen nach geraume Zeit bey diesem Zustande blieben seyn; weil durch Sanfftmuth auch die Löwen kirre und zahm gemacht werden; wenn nicht der boßhaffte Quintilius Varus auf dem vernünftigen Saturnin gefolgt wäre / und diese Länder mit Raub und Grausamkeit erfüllt / also die Deutschen Fürsten / welche in der Freyheit gebohren; itzt aber Knechte werden solten / und die nach Art der Thiere dem Saturnin / als einem Hirten ohne Wiederspenstigkeit gefolgt hatten /nunmehr aber dem blutgierigen Varus als einem Metzger die Stirne zu bieten / und zu einer so behertzten Entschlüssung bewegt hätte; weil doch die Freyheit das einige Kleinod ist / das mit eigenem Blute und seiner Kinder Leichen erkaufft zu werden verdienet.

Fürst Malovend wolte nunmehr auch umständlich erzehlen; wie Hertzog Herrmann die Deutschen Fürsten so klüglich unter einen Hut gebracht; Melo der Sicambrer Hertzog so großmüthig den ersten Aufstand wieder die Römer gemacht / und jenen Gelegenheit verschafft hätte / unterm Scheine der Hülffs-Völ cker ihre Waffen zu versammlen; Adgandester aber erinnerte: daß es ohne diß schon spät in die Nacht /die Taffeln bereit mit Speisen besetzt wären. Daher sie sich mit einander in den Speise-Saal verfügten; und nach vollendeter Taffel und anmuthigen Gesprächen zur Ruh verfügten.

Mit anbrechendem Tage zohe Adgandester zu dem Feldherrn auf eines zwey Meilen von Deutschburg gelegenes Lust-Hauß / da er mit vielen Fürsten übernachtete / um den auf solchen Tag bestimmten Einzug zu dem Fürstlichen Beylager einzurichten; Die Königin Erato / Solonine und andere Frauenzimmer / wie auch Hertzog Zeno / Rhemetalces / Malovend und andere fügten sich gegen Mittag in ein Eckzimmer des eussersten Schlosses / um darbey Zuschauer[1161] abzugeben / ohne welche alle solche Gepränge kaltsinnig und unnütze sind.

Sie hatten sich mit der Frühmahlzeit kaum vergnüget / die Sonne stand gleich in der Mitte des zwar früh-wölckichten / nunmehr aber einem blau-hellen Tuche gantz ähnlichen Himmels / und mühte mit ihren güldenen Strahlen sich diesen prächtigen Einzug; derogleichen vielleicht viel Zeit in Deutschland nicht gesehen worden war / noch herrlicher zu machen; als sich der Vortrab dem Burg-Thor näherte; der in tausend leichten Reutern bestand / welche alle sehr lange gerade empor gehaltene Lantzen / und daran oben rothe und blaue Fähnlein führten / mit welchen die anmuthige Lufft auch ihr Lust-Spiel hatte. Alle diese begrüsten oberwehnte Fürstlichen Zuschauer mit Neigung ihrer Lantzen; die für iedem Hauffen vorreitende Trompeter und Heerpaucker aber mit ihrem kriegrischen Gethöne. Diesen folgten tausend Cheruskische Fußknechte; welche mit ihren grossen und meist entblösten Leibern halbe Riesen abbildeten; und nichts minder mit ihren ungeheuren Streitkolben / als sauersehenden Antlitzern denen Zuschauern gleichsam ein Schrecken einjagten; ungeachtet sie dißmahl ihre denen Feinden unverträgliche Anblicke mit einer gezwungenen Freundligkeit zu miltern sich bemüheten; ob schon die für ihnen hergehenden Kru hörner auch bey diesem Freuden-Feyer sie zur Rache wieder die Feinde aufzumuntern schienen. Massen sie denn auch ihre Narben von denen empfangenen Wunden mit allerhand Farben und Merckmahlen / als Kennzeichen ihrer Tapferkeit / bemercket hatten. Hierauff liessen sich hundert kohlschwartze Mohren auf schneeweissen Pferden sehen / welche meist in dem Römischen Läger waren gefangen worden. Um ihre Stirnen hatten sie weiß silberne Bünde; um den Halß Halßbänder von Kugeln aus Perlen-Mutter / um den mitlern Leib Serische Schürtzen / an der Seiten einen güldenen Köcher / über der Achsel bunde Bogen / in der rechten Hand einen Pfeil drey Ellen lang. Auf der Ferse folgten den Mohren fünfhundert Cimbern und Svionen; welche alle schneeweiße gekrausete Haare hatten / und mit weißen Bären-Häuten bedeckt waren / aber auf kohlschwartzen Pferden ritten. Hinter ihnen kam eine herrlich aufgeputzte Cimbrische Fürstin; welche des Catten Hertzog Arpus Gemahlin mit sich gebracht / auf einem Wagen / der auf Art eines Nachen gemacht / die Räder auch gantz verborgen waren / und von zwey flüchtigen Renn-Thieren gezogen ward. Sie begleiteten in sechs andern solchen Wagen Cimbrische streitbare Frauen; welche alle als Amazonen unter den Kriegs-Leuten aufziehen wolten; und daher sich auch mit Waffen auffs beste ausgerüstet hatten. Nach diesen erschienen fünfhundert Catten mit Luchs- und so viel Sicambrer mit Wolffs-Fellen bedeckt / die alle im mitlern Finger einen stählernen Ring / in der Hand zwey hackichte Spiesse / an der Seite breite Schwerdter trugen. Und hierauff folgten tausend Cheruskische Reisigen / alle mit gläntzenden Pantzern bekleidet; die für sich dicke viereckichte unter dem rechten Arme feste gemachte Pantzer-stecher / und in Fäusten spitzige Wurff-Spiesse führten. Diese wurden abgelöset / von zweyhundert nackten Ringern / derer Leiber über und über von eingeschmiertem Oele gliessen /und von dreyhundert Fechtern / welche wie jene mit allerhand seltzamen Stellungen / also diese mit dem Gefechte ihrer Schlacht-Schwerdter den Zuschauern Kurtzweil machten; wie denn auch dreyhundert Quaden zu Pferde mit ihrer Sarmatischen Tracht / und Geschwindigkeit bald auf / bald von Pferden zu springen / und dreyßig der seltzamsten mit Gold und silbernen Decken belegten Hand-Pferde ihre Augen mercklich an sich gezogen hätten; wenn nicht die Cheruskische /und ein Theil der Sicamber- und Cattischen Ritterschafft; die sich von der Römischen Beute[1162] über die gewöhnliche deutsche Art mit prächtigen Kleidern /schimmernden Waffen / Goldgestückten Pferde-Decken auffs herrlichste ausgeputzt hatten / und / um alle Vorzugs-Streitigkeiten zu vermeiden / in einer doch nicht unanständlichen Unordnung auff ihren hochmüthigen Pferden sich herfür gethan / und die geringeren Sterne verdüstert hätte. Aber auch diese wurden von dem schönen und großmüthigen Feldherrn wie von einer Sonne überstrahlet / welchen in einem von Golde und Edelgesteinen leuchtenden Harnische und über den Rücken abhängenden Purpur-Mantel / nichts minder mit einem köstlichen und Perlen-reichen Lorber-Krantze ein Tiger-fleckichter und mit den Füssen die Erde gleichsam zertretender Hengst herein trug. Auf einer Seiten ritt Hertzog Arpus / auf der andern Flavius; hernach Melo / Catumer / Adgandester /und andere deutsche Fürsten. Als nun diese mit ihren wol aufgeputzten und lange Hacken tragenden Leibwachten zu Fusse / und fünffhundert Reutern mit schwerer Rüstung vorbey waren; liessen sich vier sehr breit und lange mit allerhand Blumwerck und Laube künstlich besteckte und gleichsam einen Lust-Garten abbildende Wagen sehen / und darauf ein anmuthiges Gethöne von allerhand Sängern und Seitenspielen hören. Wie nun diß das Gehöre auf voriges Rauschen der Gewaffneten durch eine liebliche Abwechselung vergnügte; also erstarrten aller Zuschauer Augen über fünffhundert edlen Jungfrauen / die auf ihren über und über mit vielfärbichten Bändern gleichsam bestreuten Zeltern daher ritten; und alle mit Entblössung der lincken Brüste / behelmeten Häuptern / güldenen Köchern / Bogen und Pfeilen / als streitbare Amazonen herein drabten. Nach diesen kam ein mit vier weißen Pferden bespañter Wagen; von welchem vier und zwantzig wie Liebes-Götter ausgerüstete Edelknaben theils ihre vergüldete Pfeile in die Lufft schossen /theils den Weg mit vielfärbichten Blumen bestreuten; theils mit güldenen Rauchfässern durch glimmenden Weyrauch / und mit Verspritzung wolrüchender Wasser die Lufft einbalsamten. Aller Augen aber erstarrten / und alle Seelen wurden beweget von dem Anschauen der nunmehr erscheinenden Fürstin Thusnelde. Sie saß auf einem gantz übergüldeten / wie eine Muschel gestaltetem Wagen; gleich als wenn eine so unvergleichliche Perle kein ander Behältnüs / als ihre Muschel würdigte. Hinten stand ein edler Mohren-Knabe / wie ein geflügelter Liebes-Gott ausgerüstet /der über ihr Haupt einen grünen Sonnen-Schirm hielt; für ihr aber saß ein schneeweißer; der ihr mit einem Pusche roth / blau / gelbe und weiße Strauß-Federn Lufft zufachte. Das ihren Leib deckende güldene Pantzer-Hemde; die Lantze in der rechten Hand / der mit einem Adler gekrönte neben ihr stehende Helm /der für ihr liegende / und zu einem Spiegel dienende Schild / der Bogen und mit Pfeilen erfüllte Köcher bildete an ihr eine erschreckliche Krieges-Göttin; ihre Blitz und Anmuth sämende Augen; ihre Wangen /welche alle Rosen mit Purper / ihre Lippen / die alle Nelcken mit Zinober / ihre Brüste / welche alle Lilgen mit Milch zu betheilen einen Uberfluß hatten; Schnee und Flammen / Türckis und Alabaster mit einander vermählten; und mit iedem eingezogenen Atheme durch ihre Bewegung hundert Seelen entseelten / stellten an ihr eine Mutter oder Tochter der selbst-ständigen Liebe für; hätten also die Zuschauer zweiffelhafft gemacht / für welche sie sie verehren solten; wenn nicht die fürgegangene Schlacht ihr / als einer siegenden Pallas / den auff dem Haupte mit viel tausend Diamanten strahlenden Lorber-Krantz aufgesetzt; Die Uberwindung des in sie verliebten Herrmanns aber ihr / als einer Schönheits- und Liebes-Göttin / den güldenen Apffel zugesprochen / und also in einem menschlichen Leibe so viel Vollkommenheiten[1163] vereinbart hätten / die andere Völcker zu Betheilung zweyer Göttiñen genung geschätzt haben. Diesen güldenen Muschel-Wagen zohen zwey überaus grosse Elefanten; derer Ohren / vorragende Zähne und Rüssel gantz übergüldet; die Rücken aber mit Thürmen belegt waren; auf welchen etliche Mohren sie mit einem geringen Eisen leiteten; etliche Liebes-Götter auch Blumen streuten / Balsam spritzten / und mit Pfeilen spielten. Hinter dieser wunderwürdigen Braut folgten auff etlichen mit schneeweissen Pferden bespannten Sieges-Wagen das Fürstliche Frauen-Zimmer; unter welchen Erdmuth des Cattischen Hertzogs Arpus Gemahlin bey der Fürstin Thusnelda die Mutter-Stelle vertrat; derselben Tochter Catta aber ihrer Schönheit halber allen andern / ausser der unvergleichlichen Thusnelde Kampff anzubieten vermochte. Den Beschluß dieses Einzuges machten fünfhundert mit Bären-Häuten bedeckte Cherusker zu Fusse / und so viel schwergerüstete Reuter. In der Stadt Deutschburg konte für tausenderley Frolocken und glückwünschendem Zuruffen niemand sein eigen Wort vernehmen; und ward hiermit zwar die sinckende / mit der prächtigen Mahlzeit aber Mitternacht herzu bracht. Ja ob wol die / welche diese glückliche Verbindung hauptsächlich angieng; endlich ihre Ruhe suchten; störte doch diese ungemeine Freude die gantze Nacht durch den Schlaff der ihr Glücke gleichsam nicht begreiffenden Cherusker; welche weißlich behertzigten: daß die Welt nicht so sehr an Vereinbarung heilsamer Gestirne / als Unterthanen an dem Wolstande und glücklicher Vermählung ihrer Fürsten Theil haben.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 969-1164.
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