Das Neundte Buch.

[1321] Der gantze Cheruskische Hof hatte die letztern Tage mit solcher Vergnügung hingelegt: daß niemand weder durch Seiten-Spiele / noch durch unterlegtes Lättich-Kraut ihm die Süssigkeit des Schlaffes dorffte zu wege bringen. Weil nun die Ubermaße der Freude oder der Traurigkeit über die eusserlichen Sinnen eine grosse Botmäßigkeit hat / diese aber die innerlichen rege machen; war kein Wunder: daß die denen Innwohnern des Eylandes Thule / welche ihre Wohnungen von eitel Gerippen der Wallfische bauen / alle Nacht von Schiffbruche und Meer-Wundern; also denen Cheruskern von eitel Täntzen / Hochzeit-Fackeln / Siegs- und Freuden-Feuern träumte. Denn wie der Wille des Menschen der allerglücklichste Gebieter ist / also: daß ihm im Augenblicke alle Glieder mit fertigster Ausrichtung seiner Befehle gehorsamen / ja selbtem gleichsam zuvor kommen; so ist die Einbildung die sinnreichste Mahlerin / welche denen Schlaffenden die Bilder der Wachenden / mehrmals eigentlicher / und mit einem grössern Aufputz fürstellet / als sie wesentlich gewest; ja eine Schöpfferin neuer in der Welt nie gesehener Dinge / offt auch eine Wahrsagerin der zukünfftigen; wenn die Träumenden gleich nicht den Stein / der wegen seiner Aehnligkeit den Nahmen des Ammon-Hornes bekommen / ihnen unters Haupt gelegt haben. Diesemnach war sich nicht zuverwundern: daß das Frauen-Zimmer im Traume tantzte / die edlen Ritter-Spiele übten / das gemeine Volck sich mit Gastereyen und anderer Kurtzweil erlustigte.

Fürnehmlich aber hatten die vorhergehenden Erzehlungen des Fürsten Adgandesters und der Gräfin von der Lippe der Fürstlichen Versamlung Hertzog Herrmanns und der Fürstin Thußnelde Zufälle so feste ins Gehirne gedrückt: daß die Träume solche Begebnüsse ieder Person mit allerhand Verstellungen wie in einem Zauber-Spiegel auffs neue fürbildeten. Diese nächtliche Erinnerungen / und die Begierde der Neuigkeit / welche auch sich so gar des Himmels bemächtigt: daß er sich mit Gebehrung neuer Sternen belustigt / erweckte[1321] gar früh in ihnen ein unmäßiges Verlangen von der Fürstin Asblaste vollends zu vernehmen / wie sie aus dem Schiffbruche in das Cimbrische Heiligthum / und von dar nach Deutschburg gleich so zu rechter Zeit kommen wäre. Alleine / es war diese drey Tage kein Mittel an sie zu kommen / weil sie Tag und Nacht in der Tanfanischen Höle mit Beten zubrachte; auch ausser dem Genüß etlicher Kräuter und des daselbst herfür quellenden Wassers keine Speise zu sich nahm. Diesemnach sie denn mit allerhand andern annehmlichen Ergetzligkeiten die Zeit einander vertreiben musten; biß Hertzog Herrmañ und Thußnelde den vierdten Tag mit der Morgenröthe sich schon herfür machten / und mit einer kleinen Begleitung zu dem Tanfanischen Heiligthume verfügten. Denn es trugen ihnen nur drey Edel-Knaben / und zwey Jungfrauen fünff Fackeln für; welche ungleiche Zahl so wol deßwegen: daß sie nicht in zwey gleiche Theile zertrennet werden kan / als die ungleiche Gewalt der Vermählten anzudeuten; bey denen Hochzeiten für heilig gehalten wird. Hertzog Herrmañ und Thußnelde sassen beysa en zwar auf einem in Gestalt einer Muschel zierlich vergüldetem Wagen; an statt köstlicher Tapezereyen aber waren ihnen nur gemeine Lamm-Felle untergelegt. Die wurden für dem Altare auch auff die Erde gebreitet: daß die neuen Ehleute bey ihrer Andacht und Opfferung darauff treten und knien konten. Denn auf diese Art pflegten nicht nur bey denen Deutschen / sondern auch bey andern Nord-Völckern die allerfestesten Bündnüsse bestetigt zu werden. Thußnelde hatte ihr Haupt und Antlitz mit einem Safran-färbichten Tuche verhüllet zum Zeichen ihrer Schamhafftigkeit / und des ihrem Eh-Herrn verpflichteten Gehorsams. Hingegen prangete der Feldherr mit einem Krantze frischer und nur bald aufgeschossener Rosen gleich als mit einem Sieges-Zeichen wegen eroberter Jungfrauschafft. Dieses Altar war von uhralter Zeit her der Schamhafftigkeit geeignet; und opfferten niemand / als die neuen Ehleute einmahl nach dem Beylager darauff. So bald das Brenn Holtz darauff von den Priester-Knechten zu rechte / und die Opffer-Thiere darauff gelegt waren; kam die heilige Asblaste eilfertig aus der Höle gerennet; und zündete mit einer in der Hand habenden Wachs-Fackel beydes an; meldende: daß ihr / als einer Mutter / nicht nur die Hochzeit-Fackeln fürzutragen; sondern auch als einer Priesterin die Opffer zu verrichten zukäme. Welches die anwesenden Priester / die sie wegen ihrer Heiligkeit auffs demüthigste verehrten / gerne geschehen liessen. Nach dem alles verbrennt war / Asblaste auch aus der Asche alles Gutes wahrsagte / stand Thußnelde auf / raffte vom Altare dreymahl mit ihren zusammen gehölten Händen die noch heisse Asche /streute sie auf den Rasen / trat mit beyden nackten Füssen darauf / und rieff: Verhängnüs! wo du wieder meinen Wunsch die Reye des Todes mir nach meinem Gemahle bestimmet hast; und ich mit seiner Todten-Asche nicht die Meinige / wie diese allhier mit meinen Füssen vermische; so lasse mich die Lufft keinen gesunden Athem schöpffen; und die Erde gönne meinen Gebeinen keine ruhige Grabstatt! Gönne mir und Deutschlande die Glückseligkeit: daß dieses uns ein Grabmahl der Liebhaber auffrichte / wie Tarent Orestillen und dem Plautius; welcher auff seines Ehweibes Leiche entseelet und verbrennnet worden. Könte ich aber diese Ubermaße des Glückes erbitten: daß ich durch meinen Tod meinem Herrmanne / wie Alcestis durch ihren dem Admetus / und Gracchus seiner Cornelien / verlängern könte; wüste ich die Freude meiner Seele nicht zu begreiffen. Der Feldherr umarmte nach diesem Gelübde seine Thußnelde. Der Priester Libys aber kam / und nach dem Asblaste ihr das Tuch und Schleyer vom Gesichte weggezogen /sätzte er ihr den aus gewissen mit purperfärbichten[1322] Blumen prangenden Disteln gemachten Krantz der Keuschheit aufs Haupt / und besprengte beyde mit dem aus dem heiligen Brunnen geschöpfften Wasser.

Die Königin Erato / die Fürstin Erdmuth / Catta /Adelmund / Ismene / Salonine / die Gräfin von der Lippe und ander Frauen-Zimmer kamen gleich über dieser Bekräntzung bey dem Heiligthume an; und weil hiermit Thußneldens Andacht sich endigte / empfiengen sie sich mit einander auffs holdseligste. Nach geschehener annehmlichen Umarmung bat Erato ihren Vorwitz nicht zu verargen; wenn sie fragte: was dieses für ein Altar / und für eine Gewonheit alldar zu opffern wäre? Die heilige Asblaste kam denen andern mit ihrer Antwort zuvor / und meldete: dieses Altar wäre von der züchtigen Vorwelt der Schamhafftigkeit gewiedmet worden; darauff dieselbigen ihre Opffer liefferten / welche auch in dem Eh-Bette die Keuschheit unversehrt zu behalten gedächten. Erato versetzte: Sie hätte zu Athen ein gleichmäßiges Altar der Schamhafftigkeit / und zu Sparta ein gleichmäßig-heiliges Bild / welches Icarius seiner verschämten Penelope zu Liebe aufgerichtet hätte / gesehen; es dörfften aber daselbst nur Jünglinge und Jungfrauen ihre Andacht verrichten; welcher Absehen dahin zielte: daß die Götter sie nicht in etwas verfallen lassen wolten /worüber sie Ursach hätten schamroth zu werden. Weßwegen auch die Verehlichten / oder die / welche der Wollust schon einmahl den Zügel verhangen hätten; daselbst ausgeschlossen blieben. Asblaste antwortete: Ich höre wol: daß die Griechen die Schamhafftigkeit für eine scheltbare Gemüths-Regung und eine Schwester der Furcht daselbst halten; welche bey Erinnerung eines Verbrechens das Gelübte nicht anders / als ein Sturm das Meer erreget; und in alle Glieder des Leibes mit einer langsamen Hitze sich ausschüttet / dem Hertzen aber eine kalte Beysorge einiger ihm bevorstehender Schande zuzeucht. Diese Schwachheit des Gemüthes / ob sie zwar ein gutes Zeichen eines verletzten Gewissens und ein Kennzeichen ist: daß der Zunder der Tugend im Hertzen noch nicht gar verglommen / sondern noch allerdinges rege sey; ist doch keines Altares nicht werth; und zwar auch / wenn solche Schamröthe gleich nicht von einer ihm übel / bewusten Schuld / sondern von einer angebohrnen Flüchtigkeit des Geblütes herrührt; welches sich bey ieder neuen Begebenheit / wie das Meer bey dem Vollmonden / reget / und seine Schrancken überschreitet. Denn es ist nichts seltzames: daß diese Schwachheit durch blosse Einbildung einem auch nicht lasterhafften Menschen nicht anders / als Träume oder Zauber-Laternen aus nichts / oder einem blossen Schatten Gespenster und Riesen mache; und ohne Ursache auff schädliche Abwege der Kleinmuth leite; und die / welche solche nicht durch eine hertzhaffte Unbewegligkeit zu überwünden wissen / mehrmahls in augenscheinlichen Untergang zu rennen veranlasse. Es ist wahr / sagte Erato; ich erinnere mich: daß die an des Calippus / Antipater an des Demetrius / Hercules des grossen Alexanders Sohn an des Polysperchon Tafel ihr Leben eingebüsset; weil sie ihr Mißtrauen blicken zu lassen / und sich von solchen Blut-Mahlzeiten zu entschuldigen geschämet. Ja es mangelt nicht an Beyspielen: daß ihrer viel ehe einem was zu versagen / als dardurch in Sünde und Schande sich zu stürtzen gescheuet haben. Weßwegen auch ich / woher in Deutschland die Schamhafftigkeit in einer bessern Art / und in grösserm Ansehen seyn könne /nicht zu begreiffen weiß. Die Fürstin Asblaste lächelte; und fieng an: Ich weiß wol: daß etliche Gewächse in gewissen Ländern gifftig / in andern zum Essen und unschädlichem Gebrauche dienlich sind; aber die Gebrechen der Natur und die Schwachheiten des Gemüthes werden unter dem gütigsten Himmels-Striche zu keiner[1323] Vollkommenheit und Tugend. Daher wir Deutschen auch nicht vorerwehnte Schamhaftigkeit werth achten; welche ich mit Rechte entweder die Abend-Röthe der untergegangenen Tugend / oder das Feuer eines ungesunden Menschen nennen kan; sondern alleine dieselbe / welche der regen Tugend / wie die Morgen-Röthe der aufgehenden Sonne Vorläufferin ist; welche über allem / was gleich nichts unreines in sich kleben hat / eine so zarte Empfindligkeit hat: daß sie mit ihrem Purper auch den geringsten Schatten erleuchtet / der ihrer Tugend einige Düsternheit zuzuziehen scheinet. Ich verstehe die züchtige Hoffmeisterin aller Gemüths-Regungen; insonderheit der Liebe und Begierde; welche zuweilen bey ihrer Hefftigkeit das Gesichte verlieren / und bey übermäßiger Verfolgung der Annehmligkeit in unsaubere Pfützen treten; und also wol von dieser Gebieterin im Zaume gehalten zu werden nöthig haben. Diese ist eine Geferthin der Hertzhafftigkeit; welche ehe für Erhaltung der Ehre zu sterben; als um das Leben zu retten was schimpfliches zu beginnen einräthet. Ihre Röthe hat zwar in dem Antlitze die Farbe des Feuers; das Hertz aber empfindet davon keinen Brand oder Unruh. Denn ihre Bewegung ist eine Lebhafftigkeit der Tugend /welche mit diesem Purper ihrer Vollkommenheit noch eine schönere Farbe anstreichet; und alle Unsauberkeit / die um sie zu beflecken ihr etwan zu nahe kommen wil / beschämet; also: daß sie billich eine Blüte der Schönheit / eine Blume des Leibes / ein Schatten der Seele / der sichtbare Glantz oder die Farbe der Tugend / eine natürliche Schmincke keuschen Frauenzimmers genennet / und bey diesem Altare verehret zu werden verdienet. Die tugendhaffte Erato fand sich unschwer in den Unterscheid der Schande und Schamhafftigkeit; und setzte bey: Asblastens Unterricht bewegte sie zu glauben: daß die Tugend nichts minder /als die Natur in die Röthe verliebt / und mit dieser Farbe / als einem Zeichen der Vollkommenheit / sich auszuputzen geneigt wäre. Sintemahl die edelsten Gestirne mit diesem Feuer sich für denen blässeren herfür zückten. Die Sonne schmückte nichts minder ihre Wiege / als ihre Bahre mit Purper. Die Wolcken mahlten sich mit Zinober / wenn sie am schönsten seyn wolten; und der Himmel verwandelte nichts minder als das Meer seinen Saphirnen Spiegel in Rubin. Das lebhaffteste der natürlichen Dinge das Feuer / das Marck der Erde und der Kern des Ertztes das Gold wären / wenn sie am reinsten / auch am röthesten. Der Ausbund der Blumen die Rose; und der Stauden der Granaten-Baum striechen ihre Blätter und Aepffel mit Scharlach an / um durch diese Königs-Farbe ihre Hoheit abzubilden. Und nach dem nicht allein die keuschesten Thiere auch die schönsten wären / sondern auch so wol die Tapfferkeit / als die Liebe ihre Wangen mit eben diesem Purper bedeckte. Dahingegen die Furcht und der ängstige Neid sich mit der blassen Todten-Farbe verstellete; so könte sie leicht gedencken: daß die reine Lilge der Tugenden die Keuschheit eben so wol / als selbige Blume mit dieser Golde ihre Lebhafftigkeit zu krönen verlange; und sie so wenig / als die edelsten Gewächse ohne Schamröthe sich gerne schauen lasse. Dieses aber begriffe sie noch nicht / warum die Verehlichten / nicht aber die Jungfrauen bey diesem Altare ihre Andacht haben dörfften; und jene / nicht diese / den Krantz der Schamhafftigkeit erlangten? Ist deñ die Keuschheit nicht das eigenthümliche Kleinod der Jungfrauschafft? Dörffen die reinen Bienen / welche nichts von Lust oder Liebreitz wissen / nicht aus den Rosen der Schamhafftigkeit den Honig ihrer Vergnügung saugen? Sind die in der Muschel noch verschlossenen Perlen nicht so rein / als die / welche der Vorwitz von ihrer Mutter gerissen / und die Eitelkeit durchlöchert hat? Ist das in denen Nestern sich gattende Geflügel[1324] schöner / als der Paradies-Vogel / welcher um sich nicht zu beflecken / niemahls die Erde berühret / und so wol als der einsame Fenix seine ewige Jungfrauschafft in der reinesten Lufft unversehrlich erhält? Verdienet der / welcher sich niemahls iemanden hat überwinden lassen / mehr einen Siegs-Krantz als der /welcher einen ihm hat zum Meister werden lassen? Oder ist es schwerer in dem Genüß der Liebe Maaß zu halten / als sich derselben gar enteussern? Asblaste fiel der Königin Erato ein: Es ist in alle wege die keusche Jungfrauschafft ein Stern ohne Flecken / und weil sie nicht nur Netze aus Gold und Seide der Wollust und Heucheley; sondern mehrmahls die Stricke des Todes / und die Ketten der Schande zu überwinden hat / ist sie würdig herrlichere Siegs-Kräntze zu tragen / als die / welche nur eusserliche Feinde geschlagen haben. Verdienet die Tapfferkeit Lorber-Blätter / so ist diese unverwelcklicher Amaranthen werth. Alleine / nach dem iede Tugend selbst eine gewisse Liebe / ja diese die Krone und Vollkommenheit aller Tugenden ist; bleibet unlaugbar: daß auch die Keuschheit mit ihr nichts minder / als Schnee und Feuer sich auff denen Rosen füglich vermählen lasse; sondern auch jener Reinigkeit von den Flammen der Liebe einen herrlichen Glantz bekomme. Solte die Glut der Hochzeit-Fackeln einen schwärtzenden Dampff von sich rauchen; würde man die Natur selbst für eine Feindin der Keuschheit erklären; weil sie das Band der Liebe zum einigen Mittel erkieset hat ihre sonst vergänglichen Geschöpffe zu verewigen. Diesemnach ist ausser allem Zweiffel: daß zwey keusche Seelen nichts minder ohne Befleckung einander lieben / als zwey reine Sternen ohne Verfinsterung einander anscheinen köñen. Ja weil die Vereinbarungs-Macht der Liebe dem / was sie liebet / alle ihre Eigenschafften mittheilet; müsten die zwey Vereinbarten durch ihren Gegenschein den Glantz der Schönheit eben so wie die Sonne mit ihren Strahlen das Licht der andern Sonnen vergrössern. Und benimmet diß der Reinigkeit nichts: daß die Verehlichten von ihrer Liebe so viel Früchte der Vergnügung einerndten. Denn die Ergetzligkeit kan mit der Tugend eine so unschädliche Gemeinschafft / als die Süßigkeit mit dem Thaue haben. Ja die Tugend selbst / ob ihre Rinde zwar herber / als Schleen schmeckt / ist im Kerne süsser als Zucker-Rohr; der liebliche Geschmack der Wollust aber verwandelt sich in die bitterste Wermuth. Diese Vergnügung nun / weil sie einen so grossen Hang zur Ubermaaß hat / und leichter als die reissenden Flüsse über ihr Ufer schläget / eignet der sie in Schrancken haltenden Tugend eine so viel herrlichere Güte zu. Nach dem auch die einmahl geschmeckten Süßigkeiten vergessen / und statt selbter sich mit denen bittern Thränen einer gelobten Einsamkeit speisen / vielen ein großmüthiger Werck zu seyn scheinet / als das weibliche Geschlechte auszuüben fähig ist; schätzte ich diese / welche sich und so viel empfindliche Regungen durch Verzeihung der andern Eh überwünden / und dardurch erhärten: daß sie nicht so wol die Eh /als ihren Ehmann lieben / eines absonderen Krantzes der Keuschheit würdig. Diesen erlangen / und zwar bey andern Völckern / die Wittiben so denn allererst; wenn sie nach ihres Eh-Manns Tode eine gute Zeit ihre Prüfung ausgestanden / und ihr schweres Gelübde würcklich bewehret haben. Alldieweil aber in Deutschland ohne diß nicht bräuchlich ist aus den Lastern ein Gelächter / und aus Unehre Sitten zu machen; sondern man vielmehr bey uns nur von Heyrathen der Jungfrauen höret / die mit ihrem Eh-Manne einen Leib erkiesen / ihm aber ihre gantze Seele und Leben wiedmen; so verdienet auch das Gelübde derer / die gleich nur das erste mahl aus ihrem Eh-Bette schreiten / einen so festen Glauben: daß man ihnen diesen Keuschheits-Krantz / welcher[1325] nicht ohne Ursache von Disteln geflochten ist / auffzusetzen kein Bedencken hat. Erato / und alles andere Frauen-Zimmer hätten Asblasten gern länger zugehöret / wenn nicht der Feldherr sie ins gesamt zu dem in einem köstlichen Gezelt bereiteten Früh-Mahle hätte beruffen lassen / welches mit denen allervergnüglichsten Unterredungen / wormit sie Thußnelden öffters die von Asblasten so sehr vertheidigte Schamröthe heraus trieben / vollbracht ward.

Hierauff kehrten sie insgesamt wieder nach Deutschburg. Denn Hertzog Herrmann hatte verlassen noch selbigen Tag Krieges-Rath zu halten; in dem dieser ruhmwürdigste Liebhaber auch zu der Zeit / da die Regungen bey solcher Neuigkeit pflegen am hefftigsten zu seyn; sein Gemüthe und die Zeit derogestalt vernünfftig abtheilte: daß weder die Liebe Thußneldens / noch des gemeinen Wesens sich über einige Ungleichheit zu beschweren Ursach hatte. Wiewol nun der Feldherr seiner Mutter Asblasten eine absondere Senffte bestellet hatte; brachte doch die Königin Erato und das andere Frauenzimmer durch ihre Bitte zu wege: daß sie in ihrer Gesellschafft zurücke fuhr; und sich ihre niemanden sonst bekandte Ebentheuer zu eröffnen bewegen ließ. Diesemnach sie denn mit einer besondern Anmuth anfieng: Die Göttliche Versehung / welche die Unwissenden für den blinden Abgott des Glückes halten / lachet aus ihrer verborgenen Ewigkeit der irrdischen Anschläge / wenn sie als die einige Königin aller Mittel-Ursachen / und als eine Schiedes-Richterin aller Begebenheiten den Glücks-Topff der Menschen nach ihrem Wolgefallen durch einander rühret; und ob sie gleich unserm alberen Vorsatze zuweilen den Zügel schüssen / doch uns zuletzt auf ein gantz anders Ziel abkommen läst / als wir das Absehen haben / und die ersten Begebenheiten gezeuget hatten. Dieses habe ich sonderlich damahls erfahren / als ich statt des Eylandes Caprasia an das Iberische Ufer getrieben / und durch einen Schiffbruch aus der Dienstbarkeit der Römer erlöset ward. Denn da unser Schiff an einem hohen weit über das Meer hervorragenden Felsen zerschmettert ward /und in kleine darvon schwimmenden Stücke zerbrach / derer eines der Gräfin von der Lippe zu einem Kahne gedienet / erwischte ich in der Angst eine Wurtzel des an solchen Felsen gewachsenen Kräutichts / durch welcher und der mich hebenden Wellen Hülffe ich auff der Klippe feste zu stehen kam / und mich endlich biß auf dessen Gipffel empor arbeitete. Es war sonst keine Seele um mich. Die barmhertzigen Wellen hatten mich zwar leben lassen; weil aber dieser unfruchtbare Felß mir weder Speise noch Geträncke zu reichen vermochte / schiene mir der Tod nicht geschenckt / sondern nur zu einer mehrern Verbitterung geborgt zu seyn. Nichts desto weniger verzweiffelte ich nicht gar an der Errettung. Denn diese Kleinmuth ist ein gewisses Zeichen der Unwissenheit: daß in der Welt nichts ungefähr geschehe; und daß das Verhängnüs noch Vorsorge für uns trage; weñ wir schon den letzten Athem auszuhauchen scheinen. Zwey Tage lebte ich in dieser Einsamkeit; der raue Felß speisete mich mit wenigen Wurtzeln / beschattete mich durch einen Uberhang für der Sonnen-Hitze; der Himmel aber tränckte mich des Nachts mit kräfftigem Thaue / und einmahl auch mit einem sanfften Regen. Den dritten Tag aber striech ein Segel so nahe bey dieser Klippe vorbey: daß mein Wincken konte erkieset werden; welches denn bey denen Schiffenden ein solches Mitleiden mich durch einen Nachen abholen zulassen erweckte. Ich wuste der Göttlichen Barmhertzigkeit für diese wundersame Errettung nicht genungsam zu dancken; insonderheit als ich auf dem Schiffe eitel Deutsche antraff / und von ihnen um so viel freundlicher bewillko t ward; weil ich ihnen in ihrer Sprache zu antworten wuste. Die Gebieterin dieses Schiffes war[1326] ein in einem schneeweißen leinen Kittel gekleidetes Frauenzimmer; welche alsbald eine solche Gewogenheit auf mich warff: daß ich bey ihr in ihrem Gemache mich aufhalten / und an ihrer Seite schlaffen muste. Diese wuchs noch mehr / als ich sie versicherte: daß ich eine deutsche Fürstin wäre; und /nach dem ich in Gallien zu schiffen vermeinet / an diesem Felsen Schiffbruch gelitten hätte. Diesemnach sie mir denn ihre sonderbare Freude zu verstehen gab; weil sie / welche ebenfalls von Rom absegelnde durch das Ungewitter auf diese Küste getrieben / und das beschädigte Schiff auszubessern wäre genöthigt worden / hierdurch das Glück erlangte mich in Deutschland zu führen; da sie mich denn / wohin ich nur verlangte / sicher lieffern wolte; weil sie noch zur Zeit vernünfftig zurück stünde meine Beschaffenheit vorwitzig auszuforschen. Diese Bescheidenheit nahm ich nichts minder für ein Merckmahl ihrer Klugheit / als ihre Gütigkeit für eine Würckung seltzamer Tugenden an. Ihre Geberden bildeten auch eine absondere Frömmigkeit; und / daß sie stets den halben Tag und die halbe Nacht sich in ein kleines Gemach einsperrete /dariñen sie auf dem Antlitze liegende betete / eine ungemeine Gottesfurcht ab; Ja ihr übriges Gespräche war meistentheils nur von der Göttlichen Liebe und der süssen Ergetzligkeit einer andächtigen Seele. Denn ihrer Lehre nach / wären alle andere Erquickungen gifftig und vergänglich; alle andere Regungen kalt und unrein. Gottes Liebe aber hätte nichts unreines oder irrdisches an sich; Sie wäre eitel Geist und Licht / gegen welcher die Sternen fleckicht und die Sonne finster wäre. Sie erleuchtete die Seelen; und erwärmte die Hertzen. Ihre Flamme gäbe keinen Rauch von sich; ihr Feuer machte seine Liebe niemahls schamroth. Kein Unglück der Welt vermöchte die Freude ihres Gemüthes zu vermindern; und das abscheulichste Gespenste der Tod könte ihr kein Schrecken einjagen / wenn er ihm schon die grausamste Larve fürmachte. Wenn ihre Andacht GOtt ein einig Körnlein Weyrauch anzündete / wäre sie vergnügter /als die ohnmächtigen Welt-Götter; wenn ihnen der heuchelnde Aberglaube tausend Ochsen opfferte. Wiewol auch das Schiff mit einem Uberfluße köstlicher Speisen und Erquickungen erfüllet war / und sie mich reichlich versorgen ließ; mässigte sie doch ihren Unterhalt so sehr: daß sie nur einmahl des Tages und zwar das geringste speisete; Ihre Demuth hätte auch die ihr zustehende Herrschafft über dieses Schiff zweiffelhafft gemacht; wenn nicht alle andere sie mit tieffer Ehrerbietung für ihre Frau erkennet hätten. Von ihrem Volcke erfuhr ich zwar: daß sie eine Cimbrische Fürstin wäre; ein mehrers aber auszugrübeln verbot mir ihre eigene Mäßigung: daß sie nicht / wer ich wäre / zu fragen sich erkühnete. Wir hatten schon zehn Tage gesegelt / und waren biß an die Gaditanische Meer-Enge gediegen; allwo wir einem Römischen Gesandten zu Liebe / der auf diesem Schiffe mit zum Cimbrischen Könige Frothe reisete / anlenden musten; wormit dieser dem Hercules auff seiner Seule oder dem Berge Calpe opffern konte. Die Gebieterin des Schiffes und ich stiegen gleichfalls ans Land / um uns durch die Land-Lufft zu erfrischen / und die von denen Tyriern gebaute uhralte Stadt Gades zu beschauen. Wir kamen alldar in den Tempel des Hercules / und wormit wir den heiligen Bruñ / welcher bey dem durch die Fluth wachsenden Meere ab bey der Eppe aber zunimmt / so viel besser betrachten möchten / hielten wir uns daselbst zwey Tage auf. Wie wir nun zusammen diese wundersame Abwechselung betrachteten / konte ich mich / ich weiß nicht / aus was für einer verborgenen Regung / nicht enthalten / in diese Worte auszubrechen: Wer wolte nicht gegen GOtt durch inbrünstige Andacht entzündet werden /nach dem er mit einer solchen Ubermaß seine Güte /als den Anfang seiner Liebe / und[1327] einen thätigen Geist / der die gantze Welt beseelet / in die Sternen / aus diesen in die Erde / von dar in die Thiere und Pflantzen / ja in Bäche und Brunnen ausgeust / und derogestalt Gottes väterliche Vorsorge von dem Menschen biß zum Kefer / von der Sonne biß zu Quendel sich erstreckt? Diese hat nicht minder auf die Tropffen des Thaues / und den Uhrsprung der Brunnen / als auf die unbegreifliche Bewegung des Meeres acht. Die Hand / welche entweder die Sonnen- oder die gantze Erd-Kugel alle Tage so schnell herum treibet / oder umwendet; ist eben so wol um den Schaum der See / und die Adern der Quelle bekümmert. Das Auge / welches weiter als alle Lichter des Himmels siehet; zehlet und unterscheidet die Federn des Geflügels: daß keine der andern gleiche ist; ja es beobachtet und gestaltet die Borsten der Schweine und Igel also: daß kein Geschöpffe so klein / kein Ding so geringe ist; welches nicht ein Röhr abgebe den Strom der Göttlichen Liebe allenthalben einzuflössen; und den Reichthum seiner Güte auszuleeren. Die Cimbrische Fürstin schöpffte über diesen unvollkommenen Gedancken eine solche Vergnügung: daß sie mich noch auf der Schwelle des Tempels (weil darinnen alle Neigungen GOtt abgestolen werden / die man ausser ihm iemanden anders zueignet) umarmte / mit dem Nahmen ihrer Schwester beehrte / und an das Ufer des Meeres führende alle Heimligkeiten ihres Hertzens derogestalt ausschüttete: Es wäre Unvernunfft entweder denselben Zustand wissen wollen; die durch ihre überirrdische Weißheit alles diß / was ich durch so vieler Jahre Fleiß kaum gelernet / überstiege; oder derselben mich zu entdecken anstehen; die so tieff in die Geheimnüsse Gottes und der Natur siehet. Diesemnach wisse sie / wer sie auch ist: daß ich Tirchanis des Cimbrischen Königs Friedlevs Tochter / des berühmten Bojorichs Enckelin sey. Meines Vaters Siege wieder die meisten Nord-Völcker sind der Welt so bekant: daß sie keiner Erzehlung bedörffen / und was ich / nach dem mein Vater mir zum Erbtheile zwey Königreiche zugeeignet / für Heldenthaten ausgeübet / werden alle die rühmen müssen / welche die Unterdrückung der Völcker / die Auffopfferung vieler tausend Feinde für Tugend / das weibliche Geschlechte aber der Hertzhafftigkeit und der Herrschens Kunst fähig achten. Die Reichs-Stände schöpften über meinen Siegen eine solche Vergnügung: daß sie meinten den Grund-Stein ihres Wolstandes zu verrücken; wenn die Herrschafft auf andere Schultern nach mir verfallen solte; als welche aus meinen Hüften kommen wären. Diese Einbildung verleitete sie so weit: daß sie mir ihrer Gebieterin ein Gesetze der Eh aufzudringen vermeinten. Also gebieret auch das Gute zuweilen etwas arges / wie die Sonne gifftige Würmer und Kräuter. Nach dem nun die /welche einmahl aus den Schrancken des Gehorsams geschritten / keinen Zaum mehr leiden / sondern ihr Verbrechen durch ein grösseres zu verkleinern vermeinen; so schritten meine Unterthanen nunmehr so weit: daß sie mir so gar / wem ich mich vermählen solte / fürschrieben. Dieser war zwar ein Fürst von hoher Ankunfft / und aus dem Alemannischen Stamme / auch ein Held von grosser Tapfferkeit und ungemeiner Hoffnung. Aber / weil mich der Himmel entweder zur Einsamkeit bestimmet hatte; oder der Zwang ein abgesagter Feind der Liebe ist; gewann ich nicht allein wieder diesen einen ungemeinen Haß /sondern auch für dem Heyrathen eine gäntzliche Abscheu. Ja ich zohe mir an statt: daß ich die Rathschläge dieses vielköpfichten Thieres leicht zu verwirren /und den Sturm des unsinnigen Volckes durch leichte Mittel / wie das schäumende Meer durch einen linden Regen zu besänfften vermocht hätte / die Kühnheit des Volckes als eine meiner Hoheit zuwachsende Verkleinerung so tieff zu Hertzen: daß ich selbst meiner Herrschafft und Würde gram ward. Denn[1328] weil das Ansehen die Seele des Gebietens / ein verächtlicher Herrscher aber mehr eine todte Leiche / als ein Fürst ist; meinte ich wegen dieser Zumuthungen meinem Reiche schon abgestorben / und denen Unterthanen vorzustehen allzu ohnmächtig zu seyn. Daher ich / ungeachtet alles Einredens / und vieler hierüber vergossener Thränen / den festen Schluß machte Thron und Zepter abzutreten / und die Einsamkeit der Alironischen Frauen zu erkiesen. Viel weise Leute haben die Ausschlagung einer angetragenen Königs-Würde für eine fast unüberwindliche Anfechtung / und die solcher Enteusserung mächtig wären / für Riesen von einem grossen Hertzen / und einem gesunden Kopffe gehalten; welche ohne Verblendung der Vernunfft /und ohne Verwirrung des Gemüthes einen solchen empfindlichen Dampff überhin gehen liessen. Aber diese Versuchung reichet der nicht das Wasser; welche bey angezielter Vonsichstossung der höchsten Würde / nach welcher sonst alle Seelen seuffzen / ein edles Gemüthe anficht. Ich aber kan sonder eitelen Ruhm wol sagen: daß ich meinen Königs-Krantz mit weniger Gemüths-Veränderung / als einen Püschel verwelckter Rosen von mir geworffen / und die Meinigen / denen es zweiffels-frey mehr um ihre / als meine Erniedrigung leid war / gescholten habe; wie sie den Grund und den seichten Schein meiner Entschlüssung nicht zu unterscheiden wüsten; und für rathsamer hielten an geschmacken Speisen sich zu tode / als durch eckelhaffte Rhabarber gesund essen. Wiewol ich nun die herrlichste Gelegenheit hatte in meinem verlassenen Reiche dem Alironischen Gottesdienste beyzupflichten; traute ich mir doch nicht zu den Glantz der verlohrnen Hoheit ohne Aergernüs täglich für Augen zu haben; sondern entschloß mich zu denen in dem Belgischen Gallien an dem Fluße Sabis und der Maaß eingesessenen Cimbern / oder nunmehr so genennten Aduatichern zu begeben. Daselbst ward ich zwar von meinen alten Lands-Leuten freundlich angenommen / und höflich unterhalten; ich selbst aber weiß nicht eigentlich zu sagen / durch was für einen Zug ich mich in die Entfernung von meinem sonst so geliebten Vaterlande noch immer mehr verliebte. Gleichwol aber halff hierzu der Aduatischen Wahrsagerinnen selbsteigene Anleitung; welche nicht nur mir am heilsamsten / sondern ihnen ins gesamt am rühmlichsten zu seyn vermeinten / wenn ich mich zu Rom / als in dem Gesichte der gantzen Welt in ihre Einsamkeit einsperrete; gleich als wenn der Gottesfurcht noch eiteles Gepränge anständig; und derselben / welche für Purper einen leinenen Kittel zu erkiesen besti t hätte / das vorwitzige Auffsehen des unvernünfftigen Pöfels etwas dienlich wäre. Nichts desto weniger waren diese kluge Frauen bey mir in so grossem Ansehen: daß ich alle ihre Worte für Göttliche Offenbahrungen / und ihren Rath für überirrdische Leitung annahm. Ich kam also nach Rom / und zwar zu der Zeit / wenn die Sonne in Wider tritt / und da die Vestalischen Jungfrauen das ewige Feuer aus denen in einem Wasser-Becken zusammen schüssenden Sonnen-Strahlen anzuzünden pflegen. Unter denen Vestalischen Priesterinnen war die andere in der Würde die Cimbrische; welche über die Alironische Jungfrauen die Aufsicht hat / und für alle Ausländer die Andacht verrichtet. Diese waren vom Marius zu dem Vestalischen Heiligthume gelassen worden. Denn ob wol nach seiner den Cimbern versetzten Niederlage ihr Frauenzimmer; weil ihm in das Vestalische Heiligthum sich einzuschlüssen verweigert ward; nach einer hertzhafften und verzweiffelten Gegenwehr sich / aus Beysorge verunehret zu werden / fast alle eigenhändig tödteten; hatte doch Marius bey Durchbrechung der Cimbrischen Wagenburg das Glücke die wunderschöne Tochter des Königs Bojorichs Hiarnen / welche so sehr von[1329] denen Römern in denen Armen verwundet war: daß sie ihren Vorsatz sich zu tödten nicht ausüben konte / nebst etwan noch dreyßig andern Cimbrischen Frauen-Zimmern gefangen zu bekommen. Von diesen wurden zwölff Jungfrauen durchs Looß erkieset um des Marius geopfferter Tochter Calphurnia zu Ehren lebendig verbrennt zu werden. Weil nun dieses die sterbens-würdige Hiarne nicht traff / stach sie einer unter den zwölffen unversehens das Messer in die Brust / um statt ihrer das Glücke der Verbrennung zu genüssen. Aber als der sie über dieser That rechtfertigende Marius zu Gesichte bekam / ward fein Hertze gegen sie feuriger /als der von ihm angezündete Holtzstoß. Ob sie nun zwar um verbrennet zu werden / dem Marius tausend Thränen opfferte / ja sich nach Erkiesung einer andern Jungfrau mit Gewalt in die Flammen stürtzen wolte /ließ es doch Marius verwehren / sie sorgfältig verwahren / und auf sein an dem Misenischen Strande habendes schöne Vorwerg führen. So bald nun Marius zu Rom sein Siegs-Gepränge gehalten / und den Nahmen des dritten Römischen Uhrhebers bekommen / ja die Ehre: daß ihm das Römische Volck eben so /wie den Göttern opfferte / erworben hatte / kam er auf sein Vorwerg seiner hefftigen Liebes-Flamme ein Vergnügen zu schaffen. Er eröffnete seine Zuneigung Hiarnen; welche aber / nach dem Marius an Julien schon eine Eh-Frau hatte / und sie selbst eine Braut eines Cimbrischen Fürsten war; ja wie sie vorher in Gallien in den feurigen Holtzstoß / also sich nunmehr in das benachbarte Meer zu stürtzen mühte / nach dem Marius durch ihre Seuffzer und Thränen seine Liebe nicht ausleschen lassen wolte. Alleine nach Hiarnens so verzweiffelter Entschlüssung entbrennte des Marius Seele nur noch immer hefftiger gegen sie. Denn es ist kein kräfftiger Zunder der Liebe / als der Schnee der Keuschheit in der / die man liebet. Aber an der tugendhafften Hiarne richteten alle seine Lock- und Dräuungen eben so wenig / als das sich auffschwellende Meer an dem weichen Ufer-Sande aus. Wiewol er endlich was grausamers entschlossen hätte / wenn nicht des Marius berühmte Wahrsagerin Martha dahin kommen wäre / und dem Marius angedeutet hätte: daß / im Fall er Hiarnen und die andern Cimbrischen Frauenzimmer zu Rom in den Tempel der Vesta liefferte / würde er aus Göttlichem Verhängnüsse durch einen Cimber sein sonst unfehlbar verspieltes Leben erhalten; wiedrigen Falls aber sich in frühzeitigen Tod und grausamstes Unglück stürtzen. Wordurch er denn bewogen ward / sie alle sämtlich in dem Vestalischen Heiligthume mit auskommentlichen Stifftungen / und Erbauung eines absonderen Altares /darauf sie ihr ewiges Feuer gleichsam zur Nachartung der unausleschlichen Gestirne unterhielten / zu versehen. Wie sie nun von denen Vestalischen Jungfrauen wegen ihrer so theuer bewehrten Keuschheit für Schwestern billich aufgenommen wurden; also erwarben sie hernach des Römischen Volckes allgemeine Gewogenheit / nach dem sie bey der sieghafften Rückkunfft des verjagten / und wieder den Adel unmenschlich-wütenden Marius vielen Edlen das Leben erbaten; als welcher der heiligen Hiarne nichts abzuschlagen getraute; nicht so wol / weil die Jungfrauen dieses Heiligthums die schon verdammten Missethäter / denen sie bey ihrer Ausführung ungefähr begegnen / vom Tode erretten; Dahingegen die / welche ihre Senffte anrühren / das Leben verwürcken; als weil der Martha Wahrsagung ihm so genau eingetroffen; und der ihn zu ermorden geschickte Cimber den Degen weggeworffen hatte. Ja es brachten diese Jungfrauen durch ihre ungemeine Tugenden so viel zu wege: daß hernach fort für fort von denen Cimbern derogleichen der Keuschheit sich wiedmendes Frauenzimmer ausgebeten / und zu Rom unterhalten ward.[1330] Bey so gestalten Sachen ward ich / fuhr die im Nahmen der Fürstin Tirchanis redende Asblaste fort / als eine Königin daselbst wie ein Wunderwerck angenommen. August selbst zohe mir entgegen / verehrte mich als eine Halb-Göttin / vergrösserte mir zu Liebe die Einkommen der Vestalischen Jungfrauen / versetzte diesen Gottesdienst aus dem alten schlechten nach der Gestalt der Erd-Kugel rundgebauten Tempel des Numa / in sein eigenes darzu eingeweihetes Hauß /zierte es mit Marmel / Gold und Edelgesteinen aus /verstattete ihnen / wie vogtbaren Haußmüttern im siebenden Jahre ihres Alters schon einen letzten Willen zu machen / eignete selbten die Freyheiten zu / welche die haben / die drey Kinder gebohren / ja er gelobte unter seinen Basen die erste die beste / die das hierzu erforderte Alter erreichen würde / in eben diß Heiligthum zu wiedmen. Ich fand mich eine ziemliche Zeit darinnen überaus vergnügt / und in einer erwünschten Gemüths-Ruh. Nach dem aber meine Schwestern mir die rechten Heimligkeiten ihres Gottesdienstes entdeckten; ward ich gewahr: daß auch die Cimbrischen Jungfrauen von der Reinigkeit unsers Vaterlandes weit abgewiechen / und ihr Glaube mit denen Griechischen Getichten / mit denen Persischen und Römischen Aberglauben vermischt war; in dem sie wieder unsere / und ihre alte Gewonheit ein Bild der Vesta /welches in der lincken Hand eine Fackel / in der rechten eine Opffer-Schüssel hielt / und vor sich eine Drommel stehen hatte / auf das Altar gesetzt hatten; und solches nicht etwan als ein Bild der Göttlichen Eigenschafften / sondern als einen wesentlichen GOtt verehrten; ja aus iedem Geschöpffe schier einen absondern GOtt machten. Weil nun diß den ersten Grund-Stein des Cimbrischen Glaubens / nehmlich die Einigkeit Gottes über einen Hauffen zu werffen schien / und mir über diß einfiel: daß die keuschen Frauen / welche schon einmahl geheyrathet hatten /wieder die Gewonheit der Cimbern und Griechen zu Bedienung der Vesta unfähig seyn solten; hingegen sie nach dreyßig-jähriger Bedienung der Vesta sich des geweiheten Lebens gar entbrechen möchten; übrigens aber die heiligen Jungfrauen bey allzu zartem /und ihre Fähigkeit zu prüfen nicht fähigem Alter (in dem keine unter sechs noch über zehen Jahr ihres Alters dazu kam) erkieset / und nicht nur / wenn sie kranck wurden / sich aus dem Heiligthume begeben /sondern auch / ausser ihrem Beschluß / mit beyderley Geschlechte Gemeinschafft haben / ja denen Fechtern und Schauspielern zusehen; die Männer auch zwar darinnen nicht übernachten / aber täglich aus- und eingehen dorfften / also ihre Keuschheit und Reinigkeit mehrmahls nicht wenig befleckt ward / und als ein unnützer Aberglaube übrig blieb: daß sie nur schneeweiße Kleider tragen / sich alles Blumwercks und Balsams enteussern / ihnen auch die Haare abschneiden lassen musten. Diesemnach fieng ich an unser Priesterin über ein- und anderm meine Bedencken zu eröffnen / und aus denen ältesten Büchern meinen Gegen-Satz zu behaupten. Welches eine Weile zwar zwischen uns verborgen blieb; aber die von meinen Meynungen ziemlich eingenommene Priesterin verschnapte sich gegen der Römischen Auffseherin Occia; welche diese dem Kayser / als zugleich oberstem Priester nicht verschweigen dorffte. Dieses bewegte ihn: daß er alsbald / ausser wenigen Sibyllinischen Büchern / alle andere / und zwar derer über zweytausend zu aller unser empfindlichem Leidwesen öffentlich verbrennen / jene aber noch darzu in zwey güldene Schachteln verschlüssen / und in den Fuß des Palatinischen Apollo verstecken ließ. Wiewol nun die Römische Priesterin Occia dieses darmit abzulehnen meinte: daß ein kluger Fürst die Glaubens-Zwistigkeiten in der ersten Blüte dämpffen müste; weil hierinnen die Neuigkeit nichts minder die Gemüther / als ein neuer Stern die Augen an sich lockte / aber[1331] auch verbländete; die denen Jungfrauen enträumte Freyheit aber darmit entschuldigte: daß ein verborgenes Licht nicht besser als die Finsternüs; und die Tugend / welche durch ihr Beyspiel bey andern keinen Nutzen schafft / ein besessener Schatz; nichts weniger die Enteusserung der Laster aus Mangel der Gelegenheit zu sündigen keine Tugend; diß aber die rechte Vollkommenheit wäre; wenn man mitten unter denen wollüstigen Lockvögeln seine Ohren zu verstopffen; ja den Schwefel der Begierden / wie die mit gewissen Kräutern verwahrte Hände das glüende Eisen ohne Beschädigung betasten könte; so schien mir doch das erstere eine Erfindung der eyversüchtigen Staats-Klugheit / und eine vorsätzliche Unterdrückung der Wahrheit zu seyn / welche keinem alten Irrthume aus dem Wege zu treten schuldig; die andere Meynung aber war mir deßhalben verwerflich: daß die Tugend in ihr selbst ihren Preiß besitze / und nicht von nöthen habe offentlich zur Schaue getragen zu werden / um den unwürdigen Zuruff des Pöfels zu erwerben. Und ob wol viel ihre Schätze für wenig achten / wenn nicht auch andere darum Wissenschafft tragen; so wird doch noch weniger / ja nichts daraus / wenn man sich durch derselben Feilbietung gar darum bringt. Insonderheit da die Keuschheit eine so zarte Farbe /welcher auch die Lufft schadet / an sich hat / und ein so reiner Spiegel ist: daß er von den blossen Augen derer / die eine garstige Seele haben / befleckt wird; also sie sich für der Besudelung eben so wenig hüten kan / als es unmöglich ist bey angesteckter Lufft durch den Athem kein Gifft an sich ziehen. Welches denn durch die traurige Erfahrung wiederlegt ward /da in weniger Zeit drey Vestalische Jungfrauen / und zwar von Leuten / die beym August höchst am Brete warẽ / geschändet wurden; zu einer allspäten Warnigung: daß es mehr zu als menschlich sey nicht sündigen / wo man gar wol kan; gleich wie es mehr als viehisch ist / den Vorsatz haben sich zu vergehen / wo gleich das Vermögen ermangelt. Diesemnach es in alle Wege rathsamer / die besorglichen Laster zu verhüten / als die begangenen zu straffen. Denn jenes ist nicht nur eine Bewahrung der Tugend / sondern auch eine Hülffe der Schwachheit; dieses aber macht der Verbrechen nicht weniger; denn auch eine gestraffte Boßheit öffnet mehrmahls denen Ungearteten die Augen zu liederlicher Nachfolge; insonderheit wenn das Laster etwas ungemein; oder die Gewalt des Ubelthäters dem gemeinen Rechts-Zwange überlegen ist. Zumahl viel ihnen einbilden: daß ihre Grösse in der Freyheit boßhafftig zu seyn bestehe. Bey solcher Beschaffenheit kriegte ich / sagte Tirchanis / ein Mißtrauen gegen die gesamte Vestalische Versamlung /und einen Eckel für Rom / zuletzt aber gar eine Abscheu; als Livie uns in die Servilischen Gärte mit sich nahm / darinnen Tiberius dem Kayser zu Ehren allerhand üppige Spiele mit Fürstellung heßlich-gebildeter Wald-Götter und geiler Nymphen fürstellete; ja Livia in dem Tempel der Vesta / wenn andere am andächtigsten waren / des Naso geile Liebes-Schrifften laß; und als ich einsmahls solches wahrnehmende darüber einige Entsezzung mercken ließ / nicht nur lachte /sondern noch darzu folgenden heiligen Tag mir das von der Elephantis gefertigte Schand-Buch zu lesen gab; über dessen bey der erstern Eröffnung mir in die Augen fallenden Stellung ich so beschämt und verbittert ward; daß ich es in das Vestalische Feuer warff; und hierdurch nicht alleine Liviens Gramschafft auf mich lud / sondern alle Vestalische Jungfrauen wieder mich erregte / als welche hierdurch ihr heiliges Feuer verunreiniget zu seyn vermeinten. Diese / oder vielmehr die hinter ihnen steckende Livia / brachte es so weit: daß die sonst denen / welche das Feuer ausleschen liessen / ausgesetzte Ruthen-Züchtigung für mein Verbrechen für zu wenig erkeñt / und ich aus dem Heiligthume gar verstossen / in[1332] des Mecenas Thurm / wiewol mit höflicher Bedienung / eingesperret ward. Daselbst erkühnete sich Livia mich noch ärger zu versuchen / in dem sie nach vorher durch andere geschehenen Aufmutzung meines Verbrechens /und darauf gesetzter schimpflichen Straffe / mir als eine Thorheit auslegte: daß ich durch einsame Einschlüssung meiner Jugend und Schönheit der Natur selbst Gewalt angethan hätte; daher solche so übelen Ausschlag erlangete. Also wäre der beste Rath durch die Liebe nichts minder die Natur / als den Kayser zu vergnügen; mich aber von der Schuld und dem Gefängnüße ledig zu machen; ja von mehrer Schmach und Pein zu befreyen; nach dem die strengen Gesätze meinem Verbrechen die Vergrabung in eine Höle / darinnen ich bey wenigem Brodte / Oele und Lichte verschmachten müste / aussetzten. Ich erstarrte über dieser unverschämten Kuplerin / in welcher die Ehrsucht nicht nur alle Funcken der Tugend / sondern auch den Brand der Eyversucht ausgelescht hatte; gab ihr aber eine solche Antwort: daß sie zum andern mahl mir derogleichen Vortrag zu thun sich nicht erkühnte; sondern vielmehr glaubte: es würde ihr leichter fallen dem Vestalischen Feuer die Krafft des Breñens zu benehmẽ / als mein Hertze durch schandbare Geilheit anzustecken. Livia / welche aus Aufputzung der Laster gleichsam ein Handwerck machte / und / wie man nach der Kunst üppig seyn solte / gewisse Richtschnuren an die Hand gab / wagte sich nach der Zeit gar nicht mich ferner anzufechten; aber ich erlangte gleichwol nicht meine Freyheit. Inzwischen erfuhr mein Bruder König Frotho den Nothstand meines Gefängnüßes; schickte also an Augusten eine ansehnliche Botschafft / welche meine Befreyung in der Güte abhandeln / oder mit Andräuung der Cimbrischen Waffen / für welchen Rom wol ehe sich erschüttert hätte / zu wege bringen solte. August / welcher wol verstand / was die Cimbrische Macht / wenn selbte denen Cheruskern / Catten und Chautzen beyfiele /denen Römern für Abbruch thun könte; hätte gerne mich der Hafft / sich aber eines neuen Feindes erlediget; alleine die Geistligkeit / welche ohne ihre absondere Vergnügung die Tirchanis nicht wolten unangefertigt lassen / und welcher August sich so gerade entgegen zu setzen Bedencken trug / machte meine Loßgebung überaus schwer. Zuletzt schlug der Kayser zu einem Lösegelde den vergüldeten Tiegel für; welchen die Cimbern aus denen zusammen geschmeltzten Römischen Waffen / als von ihnen der Bürgermeister Cäpio und Manlius auffs Haupt erlegt worden / gegossen / und als ein ewiges Merckmahl des Sieges nach Hause geschickt hatten / an sich selbst aber ein Kessel war / welcher über zwantzig Eymer hielt. Alleine mein Bruder weigerte sich beständig dieses herrliche Merckmahl der Cimbrischen Tapfferkeit ausfolgen zu lassen; sonderlich / weil die Cimbrischen Priester der abgeschlachteten Gefangenen Blut darein aufzufangen pflegten / und also diesen Tiegel nicht allein als ein bereits Gott gewiedmetes Gefässe für unenteusserlich / sondern auch so gar für ein Schutz-Bild des Cimbrischen Reiches / und für so heilig wie den grossen Scythischen Kessel von sechshundert Eymern hielten / den ihr König Arimantes aus so viel Pfeilen /als ihm Kriegs-Leute folgten / zusammen geschmeltzt / und am Flusse Hippanis zum Göttlichen Beschirmungs-Zeichen eingeweihet hatte. Worbey sie denn scheinbar anführten: daß August durch diß Anmuthen nicht so wol der Römer Schande abzuwischen / als die Cimbern der Göttlichen Beschirmung zu berauben anzielten. Sintemahl die Römer auff solche Schutz-Bilder so gar biß zum Aberglauben grosse Thürme bauten. Dahero sie auch von dem in dem innersten Heiligthume der Vesta verwahrten Pallas-Bilde / welches in der rechten Hand einen Spieß / in der andern einen Rocken hatte / vom[1333] Himmel gefallen seyn / und das Dardanus nach Troja / Eneas aber in Italien gebracht haben soll / glaubten: daß solches von niemanden / ausser denen Vestalischen Jungfrauen / ohne Beschädigung gesehen werden könte / und deßhalben in einem Fasse verdeckt gehalten würde. Sintemahl der oberste Priester Metellus / als er selbtes aus dem Brande gerettet hätte / nicht so wol von der ihn versehrenden Flamme / als dem Ansehen dieses Schirm-Bildes sein Gesichte verlohren; und wegen seiner geheimen Krafft das Römische Reich / so lange es zu Rom behalten blieben / keines Untergangs sich zu besorgen hätte. Bey solcher Beschaffenheit würde er bey Entfremdung dieses Siegels nicht verantwortlicher thun / als die geile Scylla / die ihrem Vater sein geweihtes Haar / mit welchem sein Reich zugleich unversehrlich bleiben solte / abschnitt / und seinem Feinde einliefferte / um nur seine Hold zu erwerben. Die Priesterin Alironia aber war so aufrichtig: daß sie meinem Bruder den von solchem Schutz-Tiegel eingebildeten Aberglauben ausredete / und behauptete: es wären alles diß / was von derogleichen Schirmbildern geglaubt würde / blosse Getichte / und Larven / darmit man den alberen Pöfel blendete. Denn wer könte glauben: daß die unaufhaltbare Gewalt des Verhängnüßes sich an einen Stein / oder Stücke Ertzt / das der Bildhauer nach seiner Willkühr ausgeetzt hat /und der Gewalt des Feuers / der Verzehrung der Lufft / der Abnützung des Wassers unterworffen ist / angebunden / und sich gleichsam zu einem Sclaven / welcher ein Klotz an dem Fuße geschlept / gemacht haben solte. Da aber auch diesem Bilde eine solche geheime Krafft eingepflantzt wäre; würden die Römer solches eben so wol den Cimbern / als Diomedes das Pallas-Bild dem Eneas wieder zu geben / durch das Verhängnüs gezwungen werden. Denn dessen Lauff wäre so wenig durch irrdische Zufälle; als der Gestirne durch thörichte Beschwerungen; wie ihnen die wahnsinnigen zuweilen träumen liessen / aufzuhalten. Wiewol nun einige riethen: daß König Frotho nach dem selbsteigenen Beyspiele der Römer / welche nach dem Schilde (der zu des Königs Numa Zeiten vom Himmel gefallen seyn solte) viel andere machen liessen / einen andern nachgegossenen Tiegel nach Rom schicken möchte / so weigerte er doch diesen Einschlag beständig / meldende: daß einem Fürsten so wenig der Betrug / als der Sonne eine Larve anständig wäre. Wormit er aber durch diß kostbare Lösegeld für mich seine geliebte Schwester nicht etwas von dem Cimbrischen Ansehen vergeben möchte / brachte er es durch Unterhandlung so weit: daß der Kayser hingegen den vom Marius wegen überwundener Cimbern aufgerichteten Siegs-Bogen einreissen / die aufgehenckten Waffen dem Frotho zurück geben; und aus denen Marmelsteinen eine Brücke über den Fluß Nar bauen ließ. Auf diese Art bin ich dem Römischen Gefängnüsse entkommen; und nehme nun auf diesem Schiffe meinen Rückweg in mein geliebtes Vaterland; mit der unveränderlichen Entschlüssung: daß ich daselbst mich auf mein Lebetage zu dem Alironischen Frauenzimmer einsperren wolle.

Diese treuhertzige Erzehlung der Tirchanis / sagte Asblaste / vergnügte mich nicht allein über die massen / sondern sie erweckte in mir nichts minder eine sonderbare Ehrerbietung / als eine hertzliche Zuneigung zu einer so tugendhafften Fürstin; also: daß ich für ihr das minste meiner Begebnüsse zu verbergen für ein unverantwortliches Mißtrauen hielt / und hier durch ihre vollkommene Gewogenheit erwarb. Wiewol wir nun auf dieser Reise / wegen des mehrmahls wiedrigen Windes / der uns zu Gades drey Wochen aufhielt / und wegen öffteren Sturmes / der uns so gar auf das Eyland Thule trieb / auf dem unser Schiff verfror / acht Monat zubrachten; verkürtzte mir doch der Königin Tirchanis Anmuth die Zeit / und versüssete[1334] mir alle Verdrüßligkeiten. Endlich kamen wir an dem Cimbrischen Vorgebürge an / und wurden vom Könige Frotho / nebst dem Römischen Gesandten Lucius Arnutius / welcher vom Kayser kostbare Geschencke überbrachte / um selbten von denen andern Deutschen abzuziehen / auffs freundlichste angenommen; mir auch / als er meinen Stand vernahm / alle Fürstliche Bedienung verschaffet. Sintemahl das Cheruskische und Cimbrische Hauß vielfältig durch Heyrathen und andere Bündnüße an einander verknüpfft war. Wiewol ich nun nach meinem Segimer hertzlich seuffzete / wolte mich doch König Frotho nicht von sich lassen; in dem es dazumahl in Deutschland / besonders in dem Chauzischen und Cheruskischen Gebiete bund über Ecke gieng. Gleichwol ließ er den Feld-Herrn Segimern durch den Ritter Buchwald wissen: daß ich bey ihm mit seiner Schwester glücklich ankommen wäre. Dieser mein Eh-Herr drückte in einem Schreiben seine übermäßige Freude über meine Erlösung und seine Begierde mich zu sehen auffs beweglichste aus; iedoch wiederrieth er selbst meine Anheimkunft. Nach dem ich nun drey Monat nach unserer Umarmung geseuffzet hatte / kriegte ich die traurige Nachricht: daß Segimer durch Römisches Gifft sein Leben; Deutschland aber an ihm den Beschirmer seiner Freyheit eingebüst hätte. Dieses war ein solcher Donnerschlag in meiner Seele; welcher mein gantzes Wesen einzuäschern vermocht hätte / wenn ich nicht von dem Unglücke geraume Zeit wäre abgehärtet / und von der Tirchanis / welche sich nun in das Alironische Heiligthum eingeschlossen hatte / zu großmüthiger Gedult aufgemuntert worden. Denn ob zwar einige in dem Wahn stecken: daß wie die Biene an niedrigem Rosen-Gepüsche und an denen sich zur Erde bückenden Blumen erquickte / aus diesen ihre Seele / und den reinen Geist des Gestirnes / nehmlich den süssen Thau saugte / und die Spitzen der Cedern den Adlern und andern Raub-Vögeln einräumte; also die Liebe vollkommener in den Schäfer-Hütten / als in Königlichen Schlössern befindlich / und die Hoheit der Fürsten für sie allzu aufgeblasen wäre; So weiß ich doch gewiß: daß die Vereinbarung des Hertzens mit des Segimers / als worinnen alleine das eigentliche Wesen und die Süßigkeit der Liebe bestehet; ein so festes Verbindnüs / als iemahls ein menschliches Hertze zu beschlüssen fähig ist / gewesen sey; und daß der Tod diese Kette in mir zu zergliedern niemahls vermocht habe; in dem ich / wenn es möglich wäre / seine Seele eben so in einen andern Leib zu güssen / als sich das Bild eines geliebten Leibes in die Taffel unsers Gemüthes eingepreget / auch noch die erblaste Leiche meines Segimers zu beseelen / und mich in sein Grab zu verscharren begierig wäre. Wie ich denn auch keine Ursache finde / oder begreiffen kan; warum diese mächtige Gemüths-Regung / welche aller Grösse der Welt überlegen ist / sich nicht auch des Glücks bemeistern / und die Hertzen der Herrschenden vollkommentlich zu besitzen mächtig seyn solte? Dieser meiner Betrübnüs folgte auf dem Fuße ein den König Frotho auffs eusserste bestürtzender Zufall; in dem seine Gemahlin / welcher Königlichen Uhrsprung ich billich verschweige / mit einem der fürnehmsten Cimbrischen Fürsten im Ehbruche begrieffen ward. Je ungemeiner nun dieses Laster bey den Deutschen ist / und ie mehr Frotho sie geliebt hatte; ie hefftiger war seine Verbitterung; als welche in einem Augenblicke die Geister seiner so heissen Liebe ersteckte. Denn die Rache der Beleidigten hat eine viel hefftigere Regung / als die Liebe; nach dem das Geblüte in den Puls-Adern viel thätiger / als in andern ist. Daher er sie den Richtern / sie nach der Schärffe ihres Rechtes anzusehen übergab; welche sie auch beyde verdammten; den Fürsten zwar: daß ein Stein ihm an Hals gehenckt / und er ins Meer gestürtzt; der Königin aber die[1335] Haare abgeschnitten / und aus dem Lande gepeitscht werden solte. Der Tag war schon zu Ausübung des Urthels bestimmt / als ein Fennisches Weib für dem Richter-Stule erschien; und daß diese zwey Unschuldigen nicht mit so grausamer Straffe belegt werden möchte / fußfällig anhielt. Die Richter fragten: aus was für Grunde ein Ehbruch vertheidigt /und die / welche ihr Laster selbst zugestünden / für unschuldig erkennt werden möchten? In alle Wege antwortete diese Feñin / wo nicht der willkührliche Vorsatz / sondern ein unvermeidlicher Nothzwang der Uhrheber des Verbrechens wäre. Denn die Noth gäbe das grausamste Gesetze unter allen ab / und züge nach sich eine Botmäßigkeit; welche alle andere Gesetze zermalmete / und alle Gerechtigkeit in Unrecht verkehrte. Die Richter forschten ferner von ihr: Was für eine Noth denen Ehbrechern ihre Missethat aufgehalset hätte? Diese meine Zauber-Gärthe / antwortete sie; welche nicht nur die Hertzen / sondern den Schnee und das Eyß der eussersten Nord-Spitze entzünden kan. Die Richter erschracken für so frechem Bekäntnüsse; und wusten nicht: Ob sie diß Weib für wahnsinnig; oder ihre Rede für wahrhafft halten solten; fragten aber: wie sie ihre Zauberey bewerckstelligt; und was sie hierzu bewegt hätte? Sie zohe hierauf zwey Wachsbilder heraus; derer das eine der Königin; das andere dem Cimbrischen Fürsten gantz gleich sahe. Diese / sagte sie / habe ich durch gewisse Kräuter und meine Kunst derogestalt zubereitet: daß wenn ich selbte mit meinem Schwefel überziehe /selbte brennend mache / und gewisse Segen darzu spreche / alle Einflüsse der Gestirne / alle Regungen der Keuschheit viel zu ohnmächtig sind die von mir in ihren Seelen entzündete Brunst / welche mit ihrem auffsteigenden Rauche alle Vernunfft zu Bodem schlägt / zu dämpffen. Diese meine Hand würcket auch in den Häuptern der Weisen: daß sie das heßlichste Laster für einen Ausbund der Tugend annehmen; sie erleuchtet mit der Finsternüs des Abgrunds die Unzucht: daß sie wie der des Nachts leuchtende Wurm für ein himmlisches Licht angesehen wird. Massen diese Zauberin denn auch alsofort solches bewerckstelligte / und zu wege brachte: daß die auf der Seite stehende Verdammten / welche vorher gantz ausser sich / und als todte Marmel-Bilder unbewegt gestanden / auf einander wie ein Blitz zurennten / und einander umhalseten. Die Richter alle erzitterten über dieser Zauberey; sie aber fuhr fort und sagte: Wisset aber auch die Ursache dieses meines Beginnes; und daß diese Liebes-Flamme aus dem feurigen Rachen der Rache angezündet worden sey. Denn nach dem Frotho in dem Kriege wieder die Slaven meinen Bräutigam den Fürsten des Eylandes Latris gefangen bekommen / selbten aber tödten lassen / und mich also meiner Liebe beraubet / habe ich durch keine andere Vergeltung mich zu sättigen gewüst / als daß ich ihm seine tugendhaffte Gemahlin / als den Zweck seiner einigen Vergnügung / hinweg nähme. Ich habe meiner Fürstlichen Würde mich enteussert; ich bin ein Lehrling der allerschli sten Zauberin worden; ich habe durch verborgene Ungedult mir mein Hertz abgenaget / nur die Süßigkeit der Rache zu genüssen. Ja / weil ich wol gewüst: daß dräuende sich vergnügen ihre Zunge an statt des Rach-Schwerdts zu gebrauchen /und der durch den Mund an ausrauchende Zorn die Glieder krafftloß lasse / die Beleidigung mit Worten auch eine fruchtlose Boßheit / in der That aber sich rächen eine Helden-Eigenschafft sey / habe ich schon zehen Jahr bey den Cimbern als eine Dienst-Magd zubracht / nur daß ich der Königin und dieses Fürsten Haar / als den Werckzeug meiner Zauberey / zur Rache erlangte; welche mir biß auff diese Stunde kein Mensch angemerckt hat / nimmermehr auch würde ergründet haben / weñ ich zugleich die Barmhertzigkeit gegen die Tugend[1336] ausgezogen; oder nicht für rühmlicher geachtet hätte den mir bevorstehenden schmählichsten Tod zu leiden / als der durch mich verleiteten Unschuld zu Grabe zu leuchten. Die Richter erstarrten über diesem freymüthigem Bekäntnüße / liessen die Zauberin feste machen / und brachten diese Begebnüße dem König Frotho umständlich bey. Alleine dieser hielt des Fennischen Weibes Beginnen für ein Spiegelfechten / oder eine angestellte Sache; nach dem die Zauberey über die der Göttlichen Herrschafft unterworffene Seelen / die Zeichen und Segnungen über das Wesen und die Neigung der Menschen keine Gewalt hätten. Die Liebe würde entweder durch eine Göttliche Regung unmittelbar im Hertzen / oder durch eine kluge Wahl im Haupte gezeugte; also: daß weder die Zauberey noch die Hölle selbst / als die Mutter der Zerrüttung / welche beyde mit unauflößlichen Ketten in den Abgrund eingekerckert wären / solche zu gebehren vermöchte. Die Liebe hätte so gar aus den Sternen als ein hi lischer Balsam ihren Uhrsprung; ihr Geist wäre rein / ihre Bewegung unverwirret; Die Zauberey aber eine Mutter der Rasenden und Mondsüchtigen. Diesemnach denn / da in einem Dinge / gewiß in Zauberey der Unglaube für die Spann-Ader menschlicher Klugheit seyn müste. Die Richter hingegen stellten dem Könige Frotho beweglich vor Augen: Die Flamme keuscher Liebe wäre freylich wol ein zu schönes Kind für die Zauberey /welche als eine Tochter der Hölle nichts als Mohren gebähren könte. Die bösen Geister vermöchten eben so wenig der Seele eine so reine Regung / als die aus Schacht und Thälern aufsteigenden Nebel der Welt ein Licht anzuzünden; weniger könten so grausame Gespenster einen so holden Engel / als die Liebe wäre / gebähren; Die Unholden wären viel zu ohnmächtig ihre von dem Abgrunde ausgespeite Kohlen in ein Gestirne / und ihren gifftigen Tugend-Haß in das Ebenbild der unbefleckten Zuneigung verwandeln. Alleine die Mißgeburt der Unzucht wäre allerdinges ein Brut der Höllischen Unholden; und ob zwar Cirze aus den Menschen keine reine Schwanen / keine unbefleckte Fenixe oder Adler zu machen gewüst; hätte sie doch Ulyssens Geferthen in Schweine / Wölffe und Hunde verwandelt. Diese Neigung wäre der Kern des gifftigsten Hasses / und eine rechte Nattern-Buhlschafft / die mit ihrer Umarmung mehr / als Tiger und hauende Schweine mit ihren Klauen und Zähnen zerfleischte / und mit ihren Liebes-Blicken grimmiger /als Basilisken tödtete. Diese verteuffelte Wissenschafft gebrauchte sich nicht nur seltzamer Kräuter /die den Verstand in Wahnwitz / das Geblüte in eine lodernde Glut verkehrten; ja nicht selten durch solche Liebes-Artzneyen den Menschen gar das Licht ausleschten / wie Lucilia ihren eigenen Ehmann Lucretz /Callisthenes den Lucullus hierdurch aufgerieben; sondern sie übte auch durch Zeichen und fremde Worte zweiffelsfrey mit Zuthat eines Höllischen Geistes solche Greuel aus / für welchen die Vernunfft erstarren /und der Himmel verschwartzen müste; wie sie an dieser Zauberin mit Augen gesehen; und die Persische Kriegs-Flotte für Zeiten vom Nectabis erschrecklich erfahren hätte. Ja die Zauberin selbst erbot sich durch grössere Wunder die Warheit ihres bekennten Lasters zu erhärten. Sie wunderte sich: daß man die so viel tausend mahl bewehrte Kräfften der Zauberey in Zweiffel züge; Da man doch zu Bysantz eine Ertztene Schlange / und in Tripolis einen mit Scorpionen bezeichneten Stein allen gifftigen Thieren in selbige Städte / des Hercules Bild in die Häuser schädlichen Dingen den Eingang verwehren sehe. Da doch gewisse Wurtzeln Gemsen und Hirsche feste machten /[1337] etliche Kräuter oder Worte Drachen einschläfften /und Schlangen zertheilten / gewisse Steine Nester der Vögel für allem Ungeziefer versicherten. Nun aber wäre ja der Mensch ein Begrieff der gantzen Welt. Wie solte er denn nicht mehr Kräfte in sich haben als etliche Kräuter und Steine / oder gar als die gegen ihm unedlen Gestirne? Daher sie allzuwol wüste / und überflüßig bezeugen könte: daß alle Geschöpffe einer wol aufgeräumten Seele gehorsamen müsten. Hierdurch / sagte die Hertzogin Asblaste / ward endlich König Frotho bewegt: daß er sein Gemüthe besänfftigte; und / als die Zauberin bey der ihr zuerkennten Verbrennung auf ihrem Bekäntnüße standhafft verharrete / gab er nach: daß dieser Cimbrische Fürst die Königin nicht nur heyrathen / sondern sie auch in seinem Gebiete die erblichen Güter ruhig besitzen möchten. Die Beruhigung dieser Schuldigen /die ihre so übel angefangene Liebe durch ein tugendhafftes Leben verbesserten / zohe die Unruh der Unschuld nach sich; weil König Frotho / ich weiß nicht aus was für Triebe / ein Auge auf mich warff; und mich zur Eh verlangte. Allein ich hatte mich schon zu der Tirchanis in das Alironische Heiligthum verlobet; welches ein mit hohen Mauern verschlossenes Gebäue an dem Strande der Nord-See war; darein ausser den König kein Mann niemahls / auch kein Weibs-Bild ohne Vorbewust der obersten Priesterin / die alle Schlüssel selbst verwahrte / setzen darff. Gleichwol werden hierein auch die / welche gleich einmahl verehlicht gewest / angenommen; und die / welche ihr Leben darinnen nicht zu beschlüssen vermeinen / werden wieder Willen nicht darein eingekerckert. Wiewol die Ausziehenden die Helffte ihres Vermögens / welches sonst gar dem Heiligthume zuwächst / zurück lassen müssen. Ihre Tracht ist durchgehends / wie ihr sie an mir sehet; ihre Speise auskommentlich / aber sonder Uberfluß; welcher aber niemand genüssen darff / ehe er seines Thuns / und was er selbigen Tag gutes begrieffen / Rechenschafft gegeben habe; wiewol anfangs ein Jahr lang die Neukömmlinge mit einem strengen Stillschweigen beschrenckt sind. Ausser dem wird unter Adel und Unadel in dieser Versamlung kein Unterscheid gemacht / noch ein Vorzug beobachtet. Denn weil alle sich für Mägde Gottes er kennen; und alle ihr Thun nach den Gesetzen der Natur einrichten / machen sie auf den Stand / als eine Erfindung des Bürgerlichen Lebens / kein Absehen; und gehorsamen mehrmahls Fürstinnen eines Gärtners Tochter; wormit sie sich dem Himmel ähnlich machen / der sein Saphirenes Antlitz eben so schön daselbst entdecket / wo er nur Sand und Disteln / als wo er Gold und Edelgesteine zeuget; oder der Soñe / welche nichts minder die in der Milch-Strasse verborgenen /als denen berühmten Irrsternen ihr Licht mittheilet. Ihre Weißheit ist / wie das Gebäue / in drey Theile unterschieden; dem ersten drey / dem andern fünff Jahre / dem letztern die übrige gantze Lebensfrist zugeeignet. Worinnen sie von der Art der Vestalischen Jungfrauen zu Rom abweichẽ / welche zehn Jahr lernen / zehn Jahr opffern / zehn Jahr lehren / und hernach ihres Gelübdes loß sind. Im erstern Theile werden nur die Geheimnüße der Natur gelehret / iedoch zu keinem andern Ende / als die Wahrheit eines Göttlichen Wesens / und seine allerweiseste Fürsehung /als den Grundstein aller Weißheiten daraus zu begreiffen. Alldieweil sie ihr Unvermögen willig gestehen: daß sie noch weniger Gott in ihm selbst durch ihre blinde Vernunfft / als das Wesen der Sonne in derselben gerader Anschauung mit den blöden Augen / welche bey übrigem Lichte weniger als bey keinem sehen / erkennen; am allermeisten aber die Weißheit Gottes in den engen Kreiß unsers Hauptes einschrencken können. Diesemnach sie denn / wie ich den ersten Tag aus ihrem Unterrichte erlernet habe / festiglich glauben: daß[1338] die gantze Welt in GOtt / und GOtt in der Welt / ja wie die Seele in dem Theile befindlich /alles ihm / und er allem gegenwärtig / seinem Leibe nach nirgends an- seinem unbegreifflichen Wesen nach nirgends abwesend / und um ihn etlicher massen zu erkennen / nicht nur die Welt sein Buch / die Sonne sein Spiegel / der Mensch sein Ebenbild; sondern auch unwiedersprechlich sey: daß keine Ameiße oder Schnecke auf der Erde krieche / welche nicht eben so wol als der ungeheure Wallfisch / kein Ysop an der Wand wachse / der nicht sowie die Ceder / ja keine verächtliche Fledermauß und kein Käfer herum schwerme / der nichts minder / als Strauße und Paradieß-Vögel ein solches Bild sey / darinnen man ein gewisses Kennzeichen / und gleichsam im Staube die Fußstapffen eines obersten Herrschers und Erhalters zwar nicht in seinem Verstande begrieffe; aber doch durch Verwunderung / welche allein der Mäß-Stab aller unbegreiflicher Dinge ist / wahrnähme. Ja die täglich abwechselnde Finsternüs sey ein helles Licht und Merckmahl des zwar unsichtbaren / aber sich in Geschöpffen / und so gar an Spinnen-Weben und Schnecken-Häusern offenbarenden Gottes; welcher erstern Gewebe so künstlich ist: daß die Natur denen Spinnen hierzu sechs biß acht Augen hat geben müssen; die letzteren aber eine solche Baukunst in sich haben: daß sie aller Werckmeister Erfind- und Abtheilungen übertreffen. Die Raupen wären ein Wunderwerck der Augen / die Bienen des Geschmacks /die Nachtigal des Gehöres / Ambra des Geruches / die Spinne des Fühlens / die Ameiße der Klugheit; alle aber Beweißthümer einer unbegreiflichen Gottheit. Also hätte ihm Heraclitus gantz falsch eingebildet /daß sich Gott mit Fleiß zu verstecken suchte. Wie denn er in sich selbst seine unausmäßliche Wohnung /und weder den Himmel zu seinem Stule / noch die Erde zu seinem Fußschemmel gedürfft; sondern die Welt alleine zu seinem Erkäntnüße geschaffen / hierzu aber nichts / als den Saamen seines einigen Befehl-Wortes gebraucht / und unter so unzehlbar-wiedrigen Dingen eine wunderwürdige Ubereinstimmung gemacht hätte: daß die Welt die vollkommenste Harffe genennt zu werden verdiente. Seine Ewigkeit bildete er in denen irrdischen Gewächsen für; welche unbeschadet ihrer Vergängligkeit / dennoch durch derselben Fortpflantzung sich verewigten. Seine Grösse durch das kleinste Gesäme / in dem in einer einigen Eichel das gantze Wesen einer Eiche / einer Himmel-hohen Ceder / in einem kaum sichtbaren Körnlein /die Krafft des süssen Weinstocks / und in einem schlechten Kerne die Pracht der Granatäpffel-Bäume /derer Blüte niemahls ohne Purper / die Frucht niemahls ohne Krone wäre; in einer ungestalten Zwiebel die alle andere Schönheit beschämenden Blumen / für denen alle Farben und Mahlwercke erblasten / ungeachtet sie verborgen steckten / ihrer Feuchtigkeit halber in einem Tage zugleich neugebohrne Kinder und alte Weiber wären. Die unaufhörliche Bewegung der Gestirne stellte seine niemahls ruhende Würckung; des Meeres vergebliche Bemühung sich über seine Gräntzen zu ergiessen / seine allmächtige Herrschafft; welcher auch die tauben Wellen / und die blinden Winde gehorsamen müssen; Die Sonne seine unerschöpfliche Freygebigkeit durch die Abwechselung der Jahres-Zeiten / des Tages und der Nacht / als der zwey so ungleichen Zwillinge der Zeit das Reichthum seiner wolthätigen Güte; Das allen Dingen / ja denen wächsernen Bienhäusern zugeeignete und wolanständige Maaß seine überschwengliche Weißheit / allen /welche nur nicht blind zu seyn sich bemühen / für Augen; als welche an der Runde eines Apffels und Auges keine geringere Kunst / als an der eben so gedrechselten Welt und Sonne; an der ordentlichen Abtheil- und unvergleichlichen Färbung der Muscheln /[1339] derer eusserliche Schale so wundersam / als des Zimmet-Baumes ist / an dem Mahlwercke des Pfauen-Schwantzes / des Tauben-Halfes / und der Papegoyen-Flügel kein schlechter Wunder / als an der Ausspannung des mit so viel Golde durchstückten Himmels /an Stellung der niemahls fehlenden Sonnen-Uhr / an Ausmässung der Regen-Bogen beweiset; und erhärtet: daß er in denen kleinsten Dingen nicht kleiner / als in den Grossen / ja / wenn man es durch das Vergrösserungs-Glaß klugen Nachdenckens eigentlich betrachtet / noch grösser sey. Sintemahl in Wahrheit die Zusammendringung aller Sinnen in dem kaum sichtbaren Leibe der so spitzige und gleichwol zum Blutsaugen ausgehölete Stachel einer Mücke / die Geschwindigkeit einer Flüge / und das Gemächte einer Biene / das Nest einer Wiedehopffe mehr Wunders / als der Lauff eines Krocodils / die Stärcke eines Elefanten / und die Bemühung eines Kamels / ja der beseelte Käfer etwas edlers als die alles beseelende aber unbeseelte Sonne in sich hat.

So viel hatte ich nur begrieffen / und bey mir hernach wol hundertmahl überleget; als König Frotho in unser Heiligthum kam / und mir seinen Vorsatz mich zu ehlichen vortrug; alleine der Vorschmack dieser heiligen Weißheit hatte mich bereit mit einer solchen Süßigkeit überschüttet: daß mir alle andere Vergnügungen wie bittere Wermuth schmeckte. Sie zohe mein Gemüthe kräfftiger als der mitternächtige Angel-Stern die Magnet-Nadel an sich; also: daß es sich auch die Sonne Königlicher Würden nicht auf die Seite ziehen ließ. Diesemnach ich denn sein Begehren darmit ablehnete: daß in Deutschland eine Frau ohne eusserste Schande nicht zum andern mahl heyrathen könte. Sintemahl eine keusche Seele nicht so wol den Ehstand / als den Ehmann lieb gewinnen könte. Frotho aber setzte mir entgegen: daß diß Gesetze nicht nur dem Rechte fast aller Völcker / sondern auch den Sitten der meisten Deutschen wiederstrebte. Insonderheit aber hätten die Cimbern diese raue Gewonheit der Heruler nie gebilliget / weil sie der Natur selbst Gewalt anthäte. Alle Dinge weltzten sich gleichsam wie ein Rad herum / und wechselten nicht nur die Jahrs-Zeiten / sondern auch die Sitten nach einander ab. Den deutschen Fürsten wäre unverwehret / nach des Ariovistens Beyspiele auff einmahl zwey Weiber zu haben; wie möchte sie ihr denn selbst diesen grausamen Zwang aufhalsen / nach ihres Ehherrns mit dem Tode erloschener Liebe ihre Seele einer neuen Flamme abzustehlen? Als nun meine Entschuldigung nicht verfieng; schüttete ich mein iñerstes Hertze gegen ihm aus: daß ich ausser der Betrachtung Gottes / nirgends keine Ruhe meines durch so viel Unglücks-Fälle zu Bodem gedrückten / auch zu keinen irrdischen Erquickungen mehr tauglichen Gemüthes findete / also mit derselben Störung mich unglücklich / ihn unvergnügt machen würde. Alleine der / ich weiß nicht / aus was für einem Triebe / mir allzuwol zugethane König Frotho bemühete sich mich durch aller hand Liebkosungen zu gewinnen / mir einhaltende: daß die Natur mich viel zu zart für eine so strenge Lebens-Art geschaffen hätte; und daß / wenn ich als eine treue Landes-Mutter denen Unterthanen fürstünde /GOtt ein so angenehmer Dienst / als durch ein erwehltes Priesterthum geleistet würde. Die Natur hätte den Menschen zur Gemeinschafft; insonderheit aber das Frauenzimmer zu Fortpflantzung beyder Geschlechts / das Verhängnüs Fürsten zu Beherrschung der Völcker / und Ausübung anderer Tugenden / dardurch sie nichts minder / als durch tieffsinniges Nachdencken die Gewogenheit des Himmels erlangten; andere aber / und fürnehmlich das mäñliche Geschlechte zu Ubung der Weißheit und Beobachtung des Gottesdienstes erkieset; wiewol die Andacht auch mit der Hoheit / der Ehstand mit dem Gottesdienste / ja gar mit dem Priesterthume eine[1340] Verträgligkeit / und keine gäntzliche Enteusserung der Welt / oder eine so strenge Lebens-art von nöthen hätten. Die denen Fürsten gleichsam eigenthümliche Großmüthigkeit vermöchte über Glück und Tod zu gebieten. Mir fielen über dieser zwar vernünfftigen Zusetzung für Wehmuth die Thränen aus den Augen. Die oberste Priesterin aber nahm sich mein an; und setzte dem Könige entgegen: Die Andacht wäre eine Vermählung der Seele mit GOtt / und eine Vergötterung der Menschen. Warum solte sie deñ Fürsten verschmählich / oder denen zarten zu rau seyn? Adler / keine Kefer wären dem Jupiter gewiedmet. Der Weyrauch / nicht geringes Baumharzt würde bey den Opfern angezündet. Weñ Helfenbein und Alabaster unter die Hand des Bildhauers /das zärteste Ertzt das Gold in den Guß des Künstlers /das weiche Gespinste des Seiden-Wurmes auf die Werffte des Webers käme / würde das vollko enste Gemächte daraus; warum solten nur raue Felsen zu heiligen Bildern ausgehauen werden; oder ein zartes Geschöpffe nicht den Zwang unser Gesetze / wie der Marmel die Feile / und das Gold die Glut ausstehen? was die wenigsten Hülsen eines irrdischen Talgs an sich hätte / wäre desto geschickter zu denen Durchwürckungen des Geistes. Dieser selbst hätte nicht seinen Sitz in den harten Knochen / noch in denen starrenden Spann-Adern; sondern in dem weichsten und zärtesten Theile des Menschen / nehmlich in dem Gehirne. Andere Tugenden verdienten zwar ihren Preiß; und die / welche Fürsten machten /hätten einen grössern Glantz / als die Gottesfurcht; aber alle wären ohne diese eine Bländung / ohne Geist und Bestand; die Tapfferkeit ohne Andacht ein hitziger Trieb eines grimmigen Thieres / die Klugheit ein verführerisches Irrlicht / die Anmuth halb Mensch und halb Schlange. Die Gottesfurcht wäre die Zunge in der Wage der Gerechtigkeit / sie hielte der Großmüthigkeit den Rücken: daß sie weder die sanfften Lüffte des Glückes zu hoch empor hübe / noch das Elend zu Bodem trete; Sie schwinge die Seele so hoch: daß sie ihres mit dem Leibe und seinen fleischlichen Reitzungen gepflogenen Bündnüsses vergässe; Die ansehnlichste Würckung aber hätte sie wieder den Tod / den alle Klugheit und Tugend selten für den Auflöser der irrdischen Banden / sondern ins gemein für den Scheusal alles lebenden / für das Schrecken der Natur / und die Abscheu der Hertzhafftigkeit / die Andacht aber alleine für einen Pförtner des Himmels anschaute. Denn sie lehrte bey dem Antritte der unendlichen Ewigkeit: daß der Zirckel der Zeit in vergänglichen Augenblicken bestünde; und das längste Leben nach der Spanne auszumessen / die wahrhaffte Ruhe und Lust der Seele aber erst nach Ablegung der Sterbligkeit zu finden wäre. Die Gottesfurcht wäre endlich die von dem Himmel henckende Kette; die ein Reich so befestigte: daß alle Kräfften der Welt es nicht versehren könten. Diesemnach möchte der König versichert leben: daß der Fürstin Asblaste Vermählung ihm zwar einige Vergnügung / ihre Andacht aber dem Cimbrischen Reiche eine beständige Schutz-Seule abgeben würde; für welch letzteres er als ein Fürst und Werckzeug Gottes / durch welchen seine erste Bewegungs-Krafft ein ziemlich Stücke der Welt bewegte / mehr als für sich selbst Sorge zu tragen hätte. Diese Zuredung hatte in des Königs Frotho Gemüthe einen solchen Nachdruck: daß er sich erklärte meine heilige Einsamkeit nicht mehr zu stören; noch der Wolfarth seines Reiches einigen Abbruch zu thun. Seine Schwester Tirchanis aber war mit ihm noch nicht allerdinges / wie ich / vergnüget; sondern hielt ihr für unverantwortlich / dem weiblichen Geschlechte für nachtheilig: daß er die Weißheit nicht für sie so wol / als für die Männer gewiedmet zu seyn meinte. Sie bescheidete sich wol: daß diese für ihnen mehr Stärcke und weniger Feuchtigkeit von der Natur bekommen[1341] hätte; aber die männlichen Seelen hätten für den weiblichen keinen Vorzug. Diese allein / als der Sitz des Nachsinnens und der Tugend / hätten eigentlich nur mit der Weißheit zu schaffen. Jene wären nicht mit mehrerm Geiste geflügelt; diesen klebte nicht mehr Erde und Schlacke an; beyde rührten von einem Uhrsprung her. Ihre Feuchtigkeit hinderte ihr Geschlechte an nichts / ja sie wäre als ein denen Wissenschafften zu Einpregung der Bilder in das Gedächtnüs dienender Talg vielmehr beförderlich. Der Mohnde wäre so schön und nutzbar als die feurigen Gestirne / wiewol auch die feurigsten und die Sonne selbst guten theils aus einem flüssenden Wesen / und nichts minder / als die Erdkugel aus einem Meere bestünden. Ihr wäre zwar nicht unbekandt: daß man sie beschuldigte: sie flatterten mit ihren Gedancken allzu leicht und veränderlich; aber der Männer ihre wären auch an keinen Nagel gehefftet; und den tieffsinnigen Wissenschafften dienten mehr die Adlers-Flügel / als Schildkröten-Füsse. Ja da sie auch in ein- oder dem andern einigen Gebrechen hätten / thäte ihnen die Weißheit / als welche der Vernunfft zu Hülffe kommt / die Finsternüße des Geistes erleuchtet / und die Gemüther vollkommen macht / so viel mehr von nöthen. Uber diß dörffte man zu derselben Weißheit / welche eine Wegweiserin des Lebens / und eine Mutter der Tugend ist / weder die Tieffsinnigkeit hohen Verstandes / noch das Vermögen ausbündiger Gliedmassen. Man träffe sie mehrmahls in Vollkommenheit bey der Einfalt / und in einem kriplichten Leibe an. Denn sie vertrüge sich mit beyderley Glücke / und gäbe den beyden Geschlechten so nöthigen Unterricht / wie gute Begebungen ohne Schwindel; und schlimme Zufälle wären sonder Ohnmacht zu vertragen. Sie hätte zu ihrem Zwecke das mangelhaffte zu verbessern / die Unvergnügten glückselig zu machen; und durch Dämpffung hefftiger Regungen den Menschen vom Pöfel so weit zu entfernen / als er an sich selbst vom Vieh unterschieden zu seyn scheinet. König Frotho begegnete seiner Schwester mit einer besondern Höfligkeit; und entschuldigte: daß er dem Frauenzimmer ihre Fähigkeit die Weißheit zu begreiffen / und den ihm daraus qvellenden Nutzen strittig gemacht; sondern nur: daß sie nicht wie die Männer sich darinnen zu vertieffen verbunden wären; verließ uns also beyde in unser annehmlichen Einsamkeit / fand auch wie ich in der Unterweisung der Alironischen Frauen / also er durch Ehlichung Alvildens einer Sitonischen Fürstin seine gewünschte Vergnügung.

Ich muste in dieser Schule die natürlichen Dinge zu erforschen drey Jahr zubringen; aber die Anmuth der Gesellschafft und die Lehrart / welche einem alles gleichsam spielende beybrachte / verkürtzte mir sie so sehr: daß sie mir weniger / als drey Monate schienen; Denn ob ich zwar vorher mich auch auf diese Geheimnüße gelegt hatte; ward ich doch nunmehr inne: daß meine Lehrmeister mir zwar viel gutes unter die Hände gegeben / aber nicht recht ausgearbeitet hatten; und war zwischen beyden ein solcher Unterscheid /wie zwischen dem Marmel / den die Werck-Leute aus seinen Adern hauen / und dem / der bereit durch die Hand des Bildhauers gegangen. Allhier ward nichts gewiesen oder iemand dessen überredet; was man nicht aus den Eigenschafften der Dinge her nahm; und dessen man gleichsam mit seinen fühlenden Händen und sehenden Augen überwiesen ward. Welches bey denen Lehrlingen nicht nur mehr Beyfall erweckte /sondern auch in ihrem Thun mehr Nachdruck hatte. Denn die / welche ihre vermeinte Weißheit nur hinter das Alterthum und ihrer Vor-Eltern Meinung verbergen / sind wenig besser als die jenigen Priester / die sich in die holen Bilder ihrer Götter versteckten / um den Wahn ihrer Wahrsagungen so viel glaubhaffter zu machen.

Nach dieser Zeit kam ich zu der andern Staffel /[1342] da der Mensch nach des Pythagoras Lehre sich täglich bey hellem Tage im Spiegel besehen / das ist / sich selbst muste kennen und überwünden / also diß / was uns die Natur an die Hand giebt / nütze machen lernen. Denn ob wol die Welt nur eine Wohnung ist /alle Menschen darinnen einerley Haußhaltung führen /und die Göttliche Versehung als eine um sie bekümmerte Mutter für einen ieden Menschen absonderlich so sehr / als wenn er das gantze Geschlechte wäre /bekümmert ist / sie auch alle in gleicher Vollkommenheit wünschet / und ihre Seele von dem irrdischen / wie die Sonne die Dünste aus den Sümpffen hervor zeucht; so sind doch hingegen die Neigungen der Menschen böse / und wie alle schwere Dinge den Mittel-Punct der Erde zu erreichen so begierig: daß sich derselben zu enteussern schier unmöglich ist. Hieraus erwächset eine Wiedersetzligkeit gegen die himmlischen Leitungen. Und wenn die Tugend sich durch die engen Pforten in die Seele einlagern wil; findet sie wie in einem feindlichen Lande ihr alles auffsätzig zu seyn. Wenn nun die unaustreiblichen Reitzungen der Natur mit einer lasterhafften Gewonheit sich verschwistert / zeucht der Mensch eben so den Menschen / als die Schlange ihre Haut / iedoch mit dieser Ungleichheit aus: daß diese ihre eusserliche Gestalt verändert / die innerliche behält / Menschen aber die eusserliche behalten / die innerliche verlieren; und seinem Wesen nach zum unvernünfftigen Thiere werden. Ja diese scheinen dißfalls schier für den Menschen einen Vorzug zu haben. Denn sie thun nichts übels / als worzu sie die Eigenschafften ihres Geschlechtes bewegen / und hat fast iede Art Thiere nur einerley ihnen eingepflantzte Tücke. Den Menschen aber verleiten nicht nur seine eben so viehische Regungen; sondern der Mißbrauch seiner Vernunfft; es geschehe gleich aus Irrthum oder aus Vorsatz / halset ihm so gar unmenschliche Wercke auf. Welche Anmerckung denn den Vellejus zu Rom auf diesen ärgerlichen Wahn brachte: daß er wieder den Cotta behaupten wolte: wenn die Götter einen Menschen verfolgen wolten / könten sie ihm nichts schädlichers /als die Vernunfft zueignen. Sintemahl die Fehler des Verstandes Lehrmeister des Willens / und seiner Vergehungen wären; und keiner weniger sündigte / als der am wenigsten verstünde. Ob ich nun zwar diese Ketzerey verdamme; bleibt doch wahr: daß der natürliche Trieb in Thieren keinen so innerlichen Krieg /als wie die Vernunfft im Menschen mit seinen Regungen zu führen hat. Denn diese mühen sich eiffriger unsere Seele von dem Sitze der Vernunfft zu stürtzen; als iemahls die Riesen Jupitern aus dem Himmel zu jagen gemeinet. Sie verbländen die Vernunfft: daß sie so wenig den Glantz der Tugend / als blindgebohrne die Schönheit der Sonne / und den Mittag für Mitternacht erkiesen. Worüber die Göttliche Barmhertzigkeit / welche selbst gerne die Annehmung ihrer ausgegossenen Wolthaten zu Danck annähme / wehmüthig seuffzen und bejammern muß: daß wenig die Milch ihres Heiles aus ihren gleichsam strutzenden Mutter-Brüsten saugen; sondern die meisten sich lieber aus den Pfützen der Wollust / und der Galle ihrer bösen Gemüths-Regungen sättigen wollen. Diese nun zu bemeistern habe ich in dieser Gemeinschafft die herrlichsten / wiewol glimpflichsten Mittel gefunden. Denn ob wol die Wahrheit / Weißheit und Tugend nur einerley Wesen und Eigenschafft hat / so ist sie doch nicht gezwungen stets einerley Gesichte zu zeigen /und in einem härenen Kleide aufzuziehen. Viel Gemüther sind in dieser Lehre wie etliche Krancken /welche den Artzt nicht sehen können; und alle Kräuter für bittere Rhabarber halten / ehe sie sie noch gekostet haben. Zugeschweigen: daß die Tugend an ihr selbst wie der anfangs aus dem Meere kommende[1343] und noch weiche Ambra uns ärger / als ein Aaß anstincket / ob schon mit der Zeit dieser alles süsse Rauchwerck Arabiens im Geruche / jene alle Wollüste der Welt an Süßigkeit übertrifft. Diesemnach denn die Alironische Anweiserinnen / welche allzuwol verstehen: daß heilsam und bitter nicht einerley sey / und die Wermuth viel eine andere Würckung / als Gifft habe / alle ihre heilsame Artzneyen / besonders anfangs mit wolrüchendem Bisam und Zucker anmachen; und die Tugend zwar nicht als ein geiles Kebs-Weib / doch auch nicht als eine Betlerin; sondern mit einem anständigen Schmucke / und ohne Knechtische Fessel fürstellen. Bey diesem Grunde verschmehen sie dieselben Mißgeburten der Weisen / welche den Betler-Stab und die Tasche für ihr Eigenthum halten / und gleichwol unter ihren zerrissenen Lumpen mehr Ehrsucht / als andere unter Goldstücke und Purper verbergen; welche ihren Begierden den Zügel schüssen lassen / und dennoch Liebe / Freude / Haß / Furcht und andere Gemüths-Regungen als abscheuliche Ungeheuer verdammen; Gleich als wenn diese die Vernunfft verfinsterten /den Leib schwächten / und den Menschen öffter / als Feber und Wassersucht tödteten. Viel glimpflicher aber urtheilte der Alironien Weißheit hiervon; welche weder den Leib mit übriger Strengigkeit quälet / noch das Gemüthe in Eisen schleust. Denn sie gönnet der Natur ihre Ergetzligkeit / wie den heilsamen Kräutern ihre Zierde und Geruch; sie enthenget dem Gemüthe seine Erleichterung / und machet den Menschen durch Beraubung aller Zuneigungen zu keinem todten Klotze oder Steine. Die Königin Erato fiel Asblasten / als selbte ohne diß etwas Athem schöpffte / mit diesem höflichen Einwurffe ein: Ich kan nicht leugnen: daß ich zum Theil ein Lehrling der Stoischen Weltweisen gewest sey / welche diese Regungen für Kranckheiten des Gemüths halten / und / weil auch die schlechtern Schwachheiten eben so wenig aufhören ein Ubel / als das kleinere Ungeziefer schädlich zu seyn / dünckt mich also thulicher zu seyn / selbte gar zu vertilgen /nicht aber mit selbten so sanffte / als mit denen Feuchtigkeiten des Leibes / welche eben so wol als das Geblüte ein Oel des Lebens sind / umzugehen. Asblaste antwortete: Es wären zwar gewisse Kranckheiten / welche mehr der Gesundheit zu statten kämen / als ihr schadeten / nichts minder als das gifftige Gestirne des höchsten Irrsternes in der Welt viel heilsames würckte. Gleichwol wolte sie ihr und ihren Lehrern recht geben; wenn ihr Grund: daß alle Neigungen Kranckheiten wären / nicht auf schlüpfrigem Grunde bestünde; Sie wären aber diß weder nach ihrem Uhrsprunge / noch nach ihrem Wesen. Denn die Natur wäre gegen ihr liebstes Kind den Menschen eine viel zu gütige Mutter: daß sie ihm eitel Kranckheiten der Seele solle eingepflantzt haben. Ihre Eigenschafft würde nur zufälliger Weise verterbet / und wie der süsseste Wein in schärffsten Eßig verwandelt. Denn wer wolte glauben: daß sie so viel ärger / als die Galle der Drachen; die Gifftbläßlein der Nattern / als Napel und andere zwar zum Theil schädliche / iedoch auch sehr nutzbare Dinge wären. Diese Neigungen stiffteten mehrmahls tausend Ubel / frässen gantze Städte / äscherten die halbe Welt ein. Dieses aber wären Würckungen ihres Mißbrauchs / nicht ihrer Natur. Die Sonne das Hertze der Welt / welche alles lebhafft macht / würde derogestalt eben so verdammlich / und mit den Mohren zu verfluchen seyn / weil sie / mit ihrer Hitze eben so wol Kröten / als Schwanen beseelte; nichts minder die heilsamen / als die Schwantz-Sterne erleuchtete; und mit eben der Wärmbde / welche Oel und Granat-Aepffel zeuget /Ungeheuer heckete. Das so nützliche Feuer / daß das Ertzt gleichsam zum andern mahl gebieret / das unvollkommene auskochet / und die andere Sonne der meisten[1344] Handwercker ist; würde widriger Meinung nach in der gantzen Welt auszuleschen seyn / weil es alles verzehret / dessen man es Meister werden läßt. Das Meer und der Wind / weil sie Länder überschwemmen / Bäume ausreissen / und Schiffbruch verursachen / würden müssen / ungeachtet jenes Perlen / Purper und Korallen gebieret / den Erdbodem befeuchtet / die Sternen säuget / dieser die Lufft reinigt / die Fruchtbarkeit und die so nützliche Schiffahrt befördert / aus der Welt verbannet werden. Dannenhero müste man nur den Rauch von dem Feuer der Gemüths-Regungen saubern / und mit diesen Neigungen so behutsam / wie die Aertzte mit den Feuchtigkeiten des Leibes umbgehen / als welche zwar zu reinigen / aber nicht gar auszutrocknen wären; Oder man müste selbte / wie die Haare und Nägel beschneiden /nicht aber gar verterben. Die Königin Erato warf hierwider ein: Sie könte unter diesen Regungen / und denen Kranckheiten des Gemüthes noch zur Zeit keinen Unterscheid finden; als daß jene geschwinder verrauchten / diese aber / als schon tief eingewurtzelt /hartnäckichter wären. Massen denn auch jene sich in diese mit der Zeit eben so leicht / als die Seiden-Würmer in Molcken-Diebe verwandelten. Die Maale würden mit uns so wol gebohren / als die Neigungen; gleichwol aber blieben sie Ungestaltnüsse / und wäre eines so schwer als das andere zu vertreiben. Der Natur gönnete man ihren Preiß; aber es hätten mehrmals weisse Mütter heßliche Mohren-Kinder. Die Wurtzel schädlicher Regungen könte nicht besser seyn / als ihre gifftigen Früchte. Weil nun diese Gespenster zu herrschen / nicht zu dienen gewohnt wären / wüchsen sie der Vernunfft zu Kopffe / welche doch das Auge der Seele / die Magnet-Nadel des Lebens / der Mäßstab der Tugend und der Ancker der Glückseeligkeit wäre. Wie die so genennte Kranckheit die Rose ihren Eintritt mit einer annehmlichen Purper-Farbe beschönte / also endigte sich diese Kranckheit eben so wol / als die anfangs in Gestalt einer Morgenröthe der Tugend sich zeigenden Regungen mit unsäglichen Schmertzen. Diesemnach müste man sie in der ersten Blüte tödten / und als das schädlichste Unkraut ausrotten. Denn wenn nur ein Käum übrig bliebe / nähme es unversehens überhand / und ersteckte in uns den Saamen des guten. Alle Laster wären anfangs Zwerge / hernach Riesen. Sie stellten sich erstlich verschämt und mäßig; die Gewohnheit aber vertilgte bald ihre Schamröthe / und mit der Zeit zerlechsete ihr Umschranck. Die Grausamkeit erlustigte / wie die Wütteriche zu Athen sich anfangs an dem Blute eines Betrügers / hernach der unschuldigsten Weltweisen. Der Geitz verliebte sich anfangs in sein / hernach in seines Nachbars Gut. Ja diese anfangs verächtliche Schwachheiten fräßen ins geheim / wie der Krebs umb sich; Und der Allerweiseste wüste diese einmahl zu Kräfften gekommene Ungeheuer / welche den Menschen in heßlichere Thiere als Circe verwandelte /nicht zu bändigen. Sie würffen ihn aus dem Sattel /wenn er ihnen nur ein wenig den Zügel verhienge. Die Vernunfft wäre viel zu schwach sie zurücke zu halten. Denn sie wären eben so wol / als die wilden Thiere gegen ihre Beredungen taub. Sie würden wie die gekirrten Tiger / wenn man sichs am wenigsten versehe /wieder rasend; und dahero verließen sie niemals ihre böse Eigenschafft gar / durch eine die Tugend allein gut und vollkommen machende Mäßigung. Denn was böse von Natur wäre / hätte weder Maas noch Ziel. Das Feber / wie gelinde es wäre / das Haupt-Weh / ob es schon nur den halben Kopff einnehme / bliebe nichts desto weniger eine Kranckheit eben so wie die Schwachheiten des Gemüthes / nemlich die in etwas gemäßigten Regungen. Ja wer beyde nicht gar auszutilgen wüste / verstünde noch weniger selbte aufs rechte Gewichte zu legen. Asblaste hörte[1345] sie wol aus /fieng aber hierauf an: Meine liebste Erato / ihre Weisen kommen mir für / wie jener neue Gärtner / welcher / als er im Frühlinge seine Nachbarn ihre Weinberge behauen / ihre Bäume beschnöteln sahe / solches durch derselben gäntzliche Ausrottung noch zu verbessern vermeinte. Aber warumb schleiffen die Steinschneider von denen rauen Diamanten nicht alle Flecken weg? Lassen sie nicht mehrmals einer unreinen Ader Uberbleibung daran; ehe sie diesen köstlichen Stein gar zermalmen? Oder warumb zöpfet sie nicht vielmehr das Blut gar aus ihren Adern; wenn seine übermäßige Hitze Feber- und Seiten-Weh erreget; sondern nur den Uberfluß? Warumb schneiden die Sitten-Lehrer nicht der Keuschheit zu gefallen /wie die Elevsinischen Priester ihnen nicht gar die Geburts-Glieder ab? Warumb haben die Aertzte so gar aus Lämmern und Kälbern den Mangel unsers Geblütes zu erstatten durch eine in silbernen Röhren geschehende Eingießung erfunden? So gut und nöthig nun in dem Leibe das Blut ist; so gut und unentpehrlich sind auch in dem Gemüthe die Regungen; welche ohne dis mit dem Geblüte so sehr vermählet sind: daß sie selbtes wie der Monde das Meer bewegen / und darinnen ihre Siegs-Fahn anstecken /wenn Liebe / Zorn / Scham und Freude selbtes mit Gewalt ins Antlitz treibt; die Furcht es aber dem Hertzen zu Hülffe rufft. Die Regungen haben zwar keine vollkommene Güte / wie die Tugend; eben so wenig /als die andern Glieder dem Hertzen zu vergleichen sind. Sie haben aber ein so nöthig Ampt / als Hände und Füsse; und sind offtmahls so nützlich / als die Uberströmung des Nil und Nigers. Denn sie machen alle Kräfften der Vernunfft rege und lebhafft; also: daß die Menschen ohne die Gemüths-Regungen ein marmelnes Volck; und nicht viel lebhaffter / als die aus der Welt nach Rom versammleten Bilder; Unsere Seele aber ohne sie eine Fürstin ohne Befehlhaber und Diener seyn würde; welche aber weit über die Glieder und Sinnen gesätzt sind / und diesen zu gebieten haben: daß beym Verlangen des Guten / bey Abwendung des Bösen / das Gehöre und das Gesichte solche ausspüren / die euserlichen Glieder allenthalben handlangen müsten / weñ der verwegene Zorn auf die Feinde und Laster einen Ausfall thut / oder die Furcht die Pforten verschleußt; die von dem Verlangen und der Hoffnung wieder eröfnet werden; wormit Liebe und Freude in das Gemüthe ihren Einzug halte; in welchen letztern Regungen der Genüß der Tugend bestehet / als die in sich selbst ihre frohe Vergnügung findet / und in sich inbrünstiger / als ein Bräutigam in der ersten Hochzeit-Nacht in seine Braut verliebt ist. Diese Tugend hat selbst ihre Abfälle / wie die Sonne ihre Finsternüsse / die Freygebigkeit verfällt in Verschwendung / die Tapferkeit wird verwegen; ja die meisten Laster sind die Mißgeburten der lebhafftesten Tugenden. Solten diese destwegen verwerflich seyn? Solten die Tugenden destwegen durch die Vernunfft nicht in den Schrancken ihrer Mittel-Bahn erhalten werden können? Wir können ins gemein etwas nicht; weil wir uns desselbten Unmögligkeit frühzeitig einbilden? Nach dem wir uns in unsere Schwachheiten verlieben / reden wir ihnen das Wort; und wormit wir uns derselben nicht entschütten können / entschuldigen wir sie. Denn wie keine Kranckheit gefunden wird / für welche die Natur nicht habe eine Artzney wachsen lassen; also ist kein Gemüths-Gebrechen /welchen zu überwünden sie uns nicht Kräfften genung gegeben hätte. Die tugendhaffte Thußnelde brach allhier mit einer ehrerbietigen Bescheidenheit derogestalt ein: Sie wäre zwar in der Weißheit[1346] so seichte beschlagen: daß ihr das stillschweigende Zuhören anständiger wäre / als durch vorwitzige Einmischung in diesen Zwist ihre Unwissenheit zu verrathen. Gleich wol aber hielte sie / ihrer Einfalt nach / nicht für so schwer beyde streitende Meinungen dardurch zu vereinbaren; wenn man die Regungen für Mittel-Dinge annehme / welche an sich selbst weder böse noch gut / sondern dem veränderlichen Thiere Cameleon zu vergleichen wären / welches auf den Kräutern grün /auf Scharlach roth / in der Lufft blau aussehe; ja alle Farben seines Behältnüsses in einem Augenblicke annehme. Denn eben diese Gewalt einer geschwinden Verwandelung schiene der Wille über solche Regungen zu haben; welcher ihnen nichts minder die Eigenschafft der Tugend und des Lasters / als ein Bildhauer seinem Marmel ein Gesichte einer Eule / als einer Helena einpregen könte. Daher weñ auch diese Regungen für sich selbst / und nicht allererst nach der bösen oder guten Anleitung des menschlichen Willens für böse oder gut geurtheilt werden solten; würde man auch nicht alleine dis / was uns wider unsern Willen träumet / loben oder schelten / sondern auch die Wölffe und Raub-Vögel aufhencken / die Löwen mit Lorbern / die Turtel-Tauben mit Rosen / die für ihren Weiser kämpfende Bienen mit Eichen-Laube kräntzen müßen. Die Königin Erato würde ihr hierinnen vielleicht so viel mehr Beyfall geben; weil sie zu Rom einmahl von einem Nachfolger des Zeno gehört zu haben sich erinnerte: daß sie alle euserliche Güter der Gestalt / der Stärcke / des Vermögens / für ebenmäßige Mittel-Dinge und für einen Werckzeug nichts minder der Tugend als Laster / und also weder für herrlich / noch für scheltbar hielten. Zwischen diesen Gütern / und denen innerlichen Regungen aber wäre /ihrer guten oder bösen Anwehrung nach / kein Unterscheid / sondern selbten machte allein der Gebrauch und der Mißbrauch. Sie wären beyde eine ungefärbte Wolle / welche Tinte und Schnecken-Blut an sich zu ziehen fähig wären; also: daß der Zorn eben so wol eine Scene der Tugend / einen Wetzstein der Tapfferkeit / als ein Fallbret der Grausamkeit; die Begierde einen Zunder der Wolthätigkeit / und ein tödtend Gifft der Wollust / die Furcht einen Leitstern der Klugheit /und ein Irrlicht der Zagheit abgäben / ja die Regungen ins gesampt den Lastern und Tugenden zu Waffen dieneten. Die weise Fürstin Asblaste hingegen würde diesen Regungen schwerlich einen Ehren-Stul in dem Reiche der Vernunfft einzuräumen verlangen / weil sie ihren Sitz und Herrschafft nur in den euserlichen Sinnen hätten; und daher auch den stummen Thieren gemein wären; welche doch so wenig von der Vernunfft erblickten / als die unter uns wohnenden und uns die Füsse zukehrenden Menschen von unserm Mittags-Lichte. Sie hätten für sich selbst weniger Licht als der Monde; wenn sie aber ja einigen Glantz bekämen / müsten sie es der Vernunfft / wie die andern Sternen der mittheilenden Sonne dancken; und ihre eigene Blindheit ließe sich den ersten den besten Leiter dahin führen / wohin er nur wolte. Alleine die Königin Erato antwortete: Thußneldens Meinung wäre zwar mäßiger als Asblastens / aber ihr Zeno würde sie noch schwerlich zur Vermittelung annehmen. Denn die euserlichen Güter hätten in sich selbst keinen so wilden Trieb als die Regungen; welche für sich selbst nicht nur blinde Führer / sondern auch schädliche Knechte der Vernunfft wären / die ihr nur zum Scheine gehorsamten: daß sie mit Gelegenheit über sie herrschen möchten. Sie wären geartet wie die Ströme / welche so viel grimmiger raseten / je enger man sie in ihren Ufern vertämmete: daß sie nicht überschlagen[1347] solten. Daher wäre es entweder eine grosse Unvollkommenheit / oder ein gefährlicher Zustand der Tugend; wenn sie diese unter sich selbst unverträgliche Regungen zu ihren Gehülffen annehmen müste. Sintemal ja die Furcht nicht mit dem Zorne /der Haß mit der Begierde / das Schrecken mit der Freude in stetem Kriege zu Felde läge. Die Vernunfft und die Tugend jagte sie zwar selbst gegen einander in Harnisch; umb ihre gewaltsame Herrschafft zu vertilgen. Sie brauchte sie / wie die Indianer Löwen und Tiger / nemlich mit selbten anderes Wild zu fangen. Und wenn sie eine gegen der andern auf die Wag-Schale legte / machte sie dardurch ein gleiches Gewichte; aber sie schämte sich gleichwol einige unter ihnen zu ihrer Beschirmerin aufzunehmen. Die Tapferkeit könte ohne Zorn überwinden und siegen; ja sie müste sich dieser Hitze entbrechen; wo sie sich nicht selbst stürtzen wolte. Denn der Zorn machte an den besten Fechtern Blößen; welche vorher die Kunst verdeckte. Und die stärcksten Riesen-Völcker wären mehrmals von denen Schwächsten überwältiget / oder auch der bereit erworbene Sieg ihnen aus den Händen gewunden worden / wenn sie sich aus Zorn übereilet hätten. Denn dieser wäre der rechte Nemeische Löwe / der Brut der sich ergießenden Galle / welchen alle tödten müsten; die mit dem Hercules den Ruhm grosser Helden erwerben wolten. Die Vernunfft wäre in sich schon so rege / die Tugend in ihr selbst so vollkommen: daß sie keine Spieß-Rute der Begierde zum Wolthun anfrischen / kein Kapzaum der Furcht von einiger Vergehung zurück halten dörffte. Die Regungen dienten freylich wol zu Waffen den Lastern / aber nicht der Maaß-liebenden Tugend. Denn man könte sie nicht / wie Schwerdt und Schild / seinem Belieben nach ergreiffen und weglegen. Die Vernunfft hingegen wäre ihr überflüßig genung zu nöthiger Beschirmung; welche allezeit in einem bliebe und tauerhafft wäre. Dahingegen der Zorn entweder wie die Drachen-Zähne unersättlich rasete; oder wie die Bienen nach der ersten Verwundung den Stachel verliere. Und mit einem Worte: der natürliche Trieb dieser Regungen neigte sich zum bösen / wie die Schwerde zum Bodem / wenn nicht die Vernunfft sie mit Gewalt zu was gutem nöthigte. Das Wesen aller Regungen bestünde entweder in einer Ubermaaß oder in einem Mangel; und hielten selbte niemahls das rechte Gewichte; also: daß die Vernunfft alle Augenblicke genung zu thun hätte auf ihrer Wag-Schale diese Ungleichheit zu verbessern. Alleine jene Güte wäre kein Gold ohne Schlacke / und diese Ausgleichung bliebe doch immer etwas höckricht. Viel ein wenigers meinte die Fürstin Asblaste von ihrer Meinung fallen zu lassen. Daher führte sie an: Die Regungen verdienten zwar nicht den Sitz und den Ruhm der über alle Hoheit erhabenen Tugend; aber man müste sie zu keinem Fußschemmel machen. Sie wären zwar keine Geburt der edelsten Krafft in der menschlichen Seele / die über die lebende der Gewächse und die fühlende der Thiere noch etwas göttliches / nemlich die Vernunfft in sich begrieffe; aber sie wären keine Mißgeburt eines nur irrdischen Vermögens; also keines weges zu enträumen: daß sie bloß in denen euserlichen Sinnen ihren Sitz und Ursprung hätten. Die stummen Thiere fühlten (der Stoischen Weisen Meinung nach) in sich zwar einen blinden Trieb; denen Menschen aber käme Zorn / Liebe / Furcht und dergleichen nur eigentlich zu; und dis / was jene diesen nachzuthun schienen /wäre nur für einen Schatten zu halten. Weil nun aber diese mit keiner Vernunfft betheilet wären / gleichwol aber Krafft solcher nur unvollkommenen[1348] Neigungen nichts minder merckliche Nachahmungen vernünfftiger Schlüsse von sich blicken ließen / in dem sie bald nach der Geburt die gifftigen Kräuter von den gesunden auszuschälen; den Schatten ihrer Feinde zu fliehen; die Bienen so ordentlich eingetheilte Gemächer /die Spinnen so künstliche Netze / die Papegoyen so vorsichtige Nester zu bauen wüsten; ja die Hunde durch ihre bewehrte Treue Masanißens Leibwache zu werden; die Störche durch Anfachselung ihrer schwachen Eltern den Ruhm des danckbaren Eneas; die Tauben durch ihre betrübte Einsamkeit das Lob einer Artemisie verdienten; so könte man so viel weniger denen natürlichen Regungen / welche doch in diesen Thieren nur unvollkommen seyn solten / ihren Preiß gar absprechen. Das Haupt wäre freylich wol das Schloß der Vernunfft / und der Sitz der Klugheit; aber das Hertze / darinnen alle Regungen walleten / hätte gleichwol auch kein geringes Theil an rühmlichen Entschlüßungen. Unser Leben würde ein rechtes Eben-Bild des todten Meeres abgeben / und wie dis sonder Bewegung und Fische / also jenes ohne einiges Thun und Nutzen seyn / wenn uns die Gemüths-Regungen nicht von der erbärmlichen Schlaffsucht aufmunterten; ja das betrübte Leben uns verzuckerten; welches sonst eine unaufhörliche Betrachtung unsers Elendes seyn würde. Führte man doch eines Uberwünders herrlich aufgeputztes Pferd mit in dem Siegs-Gepränge auf; man behienge ein aus einer See-Schlacht rückkehrendes Siegs-Schiff mit köstlichen Tapeten; man stürtzte die Waffen der Helden in Tempeln auf; da doch diese nur Werckzeuge der Siegenden gewest wären. Warumb solte man denn die so edlen Regungen des Gemüthes; welche in sich selbst eine mehrere Lebhafftigkeit / mit der Vernunfft und Tugend auch eine nähere Verwandnüs hätten / so gar unter die Banck stossen? Zwar wäre nicht zu läugnen: daß selbte einen Menschen nichts minder in einen Affen zu verstellen / als in ihm einen Löwen vorzubilden vermöchten; sie wären aber des so heilsamen Mittelmaaßes und einer klugen Abtheilung allerdings fähig / und also ihrer Eigenschafft nach zur Vollkommenheit geschickter als zum Gebrechen. Die Natur brächte selten und keinmal vorsetzlich / sondern durch frembden Zufall und Hindernüs / oder Unvermögen / Kriepel und Zwerge ans Licht; was für Lust solte sie denn haben mit denen Regungen allezeit Mißgeburten des Gemüthes zu gebehren? Zu was Ende solte sie für den Leib so sorgfältig / für die Seele so unachtsam / oder vielmehr grausam seyn? da doch jener nur die Herberge / diese die Herrscherin in dem Menschen wäre. Die Tugend hätte zwar in sich ihre Lebhafftigkeit und Vollkommenheit / wie die Sonne; aber beyde müsten etwas haben außer sich / in welchem sie ihre Würckungen auslassen könten; wo man sie nicht zu einer unbeseelten Seule sonder Armen und Füsse zu einer müßigen Fliegen-Fängerin machen; oder ihre Würckung nur in Träume und Einbildungen verwandeln wolte. Denn GOtt alleine wäre ein Kreiß der Vollkommenheit; welcher in sich alles begrieffe / und alles dessen / was außer ihm / ohne Abgang entpehren könte. Diesemnach die Vernunfft eben so sehr die theils zu hefftigen / theils zu todten Neigungen des Willens zu Erreichung des in der Tugend allein befindlichen Mittelpuncts / als der Leib eine gewisse Abtheilung der Schwerde und Leichtigkeit / desselben Gesundheit eine richtige Vermischung der Wärmbde und Kälte / die Welt theils Feuer und Lufft / theils Erde und Wasser / und die Jahres-Zeit nichts minder hitzigen Sonnen-Schein / als kühlende Regen / Winde und Schnee zu Erlangung ihres rechten Maasses bedörfften. Ja diese Neigungen liessen nicht[1349] nur in sich die Vernunfft würcken / sondern sie selbst legten mit Hand an das Werck / und beförderten die Geburt der Tugend / nichts minder / als die andern Gestirne nebst der Sonne / die Fruchtbarkeit der Erde. Sie eigneten denen Tugenden einen herrlichen Nachdruck / wie das Haus des gestirnten Löwen /oder der Hundsstern / der Sonnen-Hitze eine mehrere Krafft zu. Sintemal die Tugendẽ so wenig / als die Sternẽ alle einerley Grösse oder Glantz hätten; und ihr Mittel-Maaß eben so wenig verhinderte: daß eine Tugend die andere absteche; als daß unter zweyen Diamanten einer Grösse dieser von jenem verdüstert würde. Aus diesem Ursprunge rührten die ungemeinen Helden-Thaten / weil die Begierde der Ehren die Unmögligkeit gleichsam bemeistern lehrte; und die Eiversucht über frembden Gedächtnüß-Säulen auch in gefrornen Gemüthern den Schwefel der Großmüthigkeit brennend machte. Die Liebe wäre nicht nur ein Leit-Stern der Weißheit / sondern eine Erfinderin vieler Wissenschaften. Die Begierde und Hoffnung habe die Einöden bewohnet / die Meere wegbar / die Winde zahm / alle Arbeit leichte / die Erde fruchtbar /die Welt schön / das Leben behäglich gemacht. Der Zorn und die Furcht dienten der Tugend für eine Leibwache / ohne welche sie iedermann zur Eule machen /und als einen Bovist oder Erd-Schwa mit Füssen treten würde. Ja wenn sie sich aller dieser natürlichen Waffen und Kräffte enteuserte / wäre der Mensch ein helffenbeinern Bild ohne Fühlt / die Tugend aber bey nahe selbst eine Ohnmacht der Seele / und eine Entfallung aller innerlichen Gemüths-Kräfften. Mit einem Worte: Diese Neigungen wären wilde Stämme / welche für sich selbst dienliche iedoch etwas rauhe und herbe Früchte trügen. Wenn aber die Vernunfft auf selbte die Zweige der Tugend pfropfte; würden die Früchte mehr / als hundertfach verbessert. Endlich diente zu Behauptung ihrer Meynung dieser unwiderlegliche Satz: daß Gott / welches doch die unbegreiffliche Grund-Säule / und der Mittel-Punct der Natur /auf welcher alles erschaffene ruhete / ja alles in sich selbst in höchster Vollkommenheit / und derogestalt wie auser aller Veränderungen / also auch ohne unsere Gemüths-Regungen wäre / dennoch durch seine / allgemeine Macht alle Wercke unserer Neigungen / wiewohl sonder die mindeste Bewegung auszuüben sich nicht enteuserte / wenn er die Frommen mit den Fittigen seiner Barmhertzigkeit deckte / über den Fehltritten der Irrenden Mitleiden hätte / für die ihn liebenden Wache hielte / denen Schlangen das Gifft / dem Feuer die Gewalt zu brennen benähme / den Winden einen Zaum / und den Wellen ein Gebiß anlegte; und wenn für seiner gegen die Bösen ausbrechenden Rache /und der in den Wolcken krachenden Donner-Stimme die Zedern sich splitterten / die Gebürge rauchten /die Erde bebte / und die Felsen sich zermalmeten.

Diese Rede beseelte sie mit so beweglicher Geberdung / und die ihr aus den Augen blickende Andacht gab ihren Gründen einen so wichtigen Nachdruck: daß niemand unter der Versa lung ihr einiges Wort mehr entgegen zu setzen sich erkühnte. Die das Ebentheuer ihrer Dahinkunft zu erfahren höchst-begierige Thußnelde aber gab durch ihre Nachfrage / wie viel Jahre sie in dieser andern Schule hätte aushalten müssen? gleichwohl zum Verfolg ihrer Erzehlung Anlaß. Diesemnach denn Asblaste aufs freundlichste nachtrug: Man hätte in derselben zwar nur die einige Kunst der Mässigung zu begreiffen / und nichts zu lernen / als daß man die schrecklichen Dinge nicht fürchtete / in die annehmlichen sich nicht zu sehr verliebte / und also zwischen einer wilden Unart und der Verzärtelung das rechte Mittel treffe; als wordurch ein Mensch mit sich selbst einen vollkommenen Friede stiftete / und die Ruhe des Gemüthes den einigen Ancker der Glückseligkeit[1350] befestigte. Gleichwohl würde für fünf Jahren hier niemand erlassen und loßgesagt. Daher sie denn auch so viel Zeit darinnen angewehret / wiewohl sie bekennen müste: daß der vollkommenste Mensch sein Lebtage über Erlernung dieser einigen Tugend genung zu thun hätte / welche so sehr viel in sich begrieffe / und ein so weites Gebiete als die Klugheit hätte; denn ob sie zwar eigentlich von andern Tugenden noch unterschieden / dennoch gleichsam aller übrigen Seele wäre. Sintemal wie keine Tieffsinnigkeit das Buch der Natur seiner unzehlbaren Geheimnüsse halber auszugrübeln vermöchte; also wäre das Gemüthe des Menschen ein Meer voller Krümmen / Klippen / Sandbäncke und Strudeln: daß kein Weiser noch darüber eine richtige See-Karte gefertiget; kein Bleymaß seine Tieffen er gründet / kein Mensch mit dem Kompasse seiner Klugheit alle Verirr- oder Vergehungen zu vermeiden vermocht hätte.

Dieser meiner Unvollkommenheit ungeachtet / fuhr die weise Asblaste fort / versetzte man mich wider meinen Willen in die dritte Schule; darinnen einem die tieffsten Geheimnüsse entdecket werdẽ; theils wie Gott / welcher doch aus der Natur nur unvollkommen und als ein Schatten erkennet wird / sich selbst viel heller offenbaret habe; theils wie der Mensch zur Wissenschafft künftiger Dinge gelangen könne. Von beyden etwas gemein zu machen wird der Anwesenden hohe Bescheidenheit nichts verlangen / welche wohl wissen: daß mir und meines gleichen die Lippen durch ein Siegel angelobter Verschwiegenheit verschlossen sind; welche man unsers Heiligthums Verfassungen so viel weniger verargen kan / weil auch die Natur ihr bestes Ertzt in die Tieffen der Berge /ihre Perlen in den Abgrund des Meeres verbirgt / und der Himmel seine wenigste Sternen / Gott aber selbst sich niemals sehen läst. So haben auch die Egyptier von denen Göttlichen Geheimnüssen in einer ungemeinen Sprache / oder nur durch Rätzel geredet. Sie haben zu derselben Verbergung eine absondere Schrifft aus seltzam-gestellten Vögeln / Schlangen und andern Thieren erfunden / und darmit ihre kostbare Tempel und Spitz-Säulen bemahlet / hierdurch aber mehr des Volckes gespottet / als die Einfalt unterwiesen; wie sie denn auch solches selbst zu bedeuten für ihre Heiligthümer das unauslegliche Wunder-Bild setzen; welches vorwerts einen Löwen / übrigens einen Menschen mit Greiffen-Flügeln und Adlers-Klauen fürbildete; und über ihre Isis schrieben: daß kein Sterblicher ihr den Schleyer noch nicht aufgedeckt hätte. Eben so haben die Griechẽ diese Geheimnüsse hinter den Schatten der Getichte versteckt; Pythagoras nur die Schalen seiner Wissenschafftẽ denẽ Lehrlingẽ fürgeworffen / den Kern für sich behalten /Orpheus diese Weißheit mit dem Klange seiner Seiten verhüllet / und von denen / welchen er was offenbaret / einen Eyd solches mit ins Grab zu nehmen abgeheischen. Plato hat in seinen Gesprächen durch Verblümungen seine Gedancken verwirrt; daß sie weniger zu verstehen sind / als wenn er sie auff tausend von den Winden durch einander gewehete Blätter verzeichnet hätte. Aristoteles lehrte bey fest verschlossener Thüre / und bedeckte alle Schlüsse gleich als wie mit einem Nebel. Ja alle Weisen / weñ sie von dem Göttlichen Erkentnüß ihre Gedancken eröffnen sollen / machẽ es / wie derselbe Meerfisch / der / wenn er die Nachstellung einigen Netzes mercket / mit einer von sich gelassenen Tinte das Wasser trübet. Was für Wunder wird nicht von denen Wahrsagungen der Sibyllen zu Rom gemacht / in welche niemand / als der oberste Priester sehen darff? Wie viel hat eine kluge Frau für den Augen des Numa verbrennet; und der Käyser August nach der Zeit sie schier gar aus den Händen der Welt gerissen? Ich versichere sie aber: daß alles dis /was in diesen Blättern / und in den[1351] Steinen der Egyptier / als den Büchern der ersten Welt / aufgeschrieben stehet / nur Hülsen sind gegen dem / was die Alironischen Frauen in denen bürckenen Rinden aufgezeichnet bey sich verwahren / und von einer Jüdin bekommen haben. Welche Geheimnüsse zu entdecken so gefährlich ist: daß Theopompus wahnsinnig / Theodectes blind worden; als er sie in Griechischer Sprache Frembden kund zu machen sich erkühnet. Was der künfftigen Dinge Vorbewust anreichet / weiß ich zwar wol: daß einige selbten als einen bloßen Traum der Thoren / oder als einen Betrug der Arglistigen schlechter dings verwerffen. Ich habe zu Rom auch gehört: daß Cato sich verwundert habe: wie zwey Wahrsager einander ohne Lachen auf der Straße begegnen könten; weil beyde wol verstünden; wie ihr gantzes Ampt nichts anders wäre / als die gantze Welt zu Narren haben. Ich vertheidige auch nicht die Telchinen auf Rhodus; welchen ihre redende Marmel-Bilder weissagten; die Dactyler auf Creta / welche aus Schmiedung des Eisens künfftig Ding zu wissen vermeinten / noch die Thuscanischen Vogel-Aufseher /die aus frembder Leber mehr / als aus eigenem Gehirne verstehen wolten. Wer wolte aber glauben: daß die Natur so viel Thiere mit der Wissenschafft künfftigen Gewitters / bevorstehender Todes- und anderer Zufälle begabt / den Menschen aber nur dis / was ihm für den Füssen liegt / wissen zu lassen gewürdigt haben solte? Zwar ist allerdings irrig: daß einige die traurigen Feuchtigkeiten / andere die von der Sonne aus der Erde gezogene Dünste / ihrer viel eine feste Einbildung / oder das Eingeben der Geister zur Mutter der Wahrsagungen machen; und ich halte bey unsern Deutschen ebenfals für eine zauberische Bländung /wenn ein ungeheures Gespenste durch einen Löwen-Adler- und Nacht-Eulen-Kopff wahrsagte; als wenn anderwerts ein aus Ertzt gegossenes Bild auf alle Fragen bescheidentlich geantwortet hätte. Alleine es hätte der Mensch in sich Funcken eines himmlischen Wesens / von welchen nicht zu verwundern ist: daß derselben weise Anwehrung ihm auch ein Licht der künfftigen Zeit anstecken kan; nach dem Steine und Kräuter wegen des Einflusses aus den Sternen in sich auch so seltzame Würckungen haben. Wiewol der wahre Ursprung dieser Wissenschafft in der Einflößung des Verhängnüsses so wie des Thaues in dem fruchtbaren Kreisse des Monden steckt; und nicht jedermann sich dieser Gabe fähig machen kan; also die Alten gar tiefsinnig geurtheilet haben: daß die Wissenschafft künfftiger Dinge nur eine Eigenschafft der Weisen / und eine königliche Verrichtung sey. Wie unwürdig ich nun mich hierzu bekenne; so hat doch der barmhertzige Erbarmer dieses allen mich so ferne damit betheilet: daß ich nicht nur der Deutschen herrlichen Sieg gegen die Römer; sondern auch die Vermählung meines Sohnes mit der vollkommensten Fürstin der Welt für geraumer Zeit vorgesehen; und meinen Gespielen eröfnet habe. Hiermit zohe sie eine ertztene Taffel ziemlicher Größe unter ihrem Gewand herfür; in welche so wol ihre itzt erwähnte / als bereit für einem Jahre in dem Alironischen Heiligthume entdeckte Wahrsagung / als auch / wie Hertzog Herrmann noch viel gefährliche Kriege / Thußnelde mit ihrem Sohne / den sie nach neun Monden gebähren würde / die Gefangenschafft der Römer zu überstehen; jedoch alle ihre Betrübnüsse einen gewünschten Ausschlag zu erwarten hätten / tief eingeetzt stand. Diese Taffel übergab sie Thußnelden / und zugleich ein versiegeltes Buch / mit der Versicherung: daß alle ihre künfftige Zufälle darinnen haarklein verzeichnet wären. Dieses solte sie zu ihrem Gedächtnüsse aufheben; jedoch solches[1352] nirgends / als in der Stadt Artaxata zu öffnen ihr angeloben. Sintemal Gott iedem Menschen zwar die Klugheit auf das künftige zu sehen /nicht aber desselbten Vorbewust anzuvertrauen für rathsam geachtet hat; weil die guten Zufälle ihn allzu vermässen und sicher; die schlimmen aber allzu kleinmüthig machen dörften. Thußnelde nahm dieses seltzame Geschencke / wiewohl mit ein wenig Veränderung über denen ihr angedeuteten Begebnüssen / auss demüthigste an; und die Versa lung danckte mit grosser Ehrerbietung dieser weisen Fürstin für die Entdeckung ihrer so denckwürdigen Begebnüsse. Die übrige Zeit des Tages ward mit frölichern Gesprächen / und einem prächtigen Abend-Mahle in des Feldherrn Lusthause hingelegt.

Es war schon etliche Stunden in die Nacht; als diese ansehnliche Versa lung aus dem grossen Speise-Saale sich erhob. Wie nun ein iedes über einen breiten Gang sich in sein Zimmer verfügen wolte; öffnete sich das Burg-Thor mit grossem Geräusche; und das Licht vieler sich nähernden Fackeln erfüllte den gantzen Hof; beydes aber verursachte: daß die sä tliche Fürstliche Personen sich an das Gelender lehneten / diese Neuigkeit zu vernehmen. Diesen zeigten sich alsofort eine Anzahl gantz glatt geschorner Leibeigenen / derer ieder eine brennende Wachs-Kertze fürtrug. Diesen folgten zu Pferde etliche zwantzig theils Römisch / theils Scythisch / theils Morisch / und auf andere Art gekleidete und zu Pferde sitzende Frembdlinge; welche theils in Kru -Hörner von Auer Ochsen / oder aus Ertzt gegossen / bliessen; theils auf von gedrechseltem Holtze und mit Ochsen-Leder überzogene Paucken schlugen. Hierauf erschien auf einem zierlichen zweyrädrichten Wagen / den vier neben einander gespannte Pferde zohen / ein Herold / dessen Ampt und Meynung seine Merckmale also gleich entdeckten. Denn er hatte den mit zwey einander ansehenden Schlangen umbwundenen Stab / als das Friedens-Zeichen in der lincken; den Spieß aber in der schon zum Wurff gezückten Hand; über diß war sein Haupt mit keinem Blumen-Krantze bedeckt; sondern mit einem blutfärbichten Wollen-Tuche umbwunden. So bald dieser in die Mitte des Hofes kam / hielten nichts minder die Bläser und Paucker / als der Wagen stille; der Herold aber fieng an: Der Kern der Ritter aus den streitbarsten Völckern der Welt ist durch das Geschrey: daß ein deutscher Fürst die vollkommenste alles Frauenzimmers ihm zu vermählen sich erkühnt hätte; nach Deutschburg betagt / ich aber befehlicht worden / dich / Herrmann / Hertzog der Cherusker /und alle Deutschen / die dich einer solchen Fürstin würdig achten / auf morgen in den Kampfplatz zu fordern; da du entweder dem Uberwinder Thußnelden abtreten / oder durch deine Tugend die Würdigkeit sie zu besitzen erhärten sollst. Als er dreymal diese Worte wiederholet hatte / warff er seinen Spieß mit einer solchen Heftigkeit von sich: daß er in der Mauer stecken blieb. Er aber drehete mit seinem Aufzuge sich umb / und kehrte auf der Burg zurücke / der gantze Hof aber zur Ruhe.

Die Morgen-Röthe färbte mit ihren Blicken kaum die Wolcken und die oberste Spitze des Blocks-Berges; als man für der Burg und in allen Strassen schon durch allerhand Gethöne das Zeichen zu den Ritter-Spielen geben hörte. Der Schau-Platz war nicht allzu weit von dem Fürstlichen Schlosse auf einem flachen Felde zwischen einem annehmlichen Lust-Walde /und an einer rauschenden Bach / wormit man den innern Platz anwässern konte / erbauet. Diesen hatte Fürst Adgandester / welcher zu Rom nicht nur die Bau-Kunst / sondern auch die Römische Art der Schau- und Ritter-Spiele vollkommentlich begrieffen; nach dem Muster dessen / welches Käyser Julius auf dem Mars-Felde zu Rom aus Holtze erbaut hatte /nach dem[1353] das erstere des Curio vorher mit Erschlagung vieler tausend Menschen eingefallen war. Jedoch hatte Adgandester nach der Anleitung des steinernen Schau-Platzes den Statilius Taurus aus Tiburtinischen Werckstücken dem Käyser August zu Ehren aufgeführt / viel in seinem verbessert; insonderheit: daß es nicht kreiß-sondern zu mehrer Bequemligkeit der Zuschauer Ey-rund / auch von eitel zwey- und drey-grieffigen Eichbäumen / also viel fester als des Julius erbaut war. Sonst hatte es die Höhe wie dieses /und stiegen von denen innersten und fürnehmsten Sitzen / welche gegen dem Platze mit zierlichem Drate verwahrt / und in gemächliche Zimmer eingetheilt waren / dreissig um und um gehende Reyen Bäncke herauswerts empor / wormit auch die letztern alles unverhindert sehen konten. Diese konten funfzig tausend Menschen ohne Gedränge beherbergen. Der Schau-Platz hatte an denen zwey breiten Seiten zwey weite Thore gegen einander über / aber wohl zwölff Stiegen. Zu unterste waren Hölen / und darinnen viel wilde Thiere / welche man durch eiserne Fall-Gegitter aus und einlassen konte. Darüber waren gewisse Gemächer / welche sich auf den mitlern mit Sande bestreuten Platz heraus drehen; und durch derselben Zusammenfügung dem Schau-Platze die Gestalten eines Waldes / eines Feldes / einer Wiesen und andere geben; oder auch den Platz gar beströmen / und nicht nur mit Fischen und Wasser-Thieren / sondern auch mit Schiffen anfüllen kontẽ. Ja der innere gleiche Platz hatte in sich gewisse Hölen / welche zur Zeit alles / was sich darauf befand / in einem Augenblicke in sich zu verschlingen / und über sich wieder eine Fläche zuzuschlüssen / oder auch aus sich Feuer und Flammen auszuspeyen geschickt waren. Uber diß waren auch hin und wieder kleine Spring-Brunnen gemacht; welche durch verborgene Röhre zwar nicht wie zu Rom Balsam und zerlassenen Saffran; aber wohl frisches Brunn-Wasser theils zu Erfrischung des Schau-Platzes / theils zu Erquickung der durstigen Ringer und Zuschauer hervor sprützten. Wiewohl bey diesem Hochzeit-Feyer der sonst denen allzu üppigen Zärtligkeiten nicht holde Feldherr dem Fürsten Adgandester erlaubt hatte: daß durch gewisse Röhren von wohlrüchendem Rosen-Wasser ein sanfter Regen über den gantzen Schau-Platz abtröpfeln möchte. Die Fenster waren gleichfalls mit bund-seidenen Vorhängen für die Sonne beschattet; worzu die Beute aus dem Römischen Lager einen überflüssigen Vorrath herbey geschafft hatte.

Das Gethöne machte den Hof / die Stadt und die gantze Gegend nicht allein rege / sondern füllte in weniger Zeit den Schau-Platz derogestalt mit Zuschauern an: daß in selbtem kein Apfel zur Erde hätte fallen können; alle Treppen besetzt wurden / und ihrer gleichwohl noch viel keinen Raum fanden. Als die Grossen des Hofes ihre Sitze kaum eingenommen hatten / öffnete sich in dem untern Schau-Platze ein Thor; daraus kam auf einem blauen mit Sternen bestreueten Wagen das Geschrey in eine helle Posaune blasende / gefahren. Diesem folgten hundert Herolden mit allerhand Seitenspielen; und hierauf ein auf vier gantz niedrige Räder gesetzter viereckichter Grund-Fuß mit einem Absatze / darauf die Hoffnung in einem blauen mit grünenden Oel-Zweigen bestreuten Rocke stand / mit der lincken Hand sich auf einen Ancker lehnete / in der rechten eine Lilge / auf dem Haupte auch einen Krantz von solchen der Hoffnung gewiedmeten Blumen und Blüthen als Vorbothen künftiger Früchte hatte / und von vier Luchsen / welche mit ihrer Scharffsichtigkeit denen Hoffenden nicht unehnlich sind / fortgezogen ward. Hierauf brachten vier schwartze Pferde einen sechsrädrichten Wagen geführt / auf welcher die Beständigkeit in einem mit unausleschlichen Sternen geblümten[1354] Rocke saß; und für ihr eine Seule ziemlicher Grösse liegen hatte. Nach diesem erschien auf einem vergoldeten von vier weissen Pferden gezogenen Wagen der Sieg / in der Hand einen Oel-Zweig / auf dem Haupte einen Lorber-Krantz haltend; Auf der rechten Achsel saß ein Habicht / auf der lincken eine Nacht-Eule; für ihr lag eine güldene Krone. Zuletzt erschien ein grosser länglicht-rundter von zwey Löwen gezogener Wagen; darauf standen die Tapfferkeit / die Gedult / die Gerechtigkeit mit der Keuschheit / und trugen ein goldenes Bild der Fürstin Thußnelde auf den Armen. Dieser Aufzug machte in dem Platze einen länglichten Kreiß; die Säiten-Spieler aber vertheilten sich in die ihnen zugeeignete Sitze. Wie nun diese mit ihrem anmuthigen Klange voriges Kriegs-Gethöne ablöseten /kamen aus vier Hölen acht ungeheure an lange Ketten mit einem Fusse geschmiedete Cyclopen herfür; welche gegen der Hoffnung sich bis zur Erde neigten; hernach einen seltzamen Riesen-Tantz anfiengen; darinnen sie das Schwirren ihrer Fessel nach dem Klange der Säiten artlich bequemeten; und nach dem die Hoffnung mit einem einigen Streiche sie alle / als sie für ihr niederknieten / ihrer Ketten erledigte / namen sie immer zwey und zwey wechsels-weise auf die Armen; und hieben nach einem ziemlichen Herumbtantzen sie auf einen in dem untersten Gestüle gesetzten Stul empor. Zuletzt faßten sie den Fuß-Bodem /darauf die Hoffnung gestanden hatte / und sätzten ihn mit ungemeiner Geschickligkeit recht in dem Mittel des Schauplatzesfeste. Als diese Riesen in einem Augenblicke sich verlohren / weltzte sich die auf dem Wagen der Beständigkeit liegende Seule herab / richtete sich von sich selbst auf; und nach dem sie umb den befestigten Bodem-Fuß einmal herumb kommen war / wurden die zwölf in dem innersten Schauplatze stehenden Seulen / auf denen die Bilder der zwölf Cheruskischen Feld-Herrn standen / rege; stellten auch durch eine künstliche Verwirrung / in welcher die erstere Seule bey jedem Schlusse stets in die Mitte kam / den allerzierlichsten Tantz für. Endlich armten sich diese Bilder mit der Seule / hoben sie auf den Bodem-Fuß der Hoffnung / und fügte sich jedes wieder an seine erste Stelle; allwo sich ihre vorige Geschickligkeit wieder in unregsame Höltzer verwandelte. Diese aber löseten ab sechs von den Spitzen des Schauplatzes herab schüßende Adler; welche anfangs umb den Wagen des Sieges fliegende zierliche Kreisse machten / hernach umb die aufgerichtete Seule gegen einander einen annehmlichen Lust-Kampff hielten; Zuletzt aber alle ins gesampt die auf dem Wagen des Sieges stehende Krone empor hoben / und nach dem sie mit selbter den gantzen Schauplatz umbflogen / sie auf die erhobene Seule feste sätzten. Endlich kamen zwölf geflügelte Winde aus der Höhe in den Schauplatz / welche nach dem bald linden / bald stärckerem Gethöne der Säiten-Spiele und Krumm-Hörner aufs zierlichste durch einander tantzten / und so wol mit ihrer Bewegung / als dem Geräusche der Flügel die Eigenschafften der Winde artlich fürstellten; zuletzt das Bild der Fürstin Thußnelde aus den Händen der vier Tugenden empfiengen / mit selbtem empor flohen / und es auf die gekrönte Seule sätzten. Wormit denn so wol diese Winde / als alles andere von diesem Aufzuge / außer der Seule / im Augenblicke mit einem grossen Geräusche verschwand.

Alsofort öfnete sich das eine grosse Thor des Schauplatzes; durch welches der des Abends vorher in der Burg geweste Herold herein fuhr. Diesen folgten fünf Geschwader Römisch gekleidete Reiter / jede dreißig Pferde starck / allesampt Deutsche von Adel mit so viel Führern; welche alle von tapffern Thaten berühmte Ritter waren; nemlich Löwenrod /Kranchsfeld / Lobdiburg / Hohenwart / Spiegelberg /[1355] Eisenburg / Daun / Gleißberg / Dorgau / Woldenburg / Kolditz / Hatzfeld / Brauneck / Hardeck / Mühlberg / Flevsheim / Schlieben / Streithorst / Landsberg /Binau / Wolffskehl / Kronberg / Hirschhorn / Waltenstein / Stübenberg / Hohenack / Stöffel / Biberstein /Freudenberg und Glachau; ihr Oberster aber war der Graf zu Steinfurt. Sie hatten alle kohlschwartze Pferde mit gelben Sitz-Decken an statt der Sättel; die Führer aber weisse mit blauen. Alle waren gleichsam in schopfichte von Leder gemachte Pantzer eingenehet. An der Seite hatten sie einen langen Degen / in der rechten Hand einen langen Spieß / einen Bogen auf dem Rücken / in dem Köcher drey Pfeile; auf dem Haupte einen Helm / und darauff blau und gelbe Strauß-Federn eines Ellenbogens hoch / welches diese Reiter so viel ansehnlicher machte. Dieser Reiterey folgten zehn Fahnen zu Fusse / iedes vierhundert und zwantzig Mann starck; diese bestanden an drey Geschwadern leichten Knechten / welche mit einem kurtzen Spanischen Degẽ an der rechtẽ Seite / 7. Wurff-Spiessen / und einem rundten von Leder überzogenen drey Fuß langen Schilde gerüstet waren; an so viel jungen starcken Picken-Trägern / wie nichts minder so vielen mit grossen zweyschneidenden Schwerdtern / wie auch vier Fuß lang- und drittehalb breiten Schilden gewaffneten Männern; und sechzig alten grauen Kriegs-Leuten; welche nebst ihren Degen mit dreyzanckichten Spiessen zum Hinterhalt ausgerüstet waren. Das erste Fahn hatte den güldenen Adler / das andere einen Minotaurus / das dritte eine Welt-Kugel / das vierdte einen Drachen / das fünfte ein Schwein /das sechste eine Schlange / das siebende einen Wolff /das achte einen Elefanten / das neunte einen Sphynx /das zehnde einen Wieder zum Kriegs-Zeichẽ; und in diese bey den Römern hochheilige Merckmale war auf einer Seite des Käysers August / auf der andern Seite des Tiberius Nahmen mit Golde gemahlet; sie auch selbst mit Perlen und Edelgesteinen behenckt. Die Fähnriche waren alle mit Löwen-Häuten überdeckt. Für dem ersten Fahne ritt in Käyserlichem Schmucke unter dem Nahmen des Tiberius der Catten Hertzog Arpus. Alle diese Kriegsleute waren deutsche Ritter oder Edelleute. Die vier Obersten waren Hertzog Melo / Siegemer / Catumer / und Siegesmund / Segesthens Sohn. Uber den güldenen Adler war gesetzt der Graf von der Marck. Die dreissig Hauptleute waren die Grafen von Ebersberg / Winßenburg / Abenspurg / Hohenwarth / Castell / Rheineck /Schwartzburg / Beuchlingen / Stolberg / Leißneck /Orlemund / Retz / Phirdt / Sonnenburg / Helffenstein / Leiningen / Hanau / Löwenstein / Mondfurth /Hirßberg / Zimbern / Scheiern / Lechsmund / Urach /Kyburg / Veringen / Kalb / Pfauenburg / Sarwerden und Acheln. Gleicher gestalt waren alle sechzig älteste Kriegsleute des erstern Fahnes Ritter; und zwar unter selbten Breuberg / Burcksdorff / Rodemach /Rolingen / Schellenberg / Ratzenhaus / Zetlitz / Hohenburg / Bickenbach / Ehenheym / Nostitz / Erbach /Grunbach / Hohenhewen / Wolfartshausen / Radenburg / Schönberg / Falckstein / Seidlitz. Ihre Waffen waren alle vergüldet / und ihre Kleider Purper-roth und weiß. Nach diesen Fuß-Völckern kamen abermals fünf Geschwader Reiterey; eben so wie die ersten gewaffnet / aber mit stählernen Pantzer-Hembden und vergüldeten Helmen; darauf Regenbogenfärbichte Strauß-Federn flatterten / ausgerüstet. Sie waren alle Deutsche von Adel / ihre dreissig Führer Ritter / nemlich Brandiß / Hohenstauffen / Kwerfurth / Malzan /Eynenberg / Thrunberg / Neuenburg / Firneberg /Arnstein / Thöring / Gerßdorff / Waldensteyn / Arburg / Rode / Rothal / Greiffenklau / Schweinitz / Kobern / Weißbach / Stosch / Birckenfels / Borschnitz /Malditz / Kitlitz / Katzau / Mörsberg / Neuhaus /Seeburg / Franckenberg und Daun. Ihr Oberster war ein Graf von Nassau. Der ersten[1356] Reiterey Kriegs-Zeichen war ein Kranch / der andern ein Schwan: jenen beobachtete der Graf von Ortenburg / diesen der Graf von der Lippe. Dieses gantze Kriegs-Volck zohe umb die aufgerichtete Seule / und neigte seine Waffen für dem Bilde Thußneldens. Hernach stellte es sich in die Breite nach der Länge des Schauplatzes in Schlacht-Ordnung; also: daß auf jeder Seite fünf Geschwader Reiterey das Fuß-Volck bedeckte. Von diesem aber wurden die Piquen-Träger in zehn Hauffen abgetheilt; und in das erste / die eben so starcken und derogestalt abgetheilten Schwerdt-Fechter in das andere Treffen; und endlich der Kern der sechs-hundert erfahrnen Kriegs-Helden in Hinterhalt gestellet; für denen in der Mitte Tiberius und bey ihm der güldene Adler sich befand. Die zwölf-hundert Mann des leichten Fuß-Volckes aber wurden für alle drey Ordnungen zum ersten Anfalle eingetheilet.

Diese Römische Macht war kaum in ihren Stand kommen; als das andere grosse Thor mit Gewalt aufgieng / und über hundert halbnackte Deutschen / welche mit ihrem Blasen in eitel Auer-Ochsen-Hörner ein erschreckliches Gethöne erregten / voran in den Schauplatz traten. Sie waren aber nur Vorboten hundert und funfzig deutscher in fünf Geschwader vertheilter Reiter / alle mit Luchs-Augen bedeckte / mit einem höltzernen Schilde / kurtzem Schwerdte / Lantzen und Wurff-Spießen gewaffnete deutsche Edel-Leute. Ihre dreißig Führer waren die Grafen von Andechs / Hoye / Arnsberg / Bentheim / Gretsch / Mansfeld / Schwartzburg / Ufheim / Rethel / Stirum / Weissenfels / Gleichen / Rochlitz / Hohen-Zollern / Stolberg / Eberstein; und die Ritter Rappelstein / Epstein / Ellersbach / Rüxingen / Freyberg / Hohberg / Thennesberg / Giech / Warnsdorf / Braun-Eltz / Mühlheim / Bebran / Altenstein. Ihr Oberster war Hertzog Ganasch; Ihr Fahn oder Kriegs-Zeichen war ein wilder Eber. Alle diese Führer waren mit Bären-Häuten; der Hertzog aber mit einer Löwen-Haut bedecket. Die Reiterey hatte eitel braune Pferde; die Führer aber Blauschi el. Hierauf folgten zehn Fahnen Fuß-Volck zu hundert und zwantzig Mann. Sie waren fast wie die Römer gewafnet; ihre Rüstung aber waren eitel Wolfs-Häute / und schmale / flache / aus Rinde oder Wieten geflochtene Schilde in Mannes-Länge. Das fürnehmste Kriegs-Zeichen / welches der Graf von Hanau führte / war ein Pferd / das andere ein Bär /das dritte ein Luchs / das vierdte ein Tiger-Thier / das fünffte ein Habicht / das sechste eine Eule / das siebende ein wilder Mann / das achte ein Löw / das neundte ein Biber / das zehnde ein Wallfisch. Alle waren deutsche Ritter oder Edelleute. Ihre dreißig Hauptleute / der Graf von Ascanien / Egmont / Horn /Zweybrücken / Henneberg / Barby / Werthheim / Hohenloh / Fürstenberg / Catten Ellenbogen / Waldeck /Veldentz / Lützelstein / Spanheim / Schaumberg /Wasserburg / Burghausen / Diffalden / Lechsmund /Stalberg / Vochburg / Kyburg / Scherding / Stöfling /Weissenhorn / Dornberg / Freyburg / Thassel / Teckelnburg und Senisheim. Alle diese hatten umb sich Löwen-Häute / und auf dem Haupte an statt des Helmes einen Kopff eines grausamen Thieres aus Ertzte gebildet. Uber dis waren zu Unter-Befehlhabern bestellet der Ritter Waringrode / Schaff / Hahnburg /Plessau / Schlieben / Gerau / Tauttenberg / Promnitz /Wildenfels / Warberg / Reibnitz / Weinsberg /Schwerin / Schönach / Logau / Ehrenfels / Sack / Bickenbach / Riet-Esel / Rabenstein / Kammerau / Nothafft / Stössel / Seckendorff / Rothenhahn / Ichtritz /Biberstein / Mühlheim / Lestwitz / Eisenburg / Bodman / Buchwald / Tschirnhauß / Rainer / Littwitz /Breitenstein / Hagen / Schelking / Frauenstein / Künring / Braun / Welward /[1357] Ingelheim / Zelcking / Fürwangen / Waldau / Best / Lierheym / Pritwitz / Rosenberg / Schweinichen / Gelhorn / Ringenberg /Bock / Allendorff / Unruh / Eltershofen / Haubitz /Schellendorff und Schwanberg. Diese waren bekleidet mit Bären-Häuten. Der Feldherr aber war Hertzog Herrmann mit einer Löwen-Haut und Keule wie Hercules ausgerüstet. Seine vier Obersten waren Hertzog Flavius / Henrich ein Hertzog der Marsinger / Woldemar ein Fürst der Cimbern / und Leithold ein Graf von Habspurg; welche sich alle mit Panther-Häuten bedeckt; und mit Löwen-Köpffen an statt der Helme verwahrt hatten. Hierauf beschlossen endlich den Einzug fünf Geschwader Reiterey / alle mit Tiger-Häuten bedeckt; welche alle von Adel; ihre dreißig Führer aber die Grafen zu Cleve / Salm / Solms / Nellenburg / Bucheg / Salgans / Fürwangen / Weissenwolff /Hardeck / Forchtenstein / Haynburg / Lichtenstein /Windischgrätz / Sternberg / Moßburg; und die Ritter Wassener / Brederode / Nesselrode / Walsee / Falckenstein / Krenckingen / Zinzendorff / Leipe / Mutschelnitz / Eschenbach / Rohr / Planitz / Quad / Marwitz / Bernstein waren. Ihr Oberster war der Hermundurer Hertzog Jubil; welcher ebenfals mit einer Löwen-Haut bedeckt / und wie Hertzog Ganasch gerüstet war. Die zwey Kriegs-Zeichen der Reiterey waren ein Reiger / und ein Eis-Vogel; jenen beobachtete der Graf von Ravensberg / diesen der von Berg. Alle diese Kriegs-Leute neigten ebenmäßig ihre Waffen für Thußneldens Bildnüsse; und stellten in gleicher Abtheilung sich gegen die Römer in Schlacht-Ordnung; jedoch nicht nach der gemeinen Art viereckicht; sondern beyde standen wie zwey halbe Monden / theils wegen der Rundte / theils wegen der Enge des Schauplatzes gegen einander.

Hierauf verwandelte sich das bisherige Geräusche in eine Stille; da denn der Tiberius sich vier Ritter auf einem Schilde durch die Kriegs-Schaaren tragen ließ /und zur Tapfferkeit ermahnte / welche mit einem hellen Kriegs-Geschrey und Aufhebung ihrer gewafneten Hände ihn dessen versicherten. Der Feldherr Herrmann aber redete sein Volck von einem in der Eyl von Rasen aufgeworffenen Hügel an; welches durch Zusammen-Stoßung ihrer Schilde und Emporschwingung der Waffen seine behertzte Einwilligung zu verstehen gab.

Wie nun alsofort hierauf beyderseits durch das grausame Gethöne der Krumhörner / und durch Aufsteckung eines rothen Tuches das Zeichen zur Schlacht auf der Römer Seite das Glücke / auf der Deutschen / die Tugend zum Worte gegeben ward; so fieng das Treffen an beyden Hörnern der Reiterey an. Erstlich traffen fünff Ritter / als Führer eines an der Spitze stehenden Geschwaders / und hernach ihr Geschwader von fünf und zwantzig Edel-Leuten gegen einander mit Pfeilen. So bald sie sich auf die Seite zurück geschwenckt hatten; löseten sie allerseits zehn Führer mit zweyen Schachweise darhinter stehenden Geschwadern ab; und als auch diese sich zurück schwenckten; rückten die vier Obersten der Reiterey mit drey Geschwadern und ihren funfzehn Führern herfür; traf also Hertzog Ganasch itzt und allemal auf den Grafen von Steinfurth; und Hertzog Jubil auf den Grafen von Nassau. Nach der Zurückschwenckung dieser dreyen Geschwader / sätzten sich allenthalben alle sechs Hauffen neben einander; und giengen hierauf insgesampt auf einander spornstreichs loß. Bey ihrer Zurückschwenckung aber sätzten sie sich spitzig zu und schachweise hinter einander / wie sie von anfangs gestanden hatten. Bey welcher Vermengung nicht allein aus dem Unterscheide der Pferde und der Kleidung die gute Ordnung aller auf einander so genau treffender Glieder / sondern auch nicht ohne Verwunderung[1358] zu sehen war; wie in eines jeden kämpffenden Schilde zwey Pfeile steckten / und also /weil niemand gefehlet hatte / keiner auf dem Bodem gefallen war. Maßen denn auch alle Pfeile und Wurff-Spieße mit dessen Wappen / der sie brauchte / gezeichnet waren; wormit die Fehlenden hernach erkennet werden möchten. Unterdessen traf auch das Fuß-Volck; jedoch weil in diesem nicht jedermann / wie sonst der Kriegs-Brauch erfordert / für voll drey Schuh weit Platz umb sich hatte / nur nach und nach auf einander. Anfangs fielen zehn Hauffen leichtgerüsteter Kriegs-Leute / jeder viertzig Mann starck / einander mit leichten Wurff-Spießen an / welche ebenfals alle mit den Schilden aufgefangen wurden. Diese sätzten sich bey ihrer Zurückweichung in die Lücken zwischen die Piquen-Träger; die unterdeß gegen einander rückten; und mit ihren Lantzen einander zu durchbohren / oder die Ordnung zu durchbrechen trachteten. Wie sich denn auch ereignete: daß auf deutscher Seiten von dem Fahne des Luchses in die Römische Welt-Kugel / vom Tiger in Drachen / vom wilden Mañe in Wolff / und vom Löwen in Elefant / hingegen von Römischer Seiten vom Minotaur in den deutschen Bär / vom Schweine in Habicht / von der Schlange in die Nacht-Eule eingebrochen ward; die mittelsten Haupt-Fahnen des Pferdes und Adlers; ingleichen die eusersten des Bibers / gegen den Sphynx / und des Wallfisches gegen den Wieder /blieben aber in geschlossener Ordnung gegen einander stehen. Diesemnach denn die zwischen dem Luchs und wilden Manne stehenden leichten Schützen dem Habichte / die zwischen dem Pferde und Tiger dem Bären / die zwischen dem Löwen und dem Tiger der Nacht-Eule; hingegen auf Römischer Seite die zwischen dem Adler und der Sau der Welt-Kugel / zwischen dem Minotaur und der Schlange dem Drachen /zwischen dem Sphynx und der Sau dem Wolffe / zwischen der Schlange und dem Wieder dem nothleidenden Elefanten mit ihren Wurff-Spießen zu Hülffe eilen musten. Welches beyderseits mit einer so geschickten Geschwindigkeit geschach: daß sich alle Hauffen nicht nur ordentlich zusammen schlossen /sondern es rückten auch diese Piquen-Träger mit einer zierlichen Art zurücke / und die Schwerdt-Führer durch die leere Plätze neben ihnen herfür. Inzwischen gerieth die Reiterey mit voriger Abwechselung: daß anfangs fünf Führer mit einem Geschwader / hernach zehn mit zweyen / ferner der Oberste selbst und funfzehn Führer mit dreyen; endlich alle sechs in die Breite gesätzten Geschwader auf einander traffen. Das erste Treffen geschahe mit einem langen Wurff-Pfeile; darunter abermals nicht ein einiger fehlete; sondern jeder Schild einen Pfeil in sich stecken hatte. Das gesampte Treffen aber mit langen Lantzen; welche durch das erschreckliche Knacken und die Emporflügung der abspringenden Spitzen / nach dem gleichsam in einem Augenblicke dreyhundert und sechzig auf einmal gebrochen wurden / denen furchtsamen Zuschauern ein Schrecken / denen Behertzten aber eine ungemeine Lust erweckte. Worbey denn dis wundernswerth war: daß keiner unter den Streitenden aus dem bloß von gleichen Decken gemachten Sitze kam; nur allein verwundete Hertzog Ganasch des Grafen von Steinfurth / Graf Bentheim des Ritters Hohenwarts / hingegen Wolffskehl des Ritters Freybergs /und in dem andern Horne der Graf von Salm des von Hohenstauffen / und Wassenar des Rothals / hingegen Querfurt des Grafen von Solms Pferd so sehr: daß sie bey dem folgenden Treffen andere aus ihren Bey-Pferden erkiesen musten. Kolditz / Brauneck / Biberstein /Greiffenklau und Seeburg wurden auf Römischer /Arnsberg / Stirum / Rohr und Planitz auf deutscher Seiten / jedoch ohne Gefahr und Hindernüs fernerer Kriegs-Ubung verwundet /[1359] wundet. Eben so scharf gieng es bey dem Fuß-Volcke her. Denn die mit grossen Schwerdtern gerüsteten Helden liessen zwar die ihnen zugeordnete vierhundert leichte Schützen mit ihren Wurff-Spießen ihren Feind eben so wie anfangs reitzen. Wie diese sich aber zwischen ihre in drey Glieder geordnete zehn Hauffen sätzten / grieffen die ersten Glieder / und also zusammen vierhundert Mann einander mit denen Schwerdtern so grausam an: daß es schien: es würde der gröste Theil auf dem Schauplatze erblassen. Als auch die ersten Glieder abgemattet / traten die andern / und folgends die dritten mit einer ordentlichen Abwechselung an die erste Stelle. Die zwey Obersten Melo und Catumer auf Römischer / Flavius und Woldemar auf Deutscher Seiten / fochten auch selbst so scharf gegen einander; als wenn es um ihre Herrschafft zu thun wäre; welchen denn die beyderseits gegen einander stehenden zehn Hauptleute nichts nachgaben; Worüber der Graf von Abensberg /Stolberg / Löwenstein / Kyburg und Acheln jenseits /und disseits die Grafen von Barby / Ellenbogen /Burghausen / nebst vielen Rittern beyderseits ziemlich verwundet wurden; ungeachtet die Schwerdter mit Fleiß zu diesen bloßen Kriegs-Ubungen stumpff gemacht wurden. Gleichwol blieben aller Ortes die Glieder feste geschlossen / und alle zehn Hauffen in unversehrter Ordnung. Durch dieses Schwerdt-Gefechte ward die Reiterey an beyden Hörnern nun auch gleichsam aufgefrischt: daß sie zu ihren Degen grief; und erstlich das eine in der Spitze stehende / hernach die zwey andern / ferner die drey letzten / und endlich alle sechs Geschwader mit ihren Obersten und Führern in ein heftiges Gefechte verfielen. Gleicher gestalt rückten die Feldherren und die vier Obersten /nemlich Hertzog Segimer und Siegesmund Römischer / und der Marsinger und Cimbern Hertzog Deutscher Seiten / wie auch zwantzig Gräfliche Hauptleute mit dem Kerne der sechshundert erfahrner Kriegs-Helden an die Spitze. Es scheinet unglaublich zu seyn: daß in einer Kriegs-Ergetzung solcher Ernst und Heftigkeit sonder grosses Blut Bad angewehret werden könne; als diese in zehn Hauffen abgetheilte Ritter anfangs mit ihren dreyzanckichten und viereckichten Spiessen / hernach mit ihren Degen bezeugten. Wie es denn auch ohne gefährliche Beschädigung nicht abgegangen wäre / wenn die Geschickligkeit dieses Helden-Ausbundes solches nicht klüglich zu verhüten gewüst hätte; Wiewol es ohne Verwundung mehr als zwantzig streitender Ritter nicht abgieng. Insonderheit aber zohen der Feldherr Hertzog Herrmann und Hertzog Arpus aller Zuschauer Augen auf sich; Zumal jener mit seiner einigen Keule allen Waffen gewachsen war / und sich derogestalt im Wercke als der rechte Hercules der Deutschen fürstellte. Als alle Glieder der Reiterey / allwo Hertzog Jubil und Graf Nassau wie zwey erzürnte Adler einander antasteten / wie auch des Fuß-Volcks getroffen hatten / schwenckten sie sich alle; und sätzte sich beyderseits das Kriegs-Volck in eine gantz neue Ordnung; nemlich die Reiterey machte auf jeder Seite ein eintziges Geschwader; diesen standen einwerts an der Seite der leichten Schützen an jedem Orte sechshundert; ferner hinein zwey so starcke Hauffen Piquen-Träger / hernach eben so viel mit Schwerdtern Gerüstete / und endlich mitten gleichsam im Hertzen der Kern der Kriegs-Leute / und zwischen selbten die zwey Feldherrn und die Haupt-Fahnen /das Pferd und der Adler; also: daß dieser Ordnung nach alle und jede Hauffen auf einmahl gegen einander treffen konten. Welches denn auch mit so unglaublicher Vollkommenheit geschach: daß alle vorige Treffen gegen diesem allgemeinen nur Kurtzweil gewesen zu seyn schien; und wusten die Augen der Zuschauer sich kaum mit sich selbst zu vergleichen /wo sie am ersten oder meisten hinschauen[1360] solten. Denn aller Armen und Waffen regten sich. Es geschahen so viel Einbrüche und Begegnungẽ; gleichwol aber blieb alles in wol erkenntlicher Ordnung. Endlich brach Hertzog Herrmann mit seinen Rittern entweder durch überlegene Tugend / oder aus höflicher Ehrerbietung des Hertzog Arpus und seiner Ritter so weit ein: daß er den Römischen Adler ergrief /und selbten gegen Thußneldens Bilde neigte. Worüber sich aber ein neues Gethöne von denen lieblichsten Säiten-Spielen an statt der rauen vorher schreyenden Hörner hören ließ; wormit die Gerechtigkeit auf einem güldenen von vier weissen Pferden gezogenen Wagen mitten zwischen die Streitenden gerennet kam / und hierdurch einen unvermutheten Stillestand der Waffen machte. Sie war gantz anders als sonst ins gemein ausgerüstet. Denn sie hatte auf dem Haupte eine Nacht-Eule das Bild der Weißheit. Sintemahl die Gerechtigkeit in dem Gemüthe der Menschen nichts anders als die Weißheit ist. An statt des Schwerdtes /oder des mit Ruthen umwundenen Richtbeiles / welches nichts minder der Gerechtigkeit / als der Bürgermeister zu Rom Kennzeichen zu seyn pfleget / hatte sie einen mit Schlangen umwundenen Herold-Stab /als das Merckmaal der Eintracht; weil die Gerechtigkeit in den Häusern oder in bürgerlichen Dingen nichts als die Eintracht / und mit dem Schwerdte mehr einer grausamen Atropos / als einer so holden Tugend ähnlich ist; oder auch / weil die gegen einander gestellte Schlangen nicht nur den Friede / nemlich die Gerechtigkeit des gemeinen Wesens und der Herrschafften; sondern auch das Dräuen gegen die Widerspenstigen fürbildet. Westhalben denn auch auf ihrer Schoos ein Horn des Uberflusses lag. Uberdis hatte sie neben der gemeinen Wage in der lincken Hand einen ertztenen weiten Ring das Zeichen der Versehung / als welche im Himmel ebenfals nichts anders als die Gerechtigkeit ist. Also stellte sie sich recht gegen die Römische aufs neue geschlossene Schlacht-Ordnung / und fieng mit einer scharffen doch annehmlichen Sti e folgender Weise an zu singen:


Ihr R \mer steckt die Waffen ein;

Tiber laß deinen Zorn verschwinden;

Wer Deutschland meint zu ůberwinden /

Weiß nicht: daß Donau und der Rhein

Der R \m'schen Siege Gråntz-Maal seyn.


Bist du Tiber ein Herr der Welt;

So werde nicht ein Knecht des Neides /

Ein Stiffter deines eignen Leides.

Weil / wenn der Mißgunst was gefållt /

Sie ihr nur Mångel selbst ausstellt.


Mein Urthel ist fůrlångst gefållt /

Fůrst Herrmann sey nur werth Thußneldens /

Und sie so eines grossen Heldens.

Wer nun was anders m \glich hålt /

Glåubt kein Verhängnůs in der Welt.


Eh wird der Sternen Bär den Fuß

Von Mitternacht nach Sud verrůcken /

Eh dir dein Vorsatz wird gelůcken;

Weil aller Welt Macht doch den Schluß

Des Himmels übernehmen muß.


So bald dieser Gesang geendiget war / fieng das gantze Römische Heer gleichsam durch ein Feld-Geschrey an zu ruffen: Niemand ist Thußneldens würdiger als Herrmann. Worauf selbtes denn auch unter dem Gethöne der Krumhörner in guter Ordnung aus dem Schauplatze abzoh; alle Römisch gekleidete aber gegen dem an der Spitze der Deutschen zu Pferde haltenden Feldherrn ihre Waffen und Kriegs-Zeichen neigten. Kurtz hierauf aber erschien ein Herold in den Schauplatz / welcher im Nahmen des fürgebildeten Tiberius den Feldherrn mit seinem Kriegs-Volcke und den gantzen Hof unter seine Zelten zu Gaste einlud; weil er als ein Frembdling sie bequemer nicht zu bewirthen wüste. Wohin beyde / und fürnemlich das Fürstliche Frauen-Zimmer zu Wagen mit grösserem Gepränge / als vorige Tage folgten;[1361] weil Hertzog Arpus dieses mal durch sein Beyspiel die Eitelkeit der Römischen Verschwendung fürzubilden / oder vielmehr durchzuziehen gemeint war. Auf einer an einer rauschenden Bach gelegenen / und mit einem Lust-Walde umbgebenen grossen Wiese waren einen Kreiß herumb fünfhundert denen Römern abgenommene Zelten aufgespannet / in welchen so viel Tafeln mit Speisen auf Römische Weise für das Kriegs-Volck zubereitet waren. In der Mitte aber sahe man auf einem lustigen Hügel sieben Zelten ausgespannet; welche Quintilius Varus noch mit aus Syrien gebracht / und ihnen nach Römischer Art / welche ihre Speise-Säle nicht nur nach gewissen Göttern nenneten / sondern auch selbten eine gewisse Anzahl und Kostbarkeit der Speisen zueigneten / die Nahmen der sieben Irrsterne nach ihrer eigenen Beschaffenheit gar füglich beygelegt hatte. Alle waren aus Persischem Gewebe. Und zwar anfangs zeigte sich das Zelt des Saturn aus Viol-blauer Seide gewebet / und darein eitel Stein-Böcke aus Silber gewürcket. In diesem stand die ey-rundte Taffel mit eitel seltzamen Fischen bedeckt; vielleicht / weil das Meer aus des Saturnus Thränen entsprungen seyn soll. Diese waren so künstlich gesotten: daß sie ebẽ die Farbe / welche sie lebendig haben / behalten hatten. Darunter waren etliche grosse Barben: nicht so wol: daß dieser in Deutschland allzu gemeine Fisch eine sonderbare Seltzamkeit / sondern vielmehr eine Verhönung der Römer seyn solte; bey denen mehrmals einer fünf- auch acht-tausend Groschen gegolten / und also ein Fisch den Preiß etlicher Fischer übertroffen hatte. Hierunter waren auch zugerichtete Kameel-Fersen / des Apicius Lecker-Bißlein /und gantze Schüsseln voll Murenen-Milch; welcher Fisch an unterschiedenen Orten Deutschlands / und sonderlich in dem Gebiete der Burier gefangen wird. Auch mangelten hierbey nicht die gar aus dem Carpatischen Meere mehrmals nach Rom verschriebene Skarus-Lebern; welcher alleine unter allen Fischen käuet / und denen Felsen die Kräuter abfrißt; von den Römern auch seiner Niedligkeit halber für den König der Fische gehalten / ja gar das Gehirne des Jupiters genennt wird. Die Taffel war überdis aus allerhand von Zucker und Wachs künstlich gearbeiteten und fast alle Arten der Fische abbildenden Schau-Essen besätzt; unter denen in der Mitte fürnemlich als ein grosses Wunderwerck der Wallfisch zu sehen war; welcher die für ihm in Lebens-Größe angebundene Andromeda zu verschlingen vergebens dräute; auf der Taffel aber darzu diente: daß er aus seinen Naselöchern in zwey bleyerne Kessel wolrüchendes Wasser sprützte. In dem Taffel-Zeug waren allerhand Arten Fische; in die Teppichte aber alle Getichte vom Saturnus gewürcket. Die Trinck-Geschirre / Schüsseln und andere Gefäße waren alle Porcellanen / die bey den Seren aus einer zarten Erde gemacht werden / Pompejus aber aus dem Mithridatischen Kriege zum ersten nach Rom gebracht hat. Das andere dem Jupiter gewiedmete Zelt war aus weisser Seide gewebt / und mit güldenen Adlern / die innern Teppichte aber mit Löwen durchwürckt. Die dreyeckichte Taffel ward mit eitel köstlichen Speisen von Flügelwerck angefüllt /unter welchen zwey grosse Schüsseln gleichsam zwey Berge Fasanen in sich hatten; welche die Römer zwar aus Colchis holeten / und meist nur an grossen Feyern und ihren Geburts-Tagen verspeiseten / die Deutschen aber in ihren eigenen Püschen fiengen. Unter der grossen Menge vieler köstlichen Speisen waren auch viel Zucker-Bilder / welche alle die Geschichte des Adlers fürbildeten; wie selbter nemlich die zu opffern gewiedmete Helena / und die Valeria Luperca errettete /dem Jupiter den Blitz / und den Ganimedes zuführete / dem Tarquinius Priscus den Hut aufsätzte / in Liviens Schoß eine weisse Henne warf /[1362] und dem Augustus das geraubte Brod wieder in die Hände gab. Insonderheit aber hackte ein durch Kunst bewegter Adler dem Prometheus unaufhörlich in die Leber; woraus der köstliche Baum-Balsam tröpfelte / und alle Zelten mit dem süssesten Geruche anfüllte. Ein ander über der Taffel schwebender Adler spritzte aus dem Schnabel weissen Wein in zwey tieffe Jaspis-Schalen. Die Taffel-Geschirre waren alle aus Jaspis; die Trinck-Geschirre aber mit Schmaragden / Saphiren und Hiacynthen besätzt. Das dritte nach dem Mars genennte Zelt war aus Feuer-farbichter Seide / und darinnen von Gold gewürckte Wieder. Die Speisen auf der achteckichten Taffel waren meist von Raub-Thieren bereitet; unter denen war eine Menge bey den Römern so hochgeschätzter / in Deutschland aber gemeiner Trappen / und eine grosse Schüssel voll Zungen von denen Phönicopter-Vögeln. Zu Schau-Gerichten standen drey ausgestopfte und Eisen verschlingende Straussen auf der Taffel. In der Mitte war der brennende Berg Etna aufgesätzt / welcher eitel Zimmet in sich verzehrte / und also auch die Lufft darmit erfüllte. Uber dis waren auch des Mars und der Venus Liebe / des Vulcanus Netze / und viel andere Gestalten mit grossen Zucker-Bildern fürgestellt. Auf der einen Seite der Taffel stand die Römische Wölffin nebst zweyen unter ihr liegenden Kindern aus Stein gehauen; welche in einen marmelnen Kessel mit vier Strömen unaufhörlich Milch ausströmete; Auf der andern Seite spritzte ein Einhorn durch sein Horn rothen Wein in eine marmelne Schale aus. Die Taffel-Geschirre waren die köstlichsten Samnitischen Gefäße; die Trinck-Geschirre mit Amethisten und Diamanten versätzt. Das vierdte der Venus geeignete Zelt war aus Rosen-farbener Seide und Golde gewürcket / und durch und durch mit güldenen Rosen / Narzissen und Lilgen / der Bodem mit eitel Saffran / die Taffel mit allerhand umb diese Jahres-Zeit ungewöhnlicher Blumen bestreuet / sonst aber mit eitel Früchten / als Granaten- und Serischen Aepfeln / Indianischen Nüssen / Cyprischen Feigen / Cretischen Weintrauben /Africanischen Datteln Melonen und andern seltzamen Erfrischungen bedecket. Zwischen diesen aber standen zwölf zuckerne Liebes-Knaben / welche mit ihren ausgestreckten Händen in Schüsseln aus Topatz / mit Ambra / und dem Kraute Satyrion / wie auch Bibergeilen vermischtes Pfauen- und Straussen-Gehirne /eingemachte Granaten-Zitron- und Pomerantz-Blüten denen Gästen zureichten / und gleichsam einnöthigten. Denn diese Göttin / als eine absondere Liebhaberin der Blüten und Blumen / soll mit dieser wunderschönen Geschöpfe Augen-Vergnügung sich nicht gesättiget sondern selbte zum Genüße des Mundes in einem zuckernen Begräbnüsse aufzuheben / oder ihre Seele durchs Feuer in hertzerquickende Thränen zu zerflößen gelehret haben. In der Mitte stand ein grosses ertztenes Bild der Natur / welches aus der einen Brust Narben- und Jasmin-Wasser / aus der andern Palmen-Wein in zwey Onyx-Schalen sprüzte. In diesem Zelt war auch des Varus alabasterne mit köstlichen Salben und Balsam gefüllte Wanne zu sehen /dariñen er sich zu waschen oder gar zu baden pflegte. Außer dem war alles Tafel-Geschirre aus Agstein. Des fünfften Zeltes Bodem war aus blauer Seide / darein aus vielfärbicht anderer eitel auf Bäumen spielende Papegoyen gewebt waren. Auf der viereckichten Tafel waren meist aus gesunden Früchten gepreßte Säffte; aus seltzamen Gewächsen und Würtzen vereinbarte Torten / eingemachte Wurtzeln und Backwerck aufgesätzt; vielleicht weil Mercur nichts minder der Artzney / als der Handlung fürstehet. Diese Gerüchte aber warẽ mit unterschiedenen aus Wachse /Helffenbein uñ Marmel gemachtẽ falschen Speisen /wie auch dem Tiburtinischen Kiesel-Zucker vermischet / umb die geitzigen Gäste schertzweise zu äffen. Auf der einen Ecke der Taffel stand sein grosses silbernes Bild / die Zunge heraus reckende; welches[1363] in der einen Hand eine silberne Schüssel aus Lasursteine mit eitel Fisch- und Vogel-Zungen / in der andern mit Papegoyen / Staaren / Aglastern / Nachtigaln / Lerchen und dergleichen zu reden / oder künstlich zu singen gewohnten Vögeln den Gästen zureichte; umb hierdurch die Römer und fürnemlich den verschwenderischen Esopus anzustechen; welcher in einer Schüssel derogleichen für sechs-hundert-tausend Sesterstier erkauffte Vögel seinen lüsternen Gästen auftrug / wormit sie gleichsam etwas / was dem Menschen nahe käme / kosten möchten. An der andern Eckestand ein ander Bild des Mercur / welches in der rechten Hand seine ihm zugeeignete Schlaff-Gerthe /in der andern eine Agathene Schale mit ausgepreßtem Mahsaffte hielt. Auf der drittẽ Ecke stand sein Bild aus Silber in Gestalt eines Hirtẽ / welcher aus einem Kruge in eine Schale einẽ Safft ausgoß; der dem Ansehẽ nach Milch / in Warheit aber ein köstlicher Griechischer Wein war. An der vierdten Ecke stand gleicher gestalt ein silberner Mercur / in der rechten Hand eine Schüssel voll gesunder Kräuter; in der andern ein Gefäße heissen Wassers haltende / welches aus einem Indianischen Kraute gekocht und zur Gesundheit gebraucht wird. Die Tisch-Geschirre waren aus eitel Helffenbein gedrehet. Das sechste Zelt war auswendig aus grüner / inwendig aus weisser Seide gewebet /und beyderseits mit silbernen Narcissen bestreuet. Auf der Spitze des Zeltes gläntzete ein halber Monde. Die Taffel hatte gleicher weise eine solche Monden-Gestalt. Alle Taffel- und Trinck-Geschirre waren aus vollkommenen Berg-Kristallen; Die Speisen allerhand Arten von Britannischen Austern / Schnecken / Krebsen / Wasser-Schnepfen und anderm Geflügel / und zwar in solchem Uberflusse: daß nach der Weise der Römischen Uppigkeit die bloßen Hintertheile zu Sättigung vieler Gäste einen Uberfluß abgaben; Auch waren allhier Biber und andere Thiere / die theils auf der Erde / theils im Wasser leben. Nichts minder allerhand Arten Piltze und Schwämme; welche die Römischen Leckermäuler unter die geschmacktesten Köstligkeiten rechneten; und Tiberius den Asellius Sabinus damit für ein Gespräche ansehnlich beschenckte; dariñen die Piltze mit denen Austern /Drusseln / und denen Vögeln / welche nichts als Feigen und Weinbeeren essen / umb den Vorzug kämpften. Diese stachen ferner ab viel gläserne Schalen mit eingemachten Wurtzeln und köstlichen Kräutern. Gleicher gestalt sahe man aus Zucker allerhand dem Mohnden gewiedmete Thiere / als Katzen / Gänse /Reiger und derogleichen mit eingemischet. In der Mitte stand ein grosses aus Perlen-Mutter künstlich gearbeitetes Bild der dreyfachen Hecate; welche auf dem einen Haupte einen halben Monden hatten; aus dessen zwey Enden ein annehmlicher Weyrauch- und Ambra-Rauch empor stieg / und das gantze Zelt überwölckte. In der rechten Hand hielt sie eine See-Muschel voller Perlen / in der andern eine Schale mit Eßig / die Gäste gleichsam einladende: daß sie nach Cleopatrens und des wollüstigen Clodius Esopus Beyspiele jene Hi els- und Monden-Frucht durch die im Essige befindlichen Würmer zerbeitzen / und ihren üppigen Gaumen darmit vergnügen solten. Das andere Haupt der Hecate bildete einen Hirsch für; weil sie auf der Erde eine Vorsteherin der Jagt / wie im Himmel eine Mutter der Feuchtigkeit; und unter der Erde eine Beherrscherin der Geister seyn soll. Aus denen obersten Enden der Geweihe sprützte ein wolrüchendes Wasser / welches sich aber in der Lufft in einen linden Regen zertheilte. In der einen Hand hatte sie eine wolrüchende Fackel von weissem Agsteine / in der andern ein viereckicht gespitztes Stücke Stein-Saltz / als ein Merckmaal der Fruchtbarkeit / welches in höchster Vollko enheit nicht ferne von Carrodun gegraben wird. Hecatens drittes Haupt bildete einen Hunds-Kopff ab; in beyden Händen hatte sie zwey Schalen mit gantz güldenen Brodten. Das siebende recht in die Mitte der andern sechs geschlossene[1364] Zelt war aus eitel Golde gewürckt; und mit einem regenbogichten Streiffen durchzogen / in welchem als dem gestirnten Thier-Kreiß die zwölf hi lischen Zeichen aus Golde gestückt zu sehen warẽ. Oben auf der Spitze des Zeltes leuchtete eine güldene Kugel mit Rubinen versätzt. Die Taffel war kugel-rund; alle Geschirre feines Gold; und alle niedliche in denen andern Zelten verteilte Speisen nichts minder als für Zeiten in Mohren-Land auf der den Nahmen eines Sonnen-Tisches verdienenden Wiese hier zusammen vereinbart / und das seltzame Wildpret in den weissesten Teig / welcher selbigen Thiere Gestalt fürbildete / eingebacken; gleich als wenn sonder Zuthat der Sonne kein ander Gestirne etwas zu zeugen vermöchte. Unter diesen stand eine hochaufgethürnte Schüssel von eitel denen noch lebendigen Hähnen abgeschnittenen Kämmen /mit Pfauen- und Nachtigal-Zungen / Phönicopter-Gehirne / Rebhüner-Eyern / Papegoy- und Fasan-Köpfen / Kramß-Vögel-Gehirne / Meer-Barben-Bärten angefüllet. Nachdem aber dieser Überfluß auf einem Taffel-Blate keinen Raum fand / waren derer drey / iedes eines Ellenbogens höher über einander gethürmet. Unter diesen seltzamen Speisen waren fürnemlich die aus Zucker bereitete zwölff hi lische Zeichen würdig zu betrachten. Auf der Mitte des obersten Blates war ein güldener Fenix; welcher in einem Zimmet-Feuer sich nicht so sehr einäscherte / als mit seinem durch etliche kleine Lufft-Löcher ausschmeltzenden Balsam die Flamme lebhafft / die Lufft aber wohlrüchend machte. Umb die Taffel herumb standen zwölff silbern-vergüldete Thiere / nemlich ein Löwe / ein Pferd / ein Ochse / ein Wieder / ein Adler / ein Schwan / ein Hahn / ein Pfau / eine Heydechse / eine Feuer-Schlange / ein Meer-Schwein / und ein Gold-grüner Kefer; welche in zwölff güldene Schalen so viel Arten Weine sprützten. Wormit aber nichts von der Römischen Verschwendung vergessen / oder auch des Antonius Küche beschämet würde / standen auf einer absondern Taffel in viereckichten Schüsseln zwölff gebratene wilde Schweine / welche alle über sechs Centner wogen. Ja wormit man allhier des verschwenderischen Caranus in Macedonien berühmtes Hochzeit-Mahl nicht wegstäche / waren sie alle mit Reb- und Hasel-Hünern / wilden Tauben / Austern / Kälber-Milch und Sartellen gefüllt. So war auch unter den deutschen Helden keiner bey dieser Taffel / welcher nicht auserhalb der Netze ein wildes Schwein gefället hatte: welches alle die verübt haben musten / so in Macedonien mit zu einer solchen Taffel gelassen werden wolten. Zwischen diesen 7. Zelten waren die annehmlichsten Seiten-Spiele verstecket / welche die darinnen nach Römischer Gewohnheit bewirthete Fürstliche Versa lung zu voller Belustigung ermunterten. In dem Zelte des Saturnus waren zwölff Wald-Götter / des Jupiters / zwölff schöne Jünglinge / des Mars / zwölff Cyclopen / der Venus / zwölff nackte Jungfrauen / des Mercur / zwölff Affen / des Monden / zwölff Wassermänner / der Sonnen / zwölff Götter die Gäste zu bedienen bemüht / und wormit die Abwechselung sie so viel mehr vergnügte / leiteten sie sie aus einem Zelte in das ander. Massen denn in allen Zelten kein Trinc k-Geschirre verhanden war / woraus die Fürsten oder der Adel nicht des Feldherrn oder Thußneldens Gesundheit tranckẽ. Deñ ob zwar hier alles auf Römisch hergieng; so hatte doch diese den Griechen und Deutschen von uhralter Zeit gemeine Gewohnheit: daß sie ihren Göttern und Helden bey den Gastmahlen grosse Schalen mit Weine opferten / auch bey den Römern fürlängst Bürger-Recht gewonnen / und ist nach dem Siege des Fabius und Marius zu Rom keine Mahlzeit gehalten worden; da sie nicht auf Gesundheit dieser ihrer Erlöser grosse Becher ausgeleeret. Ja der Römische Rath hat bey ieder Mahlzeit des Käyser August Gesundheit zu trincken den Römern durch ein offentlich[1365] Gesetze aufgebürdet. Uber diß ist nicht zu vergessen: daß bey des Saturnus Zelte zwölff Gefangene / aber hier deutsch-gerüstete nackte Römer / als welche bey ihren Gastmahlen die Deutschen hierzu gleichfalls zwangen / biß aufs Blut fechten musten. Bey dem Zelte des Jupiters aber stellte Amalthea und Melissa nebst noch vierzehn Schäferinnen und einer Ziege / welcher Hörner vergüldet waren / in einem zierlichen Tantze mit der blossen Geberdung die Auferziehung des Jupiters so deutlich für / als wenn sie redeten. Sintemal diese Kunst mit den Händen allerhand Schauspiele vorzustellen zwar schon alt / auch vom Socrates und Plato gebilliget; aber neulich durch des Käysers Augustus Schauspiel-Meister den Pylades und Bathyllus aufs höchste gebracht war. Für dem Zelte des Mars ward ein Mohren-Tantz / wie ihn selbte für angehenden Schlachten zu halten pflegen / wie nichts minder ein Waffen-Tantz / wie selbten die Curetes in Creta erdacht haben sollen / von vier Cyclopen und zwölff geharnschten Zwergen geheget; darinnen sie den Streit des Ulysses und seiner Gefärthen mit dem Polyphemus aufs deutlichste fürstellten; und die Riesen mit ihren flennichten Antlitzen und grausamen Geberdungen / die Zwerge aber mit ihrer Behendigkeit / da sie denen Cyclopen bald zwischen den Beinen durchkrochen / bald auf den Achseln und den Köpfen sassen; auch mit Aneinanderstossung ihrer silbernen Schilde und Waffen ein annehmliches Gethöne machten / die Zuschauer zu öffterem Gelächter und Ergetzung bewegten. Hinter dem Zelte der Venus sangen die sieben Musen in einem Schauspiele die Liebe des Cupido und der Psyche; und regte iede ein absonderes Seitenspiel darzu. Für dem Zelte des Mercur ward durch künstliche Seil-Täntzer / welche auf gantz dinnen und unsichtbaren Fädemen sich durch die Lufft bewegten / der Flug des Dedalus / und die Abstürtzung des Icarus fürgebildet. Und hierauf der Tantz des Theseus von zwölff Knaben / welche die seltzamen Gänge des Cretischen Irr-Gartens andeuteten / fürgestellt. Für dem Zelte des Monden sahe man das Bad Dianens / die Verwandel- und Zerreissung des Acteons in einem Tantze / darinnen auch die Hunde / wie bey den Indianern die Elefanten / bey den Sybariten die Pferde zu tantzen abgerichtet waren /aufgeführt wurden. Endlich bildeten bey dem Zelte der Sonnen des Atlas sieben Töchter die gestirnten Plejades den Lauff der sieben Irr-Sterrnen ab; welcher Bewegung zur Erfindung des Tantzens den ersten Anlaß gegeben haben soll. Celäno war wie der bleyfarbichte Saturn; Sterope wie der helle Jupiter / Merope wie der feurige Mars / Alcyone wie die strahlende Venus / Maja wie der blasse Mercur / Taygete wie der liebliche Monde / und Electra wie die freudige Sonne ausgerüstet. Hierzu leuchteten grosse angezündete Wachs-Seulen; die Zelten aber wurden mit Ampeln erhellet; darinnen ein balsamichtes Oel brennte. Mit welchem Gastmahle denn der übrige Tag und die halbe Nacht durchgebracht / auch iedem Fürsten von sechs Wald-Göttinnen / iedem Fürstlichen Frauenzimmer von sechs Satyren mit grossen silbernen Leuchtern nach der Burg vorgeleuchtet / und von eben so vielen allerhand köstliche Geschirre mit denen kräfftigsten Säfften und Erfrischungen / als ein Geschencke iedem in sein Zimmer getragen / alle andere Speisen aber vollends unter das Kriegs-Volck vertheilet wurden. Welches alles bey dem deutschen Adel nicht kleine Verwunderung erweckte / zumal bey dem der nicht zu Rom vorher die unmässige Pracht und Verschwendung / (die bey diesem vorhin etliche hundert Jahr lang so mässigem Volcke erst nach Uberwindung des Antonius bey Actium mit Gewalt eingerissen war /) gesehen hatte.

Folgenden Morgen / als es beginnte zu tagen; kamen auf einmal drey Herolden in das Fürstliche Schloß. Der erste war ein Scythe oder Sarmatier. Er saß auf einem leichten[1366] Wagen / war mit einem gelben seidenen Unter-Kleide / und einem blauen Ober-Rocke belegt; welcher nichts minder / als seine Haupt-Decke mit einer gewissen Art weicher / und für den Wind guter Mäuse- oder Marder-Felle gefüttert waren. Sein auf der fördersten Spitze des Wagens sitzender Knecht jagte für ihm vier flüchtige Walachen her; welche Art der verschnittenen Pferde die Scythen zum ersten erfunden haben. Er führte eine blancke Sebel in der Hand. Für ihm ritten etliche Scythische mit Köcher und Bogen gerüstete Scythen. Sein Anbringen begehrete: daß Hertzog Herrmann dem Scythischen Könige Thußnelden abtreten / oder solche diesen Tag mit den Waffen behaupten / vorher aber erwegen solte: daß die Scythen unüberwindlich; von keiner euserlichen Gewalt noch bemächtigt worden wären. Hingegen hätten sie den König Darius / und des grossen Alexanders Feldhauptmann Zopyrion aufs Haupt erlegt / ihn selbst erschrecket / und Käyser August sich mit ihnen zu verbinden bemühet. Ihr König hätte auf eines geopferten Ochsen ausgebreiteter Haut bey entblöster heiligen Sebel geschworen: daß er denen Uberwundenen nach ihrer Landes-Art die Nasen abschneiden / und die Haut mit sa t den Haaren von den Köpfen abschinden wolte. Er pflegte kein Pferd zu beschreiten / welches nicht täglich fünff und zwantzig deutsche Meilen lauffen / und derogestalt zehn Tage austauern könte. Also würde Herrmann durch keine Flüchtigkeit seinen Händen entrinnen. Wenn sich aber Herrmann entschlüsse / ihm Thußnelden gutwillig abzutreten; wolte er selbte mit ihm auf Scythische Weise gemein haben. Auser dieser Erklärung wartete er mit seinen Pfeilen ihm auf den Dienst / welche alle in zusammen verfaultem Nattern-Gifte und Menschen-Blute eingetaucht / und dahero im Augenblicke tödtlich wären. Diesem Herolde folgte ein ander auf einem Parthischen Zelter / welcher mit seinen geschwinden und sanften Schritten gleichsam herein drabte. Sein Haar war ihm über die Achseln lang ausgebreitet / das Haupt mit einem vielfärbichten Bunde bedeckt. Er war mit einem weiten geblümten Rocke bekleidet. Mit der Hand streckte er einen lichten loh brennenden Topf empor. Sein im Nahmen des Parthischen Königs geschehender Vortrag war vorigen Innhalts; seine Dräuung aber: daß er bey nicht erfolgter Gewehrung diesen Feuer-Topf würde in das Wasser werffen / die Uberwundenen aber bey dem güldenen Dreyfusse vom Könige ein scharffes Urthel / entweder: daß ihnen über den gantzen Leib die Haut abgezogen werden / oder sie in einem verschlossenen Nachen verfaulen solten / erwarten müssen. Hierauf erschien in den Schloß-Hof auf einem mit Gold-Stück überdecktem Elefanten ein Indianischer Herold / in einem dinnen schneeweissen seidenen Rocke. Die kurtzkrausen Haare umbhüllete ein mit goldenen Fädemen durchwürcktes Tuch. An den Ohren hiengen perlene Ohrgehencke. Das Antlitz war mit allerhand Farben geschmückt; die Armen mit güldenen Ringen gezieret; an denen Fingern aber hatte er Nägel wie Adlers-Klauen; als welche viel Indianer ihr Lebtage nicht abzuschneiden gewohnt sind. In der rechten Hand führte er einen Pfeil dreyer Ellenbogen lang. Für diesem Herolde giengen her etliche halbnackte Indianer / welche / als sie die gleich aufgehende Sonne erblickten / selbte mit einem zierlichen Tantze verehreten. Des Herolds Anbringen war: daß der König in Indien durch Thußneldens Schönheits-Ruhm gereitzet das heilige Ganges-Wasser zu trincken sich entschlagen hätte / und in der Nähe sich befindete. Er trüge dem Fürsten Herrmann an gegen sie einen weissen Elefanten zu verwechseln; welcher kostbarer / als kein Königreich wäre. Das Geschencke eines gemeinen Elefanten wäre in Indien so hoch geschätzt: daß die keuscheste Jungfrau dafür ihre Jungfrauschaft aufzuopfern sich nicht weigerte / und dieser theure Verlust ihr[1367] die minste Unehre nicht zuzüge. Uber diß gelobte er die unvergleichliche Thußnelde der Indianischen Weißheit fähig zu machen; da doch sonst ihr Gesetze das gantze weibliche Geschlechte als unwürdig davon ausschlüsse. Da aber Hertzog Herrmann dis weigerte / würde er mit Leuten zu thun bekommen / welche nichts minder an Tapferkeit / als an Alter und Grösse des Leibes die ersten Menschen der Welt wären. Ihre Pfeile durchbohrten alle lederne Schilde / stählerne Harnische / und ertztene Pantzer. Diese wüsten sie durch einen Ring in die Ferne zu schüssen / und auf einen Nagel zu treffen. An statt der verlangten Antwort ließ Hertzog Herrmann einen scharffen Spieß von der obersten Bühne gegen die Herolden in den Schloß-Hof werffen / und durch die Kru -Hörner Lermen blasen. Worauf der Scythische Herold mit seiner Sebel einen Spaan aus dem Thore hieb / der Parthische seinen Feuer-Topf in die an dem Schlosse vorbey flüssende Bach warff; der Indianische seinen Pfeil hoch in die Lufft schleuderte.

Wenige Zeit hernach zohen die drey ausfordernden Könige mit grossem Gepränge in den mittler zeit mit viel tausend Menschen angefüllten Schau-Platz ein. Der Scythische Aufzug hatte zwar nichts von Gold oder Silber an sich. Denn diß Ertzt-hassen sie überaus; weil es die Schädligkeit des Eisens hundertfach /seinen Nutzen aber nicht zur Helffte an sich hat. Gleichwohl aber gieng dem Ansehn dieses Königs nichts ab; welchen Fürst Catumer fürstellte. Am ersten kamen drey Wagen; darauf eitel lederne Paucken lagen / und mit meßingenen Schlägeln von unbärthichten Junglingẽ mit weiß-gekraußten Haaren geschlagen wurden. Ihre Kleider waren auch alle aus weissem Hermelinen Rauchwercke; die Mützen aber von schwartzen Füchsen. Hierauf ritten zweyhundert Sarmater / in mardernen Peltzen / mit Sebeln / Bogen und Pfeilen ausgerüstet. Jeglicher aber führte auf ieder Seite ein Bey-Pferd. Diesen folgten so viel in Luchsen-Häute gekleidete Scythen / derer ieder drey Pferde nebst dem / welches er ritt / an der Hand führte. Nach diesen kam ein von sechs weissen Pferden bespannter / mit allerhand Laubwerck besteckter und von zwölff Auer-Ochsen gezogener Wagen. Auf diesem lag ein überaus groß entblöstes Schwerdt / als ein Kennzeichen der Gottheit bey den Scythen. Umb den Wagen herumb giengen ein und zwantzig Priester in Hermelinen Peltzen; derer Häupter mit Laub-Kräntzen umbgeben waren. Hierauf folgte der König in einem langen zobelnen Rocke. Dieser führte auf ieder Seite drey Hand-Pferde / und zwar eitel Stutten / weil sie diese in Krieg am geschicksten halten / neben sich; darunter das eine grauäpflicht / das andere Perlenweiß / das dritte hoch-goldfärbicht / das vierdte schneeweiß mit blauen Flecken / das fünfte Tiegerfärbicht; das siebende / worauf er ritt / Flügen-trappicht; allen aber das Zeichen des Fasans / umb ihr Vaterland anzudeuten / eingebrennet war. Nach dem Könige folgten zwantzig Scythische Fürsten / eben so wie der König mit Zobeln bekleidet / nur / daß sie alle schwartzfüchsene Mützen auf / und nur fünf Pferde neben sich hatten. Diese waren die Grafen von Düllingen / Stalberg / Dachau / Ka / Wasserburg /Wittin / Dieffalden / Lechsmund / Hohenbogen /Reneck / Phirdt / Falckstein / Lützelstein / Stöfling /Leißneck / Rochlitz / Teckelnburg / Winßenburg /Staden und Brenn. Aller dieser Pferde Zeuge / insonderheit des Königs waren mit grossen Scythischen Schmaragden reichlich besetzt; welche die Bactrianische / Egyptische und alle andre der Welt bey weitem wegstechen. Hierauf ward auf einem mit zwölff Elend-Thieren bespannten Wagen das Bild des Hercules / und seines Sohnes Scytha / von dem diese Völcker entsprungen seyn sollen / geführet; und folgten ferner hundert mit weissen Bären-Häuten bedeckte und vier Pferde neben sich führende Edelleute. Endlich beschlossen[1368] hundert in wilde Katzen gleichsam eingenehete / und mit zwey Bey-Pferden gerüstete Sarmater diesen Aufzug. Der Scythen K \nig stellte sich alsofort in eine vorwerts zugespitzte / rückwerts aber sich immer mehr und mehr ausbreitende Schlachtordnung. Unterdessen hielt Hertzog Herrmann durch das gegenüber stehende Thor des Schau-Platzes einen fast gleichmässigen Aufzug; nur: daß die Deutschen ihre Haare zusammen gebunden / keinen andern Schmuck / als Agstein; und nur Luchsen-Bären-Wolff- und Fuchs-Häute zu Kleidern hatten; weil der Feldherr die uhralte Art der Deutschen fürstellen / nicht aber die falsche Meynung / als wenn sie von Scythen entsprossen wären / behaupten wolte. Nach beyderseits gleichgestellter Schlacht-Ordnung /für welcher der Scythen König und Hertzog Herrmann an der Spitze hielten; neigte jener sich für dem in der Mitte des Schau-Platzes stehenden Bilde der Fürstin Thußnelda. Auf beyden Seiten ward ein blutfärbichter Rock / als ein Zeichen des Kampfes auf einen langen Spieß aufgesteckt / und es hatten beyde Theile schon die Pfeile auf ihre gespannte Bogen gelegt; als das Quer-Thor des Schau-Platzes sich mit einem grossen Sturme öffnete; welcher zugleich die von vielen schon abgeschossenen Pfeile auf die Seite schleuderte. Durch das aufgeschlagene Thor kam ein mit Sternen über und über bemahlter aber an den Rädern gantz gefrorner Siegs-Wagen gefahren / welchen vier schneeweisse Bären zohen; die der von eitel Eyß und Schnee raschelnde Nordwind leitete. Auff dem Wagen aber saß das Nord-Kind die Tapferkeit nicht anders als die gewaffnete Pallas / oder vielmehr als Perseus /wie er gegen die Gorgonen gezogen / ausgerüstet / in dem sie mit einem krystallenen Schilde und Helme /derogleichen Minerva dem Perseus geschenckt haben soll / gewaffnet war. Diese begleiteten auch noch sechs andere Winde; welche aus künstlich bereiteten Blase-Bälgen in dem Schau-Platze einen empfindlichen Wind erregten; alle aber sich eilfertig zwischen die Deutschen und Scythen eindrangen / und ihren fürgesetzten Kampf hinderten. Die Tapferkeit aber bestillte alsofort die rauschenden Winde mit einem Wincke / und fieng mit einer durchdringenden Stimme folgende Reymen an zu singen:


Wer hat euch diesen Wahn / Einfåltige / bracht bey:

Ihr die ihr nicht so wohl in Norden Nachbarn seyd /

Als Brüder von Geblůt' / und in der Tapfferkeit;

Daß Fried' ein Kind der Furcht und Krieg der Tugend sey /

Meynt ihr: weil Mitternacht der Erden Ausbund ist /

Das h \chste Theil der Welt / die meisten Sternen zehlt /

Ja weil ein zweyfach Bår dem Himmel sich vermåhlt:

Daß ihr auff euch nur selbst die Waffen schärffen müßt.

Nein sicher! zwar der Streit erhålt so Stårck und Preiß

Als wie der Wind die Glut / und Sturm das bittre Meer.

Doch kämpfft nie mit ihm selbst mein zweygestirnter Bår;

Der kalte Nord-Wind weht nach Sud sein hartes Eyß.

Ein Luchs spielt mit dem Luchs / auch wenn er grimmig scheint.

Der Wolff hegt mit dem Wolff ein nur anmuthig Spiel.

Diß Beyspiel lehr' euch nun / was mein Gesetze wil.

Schertzt unter euch / und seyd den Mittags-Låndern feind.

Der Himmel hat das Reich der Welt für Mitternacht /

Fůr der Cherusker Held Thußnelden längst bestimm't;

Ich dem / der ůber Jud' und Persen heute klimm't /

Der sieben Sternen Krantz zum Lohne zugedacht.


Mit dem Beschlusse dieses Gesanges fuhr die Tapferkeit harte unter das Bild der Fürstin Thußnelda /und legte in ihre ausgestreckte Hand einen das Sieben-Gestirne künstlich abbildenden Krantz. Das vorhin zum Kampfe anreitzende Pauckenschlagen verwandelte sich in ein annehmliches Gethöne; der angezielte Streit in das Sarmatische Ritter-Spiel, welches nichts minder bey allen Völckern / als zu Rom für das allerannehmlichste gehalten ward. Thußneldens Seule blieb das Ziel des von denen Deutschen und Scythen bald die Quere bald die Länge geschehenden Rennens. Den Anfang machten die / welche nur mit drey Pferden versehen waren; welche für erreichtem Zwecke mit einer artlichen Geschwindigkeit alle Pferde bespringen / und doch fädem-gleiche neben oberwehntem Bildnüsse anhalten musten. Den Preiß unter diesen etlichen hundert Rennern erhielt der Ritter von Reißen; welcher war ein mit Agstein versetzter Bogen. Hierauf[1369] kamen zu rennen die vier Pferde führende und überspringende Ritter: worunter der Graf von Ascanien einen mit Agstein versetzten Köcher und Bogen zum Dancke bekam. Auf diese erwiesen die fünff Pferde im Rennen führende Ritter solche Geschwindigkeit: daß iedermann glaubte: Sie hätten durch ihr fünfffaches Uberspringen der Pferde in einem so kurtzen Ziele aller grössern Geschickligkeit den Vortheil abgerennet / insonderheit der Graf zu Düringen; welcher ein mit Agstein geziertes Schwerdt zum Preiße erhielt. Aber aller Augen wurden schier verblendet; als die zwantzig Deutschen und so viel Scythische Grafen mit ihren sechs Pferden solches noch allen vorhergehenden im Rennen und Springen zuvor thäten; und darmit den Ruhm erhielten: daß sie dem Könige Teutobach / den die Römer destwegen für ein Wunderwerck gehalten / gleich kommen wären. Insonderheit frolockte der gantze Schauplatz über dem darunter rennenden Fürsten der Wenden /welchem die Cattische Hertzogin einen mit Scythischen Schmaragden versetzten Köcher / Bogen und Schwerdt selbsthändig überlieferte. Jedermann verlangte nun zu vernehmen: Ob es möglich wäre: daß der auf Deutscher Seiten zurückbliebene Feldherr /und auf Scythischer / Fürst Catumer / an statt so vieler vollkommener Renner und Springer alleine den Schauplatz vergnügen könten. Alleine dieser ward bald gewahr: daß er zu wenig Augen für zwey so ausbündige Helden hatte. Anfangs erschienen beyde nur auf einem Pferde; Herrmann bildete den Morgen-Catumer den Abend-Stern für. Jeder aber sprang bey währendem Rennen siebenmal vom Pferde / und so viel mal wieder darauf; das erste mal auf der lincken /das andere auf der rechten Seite des Pferdes / das drittemal mit beyden / das vierdte mal mit einer / das fünfte mal ohne Gebrauch einiger Hand über den Rücken / das sechste und siebende mal / iedoch auf unterschiedene Art / über den Kopf des Pferdes in Sattel; also: daß alle Zuschauer hierüber erstarreten. Hierauff setzten sie sich in Gestalt des Monden auf einen mit zwey weissen Pferden bespannten Wagen; darmit sie durch ein überaus künstliches Kreiß-Rennen und auf der Stelle geschehendes Umbdrehen umb Thußneldens Seule den Schauplatz auffs neue gleichsam bezauberten. Sie erschienen aber bald darauf wie der Pluto gerüstet / auf einem mit drey kohlschwartzen Pferden jagendem Wagen; mit welchem Rennen sie fast an statt der Proserpina das Bild Thußneldens zu rauben vorhätten. Nach diesem vollbrachten Rennen kam ieder nicht anders / als ein Blitz auf einem mit vier goldgelben Pferden rennenden Wagen durch den Schauplatz gejagt; von welchem sie sich mehrmals wie ein Phaethon abstürtzten; gleichwohl aber so genau die Gelegenheit ihren Sitz wieder zu erlangen beobachteten: daß sie weder den Ansprung versäumten / noch auch die Pferde in vollen Bügen hemmeten. Nach diesem erschien Hertzog Herrmann wie Castor / Fürst Catumer wie Pollux mit fünf rennenden Pferden auf den Schauplatz / welche sie für dem Ziele nicht alleine nach der Reye / wie vorige Ritter / sondern mit Uberhopfung eines / zweyer und dreyer besprangen. Welches alles so viel wunderwürdiger war; weil dieses Numidische Pferde waren / und weder Zaum noch Sattel hatten; gleichwohl aber sich mit blossen Worten und andern Andeutungen so leichte regieren liessen. Als diß Rennen vollendet war / erschienen sie wie der Bellerophon geflügelt mit sechs Pferden; welche sie nicht nur in vollem Lauffe übersprangen; sondern auch sechs Pfeile von ihrem Bogen in die Lufft schossen; und zuletzt denen Pferden gleichlauffende das Ziel / wie in denen Olympischen Spielen bräuchlich war / zu Fusse erreichten. Endlich erschienen sie in ihrer ersten Deutschen und Scythischen Tracht mit sieben Pferden / weil kein Mensch aus dem Alterthum[1370] sich ihnen mit derogleichen Rennen und Uberspringung so vieler Pferde / wie sie mit grossem Frolocken des gantzen Schauplatzes wunderwürdig verrichteten / zu vergleichen hätte. Dannenhero Hertzog Herrmann von der Cattischen Hertzogin / Catumer von Thußneldẽ mit einem Krantze von Oel-Zweigen nach Art der Sieger in den Olympischen Spielen beschencket ward.

Das Jauchzen des glückwünschenden Volckes ward durch ein neues Gethöne allerhand kriegerischer Hörner und Paucken gestillet; welche durch das eine Thor in den Schauplatz einzohen. Hierauf folgte ein vergüldeter Wagen mit zwey weissen Pferden; darauf ein silberner Opfer-Tisch stand / worauf das ewige Feuer brennte. Hinter demselben saß ein weiß-gekleideter Priester / mit einem aus goldfärbichten Sonnen-Blumen gewundenem / und denen Persischen Weisen zugeeignetem Krantze auf dem Haupt / in den über der Stirne der Nahmẽ Gottes mit Golde genehet war. Auf der Brust hieng ihm eine rundte Schale von Kristall / in die das aus Rubin gemachte Bild der Sonnen geschlossen war / welches der Persische König auf die Spitze seines Zeltes zum Zeichen stellen läßt: daß er mit seinem Heere aufbrechen wolle. In der einen Hand trug er einen Oel-Zweig / in der andern ein gülden Rauch-Faß / mit glüenden Kohlen und Weyrauch angefüllt. Umb den Wagen ritten auf schneeweissen Pferden sieben Persische Weisen alle mit Myrten- und Lorber-Ruthen in der Hand. Diesen folgten hundert Parther zu Pferde mit versilberten Lantzen / vergüldeten Bogen und Pfeilen; diesen folgte aber das Pferd der Sonnen / von Farbe schneeweiß / von ungemeiner Grösse und Schönheit. Uberdiß war es mit einer goldgestückten Decke belegt; der Zeug war mit Türckissen versetzt. Die es führten / waren in weisse Seide gekleidet / und hatten güldene Spißgärten. Hierauf ritten dreyhundert fünf und sechzig noch unbärthichte Persische Edelleute auf gelben Pferden in purperfarbenen und mit Golde durchwebten Röcken. Nach diesem kamen zwey Maul-Esel mit purpernen Decken /und trugen in einem güldenen Gefässe das so genannte goldene Wasser / welches der König trinckt / und kein ander Mensch / ja seine eigene Kinder nicht kosten dörffen. Hierauf erschienen zwantzig Persische Herren / die Anverwandten des Königs genennt / welche nicht nur mit güldenen Pantzern über und über bedeckt waren / und eitel mit Edelgesteinen versetzte Waffen hatten; sondern ihre Pferde waren auch gantz und gar überpantzert; ihr Hals und Armen auch mit köstlichen Kleinodien als Königlichen Geschencken /auser denen kein Perser einige tragen darff / gezieret. Diesen folgte der König (welchen allhier Fürst Ganasch bekleidete) auf einem Perlen-farbenen Hengste /dessen Gang nach der Persischen Pferde angebohrner Art schnell / prächtig und doch sanfte / der Zeug mit grossen Rubinen besetzt / die Huf-Eisen oder der Hufschlag Gold waren. Des Königs Unter-Kleid war halb purpern / halb schneeweiß. Der Ober-Rock war Goldstück / und in selbten mit Edelgesteinen Habichte gestickt / welche mit den Schnäbeln an einander setzten. Auf dem Haupte hatte er einen blau- und weissen Bund / an dem über die Stirne ein Pusch Reiger-Federn stand / welche ein unschätzbares Kleinod von Rubinen zusammen schloß. Oben auf dem Wirbel stand das Bild des Cyrus aus wohlrüchendem Labycus Hartzte; das der Myrrhe gleich / aber ein viel köstlicher Gewürtze ist. Den Leib umbschloß ein güldener mit Diamanten gläntzender Gürtel; daran sein gleichmässiges Schwerdt hieng / dessen Scheide mit denen grösten Perlen bedeckt war. Umb den König her giengen vier und zwantzig in Goldstück gekleidete Knaben; welche auf weissen Schilden die großsprecherischen Nahmen des Persischen Königs trugen; indem er darauf der grosse[1371] König / ein König der Könige; ein Bruder der Sonne und des Monden / ein Anverwandter der Gestirne; ein Sohn des Feuers / ein Herr der Welt geheissen ward. Nach dem Könige folgten abermals zwantzig gantz geharnschte Persische Fürsten; und hierauf eine Menge Kamele mit Senften / darinnen das Königliche Frauenzimmer eingesperret war. Und endlich beschlossen hundert in blauen Damast gekleidete / und wie die erstern gerüsteten Perser diesen Aufzug; welche / nachdem die Deutschen und Scythen sich inzwischen auf die breite Nord-Seite des Schauplatzes gesetzt hatten / sich auff das West-Theil der Sud-Seiten den Deutschen gleich gegen über in Schlacht-Ordnung stellten; ieder Perser aber vorher in einen für dem Könige stehenden Korb einen mit seinem Nahmen gezeichneten Pfeil warff; welches dieses Volck für allen Treffen zu thun pflegte / umb hernach von denen gebliebenen Gewißheit zu haben. Unterdessen kam zu dem vierdten Thore eine Anzahl Indianischer Heerpäucker; und derer / welche in ein gewisses Rohr bliessen. Hierauf ritten hundert in weisse baumwollene Leinwand biß auf die Füsse gekleidete Indianer. Die Häupter waren mit bundten seidenen Tüchern umbhüllet; an den Ohren hiengen helffenbeinerne Kugeln. Sintemal die Ohrgehencke nichts minder / als bey den Griechen / wie bey den Römern die güldenen Ringe an Fingern / und die kleinen Monden auf den Schuhen ein Merckmal des Adels sind. Etliche hatten Schuh aus Baum-Rinden /etliche aus weissem wiewohl mit andern Farben geputzten Leder mit hohen Absätzen. Auf dem Rücken führten sie in einem güldenen Köcher Pfeile aus Indischem Schilffe eines Mannes lang; auf der Seite einen zierlichen Bogen / den sie mit den Füssen spannen /und darmit durch Stahl und Eisen schüssen. Diesen folgte ein güldener mit zwey einhörnrichten Thieren gezogener Wagen / auf welchem das Riesen-Bild des von ihnen verehrten Hercules zu sehen war. Hierauf ritten in den Schauplatz hundert eben so ausgerüstete Indianer / nur daß ihr Gewand weisse mit Golde durchzogene Seide / die Ohrgehencke Edelgesteine waren / und sie noch darzu perlene Halsbänder umbhatten. Diesen folgte ein von Tiegern gezogener Wagen mit dem Bilde des Bacchus / welcher ihnen die ersten Friedens- und Kriegs-Gesetze gegeben / sie Wein und Städte zu bauen gelehret haben soll. Und hierauf abermals eine noch reicher mit Gold gekleidete Reiterey von hundert Pferden. Nach diesem erschien ein weisser Elefant von ungemeiner Grösse mit Goldstücke bedeckt; welchem seine vergüldete Speise-Gefässe fürgetragen wurden. Diesem folgten zwantzig Indianische Fürsten in Goldstücke / darein allerhand seltzame Vögel gewebt waren / derer Haupt /Hals und Waffen von Edelgesteinen schimmerten; und auf diese der König (welchen hier Fürst Jubil vertrat) auf einem grossen gethürmten mit Golde gantz überdeckten Elefanten; dessen Kleid Purper / in selbten aber eitel güldene Drachen gestückt; die Hauptbinden über und über mit grossen Perlen / die Waffen mit Diamanten bedeckt waren. Hinter ihm stand ein Weib / welche ihm die Haare kämmete. Der Thurm /in dem er saß / war mit frembden Zweigen umbflochten / und in selbte redende Papegoyen und andere singende Vögel angebunden. Umb den Elefanten rings herumb giengen zwantzig Mohren-Knaben mit silbernen Rauch-Fässern / welche von Aloe / Casi / Arom und Weyrauche loderten. Nach dem Könige erschienen abermals zwantzig köstlich-aufgeputzte Fürsten; nach diesen fünf Elefanten / welche Wechsels-weise bey ihrem Herrn die Wache zu halten abgerichtet waren; und endlich zwey hundert gerüstete edle Indianer; die alle neben denen Persen sich gegen die Scythen in[1372] Schlacht-Ordnung sätzten. So bald nun mit den Paucken und Krumhörnern das Zeichen zur Schlacht gegeben ward / grief ein jeder zu seinem Bogen; also: daß durch die Pfeile / welche die Scythen und Parthen meist nicht schnur gerade auf den Feind /sondern empor in die Lufft schüssen / umb durch den Herunter-Fall selbten zu beleidigen / der gantze Schauplatz erfüllet ward / und hierdurch unzehlbar viel verwundet wären worden / wenn nicht bey diesem Schatten-Streite alle Spitzen der Pfeile mit Fleiß wären verbrochen oder stumpff gemacht gewest. Hierauf sätzten sie mit Schwerdtern und Wunder-Spießen an einander; und wusten sich die Hauffen so artlich zu schwencken: daß die Deutschen und Scythen einmal mit den Persen / das andermal wechsels-weise mit den Indianern zu treffen kamen. Der Unterscheid der Kleidungen / und die gute Ordnung / wie i er ein geschlossenes Glied auf das andere traf / gab dem Schauplatze eine ungemeine Vergnügung. Insonderheit ließen sich die vier Heerführer tapfer schauen; und war insonderheit eine Lust; wie bald Hertzog Herrmann / bald Catumer gegen des Fürsten Jubils Elefanten fochte / und selbten bald mit brennenden Fackeln schüchtern / Jubil aber mit Maulbeer Saffte wider hertzhafft machte / und seine sich klüglich wendenden Feinde verfolgte. Mit dem Hertzog Ganasch brach jeder auch drey Lantzen; also: daß / wer mit seiner Tapfer- und Geschickligkeit dem andern etwas zuvor thät / schwerlich zu unterscheiden war.

Als nun alle Glieder dreymal mit einander getroffen / ließ die Abgöttin Juno und Vorsteherin der Hochzeiten auf einem güldenen mit Pfauen bespannten Wagen in einer lichten Wolcken sich mitten auf den Schauplatz / und nöthigte also die zu einem neuen Kampfe sich rüstende Hauffen auf ihrem Stande festen Fuß zu halten. Uber der Juno saß auf einem Regenbogen Iris / und für ihr die Geister beyder Angelsternen; und sieben mit gestirnten Kleidern bedeckte Jungfrauen; welche alle durch Harffen und andere Säiten-Spiele gleichsam die süsse Ubereinstimmung der himmlischen Gestirne; welche die Egyptier ohne dis durch eine siebenseitichte Leyer / die Griechen durch so viel Pfeiffen des Paris fürgebildet haben / ausdrückten. In dis annehmliche Gethöne sang Juno mit einer lebhafften Bewegung und durchdringenden Anmuth folgende Reimen:


Welch Unstern regt die Helden dieser Welt

Durch Menschen-Blut mein Feyer zu einweihen!

Wer weiß nicht: daß bey meinem holden Freyen

Die Hochzeit-Lust durch Zwytracht wird vergällt.


Das Blut / wormit mein Hymen mich beschenckt /

Der Braute Schatz / die Blůte der Jungfrauen /

Mag nur allein mein friedsam Auge schauen:

So werd' ich nun durch euren Streit gekrånckt.


Ich bin vergnůgt mit einer Gans und Kuh.

Ja / welcher mir wil opfernde gefallen /

Muß ůber dis hinwegthun ihre Gallen;

Und sich bey mir durch Eintracht liebeln zu.


Wer aber scheut nicht Herrmanns blitzend Schwerdt?

Wer spiegelt sich nicht an Ixions Straffen?

Der Lust gewinnt Thußnelden beyzuschlaffen /

Die GOtt und ich dem Herrmann hat beschert.


Dis todte Bild dient durch sein rege-seyn

Des Himmels Schluß / und wem der Krantz gehöre

Der Tapferkeit / euch Frembdlingen zur Lehre;

Wenn' s Hermanns Haupt mit Sternen hůllet ein.


Uber diesen Worten bewegte sich die in der Mitte des Schauplatzes stehende Seule / und das Bild Thußneldens näherte sich dem an der einen Ecken haltenden Feldherrn / und sätzte ihm den von der Tapferkeit empfangenen Sternen-Krantz auf. Hierauf sang Juno weiter:


Doch / lächs't in euch der Kriegs-Geist noch nach Blut /

So laßt es hier Luchs / Bår und Pferd vergießen.

Denn Menschen solln der sůssen Ruh genůssen /

Krieg aber ist des Viehes Art und Gut.


Nach vollendetem Gesange hob sich Juno in ihrer Wolcke wieder empor; alle Fürsten[1373] und Kriegs-Helden aber neigten ihre Waffen gegen dem gekräntzten Herrmann. Jedes Oberhaupt zohe auch seine Kriegs-Schaaren aufs engste zusammen / also daß in der Mitte des Schauplatzes ein grosser leerer Raum übrig blieb; welchen alsobald eine Menge herfür kommender Wald-Männer mit eisernen gegütterten Netzen umbspannten. In diesen Umbkreiß ließen die Indianer einen Elefant / welcher vorher für seinem Könige die Knie beugte / und ein Thier mit einem Nasen-Horne; die Perser ein Pferd und einen Tiger / die Scythen einen weissen Bär und Auer-Ochsen / die Deutschen einen Luchs und einen Wolff zusammen. Anfangs tastete der Bär den Elefanten / der Ochse das Pferd / der Luchs den Tiger / der Wolff das einhörnrichte Thier an; und wehrete dieser Kampff eine gute halbe Stunde sonder ein oder des andern Thieres Vortheil. Als aber fast alle verwundet waren / vergassen diese Thiere ihre angewohnte Gemeinschafft; und verwechselten also ihre Feinde nach ihrer angebohrnen Eigenschafft / indem das Horn-Thier den Elefanten antastete / sein Horn an einem Stein wetzte / um darmit des Elefanten weichen Bauch aufzuritzen / hingegen aber dieser jenes zu Bodem zu rennen; der Tiger das Pferd zu beleidigen / der Bär den Ochsen zu zerreissen / und der Luchs des Wolffes Meister zu werden bemüht war. Jedes Volck / welches diesen Streit für eines bürgerlichen Krieges Andeutung annam / bemühte sich diese Thiere mit Stangen / Fackeln und andern Erfindungen von einander zu bringen / worauf denn der Luchs an den Elefanten gerieth / und ihn in seine Schnautze so hefftig verwundete: daß er die Netze über einen Hauffen rennte / also aus den Schrancken floh / und seinen Wunden die bekandte Aloe-Artzney einflößete. Der Wolff verwundete das Pferd so sehr an der Gurgel: daß es todt zu Bodem fiel. Hingegen tödtete das Horn-Thier den Auer-Ochsen; und der Bär kratzte dem Tiger die Augen aus. Nach diesem Siege geriethen die verwundeten Uberwinder allererst an einander; alleine der Luchs ward durch seine Geschwindigkeit endlich des Horn-Thieres / und der Wolff durch seine Arglist zu grosser Verwunderung aller Zuschauer des Bäres Meister. Welchen Sieg sie mit grossem Frolocken / und durch ein in die hole Hand geschehendes Pfeiffen annahmen.

So bald die erlegten Thiere und die Garne von denen Wald-Männern auf die Seite geräumet waren /sätzte sich Hertzog Jubil mit seinem gantzen Indianischen Heere in die Mitte in einen rundten Kreiß; darinnen gleichsam in einem Augenblicke ein viereckicht Gerüste aufgerichtet / und auf jeder Seite ein grosses Seil von dem Bodem daran ausgespannet ward. In diesen Kreiß kam Indien als eine mit eitel Edelgesteinen gekrönte Königin auf dem weissen Elefanten geritten. In der Hand hatte sie eine Muschel / darinnen eine überaus grosse Perle lag; welche bis zweyhundert Gersten-Körner wog / und also billich für eine Königin dieser edlen Gewächse zu achten war / sonderlich da es für kein Getichte zu achten: daß die Perlen oder vielmehr ihre Muscheln und Schnecken nichts minder als die Bienen ihre Könige und Fürsten haben / welche sich aus den Händen und Hamen der Perlen-Fischer meisterlich auszuwinden wissen; mit ihrem Fange aber aller andern nach sich ziehen sollen. Des Elefanten Decke war gleichfals mit Perlen gestückt /und er selbst hatte zwey grosse und wie eine Birne länglichte Perlen an den Ohren hencken. Dieser stieg auf einem ausgedehnten Seile gleichsam tantzende auf den Schauplatz. Ihm folgten zwölf Mohrische Liebes-Götter; welche alle im lincken Arme zierlich-geflochtene Körbe / und darinnen Perlen-Muscheln / in der rechten Hand brennende Wachs-Fackeln / und daran hängende Schilde mit denen zwölf himmlischen Zeichen und beygesätzten güldenen[1374] Buchstaben hatten. An denen vier Ecken des Gerüstes thaten sich des Ganges / Indus / und zweyer anderer Flüsse Bilder herfür; welche nebst Regung zweyer absonderer Säitenspiele zum Preisse der Perlen und der Liebe folgende Reimen sangen:


Wenn der Gestirne Krafft /

Der besten Kräuter Safft /

Der Sonn' ihr Oel / der Glantz der Edelsteine /

Der Berge Marck / des Balsams Eigenschafft /

Des Monden Than / der Glantz von Helffenbeine /

Der Blumen Geist / des Meeres Reichthum sich

Vereinbart gleich in einen Kreiß /

Behåltst du / Perle / doch den Preiß /

Es reicht kein Schatz des Himmels nicht an dich.


Måßt der Natur nicht bey:

Daß sie zu sparsam sey /

Weil keine Muschel Zwillinge gebieret.

Ein edles Kind ist schåtzbarer als drey.

Und dieses / was die Purper-Schnecken zieret /

Ist zwar ein Schatz / doch nur ein Tropfen Blut.

Ja aus der Perlen Rundt' erhellt:

Es habe Himmel / Meer und Welt

In einer Perl umbschräncket all ihr Gut.


Die Liebe mag allein

Der Perle Nachbild seyn.

Denn man schåtzt sie im Himmel und auf Erden,

Die Sch \nheit pregt in sie ihr Bildnůs ein.

Sie läßt in sich auch nur ein Kind jung werden;

Und sch \pfft keinmal an Neben-Sonnen Lust.

Kurtz wie die enserliche Welt

Die Perle für ihr Kleinod hålt /

So ist die Lieb' auch's Kleinod in der Brust.


Zu diesem Singen und Säitenspielen hegten die zwölf Liebes-Götter einen annehmlichen Tantz mit künstlichen Abwechselungen. Bey dem Schlusse eines jeden Satzes sätzten ihrer sechs auf einer Seite in einem halben Kreisse mit ihren an denen Schilden stehenden Buchstaben das Wort: Indien; auf der andern Seite das Wort: Perlen zusammen.

Bey dessen Schlusse kam in den Schrancken ein ander Elefant; dessen Rücken mit einem Silberstücke bedeckt / und mit einer Muschel bethürmt war; darinnen die Göttin Thetys oder das Meer saß; und zwölf in Silberschupfichte Röcke nach Art der Syrenen gekleideten Wasser Nymphen sie rings umbher begleiteten. Diese rührten alle grosse mit Säiten bezogene Muscheln; worvon der Elefant mit seiner Thetys zu tantzen / und gegen dem weissen die Knie zu beugen anfieng; endlich auch auf dem einen grossen Seile hinauf und wieder zurück tantzte. Diese Wasser-Göttinnen löseten die vier Flüsse mit ihren Säitenspielen ab / worüber jene einen zierlichen Tantz anfiengen /in dem die Thetys mit ihrem Elefanten wunderwürdige Wendungen fürstellte / und zugleich in ihrer Muschel folgende Reimen darzu sang:


Kommt! kråntzet mit Corall mein Haar /

Schmückt Hals und Brust mit perlenen Geschmeiden;

Die Hand mit Palmen / und den Leib mit Seiden;

Gewehrt mir Weyrauch aufs Altar;

Nach dem das Meer allein ist herrlich / reich und groß /

Ja Feuer / Erd und Lufft gestehn:

Es sey in ihnen nichts so schön /

Als Perl' und Liebe sind die T \chter meiner Schoß.

Die beyd' in mir zwar haben ihre Wiege

Doch auf der Erd' / im Himmel ihre Siege.


Nach diesem vollendeten Tantze kam ein ander mit grünem Silberstücke bedeckter Elefant in den Schrancken. Auf dem Rücken saß unter einer Fichten-Laube die gethürmte Cybele / oder die Erde. Umb sie herum giengen zwölf junge Verschnittene / derer sechs /Körbe mit Blumen / die andern mit Früchten trugen. Bey einem anmuthigen Flöten-Gethöne / machte die Erde dem Meer nachfolgender Weise die Geburt der Perlen streitig:


Wenn die Natur das Wasser nicht

Durch's Röhr der Berg' / und meiner Adern triebe /

Wenn nicht mein Geist ins Meeres-Fluthen bliebe /

So wår' es Schaum / dem Seel' und Krofft gebricht.

Das Auge sieht's / es fühlt es jede Hand:

Daß Perl' und Muschel zwar die Nåsse liebe;

Doch beyder Talg ist ein geleutert Sand.

Der Schnecke Fleisch / das Erd' ist / und von Erden /

Empfångt die Perl' / ist ihre Mutter-Schooß.

Und was dort wächst / Corall / Ambr' / Agstein / Mooß /

Das muß gesåugt aus meinen Wurtzeln werden.[1375]


Cybele tantzte mit ihrem Elefanten hierüber auf der Leine hinauf und wieder zurücke; die Verschnittenen aber unter sich. Bey welchem Tantze sie mit einer wunderwürdigen Geschwindigkeit aus eitel Blumen /wie selbte bey jeder Jahres-Zeit zu finden sind / die Bilder des Frühlings / des Sommers / des Herbstes und des Winters zusammen flochten / und der Cybele überreichten.

Hierauf öfnete sich der Schrancken einem Elefanten / dessen Rücken mit einem Regenbogen-färbichten Goldstücke bedeckt / und mit einem von allerhand köstlichen Federn überschatteten Königs-Stule belegt war; den die Juno oder die Lufft mit einem Krantze von Perlen und Opalen / welcher Stein fast alle Farben im Widerscheine zeiget / und am nechsten der Perle kommt / besaß. Umb den Elefanten spielten zwölf Straussen; vorher aber sechs Westwinde mit den lieblichsten Säitenspielen; worzu der Elefant bald auf der Leine / bald unter denen Straussen tantzte /die Lufft aber ihr Vorrecht in Zeugung der Perlen derogestalt singende behaupten wolte:


Die Perlen schmůckt der Glantz der Regenbogen /

Auch zeigt ihr Gold / Schmaragd / Rubin / Saphir /

Und was sie sonst aus meiner Brust gesogen /

Ihr Zeug sey himmlisch / ihre Pracht von mir.

Wenn nach dem Meer-Saltz' itzt die durst'gen Schnecken lechsen /

Fl \ß' ich den Thau den geilen Muscheln ein;

Bepurper ihn durch's braunen Morgenschein /

Da schwängern sie sich mit so himmlischen Gewåchsen.

Ja / daß von meinem Thau / vom Monden růhr' ihr Wesen /

Wird durch die Krafft des Eßiges bewehrt /

Der sie zerbeitzt / in ersten Thau verkehrt.

Auch schwinden / die man låßt bey's Monden Abfall lesen.

So bleibt nun wahr: die Muschel-T \chter sind

Ein Brutt der Lufft / und der Gestirne Kind.


Endlich kam auch der vierdte mit Feuer-roth von Goldstück belegte Elefant in den Schrancken. Auf seinem Rücken saß das Feuer / oder die Göttin Vesta /eine thönerne und lichten loh brennende Ampel in der rechten Hand / eine Drommel in der lincken haltende. Diesen begleiteten zwölf ungeheure Cyclopen mit brennenden Fackeln; derer drey auf einem Amboße mit grossen Hämmern ein artliches Gethöne machten; die andern neun aber nach solchem Dreyschlage mit ihrem Elefanten einen seltzamen Fechter-Tantz hielten / in welchem der gebländete gegen die andern / und diese gegen ihn mit den Fackeln stritten; und das wunderlichste war: daß weder der bald auf der Leine /bald zwischen diesen einäugichten Riesen tantzende Elefant von so vielem Feuer scheue gemacht; noch bey so vielen Streichen und Wendungen einige Fackel ausgelescht ward. Zwischen der mittelsten Erholung dieses Tantzes eignete ihr Vesta durch folgenden Gesang für andern die Geburt der Perlen zu:


Das Feuer ist der Geist der Welt /

Der alles schwångert / wärmt / erhält.

Die Härtigkeit / die blitzend-lichten Strahlen /

Die Krafft das Hertz von Gifft zu machen frey /

Bewehrn: daß Glut der Perlen Ursprung sey.

Die Erd' ist Schnee / die Lufft ist Frost / das Wasser Eiß /

Die Welt ein hol' und totter-loses Ey /

Die Muschel todt und leer / macht sie die Glut nicht heiß.

Denn Feuer såmt den Glantz in die Opalen /

Blut in's Geäder / Purper in die Schnecken /

Oel in's Gestirn' / auch Safft in Stand' und Hecken /

In Berge Gold / die Perl' in Muschel-Schalen /

In Brůste Milch / die Lieb' in Seel' und Blut:

Ja Lieben selbst ist meine reinste Glut.


Bey dem Ende dieses Riesen- und Elefanten-Tantzes / fieng das auf dem weissen Elefanten sintzende Indien an / selbten durch einen kleinen Mohren mit einem silbernen Griffel wie ein Pferd herumb zu werffen; wie denn dieses Thier schier mehr wegen seiner lehrsamen Sittsamkeit / als wegen seiner Kräffte wunderwürdig ist. Hierauf tantzte er nach denen sanfften Säitenspielen eben so sanffte. Indien aber sang Thußnelden zu Ruhme nachfolgendes Getichte:


Der grünen See schneeweisses Kind /

In dem die Schätze der Natur /

Der Allmacht GOttes grosse Spur

Verwunderns-werth zu schauen sind /[1376]

Verdient zwar alles Lob / doch muß gestanden werden:

Daß / was die Perl' im Meer / Thußnelde sey auf Erden.


Verläumbdung / die die Perlen zwar

Fůr krancker Schnecken Drůsen hält /

Und der die Sonn' auch nicht gefållt /

Weiß gleichwol nichts zu nehmen wahr /

Was Deutschlands Perle sey fůr Mangel auszusetzen /

Die Welt sie nicht zu zahln / die Tugend nicht zu schätzen.


Des rothen Meeres Perlen sind

Offt hole Blasen / blaß und todt /

Die Sonne macht sie gelb' und roth;

Allein an Deutschlands Perle find't

Der frembden Völcker Neid / die Scharfsicht kein Gebrechen /

Kein Unstern / Nebel / Sturm weiß ihren Preiß zu schwächen.


Giebt's Edelsteine sonder Fleck' /

Ist manche Perlen-Muschel gleich

Voll Purper / hundert Perlen reich /

So sticht sie doch Thußnelde weg /

An der von Schnecken-Blut die Lippen und die Wangen /

Hals / Antlitz / Brůste / Schooß mit tausend Perlen prangen.


Wiewol nun Purper / Perle / Stern

Thußneldens Sch \nheit giebet nach;

So übersteigt doch hundertfach

Die Schalen / ihres Geistes Kern.

Denn ihre Tugend ist ihr Schatz / der Leib die H \le /

Die Muschel die Gestalt / die Perle selbst die Seele.


Nach diesem Liede tantzten die vier Elefanten auf denen vier Leinen; und der hüpfende weisse Elefant beugte die Knie / so offte Thußneldens Nahme geneñet ward. Zwischen jedem Gesetze aber hegten die zwölf schwartzen Liebes-Götter / die zwölf Sirenen /die zwölf Verschnittenen / die zwölf Straussen / und zwölf Cyclopen zwar nach einerley Säitenspiele / aber gantz unterschiedene Täntze. Worauf Indien seinen Abzug hielt / die Cyclopen auch alles Gerüste im Schrancken eilends auf die Seite räumten.

Hierauf erschien in den Schrancken der Herold des Frühlings / und der Vater des Blumwercks der sanffte Westwind. Wegen Reinigung der Lufft hatte er seiner Gewohnheit nach ein weiß seidenes Gewand an; auf dem Haupte einen Blumen-Krantz; an dem Arme einen Korb; darauf er umb sich allerhand Gesäme streuete / und für sich einen alabasternen Krug / woraus er einen hellen Regen von wolrüchendem Thaue herumb sprengte; wie sonst in denen Blumen-Feyern auch bräuchlich war. Diesem traten vier und zwantzig in grünem Damast auf Persich gekleidete Gärtner nach. Jeder hatte von einer besondern Art einen Pusch Blumen auf dem Bunde / in der einen Hand ein Garten-Messer; in der andern einen Blumen-tragenden Baum. Nemlich ihrer drey Persische Bäume mit fast Rosen-färbichten Blüten; drey Gemsen-Bäume mit gelben Blumen / ihrer drey Myrten-Bäume mit weissen / ihrer drey Lorber-Bäume mit grünlichten / drey Oelbäume mit grünlicht-gelben / drey Holder-Bäume mit weiß-gelben / drey Egyptische Dornsträuche mit theils grün / theils gelben / theils blassen / drey Africanische Stauden mit purpernen / und endlich ihrer drey Indisches Gepüsche mit roth-weissen Saffran-Blumen. Mitten in dem Schauplatze machten sie einen Kreiß; fiengen darauf einen zierlichen Bauer-Tantz an; dadurch sie mit Einsteckung ihrer Bäume in die Erde allerhand Blumenstücke bildeten / und darein sie den Westwind allezeit einschlossen. Hernach ihrer sechs und sechs die vier Jahrs-Zeiten mit ihrem Blumwercke in menschlicher Gestalt abbildeten; derer ein Theil den Mund mit rothen Nelcken / die Wangen mit leibfarbenen Anemonen / die Augen mit tunckelen Waid-Hyacinthen / das Haar mit Genisten-Blumen /die Kleider mit Sammet- und andern Blumen / andere anders fürstelleten; und diese Bildnüsse an die Ende der Schrancken sätzten. Nach dem nun alle Winde Vorläuffer der Götter zu seyn pflegen / wartete der Schauplatz mit Verlangen auf den Verfolg dieses Aufzugs. Massen denn auch der Frühling in Gestalt eines hurtigen Jünglings auf einem mit vier Rehen bespannten Wagen; daran die drey himmlischen Zeichen des Wieders / des Stieres und der Zwillinge zu sehen /ihre Sternen aber /[1377] wie eitel güldene Blumen gemahlet waren. Der Frühling hatte ein grase-grün Kleid an /welches wie das Haupt mit hunderterley aus Seide gestückten Frühlings-Blumen bedeckt war. Für diesem Wagen zeigten sich fünf und zwantzig weibliche /hinter dem Wagen aber eben so viel männliche Frühlings-Blumen; welche / wie aller folgenden Jahres-Zeiten / durch eine ihrem Nahmen / oder ihrer Farbe /Ursprunge / oder andern Eigenschafften anverwandte Person aufgeführet wurden. Im ersten Gliede erschienen fünf schneeweisse wie Najaden / oder Göttinnen der Bäche unten blau oben weiß gekleidet / die weisse Heroldin der Sonne Levcothea bildete die Heroldin des Frühlings / die fruchtbare Antope die Kinder-zeugende Schlüssel-Blume / die in den Narciß verliebte Echo die mit ihm an Farbe und Geruch kämpfende Meyen-Blume / oder Springauf / die mit ihren Sternen Krantze geschmückte Ariadne die Stern-Rose / Artemisia die weisse Beyfuß-Blume ab / in die sie verwandelt worden. Im andern Gliede der wie Napeen oder Wiesen-Nymfen unten grün-oben in Gold gekleideten gelben führte Venus die aus ihren Thränen entsprossene Anemone / Asterie die wie sie leuchtende Feld-Zwiebel / die Eyer-legende Leda die Gänse- die Chryfeis die ihr ähnliche Mooß- die geile Pasiphäe die reitzende Schooß-Wurtz-Blume auf. Das dritte Glied der rothen war die Oreaden oder Berg-Nymfen unten blau oben roth ausgeputzt. Die sich gleichsam von den Flammen speisende Thais prangte mit der Purper-Lilge von Susis / Juno mit der Blume des sie schwängernden Kuckucks. Smilax stellte mit der Winde-Blume ihre Verwandelung für; die flammende Aglaope die Zinober / und die von Golde geschwängerte Danae das hohe Gold der Maaßblume für. Im vierdten Gliede kamen die nach Art der unten grün oben blau gekleideten Nereiden oder Meer-Göttinnen gleichsam traurig herein die in eine Schilfblume verwandelte Syrnix mit ihrer blauen Schwerdt-Lilge /Aglaja mit ihrer Aglay / die in eine Kuh verwandelte Jo mit ihrer süssen Speise der Feilge / die wirthliche Penelope mit ihrer Küchen-Schelle / die für ihren Ehmann zu sterben begierige Alceste mit ihrer Maß-Liebe. Das fünffte Glied der scheckichten Frühlings-Blumen war nach Art der Dryaden oder Wald-Göttinnen mit bund geblümtem Damast vielerley Farben angethan. Die bald weinend bald lachende Andromache bildete die zugleich freudig- und traurigen Farben der Tulipane / die über der Schatten-Umarmung ihres todten Ehmanns sterbende Laodamia die brennende Liebe / die von ihres ermordeten Bruders Absyrtus Blute besprützte Chalciope die fleckichte Anemone von Chalcedon / die in Gold und Seide stückende Omphale / die von der Natur gewürckte Würffel-Blume / und die eitel mit Purper gekrönte Aepfel-bewachende Hesperethusa die Königs-Krone ab. Dem Frühlings-Wagen folgten im ersten Gliede der / wie tantzende Satyren in weiß-raucher Kleidung aufziehender weissen Frühlings-Blumen der sich bückende Narciß / und der den Schnee beschämende Hyacinth /jener mit der Blume / darein ihn seine eigene / dieser mit der / darein seine Leiche des Apollo Liebe verwandelt. Der weisse Brennus mit seinem ihm gleichen Schwerdte / der zerrissene Absyrtus mit seinem Ruhrkraute / und Tityus mit dem Leberklee / gleich als wenn er seiner vom Geyer unendlich gefressenen Leber darmit wieder zu Hülffe kommen wolte. Im andern Gliede der gelben / zeigte sich in Gestalt der hörnrichten Sylvanen oder Wald-Götter in grün-gelber Tracht Atlas mit dem Himmel-Schlüssel / gleich als wenn er die Macht hätte selbten zu öfnen / Bacchus mit dem ihm gewiedmeten Narciß-Stengel / Agamemnon mit seinem Königs-Spieße / Phaeton mit dem ihm an statt des Zepters zugeeigneten Sonnen-Stengel /[1378] und der wegen seiner Vogel / in die seine Gefärthen verwandelt worden / nicht weniger als wegen seiner Tapferkeit berühmte Diomedes mit dem gelb-blühenden Vogel-Neste. Das dritte Glied der rothen Frühlings-Blumen stellten fünf Feuer-roth ausgeputzte Priaper oder Garten-Götter für; unter diesen aber Crocus den Frühlings-Saffran / als die andere Beschaffenheit seines Wesens / und ein nebst seinen Gefärthen in Frosch verkehrter Lycier den Frosch-Stengel / der verliebte Acontius den Frauen-Handschuch / der bey Felsen und Bergen so unglückliche Athamas den Berg-Sanickel / und der durch ein Schwerdt nichts minder geheilete als verwundete Telephus das Blumen-Schwerdt. Im vierdten Gliede stellte in Gestalt Himmel-blau aufziehender Silenen der dem Apollo so angenehme Knabe Cyparissus das blaue Cypreß-Kraut / Adonis das der Liebe dienende Knaben-Kraut / der hundert Armen habende Briareus den nicht ärmeren und den blauen Himmel beschämenden Hyacinth / der geschundene Marsyas den Güntzel / Perseus das Sperben-Kraut; gleich als wenn dis alles weich machen solte / was er durch seinen Medusen-Schild in Stein verwandelt hat. Endlich erschienen im fünfften Gliede wie scheckichte Faunen der funfzig Söhne habende Danaus mit dem eben so Blumen-reichen Purper-Hyacinth / der verschlaffene Alectryon mit seinem ihn gleichsam aufweckenden Hahnen-Fusse; der geile Satyrus Corax mit dem scheckichten Satyrion / der Riese Titan mit seinem Sonnen-Auge / und der sorgfältige Sternen-Vater Astreus mit dem bundten Stern-Kraute.

Nach diesem Aufzuge erschien mit nicht geringerem Gepränge der Sommer. Sein Haupt war mit einem aus Weitzen-Eeren und Sommer-Blumen geflochtenen Krantze gezieret. Das Kleid war purperfärbicht. Am Wagen war der himmlische Krebs / der Löw und Astrea mit geblümten Sternen zu sehen. Den Wagen zohen zwey gantz zahme Löwen. Sintemal in den Blumen-Feyern keine grimmige Thiere gebraucht werden. Für dem Wagen prangten eben so viel weibliche Sommer-Blumen in obiger Nymfen-Tracht. Im ersten Gliede der weissen hatte die schneeweisse Liriope billich den Vorzug mit der glaubhaffter aus ihrer /als der neidischen Juno Milch gewachsenen Lilge. Sie begleitete Galathea mit ihrer gethürmten Milch-Glocke / die in einen Bär verwandelte Calisto mit der Bärenklau / Daphne mit der Lorber-blättrichten Harmel Raute / die schwartz-äugichte Phryne mit der Venus Augenbraue; als welcher Anadyomenisches und Gnidisches Bild nach jener Gestalt gefertigt worden. Im andern Gliede der gelben trug die Mutter der Aertzte Coronis die heilsame Moly-Blume / Vesta die feurige Gold-Lilge / die in einen Hund verwandelte Hecuba die Hunds-Nelcke. Die schwache Beroe stützte sich nut der als Gold-blühenden Stabwurtz / und die mit Kräutern geschäfftige Medea hatte die böse Blume. Das dritte Glied der rothen Sommer-Blumen bestand an der unersättlichen Aegiale mit der brennenden Nelcke / an der zur Flamme werdenden Psyche mit der Feuer-Lilge / an der zarten Mandane mit der Sammet- / an der blutigen Iphigenia mit der Scharlach-Blume / an der Erfinderin des Ackerbaues Polymnia mit ihrer Korn-Rose. Im vierdten Gliede der blauen folgte Ceres mit der Korn- die schwartze Caßiopea und Andromeda / mit der ihr gleichenden Boragen- Blume und Glocke / die traurige Minthe / zu der sie worden / und die Mutter der Musen Mnemosyne mit der Blume: Vergiß mein nicht. Im fünfften Gliede der scheckichten prangete die Susische Königin Sisygambis mit der Susianischen Schwerdt-Lilge / Iris mit der Regenbogen-färbichten Lischblume / die zur Spinne werdende Arachne mit der bundten[1379] Spinnenwebe / die Papegoyen-Königin Pandea des Indischen Hercules Tochter mit den blühenden Papegoy-Federn / Camille mit der Blume ihres Nahmens und letzten Wesens. Dem So er-Wagen folgten in obiger Bock- und Ziegen-Tracht eben so viel mäñliche Sommer-Blumen /und zwar im ersten weissen Gliede der schwartze Schlüssel-Gott Pluto mit der ihn desto besser abstechenden weissen Schlüssel-Blume. Sein fast ungewöhnlicher Gefärthe war Aristeus des Apollo und der Cyrene Sohn / welcher wegen des von ihm erfundenen Honigs das Bienen-Kraut erkieset hatte. Neben ihm war Neptun mit weissem Klee / weil er mit dessen Süßigkeit vielleicht die Bienen-Mutter Melissa zu mehrerm Beyschlaffe locken wolte; die Mauer und der Schirm der Stadt Troja Hector mit dem Königs-Spieße. Endlich der / Himmelstürmende Tiphon mit Hochmuth. Im andern Gliede der gelben befand sich der Sohn der Morgenröthe Memnon mit dem Sonnen-Wirbel; Orion mit dem heilsamen Scorpion-Schwantze / vielleicht: daß Diane ihn durch dis gifftige Thier nicht noch einmal tödten könne / Castor mit seinem Biber-Kraute / der Schiffer Aug-Apfel Pollux mit seinem güldenen Bacillen-Kraute oder Meer-Sterne / und Tithonus mit dem Blumen-Kraute: je länger je lieber; durch welches er die Morgenröthe bezaubert: daß sie ihn in seinem runtzlichten Alter so sehr als in seiner glatten Jugend lieben müssen. Das dritte Glied der purperfärbichten hielt der Urheber des Persischen Reiches Cyrus mit dem Pers- oder Scythischen Bunde / der scharffe Minos mit dem Bley-Kraute / der sich in einen Ochsen verwandelnde Jupiter mit dem Rind-Auge / der seine für ihn sterbende Alcestis mit täglichen Grabe-Liedern verehrende Admetus mit Ehren-Preisse / und der die Lufft einbisamende Zephyrus mit seinem blühenden Berg-Balsam. Im vierdten Gliede der blauen ließ sich der Kern der Grichischen Helden / Achilles mit Rittersporn / der lahme Silenus mit seinem Geißblatte / Corydon mit dem Augen-Troste der Schäfer / nemlich dem Quendel; der dem Hercules beliebte Hylas mit dem ihm / als dem Vorsteher des Badens / gewiedmeten Bade-Kraute / nemlich dem Lavendel / und der schwartze Cepheus mit dem Mohren-Kraute sehen. Im fünfften Gliede der scheckichten hatte ihm Alcidamas den Tauben-Fuß / darein seine Tochter verwandelt worden / der versorgende Triptolemus die Hauß-Wurtz / Morpheus den schläfrigen Mah / Vulcan das einen Zepter abbildende Erdspin nen-Kraut / weil er den ersten dem Jupiter so künstlich gemacht: daß die Cheroneer ihn göttlich verehret haben; und endlich der kriegerische Troilus das Schild-Kraut.

Hierauf erschien die Göttin der Blumen selbst in einem kleinen sich bewegenden Lust-Garten / darinnen die Gänge mit Inngrün und niemals verdorrendem Winden-Kraute umwunden / die Bethe mit allerhand Blumen besätzt waren. Gleicher Gestalt war ihr Rock aus tausenderley Blumwerck zusammen gestücket; auf dem Haupte aber trug sie einen Krantz von niemals verwelckenden Amaranthen. Bey diesem währenden Blumen-Aufzuge sang sie selbst mit einer durchdringenden Stimme:


Ich bin die Blumen-K \nigin /

Die Welt- und Himmels-Gårtnerin.

Denn Berg' und Thal / Gebůrg' und Wiesen fången

Die edlen Blumen nicht allein.

Sie wachsen in Kristall und Stein /

Sie lassen sich in Ertzt und Muscheln zeugen.


Die Flůsse / Seen und das Meer

Sind nicht von Klee und Feilgen leer /

Ja Vorwitz hat so wol die Pracht

Ansteinenen geblüm't / und Rosen aus Kristallen /

Als die sich in der Lufft versteinernden Korallen

Aus Thetys Schooß ans Licht gebracht.[1380]


So ist's auch nur ein Alb-Bild im Gehirne:

Daß einig Stern ein Bär sey oder Stier.

Der Erd-Ball stellt ja einen Garten fůr

Durch meiner Blumen irrdische Gestirne.

Der Himmel aber ist ein Garten / seine Sternen

Sind Blumen. Der neun hellen Sternen Glantz

War vor der Zeit der Ariadne Krantz.


So mögt ihr euch fůr mir schamröthig nur entfernen /

Ihr G \ttinnen der andern Jahres-Zeit;

Weil Ceres nur allein im Sommer Korn abmeiht /

Pomone nur den Herbst ausziert mit Obst-Gerichten /

Der Himmel auch nur prangt mit Blumen / nicht mit Frůchten.

Hingegen ist mein Schmuck des gantzen Jahres Kleid /

Den nicht der Reiff des Herbstes kan entfårben /

Der Sommer nicht versengen und verterben /

Des Winters Frost nicht tilgt / der alles sonst verschneit.


Kein Kraut / kein Baum bringt seine Frucht herfůr /

Die nicht vorher mit Blůth' und Blumen pralen.

Der Pomerantzen Purper-reiche Schalen

Sind doch beschämt durch ihrer Blůthe Zier.

Die Nuß giebt nach der Blume der Muscaten;

Und der Geschmack der Aepfel von Granaten

Weicht ihrer Blůth an Farben und Geruch.

Das fette Feld ist ein Schmaragden-Tuch /

Eh' als man kan einerndten reiffe Saaten.

Mein Blumwerck hegt so gar wie Trauben Wein und Most /

Dient Menschen zur Artzney / und Bienen zu der Kost.


Ja meiner Blumen Purper giebt

Der Lieb' ein Wohn-Haus ab / der Wollust eine Wiege.

Jedweder Stengel ist ein Merckmal ihrer Siege.

Denn alle Blumen sind verliebt /

Ihr gut Geruch ist ihrer Seele Sehnen /

Die Farb' ihr Brand / der Thau die Liebes-Thråuen.


Auf diese Blumen-Göttin folgte der Herbst in einer etwas ältern Gestalt. Er war gelbe gekleidet. Unter dem Arme hatte er zwar ein Horn des Uberflusses mit vielerley Baum-Früchten; aber es war eben so wohl mit Herbst-Blumen umbflochten / als sein Haupt darmit bekräntzet. An dem Wagen war die Wage / der Scorpion und der Schütze mit gestirnten Blumen gebildet / und selbten zohen zwey weisse Kühe mit vergüldeten Hörnern.

Für dem Wagen hielten gleicher gestalt fünff und zwantzig weibliche / und nach ihm so viel männliche Herbst-Blumen in ebenmässiger Nymphen- und Satyren-Tracht ihren Aufzug. Im ersten Gliede der weissen leuchtete die Königin und Göttin der Syrier Atargatis mit ihrer Damascenischen Musch-Blume herfür. Ihr both aber Tamyris mit der Serischen Mogorin / und beyden die bittere Myrrha mit der ihr nahe verwandten Socotrinischen Aloe beyden Kampf an. Diese begleitete Briseis mit der Schaf-Garbe / als einer ihrem liebsten Achilles angehörigen Blume; und die in eine Pappel verwandelte Phaetusa mit der Pappel-Blume. Im andern Gliede der gelben pralete Helena mit der nach ihr genennten und aus ihren Thränen entsprossenen Aland-Blume / weil sie durch selbte den Griechen und Trojanern die Vergessenheit alles ausgestandenen Ubels eingeflösset. Dido mit ihrer Africanischen Sammet-Blume / die sich ins Wasser stürtzende Ino mit der daraus entsprossenen Serischen Wasser-Lilge; die von der Sonne geschwängerte Königs-Tochter zu Babylon Levcothoe mit der Sonnen-Krone / und Lampetie mit der ihrer Mutter der Sonne gewiedmeten Rhein-Blume. Das dritte Glied prangte mit eitel Purper / und zwar das Auge der Dianischen Gespielen Opis mit dem Auge der Blumen / nemlich der Indianischen Nelcke; die in einen Wein-Stock verwandelte Staphyle mit der Wald-Rebe / die zum Felsen gewordene Aglauros mit der Stein-Nelcke / Dryope mit der Blumen- und fruchtreichen Staude / darein sie verkehrt worden / nemlich der Colocasia oder Egyptischen Bonen-Blume. Proserpina mit der unschätzbaren Peonie / mit welcher Peon ihren vom Hercules verwundeten Ehmann Pluto geheilet hat. Im vierdten Gliede der blauen erschien die durch den Blitz gebehrende Semele mit der Flamme Jupiters; Semiramis mit ihrer Rose von Jericho / die versteinerte Niobe mit ihrer blauen Stein-Wirbel-Blume / die über ihrem Rocken sitzende Alcithoe mit ihrer Lein-Blume; welche diese Liebe[1381] nicht vergessen kan / ungeachtet sie darüber zur Fleder-Maus / und ihr Gespinste zu Weinreben worden. Für allen andern aber gläntzte die von dem Preiße nichts minder / als ihre Blume den Nahmen führende Clymene mit der preißwürdigen Jucca. Im fünften Gliede der scheckichten führte die verliebte Clytie diß / worzu sie worden war / nehmlich die sehnsüchtige Sonnen-Wende; die nasse Cymodoce die Feld-Rose / darein der von ihr erzogene Adonis verwandelt worden; Melissa ihre den Bienen so angenehme Melissen-Blume; die bald über bald unter der Erde scheinende Hecate / die Tag und Nacht auf ihren Blättern habende Indische Nelcke; über alle andere aber ragte die rennende Atalanta mit ihrer Atlantischen Aloe das Haupt gegen dem Himmel; welche alle Blumen an Höhe und Geschwindigkeit des Gewächses übertrifft. Unter den männlichen hatte in dem Gliede der weissen Jason mit dem Jasmin / welchen er nebst dem güldenen Wieder als ein seltzames Kleinod mit aus Colchis gebracht / nebst ihm sein scharffsichtiger Reise-Gefärthe Lynceus mit Augen-Troste; der Fischer Glaucus mit seinem vergötternden Ibisch; der geitzige Myrtillus mit dem Silber-Eneas mit dem Asch-Kraute / dardurch jener sein / dieser seines Vaterlandes Unglück ihm indenck machte. Im andern Gliede der gelben hatte der sich in einen Brunn verwandelnde Acis sich mit den Brunnen-Blumen / nemlich Narcissen / Phryxus sich mit dem vom güldenen Wieder gefärbten Berg-Saffran / der von der Morgen-Röthe geliebte Cephalus mit dem Hauptstärckenden Gold-Jasmin aus Morgenland / der Bären-Hütter Arcas mit Bären- und Midas mit Heidnischem Wund-Kraute oder der güldenen Rutte ausgeputzt. Im dritten Gliede der purpernen zeigte sich Sardanapal mit dem Serischen Blumen-Könige /gleich als wenn diese Blume ihn des König-Tittels würdig machen solte. Porus wieß sein Indianisch Blumen-Rohr / der Schiffer Argus seinen Colchischen Herbst-Stengel / Calanus das Indische Bilsen-Kraut /Cissus den Cilicischen Epheu / darein er verwandelt worden. Das vierdte blaue Glied bestand am Philoctetes mit dem kräfftigen Flecken-Kraute / wormit des Vulcanus Priester ihn von dem bey des Smyntheischen Apollo Altare empfangenen Schlangen-Stiche heileten; Priamus tröstete mit dem erfreuenden Kraute Nepenthes / damit er ihm alle Betrübnüsse verzuckert; Geryon nach dem ihm vom Hercules abgenommenen Ochsen mit der in seinem Gebiete wachsenden Ochsen-Zunge; Amphion hatte das vom Mercur empfangene Bingel-Kraut / durch dessen Hülffe er nach verlohrnen funfzig Kindern seine verzweifelnde Niobe noch einmal fruchtbar machen wolte. Endlich prangte der Geist des Indischen-Flusses Tubero mit seinem aus knollichter Wurtzel wachsenden Hyacinth-Stengel. Das letzte Glied der männlichen Herbst-Blumen beschloß der wegen verrathener Proserpina in eine Nacht-Eule verwandelte Ascalaphus mit Nacht-Schatten / der zur Schlange wordene Cadmus mit seinem Drachen- und Schlangen- / Eupator mit seinem erfundenen Hanff-Pyramus mit dem von seinem Blute befleckten Wiesen-Kraute. Zuletzt ließ sich Ajax mit dem Herbst-Hyacinth; worauf sein Nahme gewachsen / sehen / und meynte darmit für allen Sterblichen so wohl als die Blume für andern einen Vorzug zu haben.

Endlich erschien in den Schrancken der graubärthichte Winter / dessen Krantz aus Winter-grün / das Kleid aus Buchsbaume zusammen gewunden war. Am Wagen standen mit gestirnten Blumen der Steinbock / der Wassermann und die Fische gebildet; ihn zohen zwey beschneyete Renn-Thiere. Vor und hinter dem Wagen zohen gleichfalls in obiger Kleidung funfzig Blumen auf / welche[1382] entweder das gantze Jahr durch / oder nur im Winter blühen und grünen. Im ersten Gliede der weiblichen weissen erschien die vom Jupiter in einen veilgen-farbichten Ochsen verwandelte Isis mit der weissen Hornungs-Veilge / die ihr gleich-gestallte Europa mit der Kalb-Lischblume / die vom Schnee den Nahmen führende Chione mit den Schnee-Tropfen; die schnee-weisse Levcoja mit der ihren Nahmen führenden frühen Zeitlose; Deianira mit der ihrem geliebten Achilles gewiedmeten Edelgarb. Im andern Gliede ließ sich die gelbe Xantho mit der gelben Hornungs- die unverwundliche Cönis mit der Drat-Blume / Scyalle mit der Meer-Zwiebel / darein sie verkehrt worden / Euphrosyne des Eteocles Tochter mit der Garten-Zypresse /darein sie verwandelt worden; die Königin des Taurischen Chersonesus Hecate / die Erfinderin der giftigen Kräuter mit der giftigen Nelcke aus Indien sehen. Das dritte Glied der rothen führte Candace mit der Strauß-Feder / die wäßrichte Arethusa mit der Erd-Aepfel-Blume; die nicht-weniger brennende / als schöne Cleopatra mit der Scharlach-Nessel; die zu Anschauung der Gestirne gleichsam geborne Aglaonice mit der der Soñe folgenden Ringel- und Arsinoe mit ihrer aller Fäulnüß und Gifft widerstehenden Kreutz-Blume; dardurch ihr Bruder so wol für den Würmern ihre Leiche verwahret / als durch das Magnetische Gewölbe ihr eisernes Bild im Alexandrinischen Tempel schwebend in die Lufft gezogen hat. Im vierdten Gliede der blauen gab Thysbe mit der von ihrem Blute besudelten frühen Mertz- die aus der Höllen herfürkommende Eurydice mit der in blauer Trauer gehenden Hornungs-Blume; die sich und ihren sie besteckenden Vater durchstechende Cyane mit der schwartz-blauen Früh-Veilge; die ihr gleichende Lucretia mit der Degen-Blume ihre Bestürtzung in Tag. Die den Jupiter mit Ziegen-Milch und Honig auferziehende Amalthea hatte die Geiß-Blume. Das fünfte Glied der scheckichten bestand an der blättrichten Phillodoce mit der Blumen-reichen Zaum-Glocke / an der ihres Hauses Unglück webenden Philomela mit der Spinn-Blume; an der die Menschen in Löwe /Bären und Tiger verwandelnden Circe / mit der fleckichten Tiger-Blume. Die bestürtzte Progne und Procris weiseten die mit ihrem Blute betröfelte frühe Mertz- und Hornungs-Blume. Unter den männlichen führte das weisse Glied das Schoß-Kind der Venus Paris mit dem Frauen Haare; der für Liebe gegen die silberne Argyra zerflüssende Silemnus mit dem Silber-Blate; der zu ewigem Froste vergebens gewiedmete / und durch eigene Hand erblassende Atys mit dem Winter-Hyacinth; der schöne aber unglückliche Astyanax mit dem Winter-Narciß; der Hirte Theodamas mit der Hirten-Tasche oder dem Blut-Kraute /damit er seinen vom Hercules empfangenen Wunden das Blut zu stillen bemühet ist. Im andern Gliede der gelben erschien Icarius mit seinem Trauben-Hyacinth / mit dem er sich statt des vom Bacchus empfangenen Wein-Stocks vergnügen muste / weil er sich dessen so schädlich mißgebraucht / Lycaon mit seinem Wolffs-Stengel / Nisus mit dem Winter-Saffran umb die ihm zum Verterben von seiner Tochter Scylla abgeschnittenen Haare zu ersetzen; der frühzeitige Herrscher Icarus mit dem gelben Winter-Narciß / und der von seinen gelben Haaren berühmte Menelaus mit Wintergelbe. Im dritten Gliede trug der weise Pherecydes den niemals verwelckenden Amaranth oder Tausendschön; dardurch dieser erste Lehrer dieses Geheimnüsses in Griechenland die Unsterbligkeit der Seelen vorbildete. Machaon den gesunden Bathengel /[1383] der weise Jäger und Schütze Chiron mit dem Niese-Kraute / damit er seine Pfeile anzumachen pflegte; der Hunds-Stern Sirius mit dem Hunds-Zahne / und Acteon mit dem gelben Winterlichen Hahnen-Fusse. Das vierdte Glied der blauen bestand am Archimedes /welcher als der Haupt-Künstler in Spiegeln ihm den Frauen-Spiegel zugeeignet hatte. Der vom Löwen zerrissene Jäger-Knabe Hyas hatte ihm den Winter-Hyacinth; der vom Rauche den Nahmen führende ungeheure Sohn der Erde Typheus den Erd-Rauch / Zevxes den Garten-Scharlach / und wegen des ihm gewiedmeten Hahnes Esculapius den blauen Winter-Hahnen-Fuß. Endlich kamen die bundten Winter-Blumen auch ans Licht / und zeigte sich der gütige Chrysanthes mit dem güldenen Klee / Alcydes seiner geliebten Omphale zu Liebe mit dem nach ihr genennten Nabel-Kraute / Hyrius mit dem Harn-Kraute zum Gedächtnüsse seines aus der Götter Garne gezeugten Sohnes Orion / Cinyras der Myrrha Ehmann mit dem Mastich-Kraute / und sein das köstliche Balsam-Geschirre zerbrechende Knabe Amaracus mit dem Winter-Majoran / darein er aus Bestürtzung verwandelt wor den. Alle vorerwehnte Personen hatten von denen ihnen zugeeigneten Blumen auf dem Haupte und umb beyde Armen Kräntze / welche entweder natürlich oder von Seide waren.

So bald die Blumen-Göttin ihren Gesang geendigt hatten / fiengen auf einem zwölffeckichten Thurme /welcher nach dem vom Andronicus zu Athen erbautem gemacht zu seyn schien / und an ieder Seite eines Windes Bildnüß hatte; die West- und Mitternacht-Winde / derer jene ein Lufft- diese ein Wasser-farbenes Drey-Eck in der Hand führten / mit Paucken und einer Art Posaunen ein kriegerisches Gethöne an /welche denen Hispanischen Narcissen gantz ähnlich waren / die über ihre sechs ausgebreitete Blätter einen langen holen Hals hervor streckten; gleich als wenn die Werckzeuge / wordurch die Ohren vergnügt werden solten / nach denen die Augen so sehr erfreuenden Blumen gebildet werden müsten. Nach diesen hielten die vier Theile der Welt umb die Blumen-Göttin herumb ein sehenswürdiges Rennen / worinnen die Rehe / die Löwen / die Kühe und Renn-Thiere sich in denen schnellen Umbwendungen und Ringel-Drehungen nicht anders als zugerittene Pferde herumb werffen liessen. Endlich setzten sie sich harte an die Blumen-Göttin an / und zwar der Frühling gegen Morgen / der Sommer gegen Mittag / der Herbst gegen Abend / der Winter gegen Mitternacht. Nach welcher Ordnung sich nunmehr die Blumen der vier Zeiten ausbreiteten. Der auf vorerwehnten Thurmes Spitze stehende Triton wendete sich hiermit gleichfalls umb gegen die Mittags- und Ost-Winde; derer jene ein feuriges / diese ein grase-grünes Drey-Eck zum Zeichen hatten /beyde zusammen aber liebliche Seitenspiele anstimmeten. Hierzu fiengen an allen vier Enden die Blumen einen lustigen Tantz an / in welchem die weiblichen Blumen sich mit denen männlichen bald vermengten /bald wieder absonderten / und zwar so künstlich: daß man iedesmals ihre genau beobachtete Ordnung nach ihren fünferley Farben unterscheiden konte. Beym Ende ieden Satzes stellten sich die männlichen und weiblichen absonderlich; und kam iedesmals in das Mittel eine andere Blume / umb welche die andern Blumen ihrer Farbe einen Kreiß machten / und sich gegen ihr als ihrer Fürstin neigten. Die anderfärbichten Blumen aber bildeten mit ihrer artlichen Stellung die Gestalt der so denn in der Mitte[1384] stehenden Blume ab. Diese Abwechselung geschahe fünf und zwantzig mal / also: daß einer ieden Blume unter denen zweyhunderten diese Verehrung wiederfuhr. Nach diesem Beschlusse fieng die Blumen-Göttin an dieses Innhalts zu singen: Weil die vierfüssigen Thiere den Löwen / die Vogel den Adler / die Sternen die Sonne /die Bienen den Weisel / die Bäume den Oel- oder Granat-Apfel-Baum für ihren König erkennten; und die Blumen ihre Lüsternheit hiernach in dem Tantze an Tag gegeben hätten / wäre ihr Vorsatz ihnen allen ein gleichmässiges Ober-Haupt zu erkiesen. Dieser Vortrag erregte unter den Blumen einen allgemeinen Ehrgeitz solche Würde zu erlangen. Als diese nun unter einander herumb irreten / redete der Frühling singende denen Seinigen das Wort / und führte an: Seine Blumen hätten das Recht der Erstgeburt; der Lentz wäre der eigentliche Vater der Blumen. Sie verdienten so wohl ihrer Schönheit / als Anzahl halber den Vorzug. Denn er hätte allein so vielerley Arten Narcissen / Hyacinthen und Anemonen / als die andern Jahres-Zeiten gar mit einander Blumen. Seine Zeit wäre auch an ihr selbst der Anfang der Welt / die Jugend des Jahres / der Bräutigam der Liebe / und eine rechte Mutter der Wollust. Der Sommer hingegen meynte zu behaupten: Die Frühlings-Blumen wären nur ein Vortrab und Trabanten der recht schönen Sommer-Blumen; ja unzeitige Früh-Geburten des noch unvollkommenen und sich von der Kranckheit des Winters kaum ein wenig erholenden Jahres. Jene wären auch als Töchter einer ohnmächtigen Mutter allzu vergänglich; und flüchtiger als die Calingischen Weiber in Indien; welche zwar im fünften Jahre schwanger würden / aber das achte nicht überlebten. Denn der Frühlings-Blumen Alter erstreckte sich selten über einen Tag. Ja die schönsten unter ihnen hättẽ entweder wie die Tulipen keinen / oder einen schwachen Geruch. Da hingegen die Sommerblumen länger tauerten / und mit ihren Farben nicht nur die Augen bezauberten / sondern mit ihrem Geruche die Lüffte einbisamten. Alle andere Jahres-Zeiten wären zu frostig diese Wunder-Gewächse vollkommen auszukochen. Westwegen in dem hitzigen Cyrene die Blumen besser / als nirgends anders wo rüchen; hingegen selbte in dem wäßrichten Egypten meist Miß-Geburthen ohne Geruch wären. Der Herbst widersprach beyden / und führte an: Er wäre der Vater der Vollkommenheit; die schönsten Blumen rasteten nichts minder / als die vollkommensten Thiere lange in der Schoß ihrer Mutter. Seine ergetzten nicht nur wie die eitelen Frühlings- und Sommer-Blumen das Gesichte; vergnügten den Geruch mit ihrem Bisame; sondern sie sättigten auch mit ihrer Speise / und gäben durch ihre Krafft heilsame Artzneyen ab. Mit einem Worte: Alle andere gefielen meist nur dem Vorwitze / oder dienten bloß zur Wollust / seine aber zum Nutzen. Endlich meynte der Winter niemanden etwas bevor zu geben; sintemal seine mitten aus dem Schnee herfür wachsende Blumen gegen alle andere Wunderwercke wären. Andere Blumen erlangten ihre Zierden aus der Güte des Himmels; die Winter-Blumen aber aus ihrer eigenen Wurtzel Fürtreffligkeit; also: daß Sturm /Schnee und Eiß / welche andere Blumen in einen Augenblicke zernichteten; seiner Blumen Geburt nicht hindern / weniger ihrer Zierde schaden könten. Wie nun diese und andere Gegen-Sätze die strittigen Jahres-Zeiten nicht vereinbaren konten; rennten sie von einander / und rufften ihren Blumen zu: daß sie die Waffen ergreiffen solten. Zum ersten traff der Frühling und Herbst gegen einander; da denn jener auf[1385] diesen / als sie neben einander vorbey jagten / mit Karten-Disteln / dieser auf jenen aber mit Granat- und andern Aepfeln warff. Ihre Blumen traffen auch von Gliede zu Gliede auf einander / und zwar warff iede Blume mit einem Püschel Blumen auf seinen Feind /welche alle ihrer Farbe waren / nemlich die weissen mit weissen / die rothen mit rothen und so fort. Sie verwechselten aber ihre Glieder derogestalt: daß allemal zweyerley Farben Blumen gegen einander fochten / und also durch solche Vermischung so wohl der Blumen an sich selbst / als ihrer unschädlichen Kugeln / die Augen sich überaus erlustigten. Auf gleiche Weise traten nun auch bald der Sommer und Winter gegen einander. Des Sommers Geschoß waren Schwämme / des Winters die so genanten Schnee-Ball-Blumen. Und folgten beyder Zeiten Blumwerck mit gleichmässigem Gefechte. Wie sich nun iedes Theil nach einander herumb schwang / fielen der Frühling und Sommer / der Herbst und Winter / das dritte mal der Frühling und Winter / der Sommer und Herbst mit denen nachfolgenden Blumen einander an. Diesen Kampf aber unterbrach die Blumen-Göttin mit ihrem nichts minder lieblichen Gesange / als anmuthigem Antlitze; darinnen sie denen Jahres-Zeiten zu verstehen gab: daß ehe einer ieden Zeit Blumen mit fremden umb den Vorzug kämpften; sie unter sich selbst einen König erwehlen solten. Diese Anweisung erregte unter denen Blumen einen vierfachen bürgerlichen Krieg; indem keine Zeit-Blume so klein oder niedrig war; die ihr durch eine ehrsüchtige Heucheley nicht wie der Schnee-König für dem Adler ein Vor-Recht zueignete. Unter denen Frühlings-Blumen trug das Haupt überaus empor die zweyfache Anemone. Die Chalcedonische rühmte sich: Sie wäre aus dem Schnecken-Blute des Adon; die blassere: Sie wäre von denen Thränen-Perlen der Venus entsprossen; sie prangte nicht nur mit dem Königlichen Purper / sondern mit allen andern hohen Farben. Sie beschämte mit ihren Spiegeln die Pfauen-Schwäntze; ja man hätte ihr auch fürlängst den Königlichen Titul beygelegt. Vom linden West-Wind wäre sie für seine Braut erkieset worden / dem sie nur die Liebe thäte: daß sie bey seiner Ankunft sich öffnete / sonst aber als ein Bild der Keuschheit sich verschlossen hielte. Andere Blumen wären auch nur Kinder einer einigen Jahres-Zeit / sie aber blühete nach dem Unterschiede ihrer eingesetzten Zwiebel im Frühlinge / im Sommer / im Herbst / ja gar im Winter. Der Anemone both der Narciß-Stengel männlich die Stirne / anführende: Er wäre aus dem schönsten Jünglinge der Welt in eine nicht heßlichere Blume verwandelt. Wie er in der ersten Gestalt aus einem eyß-kalten Brunnen eine übermässige Flamme der Selbst-Liebe geschöpft hätte /also könte kein Auge seinen belebten Schnee anschauen / das nicht gegen ihn entzündet würde. Die Natur hätte ihn nicht ohne Ursache mit einem so ausgestreckten Kamel-Halse begabet; wormit er die andern Blumen gleichsam als seine Unterthanen übersehen könte. Er zählte / wie fast alle andere / seine Blumen nicht einzelich; sondern er hätte auch solche Stengel / welcher iede der neun Musen mit einer Narcisse beschencken könte. Diesem widersetzte sich aufs eifrigste die Tulipane mit dem Einhalte: Andere Blumen möchten sich mit einer ertichteten Tobten-Farbe seltzamer Verwandlungen schmücken; sie hätte die künstlichste Mahlerin die Natur mit mehr als zweyhunderterley Farben ausgeputzt / also: daß weder das Gold der Sterne / der Saphier des Himmels / der Schmaragd der Erde / die Perlen[1386] des Meeres / die Rubinen der Schnecken / noch alle andere Farben durch ihre Vermischungen gegen ihr zulangten; zumal sie noch alle Jahr neue Farben / wie Africa neue Wunder gebehre; sie hätte auch nichts an ihr / was nicht etwas göttliches wäre / auser die Sterbligkeit. Wiewohl es der meisten Blumen Eigenschafft wäre in einem Tage ein Kind und ein altes Weib seyn; oder wenn sie lange tauerten / lägen sie heute in der Wiege / morgen kriegten sie Runtzeln / übermorgen würden sie zu Leichen. Der männliche Hyacinth lächelte hierüber / und warff ein: Ihn wunderte: daß der Narciß / dessen Wesen in nichts / als im Wasser bestünde / massen diß vorher seine Mörderin gewest wäre / und noch immer seine Amme abgäbe / oder auch die Tulipane mit ihren vergänglichen Farben ihrer Hoffart eine Farbe anstreichen wolte; da sie doch selbte nicht übers andere Jahr ohne Hülffe der Kunst unverändert zu behalten wüßte; sondern endlich alle Vermischung in eine Bauer-Röthe oder Gelbe-Sucht abschüsse. Sie wäre ein lebloses Gewächse. Denn eine Blume ohne Geruch gleichte einem Leibe ohne Seele. Bey trübem Himmel liesse sie den Muth / bey nassem Wetter das Haupt sincken / bey der Hitze die geistlosen Blätter fallen. Der Hyacinth hingegen prangte fast mit allerhand Farben / aber beständig. Er wiese sich auf einem Bäthe wie Scharlach / auf dem andern wie Perlen. Bald bildete er mit seiner Ascher-Farbe einen die Asche beseelenden Fenix / bald mit seinẽ Berg-blau als ein Archimedes den Himmel / mit seiner Röthe die Wangen der Liebe / mit Vielheit seiner Blumen eine fruchtbare Kinder-Mutter / mit seinem Geruche das gantze wohlrüchende Arabien / und eine schier verschwenderische Wohlthäterin ab. Die Phönicier hätten von seiner Farbe das Muster genommen aus Schnecken-Blute den Königlichen Purper zu färben; die Agathyrsen und die Periegeten in Indien rühmten sich die schönsten Leute in der Welt zu seyn / weil ihr Haar denen unvergleichlichen Hyacinthen gleichte. Seine Gemeinschafft mit der Sonne bestätige: daß sie ihn aus einem ihr lieben Knaben in eine so holde Pflantze verwandelt habe; ja die klaren Buchstaben mit Königlichem Blute auf seinen Blättern: daß er nichts minder ein König der Blumen / als eine Geburt des verwundeten Ajax sey. Die Königs-Krone warff sich hierauf für eine Königin auf; sintemal diese Würde ihr nicht allein die Höhe ihres Stengels / der Purper ihres Kleides / das Gold seiner inwendigẽ 6. Zepter / sondern die gantze Welt durch den zugeeignetẽ Nahmẽ der Königlichen Krone zuerkennte. Welcher Eigenschafft sie auch darmit abbildete: daß sie in iedem Blate zwey perlene Hügel hätte / woraus sie bey Regen- und hellem Wetter stets süsse Tropfen abthränete; zu einem nachdencklichen Merckmale: daß die Kronen auch Quellen der Thränen wären. Alle Hecken erkennten den Egyptischen Dorn-Strauch für ihren König / weil ihre Blätter sich von der Zeit an wie Königs-Kräntze zusammen wickelten; da die über dem Tode des Tithonus bestürtzten Mohren ihre Kräntze auf selbigen Strauch geworffen hätten. War umb wolte man denn ihr die Ehre mißgönnen / wormit sie der Himmel beschenckt / die Natur ausgeschmückt hätte? Aber der güldene Sonnen-Stengel meynte nichts minder unter dem Geblüme / als das grosse Welt-Auge unter den Sternen die Ober-Stelle zu verdienen; der Königs-Krone aber / welche nach Knobloch und Böcken stincke / keinen Fuß breit zu enträumen. Denn wäre sie eine Krone; so wäre er ein Zepter; welches ein eigentlicher Merckmal der Herrschafft als jene wäre. Jupiter und Apollo bedienten sich dessen selbst im Himmel; und Agamemnon wäre von den Göttern selbst damit beschencket worden. Das Sonnen-Auge[1387] wolte nichts minder allen vorgehen. Denn die Soñe wäre das Auge der Welt; seine Blume aber ihrer Schönheit halber gleichsam die Sonne / und also ein rechter Spiegel der Blumen / wie das Auge der Natur. Allein diesen Riesen bot die Zwergin die Meyen-Blume Kampf an; und meldete: Sie suchten ihre Hoheit nur aus der Schale ihres prächtigen Nahmens zu behaupten; sie aber aus ihrem fürtreflichen Wesen. Denn sie wäre die rechte Thal-Lilge / und so voll Geist: daß wie an der Nachtigall mehr Gesang als Vogel / also an ihm mehr Geruch als Blume wäre. Dahero sie nichts minder wegen ihrer vereinbarten Tugend / welche die Lebens-Geister der Ohnmächtigen selbst wieder beseelete / ja die Leiche des Eßigs in heilsame Stärckung verwandelte / allen grössern Blumen als eine Dattel einem Kirbse / und der Paradis-Vogel einem Trappen vorgezogen zu werden verdiente.

Unter denen Sommer-Blumen erhob sich keine geringere Zwytracht. Die Lilge rühmte sich eine Königin aller Blumen; weil sie aus der Milch der Götter-Königin / nemlich der cypersüchtigen Juno entsprossen; ihr Stengel der höchste / ihre Farbe die vollkommenste / ihr Geruch kräfftiger als Balsam / ihre Thräne ihr selbst eigener Saame; ihre Blätter voll Oel und Salbe / ihre Krafft eine nützliche Artzney / ihr Safft ein Ursprung des Honigs; und sie inwendig mit Golde gekrönet / und an statt der Dornen mit Anmuth gewafnet wäre. Die sich für eine Lilge rühmende Meyblume wäre gegen ihr ein kaum sichtbarer Kriepel / und noch dazu unfruchtbar. Denn seine Blumen hätten keinen Saamen / und stürben durch ihre Verwelckung nicht nur ihr / sondern gar der Nachwelt ab. Daher diese pucklichte Zwergin mit ihrem gebückten Halse sich gar billich für ihr in düstere Thäler verkrieche. So feind die Bienen dem Oele sind / so entrüstet stellte sich auch das Bienen-Kraut gegen die ölichte Lilge. Es führte für sich an: daß es das Labsal der keuschen und gerechten Bienen / und der Brunnquell des Honigs wäre; wormit die heilige Priesterin der grossen Göttin Jupitern auferzogen / den Sterblichen den Zucker des himmlischen Nectars zugefrömet / ihnen ein Mittel das Leben zu verlängern / und ihre Leichen für der Fäulnüs zu verwahren / ja sich von Sünden und Traurigkeit rein zu bewaschen geschencket hätte. Seine Blume und Kraut wäre ein Tod der Traurigkeit /eine Uberwinderin des Gifftes / und eine Aertztin aller Frauen-Kranckheiten. Die Susianische Schwerdt-Lilge rückte dieser hingegen für: Wie das Honig ein Bild des Todes wäre; also wäre auch an seiner Blume nichts lebhaftes. Sie hingegen wäre auf Erden / wie der Regenbogen im Himmel ein Begrief aller schönen Farben / ein Wunder der Augen / und eine Königin der Blumen / wie ihr Vaterland Persien / anderer Länder. Alleine sie ward von der Nelcke verhönet uñ ermahnet: Sie möchte sich mit ihrer wäßrichten Eitelkeit für ihrem Feuer nur unter das Wasser des Flusses Euleus verkriechẽ / und aus ihres Vaterlandes breñenden Hartztbruñen mehr Feuer an sich ziehen. Deñ der Nelcken starcker Würtz-Geruch wäre ein selbstständiger Geschmack der Indianischẽ Nägel. Alle Farben der Welt müsten ihr zum Pinsel dienen /dadurch er sich öfter / als Proteus verkleiden könte. Und wie kein Apelles mit seinem Pinsel ihre Schönheit ausdrücken könte / also wäre sie der rechte Mahler der Gärte. Beyden widersprach ins Antlitz das Knaben-Kraut: die vielen Farben der Nelcken wäre eine gemeine Kleider-Verwechselung; das Knaben-Kraut aber bildete auf seinen vielen Blättern die Gestalten allerhand Thiore / ja der Männer und Weiber mit einer wundersamen Röthe ab. Seine Kräfften überstiegen das Vermögen aller andern Pflantzen. Denn sie zündeten in denen eyskalten Adern den Zunder der Liebe an; und machten[1388] gleichsam die todten Steine rege und lebhafft. Dahero sie die Liebe nicht nur auf der Welt den Blumen; sondern auch allen Einflüssen der Gestirne vorzüge. Alleine die gelbe Molyblume rühmte sich ein Kind des Mercur / und eine Uberwinderin aller Zauber-Künste zu seyn; welche auch den Monden aus dem Himmel zu ziehen / und die Sonne zu beflecken vermöchte. Durch sie hätte Mercur Ulyssen von allen Zauber-Künsten der Circe befreyet / und also wären ihre Kräfften so wenig mit Golde zu bezahlen / als ihre Farbe des edelsten Ertztes Glantze was nachgäbe. Für dieser aber meinte noch zu gehen die Peonie; welche ihr aber vielmehr mit dem Nahmen der Königs-Blume heuchelte / und sich rühmte: daß sie nichts minder wegen Vielheit der Blätter / und ihrer Scharlach-Röthe eine Königin / als eine Tochter schattichter Berge / und eine Mutter der Gesundheit wäre. Daher die Artzney-Kunst nicht weniger von ihr / als ihrem Bruder dem eben diesen Nahmen führenden Steine / der die Weiber fruchtbar machte / und die Geburt erleichterte / einen Titel geborgt hätte. Hierwider aber sätzte sich der Sonnen-Wirbel; als welchem ein unbenehmliches Vorrecht geben solte: daß er durch eine verborgene Zuneigung eine richtige Sonnen-Uhr / und eine beseelte Leiche der verliebten Clytie abgäbe; also auch bey wölckichtem Himmel niemals sein Ziel der güldenen Sonne fehlen könte; des Nachts aber aus einer traurigen Sehnsucht die Blume gantz zusammen züge. Er hätte die Eigenschafft den gifftigen Schlangen und Scorpionen zu widerstehen / und die Ameissen zu tödten. Uber dis stritten für seinen Obsieg die niemals verwelckenden Blätter; da fast alle andere früh in der Wiege liegende Blumen / des Abends schon in Sarch kämen. Da aber die Verwandschafft einiges Vorrecht geben könte / hätte er einen verschwisterten Stein /der von der Natur mit blutigen Sternen besämt wäre /der der Sonne einen Spiegel abgäbe / ihre Finsternüsse zeigte / im Wasser ihre Strahlen erhöhete / und den Zauberern zur Unsichtbarkeit diente. Allein auch diesem wolte sich das Stern-Kraut fürzücken / weil selbtes auch die Finsternüs der Nacht zu bemeistern / und dardurch dem Gestirne gleich zu werden wüste. Endlich warf sich auch die Blume der welschen Bärenklau für eine Königin auf; und rühmte ihre Schönheit daher: daß die fürtreflichsten Bildhauer ihre zierlichen Blätter in die köstlichsten Marmel- und Ertzt-Seulen einätzten.

Nichts minder gieng der Krieg unter den Herbst-Blumen an. Denn die Damascenische Musch-Blume meinte: daß ihre Farbe ein Ebenbild der Keuschheit /ihr Geruch aber der Kern des wolrüchenden Musches wäre. Die Griechische Aloe rühmte nichts minder ihre Gestalt / als den bittern Safft ihrer Wurtzel wegen seiner heilsamen Artzney-Krafft / und daß er durch unversehrliche Erhaltung der Leichen die Vergängligkeit entkräfftete. Der Jasmin hingegen rühmte sich Krafft seines Geruches eine Seele der Entseelten; Krafft seiner unzählbaren Blumen gleichsam ein Briareus zu seyn; welcher mit hundert Armen seine Schönheiten ausbreitete. Allein diese vergeringerte die Mogorin-Blume / welche sich für eine Einbisamerin gantz Indiens hielt / und den Jasmin / der Gestalt nach / zwar für ihren Bruder erkennte / mit einer Blume aber ein gantz Hauß anzufüllen / und also tausend Jasminen wegzustechen vermeinte. Die preißwürdige Jucca erkennte den Jasmin und die Mogorin zwar für ihr Geschwister / aber sie hätte das Recht der Erst-Geburt /und die Kräffte einer Blumen-Riesin. Denn sie triebe ihren Stengel drey Füsse hoch / und der Vorrath ihrer wolrüchenden Blumen machte sie zu der reichsten unter allen Herbst-Blumen. Ihre öfftere Fruchtbarkeit aber züge sie der nur einmal gebährenden Atlantischen Aloe für.[1389] Allein diese hierdurch angestochene Riesin reckte über alle Blumen ihr Haupt empor / und meinte den königlichen Krantz keiner andern zu gönnen. Sintemal sie / bey der zwar langsamen / aber es reichlich-einbringenden Geburt ihres Blumen-Stengels / an geschwindem Wachsthum die Zedern übereilte / und an Menge der wolrüchenden Blumen es allen in der Welt zuvor thäte / ja ihre Kinder zu hunderten zehlte. Gegen dieser aber lehnte sich der grosse Hyacinth mit den knollichten Wurtzeln auf / und stellte ihr zum Gebrechen aus: daß sie alsdenn erst Blumen brächte / wenn sie ein funfzig- oder hundert-jährig altes Weib würde; also ihren wolthätigen Pflantzer ins gemein mit vergebener Hoffnung speisete / und meist ehe ihn sterben ließe / ehe sie schwanger würde; ja mit ihrer ersten Geburt auch alsofort untergienge und verdorrete. Sie hingegen trüge alle Herbste nicht viel weniger Blumen / als die Aloe; also: daß ihr mit Gewalt und schier sichtbar emporstossender Stengel den Nahmen eines gantzen Blumen-Gartens verdiente. Seiner BlumẽGeruch überträffen dẽ der Aloe und der Jasminen. Er vergleichte sich der kräfftigsten Pomerantz-Blüte / ja wenn die untergehende Soñe andern Gewächsen fast allen ihren Geist entzüge / vergrösserten seine Blumen ihre Balsam-Krafft / umb die gleichsam ohnmächtige Welt die Nacht über zu erquicken. Nach diesem stellte sich auch der Saffran zur Schaue; anziehende: daß mit seinen güldenen Haaren die Liebes-Göttin ihre untermengte; seine güldene Eeren noch die Fruchtbarkeit der güldenen Zeit abbildeten / und die Welt in ihn noch so verliebt wäre / als jemahls das Epheu gewesen. Er hätte die Krafft die Trunckenheit / ja die grausamen Krokodile zu vertreiben; die Ehre die Schauplätze einzubisamen; und die niedlichsten Speisen anzuwürtzen; die Wunden zu heilen / oder auch gar der Traurigkeit abzuhelffen. Westwegen nichts minder die Eumenides / als Ceres den Saffran ihnen zu einem Heiligthume zugeeignet hätten. Dem Saffran fiel die Aland-Blume in die Haare / und zohe an: Sie wäre der schönsten Frauen in der Welt schönste Geburt / und milterte nicht nur die Traurigkeit / sondern sie vergrübe alles Leid in das Nichts der Vergessenheit. Aber alle diese wolte die Sonnen-Krone verdringen; welche ins gemein sechs und zwantzig / offt auch gar viertzig Schuch hoch ihr Haupt empor thürmete / und also nicht nur alle Blumen in gebückter Demuth unter sich sähe /sondern auch hohen Bäumen zu Kopfe wüchse. Diese ungeheure Blume verhöhnete das Sonnen-Auge; weil sie eine Schale ohne Kern; hingegen dis ein Kern ohne Schale / ja ein recht heilsames Marck der kräfftigsten Artzneyen wäre. Westwegen diese Blume die Minerva ihren vom Tempel gefallenen Pericles im Traume als sein einiges Genesungs-Mittel gewiesen; die Königin Artemisia auch als ein Labsal ihres Traurens für allen andern Blumen verehret hätte. Gegen dieser streckte auch ihr zehn Füsse hohes Haupt die Egyptische Colocasia herfür / rühmte nicht nur die Grösse ihrer Blätter / und ihre mit einer süssen Frucht trächtige Häupter oder Kelche / welche nach abgezinseten Bohnen Trinck-Geschirre abgäben; sondern auch ihre süsse Zwiebeln / welche nichts minder zu einem kräfftigen Liebes-Zunder / als einer köstlichen Speise dienten; und sie daher als ein Wunderwerck /ja als eine die Glückseeligkeit gleichsam mit sich führende Pflantze in den Römischen Gärten sorgfältig unterhalten würde. Endlich beruffte sich der Serische Blumen-König auf seine unvergleichliche Schönheit /für welcher Glantze alle weisse Blumen schamroth würden / alle gefärbte wie die Sternen für der Morgenröthe erblaßten. Er gründete sich auf das für ihn schon gefällete Urthel der klugen / und allein zwey Augen habenden Serer; welchem kein ander ein-äugichtes Volck[1390] widersprechen könte. Der Colchische Herbst-Stengel brach ein: Seine Lands-Leute die Thibier wären scharfsichtiger als die Serer; denn sie hätten Zwey-Aepfel in Augen; diese aber erkennten ihn für den Fürsten aller Blumen. Denn weil er mit allen Farben in der Welt prangte / könte man in seiner Anwesenheit aller andern entpehren. Das Haar der Venus aber wolte noch schöner und kräfftiger seyn. Denn das Haar wäre der Löwen und Menschen schönster Schmuck / ein Kennzeichen der edlen Freyheit; ja die Strahlen der Gestirne wären nichts anders als ihre Haare / und seine Blume der Strahl der Blumen.

Zuletzt war der stürmische Winter in keiner friedsamern Beschaffenheit. Denn die Erd-Aepfel-Blume oder der Nabel der Erde machte sich so krauß / als seine fleckichten Blätter gekräuselt sind. Insonderheit striech diese Blume ihre Würckung wider Gifft und Schlangen / und die unschätzbare Erleichterung der menschlichen Geburten heraus. Diesem begegnete das Nabel-Kraut: Es würden zwar die schönsten Geschöpfe mit dem Nahmen des Nabels oder der Augen betheilt. Die wunderlichsten Steine hieße man Augen / und die seltzamsten Muscheln Nabel der Nymphen. Seine Blätter aber wären der Nabel der Venus / und die Blumen Augen der Liebe. Ja über viel andere heilsame Kräfften diente es zu Liebes-Träncken. Hingegen rühmete die Wolffs-Wurtzel sich viel grösserer Kräffte; als welche zwar von dem Schaume des Cerberus entsprungen wäre / und die Panther-Thiere tödtete; im Menschen aber entseelte sie das verhandene Gifft / und ihr bloßes Anrühren wäre der Tod der Scorpionen. Ubrigens erinnerte ihre gifftige Eigenschafft die Menschen: daß / weil unter deren schönsten Blumen doch Schlangen verborgen lägen / sie niemals die Vorsicht außer Augen setzen / und den Mißbrauch ihnen gefallen lassen solten. Die blaue Hornungs-Feilge fuhr mit einer empfindlichen Ungedult heraus: Unterstehet ihr gifftigen Spinnen euch wol nicht nur unter so nützliche Bienen zu mischen /sondern gar ihnen zu Kopfe zu wachsen? Hebet euch von hier ihr Unholden! entfärbet eure geschminckte Antlitze für der nichts minder heilsamen als schönen Feilge; welche mit ihrer Farbe dem Himmel / mit ihrem Geruche dem Zimmet am nechsten kommet; welcher Saame nicht nur die Scorpionen tödtet / sondern hunderterley Kranckheiten abhilfft. Aber auch dieser meinte der Winter-Hyacinth die Oberstelle nicht zu enträumen / dessen Feuer mit nicht geringerm Wunder mitten aus dem Schnee / als siedende Quellen aus kältesten Bächen herfür brächen; und den frostigen Winter in einen annehmlichen Lentz verwandelten. Die frühe Zeit-lose gebrauchte für sich fast eben die Gründe; und daß sie wesentlich die Schönheit aller Farben in sich hätte; wormit der Schatten der Sonne und die Unwahrheit des wölckichten Himmels nemlich der Regenbogen die Augen bländete. Alleine der Majoran behauptete: daß nicht die Farbe / sondern die kräfftigen Eigenschafften der Blumen den Königs-Krantz verdienten. Raupen und Wespen hätten die Farben der Regenbogen / die Roßkäfer des Goldes /das gifftige Napel des Purpers. Solten destwegen diese Geschwüre der Erde / diese Mißgeburten der Natur einen besondern Vorzug verdienen? Er wäre zwar nicht die schönste Blume / aber so viel kräfftiger; ja er hätte alleine die herrliche Eigenschafft des Indischen Gewürtzes: daß sein bloßer Safft ein unverterbliches Oel und Salbe abgäbe. Endlich wunderte sich der Amaranth: daß noch nicht alle Blumen sich für ihm / als einem unsterblichen Wunderwercke unter denen vergänglichen Gewächsen bücketen. Er wäre so lebhafft: daß er nicht nur wie etliche Bäume im Winter grünete / sondern auch nach seiner Abbrechung /ja nach[1391] seiner Abdörrung Merckmaale seiner Unsterbligkeit behielte; und daher wäre er allein des lebenswürdigen Achilles Grab zu begräntzen gewürdigt worden. Die Blumen-Göttin hätte ihm den Nahmen Tausendschön zugeeignet und also ihm das Besitzthum tausendfacher Schönheit zugesprochen. Schönheit aber wäre nichts minder das erste Kleinod der Blumen / als der Zunder der Liebe; und mehrmahls in der Welt eine Werberin und Braut königlicher Würde gewest. Diesemnach seine niemals verwelckende Gestalt derselben ihn unzweifelbar versicherte. Und könte niemand als die Eitelkeit einer flüchtigen Blume den Königs-Krantz aufsetzen.

Dieser letzten Meinung fielen alle dieselbigen Blumen bey / welche das gantze Jahr wo nicht blüheten /doch an ihren Stengeln ihre grünen Blätter behielten; in Hoffnung: daß wegen ihrer wenigen Anzahl jede so viel ehe zur Königs-Würde kommen / oder nach der Königin doch eine ansehnliche Fürsten-Stelle erlangen würde. Alleine die grosse Menge der vergänglichen Blumen umbringte jene wenigen durch einen zierlichen Kreiß-Tantz; dardurch sie nach und nach /wie künstlich sie sich auszuwinden vermeinten / je mehr und mehr ins Gedrange gebracht wurden. Dieselben / welcher Alter nach der Länge eines Tages abgemässen ist / hielten denen andern singende ein: Sie verstünden so wenig was das beste in den Blumen /als der Kern in der Wollust wäre. Die Länge der Zeit müste zwar vielen Dingen zur Vollkommenheit / und vielen Gewächsen / daß sie reiff würden / dienen. Alleine das Alter beraubte die meisten Sachen ihrer Güte / und vergeringerte auch die besten. Die von denen alten Zimmet-Bäumen abgebrochene Casia reichte der von jüngern geschälten Zimmet-Rinde nicht das Wasser. Die Runtzeln wären nicht nur Frembden / sondern auch den Runtzlichten selbst verhaßt. Wie möchte denn die veralternden Blumen ein annehmliches Augen-Ziel abgeben; welche gerne sterben wolten / wenn sie sich nur wie die Flüchtigen verjüngen könten. Das Marck der Vollkommenheit wäre die Vergnügung ohne Sättigung. Denn allzu langer Genüß auch der niedlichsten Süßigkeit verursacht einen Eckel. Was aber einem / wenn es am besten schmeckt / aus den Zähnen gerissen wird / verlieret niemals seinen Geschmack; und die vergängliche Wolust veraltert nicht / sondern das Verlangen mehrer Genüßung verzuckerte so viel mehr dis / was denen bitter geschienen / die das erste mal nicht wären satt worden. Diese Vergängligkeit wäre so gar die Würtze der Liebes-Wercke / welche doch der Ausbruch aller Wollüste seyn solten. Die Natur hätte durch ihre Sparsamkeit so gar dem Golde / als dem Marcke der Erden / den Diamanten als den edelsten der Edelgesteine ihre Köstligkeit erhalten müssen. Nicht anders erhielte die Flüchtigkeit den vollkommensten Wunder-Blumen ihr Ansehen / welche man so wenig / als Nesseln einigen Anblicks würdigen würde / wenn sie ein gantz Jahr lang blüheten. Uberdis hätten die unverwelckenden Blumen-Stengel auch keine andere /als nur eine grüne Zierde / welches ohne dis die todte Erd-Farbe / hingegen die gelben / weissen / rothen und blauen Sternen- und Himmels-Farben der Vergängligkeit und Abwechselung / besonders im Geblüme am meisten unterworffen wäre.

Als der Amaranth sich und seine Gespielen derogestalt übermannet sahe; muste er durch Fürwerffung eines neuen Zanck-Apfels sich aus dem Gedränge /und seine Feinde in Trennung zu bringen trachten. Daher er den Hyacinth / den Jasmin / und Saffran verhöhnete: daß sie mit so viel weiblichen Blumen wider ihn und ihr eigenes Geschlechte in Bündnüs getreten wären; Die Weiber aber so wenig unter den Blumen /als unter den Thieren der Herrschafft fähig wären. Dieser Einwurff erregte[1392] bey denen sämtlichen Blumen eine neue Trennung. Sintemal die weiblichen aller vier Jahres-Zeiten sich durch einen zierlichen Tantz von denen Männlichen in einen Kreiß versammleten; und der Blumen-Göttin singende fürstellten; wie der Amaranth sie und die Liebes-Göttin beschimpft / und die Rache einer gäntzlichen Austilgung verdient hätte. Die männlichen Blumen aber namen sich des Amaranthes an / und hiermit kam es zu einem neuen Blumen-Kriege. Sintemal beyde abermals sich nach dem Unterscheide ihrer Farben in eine Schlacht-Ordnung stellten / und von Gliede zu Gliede mit ihren Blumen-Kugeln einander antasteten. Die vier Jahres-Zeiten wurden bestürtzt / als sie ihre eigene Blumẽ mit einander in Feindschafft verfallen sahen; rennten also umb die Schrancken herumb ein Mittel zu finden; wie jede Zeit die Ihrigen wieder in einen Hauffen brächte. Aber die allzu grosse Vermengung zernichtete alle Bemühung. Diesemnach denn umb diese Zertrennung zu stören der Frühling rief: daß aus denen bundten Blumen ein König zu erkiesen wäre. Diesem folgte der Sommer / und vertröstete dessen die Purperfarbenen / der Herbst die gelben / und der Winter die weissen. Durch diesen Anschlag wurden aus zwey streitenden Theilen ihrer fünff. Denn die übergangenen blauen sammleten sich in der Mitte auch zusammen; und beschwerten sich gegen dem Himmel über grosses Unrecht solcher Verächtligkeit; als welcher die Saphieren-Farbe zu seiner Zierde erkieset hätte. Sie klagten bey der Sonne / welche nicht nur darmit die Wolcken färbte / und ihren Hyacinth in eine blaue Blume verwandelt hätte / ja auf tunckelen Dingen am kräfftigsten die Macht ihrer Strahlen ausübte; sondern auch denselben ihre geheime Weissagungen eröfnete /welche mit Saphieren sie verehreten. Sie rufften die Menschen zum Beystande an; sintemal je mehr etwas von weisser Farbe in sich hätte die Strahlen des Gesichtes zerstreuete / und die Augen verdüsterte / ihre schwärtzlichte Farbe aber die Augen-Strahlen zu einer genauen Betrachtung zusammen züge / und das Gesichte stärckte. Aber alle andere Farben rieffen: die Mohren-Blumen wären keines Königreichs / sondern vielmehr einer traurigen Bahre werth; weil ihre Schwärtze mit der Farbe der Nacht und des Todes eine so nahe Verwandschafft hätte. Die blauen Blumen seuffzeten gegen dem Himmel / und flecheten ihn an: daß weil der Winter keiner blauen Veilgen / der Frühling keiner Mertz- und Lischblumen / der Herbst keines Jasmins / keiner Sonnenwirbel / und keine Jahres-Zeit noch die Erde der Hyacinthen werth wäre /möchte selbter sie nicht mehr so niedrig wachsen lassen / sondern sie mit edlen Saphieren zwischen die gestirnten Blumen des Ariadnischen Krantzes versätzen. Zumahl nichts minder unterschiedliche Arten der irrdischen Hyacinthen / als der Saphiere schon mit güldenen Sternen bestreuet wären. Die weissen Blumen hingegen gründeten sich auf die allgemeine Verdammung der blauen; und meinten aus dem Grunde solchen Urthels bereit das Recht gewonnen zu haben. Sintemal die weisse Farbe alleine den Nahmen einer Farbe verdiente. Denn sie wäre alleine das Licht /alles andere Schatten. Sie wäre der einige Ursprung aller Farben. Aus dreyen Theilen ihres Lichtes / und einer Helffte des Schattens käme die grüne; aus zwey weissen / und einem schwartzen Theile entspringe die gelbe / aus anderthalb Theilen des Lichts und einem der Finsternüs rührte die Purper- / aus einem weissen / und anderthalb finstern Theilen mischte sich die Himmel-blaue / aus drey Theilen der Schwärtze / und einem Theile des Lichtes die Feilgen-Farbe zusammen. Je mehr nun etwas dem Schatten näher käme / je geringer wäre es; das von allem Finstern entfernte aber wäre die Vollkommenheit.[1393] Dahero sich der frohe Tag / und die reinen Gestirne in die weisse Farbe des Lichtes gekleidet hätten. Und in denen weissen Blumen gläntzete die Milch ihrer unbefleckten Mutter der Blumen-Göttin; welche ihr Belieben an so reiner Farbe dardurch bezeigte: daß auch die tunckelsten Pflantzen anfangs an der Wurtzel oder Zwiebel weiß ausschlügen / hernach grünlicht-gelbe würden / oder ferner in mehr schattichte Farben sich verstellten. Die gelben Blumen widersprachen die Vollkommenheit der weissen. Denn sie hätten nicht einst das Wesen einer Farbe / sondern ihr Licht wäre nur eine blancke Tafel / darauf die Natur / als die künstlichste Mahlerin / mit ihrem Pinsel ihre Schönheiten streichen solte. Diese hätte in allen ihren Geheimnüssen nichts kräfftigers als den Schwefel / welchem aller Farben Unterscheid zuzuschreiben wäre. Für sich selbst aber behielt er die gelbe Farbe / als die erste und vollkommenste / und eignete sie denen herrlichsten Geschöpffen / in der Erde dem Golde / im Himmel der Sonne zu. Daß alle weisse Käume der Pflantzen sich meist anders färbten / wäre ein unverneinliches Merckmaal ihrer Unvollko enheit; Weil die kluge Mutter der Natur ja ihre Früh-Geburten mit nichts vollkommenerm / als ihre zeitige Kinder ausputzen würde. Was im Lentzen weiß blühete / im Sommer grünete / färbte der reiffe Herbst ins gemein gelbe. Ja keine Narcisse oder andere weisse Blume wäre fast zu finden / die nicht in ihrer Mitte zu ihrem Aufputze etwas zu ihrem Schmucke entlehnte; und wie die Danae ihr Gold in ihre Schoos regnen ließe. Die rothen Blumen gaben denen gelben zwar nach: daß ihr Gold die Blüte der Schönheit fürstellte; allein der Purper der Röthe wäre der königliche Glantz aller Farben; worüber weder die Natur noch die Kunst mit ihrer Mahlerey zu steigen wüste. Durch diese prangte das Meer mit seinen Korallen und Purper-Schnecken; die Erde mit ihren Rubinen; die Lufft mit ihrer Morgen- und Abend-Röthe; ja die schönsten unter den Sternen wären die röthesten. Wenn Kunst und Feuer das Ertzt zerflößete /und auf seine höchste Staffel brächte / nähme es nach vielen Verwandlungen die Gestalt eines rothen Löwen an. Eben dieses würckten sie in den Blumen. Die weisse Schönheit der Narcissen wüste ihre innerliche Freude nicht vollkommen auszudrücken / und ihre Anschauer annehmlich genung anzulachen / wenn nicht ihre Milch sich mit ihrem Schnecken-Blute vermählte / oder mit einer verschämten Röthe ihre Unschuld beschirmete. Die gelben Blumen aber besäßen den lebhafften Zinober mit Armuth; den die Natur mit verschwenderischer Hand über sie ausgestreuet / und sie durch diese eigenthümliche Farbe der Liebe aller Welt beliebt / ja gegen ihrer Flamme das Feuer gleichsam blaß und todt gemacht hätte. Endlich striechen die bundten Blumen ihre Fürtrefligkeit heraus; in denen die Natur mehr herrliche Vermischungen machte / als die reichsten Sprachen nicht zu neñen / keine Seidenstücker nachzuwebẽ / kein Apelles nachzumahlen / ja weder Erde noch Meer gnungsam und so hohe Farben her zu geben wüsten. Fürnemlich aber wäre an ihnen die Verschwisterung der weissen und rothen Farbe mehr wunderns werth / als daß der Wasser-Gott Proteus sich auch habe in Feuer verwandeln können. Denn jede Farbe für sich wäre nur Stückwerck; die Vollkommenheit aber müste hier und anderwerts alles in sich begreiffen. Aus diesem Absehen hätte die Natur die Wiesen mit so vielfärbichten Blumen / die Bäume mit unterschiedenen Blüten / Blättern und Früchten / die Vögel mit so seltzamen Federn / die Hälse der Tauben / die Schwäntze der Pfauen / und die Flügel der Fasanen mit so vermengten Spiegeln /den Regenbogen mit allen[1394] Farben begabt / ja die Gestirne selbst nicht einander gleiche gemacht. Dieser Würde halber hätten etlicher V \lcker Gesätze niemanden / als den Priestern / weil sie göttliche Stellen verträten / scheckichte Kleider zu tragen erlaubet. Und alle kräfftige Blumen nehmen entweder zugleich / oder nach und nach unterschiedene Farben an. Nach diesem annehmlich-gesungenem Wort-Streite geriethen sie wieder zu einem neuen Blumen-Gefechte; indem anfangs der blaue Hauffe von denen gesammten vier andern angegrieffen / und aus seiner Mitte getrieben ward. Diese behaupteten die weissen Blumen; sahen sich aber alsofort von denen vier mißgünstigen andern angefeindet; also daß hierauf die gelben / hernach die rothen / endlich die bundten das Mittel einnahmen; als inzwischen dieses Glücks-Wechsels halber die weissen und gelben gegen die blauen und rothen ein Bündnüs machten. Bey welcher Zwytracht die bundten zwar gewonnen Spiel zu haben vermeinten; aber sie blieben ein Anstoß aller beyder Theile zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der / welcher keinem Theile beypflichtet / von oben den Staub / von unten den Rauch aufnehmen müsse.

Alle fünf Hauffen waren nunmehr / wiewol Glieder-weise zusammen vermischet; als die Blumen-Göttin sie herzu rennende von sammen trennete / und ihnen singende den Irrthum benaam; da sie den Vorzug der Blume allein an ihrer Farbe zu bestehen vermeinten. Die Farben hätten nichts minder in Blumen /als im Menschen ihre veränderliche Eitelkeit. Jene entfärbte der Winter / wie diese das Alter; jener Blätter kriegten nichts minder Runtzeln / als dieser Wangen. Ja die Aeffin der Natur / die Kunst / wüste gleich einer zaubernden Circe den Schnee der Blumen in Scharlach / das Gold in Zinober / in Schmaragd / und alle andere Farben zu verwandeln. Die dürren Tannzappen kehrten schneeweisse Blumen-Kinder in Mohren / der Rauten-Safft machte sie grün / die Kornblume blau / weñ sie nebst Eßig und Saltze in ihre Schaf-Tingung gemengt würde. Eine Blume strieche der andern eine Farbe an; das Haar des Saffrans könte durch daraus gemachte Netzung die Lilgen bepurpern; hingegen der Schwefel die fast brennenden blaß machen; ihre Zwiebeln wären fast so geschickt alle Farben / als das Wachs jede Gestalt anzunehmen / und die Schwämme die Feuchtigkeiten einzutrincken. Ja die Kunst erkühnte sich einem Blumen-Stengel gantz anders gefärbte Blumen-Zweige nicht anders / als einem einäugichten Arimasper mehr Augen einzusetzen /und selbten zu vieräugichten Mohren / wo nicht gar zu einem hundert-äugichten Argos zu machen. Daher kleidete sich die Anemone bald weiß / bald roth / bald blau / bald Pfirschken-blütig aus. Die Nelcken prangten mit so viel Farben / als der Himmel mit Sternen. Die Hyacinthen wären nicht verliebter in blau als in weiß. Die Lilgen und Tulipanen spielten mit einer Farbe / wie mit der andern. Diesemnach müste fast jede Blume wider sich selbst in Krieg ziehen. Bey solcher Bewandnüs / und da zumal die Schmincke den Blumen so gemein / als dem Frauen-Zimmer wäre /sey der Blumen Preiß nicht auf ein beyfällig und veränderlich Ding der bloßen Farbe / sondern auf ihr gantzes Wesen zu sätzen / also zugleich auf den Geruch / auf die Vielheit der Blätter und ihre innerliche Krafft zu sehen. Wer aber alle Schätzbarkeit der unbeständigen Farbe zueignete / handelte so unvernünfftig / als welcher der so wol garstig- als langsamen Schnecken zerbrechliche Häuser dem Golde /und das Flosern-Holtz dem Silber fürzüge; welches nur desthalben für kostbar geachtet würde; weil das unglückliche Wachsthum einen Baum in so viel Knoten verdreht hätte. Dieser Vortrag sätzte die Blumen in die euserste Verwirrung. Denn weil an einem[1395] Orte die wolrüchenden / am andern die vollblättrigen / am dritten die heilsamen sich zusammen schlagen wolten; ihrer viel aber mit ihnen selbst nicht eins waren / zu welchem Hauffen sie gehöreten; schwermten sie wie die Bienen auf einer Klee-reichen Wiese durch einander. Wiewol die Rache die meisten nunmehr ihre Kräntze zu Waffen zu ergreiffen nöthigte / nach dem sie bereit ihre Schürtzen ausgeleeret hatten. Welches die Blumen-Göttin veranlaßte / ihnen einen neuen Einhalt zu thun: der Geruch alleine wäre auch zu wenig zu Entscheidung ihres streitigen Vorzugs. Denn dieser wäre der Veränderung der Jahres-Zeiten unterworffen / im Winter und gegen Mitternacht schwächer als im Sommer / oder in denen Morgen-Ländern. Die Menschen / welche der Blumen zu genüßen auch allein würdig wären / hätten unter allen Thieren ihres feuchten Gehirnes halber den schwächsten Geruch. Ihr Urthel wäre auch so unterschieden: daß einige lieber Knoblauch / als Musch rüchen. Perlen / Diamanten / ja das edle Gold und viel andere Dinge hätten keinen Geruch; dis aber benähme nichts ihrer Würde und Schätzbarkeit. Die den Blumen so holde Bienen könten weder Zibeth noch Ambra vertragen; ja wenn eine diesen Geruch mit in ihr Behältnüs brächte / strafften es die andern als ein Laster an ihr. Uber dis wüste die Kunst auch durch Einbalsamung des Tingers / oder durch Einwässerung des Blumen-Gesämes / ihnen den angebohrnen Geruch gäntzlich zu benehmen; der widrig-rüchenden Ringel Blume die Anmuth des Musches / denen Nelcken durch gewisse Bebisamung ihrer Wurtzel den Geruch des Zibeths einzupfropffen; ja die Sammet-Blume durch die Nachbarschafft einer stinckenden Staude /welche gleichsam das Gifft magnetisch an sich zeucht / ihres Gestanckes zu befreyẽ. Nichts minder verstünde sie durch Versetzung bey gewisser Monden-Zeit / durch Abbrechung übriger Blüte-Knospen /durch gewisse Ting- und Anfeuchtung aus holen Nelcken volle / und aus schlechten Anemonen vielblättrige; ja durch Windung der Zwiebeln aus glatten krause Blumen zu machen. Uber dis unterwindete sie sich durch warme Anfeuchtung und sorgbare Verwahrung der Blumen-Gefäße für Frost und Winde sie für der Zeit zu gebehren; oder auch durch Versetz- oder Vertieffung der Zwiebeln / und oftere Annetz- oder Verbrechung der Knospen ihre Geburt zu verlängern /also Frühling und Herbst / Sommer- und Winter durch einander zu mischen; und die flüchtigsten Mertz-Blumen gleichsam das gantze Jahr in unsterbliche Amaranthen zu verwandeln. Ja es wäre / wiewol ohne Beschämung der Natur / nicht zu verschweigen: daß die Kunst aus dem Saltze eingeäscherter Blumen durch eine daraus bereitete Lauge und vermöge eines linden Feuers durch die in einem gläsernen Gefäße verursachte Jährung / hernach geschehende Vermischung mit reiner Erde die todten Leichen der verbreñten Blumen wieder lebend gemacht / und derogestalt aus ihrer Asche ohne neuen Saamen junge Blumen-Fenixe gezeuget habe.

Bey Vernehmung dieses Wunders erstarreten alle Blumen wie die steinerne Niobe; also: daß sie nicht nur ihres Kampfes / sondern ihrer selbst vergaßen. Sie wurden aber bald durch ein allersüssestes Gethöne wieder beseelet. Deñ es kam die Soñe auf einem güldenen und mit unzehlbaren Blumen bestreuten von vier weissen Pferdẽ gezogenen Wagẽ in die Schrancken gefahren. Die Pferde waren nichts minder / als die Soñe selbst mit Blumen gekräntzet. Für dem Wagen giengen die sieben Plejaden / welche den Boden mit wolrüchenden Wassern netzten. Auf der Spitze des Wagens saß Ariadne / welche den Weg mit Blumen bestreute. Auf beyden Seiten des Wagens zohen die übrigen sechs Irr-Sternen her.[1396] Der Monde spielte auf einer Viole / Mercur auf einer Flöte /Venus auf einer Laute / Mars auf Zimbeln / Jupiter auf einer Harffe / Saturn auf einer Schalmey / die Sonne selbst auf einer Leyer; wiewohl hiervon ein über-irrdischer Klang erreget ward / welcher die hi lische Zusammenstimmung abbildete. Die sich wieder in erste Ordnung stellenden Blume verehrten die Sonne als ihren Vater mit gebogenen Knien; sie aber deutete ihnen an: daß sie kommen wäre ihnen einen anständigen König zu geben. Worauf Mercur ein grosses Kristallen-Gefässe in Gestalt einer See-Muschel in die Mitten setzte; darein iede Blume ihren Pusch; die Sternen ihre beste Schätze zu bringen befehlicht wurden. Saturn goß aus einer Muschel Perlen und Meer-Saltz; weil das Meer keine Thränen seyn sollen; Jupiter eine Schale Nectar / Mars ein Glas voll Schnecken-Blut / Mercur / als der Hirten- und Handels-Gott / einen Topf voll Milch / und ein Fäßlein allerhand Gewürtze / die Venus eine Flasche voll des kräfftigsten mit ihrem Blute gefärbten Balsams / der Monde ein Horn voll Morgen-Thau über das versa lete Blumwerck. Die Sonne verdoppelte hierüber ihre lebhafte Krafft alles zu beseelen so nachdrücklich: daß aus diesem Gefässe / ich weiß nicht ob vielleicht durch Zauberey ein annehmlicher Strauch mit allerhand Arten Rosen hervor wuchs. Alle anwesende Sternen aber erstarreten / und hiengen ihre vorhin stoltzẽ Häupter traurig zur Erden. Die Sonne alleine ward gleichsam von einem zweifachen Geiste gereget / und fieng an in ihre-vollstimmige Leyer nachfolgende Reymen zu singen:


Diß ist die K \nigin der Blumen und Gewächse /

Des Himmels Braut / ein Schatz der Welt / ein Sternen-Kind;

Nach der die Liebe seufzt / ich Sonne selber lechse;

Weil ihre Krone Gold / die Blåtter Sammet sind /

Ihr Stiel und Fuß Schmaragd / ihr Glantz Rubin beschämet /

Dem Safte Zucker weicht / der Farbe Schnecken-Blut /

Weil ihr Geruch die Lufft mit Balsame besåmet /

Wenn der beliebte West ihr tausend Hold anthut.

Fůhrn Hyacinthen gleich des Ajax Helden-Nahmen;

So ist die Schönheit selbst auf Rosen abgemahlt.

Ist gleich der Juno Milch der Lilgen edler Saamen /

So denckt: daß hier das Blut der Liebes-G \ttin prählt.

Was die Gesch \pfe sonst nur einzelweis' empfangen /

Mit allem dem macht die Natur die Rose sch \n.

Sie selber schåmet sich / und r \thet ihre Wangen /

Weil sie fůr ihr beschåmt sieht alle Blumen stehn.

Kurtz! sie ist ein Begrieff der sch \nen Welt / ein Spiegel

Der Anmuth / und der Lieb' ihr wahres Ebenbild.

Der Dorn ist ihr Geschoß / die Blåtter sind die Flůgel /

Zur Fackel dient ihr Glantz / das Laubwerck ist ihr Schild

Sie muß zwar selbten Tag / da sie gebohrn / erblassen /

Allein ich Sonne selbst verschwind iedweden Tag.

So wil der Himmel auch sie nicht vergrauen lassen /

Weil er kein altes Weib zur Buhlschafft haben mag.

Der Monde tråncket sie mit Thau / sie säugt die Bienen /

Die ihren edlen Safft in sůssen Honig kehrn.

Ja ihres Purpers muß sich ieder Mund bedienen /

Wenn ein nicht-todter Kuß ist nöthig zu gewehrn.

Der Morgen selbst muß sich mit eitel Rosen fårben /

Wenn er der Herold ist des Auges dieser Welt.

Auch muß der gůldne Tag in ihrem Purper sterben /

Wenn mir die Abend-R \th' ein falsch Begräbnůß hålt.

Ich Sonne werde selbst nie angebetet werden /

Wenn sich mein Antlitz nicht in Rosen hůllet ein.

Ja wie die Rose wird die Sonne seyn auf Erden;

So muß der Sonne Rad des Himmels Rose seyn.

Und daß der Erd-Kreiß recht m \g' unser Bůndnüß wissen /

Wie Sonn' und Rose sind einander zugethan /

Soll'n Rosen solcher Art in Morgenland aufschüssen /

Die / wie der Tag / schneeweiß den Morgen fangen an /

Die / wie das Mittags-Licht / so denn mit Feuer brennen /

Des Abends / wie die Nacht / kohlschwartz im Trauren gehn.

Wer nun die Sonne wil für's Sternen-Haupt erkennen /

Der muß den Königs-Krantz auch Rosen zugestehn.

Was aber wird das Lob der Rose viel gesungen?

Kein Ruhm gleicht ihrem Werth / sie selbst ist schon ihr Preiß.

Die Red' ist ihr Geruch / die Blåtter sind die Zungen;

Dardurch sie sich allein recht auszustreichen weiß.


Bey diesem Singen rührte die Sonne mit ihrem Königs-Stabe den Rosen-Stab an; worauf alsofort eine Anzahl schneeweisser Rosen herfür blüheten; welche sich hernach in eine hohe Leib- endlich in eine schwartz-tunckele Purper-Farbe verwandelten. Gleich als wenn auch dieser Wunder-Blume Kindheit sich an ihrer Mutter-Milch ergetzte / ihre Vollkommenheit aber sich denen menschlichen Lippen ähnlich / und daher desto[1397] beliebter machen; endlich durch ihr purpernes Begräbnüß doch die Hoheit ihrer Königlichen Würde behaupten wolte. Alle vorhin beschämte Blumen fielen als geringer Pöfel für diesem edlen Rosen-Proteus gleichsam in Ohnmacht; und die Gestirne verwendeten kein Auge von dieser Wunder-Blume; welche derogestalt mehr vornehmere Buhler / als für Zeiten die schöne Helena hatte. Denn ob zwar die Wärmde bey Durchkochung des wäßrichten Saftes in dem Obste / in Trauben / und im Kohle nach und nach ebenfalls die ersten Farben verändert; die schweflichte Tingung auch eine Ursache vielfältiger Blumen ist; das Kraut der dreyfachen Polen auch täglich dreymal seine Farbe verwandelt; so kan doch der ersten langsame und kaum wahrnehmliche der letztern kaum sichtbare Veränderung dieser schnellen Umfärbung der Sinischen Rosen nicht vergliechen werden. Es erholete sich zwar aus einer Eiversucht dieselbe Tulipane / welche ihre schneeweisse Kleidung behält / so lange sie die Mutter-Milch aus den Brüsten der Erde zu ihrer Sättigung aussaugt; wenn sie aber durch Ubermasse truncken / zugleich schamroth wird. Diese meynte ihrer Verwandelung halber dieser Rose nichts nachzugeben; und erinnerte die andern Blumen nicht zu vergessen: daß auch die geringste unter ihnen ein Wunderwerck wäre. Alle Neuigkeit legte mittelmässigen Dingen einen hohen Werth bey; die köstlichsten aber würden nicht geachtet / wenn sie gemein wären. Also püchte man in Arabien mit dem Weyrauch die Schiffe; den man anderwerts nur Körner-weise in die heiligen Opfer-Feuer streuete. Hingegen trete man in Deutschland Sauer-Ampf und Holderbäume mit Füssen / die die Indianer mit grosser Sorgfalt in ihren Gärten zeugeten. Die Sonne selbst und der Frühling würde nicht halb so schön zu seyn scheinen / wenn es mehr als eine Sonne gäbe / und der Frühling das gantze Jahr durch blühete. Also bäte sie nach dem Werthe ihrer Tugend; die fremde Blume nicht nach ihrer unnützen Seltzamkeit zu urtheilen; und die Rose für eine falsche Neben-Sonne zu halten / welcher Schönheit nicht so wohl in einem selbständigen Wesen / sondern nur in einem bey- und baufälligen Dinge bestünde /und daher auch so geschwinde als eine Wasser-Galle verginge / oder in ihrem Aufgange schon zugleich ihren Untergang erreichte. Nichts minder that sich die Indianische Narcisse herfür / welche mit mehr Häuptern als die Lernische Wasser-Schlange prangete; und sich so viel lebhaffter als diese zu seyn rühmete. Sintemal des Hercules Keulen ihr keine Furcht einjagten /sondern ihre Blumen Häupter noch unterstützten; sie auch nicht / wie jene / von der Hitze entseelet würde; sondern sich nur für dem Froste als dem gemeinen Todten-Gräber der Blumen zu verwahren hätte. Wenn sie aber auch schon ihre Blätter einbüssete / vergrösserten sich doch ihre dreyeckichten Häupter / und ihre Stänglichen breiteten sich in einen zierlichen Sternen-Kreiß aus; also daß ihre / als der schönsten Blume Leiche / nichts geringers / als ein Gestirne /und nichts weniger / als die in Himmel erhobene Lernische Wasser-Schlange werden könte. Welche wesentliche Verwandelung wunderwürdiger wäre; als der blossen Farbe leicht abschüssender Camelion. Der wohlrüchende Jesmin / als er wahrnahm: daß diese Sinische Rosen keinen Geruch hätten / schalt sie für eine nur den Augen liebkosende Schmincke; und meynte ihr Ansehn zweifelhaft zu machen; weil der Geruch der scheinbarste Nutzen einer Blume wäre /und durch selbten das Gehirne gestärckt würde / westwegen ein Weltweiser die nicht unbillich verlacht zu haben schiene: welche Blumen auf dem Haupte trügen. Hingegen vermöchte auch nach des Jasmins Verwesung seine Asche Wasser / Lufft und Menschen einzubisamen. Die Lilge tadelte an den Rosen ihre Dornen; und rühmte an ihr selbst die alle Baum-Wolle /[1398] und das Gespinste der Seiden-Würmer übertreffende Zärtligkeit. Alleine alle andere Blumen redeten der Rose ihr Wort; und schalten diese drey Zwerge: daß sie dieser Riesin der Blumen / ja der Sonne selbst / als ihrem Blumen-Vater / sich Krieg anzukündigen wagten; dessen Urthel nach die Rosẽ nicht nur Sternen / sondern Sonnen des Erdreichs wären; und /weil sie an der Soñe selbst ihr wahres Ebenbild im Himmel hätten / nicht allererst unter die geringeren Nacht-Gestirne versetzt zu werden verlangten; auch wo nicht alle / doch die meisten Blumen mit ihrem Geruche / ja gar Weyrauch / Ambra und Musch wegstächen. Den Abgang aber des Geruchs der Sinischẽ Rose ersetzte reichlich ihre Stärcke und Tauerhaftigkeit; indem sie auf keinem schwachen Stengel aus einer ungestalten Zwiebel nicht einzelich / sondern auf einem rechten Baume in der Menge wüchse; und nach Art der den Winter und Frost verhöhnenden Damascener-Rose schier das gantze Jahr durch / biß die Sonne selbst im Winter einen Stillestand hält / blühete; ja zu noch grösserer Verwunderung auch / wenn sie schon von ihrem mütterlichen Stiele abgebrochen wäre; doch in einem angewässerten Gefässe nach dem Auf-Fort- und Untergange der Sonne eben so richtig ihre Farben verwandelt; als die verliebte Sonnenwende ihr Haupt diesem ihrem Buhler nachwendet; gleich als wenn sie gegen dem Anaxagoras behaupten wolte: daß die Blumen nichts minder als die Menschen umb das grosse Welt-Auge nur anzuschauen gebohren wären. Sintemal sie auch allein mit dem Sonnen-Lichte den Geist / und von ihrer Wärmde die Seele bekämen. Die Dornen der Rosen aber wären theils ihre Waffen / welche den Vorwitz abhielte: daß er ein so hi lisch Geschöpfe nicht verunehrte / theils Anreitzungen der Augen umb diese Königin desto genauer zu betrachten / weil sich die Hände sonder Verwundung ihnen schwerlich nähern dörften. Dieses allgemeine Urthel nöthigte nunmehr auch die obige widersinnige Blumen: daß sie ihre Ehrsucht in einen ehrerbietigen Beyfall verkehreten; und würden sie die Rose mit mehrern Ruhm-Sprüchen verehret haben / wenn sie nicht wahrgenommen hätten: daß ihre Blätter eitel Zungen abbildeten; gleich als wenn sie nur selbst /keine andere Zunge aber sie anständiger zu rühmen fähig wären. Zumal über diß ihr sich in die Lüffte zertheilender Geruch ein annehmlicher Ausruff und Ausbreitung ihres Lobes; ihre Purper-Farbe nichts minder eine Erinnerung der schamhaften Verschwiegenheit /als ein Kennzeichen ihres Königreichs ist.

Diesemnach denn die Blumen abermals um den neugebohrnen Rosen-Strauch einen zierlichen Tantz hegten / aller ihrer Feindseligkeit vergassen; also: daß der sonst alle benachbarte Blumen / insonderheit die Anemonen versäugende Hahnen-Fuß / und die aus Ehr-Geitz schier keine Gemeinschafft vertragende Tulipanen sich mit allen andern friedlich gatteten / beym Anfange und Beschlusse iedes Reyen für der neuen Blumen-Königin demüthig bückten / und ihre vorhin abgenommene Kräntze zum Zeichen des Friedens wieder aufs Haupt setzten; endlich aber selbte / als ein ihnen unanständiges Kennzeichen des Sieges zerrissen / und die zerstreuten Blumen davon ihrer Königin opferten.

Bey diesem währenden Tantze rührete die Sonne mit ihrem kräfftigen Griffel abermals den Rosen-Strauch an; worvon er sich denn nach und nach in ein den Geist der Rose fürbildendes Frauenzimmer verwandelte; gleich als wenn hierdurch die Scharte ausgewetzt werden solte; daß die für der verliebten Sonne fliehende Dafne zu einem Lorberbaume worden. Die vor die Geschwindigkeit des Windes gleichsam übereilende Blumen blieben wie steinerne Bilder stehen; nicht zwar für Verwunderung über der Verwandelung; sintemal sie aus ihrem[1399] eigenen Ursprunge wohl wusten: daß die Sonne als die Seele der Welt / der Brunn des Lebens / der Vater der Fruchtbarkeit / der Fürst der Natur / das Hertze des Himmels / der Geist des Erdreichs / ein Gott der Geburt nicht nur aus Schlamme allerhand Gewürme / aus dem Gesäme alle Pflantzen machte; sondern auch als der rechte Prometheus der Uhrheber menschlicher Zeugung wäre; aber wohl über der unvergleichlichen Schönheit dieses neuen Bildes; welches mit den krausen Haaren die durcheinander geflochtenen Blätter der Rose / mit dem Antlitze und denen Augen zugleich ihre Rundte und Liebreitz / mit den Lippen / Wangen und Spitzen der Brüste ihre Purper-Farbe / mit ihrem Atheme den Geruch / ja in allen Gliedern etwas von der anmuthigen Eigenschafft ihrer mütterlichen Blume abbildete. Diese Verwunderung erwieß allhier ein merckwürdig Beyspiel: daß sie stärcker wäre als der Mutter-Schmertz / welche die Kinderlose Niobe in einen Thränen-rinnenden Steinfels verkehret hat; als die Furcht; wordurch die vom Pan gejagte Syrinx zum Schilff-Rohre / und des Alpheus Buhlschafft Arethusa zu einem Brunnen worden; als das Schrecken / welches alle / die der Medusen Schlangen-Haar ansahen /in Steine verwandelte; als die Liebe / durch die Alpheus in einen Fluß zerran; als die Eiversucht / die die Callisto zum Bären machte; als die Mißgunst / die die Seiden-Weberin Arachne zur Spinne werden ließ; ja als die Zauberey / wordurch Circe die Menschen in wildes Vieh verstellte. Denn die Lilge fieng an allen Gliedern an so weich / als geronnene Milch zu werden. Aus ihren Brüsten sprützte / und von Fingern und Zeen troff Milch; endlich zerran ihr gantzer Leib in diese süsse Feuchtigkeit / woraus sie anfangs entsprossen war. Die Narcisse ließ auch helle Tropfen von ihren Wangen abschüssen / welche man anfangs für Mitleidungs-Thränen über ihre Schwester der Lilge hielt; sie zerfloß aber hernach gantz und gar in Wasser / als den ersten Ursprung der Verwandelung. Aus dem Munde der Melisse kamen anfangs / wie weiland aus dem Zucker-Munde des noch in Windeln liegenden Plato Bienen geflogen; welches anfangs darfür aufgenommen war / als wenn sie von ihren süssen Lippen Honig geholet hätten. Hernach aber fiengen alle euserste Glieder an diese Thierlein zu gebehren / biß endlich der gantze Leib in einen Bienen-Schwarm verflog. Gleich darauf ward die Acanthus- oder Bärenklau-Blume wie Wachs weich / fieng an vom Oele zu trieffen / gleich als wenn sie mit diesem denen Bienen so widrigen Safte das aus Melissen entsprossene Gewürme tödten / und ihr zu vorigem Wesen verhelffen wolte. Alleine sie zerfloß endlich in eitel Oel. Der Jasmin fiel zugleich ohnmächtig zur Erde; denn sein Leib ward zu einem Nebel / welcher sich hernach wie ein dinner Rauch in eitel Geruch zertheilte. Der Nelcke Antlitz fieng an wie ein Stern /hernach wie der Blitz zu schimmern / endlich ihr gantzer Leib lichten Loh zu brennen; und also ihr gantzes Wesen zu einer sich verzehrenden Flamme zu werden. Gleicher gestalt zerfloß der Klee in Honig /die Königs-Krone in Thränen / die Anemone in Blut /die Thal-Lilge in Thau / das Frauen-Haar in Wein /vielleicht weil dieser für der Venus Milch gehalten wird; die Feilge in Zucker / der Hyacinth in eine Himmel-Farbe / die Tulipane verschwand in einen Wind /die Schwerdt-Lilge ward zu einem Regen-Bogen / der Tausendschön zu einem Sterne / und mit einem Worte: alle in Gestalt der frischesten Jünglinge und der schönsten Jungfrauen in dem Schau-Platze erschienenen Blumen verrauchten oder wurden zu Wasser. Die sechs der Sonnen aufwartende Irr-Gestirne wusten nicht: ob sie sich über Verschwindung so vieler Blumen / welche ihr ein Glantze wohl ehe Kampf angeboten hatten / erfreuen / oder über dem Siegs-Gepränge der Rose betrüben solten.[1400] Nachdem aber die Sonne sie mit unverwendeten Augen fort für fort ansahe / und dardurch seine Zuneigung mehr / als niemals blicken ließ / musten sie sich auch nur gegen diesem Welt-Gestirne zu geziemender Ehrerbietung bequämen; und also die schönsten aus denẽ ihnen zugeeigneten Sternen (wie denn ieder eines oder des andern Irr-Sternes Eigenschafft zugethan ist) zu einem Krantze erkiesen; welchen sie der Rosen-Königin aufsetzten / gleich als wenn der Himmel durch diesen Danck erwiedern müste: daß selbter vorher eine nicht schlechte Zierrath von Ariadnens Krantze erlanget hat. Dieses aber war noch nicht genung. Denn die Sonne selbst erklärte sie an statt ihrer Mutter der Erde für den achten Irr-Stern / und die andern sechs musten sie in einem annehmlichẽ Reyen für ihre Schwester annehmen. Worzu die Sonne ihre Leyer rührte / die anmuthigen Lüfte / und der West-Wind aber folgende Reymen sangen:


O Liebe! die du auf Damast

Und Perlen stets geruhet hast /

Weist du: daß du auf Stein gelegen / und an Ketten?

Die Ros' ist Perl und Purper gleich /

Doch keine Seide nicht so weich;

So lasse dir hinfort doch nur auf Rosen betten.


Du güldner Himmels-Garten du /

Schleuß dein saphieren Fenster zu /

Daß dich der Erden-Ball mit Rosen nicht beschämet /

Wo nicht; so ändere dein Haus /

Treib alle deine Sternen aus:

Daß statt der Sternen es mit Rosen sey besämet.


Läßt doch der Sonne güldner Schein /

Die schöne Daphne / Daphne seyn /

Sie låchst / wie Phaeton / für zweyfach-heissen Flammen.

Wo nun das Untertheil der Welt

Die Rose nur vor sich behält /

Schmeltzt Ros' und Stern / die Erd' und's Himmelreich zusa en.


Die Rose aber leitete diesen Tantz nach und nach biß zu dem Bilde der Fürstin Thußnelde; welche sie mit tiefferer Demuth / als vorhin die Sonne / verehrete / ihren sternenen Siegskrantz vom Haupte nam / und mit denen andern sie umbkreissenden Sternen zu singen anfieng:


Nicht glaube: daß mein Königs-Krantz

Verdüst're deinen Himmels-Glantz /

O Sonne der Natur / der Rosen Königs-Blume

Denn ich weiß wohl: daß dir gehört /

Wormit mich Erd' und Himmel ehrt;

Des Schattens Preiß gereicht dem Lichte ja zu Ruhme.


An dir / Thußnelde / lebt kein Glied /

Was nicht den Blumen ähnlich sieht /

Die Lilge gleicht der Brust / der Hyacinth den Augen /

Der Hals sticht die Narcissen hin /

Der Athem tödtet den Jasmin /

Und aus den Haaren wolln die Bienen Honig saugen.


Zwar alles diß ficht mich nicht an;

Weil keine sich mir gleichen kan;

Wohl aber: daß man auch von dir kan Rosen lesen.

Ja meines Blumwercks Eitelkeit

Weicht deinen edlen Rosen weit /

Weil meine bald vergehn / und deine / nicht verwesen.


Auf deiner Wangen Wiege sind

Die Rosen ein noch saugend Kind /

Und auf den Brüsten stehn wie Knospen sie zu schauen;

Worvon der Kelch zwar ist durchritzt /

Die Blätter aber zugespitzt /

Wie / wenn die Morgen-Roth' auf sie läst Perlen thauen.


Nehmt aber aller Sterne Glut /

Der Rosen Kern / der Muscheln Blut /

Ihr werdet gleichwohl nichts den Lippen gleiches färben.

Denn auf dem Munde gläntzt allein

Der Rosen voller Mittags-Schein /

Die auf der Brust nur blühn / auf andern Gliedern sterben.


Bey dem Schlusse hoben die sechs tantzenden Irrsternen die Rose empor; welche den ihr vorher gewiedmeten Sternen-Krantz dem Bilde Thußneldens aufsetzte. Worüber auf allen Seiten des Schau-Platzes sich ein so durchdringendes Freuden-Gethöne erhob: daß der Erdbodem bebete / und kein Ohr mehr sein Ampt verrichten konte. Hierüber endigte sich nun auch dieser Tag; aber nicht seine Freude; weil die vom Hertzog Jubil diesen Abend überkommene Bewirthung / darbey er den gantzen Hof auf Indianisch bedienen ließ / sich biß nach Mitternacht erstreckte.

Alle Fürstliche Personen sassen noch über der Taffel beysammen; als zwölff schneeweisse Mägdchen mit weissen Wachs-Fackeln in den[1401] Speise-Saal kamen / und sich durch die Menge der Aufwartenden durchdrangen / zugleich aber einer ihnen folgenden Amazonischen Heldin Raum machten; welche mit einem durch Freundligkeit vermischten Ernste Thußnelden derogestalt anredete: Antiope der unüberwindlichen Amazonen Königin wäre durch das vom Hertzog Herrmann die Welt durchflügende Geschrey wie Alcibiades in die Odatis / (ob dieser gleich seine Buhlschafft nur im Traume / jener gar nicht gesehen /) verliebet worden. Dieses unruhige Feuer hätte sie mit unausleschlicher Begierde entzündet / diesen deutschen Hercules / als ihre Uhr-Ahn-Frau die Fürstin Thalestris den grossen Alexander zu umbarmen. Zu dem Ende wäre sie mit dreyhundert Heldinnen einen viel weitern Weg in der Nähe ankommen. Sie hätte an der Gewehrung weniger / als an dem morgenden Aufgange der Sonne gezweifelt; weil sie wüste: daß die Deutschen ihres Geblütes wären / und so wohl als die Sarmaten iederzeit so sehnlich nach der Amazonen Heyrath geseufzet hätten. Gleichwohl hätte sie seine anderwertige Vermählung mit der heftigsten Gemüths-Regung vernommen. Nachdem aber die Sonne das Licht allen andern Gestirnen ausleschte; und sie sich erinnerte: daß der streitbare Theseus wegen seiner liebern Aegle Ariadnen / wegen Antiopens (welcher sie nichts minder an Geblüte / als im Nahmen gleich wäre /) des Ajax Mutter Periböa / und andere Buhlschafften verstossen hätte; hoffte sie: es würde Thußnelde nunmehr ihr eigenbeweglich so wohl Bette als Würde einräumen; wo sie sich nicht vom Hertzog Herrmann verschmähet / oder von Antiopen durchs Recht der Waffen verdrungen wissen wolte. Als diese Amazonin nun von Thußnelden kein Wort / sondern von dem sä tlichen Frauenzimmer nur ein höfliches Lachen zur Antwort erhielt; schoß sie einen Pfeil durch einen Ring in die Decke / und warff einen Püschel-voll brauner Feilgen auf die Taffel; welch letzteres dahin ausgelegt ward: daß Antiope so wohl von Eiversucht gegen Thußnelden / als von Liebe gegen den Feldherren brennete; das erstere aber: daß sie mit ihren Waffen ein Loch durch Thußneldens Heyrath zu machen gedächte.

Dieses Fede-Weib war kaum aus dem Gemache; als zwölff umbs Haupt mit seidenen Binden geputzte / am Leibe mit Zinober gemahlte Mohren-Knaben mit so viel von wohlrüchendem Zunder unterhaltenen Ampeln erschienen. Diesen folgte eine Mohrin / wel che an der Unter-Lippe einen messenen Ring hengen /in der rechten Hand einen güldenen Apfel / in der lincken eine rauche Kästen-Nuß hatte. Uber den Rücken hieng ihr ein Bogen vier Ellenbogen lang / an der Seite ein Köcher mit vergüldeten Pfeilen. Diese redete / nachdem alle durch ihr Stillschweigen ihren Vortrag zu vernehmen bezeigten / sie derogestalt an: Die Mohren-Königin Candace hätte nach dem Beyspiele ihrer Vorfahren in der Welt den vollkommensten Fürsten aufzusuchen ihr fürgesetzt / welcher würdig wäre nichts minder dem Mohrenlande eine künftige Beherrscherin / als einer so vollkommenen Heldin in der Liebe Vergnügung zu geben; weil ihre Landes-Gesetze dem männlichen Geschlechte den Königlichen Stul / den Königinnen eine beständige Eh verschrenckten. Der weltkündige Ruhm des Fürstens Herrmann hätte sie desthalben wie ein Magnet in Deutschland gezogen; mit dem Vorsatze nichts minder von ihm das Glücke zu genüssen: daß ein so vollkommener Held sie schwängern / als mit Kriegshülffe ihr unter die Armẽ greiffen würde. Sintemal sie entweder zu sterben / oder ihrer Mutter vom Petronius erlittene Niederlage gegen die Römer zu rächen ein Gelübde gethan hätte. Sie vernehme aber bestürtzt die Rauigkeit der deutschen Sitten; welche die Männer zu Knechten eines einigen Weibes machten; ja das andere mal zu heyrathen verschrenckten.[1402] Wordurch sie selbst der Natur Gewalt anthäten; welche darumb so viel mehr des weiblichen Geschlechtes liesse geboren werden: daß ein Mann sich mit mehrern betheilen könte. Vielleicht aber wären diß nur Gesetze für den Pöfel / nicht für Fürsten. Diesen Unterschied hätten die zwey Käyser zu Rom gehalten; indem Julius aller Weiber Mann gewest wäre; August aber ihm so gar eines andern schwangeres Weib geheyrathet hätte. Insonderheit aber vermöchte die Schönheit des Mohrischen Frauenzimmers alle Gesetze aufzulösen / und durch ihre Kohlen die kältesten Seelen anzuzünden. Dannenhero hätte Antonius gegen der braunen Cleopatra / und Julius gegen der schwartzen Tochter des Königs Bogudes alle weisse Weiber zu Rom verschmähet. Uber diß stünde einem so streitbaren Fürsten nicht an iemanden anders / als die fürtrefflichste Heldin zu lieben. Ein Ninus könte nur eine Semiramis umbarmen; kein Adler aber gatte sich mit einer Taube. Aus eben dieser Ursache hätte der Libysche König Antäus seine behertzte Tochter Alceis / Danaus alle seine funfzig /Oenomaus seine einige Tochter Hippodamia / Pisander seine Schwester als einen Preiß dem tapfersten Helden aufgesetzt. Also würde nun auch Hertzog Herrmanns Braut Schande halber mit ihr umb den Fürsten Herrmann kämpfen / oder sich ihres Anspruchs an ihn / wo nicht gar verzeihen / doch mit ihr seine Liebe theilen müssen. Mit diesen Worten warff sie den Granat-Apfel und die Kästen-Nuß / jenes als ein Friedens- / diß als ein Krieges-Zeichen auf die Taffel; mit der Erinnerung: daß die / welche hierbey einigen Zuspruch hätte / eines / oder das andere erkiesen solte. Worauf Thußnelde zum letztern grieff / die Mohrin aber dreuenden Abschied nam.

Folgenden Tag ward bey noch währender Finsternüß der Schau-Platz schon wieder angefüllet; wiewohl der in einen silbernen Rock gekleidete Monde auf einem helffenbeinernen Wagen / welcher von einem weissen und einem schwartzen Pferde gezogen ward / erschien / und theils mit seinem auf dem Haupte brennenden Horne / theils mit einem feurigen Spiegel den Schau-Platz so sehr erhellete; daß es schien: es hätten die Thessalischen Zauber-Weiber durch diesen Wunder-Spiegel den Monden vom Himmel auf die Erde gezogen; zumal dieser fort für fort umb den gantzen Schau-Platz herumb kreissete. Ihm folgete auf einem vergüldeten Wagen in Gestalt einer ansehnlichẽ Königin Deutschland. Diesen zohen vier schneeweisse Pferde. Ihre gelben Haare waren hinten in einen Knoten zusammen gebunden / und das Haupt mit einem Lorber-Krantze bedecket. Zu ihren Füssen lagen zerbrochene Fessel und Ketten. Sie begleiteten zwölff mit Schilff und Mooß bekleidete Flüsse; welche umb sie herumb mitten in dem Schau-Platze stehen blieben. Bald darauf erschien die Natur auf einem Wagen; welcher ein vollkommenes Ey / dieses aber die Welt abbildete. Denn wie die Natur an sich selbst nichts anders / als die Werckmeisterin Gottes ist /also ist die Welt sein Schatten. Den Wagen zohen ein weisser und ein falber Hirsch / als zwey Bilder der flüchtigen / und in Tag und Nacht getheilten Zeit. Die Natur saß auf einem grün-geblümten Stule. Auf dem Haupte hatte sie einen Sternen-Krantz / ein Himmel-blaues Ober-Kleid und einen Meer-grünen Rock an; in der Hand eine grüne Rutte an statt des Königs-Stabes. Ihr Busem war gantz bloß; weil diese gütige Mutter die Weißheit durch den beweglichsten Liebreitz locket ihre Schönheit und Schätze zu erforschen und zu genüssen. Aus der einen helffenbeinernen Brust sprützte sie gleichsam als aus einem unerschöpflichen Liebes-Brunnen Milch / aus der andern Oel; die Füsse aber troffen vom Wasser / alles als ein gütigstes Geschencke der von ihr ernähreten Welt. Auf dem einen Rade des Wagens stand das Feuer /[1403] auf dem andern die Lufft / auf dem dritten die Erde /auf dem vierdten das Wasser. Der Natur kam durch das andere Thor die Kunst entgegen / auf einer vergüldeten grossen Schild-Krote aus Metall; welche durch ein Uhrwerck getrieben ward: daß sie sich schneller / als eine Lebende dahin bewegte; wohin es die Kunst mit ihrem andeutenden Fusse verlangte. Die Kunst bildete eine junge Dirne ab / mit aufgekrauseten Haaren / einem geschminckten und mit ausgeschnittenen Fliegen und Gewürme bekleibten Antlitze. Das Haupt und der Hals strahlete mit vielerley nachgemachten Perlen und Edelgesteinen. Auf den Rock waren die Gestirne nach ihrer wesentlichen Beschaffenheit gestickt. Sie saß auf einem aus Helffenbein gedrehtem Dreyfusse. In der Hand hatte sie einen holen Mäß-Stab; den sie nicht allein zu einem Circkel / sondern auch zu einem Fern-Glase brauchen konte. Ihr folgte ein zierlich ausgeschnitzter Wagen mit zwey Maul-Eseln. Selbten hielten hinten das Bild der Liebe und des Mercur; welchen beyden das Alterthum die Erfindung fast aller Künste zugeeignet hat. Auf dem Wagen lag allerhand Handwercks-Zeug. Auf der Seite giengen drey ungeheure Riesen mit Beilen und Hämmern. Als die Natur auf einer / die Kunst auf der andern Seiten sich Deutschlande näherten / fiengen die zwölff Flüsse mit eitel irrdenen Gefässen an ein liebliches Wasser-Gethöne zu machen; Deutschland aber mit freudiger Geberdung sie folgender Gestalt anzusingen:


Ihr Mütter aller Wunderwercke /

Bau't mir zu Lieb' ein Ehren-Maal /

Dem Helden / dessen Riesen-Stärcke

Wie Glas zermalmt der Römer Stahl /

Der Fessel kan wie Wachs zerwinden /

Wormit Rom Deutschland meynt zu binden.


Natur / zu was für einem Ende

Gebierst du Ertzt und Marmel-Stein?

Als daß der Kunst geschickte Hände

Der Heiden Bilder etzen drein.

Wer etwas schlechters draus läst machen /

Verunehrt nur so edle Sachen.


Nichts werthers aber ist zu hauen

In Helffenbein / Gold und Porphir /

Als Herrmann seiner Feinde Grauen /

Des Himmels Schoß-Kind / Deutschlands Zier;

Der durch die Tapferkeit in Norden

Mehr als ein Hercules ist worden.


Deutschland hatte noch nicht gar ausgesungen; als die Natur mit ihrer Rutte auf die Erde schlug. Bald hierauf erhob sich daselbst ein kleiner Hügel; welcher anfangs nur einem Maulwurffs-Hauffen zu gleichen war / hernach aber zu einer zwölff Ellen-hohen Stein-Klippe ward. Also daß die allezeit zugleich schwangere und gebehrende Natur / die für Zeiten auch Delos / Rhodus und andere Eylande aus dem Meere herfür gestossen haben soll / allhier einen neuen Berg zu gebehren schien. So bald aber diß Wachsthum aufhörete; hoben die drey Riesen die Kunst mit ihrer Schild-Krote empor; welche mit ihrem Mäß-Stabe diese Klippe abmaaß / und / was daran zu arbeiten wäre /die Riesen anwieß. Diese machten sich alsofort mit ihrem Werckzeuge an diese Klippe / welche diesen starcken / und über so embsiger Arbeit schwitzenden Riesen wie weiches Holtz nachgab; und in kurtzer Zeit stellte dieser vorhin raue Stein ein geschicktes Marmel-Bild Hertzog Herrmanns für. Am wunderwürdigsten war hierbey / daß die Cyclopen mit ihrem Hauen und Feilen ein so wohl abgetheiltes Geräusche machten / nach dem die zwölff Flüsse-tantzen konten. Deutschland bezeugte hierüber seine nicht geringe Vergnügung / und sang abermals zu seiner zwölff Flüsse Wasser-Gethöne:


Zwar Winde / Zeit und Wolcken stůrmen

Zu åschern falsche Bilder ein /

Die Heucheley pflegt aufzuthürmen.

Dis Bild wird aber ewig seyn.

Denn Seulen können nicht vergehen /

Die auf der Tugend Fusse siehen.


Die drey Cyclopen / und die vier von dem Wagen der Natur abspringenden Geister des Feuers / der Lufft /der Erde und des Wassers mischten sich hierauf unter die zwölff Flüsse; und hegten zusammen umb diese Herrmanns-Seule einen artlichen Tantz; darinnen sie beym Schlusse[1404] ieden Satzes / wiewohl allemal verändert / Hertzog Herrmanns Nahmen durch ihre Stellungen abbildeten. Nach dessen Endigung rückte Deutschland / die Natur und Kunst mit ihrem Aufzuge an ein Ende des Schau-Platzes enge zusammen; der Monde aber zoh / weil es nun völlig tagte / vom Schau-Platze wieder ab.

Zu denen eröffneten Thoren sahe nun der gleichsam in der Geburt stehende Tag hinein. Es kam auch alsofort der für Furcht gleichsam erblaßte Morgen-Stern auf einem weissen Pferde hinein gerennet; welch Pförtner des Tages aber nicht Stand hielt / sondern geraden Weges zum andern Thore hinaus eilete. Hierauf folgte die Morgen-Röthe auf einem rothgüldenen und von zwey geflügelten weissen Pferden gezogenem Wagen. Die Räder und Pferde waren so naß: daß sie troffen; gleich als wenn sie allererst in dem Meere wären abgespielet worden. Diese rauchten gleichsam und schäumeten schier Feuer aus gegen die vorhergehende in eine Wolcke eingehüllete / und mit einer schwartzen / iedoch mit Stralen besämeten Haube bedeckte Nacht. Die Morgen-Röthe hatte ein weiß silbern Gewand an / umb die Stirne einen güldenẽ und purpernen Schleyer / einen erhobenen Leib / gleich als wenn sie allezeit mit dem Tage schwanger gienge. Auf der Schoß lag ein hell-gläntzender Spiegel; gleich als wenn sie der Welt sich aufs neue zu beschauen das Gesichte wieder gäbe. Auf dem Haupte trug sie einen Rosen-Krantz; sintemal sie den Garten des Himmels gleichsam mit eitel solchem Geblüme bestreuet. Hinter ihrem Haupte gläntzete eine güldene Sonne; weil sie / wo nicht die Tochter / doch der Schatten dieses Gestirnes ist. An der Spitze des Wagens aber erblaßten und flohen zugleich für ihr her der gemahlte Monde und andere Sternen. Ihr Mund lachte für Purper / aus ihren Augen fielen häuffig Thränen / womit sie täglich ihren vom Achilles getödteten Sohn Memnon beweinet. Mit jenem mahlet sie; mit ihren Perlen aber bethauet und erfrischet sie sie; und mit beyden scheint sie zu erinnern: daß alle Lust ein weinendes Lachen / ja die fruchtbaren Thränen nützlicher / als Schimmer und Freude sind. Uber diß stand zu ihren Füssen auf der rechten Seiten ein alabasterner Krug /auf der lincken ein zierlich geflochtener Korb / jener ein Geschencke der Thetys / dieser der Blumen-Göttin. Aus dem Kruge schüttete sie mit einẽ Sprengewedel wohlrüchendes Wasser / aus dem Korbe Blumẽ aus. Harte für dem Wagẽ giengen der nasse Sud-Wind / der spielende West- und der beschneyete Nord Wind / als ihre drey mit dem Astreus erzeugete Söhne; der Ost-Wind aber folgte dem Wagen als ein Diener nach. Bey ihr auf dem Wagen aber saß als ein schöner Jüngling ihr geliebter Orion / von dem sie schierkein Auge verwendete. Ihres Sohnes Memnons schwartz-steinerne Seule aber stand auff der Spitze des Förder-Wagens hoch erhöhet; hatte in der Hand eine Harffe / auf dem Haupt einen Vogel / darein er bey seiner Verbrennung soll verwandelt worden seyn. Von dem Bilde der Sonne gieng ein sichtbarer Feuer-Strahl auf Memnons Mund / wovon er den allersüssesten Laut / gleich als dieser Stein wahrhaftig auf der Harffe spielte / von sich gab. Nach diesem Aufzuge der Morgen-Röthe folgten vier gethürmte Elefanten mit Gold-Stück bedeckt. Die Thürme waren mit Mohren-Jungfrauen angefüllt; welche mit denen annehmlichsten Seiten-Spielen die Lufft erfülleten. Worunter fürnemlich eine vollstimmige Leyer als ein der Sonne eigentlich zugehörendes Seiten-Spiel zu hören war; weil sie mit ihrer Bewegung in der Welt einen so süssen Laut machen soll / und desthalben für den Vater der Musen / der Himmel für die Leyer Gottes / und die Welt für eine Harffe der Sonne gehalten wird. Hierauff ritt auff einem feuer-farbichten Pferde Zirolane eine Marsingische Fürstin / welche die Tochter der[1405] Sonnen Pasiphae in einem Regenbogen-färbichten Kleide fürstellete. Auf dem Haupte hatte sie eine mit Opalen gläntzende Krone von Golde. Nach ihr ritten fünf und siebenzig edle Jungfrauen alle wie Mohrinnen / und der Pasiphae / außer der Krone / gleich gekleidet. Alle waren auch mit güldenen Köchern /Bogen / Pfeilen / Schwerdtern und Wurff-Spießen ausgerüstet. Pasiphaen trugen auf der Seite sechs Mohren-Knaben die Waffen. Mitten in diesem Geschwader führte die Gräfin von Salms auf einer Stange zum Kriegs-Zeichen einen Ochsen mit einem Menschen-Kopffe oder Minotaurus. Hierauf kam auf einem gleichfals feuerfärbichten Hengste Leitholde eine Fürstin der Chauzen; welche hier die andere Tochter der Sonne Phaetusen abbildete. Ihr goldgestückter Purper-Rock sahe wie eitel Feuer-Flammen aus. Ihre Krone brennte von eitel Rubinen. Ihre Waffen trugen gleichfals sechs Mohren-Knaben; und nach ihr ritten fünf und siebzig gleich gekleidete edle Jungfrauen. Ihr Krieges-Zeichen war ein schwartzer Papel-Baum / darein die über ihren Bruder so sehr betrübte Phaetusa soll verwandelt worden seyn. Hierauf folgte ein mit vier feuer-färbichten Pferden gezogener güldener Wagen; auf welchem das Bild des Feuers in Gestalt eines Löwen / mit einem menschlichen Antlitzes / und grossen gewundenen Wieder-Hörnern / welcher mit den Klauen eines Ochsen Hörner faßte / zu sehen war. Für diesem stand ein Mohren-Priester / welcher in eine güldene Schale unaufhörlich Zimmet warf / der sich von sich selbst anzündete. Auf jeder Seite des Sonnen-Wagens giengen zwey von so viel Mohren-Knaben geleitete Elefanten; derer jeder zwey Mohren einen steinernen Kessel fürtrug; aus welchem die Elefanten mit ihrem Schnabel Wasser an sich zohen / sich darmit wuschen und besprützten; hernach sich gleichsam aus einer angebohrnen Andacht für dem Bilde der Sonne neigten; gegen selbtem ehrerbietig den Schnabel ausstreckten /und etliche abgebrochene Zweige selbtem auf den Wagen lieferten. Nach denen Elefanten wurden vier der Sonne gewiedmete Pferde mit güldenen Zäumen und Decken von vier Mohrinnen geführet. Worauf die Fürstin Ismene unter dem Nahmen der Königin Candare auf einem für Edelgesteinen schütternden Pferde in Gestalt der Sonne oder einer Feuer-Göttin erschien; und zwar noch schwärtzer / als alles andere Mohrische Frauenzimmer. Sintemal die Schwärtze ein Fürbild der Sonne ist / wegen ihrer Eigenschafft: daß sie die Menschen schwärtzet. Sie hatte einen Rubinenen Krantz in Gestalt der sich zuspitzenden Sonnen-Strahlen auf; ein güldenes Gewand an. An der Achsel hieng ein güldener Bogen. An der Seite ein mit Rubinen versetzter Köcher mit güldenen Pfeilen. Umb sie giengen zwölf weisse / und zwölf schwartze Knaben /welche die vier und zwantzig Stunden des Tages und der Nacht abbildeten / und zugleich Waffen-Träger dieser Königin abgaben. Diese führete der für eitel Golde schimmernde Mittag. Hierauf erschien des Hertzogs der Catten Arpus Tochter Catta / auf einem weissen Pferde die Sonnen-Tochter Lampetie darstellende. Ihr Kleid war Silberstück; ihr Krantz von eitel Perlen. Nebst sechs ihr die Waffen tragenden Knaben folgten ihr fünf und siebentzig weiß gekleidete Mohren-Jungfrauen. Ihr Kriegs-Zeichen war ein Löwe. Zuletzt kam mit eben so viel schwartzen Jungfrauen und gleichmäßigem Aufzuge Melinde eine Gräfin von Waldeck als die vierdte Sonnen-Tochter Circe in einem gold-gelben Kleide / und mit einem Krantze von gelb-rothen Hyacinthen-Steinen. In der Hand hatte sie eine Gärthe in Gestalt einer Natter. Ihr Kriegs-Zeichen war ein Drache. Als dieser Mohren-Aufzug beschlossen war / kam ein von sechs weissen Kühen gezogener sechs-rädrichter silberner Wagen in Schauplatz. Auf selbtem saß in einem Regenbogen-färbichten[1406] Rocke Iris / nebst noch dreyzehn so gekleideten und der Juno gewiedmeten Jungfrauen. Iris hatte einen Krantz von Perlen / die andern von Weitzen-Eeren auf; welche Juno für ihre Blumen hält. Jede rührte ein absonder Säitenspiel. Dem Wagen folgten vier Centauren; welche von vier Winden an silbernen Ketten als Gefangene geführt wurden. Hierauf ritt auf einem Perlen-farbenen Hengste eine Gräfin von Stirum in Gestalt der Amazonischen Hippodamia; und nach ihr fünf und siebenzig schneeweisse alle in Silber gekleidete Amazonen; deren lincke Brust gantz /der rechte Schenckel bis übers Knie entblößet / das Haar in die Lufft ausgestreuet / jede mit silbernen Bogen / Pfeilen und Wurf-Spießen ausgerüstet; Hippodamia über dis von sechs weissen Knaben bedienet war. Auf einer versilberten Stange führten sie zum Kriegs-Zeichen eine der Juno gewiedmete Gans. Den andern von fünf und siebenzig lichte-gelbe bekleideten Amazonen bestehenden Hauffen führte eine Gräfin von Hohenloh; welche die Widersacherin des Hercules Menalippe mit einem Krantze von eitel Milch-weissen / gleichwol aber durchsichtigen Monden- oder Spiegel-Steinen fürbildete. Ihr Krieges-Zeichen war ein der Juno heiliger Pfau. Auf diesen Hauffen erschien ein silberner von vier weissen Ochsen gezogener Wagen. Auf demselben stand das Bild der Lufft /wie die von vielen Brüsten strutzende Isis; welche auf dem Haupte einen halben Mohnden / in der Hand ein Thau-Gefäße hatte. Für ihr stand Callirrhöe eine Priesterin der Juno / und schlachtete ihr ein weisses Schaf ab. Umb den Wagen giengen acht Winde; nach ihnen der Tag. Hierauf erschien auf einer Perlen-farbenen Stutte die andere Cattische Fürstin Adelmunde / als allhier die Amazonin Antiope / oder vielmehr die Göttin Juno wie eine Amazone ausgerüstet. Ihr Kleid war Silberstück mit güldenen Lilgen; das Haupt mit einer Perlen-reichen Krone bedeckt. Auf ihrem silbernen Schilde war ein Kuckuck geetzt / als in welchen Vogel sich Jupiter ihr zu Liebe verwandelt haben soll. Um diese Königin giengen die zwölff in Perlen-farbenen Damast gekleidete himmlische Zeichen mit weissen Fackeln gerüstet; und wurden von dem in Purpur gekleideten Abende / als welcher allen Gestirnen ihr Licht anzündet / aufgeführet. Nach ihr aber zohe eine Gräfin von Teckelnburg unter dem Nahmen Hippolitens des Theseus Buhlschafft mit einem Krantze von Berillen und einer zum Kriegs-Zeichen erwehlten Kuhe. Endlich eine in Sardonich-Farbe gekleidete /und mit solchen Steinen gekräntzte Gräfin von Horn /unter der Gestalt der hertzhafften Orythie nebst einem Horne des Uberflusses / und zwar jede mit fünf und siebenzig alle in Silber oder weiß gekleideten Amazonen / und jede mit sechs Knaben auf. Alle dieser Amazonen Pferde waren Perlen-weiß.

Zu dem andern Thore hingegen kamen vier durch geheime Gewichte bewegte Meerschweine in den Schauplatz; welche den auf der Laute lieblich spielenden Arion auf dem Rücken trugen. Umb ihn herumb sassen vier Tritonen / die bald auf weit schallenden Hörnern / bald auf so viel mit Seiten bezogenen Muscheln ihm wechselsweise einstimmeten. Nach diesen wurden vier ansehnliche und mit perlenen Decken belegte Pferde / als welche Neptun zum ersten soll ans Licht gebracht / oder der Thetys auf die Hochzeit geschencket haben / von vier Tritonen geführet. Hierauf erschien / wie alle folgende Meer-Heldinnen / auf einem Meer-blauen Pferde eine Gräfin von Reineck unter dem Nahmen der Meer-Tochter Clytie; welche wie ihre fünf und siebenzig nachfolgende Gespielen auf Amazonische Art mit einem himmelblauen Kleide / und einem Korallen-Krantze bedeckt war. Zum Kriegs-Zeichen führte eine Gräfin von Henneberg auf einer Meer-grünen Stange das[1407] Bild ihrer geliebten Sonne. Hierauf folgte in einem himmel-blauen Rocke / und mit einem Krantze von Saphieren eine Ascanische Fürstin Theudelinde / in Gestalt der andern Meer-Tochter Asiens; und nach ihr fünf und siebenzig gleiche Gefärthinnen. Die Gräfin von Andechs führte derer Kriegs-Zeichen eine Feuer-Seule; entweder weil Thetys aus Abneigung gegen den Peleus sich in eine Flamme verwandelt / oder Asiens Sohn Prometheus das Feuer vom Himmel gestohlen haben soll. Nach diesen ward das Bild des Wassers aus Marmelsteine /welches unter dem Arme aus einem weiten Gefäße eine Bach ausschüttete / auf einem von zwey Wallfischen gezogenem Wagen geführet. Ein schwartz-gekleideter Priester saß auf einem abgeschlachteten wilden Schweine / und opferte von selbtem eine Schale Blut nach der andern denen Wasser-Göttern. Hierauf erschien die Göttin Thetys / oder die unbefleckte Fürstin Thußnelde / als eine deutsche Amazone selbst in einem gewässerten Perlen-farbenen Kleide / welches nichts minder als ihre Krone mit Perlen bedeckt war. Sie war / wie alle andere / auf Amazonisch gerüstet; nur / daß sie in der Hand einen silbernen Dreyzancks-Stab führte. Umb sie herumb giengen vier und zwantzig von der kohlschwartzen Mitternacht gekleidete Nereides; sintemahl zu dieser Zeit die Sonne im Meere schlaffen oder sich baden soll. Dieser Königin folgte ihre Tochter Fleione der Plejaden Mutter mit einem ebenfals Perlen-farbenen Rocke / und einem Krantze von Meer-grünen Berillen; welche Stelle eine Fürstin der Wenden vertrat. Nach dieser kamen ihre Töchter die sieben Plejades nebst noch acht und sechzig weiß gekleideten See-Göttinnen; zu ihrem Merckmaal führte eine Gräfin von Thurn den Sternen-Bär. Zuletzt erschien eine Gräfin von Holland in Gestalt der Meer-Tochter Ephyre in einem grün- und blau-vermengtem Rocke / mit einem Krantze von Türckissen. Nicht anders waren ihre fünf und siebenzig Nachfolgerinnen gekleidet. Ihre zum Kriegs-Zeichen erwehlte zwey güldenen Stern-Fische führte eine Gräfin von Spiegelberg.

Den vierdten Aufzug fieng ein in den Schauplatz gleichsam kriechender Berg an / auf dem die neun mit Rosen gekräntzten Musen / als des Himmels und der Erde Töchter / mit ihren gewöhnlichen Säitenspielen aller Zuschauer Ohren und Augen an sich zohen. Diesem Berge folgten vier von so viel Mägdlein geführte Löwen / als die der Götter-Mutter Cybele gewiedmeten Thiere. Nach ihr ritt auf einem schwartzen / aber mit einem Rosen-farbenem Tuche bedecktem Pferde eine Gräfin von Rheinfeld / als die Blumen-Göttin / in einem Rosen-farbenem Rocke mit Rosen und Chrysolithen gekräntzt. Neben ihr giengen sechs Blumen ausstreuende Knaben. Ihre fünf und siebenzig nachfolgende Frauenzimmer waren alle eben so gekleidet /und mit Bogen / Pfeilen und Zweyzancks-Stäben gewaffnet. Ihr Krieges-Zeichen eine Rose führte eine Gräfin von Fürstenberg. Dieser folgte die in gelben Atlas gekleidete / und mit einem aus Agstein gebildeten und mit Weitzen-Eeren umbflochtenen Eeren-Krantze gezierete Ceres / eine Fürstin der Sicambrer. Sie bedienten sechs mit Eeren gekräntzete und mit Sicheln gewaffnete Mohren-Knaben. Ihre fünf und siebenzig Gefärthinnen waren wie die Ceres gekleidet /und wie sie mit Bogen und Sicheln gerüstet / ihre schwartzen Pferde mit gelben Decken geputzt. Das Kriegs-Zeichen eines Mah-Hauptes führte eine Gräfin von Wertheim. Nach diesem kam ein von zwey Schlangen gezogener Wagen / darauf das Bild der Erde in Gestalt eines schwartzen großbrüstigen schwangern / und mit Thürmen gekrönten / ein Horn des Uberflusses in einer / und eine Fackel in der andern Hand habenden Weibes saß; für[1408] ihr aber eine Dro el stand. Sintemal diese urälteste Göttin als eine allgemeine Mutter / als ein Thurm Jupiters / als ein Tempel der Welt / und als ein Becher der Helden /wie der Himmel für den Vater verehret zu werden pfleget. Für diesem Bilde kniete ein Priester mit einer Schale voll Milch / und einer Schüssel voll Honig. Diesem Wagen folgte die Nacht / als eine Tochter der Erde und Mutter der Fruchtbarkeit mit zwölf Gärtnern / und nach ihr riett die in grünen Damast gekleidete /und mit einem schmaragdenen Krantze und herrlichen Waffen prangende Fürstin Rhamis / des dritten Cattischen Hertzog Ukrumers Tochter. Sie bedienten die zwölf Monate / unter denen der Ceres gewiedmete August den Vorzug / und den prächtigsten Krantz auf / alle aber den mit Perlen und Rosen prangenden Morgen zu ihrem Führer hatten. Hierauf erschien eine Gräfin von Mannsfeld / als die Obst- und Wein-Göttin / in einem grün-röthlichten Kleide / mit einem aus Granat-Aepfeln und Weintrauben geflochtenen / aber zugleich mit vielerley Edelgesteinen geschmückten Krantze. Die Decken der schwartzen Pferde waren gleichfals bund. Fünf und siebenzig gleichgekleidete Frauen begleiteten sie / und eine Gräfin von Stolberg trug zu ihrem Zeichen einen Granat-Apfel. Endlich rückte vollends die Göttin des Ertztes in einem silbernen Rocke mit einer güldenen Krone / mit stählernen Waffen / einem küpfernem Schilde / und bleyernen Schuen herfür. Diese Stelle bekleidete eine Gräfin von der Marck. Sie bedienten sieben Berg-Geister / derer jeder seines absonderen Ertztes Eigenschafft in Tracht und Waffen zeigte. Fünf und siebenzig Gespielen waren außer der Krone gleicher Gestalt ausgeputzt /und eine Gräfin von Berg führte einen siebenspitzichten Stern als ihr Kriegs-Zeichen. Aller dieser schwartze Pferde waren mit güldenen Teppichten bedeckt.

Diese vier Göttinnen stellten ihr streitbares Frauenzimmer / und zwar jede das Ihrige in vier Hauffen; ihre Wagen zusammen in die Mitte unter die Seule des Feldherrn; ihre Thiere und Dienstbothen aber zwischen die Schlacht-Ordnung; also: daß die wäßrichte Thetys oder Thußnelde gegen der feurigen Sonne oder der Ismene / gegen Clytie Pasiphaen / gegen Asien Phaetusen / zwischen diesen aber der Thetys vier Pferde / gegen der Sonne vier Elefanten / vier und zwantzig Nercides gegen so viel Stunden; ferner Pleione gegen Lampetien / und endlich Ephyre gegen Cyrcen zu stehen kam. Auf der andern Helffte des Schauplatzes bot die annemliche Rhamis / oder Cattische Fürstin der hoffärtigen Juno oder holdseeligen Adelmunde; die Blumen-Göttin Hippodamia / die Getreide-Göttin der Menalippe / zwischen innen der Erde vier Löwen denen vier Centauren als vom Ixion eingebildeten Söhnen der Juno / die Nacht mit zwölff Gärtnern dem Tage und seinen zwölff Winden / die zwölff Monate denen zwölff geharnischten Amazonen; ferner die Obst-Göttin der Hippolite / und die Ertzt-Göttin der Orythie die Stirne. Das Feuer munterte seine Pferde durch Fackeln / welche von denen Waffen-Trägern der ihrer vier Heerführerinnen geschwungen wurden / die Lufft die Ihrigen durch einen hurtigen Tantz / das Wasser durch ein Gethöne der Krummhörner / die Erde durch Verhaltung allerhand bundter Tücher auf. Die 4. Göttinnen und ihre 16. Heerführerinnen tasteten einander zum ersten mit Pfeilen an; hernach traf ihr streitbares bey jedem Hauffen in fünf Glieder jedes von funfzehn Häuptern gestelltes Frauenzimmer von Gliede zu Gliede tapfer auf einander. Worbey die fürtrefliche Ordnung aus der Sonnen Feuer-färbichten Füchsen / des Wassers blaue Schimmeln / der Lufft Perlen-farbenen und der Erde kohlschwartzen Pferden; wie auch aus jeden Geschwaders[1409] absonderlichen Decken / und denen Kleidungen der Streitenden wunderns-werth; und schier eines jeden Frauenzimmers aus allen zwölf hunderten durch ein besonder Merckmaal zu erkiesen war. Gleicher Gestalt führten ihre Leiter die Pferde gegen die Elefanten / und die Löwen gegen die Centauren. Derer erste mit ihren Schnauzen / die andere mit ihrem Huff / die dritten mit ihren Klauen / die vierdten mit ihren Bogen; die Nacht gegen den mit Blitze gerüsteten Mittag mit einem Rauch-Kopffe / der Abend gegen den mit einer Fackel gewaffneten Morgen; die Wasser-Nymphen aber mit Dreyzancks-Stäben gegen die mit Sensen ihnen begegnenden Stunden / die zwölff himmlischen Zeichen gegen die zwölff Monate kämpfften / welche letztern mit denselben Waffen versehen waren / die derselbe Gott führet / dem ein jeder Monat zugeeignet ist. Nach zweymaligem Pfeil-Treffen giengen die Wasser-Kämpferinnen gegen die mit Wurff-Spießen sich beschirmenden Feuer-Heldinnen mit Dreyzancks-Stäben / die der Erde gegen die mit Lantzen versehenen Lufft-Amazonen mit zweyzanckichten Gabeln hertzhafft loß; also: daß wenn nicht alle diese Gewehre mit Fleiß stumpff gemacht worden wären / schwerlich eine unbeschädigt würde geblieben seyn.

Bey diesem dritten Treffen schwenckten sich alle vier Heere so künstlich herumb: daß sonder die geringste Verwirrung die Erde gegen dem Feuer / und das Wasser gegen der Lufft / nicht ohne geheime Andeutung zu stehen kam. Deñ / ob zwar alle vier Elemente einander auf gewisse Art verwand sind / und sich mit einander vereinbaren / so verbinden sich doch Erde und Meer durch die gemeine Eigenschafft ihrer Kälte / und eine diesen zweyen allein anständige Vermischung / das Feuer und die Lufft durch ihre Wärmbde / und daß sie beyde einander völlig durchdringen / am festesten zusammen. Welche zwey letztere auch schier nur durch ihre geschwindere oder längsamere Bewegungs-Art von einander unterschieden sind. Muß also nur die Lufft durch Hülffe ihrer Feuchtigkeit das Wasser und das Feuer / hingegen die Erde durch ihre Trockenheit das Feuer / als welchem sie allen Zunder reichet / und das Wasser durch eine sanffte Vermittelung mit einander versöhnen. Derogestalt waren diese Bundsgenossen ihre Widrige auf eine neue Art anzugreiffen im Wercke schon begrieffen; als das eine Thor des Schauplatzes sich mit grossem Schüttern eröffnete / und der schwartze Vulcan mit sechs einäugichten Cyclopen einhinckte. Er schwenckte als der Gott des Feuers eine hellodernde Fackel umb sich; als welche er auf den Götter-Hochzeiten fürzutragen bestellt ist. Vier ihm als dem Erfinder der Ertztgießung und Schmiede-Arbeit folgende Cyclopen trugen allerhand küpferne Platten / ertztene Kugeln / Schleuder-Tische / eiserne Bälle / meßingene Rincken / Bley-Gewichte / Schleudern / und allen andern in denen Olympischen Spielen gebräuchlichen Vorrath nach. Polyphemus der stärckste unter ihnen war mit dem schönen aus Ertzt gegossenem Hunde beladen / den Vulcan nach dem Muster des dem Jupiter verehrten ausgeetzt / und seiner Venus geschenckt hatte. Nach diesem ungestallten Riesen folgte der Liebe Waffen-Träger Bacchus mit seinen pfeiffenden Silenen und tantzenden Bacchen / welche den Erdbodem mit Ulmen-Zweigen peitschten; gleich als wenn sie hierdurch abermals neue Wein- Honig- und Milch-Brunnen erwecken wolten. Hierauf erschienen die drey singenden Holdinnen / derer Gestalt sich der Schönheit / die Stimme der süssen Ubereinstimmung des Himmels gleichte / die Rosen streuenden und wolrüchendes Wasser aussprengenden Hände aber den Erdboden beblümten und die Lufft einbisamten. Nach diesem kam auf dem einer Perlen-Muschel gleichen und[1410] von zweyen Schwanen gezogenem Wagen die Göttin der Liebe in einem blauen mit güldenen Rosen oder vielmehr Sternen bestreuten Rocke. Die Schläfe waren mit Rosen / der Hauptwirbel mit einer perlenen Krone bedeckt / der Hals mit Perlen / der Leib mit einem Gürtel von köstlichsten Edelgesteinen / die Seite mit einem schmaragdenen Köcher / der Arm mit einem güldenen Bogen geschmückt. Zu ihren Füssen lag der geharnschte Kriegs-Gott gebunden. Gegen über saß ein annehmlicher Liebes-Gott; dessen Leib gleichsam die Milch / seine Wangen die Rosen / der Mund Zinober wegstach. Sein lichtes Haar war noch mit Gold-Staube bestreuet; also: daß sein Haupt mit so viel Sonnen-Strahlen bekleidet zu seyn schien / als auf selbtem Haare zu sehen waren; welche sich einem wellichten Gold-Drate gleichten. Er hatte zwey Köcher einen mit güldenen- den andern mit bloyernen Pfeilen erfüllet. Seine Flügel waren zwey Pfauen-Schwäntzen ähnlich / in dem alle Federn voller Frauen-Augen hiengen / seine purperne Schürtze aber unzehlbare Hertzen beschloß. Dieser hielt seiner Mutter einen grossen kristallenen Spiegel vor; womit sie /weil in der Welt nichts schöners zu finden / sie sich nur über ihrer eigenen Vollkommenheit vergnügen möchte. Für dem Wagen giengen noch funfzehn andere geflügelte Liebes-Götter; derer ein jeder einen kostbaren Siegs-Preiß trug. Umb den Wagen lieffen die fünf Sinnen / welche einen Lobgesang der Liebe sangen / hierüber aber unter einander selbst in Zwist geriethen / welch Sinn die Liebe zu erwecken oder zu unterhalten das meiste beytrüge. Diesen Kampff drückten sie mit ihrer süssen Kehle und folgende Wechsel-Reimen aus:


Das Gehöre.

Die Halsfrau aller Seel'n / der Hertzen Henckerin /

Die Mutter der Natur / der Ursprung aller Sachen /

Die Heb-Amm' aller Lust / der Götter K \nigin

Die Liebe / die die Welt kan lieb- und lebhafft machen /

Braucht alle Sinnen zwar zum Werckzeug ihrer Macht;

Allein die Lieb' ist selbst durch mich zur Welt gebracht.


Mein helffenbeinern Ohr ist ihre Mutter-Schoos /

Die Muschel / in der sie soll worden seyn empfangen.

Hier wird die Liebe jung / hier wächst sie starck und groß;

Denn das Geh \re zeugt begieriges Verlangen;

Eh Alcibiades noch die Medontis sieht /

Würckt schon ihr Ruhm so viel: daß er für Liebe glüht.


Besänfftigt Orpheus nicht das Vieh durch Säitenspiel?

Die Schlang' entgifftet sich / und starret als beschworen /

Die Tiger werden kirr / und kurtzweiln / wie er wil /

Ja Felsen / Winde / Wald und Kräuter kriegen Ohren;

Er preßt das Thränen-Saltz den Höllen-Geistern ab /

Macht: daß Proserpina sein Weib ihm wieder gab.


Die süsse Kützelung der Ohren hat die Krafft:

Daß man Gehöre giebt halb-schlängichten Sirenen /

Und sich in Abgrund stůrtzt / wenn es ihr Lock-Lied schafft.

Denn ihre Stimmen sind die Zauberey der Schönen.

Der Hamen / der allzeit schlingt tausend Seelen ein /

Wenn Liebreitz und Gestalt vergebne Jäger seyn.


Die edlen Ohren sind zwey Pforten süsser Brunst /

Die allzeit offen stehn die Lieb' in's Hertz zu lassen;

Sie sind zwey Labyrinth' / aus denen keine Kunst

Sich weiß zu wickeln aus / die sie schon einmal fassen.

Sie sind der Anmuth Röhr / und das Gehör' ein Sinn /

Der Marmel fühlend macht / und Unmuth schläget hin.


Das Gesichte.

Verkreuch Gehöre dich / du brauchst nur Unterschlief.

Des Leibes Schönheit ist vereinbart ins Gesichte /

Die Augen aber sind des Antlitzes Begrief.

Die Lebens-Geister sind vermählt mit ihrem Lichte;

Sind also mehr / als sonst kein ander Glied / geschickt:

Daß Seel' und Hertz durch sie den regen Trieb ausdrůckt.


Sie sind ein Sommer-Glantz der alles Ding entdeckt /

Ja sie sind selbst das Hauß der Seel' / ein Sitz der Hertzen /

Ein Spiegel der uns zeigt / was in Gedancken steckt

Fůr heimliche Begierd' und angenehme Schmertzen.

Ihr stumm Gespråche giebt glaubhaffter zu verstehn

Den Wunsch als Worte / die meist nicht von Hertzen gehn.


Die Liebe wird gezeugt in Augen / in der Brust

Geträncket / in der Seel' ernehret und erzogen.

In Augen kåumt und wächst der Liebe meiste Lust /

Dar wird / wo sonst der Mund nur Milch saugt / Blut gesogen;

Wenn Lippen kaum einmal aus Kůssen Honig ziehn /

Trinckt's Auge tausendmal viel Nectar aus Rubin.


Die sch \nen Augen sind dem Sonnen-Brunnen gleich /

Die Thränen in dem Tag' / und Glutt zur Nacht gebehren.

Wenn anfangs sie das Hertz mitleidend machen weich /

Hernach eys-kalte Seeln durch heissen Brand verzehren.[1411]

Es ist ihr Mitler-Ampt zu machen einen Schluß:

Daß Hertz und Liebe sich zusammen schmeltzen muß.


Die Blicke sind der Pfeil / die Augen das Geschoß /

Die Augenbrauen sind der Köcher und der Bogen.

Der Himmel mache sich mit einer Sonne groß /

Es hat mein Paradis zwey Sonnen auferzogen.

Der Liebe Richt-Stul ist den Augen heimgestellt;

Denn jene liebt und lobt / was diesen wolgefällt.


Der Geschmack.

Was rühmt ihr Augen euch? die Lieb' ist ja stockblind

Ihr fangt zu leben an zum letzten / sterbt am ersten.

Die Lieb' ist im Gesicht' ein noch ohnmåchtig Kind /

Und euer Brutt pflegt offt für der Geburt zu bersten.

Ihr lechst für eitel Durst / genüßt kein Labsal nicht;

Speist euch mit leeren Schal'n / hegt ein nur zehrend Licht.


Ich aber bin allein der Liebe Koch und Kost.

Bin ich die Mutter nicht / so bleib' ich doch die Amme.

Der Augen Strahlen sind für mir nur hitzig Frost;

Der Liebe Zunder kommt durch mich erst recht zur Flamme.

Sie labt und speiset sich durch meinen Uberfluß /

Die Schüssel ist der Mund / ihr Himmel-Brod ein Kuß.


Dis ist der Götter Lust / des Paradieses Frucht /

An der man sich kan matt / nie überdrüßig essen,

Der Zucker / den die Bien' aus Kräutern saugt und sucht /

Und den der Inde läßt aus Palmen-Frůchten pressen /

Ist Wermuth gegen dem / den ein begeisiert Kuß

Aus Rosen-Lippen saugt / und andern geben muß.


Jedoch vermischen sich zwey Münd' und Zungen nicht

So brünstig als zwey Seel'n durch einen Kuß zusammen;

Denn Küssen ist allein der Seelen ihr Gericht' /

Als die sich hier vermähln durch ihre süsse Flammen.

Es schleußt ein enger Mund zwey gantze Seelen ein /

Und zweyer Leben scheint ein einig Kuß zu seyn.


Wiewol die Lippen nicht nur Liebes-Tasseln sind.

An Brüsten saugt nicht nur ein Kind / Verliebte laben

Sich an der Milch / die nie verrinnet / nur gerinnt.

Sie sind Gebürg' aus Schnee / die an den Gipfeln haben

Zwey Erdbeern süsser Art wie Honig / roth wie Blut;

Zwey Aepfel voller Safft / zwey Berge voller Glut.


Der Geruch.

Wahr ists: daß Lieb' aus Mund und Brust ihr Labsal nimmt /

Die Sternen können nichts vom Himmel süssers thauen /

Als was hier auf der Milch / dort auf den Rosen schwimmt.

Ein alabastern Leib / ein Antlitz sch \ner Frauen

Ist ein recht Sonnen-Tisch / der nie wird aufgezehrt /

Ein Kelch der Seelen tränckt / der Geist- und Götter nehrt.


Allein /wem eckelt nicht bey reichstem Uberfluß?

Für ungewürtzter Kost und stinckenden Gerüchten?

Mein Balsam aber ist der alles machen muß /

Das Oel der Liebes-Glut / das Saltz in ihren Früchten.

Er ist der Küsse Geist; weil nichts beliebt seyn kan /

Was uns nach Leichen schmeckt und als ein Grab rücht an.


Die Rose wůrde nicht der Liebe Blume seyn /

Ihr Purper must' umbsonst auf ihrem Stiel' erbleichen /

Wenn sie nicht balsamte Zibeth und Amber ein.

Dis machet: daß sich ihr darf keine Blume gleichen;

Da Tulipanen doch ihr gehn an Farben für;

Und auf den Nelcken brennt mehr Feuer / als auf ihr.


Wie nun der Blumen-Röth' ist ihrer Liebe Brand /

Der Thau ihr Trähnen-Saltz / so ist ihr süsses Rüchen

Die Sehnsucht / die die Pein der Blumen macht bekand;

In die die Seelen sind der Liebenden gewiechen.

Ja Venus hätte nie verliebt sich in Adon /

Wär'er gewesen nicht der Myrrhen-Staude Sohn.


Sie hat den Westwind auch zum Vordrab ihr erkiest /

Weil seine Lippen nichts als Würtzen athmen sollen.

Nach dem doch der Geruch der Götter Mahlzeit ist /

Die Aloe / nicht Vieh zu Opffern haben wollen.

Der Liebe Sitz / das Hertz / stärckt sich durch mich allein.

Wie soll nicht der Geruch zur Liebe dienlich seyn?


Das Fühlen.

Ihr seyd der Liebe Magd' und Werckzeug ins gesamt /

Das Hören dienet ihr zu einem Harffenschläger /

Und der Geschmack vertritt des Speisemeisters Ampt /

Das Auge dolmetscht ihr / und ist ihr Botschaffts-Träger /

Auch steckt ihr der Geruch / als Priester Weyrauch an /

Doch send ihr Sinnen mir nichts minder unterthan.


Das Auge siehet nur / die Zunge schmeckt allein /

Die Nase reucht / das Ohr hat einig das Gehöre;

Mein Fühlen aber nimmt die Glieder sämtlich ein /

Und eure Wollust fleußt durch meine Zucker-Röhre.

Mit einem Wort: ich bin des Liebens einig Ziel /

Ihr Wagen / ihr Geschoß / ihr Zucker und ihr Kiel.


Ich bin der Wollust Meer und aller Sinnen Grund /

Die gegen mir allein für Bäche sind zu schätzen /

Die schlechte Kitzelung in Augen / Ohr und Mund

Macht durstig / niemals satt / wie mein vergnügt Ergetzen.

Bey dem kein ander Sinn mehr seiner Lust geneust /

Ja auch die Seele selbst wie schmeltzend Wachs zerfleust.


Wie offt armt Aug' und Ohr nur mit Gespensten sich /

Sieht Irrwisch' an für Stern' / und Schatten für recht Wesen

Die Hoffnung speiset sie / Vergnügung aber mich;

Ihr Sehnen schafft Verdruß / mein' Ohnmacht ist genesen.

In Austern / die kein Sinn / als nur mein Fühlen rührt /

Wird doch der Liebe Geist durch meine Krafft gespůrt.


Ist auch die Lieb' ein Brand und eine Seelen-Glut /

So ist die Liebe nichts als ein empfindlich Fühlen /

Das Liebenden bald weh / bald wol und süsse thut.

Auch läßt ihr Brand durch nichts sich / als durchs Fühlen kühlen.

So sollt ihr Sinnen denn der Warheit wollig bey:

Daß ich der Wollust Kern / der Seelen Balsam sey.[1412]


Der gantze Schau-Platz ward durch diß Singen gleichsam in unbewegliche Steine verwandelt. Insonderheit standen die Cyclopen / als wenn sie wie Atlas zu Bergen werden wolten. Nach dem Beschlusse ihres Wort-Streites löseten sie die drey Holdinnen mit ihren Seiten-Spielen ab; nach welchen die 5. Sinnen einen Tantz hegten / die Cyclopen mit einer nach den Seiten-Spielen geschehenden Bewegung sich ihrer Last für der Herrmanns-Seule entbürdeten; die Liebes-Götter aber ihre Preiße für der Liebes-Göttin niederlegten. Hernach aber mischten sich die 5. Cyclopen und die 15. Liebes-Götter in den Tantz der 5. Sinnen; darinnen sie ein zierliches Gefechte mit Pfeilen und andern Gewehren fürstellten. Zu iedem Sinne schlugen sich ein Cyclope und drey Liebes-Götter; und traffen nebst ihnen in fünff Hauffen / und zwar jene mit grossen Hämmern / diese mit Blumen-Peitschen auf einander. Bald verwandelte sich auch der Tantz in ein Ringen / bald in ein Ball-Spiel / bald in ein Wette-Lauffen. Zuletzt theilte die Liebes-Göttin einem Cyclopen / der in den Hammer-Schlägen das Beste gethan hatte / eine Schale mit Weine / einem im Ringen sich wohl haltenden Liebes-Gotte ein alabastern Gefässe mit Oele / darmit sich die Ringer einzusalben pflegten; dem besten Ballen-Spieler einen güldenen Apfel / dem geschwindesten Läuffer ein paar güldene Schuch-Monden; dem Fühlen ein güldenes Hertze aus. Sintemal das Hertz / als der Brunn der Wärmde /auch der Ursprung aller Sinnen ist. Hierauf fuhr die Liebe in Begleitung ihres gantzen Aufzuges in einem Kreisse sanfft umb die Herrmanns-Seule herumb; und sang in die Seiten-Spiele der Holdinnen die vier zum neuen Kampfe fertigen vier Hauffen des gewaffneten Frauenzimmers folgender Gestalt an:


Welch Irrwisch falscher Liebes-Brunst

Verleitet euch / ihr Töchter der Natur?

Der Eiversucht verbländend Dunst

Verführt euch auf der Zwytracht arge Spur.

Nicht meine süsse Glut / nicht mein unschuldig Trieb

Macht: daß ihr allzumal habt einen Fürsten lieb.


Zwar Herrmanns Tugend ist wohl werth:

Daß iede Frau in ihn verliebet sey.

Wer aber fremdes Gut begehrt /

Reißt der Natur und Liebe Band entzwey

Und diese legt sich selbst mit dem Verhängnüß ein /

Die für Thußnelden sich müht Herrmanns Braut in seyn.


Die Lilgen-Brust / der Rosen-Mund /

Der Haare Gold / der Augen schön Saphier /

Sind Schalen / nicht der Sch \nheit Grund

Sind Wunder / doch nur's schlechste Theil an ihr.

Denn Schönheit macht sie zwar zur irrd'schen K \nigin /

Die Tugend aber setzt sie zu den Göttern hin.


Wo euer Eiversucht und Leid

Sich aber nicht läßt ohne Kampf abkühln;

So wißt ihr: daß der Liebe Streit

In Lust besteh und frohen Kurtzweil-Spieln.

In diesen laßt euch sehn / und thut's Thußnelden gleich /

So wird ein Herrmann auch vermählet werden euch.


Nach diesem Gesange gab die Liebes-Göttin dem Vulcan einen Winck / worauf er durch seine Cyclopen bey dem Bilde Hertzog Herrmanns zwey ertztene oben zugespitzte / darunter aber ein rundtes Loch habende Seulen aufrichteten; denen Liebes-Göttern aber einen siebenfachen mit denen Merckmalen der Irr-Sterne bezeichneten / mit einem silbernen Hacken an eine purperfarbene Schnure gehenckten Ring / dergleichen der weise Indianer Jarcha zum ersten künstlich gemacht / denen sieben Göttern gewiedmet / und durch Krafft solcher Ringe sein Leben auf hundert und dreissig Jahr erstreckt haben soll. Mit diesen kletterten sie an denen aufgerichteten Seulen hinauf / und knüpften die Schnure mit iedem Ende an eine Seule an. Die Cyclopen trugen an dem Eingang der gegen die zwey Seulen gemachten Renne-Bahn eine grosse Menge messingener Kugeln / und rundter in der Mitte löchrichter Ertzt-Platten. Wormit auch dieses Frauenzimmer so vielmehr diese Kampf-Art zu belieben aufgemuntert werden möchte / namen die[1413] Cyclopen einen rundten und dicken Ertzt-Teller / den ein mittelmässiger Mann kaum erheben konte / und stritten mit einander / wer solchen am höchsten in die Lufft werffen könte. Bey welchem Spiele Hyacinthus soll umbkommen seyn. Die Liebes-Götter aber waffneten ihre Armen und Achseln mit küpfernen Platten; und fochten mit höltzernen an einem Riemen hangenden Kugeln / nach Art der Olympischen Gürtel-Kämpfer /mit grosser Geschickligkeit gegen einander; indem sie alle Streiche entweder durch geschwinde Auswendungen abzulehnen / oder sie mit ihrem Leibe / so fern er geharnischt war / wie nichts minder öffters mit einem begegnenden Gegen-Streiche aufzufangen wusten. In welcher Krieges-Art zu Sparte nicht nur die Knaben /sondern auch die Mägdchen sorgfältig geübet wurden; und ist selbte auf den Olympischen Spielen in so grosses Ansehen kommen; weil hierinnen Neptun der Bebrycier streitbaren König Amycus getödtet haben soll. Als diese Riesen und Knaben den Schau-Platz mit ihren Spielen unterhielten / rüstete sich das Frauenzimmer zu ihren Ritter-Spielen. Wie nun die kriegerischen Trompeten / Kru -Hörner und Paucken das Zeichen zum Rennen gaben; rückte die Liebe / als die Richterin über diese Spiele / mit ihrem Wagen nicht ferne von dem erkieseten Ziele; die Holdinnen aber namen ihre helffenbeinerne Schreibe-Taffeln zur Hand / umb nach dem Erkentnüsse der Liebe alle Treffen genau aufzuzeichnen. Den Anfang machte vom Feuer Pasiphae mit ihren fünf und siebentzig Gefärthinnen; und zwar so glücklich: daß sie mit der Lantze den Ring abnam / mit der einen ertztenen Kugel durch das Loch der einen Seule / und den rundten Ertzt-Teller so recht in die Lufft warff: daß er mit seiner mittelsten Höle recht in die Spitze der andern Seule zu fallen kam; also daß ihr mehr nicht / als der eine Kugel-Wurff mißrieth. Dieser folgte von Seiten des Wassers Clytia; ferner von Seiten der Lufft Hippodamia / und von Seiten der Erde die Blumen-Göttin mit ihren Hauffen. Nach diesem ersten Rennen ward von Seiten der Lufft / und zwar von der Amazonin Menalippe der Anfang gemacht; dieser folgte vom Wasser Asien /von der Erde die Getreyde-Göttin / vom Feuer Phaetusa mit ihren vier Geschwadern; wiewohl aller Bewegung dem schnellen Feuer zu vergleichen war. Alle Zuschauer aber mühten sich gleichsam alle ihre Glieder in Augen zu verwandeln; als die Wasser-Göttin Thußnelde / oder vielmehr die unschätzbare Perle der Welt / und das Meer aller zusammen flüssenden Vollkommenheiten in die Renne-Bahn kam. Sie schwenckte beym Anritt die Lantze freudig umbs Haupt /warff sie in vollem Rennen in die Lufft / und fieng sie mit der annehmlichsten Geschickligkeit; nam auch darmit den Ring zierlich ab / und legte selbten der Liebe gleichsam als ein demüthiges Opfer für den ihr verliehenen herrlichen Liebes-Sieg zun Füssen. Hierauf warff sie im andern Rennen beyde Kugeln durch die Seulen: daß keine irgendswo in der engen Durchfarth anstieß; die Ertzt-Platte auch mit der höchsten Vollkommenheit in die Spitze der Seule / als in das hierzu besti te Ziel. Worüber der gantze Schauplatz in ein Frolocken- und Freuden-Geschrey sich ausließ; biß die Feuer-Göttin / oder die gleichsam für Eiver-Sucht über dem dem Wasser schon zugesprochenen Siege entzündete Fürstin Ismene aller Augen auf sich zoh / und hiermit gleichsam ihre Zungen fässelte. Diese in den Augen mit Strahlen der Sonnen / auf dem Munde mit Feuer-Flammen gerüstete / und in der Bewegung den Blitz fürbildende Heldin that es in allen Rennen Thußnelden nach; und weil sie alle Zwecke in Vollkommenheit erzielte / erwarb sie gleicher gestalt des gantzen Schau-Platzes[1414] Zuruff. Weil aber die Augen ins gemein alle Neuigkeiten zu Wunderwercken machen; fielen alle Kräfften der Sinnen durchs Gesichte auf die die Erde fürbildende Fürstin der Catten; welche auf den Wangen den Frühling / in den Augen den Sommer / mit den Brüsten den Herbst / und auf allen Gliedern durch ihren Schnee den Winter / in ihrem Rennen aber die Geschwindigkeit des Windes fürstellete / und durch Erreichung aller vier Ziele ihren Vorgängerinnen nichts zuvor gab; also von der Zuschauer Zungen nichts minder gepriesen /als von ihren Händen mit Blumen beworffen ward. Die auf die Rennebahn als die Lufft-Göttin sprengende Cattische Fürstin Adelmunde stillete alles Geräusche wie ein durchdringender Donner-Strahl. Sintemal sie als eine Königin der Götter / als eine Vorsteherin der Hochzeiten / eine Fürstin der Schätze für allen andern des Vorzugs sich berechtigt hielt. Wie sie nun in den Augen die Vollkommenheit des Saphiers / auf dem Munde des Rubins / in den Haaren des Goldes /und sonst allenthalben ihrer annehmlichen Thau-Töchter zeigete; also war ihre Bewegung auch der stürmenden Lufft gleich / welche / wenn sie schon am stillsten zu seyn scheinet / doch keinen Augenblick unbeweglich ist. Diese erlangte nun auch in allen Reimen ihren Vorsatz / und hiermit keine geringere Lob-Sprüche als die drey vorrennende Fürstinnen. Nach dieser vier Häupter Abzuge traff die Reye den Anfang zu machen die Erde. Daher die Obst-Göttin alles denen vier geschienenen Sonnen nachzuthun bemüht war / gleich als wenn der güldene Apfel in diesem Liebes-Streite zu ihren Händen wieder kommen solte / den die Zanck-Sucht in dem Kampfe der Schönheit von ihr erborget hatte. Ihr folgte aus dem feurigen Frauenzimmer so schnell als ein vom Himmel fallender Stern Lampetia / aus der Lufft die Amazonin Hippolite / und von der Erde Pleione mit ihren zugeeigneten Hauffen. Den letzten Aufzug führte von Seiten des Feuers Circe / welcher wunderwürdige Bezeigungen einer Zauberin nicht unähnlich schienen. Von Seiten der Lufft folgte die geschickte Orythia / vom Wasser die annehmliche Ephyre; und endlich machte die nichts minder vom euserlichen Schimmer / als tapferer Thätligkeit herfür leuchtende Ertzt-Göttin mit ihrem Geschwader diesem Ritterspiele ein Ende. Hiermit aber fieng sich bey den Zuschauern die Sorgfalt an: wem bey so vollkommenen und dem Augenscheine nach so viel gleichen Rennen die Preiße würden zuerkennet werden. Die Holdinnen bezauberten mit ihren linden Seitenspielen gleichsam aufs neue alle Ohren des Schau-Platzes; dämpften aber dardurch am wenigsten die Befehle der Liebes-Göttin. Denn nachdem diese sich genau in denen gegen einander wohl überein treffenden Vermercken unterrichtet hatte; fieng sie von den medrigsten Siegen an die Preiße auszutheilen. Wiewohl nun wenige mehr als zwey Fehler begangen hatten; ward doch unter diesen zweyen aus dem Wasser-Hauffen die Gräfin von Spiegelberg beruffen / und empfieng aus der Hand der Liebe einen Rubin-Ring. Ein Liebes-Knabe rieff: Diese Siegerin hat in dem Ringe den mittelsten Kreiß der Sonne / und mit der Ertz-Platte vollkommen eingetroffen. Hiermit kam die Ordnung alsbald zu denen / die nur in einem gefehlet. Denn aus dem Feuer-Hauffen kriegte ein Fräulein von Hirschfeld einen Saphier-Ring; weil sie im Ringe den vierdten Kreiß des Jupiters getroffen / und nur mit einer Kugel gefehlt hatte. Drittens empfieng die Gräfin von Andechs eine Perlen-Schnure; weil sie der vorigen gleich; aber im Ringe den dritten Kreiß der Venus mit der Lantze getroffen hatte. Vierdtens empfieng die Gräfin[1415] von Teckelnburg einen Ring umb und umb mit Schmaragden versetzt; weil sie nur mit dem ertztenen Teller gefehlet / und im Ringe den andern Kreiß des Mars erreicht hatte. Fünftens gab die Liebe der Gräfin von Rheinfeld eine Diamant-Rose: weil von ihr statt der einen fehlenden Kugel der Ring in dem mittelsten Sonnen-Kreisse weggenommen war. Hiermit traff die Reye schon die / welche in allem getroffen hatten; also empfieng sechstens die Gräfin von Waldeck ein paar perlene Arm-Bänder; weil ihre Lantze nur in den eusersten Monden-Kreiß des Ringes gelückt war. Der siebende Preiß war ein Schmuck von Opalen / für die Gräfin von der Marck; der achte ein Halsband von Schmaragden für die Gräfin von Horn; der neundte ein Rubinen-Halsband für die Chauzische Fürstin Leitholde; der zehnde ein Diamanten Halsband für die Gräfin von Hohenloh; der eilffte ein mit allerhand Edelgesteinen versetzter Gürtel für die Gräfin von Mansfeld; der zwölffte ein mit Türckissen versetzter Köcher und Bogen für die Fräulein von Fürstenberg; weil die ersten drey in den fünften Kreiß des Mercur /die letzten in den vierdten des Jupiters getroffen hatten. Der dreyzehnde Preiß war ein von Rubinen gleichsam brennendes Hertze für die andere Cattische Fürstin Adelmunde / die biß in den driten der Venus geeigneten Kreiß des Ringes kommen war. Den vierzehnden Preiß / nemlich einen mit Rubinen versetzten Krantz aus Oelzweigen kriegte nach Art der Olympischen Uberwinder die Cattische Fürstin Rhamis; und einen solchen mit Diamanten gezierten Krantz das Ascanische Fräulein Theudelinde? Weil nun aber die Fürstin Ismene und die Hertzogin Thußnelde mit unvergleichlicher Vollkommenheit in allen Rennen getroffen hatten; gleichwohl aber nur noch ein einiger Sieges-Preiß / nemlich eine perlene Krone übrig war; war iedermann begierig zu sehen / welcher selbte zuerkennet werden würde; nachdem sie nicht zu begreiffen wusten; welche unter ihnen ohne Unrecht könte übergangen werden. Dahero die meisten muthmasten: daß beyde durch ein neues Rennen mit einander würden gleichen müssen. Alleine die Liebes-Göttin machte diesem Kummer bald ein Ende; und rieff: Die Tugenden und der Sieg dieser zwey Heldinnen wären einander so gleich; als sonst das Feuer und Wasser einander zuwider wäre. Ihre Vollkommenheit wäre so groß: daß keine der andern durch neuen Versuch einen Vortheil abrennen; vielmehr aber einer ieden Höfligkeit durch mit Fleiß angenommene Fehler der andern etwas würde zuvor geben; in Wercke aber /wie vor in Tapferkeit / also letztens in der Demuth den Obsieg behaupten wollen. Gleichwohl aber gehörete diese Perlen-Krone Ismenen; und (hiermit nam die Liebe ihre eigene Krone vom Haupte) diese andere der unvergleichlichen Thußnelde. Nichts / was im Schau-Platze einigen Athem hatte / brauchte selbten zu was anderm / als zu Vergrösserung des Freuden-Geschreyes. Thußnelde rennte nach empfangener Sieges-Krone zu der erhobenen Herrmanns-Seule / und setzte sie durch Hülffe ihrer Lantze selbter aufs Haupt; gleich als wenn die / welche schon einem andern einmal ihr Hertze zugeeignet hatte / nichts mehr für sich selbst zu erwerben fähig wäre. Diese Freygebigkeit war bey den Helden eine neue Gemüths-Vergnügung / dem Schau-Platze aber eine Ursache nicht nur ihre frohlockende Glücks-Wünsche zu wiederholen; sondern auch allerhand neue Kampf-Spiele anzufangen.

Die Silenen ergetzten sich / wie auf den Feyern des Wein-Gottes bey den Griechen bräuchlich war / auf einem von Wein gefüllten / und euserlich mit Oel geschmierten ledernen Sacke; auf welchen bald einer bald der andere sprang;[1416] dieser aber / der von denen andern nicht bald von einem so glatten Kampf-Platze herab gerissen werden konte / für den Sieger erkennet / und mit einem mit Wein gefüllten Bockleder beschenckt ward. Die Winde steckten ihnen ein Ziel von hundert fünf und zwantzig Schritten aus / wornach sie nach der Stiftung des Hercules / in einem Atheme mit einander die Wette rennten. Worinnen sie so embsig waren / gleich als ihr Vater Eolus ihnen seine Herrschafft / wie für Zeiten Endymion sein Reich dem Uberwinder in dieser Ubung zwischen seinen Söhnen aufgesetzt hätte. Einen andern / wiewohl bald vor sich / bald rückwerts / bald in einen Kreiß gehenden Lauff hielten die der Sonnen Wagen bedienende vier und zwantzig Stunden; welche hier gleichsam die Beschuldigung ihrer Langsamkeit ablehnten / aber wohl den Ruhm ihrer weichen Füsse behielten; weil ihre Fußstappen kaum im Sande zu sehen waren. Die vier Centauren der Lufft rennten mit denen dem Wasser zugeeigneten Pferden die Wette; und zwar mit so embsiger Bemühung / gleich als wenn jene die Scharte ihres Verlustes gegen den Hercules und die Lapithen auswetzen / diese aber es denen Epirischen und Niseischen Pferden zuvor thun solten / die Alcibiaden und Heracliten so offt zum Sieger gemacht hatten. Die Cyclopen legten auf ihr Haupt einen schweren Ertzt-Teller / an ieden Arm hiengen sie einen messingenẽ Rincken / in iede Hand namen sie eine stählerne Kugel / und umb die Schien-Beine machten sie küpferne Platten feste; tantzten aber damit so leichte / als wenn sie keine Last auf sich hätten. Die zwölff Wasser-Nymphen fochten gegen einander mit ihren Dreyzancks-Stäben; hernach warffen sie diese Gewehre weg / rungen also zusammen / und endlich weltzten sie sich mit einander auf der Erden herumb; biß die mit weissen Wachs-Fackeln sie antastenden Liebes-Götter sie sich zu vereinbaren / und mit denen ergriffenen Dreyzancks-Stäben / aus derer Spitzen sie häuffig Wasser spritzten / und damit die Fackeln ausleschten / zu vertheidigen zwang. Die Mägdchen / welche die der Erde geeignete Löwen führten / setzten sich darauf / und rennten damit die Wette. Denen zwölff hi lischen Zeichen setzte die Sonne einen güldenen Bogen zum Preiße auff; den der haben solte / welcher mit einem Pfeile am gerädesten / mit dem andern am höchsten / mit dem dritten am geschwindesten schüssen würde. Der Tag und die Nacht stritten gleichfalls gegen einander / indem sie anfangs nur dieselbige Ringens-Art gegen einander angewehrten; da kein ander Glied als nur die Finger einander berühren dörffen; hernach Wechselsweise auf eine hohe Ertzt-Platte traten / und einander davon herab zu stossen / oder einander einen in der Hand feste gehaltenen Apfel auszuwinden bemüht waren. In welchen beyden Ubungen Milo so berühmt gewest ist. Die Monathe fochten anfangs mit länglichtrundten Ertzt-Rincken zusammen / hernach wurffen sie mit den Lantzen theils nach einem Ziele / theils in die Höhe in die Wette.


Bey diesen Lust-Spielen erhob sich umb die Herrmanns-Seule allem Ansehen nach ein ernster Krieg. Denn es brachten zwölff mit Lorberkräntzẽ gezierte Barden eine Menge mit Grabescheiten / Hämmern und Aexten versehene Leute in Schau-Platz / und wiesen selbte an die Herrmanns-Seule zu untergraben und zu zernichten. Die hiefür eivernde und von der Kunst zu derselben Aufrichtung gebrauchte Riesen kamen als ein Blitz herzu / und bothen denen / die die Hand daran legen wolten / die Stange. Deutschland /die Natur und die Kunst näherten sich alsofort auch; und rechtfertigte Deutschland alsofort die Barden: ob sie alleine ihre ungeartete Miß-Geburten[1417] wären; welche mit so schändlichem Undancke des umbs gantze Vaterland so hoch-verdienten Heldens Ehren-Maale vertilgen wolte? Der Elteste unter den Barden antwortete: Sie wären nichts minder Freunde der Helden / als Feinde der Vergessenheit / ja eines ihrer fürnehmsten Absehen / wohl-verdienter Leute Gedächtnüß mit der Ewigkeit zu vermählẽ; und den Schimmel der Jahre von allem ruhmwürdigen abzuwischen. Wie die Natur bey der Trophonischen Höle neben dem Brunn der Vergessenheit das Gedächtnüß-Quell gesetzt hätte /dessen getrunckenes Wasser denen alles wieder indenck machte / was sie durch jenes aus der Acht gelassen hätten; also hätte das sorgfältige Gedächtnüß sie und ihres gleichen der Tugend zum besten verordnet: daß sie der Nachwelt unversehrt verwahren solten / was die Zeit nicht nur aus dem Gesichte / sondern auch aus dem Andencken der Welt zu rauben bemühet wäre. Da aber ja sie nicht allemal der Eitelkeit auf den Hals zu treten vermöchten; bliebe es doch allemal darbey: daß ein Ding erstlich sein Ansehn / hernach sein Wesen / und zum letzten allererst den Nahmen und den Ruhm / als den von ihren Blättern trieffenden Balsam verliere. In Erwegung dessen König Archelaus denen Tichtern unter dem Nahmen der Musen Schau- und Kampf-Spiele zugeeignet; der grosse Alexander auch selbte feyerlich begangen / und des Homerus Getichte in dem edelsten Schatz-Kästlein des Darius verwahrt hätte. Deutschland versetzte: Ihre Anstalt wäre seinen Reden nicht gemäß; nachdem sie an die Gedächtnüß-Seule die Hand anlegten / ehe Zeit und Zufall den geringsten Staub daran zu versehren gemeynt wäre; da doch Herrmann nicht nur eine Seule auff Erden; sondern so gar Ehren-Maale im Himmel verdiente. Der Barde begegnete Deutschlande hierauf: Das letztere nehmen wir mit beyden Händen an; das erstere aber verwerffen wir als ein zu unwürdiges Denckmal; da ein schlechter Stein / den der Regen abwäscht / die Lufft abnützt / und die Feile zermalmet /der Nachdruck eines so grossen Fürsten seyn soll. Die Natur meynte sich hierdurch gerühret zu seyn; gleich als wenn ihr wie für Zeiten zu Athen dem Phidias /welcher Minervens Bild nicht aus Helffenbein / sondern Marmel gemacht / fürgerückt würde / samb sie allzu schlechten Talg hierzu hergegeben hätte. Dahero sie den Barden anfiel: Sie hätte so viel Wunder und Geheimnüsse in die Steine / als in Ertzt gesämt; welches vom Roste gefressen / von der Flamme verschmeltzt / und nichts minder als jene von der Vergängligkeit verzehret würde. Ja sie hätte in Marmel und Agath mehrmals mit eigener Hand ausgewürckt; was die Kunst ihr allererst im Ertzte nachmachen müssen. Auf dem Lande Paris wäre in einem Marmel-Bruche ein von sich selbst gewachser Silen / und Lorber-Baum / auf Chio eines Wald-Gottes-Kopf /bey Syracuse Fische ausgegraben worden. In des Pyrrhus Edelgesteine wären Apollo mit den neun Musen; in vielen andern Gestirne / Gebürge / Landschafften /und allerhand Thiere als ihr eigenes Gemächte zu sehen. Bey so gestalten Sachen wären die Steine / als die Wunder-Taffeln der Natur / als zu geringschätzig nicht zu verwerffen. Uber diß käme kein Nach-Bild dem wahren Bilde gleich / wenn der Zeug gleich noch so gut wäre. Der Monde das Ebenbild der Sonne wäre viel geringer. Hätten doch die Götter sich vergnügt: daß anfangs ihre Bilder aus Thone gebacken / aus Eichen / Zedern / und wenns aufs höchste kommen / aus Zypressen / oder Zitron-Holtze wären geschnützt /[1418] und an statt eines schimmernden Firnßes mit Hartzt überzogen worden. Das für ein Wunderwerck der Welt gepriesene Bild des Olympischen Jupiters wäre zwar zum Theil aus Gold und Helffenbein / aber grossen Theils aus Kreide gewest. Ja wormit Agathocles erhärten möchte: daß der geringe Ursprung ein herrliches Ding nicht verächtlich machen könte; hätte er aus seinen Nacht-Geschirren die Bilder seiner Götter güssen / und in die Tempel setzen lassen. Der allzu grosse Werth der Ehren-Maale diente mehrmahls zu ihrer desto geschwindern Verterbung. Das erste Bild aus Golde wäre der Göttin Anaitis aufgesetzet worden; aber als ihre andere Seulen unversehret blieben /hätten jenes des Antonius Kriegs-Knechte zerdrümmert; derer einer zu Bononien noch gegen den Käyser August ein Gespötte damit getrieben; und daß er von der Anaitis Schienbeine ihm eine Mahlzeit ausrichtete / sich zu schertzen erkühnt hätte. Der Barde versätzte: Er stellte der marmelnen Herrmanns-Seule nicht den zu geringen Zeug zum Mängel aus; weil weder Gold noch Edelgesteine Götter und Helden abzubilden würdig wären; und dieser Bescheidenheit nicht nur mit was schlechterm vorlieb nehme / sondern sie auch allzu grosse Kostbarkeiten verschmäheten; und wie August die ihm gewiedmete Silber-Bilder wieder umbgießen liessen. Denn Ehren-Maale solten ein Merckmaal lobwürdiger Thaten / nicht ihre Ausgleichung seyn. Ja er beschiede sich: daß keiner Stadt / keines Reiches Schätze zu Belohnung ihrer Helden zulangen würden / wenn ihre Seulen alle aus Golde / und ihre Sieges-Kräntze aus eitel Perlen seyn solten. Das Armuth wäre hierinnen der Römischen Klugheit Lehrmeisterin gewest / und habe sie unterwiesen mit dem Hammer der Ehre in der Lufft Müntze zu pregen; welche gültiger als Silber gewest / und darzu ihr beym höchsten Unvermögen niemals Schrott und Korn gefehlet hätte. Sintemal sie mit ein paar Eichen- oder Lorber-Zweigen; mit Ertheilung eines Zunahmen / mit Bezeichnung eines Geschlechts-Schildes / mit einer geringen Seule ihre Erhalter zu ihrem grossen Vergnügen bezahlet; derer Wolthaten mit allem Vermögen des Volckes nicht auszugleichen gewest wäre. Wordurch sie gleichsam Gold und Silber in die Schachte niedriger und zu allem feilstehende Seelen verdammt; hingegen das gemeine Wesen mit einem minder erschöpfften Vorrathe versehen hätten; als die Gold-Gruben der Araber und Dalmatier wären. Alleine der Wind behielte seinen Werth und die Lufft ihre Schätzbarkeit nur so lange; als man sie nicht zu gemein machte. Wohin aber wäre es in der Welt nicht mit den Ehren-Seulen kommen? Zu Rhodis sollen ihr nur drey und siebenzig tausend / zu Athen und Corinth aber vielmehr gewest / und das schlechte Städtlein Volsinium wegen ihres Reichthums von zwey-tausend Seulen eingenommen worden seyn. Rom wäre nicht nur ein Auffenthalt unzehlbarer Menschen; sondern auch steinerner Völcker. Wer in einem Olympischen Spiele gesiegt hätte / wäre darmit verehrt / und er über die eingebrochene Mauer seines Vaterlandes mit so prächtigem Siegs-Gepränge eingeholet worden; als wenn er Griechenland von einem neuen Xerxes befreyet hätte. Der kaum halbweise Gorgias / und die Hure Phryne hätten ihnen selbst zwey Bilder aus dichtem Golde im Delphischen Tempel / und der kleine Tichter Actius im Hause der Musen ihm eine Riesen-Seule aufgesätzt. Es vergienge sich hierinnen nicht nur eigner Dünckel / und der Vorwitz der Künstler /welche bey Ausarbeitung derogleichen Bilder mehr ihre Geschickligkeit sehen lassen / als würdig angewehren[1419] wolten; sondern auch frembdes Urthel; indem der Pöfel mehrmals auf die Tugend das Messer wetzte; und den Lasterhafften Ehren-Maale aufthürmete /oder nach dem Beyspiele der Ephesier durch offentlichen Ausruff den ruhmwürdigen Hermodor und alle ehrliche Bürger aus der Stadt verbannte. Zu Athen hätte nicht allein die Hure Leena ein / sondern der unwürdige Demetrius Phalereus so viel Seulen erlanget /als Tage im Jahre wären. Welchen unzeitigen Uberfluß derselben Urheber doch selbst bald verdammet; und daraus Nacht-Scherben machen / oder zum minsten sie mit Kothe überziehen lassen. Die Kunst fühlte sich hierdurch angegrieffen / versätzte also: Sie liesse dem Eigendünckel und der Ehrsucht ihre Vertheidigung; ihre eigene aber bestünde darinnen: daß sie über die Verdienste der Helden nicht zu urtheilen /sondern dis / was man ihr angäbe / nur ohne Tadel auszumachen hätte. Da man aber sonst keine andere Bilder als der Leena und des Demetrius zu tadeln wüste / würde sie wenig scheltbares gearbeitet haben. Sintemal jene bis auf den Tod die grausamste Peinigung ausgestanden / ehe sie des Harmodius für die Freyheit des Vaterlandes vorhabende Anschläge verrathen wollen. Demetrius aber habe seine Seulen / wo nicht vorher / doch hernach verdienet; als er aus Egypten noch das ihn verweisende Athen beschencket. Wegen der gegenwärtigen Herrmanns-Seule aber würde sie Deutschland als ihre Anweiserin vertreten müssen; niemand aber hierbey ihr einige Eitelkeit beymessen können. Die Kunst vergnügte sich an der Ehre ihres Gehorsams; und finde man an den wenigsten Seulen den Nahmen des Werckmeisters. Der einige Theodor / der den Samischen Irrgarten mit mehr als tausend Seulen gebauet / hätte nur in eine einige sein Bild / jedoch so klein und so wenig sichtbar gegossen: daß ihn und den beygefügten Wagen mit vier Pferden eine einige Fliege hätte bedecken können. Deutschland nam alsbald das Wort von ihr / und hielt den Barden ein: Es wäre zwar wahr: daß Ehrsucht und Heucheley die Gedächtnüs-Seulen zu gemein machte; daß es eine Thorheit wäre sich selbst oder Unwürdige damit beehren; und daß so denn diese unzeitige Hoffart zeitlich in Rauch vergienge. Alleine der Uberfluß benehme eines Dinges innerlicher Güte nichts; und der Mißbrauch könte dem nützlichen Gebrauche keinen Abbruch thun. Denn sonst würde man auch die Sonne zu schelten haben: daß sie so offt schiene / und nichts minder Frösche und Kefer / als Menschen beseelte. Unverdiente Ehren-Maale kriegten bald den Wurmstich / wenn sie gleich mit Zeder-Oel überfirnßet wären; der Blitz zermalmete sie; ob sie schon Lorber-Kräntze überschatteten; und das durchs Feuer unversehrliche Gold würde unschwer zu Asche verbrennt. Wo sie aber die Tugend zum Fusse hätten; überstünden sie alles Ungewitter der Zeit und des Neides. Xerxes hätte die ersten und einfältigen Seulen des verdienten Harmodius / und Aristogitons als ein seltzamer Schatz in Persien geführet; und der grosse Alexander selbte als ein Heiligthum nach Athen zurücke geschickt. Die fast bäurischen Gemächte des ersten Roms; die zu Pferde sitzende Clelia aus schlechtem Steine wären noch zu Rom in grösserm Ansehn; als der seiner Kunst wegen unschätzbare ertztene Hund in dem Heiligthume der Juno / und das Wunder-Bild des mit sampt seinen Kindern von einer Schlange-umbwundenen Laocoons; und die nur drey Füsse hohen Bilder des Romulus und Numa würden mehr verehrt / als der viertzig Ellen hohe Hercules zu Tarent / der dreißig Fuß hohe Apollo zu Rom / die siebentzig Ellenbogen[1420] hohe Sonnen-Seule zu Rhodis / und das aus dem Medischen Berge gemachte Bild der Semiramis. Also wäre die Eitelkeit der Ehrsucht nicht bald eine Vermehrerin des Ehren-Ruhms. Die Natur hingegen billigte selbst das Gedächtnüs der Ehren-Maale / wenn sie nicht nur selbst mehrmahls eine Bildhauerin; ja nichts minder als jener Grieche /der sich mit des Praxiteles Venus vermählen wolte; und Junius Pisciculus / der eine marmelne Thespias umbarmete / eine Liebhaberin der Kunst-Bilder abgebe; wenn sie dem auf derselben Häuptern gewachsenem Kraute die Krafft dem Haupt-Weh abzuhelffen zueignete. Nichts weniger hielte das Verhängnüs gleichsam absonderlich die Hand über wolverdienten Gedächtnüs-Seulen; welche so gar die grimmigsten Feinde zu beschädigen sich allezeit gescheuet hätten. Mummius hätte aus dem brennenden Corinth der Griechischen Helden Bilder / und Lucullus der Pontischen Könige aus dem Verterben errettet. Diomedes wäre durch eine Kranckheit gezwungen worden / dem Eneas das Trojanische Schutz-Bild wieder zu geben. Cambyses hätte zwar die von denen Sonnen-Strahlen laute Memnons-Seule eröffnet; als er aber darinnen keinen Werckzeug solchen Gethönes gefunden / selbte wie andere Egyptische Seltzamkeiten zu zerdrümmern nicht das Hertze gehabt. Den Käyser August hätte ein Traum so lange gequälet / bis er den Ephesiern ihren vom Myron gemachten Apollo wieder gegeben / den ihnen Anton genommen hatte. Wenn auch schon die Ehrsucht einem Helden-Bilde den Kopff abgebrochen / und eines unwürdigen Wütterichs darauf gesätzt hätte; wäre doch dieser niemals lange stehen; des ersten Ruhm aber unversehrt /und die Seule sein Eigenthum geblieben. GOtt hätte diese mehrmals zu Merckmaalen seiner Straffe gebraucht; und selbte wie der Bildhauer Agoracritus seine marmelne Venus in das Bild der Rache verwandelt. Käyser Cajus / der des Pompejus blutiges Haupt mit Freuden-Thränen benetzet / wäre todt und blutig unter die Seule des Pompejus gefallen. Hingegen habe sie der Himmel offt aus einer geheimẽ Neigung zu Schutz-Bildern der Menschen und Reiche erkieset. Von den Römern wären selbte mehrmals als gewisse Gräntz-Maale / welche ihre Feinde unmöglich überschreiten könten / wider die Deutschen und andere Völcker eingegraben worden. Aus diesem Glauben hätte Cajus Cestius allezeit ein gewisses Bild mit in die Schlacht genommen / und des grossen Alexanders Zelt wäre von eitel Bildern unterstützt gewest; derer zwey die Römer hernach für das Heiligthum des rächenden Kriegs-Gottes gesätzt hätten. Uber dis wären durch solche heilige Schutz Seulen denen Feinden die Durchfarth der Sicilischen Meer-Enge / dem Berge Etna mit Feuer ausspeyen Schaden zuthun / den Störchen die Stadt Byzantz zu beunruhigen verwehret; und durch das aufgerichtete Bild des Charons die Pest gestillet worden. Zu geschweigen: daß das Bild des Apollo zu Buma drey Tag und Nächte wegen des von den Römern wider die Griechen erhobenen Krieges /und die Juno zu Lamirium wegen bevorstehender Pest jämmerlich geweinet hätten. Welche Eigenschafften vermuthlich Anlaß gegeben: daß die Bilder der Fürsten zu Freystädten wären erkieset worden. Wenn aber auch schon die Welt von den Ehren-Seulen keinen so seltzamen / sondern nur diesen allgemeinen Vortheil zu hoffen hätte: daß sie die Nachkommen zu tapfferer Nachartung auffrischen / und die glimmende Tugend recht in Brand bringen / wäre doch ihr Nutzen unschätzbar; und fürnemlich in[1421] Deutschland kein so grosser Mißbrauch zubesorgen; als wo diese Ehren-Maale noch neu / oder zum minsten ungemein wären. Der Barde antwortete: Er hätte auf die wunderlichen Würckungen der Seulen schlechtes Absehen; als welche entweder betrüglichen Aberglauben zum Grunde hätten / oder doch eben so wol / als die Reden und Weissagungen der stummen Steine von Zauberey herrührten. Sintemal: daß die Wahrsagungen der Dreyfüsse und anderer beredsamen Seulen von denen in selbte aufsteigenden Dünsten der Erde herrühren solten / ein eiteler Wahn etlicher Weltweisen wäre. Gleiche Bewandnüs hätte es mit ihrer Krafft Regen zu verschaffen. Dieses aber wäre freylich wol der eigentliche Zweck aller Gedächtnüs-Maale: daß sie nicht alleine derer verstorbenen Thaten verewigen / sondern fürnemlich die Lebenden wol anweisen solten. Außer diesem wären sie abscheuliche Gräber der Lebenden /und ihr Andencken ein unnöthiger Götzen-Dienst. Beydes aber zu würcken / nemlich die Verdienste der Todten wider die Vergessenheit zu schützen / und die Nachkommen in ihren Fuß-Pfad zu leiten / wären der Barden geistige Lieder geschickter / als die todten Steine; oder auch das so genennte Sterck-Kraut; von welchem der Aberglaube tichtete: daß wer darmit sich besalbte / der Menschen Gunst und einen Ruhms-vollen Nahmen erlangte. Diese drückten zum höchsten die Aehnligkeit des Leibes; jene aber auch die Eigenschafften der Seelen aus. Und es möchte Euphranor wie er wolte seinen gemachten Paris heraus streichen: daß er in selbtem zugleich als ein Richter der Götter /als ein Liebhaber Helenẽns / und als ein Erleger Achillens wäre gebildet gewest. Es möchte ihm das Volck zu Chio einbilden: daß das Antlitz ihrer marmelnen Diana sich denen in Tempel kommenden traurig / denen hinausgehenden freudig zeige. Es möchte die Kunst sich bereden: daß sie ihre Marmel lebhafft /ihr Ertzt lachend machen / und mit Helffenbeine die Gemüths-Regungen ausdrücken könte; so wäre doch dis gegen der Seelen ihrer Gesänge ein bloßer Schatten. Welches der Künstler Demetrius wol verstanden; daher er sein Minerven-Bild derogestalt gegossen hätte: daß die Drachen des Gorgons-Kopffes auf ihrem Schilde zu den darbey gespielten Säitenspiele stets einen annehmlichen Widerschall gegeben; also sein Kunst-Bild sich hätte mit der Anmuth des Gethönes behelffen; und die schwartze Memnons-Seule zu Thebe von denen Strahlen der Sonne / als der allersüssesten Leyer des Himmels / den annehmlichen Klang entlehnen müssen. Deutschland brach bey diesen Worten ein: Sie nehme für bekandt an: daß die Säitenspiele zur Vollkommenheit der Ehren-Bilder Beytrag thäten. Weil nun die Tichter-Kunst die Seele der Säitenspiele wäre; und die Barden so wenig für verächtlich hielten ihre Lobgesänge auf Baum-Rinden / als die Sibyllen ihre Weissagungen auf Palmen-Blätter zu schreiben; so solten sie den Marmel dieser Herrmanns-Seule nicht geringer / als das leicht verfaulende Laub und Rinde schätzen / und derogestalt den Ruhm ihres Helden in diesem harten Steine unausleschlich / diese Seule aber durch ihre unvergängliche Getichte auch nach ihrer Einäscherung ewig machen. Sie wäre erbötig nach dem Beyspiele Achillens / für den besten Tichter einen güldenen Dreyfuß zum Preiß aufzusetzen. Sintemal freylich nachgegeben werden müste: daß die herrlichsten Seulen ohne Zuthat einer gelehrten Hand stumme und unerkenntliche Götzen wären; und wie die Spitz-Seulen in Egypten weder ihre Uhrheber noch ihr Absehen zu eröfnen wüsten. Die Kunst bot sich mit ihren Riesen[1422] zu einer willigen Handlangerin an; und daß sie / was die Barden dem Feldherrn zu Liebe singen würden; sie alsbald an die Herrmanns-Seule einetzen wolte. Die Barden ins gesampt ließen ihnen diese annehmliche Vermittelung gefallen / und fieng der Elteste unter ihnen an nachfolgende Reimen zu singen; welche auf der Kunst Verordnung die Riesen zugleich an die eine Taffel des die Herrmanns-Seule haltenden Fusses eingruben:


Gleicht nicht Andromede / bestürtztes Deutschland / dir?

Hat nicht der Eltern Schuld dir Fessel angeschraubet?

Zwar ist kein Wallfisch dar / dem man dich würffe für /

Doch liefert man dich Rom / das alle Freyheit raubet /

Der Wölfin / welcher sich gleicht kein gefräßig Thier.

Hätt'stu wol / Vaterland / für wenig Zeit geglaubet /

Als du in Dienstbarkeit vergiengest neben mir /

Dir würde frey zu gehn so zeitlich seyn erlaubet?


Schreib deinem Herrmann dis / dem neuen Perseus zu

Der deine Ketten bricht / das grimme Thier versehret /

Ja der sich gar vermählt. Thußneldens Beyspiel lehret

Dich aber / was nunmehr sey nöthig: daß man ihn.

Sie opffert ihm sein Hertz für die Erlösungs-Gůte.

So zünd` auch zu ihm an ein danckbares Gemüthe.


Die sämptlichen Barden löseten ihren Vorsteher ab / betasteten auf allen Seiten die Herrmanns-Seule /und sangen hierzu folgende Worte:


Soll dieser weiß' und harte Marmelstein

Das Ebenbild des grossen Herrmanns seyn?

Der von so zarter Lieb' und hertzlichem Erbarmen /

Das er für's Vaterland stets trägt /

Und von den Feinden die er schlägt /

Hat ein Wachs-weiches Hertz / und von Blut fette Armen?

Jedoch er und Thußnelde scheinen

Gleichwol zu gleichen diesen Steinen.

Denn beyder Treue kommt an Farbe / beyder Hertze

An Härte weissem Marmel bey.

Heg't jene keinen Fleck / so weicht dis keinem Schmertze;

Daß er und sie ein Bild / ja dieses Bildes sey.


Die Riesen waren mit Einetzung dieser Lobsprüche so fertig: daß sie bey nahe denen singenden Barden zuvor kamen; also nach vorigem Schlusse auf die dritte Seite des marmelnen Fusses sich verfügten / und durch Ansetzung des stählernen Grieffels den alten Barden fortzusingen nöthigten:


Der Helden Geist ist Stahl / ihr Hertz aus Diamant /

Wenn es mit Männern kampfft; alleine Wachs / bey Frauen.

Denn Adler lieben zwar nur Adler / Pfaue Pfauen /

Doch Alexandern zwingt der geilen Thais Brand /

Die Spindel Omphalens entweiht Alcidens Hand /

Achilles / wenn er lieb't / kriegt für dem Krieg' ein Grauen /

Anton stirbt als ein Weib in einer Mohrin Klauen /

Ja auch der Götter Lieb' ist Wahnwitz anverwand.


Fürst Herrmann aber liebt mit grosser Tapfferkeit;

Denn er vermählet ihm Minerven mit Thußnelden /

Sie ihr den Hercules mit Deutschlands grossem Helden;

Und zwischen beyden ist kaum einig Unterscheid.

Man weiß nicht / wer sey Mars / wenn sie die Waffen üben;

Nicht / wer die Liebe sey / wenn sie einander lieben.


Dieser Vorgesang / und die noch übrige leere Taffel an der vierdten Seite verband die Barden zu folgendem Nachgesange:


Die Marmel bilden sonst die Leiber nur allein;

Der aber zeichnet nicht nur Herrmanns schön Gesichte

Er ist ein recht Entwurff der seltzamen Geschichte;

Denn wie Feil' / Hammer / Art / macht herrlich diesen Stein /

So scheinet Haß und Neid der Werckzeug auch zu seyn /

Der Herrmanns Thun betheilt mit einem sch \nen Lichte.

Des Unglücks Bley-Hand legt zur Tugend mehr Gewichte /

Und die Verleumbdung giebt der Unschuld hellern Schein.


Was aber ist's: daß man Marmel Helden etzet?

Weil Hercules den Fuß auf Neid und Sterne setzet /

Kan Herrmanns Seule nicht auf Erden bleiben stehn.

Jedoch sie stehet schon im Himmel reiner Hertzen.

Der Neid selbst opffert ihr / die Mißgunst brennt ihr Kertzen /

Ja das Verhängnüs wil sie über sich erhöhn.


Die Barden hätten mit ihrem Singen / und die Riesen mit ihrem Etzen beschlossen; wenn nicht Deutschland beyden den gantz blancken Schild in dem lincken Arme des marmelnen Herrmanns gewiesen; und beyde solchen nicht leer zu lassen erinnert hätte. Dannenher denn diese nach dem Gesange aller Barden nachfolgende Worte darein gruben:[1423]


Der Pallas heilig Schild sey Alexanders Ruhm.

Sey seines Heeres Schirm / dem Feind' ein Donner-Knall;

Des grossen Herrmanns Brust ist Deutschlands Schild und Wall.

Das beste Schutz-Bild ist der Tugend Heiligthum;

Erzt aber nur ein Garn / das eine Spinne spinnt /

Wenn Hertzen nicht der Schild / und Männer Mauern sind.


Dieser Gesang war nur beschlossen; als der gantze Schauplatz mit einem neuen Geräusche rege / und von vielem kriegrischen Gethöne erfüllet ward. Denn die das Feuer anzeigende Fürstin Ismene stellte mit ihren vier gewaffneten Hauffen in einem zierlichen Fackel-Tantze die Spiele des Prometheus für; darinnen sie bald die Fackeln unaufhörlich umbs Haupt schwenckten / und darmit in einem zweyfachen doch durch einander gehenden Schlangen-Kreisse herumb rennten; bald die Fackeln gerade hinter sich hielten / und doch sonder derselben Verleschung nach einem gewissen Ziele die Wette rennten / bald die brennenden Fackeln einander wechselsweise in einem sanfften Tantze zuwarffen. Einen gleichmäßigen Fackel-Tantz hielt zu Fusse der Tag mit denen vier und zwantzig Stunden; darinnen bey jedem geendigten Satze wie oben Ismene als eine Sonne; also hier der Tag in der Mitte des Kreisses seinen Stand bekam. Nach diesem fieng die das Wasser abbildende Thußnelde einen Waffen-Tantz an / dergleichen nach überwundenen Titanen die Göttin Minerva / oder vielmehr der Thetys Sohn Achilles erfunden / und sein Sohn Pyrrhus bey seines Vaters Grabe mit grosser Pracht gehalten haben soll. Die Nacht mit denen Wasser-Nymphen hegte eben diesen Tantz zu Fusse; darinnen die Tantzenden mit ihren Degen allerhand zierliche Streiche gegen einander machten; ihre Lantzen bald einander zu / bald auch in die Lufft wurffen / und wieder fiengen. Die Lufft oder die Fürstin Adelmunde mit ihrem Hauffen stellte zu Pferde die zwölff Winde / und die zwölff himmlischen Zeichen / zu Fusse aber den Tantz der Cureten / und darinnen die Auferziehung des Jupiters für; wormit sie sonderlich durch an einander geschehende Schlagung der Waffen so wol ihre Geschickligkeit zeigten; als mit den Säitenspielen ein gleichstimmiges Gethöne machten. Bald darauf stellte die Cattische Fürstin in einem künstlichen Wald-Götter-Tantze das Wette-Rennen der Atalanta mit dem Hippomenes vor; darinnen sie mit Granat-Aepffeln artlich spieleten; durch derer Vorwurff Hippomenes Atalanten aufgehalten; und sie ihm selbst zur Braut gewonnen haben soll. Endlich ward von allen Häuptern und Hauffen insgesampt durch einen allen Begierden der Augen zuvor kommenden Tantz die Vermählung des Himmels und der Erde fürgestellet / und dardurch zum Beschlusse des Deutschburgischen Hochzeit-Feyers angedeutet: daß wolbedächtige Heyrathen grosser Fürsten die Gestirne gleichsam mit der Unterwelt verknüpffen; die Menschen durch ihre Andacht dem Himmel beliebt / ihn aber zu Ausschüttung tausenderley Seegens geneigt machten. Die Holdinnen machten durch ein Braut-Lied nicht alleine diesen grossen Tantz annehmlicher / sondern legten zugleich auch darmit desselben seltzame Wendund Bildungen aus; ob schon die Kunst in einem stummen Tantze durch blosse Gebehrden alle Geschichte verständlich auszudrücken / welche Telestes in Griechenland erfunden haben soll / nicht nur durch den Pylades aus Cilicien / und den Bathyll von Alexandria nach Rom gebracht; sondern wie bey denen andern Völckern /also auch in Deutschland ziemlich gemein worden war. Wiewol die Deutschen selbst diese Täntze als allzu weibisch selten hegten / sondern sie nur denen Ausländern erlaubten. Denn ihre eigene Spiele waren alle[1424] kriegrisch; und ihr fürnehmster Tantz bestund darinnen: daß nackte Jünglinge zwischen blossen Degen und Spissen sich ohne Verletzung mit vielen geschwinden Springen und Wendungen herum dreheten. Durch öfftere Ubung ward hieraus eine Kunst /aus der Kunst eine annehmliche Zierligkeit. Der Preiß solcher verwegenen Wollust aber war nichts anders /als die Vergnügung der Zuschauer. Das in folgenden Reymen bestehende Braut-Lied der Holdinnen ward mit einer unvergleichlichen Liebligkeit abgesungen; und wurden nach desselbtem höherm oder niedrigerm / langsamern oder geschwinderm Thone alle Glieder derer Täntze beweget.


Kein Ding ist in der Welt so klein /

Auch nichts so kalt in Meer und Flüssen /

Das nicht der Liebe sey befliessen.

Der Wallfisch fühlt so heisse Pein /

Wenn er die Flutten sprützt empor /

Die in ihm von der Lieb' entflammt und siedend werden.

Das stumme Meer-Schwein sagt mit ängstigen Gebehrden

Dem andern Meer-Schwein in ein Ohr:

Es sey verliebt nicht nur in seines gleichen.

Es zingelt nach Arions Seiten-Spiel;

Springt aus der See wenn er nicht kommen wil /

Muß es gleich auff dem Ufer bald erbleichen.

Es führt den Knaben / den es liebt /

Weil er ihm täglich Speise giebt /

Durch die beschäumte See; und zwingt sich zu erblassen /

Weil es den Hermias im Meer ertrincken lassen.

Die Aspe bebt / die Esche seuffzt für Liebe /

Und das verliebte Eppich-Kraut

Umarmt den Mandel-Baum als Braut /

Die Eiche knackt gerührt vom innern Triebe /

Der Weinstock hals't sich mit den Ulmen-Zweigen /

Der Nelcke Brand / der Rose Purper-Blut /

Des Safrans Röth' ist eitel Liebes-Glut /

Der Ambra / den Jasmin von sich läßt steigen /

Ist seiner Seelen-Seuffzer Geist.

Das Wasser / das von Lilgen fleußt /

Sind Liebes-Thränen zwar / doch auch der Lilge Saamen.

Der Feilgen lebender Saphier

Stellt Eyfersucht und Liebe für;

Der Hyacinth prangt gar mit seines Liebsten Nahmen.

Ja in die Marmel-Adern hat

Die gütige Natur ihr Liebes-Oel geflösset /[1425]

Durch das er sich so schön färbt / bildet und vergrösset.

Den Stahl und den Magnet vereinbaret ihr Drat.

Der Erde Marck das Gold kan nicht seyn leer von Flammen /

Sonst flößte Jupiter sich Danaen nicht ein /

Es knüpffte sie mit ihm kein regnend Gold zusammen.

Kurtz alle Regung der Natur

Ist eine wahre Liebes-Uhr.

So ist die Liebe nun von so viel mehrern Stärcke /

Je grösser der Natur Geschöpffe sind und Wercke.


Was ist nun herrlicher als dieser Erden-Kreiß?

Was ist der grossen Himmels-Kugel gleiche /

Der Sternen Burg / der Götter Königreiche?

Sie zwey sind aber stets von Liebe glüend-heiß.

Kein Blick vergeht: daß sie von süssen Flammen

Nicht flüssen gleichsam schmeltzende zusammen.

Der Himmel ist der Mann / die Erd' ist Braut und Weib

Sein Saamen ist die Glut /

Ihr Saame Saltz und Flut /

Und ihre schwang're Schoß ein stets gebehrend Leib.

Der grosse GOtt / der Himmel blickt am Tage

Mit einem Auge sie so stet und brünstig an /

Als kaum ein Poliphem des Acis Braut thun kan.

Der Donner-Knall ist seine Liebes-Klage;

Plagt aber ihn die Sehnsucht in der Nacht /

Liebäugelt er / und giebt mit tausend Sternen

Mehr als ein Argos auf sie acht;

Läßt auch sonst nirgendhin sich keinen Blick entfernen.

Die Erd' hingegen ist bemüht /

Die Wiesen mit Schmaragd / die Ufer mit Korallen /

Die Wälder mit Saphier / die Berge mit Kristallen /

Zu schmincken: daß sie nur dem Himmel schön aussieht.

Die Schoß prangt mit Rubin / ihr Haar beblümet Gold /

Ja ihrer edlen Rosen Glantz /

Beschämet Ariadnens Krantz /

Sie schickt die Dünst' empor als Zeichen ihrer Hold;

Und wenn die Berge Glut ausspeyen /

Geräth ihr Liebes-Brand in wilde Rasereyen.

Dis ist's Geheimnüs und der Kern /

Das in den Schalen steckt geträumter Götter-Liebe.

Denn in dem Himmel steht kein Stern

Den nicht die Unter-Welt zeucht zu so süssem Triebe.[1426]

Die Sterne regnen Gold / Zien / Kupfer / Silber / Bley /

Die Schoß der Danae sind die Gebürg' auf Erden /

Die von der Krafft des Himmels schwanger werden.

Wenn Jupiter als Stier Europen schläffet bey /

Wenn er als Schwan der Leda sich beqvemet /

Wird die Vermehrungs-Krafft gesämet

Vom Himmel tausend Thieren ein.

Giebt Jupiter denn seiner Thetys Küsse /

So schwängern sich vom Himmel Meer und Flüsse;

So Fisch als Muschel fühlt gesämet sich zu seyn.


Wenn aber er den Ganymed umschräncket

Als Adler / ihn in Himmel nimmt /

Zum Nectar-Schencken ihn bestimmt /

Wird das Gestirn' erqvickt / des Himmels Mund geträncket

Von Feuchtigkeiten / die das Meer

Dem durst'gen Bräutigam zum Labsal giebet her.


Ja alle Regungen der Himmels-Harffe sind

Der Liebe Seitenspiel / ihr Werck und ihre Gaben.

Weil die Gestirne doch sonst keine Seele haben /

Als dieses holde Anmuths-Kind /

Das auch die Sternen schwanger macht /

Dadurch manch neuer Stern wird an das Licht gebracht.

Der Lieb' ist auch allein zu mässen bey:

Daß Erd' und Himmel nicht unfruchtbar Frost stets decket.

Sie hat gelegt des Himmels grosses Ey /

Aus welchem die Natur itzt alle Sachen hecket.


Der Sterne Würckungen sind die unsichtbarn Ketten /

Der Venus Gürtel / der die Welt

Zusammen knipfft / und in der Eintracht hält.

Denn wenn nicht Erd und Stern so lieb einander hätten /

Verlangte der Magnet in Nord so sehnlich nicht

Des Angel-Sternes Licht.

Die Wider siehet man die Lager anders machen /

So bald die Sonn in Wider steigt.

So Mensch / als Staude scheut den Sternen-Schwantz des Drachen;

Wenn sich der beisse Hunds-Stern zeigt /

So beten ihn Cyrenens Ziegel an /

Den sonst die Unglücks-Vögel fliehen /

Und gegen dem kein Guckuck singen kan.[1427]

Sieht man den Mandel-Baum nicht auch beym Froste blühen /

Wenn nur der Adler geht mit seinen Sternen auff?

Der Oel- und Ulmen-Baum verkehret seine Blätter /

Wenn in den Krebs die Sonne nimmt den Lauff.

Wird Schneck' und Auster nicht bey vollem Mohnden fetter?

Die Kräuter kriegen mehrern Safft;

Die Zwiebel schwindet nur; das Meer wird aufgeschwellet

Von des vermehrten Mohnden Krafft;

Des Mohnden-Steines Wunder stellet

Des Mohnden Lauff / Gestalt und Wachsthum fürs Gesichte.

Der ist des Kefers Uhr / sein Speichel ist der Thau /

Das Silber sein Metall / ja er des Meeres Frau /

Und ieder Regen strömt aus seinem feuchten Lichte;

Das / wenn sein Schein ist voll / die Nacht

Im Winter warm / im Sommer kühler macht.

Hierinnen steckt die Brunst der Erd' und Sternen Amme;

Die / wenn sie Ertzt in den Gebürgen zeigt /

Zu dem Endymion ins Latmus Höle steigt /

Und sich vermählt mit's reichen Pluto Flamme.

Wenn aber sie in Sternen-Wider tritt /

Den Pflantzen theil't des Thaues Perlen mit /

Wird der versteckte Pan im Wider-Fell umarmet.

Auch ist kein ander Irrstern nicht /

Der nicht von irrd'scher Liebes-Brunst erwarmet.

Die Lung' erqvickt des Hermes Licht /

Kweck Silber / Affen / Bien' / und Frösche sind sein Brut.

Die holde Venus zeugt Ertzt / Ambra / Schwane / Pfauen /

Stärckt was zur Zeugung dient durch ihre milde Glut.

Mars / der zwar Galle nährt / läßt sich doch fruchtbar schauen /

Wann Pardel / Wolff und Bok / Napell / Magnet und Stahl

Ihr Feuer von so heissem Sterne kriegen.

Ja es gebiehrt des Kinder-Fressers Strahl

Bley / Maulwurff / Eulen / Gifft / Hauff / Wiedehopff und Fliegen.

Dem sich ein Monat nicht vermählet;

Das Jahr bringt keinen Tag / auch keine Nacht herfür /

Es ist ein Stern zur Würckung ihm erwehlet.


Doch alle diese Liebes-Brunst

Ist kaltes Wasser / Wind und Dunst

Für der verliebten Sonnen Flammen /[1428]

Denn die ist's Himmels Hertz' / der Geist der gantzen Welt /

Die Seele der Natur / der Liebe Brunn und Amme /

Die sich uhrsprünglich nur in Hertz' und Seel' aufhält.

Die Sternen sind unfruchtbar / ohne Schein /

Wenn nicht die Sonn' in sie so Licht / als Saamen flösset.

Sie machet: daß die Zahl der Sterne sich vergrösset /

Weil mehrmahls Drach' und Schwan mit neuen trächtig seyn.

Von ihrer Schwängerung gebiehrt

Die Erde Gold / das Meer Korall / die Bäume Früchte.

Die Welt ist aber todt / und die Natur gefriert /

Wo nur der kalte Bär mit dem geborgten Lichte

Bescheint die düstre Mitternacht /

Wenn's holde Sonnen-Rad die Sud-Welt schwanger macht;

Und durch ihr Licht der Isis Bild / die Erde

Befruchtet: daß sie Milch aus tausend Brüsten spritzt;

Daß ihre Mutter-Schoß Wein / Oel und Balsam schwitzt.

Jedoch zeigt diese Braut durch ihr verliebt Gebehrde

Wie angenehm ihr Bräutigam ihr sey.

Sie mühet sich sein Bild / der Sonne Liebes-Strahlen

Auf edlen Stein- und Blumen abzumahlen.

Die Sonne rennt so schleunig nicht vorbey /

Es folgt ihr die in sie verliebte Sonnen-Wende.

Sinckt denn die Sonn' in Meer und Nacht /

Verkehrn in Thränen-Thau sich aller Kräuter Brände.

Die Rose / die der Welt ihr Auge stets anlacht /

Schleußt ihre Blätter zu / entpurpert ihre Wangen /

Hängt zu der Erd ihr traurig Haupt /

Sie hüllt sich in die Nacht für lüsternem Verlangen /

Weil sie des Liebsten ist beraubt.

Wenn aber nur der Tag vermählet Erd' und Sonne /

So schöpfft Natur und Werck Erqvickung / Lust und Wonne.


Alleine Deutschland noch vielmehr /

Nun seine zwey Gestirne sich vermählen.

Man wird die güldne Zeit von diesem Tag' an zehlen /

Der Nachwelt Wolstand rechnen her /

Da Herrmanns und Thußneldens keusche Flammen

Uns neigen zu des milden Himmels hold /

Der Erde Fruchtbarkeit / der edlen Freyheit Gold /

Und hundert tausend Seeln vereinbaren zusammen.[1429]

So segne die Verhängnüs-Hand

Nun euer festes Liebes-Band /

Die schon für tausend Jahrn in die Gestirne schrieb:

Die Heyrath würde's Glück' aus Vaterland vermählen /

Es würden euren Stamm auch niemals Zweige fehlen /

Weil Erd' und Himmel würd' einander haben lieb.


Ende des Ersten Theils.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Zweyter Theil, Leipzig 1690.
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