Inhalt

Des Achten Buches.

[1164] Die Zeit eine Meisterin aller Dinge / ihre eigene aber die Tugend und die Liebe / welche letztern beyde Hertzog Herrmanns und Thusneldens Hochzeit-Feyer verherrlichen. Die Aloe Staude gebiehret gleichsam wunderbar- und sichtbarer Weise einen ungewöhnlich-langen Stengel / und wird zu bevorstehender Vermählung vor ein gewisses Glücks-Zeichen gehalten. Prächtiger Ein- und Aufzug nach dem Deutschburgischen Hayn und Taufanischen Tempel. Der Deutschen sonderbahre Vermählungs-Gebräuche. Hertzog Herrmanns der Thusnelde überreichter Braut-Schatz; Dieser dabey bezeigte Ehrerbietigkeit und Mitgifft. Beyder Andacht Opfer- und Vermählung. Neu-entspringender Brunn über diesem heiligen Hochzeit-Feyer nebst seiner Bedeutung. Liebes-Feuer dem natürlichen durch allerhand an denen Pfeilern des Tausanischen Tempels auff Herrman zielende Ehren-Getichte vergliechen. Der Thusnelden aber alle vom Wasser hergenommene und dem weiblichen Geschlecht eigentlich zukommende Denck- und Sinnbilder. Abbildung der zweyen Unholdin des menschlichen Lebens des Hasses und Neides / und der schädlichen Mißgeburten der ehlichen Liebe der Eyversucht und Unfruchtbarkeit nebst ihrer Einäscherung. Die längst vor tod gehaltene[1164] Mutter Hertzog Herrmanns Asblaste stellet sich im Tempel in Gestalt und wunderbahrer Gebehrdung einer Alironischen Wahrsagerin ein /wird aber endlich mit tausendfältiger Freude erkennet. Die mit allem Uberfluß und Pracht zubereitete Fürstliche Hochzeits-Taffeln. Thusneldens Begleitung in ihr herrlich Schlaff-Gemach. Der neu-verheyratheten Deutschen und anderer Völcker hierbey sich ereignende wiedrige Gewonheit. Adgandesters Erzehlung über Hertzog Herrmanns ausgestandene Ebentheuer biß zu seiner erlangten gegenwärtigen Glückseligkeit. Kinder die sicherste Vormauer eines herrschenden Haußes / deren Mängel hingegen so wol bey Unterthanen als Nachbarn verächtlich. Des Feldherrn Segimers mit Asblasten siebenjährige Unfruchtbarkeit schläget der gemeinen Wolfarth halber eine willkührliche Ehscheidung vor: Dieser durch viel seltzame Ebentheuer aus Persien wieder erfolgte Zurückkehr in Deutschland. Ihr kurtz hierauff verspürter Ehe-Segen durch einen nachdencklichen Traum gleich der Olympia angedeutet. Hertzog Herrmanns und des Fürsten Flavius Geburt und Aufferziehung. Der erstere in seiner Kindheit gleich dem Romulus von einer Bährin geraubet / von ihren Brüsten genähret / endlich vom Segimer wieder errettet. Seine schöne Leibes-Gestalt und Anmuth /was solche bey grimmigen Thieren ausgerichtet. Tugend die einige Schönheit des Gemüths und das rühmlichste Eigenthum der Fürsten. Seine frühzeitige Tapfferkeit und Gefangenschafft nebst Asblasten und seinem Bruder Flavius durch des Drusus Hinterlist. Uber welcher herrlichen Beute sich Kayser August dermassen vergnügt: daß er sich in Asblasten verliebt / den Fürst Herrmann und Flavius aber ihrem Stande zukommende Bedienung verschaffet / dafern die Gefangenschafft auch einigen Anstrich und Gold Firnis scheinbarer Freyheit annimt. Die Gräfin von der Lippe verführet des Adgandesters Erzehlung: wie August besonders Livia durch Erhebung des lustigen Campaniens und Vernichtung des kalten Deutschlands die schwermüthige Asblaste zu besänfftigen / ja durch vielfältig ersonnene Liebes Vorstellungen ihre Keuschheit mit dem August ihren eigenen Gemahl zu bestricken suchet / so aber von dieser mit den herrlichsten Vernunffts- und Tugend-Gründen abgelehnet werden. Unglück das eigentliche Element der Tugend; eine Prüff- und Reinigung der Seele wie der Schmeltz-Ofen des Goldes. Tugend wird zwischen Rosen und Bisam stinckend; zwischen Dornen /Schweiß und Staube aber ewig erhalten. Der Menschen Vollkommenheiten gleichen den mängelhafften Diamanten und fleckichten Sternen. Schönheit der Seele in was sie bestehe? Nicht von Schmincke und falschem Anstriche / sondern von dem Blute der Hertzhafften / den Thränen der Gedultigen und Asche der beständigen. Terentia mahlet der Asblaste gleichfalls die Liebe als das zärteste Schoß Kind der Seele vor / so die Anmuth zur rechten / Ungemach aber zur Stieff-Mutter habe. Die keusche Liebe wohnet mit den reinen Perlen in einer Muschel / pfropffet sich als die herrlichste Schnathe auff den Stamm der Tugend / ja sie bleibet ihre Krone und Mittel Punct. Liviens Art ihrem eigenen Gemahl Kebs-Weiber zuzuführen / und dardurch ihre Herrschafft über ihn zu befestigen. Asblaste erzehlet ihren Nothstand der Gräfin von der Lippe / wird folgenden Tag zu der in der Ziegen-Insel vom Kayser angestellten Lustbarkeit und dem sogenannten Götter-Looß gezogen. Dieser vornehmen Gesellschafft unter gewisser Götter und Göttinnen Nahmen herrlicher und überirrdischer Auffzug. Des den Jupiter vorbildenden[1165] Drusus ausgerichtete Götter-Mahl / und darauff erfolgter Satyrischer geiler Aufzug. Der in einen Bock sich verwandelnde Mercur giebt der keuschen Asblaste entgegen die unkeusche Livia Gelegenheit ihr reiffes und tugendhafftes Urtheil anzubringen. Mecenas grosses Lob wegen seiner ungemeinen Klugheit. Bey dem Gastmahle und Vorstellung der Juno unter Terentien erlanget des Tiberius und der Julia Liebe ihre Vollkommenheit und Vermählung. Asblaste aber wird nicht ohne sonderbaren Vorbedacht dem den Apollo vorbildenden August zugesellet / dessen Liebes-Gebehrden sie sich mit aller Ehrerbietigen Ausflucht / und Scheltung der ihr entgegen gesetzten Amazonischen Herrschafft zu entziehen bemühet. Des Neptunus und seiner Amphitrite Auffzug endiget sich mit eines Tritons auf die Liebe des Kaysers gegen Asblasten singendem Getichte. Liviens Bewirthung auf dem Vorwerg Ceres. Die durch viel dabey vorgehende schändliche Vorstellungen auffs höchste geärgerte und in eine finstere Neben-Höhle sich verborgene Asblaste vom Augustus aufgesuchet und mit den grösten Liebkoß- und Versprechungen angefochten. Ihre hertzhaffte Verfechtung und Gegenwürffe mit Verdammung der schnöden und des Kaysers Ruhm verdüsternden Geilheit / werden durch des Höhlen-Felses unvermuthende Berstung gleichsam vom Himmel gehandhabet / August aber an seinem geilen Vorsatz gehindert. Der Königin Erato und Adgandesters Urtheil über des Kaysers Augustus Tugenden und Laster. Augustus Aberglauben über gewisse den Blitz abzulehnen bewährte Mittel. Asblaste wird auf das Lust-Hauß des Apollo genöthiget /dabey aber nicht wie vorigen Tag an ihrer Keuschheit gekräncket / sondern auf dem Lust-Hause Vesta ihr und der ihrigen heiliges Feuer anzuzünden / und die Höhle mit einem nachdencklichen Poroiens Glückseligkeit abbildendem Getichte zu überschreiten veranlasset. Bey dem neundten Aufzuge kämpffet Jupiter und Mars der erste von der Juno / der letzte von der Venus vergesellschafftet um die der Stadt Rom am meisten bezeigte Wolthaten / dabey der Kriegs-GOtt den Preiß und Siegs-Krantz davon trägt. Der zehnde Aufzug stellet die Venus mit unterschiedenen Bildungen / die darunter spielende Antonia aber ihre unzüchtige Gemüths-Regungen für; Den eilfften Auffzug hat die nackend badende Diane oder Julia mit allen ersinnlichen Jägereyen. Der letzte aber wird durch sieben Irr-Sternen mit einem über die Kostbarkeit ihres gefertigten Ertzts entstandenem Kampffe geendiget /darinnen Saturn ihm die des Goldes zueignet / und durch einen Tantz den Unterscheid der eisernen / silbernen und güldenen Zeit abbildet. Asblaste von Livien dem Kayser hinterlistiger Weise in die Hände gespielet; dieser darüber bezeigte Eyver / Schwermuth und verzweiffelte Stürtzung ins Meer. Ihre wunderbare Errett- und Bestürtzung über ihrer beyder Söhne plötzlichem Abschiede. Fürst Herrmann errettet den in die See über Bort fallenden Kayser; Flavius aber ihm vor einem hauenden Schweine das Leben / dardurch sie sich beyde zu seinen Schoß-Kindern / bey den edelsten Römern aber zu den grösten Freunden machen. Fürst Herrmanns Scharffsinnigkeit und vernünfftige Vorsorge über Auffsetzung der beyden Bilder der Eintracht und des Friedens bringet den Deutschen seinen Landes-Leuten deren Früchte zu wege /welche der ehrgeitzige Drusus zu sein und des Römischen Kriegs-Heers eigenem Untergange störet. Fürst Herrmann wird zwischen Livien und Terentien über beyder Gestalt und Schönheit[1166] ein Schieds-Richter zu seyn genöthiget. Sein vorsichtiges Urtheil. Uberfluß ein Abbruch der Seltzamkeit / nicht aber der Köstligkeit. Scharffsinnigkeit nur für eine Geburt der Stadt Rom zu halten. Mecenas Hauß ein Auffenthalt aller vortrefflichen Köpffe; Sein Leben ein Beyspiel menschlicher Vergnügungen genennet. Fürst Herrmann des Mecenas Schoß-Kind; des letztern Lehre von der Stoisch- und wahren Welt-Weißheit / welcher letzteren Zweck nicht die Folterung / sondern die Ruhe des Gemüths / und die Freudigkeit eines ungefässelten Geistes. Der wollüstigen Terentien Liebkosungen fangen bey dem tugendhafften Mecenas keinen Zunder. Keuschheit ohne Versuchung mehr vor eine Schlaffsucht oder Unempfindligkeit als Tugend zu halten. Anfechtung dagegen der Tugend Siegs-Krantz. Wollust auff Scytisch zu befechten / und durch die Flucht zu besiegen. Der Römer erfolgte grosse Niederlage nebst dem Tode des Drusus verursachet zu Rom grosses Schrecken / beym Augustus aber Kleinmuth und bey nahe Verzweiffelung. Drusus wird verbrennet / und seine Asche von den beyden deutschen Fürsten Herrmann und Flavius ins Kayserliche Begräbnüs getragen. August mäßiget diesen beyden zu Liebe des Drusus allzu heuchlerische den Deutschen zu Hohn ersonnene Lob-Reden und in Marmel gegrabene Uberschrifften / ingleichen der Deutschen insonderheit der Cherusker blutige Abschlachtungen bey den Römischen Schau- und Kampff-Spielen. Der tapffere Herrmann muß zwischen dem August und seinem Vater Segimer der Stein zum Friedens-Grunde seyn. Weñ und aus was Ursachen der Monat August seinen Nahmen bekommen? Terentien abermahlig dem Fürst Herrmann gelegte Liebes-Stricke den Unschuldigen gefährlich / ihr selbst aber wegen des an ihr verübten Selbst-Mords tödtlich. Eyversucht eine aus Liebe und Haß vermischte Mißgeburt. Einerley Gefahr den Fürsten ans Hertze und an ihren Zepter zu greiffen. Terentiens blutiger Tod ziehet des Mecenas nach sich. Sein letzter Wille und Erbschafft. Beyder Grabschrifften. Fürst Herrmanns neuer Glücks-Stern beym Kayser. Seine Würde bey dem Heiligthum der Eintracht; Geschickligkeit auf den Schau-Plätzen nebst seinen andern Heldenmäßigen Tugenden. Des Kaysers Enckeln zum Beyspiele vorgestellet. Dieser beyder allzufrühzeitige Ehrsucht bringet den Tiberius von Rom. Des Schwimmens Nutzbarkeit und dessen gröste Liebhaber Augustus und Agrippa. Dieser kommt im Kampff mit einem grossen Crocodill in Lebens Gefahr / vom Fürst Herrmann aber mit hertzhaffter Erlegung dieses grimmigen Thiers errettet. Augustus darüber geschöpffte Freude setzet den Fürst Herrmann seiner Leibwache vor. Laster bey hohen Personen um so viel heßlicher. Juliens Tiberius Gemahlin Wollüste und Uppigkeiten entzünden sie durch zauberische Kuppeley zu unziemlicher Liebe gegen den Julius des Marcus Antonius Sohn. Der Herrschafft und Schönheit Schwefel kan in dem Feuer der Ehrsucht und Liebe stählerne Hertzen zerschmeltzen / die klügsten Köpffe einnehmen und verwirren. Wollust den Fliegen verglichen. Des Antonius und Julia abgeredete Liebes-Wercke lauffen durch zufällige Verwechselung der ebenmäßig in unrechtmäßiger Liebe zusammen haltenden Lepidus und Serviliens verkehrt ab / und dienet aller Buhlschafft zum Beyspiel: daß blosse Einbildung fremdes Wasser zu Zucker mache. Ehrsucht die Sonne der Gemüths-Begierden verdüstert alle andere Regungen. Gefährliche Verrätherey wieder den Kayser[1167] vom Fürst Herrmann hintertrieben. Der Julia zauberische und vergebliche Liebes-Räncke gegen den Fürst Herrmann verändern sich in gifftigen Haß. Der berühmte und von der Julia bestochene Sternseher Thrasyllus deutet dem Kayser aus den Gestirnen und andern wiedrigen Begebnüssen ein grosses vom Fürst Herrmann besorgendes Unglück zu; Alle diese ihm gelegte Fallstricke aber schlagen zu seinem Tugend- und Ehren-Ruhm / und zu seiner Feinde eigenem Verterb und Blut-Urtheil aus. Des verrätherischen Antonius und Lepidus schimpflicher Tod. Juliens und Serviliens Gefangenschafft. Kayser August macht wieder den Parthischen König Phraaten den ihm bestimmten Nachfolger des Reichs den Cajus zum Feldherrn / den Marcus Lollius und Fürst Herrmann zu seinen Gefärthen. Lollius stifftet zwischen dem Cajus und Tiberius Feindschafft / bemühet sich diesen auch beym Kayser zu vergällen / nach dem er den Cajus wieder Fürst Herrmañs vernünfftiges Einrathen am Phraat zu einem unglücklichen Treffen verleitet. Eines Kriegs Obristen Ansehen in was es bestehe? Fürst Herrmann wetzet durch einen listigen Uberfall der Parthen des Cajus Scharte aus /bringet dardurch den Römern einen vortheilhafften Friede / dem Fürst Artavasdes aber die Armenische Crone zu wege; Fürst Herrmann seiner erwiesenen Tapfferkeit halber vom König Phraates selbst herrlich beschencket / Lollius seiner Verrätherey wegen angegeben und hingerichtet. Sein hinterlassenes und erschundenes grosses Vermögen. Aller Geruch nach Verrätherey macht den guten Nahmen stinckend. Neuer Friedens-Bruch zwischen dem Cajus und denen Parthen. Fürst Herrmanns Rache über des Cajus Meuchelmörderische Verwundung zu Rom nebst seinen andern grossen Verdiensten hochgepriesen. Des Augustus herrliches Urtheil von ihm setzet ihn beym eyversichtigen Tiberius in Haß und Verfolgung. Fürst Herrmanns durch die Sternseher vorgesagtes Ansehen und Glück bey der Welt. Segesthes Würde bey den Deutschen / und wie er einer Römerin seiner Sentia zu Liebe nebst seinem Vaterlande gleichsam seine Kinder den Römern zu Geißeln übergeben / worunter die unvergleichliche und gantz Rom verdüsternde Schönheit der Thusnelde den vollkommensten Fürst Herrmann bestricket. Verliebte gleichen denen um die Flamme irrenden Motten / und Zwergs-Liebe kan über Nacht zur Riesin werden. Thusnelde wird bey einem offentlichen Heiligthume vor die vergötterte Helena gehalten / und vom Fürst Herrmann in einer mit ihr geführten Wortwechselung auffs höchste gepriesen. Schönheit eine Mutter der Liebe und eine Beherrscherin der Götter und Menschen. Schönheit des Leibes so wenig ohne ein edles Gemüthe / als ein Zirckel ohne Mittelpunct. Der Tugend gefährlichster Stand in den Hülsen eines schönen Leibes. Der Thusnelde Mißfallen an dem blutigen Kampffe und Abschlachtung der Deutschen. Des Germanicus Rechtfertigung vom Fürst Herrmann wiederleget / und vom August selbst gebilliget. Thusnelde und Fürst Herrmann beseuffzen Deutschlands bedrängten Zustand. Ritter-Spiele dem Castor und Pollux zu Ehren gehalten / Fürst Herrmanns und Thusneldens dabey angebrachte Kunst-Schüsse eine Anzeigung ihrer nähern Gemüths-Vereinigung. Unempfindligkeit nur gefrorner Hertzen; die Bewegung aber einer zarten Seele Eigenschafft. Thusnelde giebet sich dem Fürst Herrmann nebst ihres Vaters Segesthes Untreu zu erkennen / und verständiget ihn mit höchster Bescheidenheit der[1168] eingelauffenen Todes-Post Segimers seines Vaters des deutschen Feldherrns. Ihrer beyder Berathschlagung über Fürst Herrmanns Reichsfolge. Wolthaten gleichen denen ihre Blätter verlierenden Rosen. Die Besiegung eines ehrsichtigen und liebreitzenden Weibes schwerer als eines gantzen Kriegs-Heeres. Alle Unterfangungen in Centner-Sachen müssen ein Loth Verwegenheit haben / und theils Rathschläge /wie einige Früchte / nicht völlig reiff werden. Fürst Herrmanns und Thußneldens Gespräche durch Livien gestöret. Fürst Herrmann wird vom Ingviomer durch ein Schreiben der verdächtigen Todes-Art des tapffern Segimers / und des verwirrten Cheruskischen Zustandes verständiget. Pflicht der Fürsten Treu und Glauben zu halten / wenn auch Niedrigen über die Schnur zu hauen übersehen wird. Fürst Herrmann überkommt auf einen Tag durch die vom Kayser erlangte Freyheit seiner nach ihm seuffzenden Länder Herrschafft und das Versprechnüs der Seelen-Beherrscherin Thußnelde. Dieser unvergleichliche Schönheit erweckt beym Tiberius Liebe und Eyversucht / beym Segesthes aber Vergessenheit seiner gegebenen Treu und Glauben. Staats-Gesetze aller Anverwandschafft /die Vergrösserung des Geschlechts allem andern Absehen vorzuziehen. Thußneldens Standhafftigkeit beym Fürst Herrmann mit Vorstellung der schändlichen Laster des Tiberius. Dessen gifftige Nachstellungen auf Fürst Herrmans Person durch Thußneldens Warnigung und dem gütigen Verhängnüs hintertrieben. Liviens Zauber-Mittel die Thußnelde zu gewinnen. Des Tiberius Meuchelmörderischer Anfall vom tapffern Herrmann / und der vor Thußnelden bereitete zauberische Liebestranck durch ihre Vorsicht abgelehnet. Solcher Liebesträncke schädliche Würckung. Fürst Herrmann berichtet dem Kayser des Tiberius mörderischen Anfall / und beurlaubet sich zugleich von ihm und der Stadt Rom. Des Kaysers rechtmäßiger Eyver über den Tiberius und Rache gegen die übrigen Mörder. Liviens durch den bestochenen Sternseher Thrasillus beym Segesthes ausgeübte List. Segesthes und Thußnelde wird unvermuthet und unerkennet durch den Fürst Herrmann aus der Seeräuber Händen errettet / und mit tausend Freuden empfangen. Ihre Bewirthung von einem zwischen eitel Felsen in einem verborgenen Wunder-Gebäue wohnenden alten Greisen oder Priester. Dieser Dädalischen Wohnung Beschreibung und Herrligkeit. Wolthaten bezahlt zu nehmen / eben so thöricht / als den Preiß des Goldes durch Einmischung geringerer Schlacken zu vergeringern. Tiberius wird beym August ausgesohnet und wieder die Chautzen gesendet. Fürst Herrmanns und seiner Thußnelde prächtig- und freudiger Einzug in Deutschburg. Was die Glücks-Sterne den Schiff-Leuten / diß sind Fürsten ihren Unterthanen. Jede Neuigkeit ein Licht / welches vieler Augen an sich ziehet und verbländet. Fürst Herrmanns vorsichtige Einrichtung seiner Herrschafft auff Krieg und Friedens-Zeiten. Der alten Deutschen Jugend erste Zierrathen /Schild und Spieß. Eines löblichen Fürsten gehörige Eigenschafften. Ihre vornehmste Tugend: Die Vernunfft in allen Dingen zur Wegweisern haben. Das Ansehen bey einer Herrschafft / was der Mittelpunct bey einer gerade stehenden Seule. Rühmlicher / sich nach Art eines Schwantz-Sterns mit herrlichem Glantze einäschern / als eine todte Kohle in der Erde unverweßlich zu bleiben. Gerechtigkeit durch aller Welt Schätze zu bezahlen. Belohnungen sollen allemahl nach dem schweren / die Züchtigungen[1169] aber nach dem leichten Gewichte ausgetheilet werden. Ungedult eine Mutter schädlicher Mißgeburten / Hoffnung eine Uberwinderin selbst des Verhängnüßes. Politische Ursachen: warum das Hertze des Menschen nicht auf der rechten / sondern lincken Seite des Menschens seinen Sitz habe? Hertzog Herrmann wird von seinen bedrängten Nachbarn wieder die Römer um Hülffe angesucht / und ihm seiner Vorfahren Feldhauptmannschafft angetragen. Fürsten ob und wenn ihnen erlaubet ein ander Gesichte zu zeigen / als ihr Hertze ist? der Purpur-Rock eines Fürsten soll den Sternen gleichen und also ohne Flecken des Betruges seyn. Argwohn der Warheit gröster Todfeind / und wem sie gleiche? In Staats-Sachen geben auch Zwergs-Bäume einen Riesen-Schatten hoher Cedern von sich. Das von der Natur in die Brust verborgene Hertz lehret die Verschwiegenheit / und die Verbergung eines Anschlags machet in Kleinigkeiten die Kräffte ansehnlich / die Mäßigkeit unbegreiflich / und sich selbst zum Wunderwercke. Zerfallene Freundschafft einem zerstückten Spiegel oder Edelgesteine; Ein versöhnter Feind aber einem heut gläntzenden / morgen rostenden Ertz-Geschirre ähnlich. Hertzog Herrmanns Gesandschafft an den König Marbod / dessen mit dem Tiberius getroffener Anstand heisset den Gesandten andere Seiten auffziehen. Höfligkeit die gewisseste Angel edler Gemüther und eine Bezauberin der Unhold. Hertzog Herrmanns und des Römischen Saturnins Freundschafft. Beyde finden auff dem Blocks-Berge bey nächtlich angestellter Jagt den mit einer zauberischen Wahrsagerin über des Tiberius künfftiges Glück sich besprechenden Sentius. Seine Rechtfertigung und letzt erkennter Fehler. Der Fürstin Thußnelde Auffenthalt bey der Cattischen Herzogin. Des Fürsten Arpus Gemahlin verursachet dem entfernten Herzog Herrmañ allerhand Gemüths-Krän ckungen. Thußnelde befindet sich mit der Fürstin Erdmuth unter ihrem Frauenzimmer unerkannt in dem Hermundurischen warmen Brunnen / allwo der dahin kommende König Marbod sich in ihre Schönheit verliebet. Schönheit verbländet mit ihrem Glantze wie die Sonne / und tödtet mit ihrer Lebhafftigkeit wie das Feuer. Der Augen besondere Nahmen und Verrichtungen. Polycrates Glücks-Ring wird auff eine gantz wunderbare Art Thußnelden zu Theil. Der Liebe und Furcht Würckungen in Marbods Gemüthe wegen Thußnelden. Marbods angestellte Jagt / seine Lebens-Gefahr durch Thußneldens Tapfferkeit abgewendet. Marbods verliebte Ansprache gegen Thußnelden bey einem in selbiger Einöde sich befindlichem Brunnen. Thußnelde stellet ihm mit vielen Vernunffts-Gründen entgegen: Daß ein König vor andern seiner Regungen Meister; Sie aber ihres Gelübdes ewiger Keuschheit unverbrüchlich eindenck seyn müste. Marbods abgeschlagene Liebe in Grimm und Raserey verwandelt durch einen Schlangenstich bestraffet. Furcht das gröste Leibzeichen aller Gemüthsregungen. Thußnelde wird in ihrem Jäger-Aufzuge von ihrem erzürnten Vater dem Segesthes / als Römischen Gesandten zum Marbod / unvermuthet angetroffen / in Verwahrung genommen / und wegen ihrer Flucht von Rom zu höchstem Leidwesen der Cattischen Hertzogin / scharff unterhalten. Der darüber um Hülffe angeflehete Marbod schützet zu seines eigenen Absehens Befestigung des Segesthes väterliche Gewalt / und die denen Gesandten durch das allgemeine Völcker-Recht zu statten kommende Freyheit. Die Cattische Hertzogin aber andere entgegen gesetzte Gründe[1170] vor. Thußnelde kömmt auf gewisse Bedingung wieder in dieser Fürstin Verwahrung. Des Marbods mit dem Segesthes gehaltene geheime Unterredung über der Römer an ihm dem Segesthes zeither verübten Falschheit; mit Erhebung seines hohen Geschlechts und Würdigkeit der ihm gebührenden Feldherrschafft. Boßheit und Klugheit die zwey Bots Leute der gantzen Welt. Augen und Gebehrden Verräther der Seelen. Heucheley der Staats-Klugheit gröste Tugend. In der Elbe ein ungewöhnlich grosser Stier gefangen /und in dessen Leibe durch Marbods künstlichen Betrug ein goldener Ring mit einer nachdencklichen Uberschrifft gefunden. Ob und was von dergleichen Deutungen zukünfftiger Dinge zu halten? Marbod verfolgt beym Segesthes keine List als ein göttlich Verhängnüs / und dringt auff Thußneldens Vermählung. Die unter so viel vermeinten klugen verständigste Thußnelde eröffnet ihrem Vater des Marbods Betrug wie und woher; auch jenes durch den Natterstich schon einst empfundene göttliche Rache / erkläret sich dabey lieber zu sterben / als den Hertzog Herrmann zu vergessen. Allzugenaue Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen Blindheit. Unglaube das betrüglichste Fallbret. Das unvermeidliche Verhängnüs die weiseste Richtschnur. Ehre und Leben erheischet das letztere vor die Tugend zu verschwenden. Staats-Klugheit achtet Heyrathen vor Vermählungen der Bürger / Bündnüsse aber / der Fürsten. Allzugrosse Schärffe eine Gebährerin der Verzweiffelung; Gelindigkeit eine Zermalmerin der härtesten Steinfelsen. Das weibliche Geschlecht und Feuer erfordert einerley Behutsamkeit / weil beydes Rauch und Licht heget. Thußnelde verschmähet Marbods und seiner Fürsten ihr zu den Füssen gelegte Königs-Kronen und Fürsten-Hüte / mit Erkiesung eines einsamen Kerckers und des darinnen rein behaltenen köstlichen Schatzes ihrer Gewissens Ruh. Thußnelde wird in Verhafft /die Cattische Hertzogin aber aus dem Reiche geschafft. Dabey die Gräfin von der Lippe ihre Erzehlung endiget / Fürst Adgandester aber befolget. Wie der zu Mayntz angelangte Tiberius Thußnelden seine vermeinte Braut beym Marbod mit Glimpf / beym Segesthes aber mit Dräuen gesuchet. Marbods abschlägliche Antwort und Kriegs-Verfassung. Des furchtsamen Segesthes beym Varus gesuchter Schutz. Der hierüber bekümmerte Hertzog Herrmann errettet durch eines ihn auffweckenden Geistes oder Gesichts Hülffe und Wegweisung wieder sein eigenes Dencken seine höchst verlangte Thußnelde nicht so wol aus dem Gefängnüs / als aus den Wellen eines wütenden Stroms. Das allsehende Auge der Göttlichen Versehung / wie es von Menschen anzusehen? Fürst Herrmanns und Thußneldens Zurückkehr nach der Hauptstadt Matium zu Hertzog Arpus Gemahlin Erdmuth /auf welcher Reise sie Siegimers des Segesthes Brudern Braut Rhamis des Cattischen Hertzogs Ukrumers Tochter gantz wunderbarer Weise aus den feindlich- und Räuberischen in ihres Bräutigams des Siegimers Hände lieffern. Segesthes Hertzog Herrmanns und Thußneldens unvermuthete Zusammenkunfft verursachet abermahl gefährliche Ebentheuer und ein blutiges Fechten / nach welchem der heftig verwundete Hertzog Herrmann nebst Thußnelden mit schimpflichen Ketten gebunden / Siegimer aber von seinem Bruder Segesthes vor Feind erkläret wird. Wie vielerley Absehen des Menschen / so vielerley Abgötter hat er. Segesthes und Tiberius boßhafftes Verhalten gegen den Hertzog Herrmann wird durch Marbods und Vannius[1171] würcklichen Uberfall und zu Erhaltung der Cheruskischen Freundschafft hinterzogen. Den aller Orten bedrängten Römern soll die unschuldige Thußnelde zum Opffer / dem mächtigen Feinde Marbod aber zur Besänfftigung und zur Ausbeute dienen. Tiberius wird gezwungen denen Märckmännern und Quaden einen schimpflichen Jahrs-Sold zu versprechen. Vermählungen zwischen zwistigen Häuptern die Ehrenpforten aus dem Irr-Garten eines entsprungenen Kriegs zu kommen. Im Zanck-Apffel der Schönheit / selten Kerne zu finden / woraus die Oelzweige des Friedens wachsen. Weibliches Geschlecht eine Gebährerin der Zwietracht in Ländern / wie der Zwillinge im Kind-Bette. Segesthes gifftiger Anschlag wird durch seiner Gemahlin Sentia und seines Sohnes Siegismunds Gefangenschafft von den Cheruskern hintertrieben / und hernach mit Hertzog Herrmannen ausgewechselt. Dessen Tapfferkeit windet mit seinen wenigen Cheruskern und des darzu kommenden vom Marbod vertriebenen Hertzog Jubils Hülffe denen viel stärckern Marckmännern seine gefangene Thußnelde nach einem harten und blutigen Gefechte nicht allein aus den Händen / sondern bekommt auch die der Thußnelde entgegen kommende Königliche Tochter als eine Gefangene vom Hertzog Jubill zum Geschencke. Hertzog Herrmann wird über sorgfältiger Suchung seiner auf dem Gabretischen Gebürge versteckten Thußnelde durch ein wundergrosses Weibsbild oder die Schutz-Göttin solchen Gebürges von einem zwischen den Felsen herfür springenden gifftigen Wasser ab / und zu einem gesunden geführet / auch vor den Erhalter der Deutschen Freyheit gepriesen. Der Cherusker vom Gespenste selbst gerathene Abzug wird eines der Casuarier und Cherusker Feindschafft schmertzlich beweinenden alten Ritters / und durch dessen Veranlassung Hertzog Herrmann seiner in der Marckmänner Hände wieder verfallenen Thußnelde bey nahe theilhafftig. Thußneldens neue Lebens-Gefahr in einem vom Fürst Herrmann belägerten Schlosse auf Segesthes ihres Vaters Befehl bey eusserstem Nothfall von der Festung und felsichten Klippen abgestürtzet zu werden. Das Urtheil / wie recht oder unrecht es sey / ein Werck der Obern / Gehorsam aber die Ehre der Unterthanen. Aus der abgestürtzten und vom Hertzog Herrmann an einem Krachsteine lebendig gefundenen Thußnelden zu schlüssen: daß Fürsten gantz andere oder besondere Schutz Geister und Erhaltungs-Gestirne; Aus Hertzog Herrmanns aber dabey bezeigten hertzlichem Mitleiden: daß die Augen der Helden nicht weniger in sich Wasser der Empfindligkeit / als Felsen Quellen haben müssen. Die Laster haben nach ihrer Vollbringung die Art des in der Lufft erst schwer werden den Stein-Saltzes an sich. Aus dem rechten Gebrauch aller dreyen Zeiten ist das eigentliche Leben zu schlüssen. Thußneldens Erbarmung über die sie abstürtzenden gefangenen Marckmänner. Segesthes von Sicher- und Trunckenheit den Cheruskern den Rückweg abzuschneiden geschlagenes Lager vom Hertzog Herrmann und Jubill überfallen / zerstreuet und meist abgeschlachtet / selbst Segesthes gefangen / Stadt und Schloß Henneberg nebst allen mit dem Tiberius und Varus über seinen Untergang gewechselten Brieffen erobert. Hertzog Herrmann entlediget den Segesthes seiner Thußnelden zu Liebe der Ketten und Bande /führet ihm der Römer Betrug und sein zeitheriges übles Beginnen zu Gemüthe / mit Versprechnüs seiner Freyheit und seines Gebietes / welches er mit aller ersinnlichsten Dancknehm- und Bereuung seiner Fehler / Erhebung des Hertzog[1172] Herrmanns freymüthig erkennet / auch das Feld bey Henneberg dieses Sieges halber / mit dem Nahmen Herrmanns Feld verewigen läst. Dieser Fürstlichen Gesellschafft Ankunfft zu Marpurg beym Hertzog Arpus verursachet wegen des Cheruskisch- und Casuarischen Hauses Vereinbarung grosse Freude; des Sicambrischen Hertzogs Melo überbrachte traurige Zeitung aber wegen seiner vom Q. Varus geraubten Tochter ein allgemeines Hertzeleid und Verbitterung gegen die Römer. Alle Güter sind wieder zu erlangen / der Verlust der Keuschheit allein ist unersetzlich / und der Ehre unwiederbringlich. Hertzog Herrmanns / Arpus und Melo Berathschlagung über des Varus Rache und Erhaltung der Deutschen Freyheit. Der Verdacht der betrieglichste Wegweiser zu bereuenswürdigen Entschlüssungen. Segesthes abermahlige Verrätherey. Das Gewissen der Göttlichen Rache Gerichts-Anwald. Varus wird durch der Deutschen Fürsten Zusammenkunfft zu Alison in gutes Vertrauen; Hertzog Herrmann aber zu sein und der übrigen Römer bald erfolgenden Schrecken zum Feldherrn Deutschlands gesetzet. Der Fürstin Thußnelde Helden-Tugenden begleiten eitel Wunderwercke / wie das Ende der Erzehlung vor dißmahl den Adgandester und übrige Hohen zu einer herrlichen Mahlzeit und allerhand Schertz-Spielen.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 1164-1173.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon