Drittes Buch.

[395] Die heßlichsten Angesichter dörffen die meiste Schmincke / und falsche Freundschafft den scheinbarsten Firniß. Nirgends aber ist dieser gemeiner / als bey Fürsten. Denn ob zwar bey gemeinen Leuten die einmal zerbrochene Freundschafft eben so selten / als ein zerschmetterter Spiegel ergäntzet wird; ist es doch mit der Herrscher Freundschafft viel anders bewand; als welcher Seele nicht so wohl die Zusammenstimmung ihres Willens / als der Vortheil ihrer Reiche ist. So offt dieses ins Auge fällt / vergißt man aller Beleidigung / und die allergiftigsten Feinde vereinbaren sich / wie die zerhauenen Schlangen zusammen. So lange die Freundschafft auch beyden nutzbar zu seyn scheinet / bleibet sie als der gröste Werckzeug einer sicheren Herrschafft / wordurch ein Land besser als durch Schätze und Kriegesheere beschirmet wird / unzertrennlich; und es muß ihr so denn Wohlthat /Bluts-Freundschafft / ja Gott selbst aus dem Wege treten. Dieses war auch das Band / welches durch einen Frieden die Deutschen und Römer zusammen verknüpft hatte. Weil nun Tiberius wohl wuste: daß die von Römern so offt beleidigten Deutschen / mehr als genungsame Ursache hatten / denen Römern einen ewigen Haß zuzutrauen; ihm aber bey vorfallenden Alter des Käysers gleichwohl an ihrer Freundschafft allzu viel gelegen war / unterließ er kein Mittel der Seinigen die Farbe[395] einer aufrichtigen anzustreichẽ. Ob er nun zwar wohl wuste: daß die Bündnüsse der Fürsten besser mit Eisen / als Gold verknipft / und beständiger durch Waffen / als Geschencke unterhalten würden; so verstandet doch auch / was das Frauenzimmer ihre Männer zu leiten für einen Hacken /sonderlich aber in Deutschland auch bey Reichs-Schlüssen zu sagen / die Freygebigkeit aber über die edelsten Gemüther für Gewalt hätte. Diesemnach veranlaßte er selbst Agrippinẽ / welche nicht nur ihrem Gemahl Germanicus allenthalben hin folgte / sondern auch Kriegs-Geschäffte übernahm / des Feldherrn und des Cattischen Hertzogs Gemahlin zu besuchen / und im Nahmen Liviens Thußnelden und der Hertzogin Erdmuth gewisse Geschencke von Perlen abzuliefern; wormit die Römer schon vorher mehrmals die guthertzigen Deutschen geblendet und gefesselt hatten. Agrippine übernahm diese Verrichtung so viel williger; weil sie schon zu Rom mit Thußnelden verträuliche Freundschafft gemacht; ja sich in sie mehr / als fast bey einerley Geschlechte geschehen kan / verliebt hatte. Denn Agrippine suchte sich so vielmehr ihrer Keuschheit halber in Ansehn zu setzen / als diese Tugend zu Rom seltzam / oder vielmehr gar ein Gelächter des Hofes war. Nachdem nun Thußnelde des Tiberius Zusetzung mit fast unerhörter Großmüthigkeit ausgeschlagen und erhärtet hatte: daß die Schönheit und die Keuschheit / die sonst ins gemein unversönhlichen Tod-Feinde / bey ihr verträgliche Zwillinge wären / wurden Agrippine und Thußnelde vermittelst dieser Tugend gleichsam ein Hertze. Sintemal edle Gemüther durch dieses Band fester mit einander verknipft werden / als die / welche unter einem hi lischen Zeichen gebohren sind. Als Thußnelden nun Agrippinens Ankunfft zu wissen gemacht ward /meynte sie nicht wenig verspielt zu haben / wenn sie ihr nicht mit gleicher Höfligkeit zuvor käme; also ritt sie in möglichster Eil mit der Königin Erato / und der Fürstin Ismene aus Bingen Agrippinen entgegen; welche aber ihnen nur eine Virtel Meile von der Stadt begegnete. Die Bewillkommung geschahe mit einer so kräfftigen Ausdrückung ihrer Freuden: daß diese allein von ihrer unverfälschten Treuhertzigkeit unverdächtiges Zeugnüß geben konte. Gegen der Königin Erato und Ismenen gebrauchte Agrippine zwar nicht so viel Freyheit; gleichwohl aber lidten beyderseits so wenig ihre Zuneigung / als Höfligkeit einigen Abbruch; weil sie wohl wuste: daß eine so tugendhafte Fürstin nichts gemeines oder unanständiges zur Gesellschafft vertragen würde; sonderlich aber / weil Thußnelde Agrippinens Sorgfalt durch Nachricht zuvor kam: daß eine die berühmte Königin in Armenien Erato / die andere aber des Feldherren Schwester Ismene wäre. Sie kamen unter tausenderley verwechselten Freundschaffts-Versicherungen ehe nach Bingen / als sie ihnen kaum einbilden konten. Sintemal die sonst zwar an Geschwindigkeit die Pfeile überfliegende Zeit / bey annehmlichem Gespräche auch dem Lauffe der Sonne zuvor ko t. Unter dem Thore begegnete ihnen auch die Fürstin Catta / Zirolane die Marsingische / und Adelmunde die Chauzische Fürstin; welche nach erfahrner Ankunfft der Käyserlichen Enckelin Agrippine auch die Ehre haben wolten ihr mit aller Höfligkeit entgegen zu gehen; und an der Pforte des Rathhauses / wo die meisten Fürsten wohneten / empfing sie gleicher gestalt die Cattische Hertzogin Erdmuth mit grosser Ehrerbietigkeit. Der Feldherr selbst kam eilfertig dahin / und führte sie in Thußneldens Zimmer; welcher er Agrippinens Unterhaltung anvertraute; weil des vom Tiberius dahin geschickten Elius Sentius Saturninus Ankunfft ihm Verhör zu geben / und also sich des Frauenzimmers zu entbrechen nöthigte. Hierauf giengen zwischen Agrippinen und dem deutschen Frauenzimmer die Umbarmungen allererst an; und ward Agrippine von so viel Schönheiten und Höfligkeiten gleichsam gantz verwirret;[396] daß sie sich mehrmals bedencken muste: Ob ihr etwan von einem bezauberten Pallaste träumte. Denn ob sie wohl zu Rom aus denen dahin gebrachten Gefangenen wahrgenommen: daß in Deutschland das rechte Vaterland schönen Frauenzimmers / und auch die Weiber des Pöfels anderer Länder verzärtelten Adel mit dem herrlichen Kleinode ihrer Gestalt wegstäche; so hatte sie doch niemals solche Vollkommenheiten in einem so engen Kreisse gesehen / noch denen Deutschen eine so rege Lebhaftigkeit zugetrauet; als sie in dieser Versamlung fand. Bey dieser aber war Agrippinen noch mehr verwunderlicher: daß ihre Freyheit eine gewisse Schamhaftigkeit begleitete; welche weder den Schein eines Zwanges / oder einer Furcht; sondern ihrem Urthel nach / die verschämte Röthe der frischen Rosen zum Ebenbilde hatte; wormit es das deutsche Frauenzimmer allem andern der Welt zuvor thäte; welches ins gemein allzu schichtern / oder allzu frech sich erzeigete. Nachdem nun Agrippine alleine bey Thusnelden und der Fürstin Erdmuth sich anmelden lassen / meynten alle andere / ja auch selbst Erdmuth eine Pflicht ihrer Bescheidenheit zu seyn / nachdem sie nunmehr die Schuldigkeiten ihrer Ehrerbietung abgestattet / Agrippinen mit Thußnelden im Zimmer alleine zu lassen / und auf eine Zeit von ihr Abschied zu nehmen. Aber Agrippine meynte an ihnen keinen gemeinen Verlust zu leiden; ersuchte sie also aufs freundlichste: Sie möchten mit ihrer Entfernung nicht so zeitlich ihre Vergnügung vergällen; am wenigsten aber für einen Gebrechen ihrer Gewogenheit auslegen: daß sie mit ihrer alten Freundin Thußnelde freyer umbzugehen das Hertze hätte / und ihre Freude sie nöthigte selbtes gegen ihr so viel verträulicher auszuschütten. Sie traute aber durch kurtzer Zeit Gemeinschafft ihr Gemüthe bald auch so keck zu machen: daß es mit ihnen als Schwestern umbzugehen sich bald erkühnen würde; zumal sie sich nicht mehr Augen in ihren Stirnen / als so viel holde Gestirne zu schauen bedüncken liesse. Sie hätte zwar von der Käyserin Livia einen Befehl bey der Hertzogin Thußnelde und Erdmuth etwas abzulegen; dieses aber wäre keine Verrichtung eines geheimen Zimmers /oder einer sorgfältigen Einsamkeit. Alle waren zu dem unschwer zu bereden / was sie selbst begierig verlangten. Sintemal ihnen Thußnelde nicht allein mehrmals Agrippinen als die tugendhafteste und redlichste Römerin beschrieben; sondern ihr Antlitz und Geberdung auch was gewisses an sich hatte / was die Gemüther an sich zoh. Denn ihre Bräune wieß nicht mehr: daß sie viel Geist; sondern ihr Ey-rundtes Antlitz auch: daß sie Neigung zu verträulicher Freundschafft hätte. Ihre Stirne war zwar ernsthaftig / ihre grosse schwartzen Augen aber milterten sie durch einen annehmlichen Liebreitz. Alles ihr Thun war ohne Beflissenheit / welche aller Höfligkeit / wie zu grosser Aufputz der Schönheit abbrüchig ist. Alle ihre Liebkosungen redeten ihnen selbst das Wort: daß sie keine Erfindungen ihres Geistes / sondern das Hertze Theil daran hätte / und ihre Bemühung andern zu gefallen ein Werck der Freundschaft wäre. Thußnelde nöthigte hierauf Agrippinen einen gewissen Sitz zu nehmen; sie erkiesete aber alsofort den nechsten bey ihr; und ersuchte Thußnelden: Sie möchte ihrealte Verträuligkeit belieben / und in ihrem Zimmer alles Wortgepränge / und Ordnungen des Vorsitzes durch ein allgemeines Freundschaffts-Gesetze verbieten. Sintemal sie ja von ihr allzu wohl wüßte: daß durch übrige Verehrung die Schwäche ihrer Seele getroffen würde / und sie selbte nicht / ohne ihr selbst Weh und Gewalt zu thun / die Heucheley weder duldẽ noch üben könte. Thusnelde antwortete: Sie erkennte in ihrem Hause Agrippinen für die oberste Gesetzgeberin; ihr Zimmer aber / welches so wenig Heucheley /als gewisse Eylande giftige Thiere vertrüge / hätte keines Verbots von nöthẽ. Jedoch hoffte sie nicht: daß Agrippine ihr und ihrẽ holdseligẽ Gespieliñen die Ehre[397] schuldigster Bedienung gegen eine so seltzame Freundin mißgönnen würde. Diesem setzte die Hertzogin Erdmuth bey: Sie würde die gantze Gesellschaft ihr nicht wenig verbindlich machen / wenn sie durch Annehmung des ihr anständigen Ortes andere von der sonst aufgenöthigten Unhöfligkeit entbürdete. Agrippine antwortete: Ich bin hieher kommen zu gehorsamen; also nehme ich diesen Stuhl / nicht aber als einen Ober-Sitz / sondern als einen angewiesenen Ort / und alles / was zu ihrer Vergnügung gereicht / für einen Befehl an; mich bescheidende: daß Gebot und Folge zwey so gar der Grobheit vielgültige Vertheidiger sind. Erdmuth begegnete ihr: Sie wüsten wol: daß Agrippinens Tugenden keinen genungsam hohen Stand in Deutschland finden könte; sie möchte aber doch die Gütigkeit haben ihnen so viel Ehrerbietigkeit gegen sie zu enträumen; als sie ihr zu erzeigen fähig wären. Agrippine versätzte: Weñ ihr einige Tugend beywohnte; würde sie nirgends ihren vergnügtern Aufenthalt als in Deutschland haben / wo die Bescheidenheit ihre unzertrennliche Gefärthin / und die Demuth zu Hause wäre. Denn wie in den meisten andern Ländern die Hoffart viel annehmliche und nützliche Zusammenkunfften hinderte / oder zum wenigsten mit Verdruß versaltzte; weil ihrer viel aus Hochmuth andern nachzusitzen sich der Gemeinschafft entschlügen; oder sich in selbten um den Vorzug zanckten; also stritte in Deutschland die Tugend und Würde umb die Ehre andern nachzugehen. Erato fiel Agrippinen bey / und sagte: Sie hätte es selbst mehr denn zu viel erfahren: daß in Deutschlande nichts kaltsinniger / als der Ehrgeitz / und nichts feuriger als die Freundschafft wäre. Denn die grösten Frauen dieser Nord-Welt hätten sie aus einer Gefangenen zu ihres Gleichen / und aus einer Feindin zu ihrer Schwester ge macht. Agrippine brach ein: Wie aber bin ich denn so unglücklich: daß man mir durch allzu viel schönthun weh thut? und daß man durch übrige Ehrerbietigkeit /welche ich für eine Schwachheit guter Freunde / und für eine Verwürtzung der Verträuligkeit halte / mich geringer als die viel frembdere Erato hält? welcher ich in allem / nur aber an Aufrichtigkeit nicht zu weichen gedencke. Erato antwortete: Sie sähe wol: daß die unvergleichliche Agrippine sie eben so mit unverdienten Lobsprüchen beschämen wolte / als sie sie mit ihren Leibes- und Gemüths-Gaben übertreffe. Ismene fügte bey: Erato wäre zwar keine Deutsche; gleichwol aber redete sie die deutsche Warheit. Dahero weil Agrippine nichts gemeines / sondern eitel Seltzamkeiten an sich hätte / sie von rechtswegen auf eine gantz absondere Art bedienet werden solte / wenn Deutschland nicht hieriñen allzu einfältig wäre. Agrippine begegnete ihr: Warlich / Deutschland kan sich von nichts mehr rühmen / und bey der Welt beliebt machen; als durch die Einfalt; welche in Artzneyen und in der Andacht der Kern; die Seele der Freundschafft / und der sicherste Wegweiser des Lebens ist. Warumb aber läßt man mich dieser Einfalt nicht genüssen? Warumb beschweret man mich mit so viel Gepränge? Und warumb entsetzet mich ihre allzu höfliche Liebkosung meines freyen Willens? Ismene gab ihr zur Antwort: Sie wüste wol / und Agrippine bewehrte mit ihrem Beispiele: daß die bis zum höchsten Gipfel gestiegene Tugend sich auf keine andere Weise / als durch ihre selbst eigene Erniedrigung erhöhen könte; und dahero ihre Bescheidenheit geneigt wäre / alle Aufwartung abzulehnen. Alleine man müste nicht nur seinen Ruhm befördern; sondern auch anderer Unehre verhüten. Diese würde ihnen zuwachsen / wenn Agrippine sie nicht ließe ihre Pflicht abstatten. Wer für der Verehrung Eckel hätte / müste sich seiner Würdigkeit entschlagen; also Agrippine ihnen verhengen / was so wol die Gewohnheit / als die Vernunfft ihnen zu thun auferlegte. Tugend wäre so wol fähig Höfligkeit /[398] als Pflantzen den Thau des Himmels anzunehmen. Sie wäre die genaueste Richtschnur des Lebens / ohne welcher Ordnung die Welt in eine finstere Verwirrung einsincken würde. Diesemnach ihr auch ohne ihre Verschmähung ein anständiger Stand eingeräumet werden müste. Aus der Tugend rührte der Ursprung des Adels und anderer Würden in der Welt; nach derer Staffeln auch die ihnen gebührende Verehrung unterschieden wäre. Agrippine versätzte: Sie bescheidete sich wol: daß die Tugend keine Unverträgligkeit mit der Ordnung / und keine Abscheu für ihrer Wehrthaltung hätte. Dieser wäre ihr bester Zunder / jene ihr eigener Meßstab; ja das Feuer des Prometheus / welches alle Dinge beseelete / die güldene Kette / welches alles Schöne in der Welt zusammen verbinde. Die seltzamsten Marmel blieben unansehnliche Steinhauffen / wenn sie die Bau-Kunst nicht zu einem Pallaste; die auserlesenste Worte / ein unverständliches Nichts / wenn der Mensch sie nicht zu einer Rede in Ordnung setzte. Ja die Thiere selbst wüsten ihr nicht zu entbehren / und wäre solche nicht ohne Verwunderung im Gewebe der Spinnen / in Wachs-Zellen der Bienen / im Fluge der Kranche / im Schwimmen der Hirsche; und im Aufzuge der Elefanten zu schauen. Alleine / es würde ihr die gantze Versa lung verzeihen; wenn sie der verträulichen Freundschafft die Unordnung zur anständigsten Richtschnure zueignete. Denn da diese nur für einen Schatten zu achten wäre /durch welche man einigen Vortheil suchte; wäre ja auch der Vortheil des Vorzugs und grosser Ehre von selbter zu verbannen. Da keine Freundschafft für rechtschaffen zu halten / welche dem andern nicht so viel gutes / als ihr selbst gönnete / müste unter Freunden alles gantz gleiche hergehen. Denn so bald ein Freund einen Vorzug verlangte / oder besser als der andere zu seyn sich bedüncken ließe / kriegte die Verträuligkeit ein Loch und die Freundschafft ihr Ende. Die Fürstin Zirolane hielt sich verpflichtet / auch ihr Wort hierzu zu geben; fiel also ein: Es wäre wahr: daß die Vorzückung und Einbildung mit der Freundschafft keine Verträgligkeit litte; dis aber wäre ihre Vollkommenheit / und ihr heiligstes Gesetze: daß man dem Frembden mehr / als ihm selbst gönnen und ihm zueignen solte. Ja / sagte Agrippine; aber derselbe / welcher mehr annimmt / als er zurück giebt /macht sich nicht nur der Freundschafft unwürdig; sondern zerreißt hiermit ihr Band. Westwegen auch zwischen Leuten allzu ungleichen Standes keine Freundschafft bestehen / ja nicht einst gemacht werden kan. Zirolane begegnete ihr: Auch die Gleichheit hat ihre Absätze; und es giebt Ursachen: daß einer Henne Ey dem andern / zwischen denen doch die gröste Gleichheit der Welt seyn soll / mit Rechte vorgezogen wird. Der einige Umbstand der Zeit / oder des Ortes verbindet die besten Freunde zu veränderten Bezeugungen; unbeschadet die Aufrichtigkeit ihres Hertzens keines Haares breit verrückt wird. Die Verträgligkeit zwischen dem Mercur / und der Venus wird dadurch nicht aufgehoben / ungeachtet bald dieser bald jener Irrstern dem andern den höhern Stand im Himmel einräumt. Die Freundschafft der Geschöpfe ist das Band des gantzen Welt-Gebäues / sonst würde entweder das Wasser alles ersäuffen / oder das Feuer alles einäschern; gleichwol bestehet das grosse Uhrwerck der Welt in der vollkommensten Ordnung. Die Sonne tritt keinen Augenblick / oder eines Nagels weit über den gestirnten Thier-Kreiß. Alle Gestirne verehren sie /unbeschadet ihrer gemeinen Liebe und Zuneigung. Was ist aber die Freundschafft im Leben geringers /als die Sonne in der Welt? Agrippine brach ein: die Gestirne verehren die Sonne nicht als ihren gleichen Freund / sondern als ihren wolthätigen Fürsten; und die Liebe / nicht die Freundschafft bindet alles in der Welt zusa en; welche von der Freundschafft hierinnen[399] am meisten unterschieden ist: daß diese in der Gleichheit / jene in der Ungleichheit ihre Vollkommenheit erlangt. Sintemal die Liebe am höchsten steigt / wenn sie sich am meisten erniedriget; und erlanget ein Käfer eine grössere Wolthat von der Sonne / wenn sie ihn durch ihre Wärmbde aus eines Esels Unflate gebieret; als wenn sie zu der Geburt eines edlen Löwen beförderlich ist / oder ein Gestirne erleuchtet. Wenn aber auch zwischen denen Gestirnen eine Freundschafft zu finden; so ist die Unordnung in selbten auch jedermann sichtbar. Die der ersten und sechsten Größe sind so wunderbar durch einander vermischet: daß / wenn man die Weißheit der göttlichen Versehung nicht für ein unser Auge des Gemüthes nur bländendes Licht hielte / der menschlichen Einfalt es schier fürkommen solte: daß die Sternen GOtt nur ungefehr aus der Hand gefallen wären /und er bey ihrer Erschaffung zu unmüßig gewest wäre / jedem nach seiner Würdigkeit seinen Platz einzuräumen. Die vorwitzigen Sternseher hätten sich zwar erkühnet / die Sterne gleichsam als zerbrochene Stücke zusammen zu lesen / und ihnen gewisse Gestalten zu zueignen; alleine ihre Thorheit hätte aus dem prächtigen Schau-Platze des gestirnten Himmels / aus dem Wunder-Baue der Natur einen heßlichen Viehstall /und wie die Egyptier aus den Göttern Ochsen / Stiere / Schlangen / Fische und ander Ungeziefer gemacht. Nichts weniger hätte auch die Erde an der Unordnung ihr Belieben / und brauchte die Verwirrung zu ihrer Zierde. Flächen / Hügel und Berge wären so seltzam /als auf selbten tausenderley Kräuter / Blumen und Bäume durch einander vermischt; also: daß wenn jemand jede Art an einen absondern Ort zusammen setzte / er der Erde nicht weniger ihr Reichthum / als die Schönheit benehmen würde. Daher sich die neubegierigen Menschen in die fettesten Wiesen unfruchtbare Klippen zu versätzen / anderwerts Berge abzutragen; im Meere Land / und im Lande Seen zu machen sich erkühnen / nur umb den Vorwitz ihres Auges zu vergnügen. Das Meer dünckt uns niemals schöner / als bey seiner stürmerischen Verwirrung zu seyn / wenn eine Welle die andere erdrückt / ein Wirbel den andern verschlingt / und das in die Lufft gespritzte Wasser des Tages ein Perlen-Regen / des Nachtes ein feuriger Thau zu seyn scheinet. Nicht anders suchet die Freundschafft ihre Vergnügung in einer verträulichen Verwirrung / in einer schlechten Rede / in einfältiger Gebehrdung / und in einer unaufgeputzten Verträuligkeit. Zirolane hatte ihren Gegensatz schon in Gedancken abgefaßt / und auf der Zunge; aber Thußnelde kam ihr zuvor / und fieng an: Lasset uns denn der gütigen Agrippine Urthel uns unterwerffen; weil wir dardurch sie für unsere Lehrmeisterin erkennen / und uns ihre Meinung zum Vortheil gereicht; theils daß wir Deutschen unser Unvermögen sie recht zu verehren nicht verrathen dörffen / theils: daß wir als kleine Sterne die Ehre haben / den grossen gleich geachtet zu werden. Agrippine färbte sich ein wenig hierüber / und beschwerte sich: daß Thußnelde / welche doch unter allen Anwesenden ihre älteste Freundin wäre / ihr es näher als keine andere gesucht hätte. Dahero beschwüre sie sie bey ihrer alten Verträuligkeit: sie möchte sich aller Zierligkeiten und Gepränges / welche doch einmal nichts / als unnütze Schalen / und ins gemein ohne Kern wären / gäntzlich enthalten; Und wo jemand in so edler Gesellschafft sie lieb hätte / oder sie einiger Freundschafft werth schätzte / solten sie mit ihr umbgehen / als wenn sie von Kind-auf beysammen gelebt hätten. Die Zeit wäre allzu kostbar / und die Gesellschafft viel zu edel: daß beyde mit dem Bländwercke der Heucheley und Falschheit / nemlich geschmierten Worten und gezwungener Ehrerbietigkeit / verspielt werden solte. Sie lernte das deutsche Frauenzimmer diesen Tag nicht zu erste kennen; und also hätten sie nicht von nöthen mit[400] ihrer Höfligkeit sich zu zeigen. Die Freundschafft aber forderte weder solche Opfer; weniger gäbe sie solche Künste jemanden ein. Der Verstand wäre gewohnt zierlich; das Hertze aber seine Meinung gerade heraus zu sagen. Agrippine redete dis mit einer so durchdringenden Art: daß niemand zweifelte: ob es ihr Ernst wäre; und daher jede gleichsam für der andern die offenhertzigste zu seyn sich bemühete. Also wurden aller Zwang und alle Zierligkeiten aus dieser Gesellschafft verbañt. Was eines wolte /beliebte dem andern; gleich als wenn ein Geist sie alle beseelte / und ein Wille sie sämtlich regte. Diese Zusammenstimmung vergnügte Agrippinen derogestalt: daß sie wider ihre Aufrichtigkeit gesündiget zu haben glaubte / wenn sie die Ursachen ihrer Dahinkunfft länger verschwiege. Daher sagte sie: der zwischen den Römern und Deutschen für gefallene Krieg wäre ihr destwegen so vielmehr bekümmert gefallen / weil sie besorgt: daß hierdurch der unschätzbaren Thußnelde Freundschafft auch würde Schifbruch gelitten haben. Nach dem nun dieser sich geendigt / hätte ihr Hertze nicht ruhen können / bis sie hierüber Thußneldens Gemüths-Meinung erkundigt; und auf allen Fall ihre Freundschafft wieder auf ihren alten Fuß versetzt hätte. Thußnelde fiel ein: Sie erkennte mit schuldigster Danckbarkeit Agrippinens ungemeine Zuneigung / und wäre sie nicht wenig beschämt: daß sie ihr mit Versicherung der Freundschafft dieselbe hätte lassen zuvor kommen / welcher doch wenig daran gelegen seyn könte. Jedoch wüste sie keine bessere Entschuldigung; denn daß sie bey sich niemals besorgt: daß der Krieg ihrer Freundschafft abbrüchig seyn könte. Denn ob zwar der / welcher einen Krieg führte / auch über die Bürger seines Feindes / ihre Weiber und Kinder das Recht des Lebens und Todes hätte; so bliebe doch das zwischen zweyer Feinde Bürgern vor oder bey dem Kriege entsprossenes Recht unversehret; ihre absondere Bündnüsse würden durch die allgemeine Fehde des gantzen Volckes nicht aufgehoben; sondern ihre Obrigkeiten wären so gar ihres Feindes Unterthanen destwegen Recht zu verschaffen verbunden. Solte nun das heilige Band der Freundschafft schwächer / als einer gemeinen Handlung seyn? Vielmehr würde es eine der grösten Grausamkeiten abgeben / wenn ein Krieg allen Menschen beyder Länder durchgehends Haß und Freundschafft aufnöthigte. Agippine versätzte: diese Gedancken wären in gemeinem Handel und Wandel wol gar recht; aber auf Freundschafts-Verbündnüsse ließe sich dieses Recht schwerlich ausdehnen. Sintemal jeder Bürger ein Glied des gemeinen Wesens / und alles zu desselben bestem zu thun; also auch alle Glieder seines Feindes zu hassen / und durch Vertilgung derselben dem gantzen Volcke Abbruch zu thun verbunden wäre. Westwegen die Römischen Kriegs-Gesätze auch in Ansehung der Stadt so gar die Bande des Geblütes aufhiebe; und ein Vater seines Sohnes / wenn dieser für Feind erkläret worden / zu schonen nicht befugt / und unterschiedene Beyspiele verhanden wären: daß in Schlachten ein Bruder den andern auf feindlicher Seite hingerichtet hätte. Junius Brutus hätte seinen es mit den verstossenen Tarquiniern haltenden Söhnen die Köpfe abschlagen / und Fulvius seinen dem Catilina zugethanen Sohn hinrichten lassen. Thußnelde fiel ein: dieses Gesätze wäre ihrem Bedüncken nach von allzu grosser Schärffe / solches würde zweifelsfrey auch nur die Kriegs-Leute / und zwar auch nur / wenn sie würcklich mit dem Feinde angebunden hätten / binden. Wiewol sie / und ihr Bruder Siegesmund / auch bey dieser Milterung des Gesätzes den Kopff verwürgt haben würde. Brutus aber hätte als ein Burgermeister / Fulvius als ein Feldhauptmann schwerlich ohne Verabsäumung ihres Amptes anders verfahren können. Alle diese Umstände aber träffen bey Agrippinen[401] und ihr nicht ein; sondern sie hätten unbeschadet der zwischen dem Römischen und den deutschen Häuptern waltender Feindseeligkeit / Freunde bleiben können. Wenn aber auch sie ihres Vaterlandes Haß auf sich schuldig gewest wären / hätte dieser nunmehr durch den Frieden ein Ende / und würde die Zeither mehr schlaffende als ausgeleschte Freundschafft wider sie ergäntzt zu halten seyn. Agrippine versicherte sie: daß ihr Einwurff kein Werck eines geschöpften Argwohns; sondern nur eine kleine Bekümmernüs gewest wäre. Denn man sorgte für nichts mehr / als was man am liebsten hätte. Sie traute vielmehr Thußnelden / als einer solchen Fürstin / welche die Beständigkeit zum Fusse ihrer Tugenden und Keuschheit fürlängst erkieset hätte / zu: daß wenn auch der geschlossene Friede hundertmal brechen solte / doch ihre Freundschafft dardurch keinen Ritz bekommen würde. Sie wolte aber von dem so betheuerlich-befestigten Friedens-Wercke viel ein besseres hoffen. Denn beyde Völcker hätten gegen einander ihre Kräfften geeichtet / und mit in Händen habenden Schwerdtern sich vergliechen; welche Friedens-Schlüsse wol die tauerhaftigsten wären. So könte sie auch wol versichern: daß der Käyser August die Deutschen werther / als kein ander Volck / sie auch am liebsten zu Freunden hätte. Der letztere Krieg wäre auch mehr Ehrenthalben / als aus Haß geführet; und von der Käyserin Livia nicht wenig zum Frieden geholffen worden; welche mit Thußnelden gleicher Gestalt die alte Verträuligkeit zu erneuern / mit der Hertzogin Erdmuth und andern Fürstinnen Deutschlandes aber neue Freundschafft zu stifften sich sehnte; und daher ihr an beyde etliche kleine Merckmale ihrer Zuneigung abzuliefern Befehl überschickt hätte. Hiermit zohe Agrippine eine Schachtes-voll der seltzamsten Kleinodien herfür; darbey meldende: Sie bescheidete sich: daß so vollkommene Frauen vollkommnere Geschencke verdienten; es wären aber alle Gaben nicht nach ihrem geringen Werthe / sondern nach Wolmeinung des Gebers zu schätzen / und gehörete unter die Anzahl der Tugenden auch was schlechtes nicht zu verschmähen. Mit diesen Worten überreichte sie Thußnelden einen vortreflichen Diamanten- / der Hertzogin Erdmuth aber einen wunderschönen Perlen-Schmuck. Thußnelde nam ihr Geschencke ehrerbietig an; und sagte: Sie hätte zwar ein so ansehnliches Geschencke / derogleichen Deutschland schwerlich vorher besessen / so wenig jemals verdienet / als sich desselben zu dieser Zeit versehen. Sie würde aber dasselbte danckbar anzunehmen nicht nur durch die Höfligkeit der Uberbringerin / welche über sie völlige Gewalt hätte /sondern auch darumb genöthigt: daß es nicht den Schein hätte / als wenn ihr an der Gewogenheit einer so grossen Frauen wenig gelegen wäre / oder sie Livien der Ehre einer mehr / als Königlichen Freygebigkeit berauben wolte. Die Hertzogin Erdmuth aber stand an die Perlen zu empfangen / mit beygesetzter Bitte: Agrippine möchte ihr Bedencken und Entschuldigung ja für keine Verschmähung solcher unschätzbaren Seltzamkeiten nicht aufnehmen; sondern versichert glauben: daß nach dem ihre Landes-Gesätze ihr solch Geschencke anzunehmen nicht zuließen; ihr das hieraus allzu viel erwiesene Wolwollen der Käyserin lieber / als alle Perlen der Welt wären. Hilf Himmel! fieng Agrippine an überlaut zu ruffen: was haben die streitbaren Catten für rauhe Gesätze; welche der Freygebigkeit den Eintritt in ihr Land verweigern? Warumb aber nehmen sie vom gutthätigen Himmel den Thau / von trächtigen Wolcken den Regen / vom Wasser die Fische / von der Erde die Gewächse an? denn dis alles sind nichts anders / als Geschencke der Götter.[402] Von jedermann alles annehmen / wäre schimpflich / von niemanden aber etwas / eine Grausamkeit. Erdmuth begegnete ihr lächelnde: die Catten wären so wilde nicht; und weder derselben Gesätze /noch ihre Meinung erstreckte sich so weit. Denn ihr Verboth ließe nur nicht zu Wein / und frembde Perlen oder Edelgesteine ins Land zu bringen. Agrippine fragte: warumb sind die unschuldigen Perlen so unglücklich / und die Edelgesteine so verächtlich in ihrem Vaterlande? Haben nicht die vom Thaue gezeugten Muschel-Töchter mehr vom Himmel / als vom Meere? Sind die Edelsteine nicht die Sterne der Unter-Welt? Warumb wil man sie denn nicht auf der Erde dulden? Erdmuth versätzte: Sie hegte zwar mit Perlen und Edelgesteinen keine Feindschafft / sondern hielte sie für eine schöne Geburt der Natur; Gleichwol aber würde sie nicht würdig eines Catten Tochter /weniger ihre Fürstin seyn / wenn sie keine vernünftige Ursache ihres Gesetzes zu geben wüste. Es möchte sich Agrippine aber nur selbst erinnern / wie viel Römer / ja August selbst sich beklagt: daß für unnütze Steine und Scherben so viel Geldes zu frembden oder gar zu feindlichen Völckern verschleppt würde; daß die Indianer und Serer jährlich allein über hundert tausend Sestertier aus Rom zügen. Würde nun Rom / welchem die gantze Welt zinßbar ist /durch diese Verschwendung erschöpffet; wie könte der Catten Armuth hierzu zulänglich seyn? Agrippine fiel ein: Es wäre kein Ding in der Welt so gut / daß es durch Mißbrauch nicht schädlich werden könte. Und hierinnen hätten weder Perlen noch Edelgesteine kein Vorrecht. Die Römischen Sitten wären allerdings zu schelten: daß eines Rathsherrn Frau zweyer Geschlechter Erbschafften an so viel Ohren hienge; da die gemeinen Weiber sie umb den Hals und die Armen trügen / und sich derselben an statt der Trabanten bedienten / welche ihnen in dem Gedränge Platz machten / und ein theuer Halsband denen begegnenden einen Zwang auflegen solte ihnen aus dem Wege zu weichen. Ja es wäre Schande: daß nunmehr auch die Männer Perlen an die Ohren hiengen / Edelgesteine an die Finger steckten / oder gar die Mohnden auf den Schuhen damit versetzten. Diesemnach wäre des Käysers Meinung nur gewest / dem Pöfel den Gebrauch / dem Adel die Ubermaaß abzustellen /nicht aber diese Köstligkeiten von Rom / oder aus der Welt zu verbannen. Erdmuth brach ein: Es hätten gewisse Dinge in der Welt eine Eigenschafft: daß mit ihnen schwerlich Maas gehalten werden könte. Hierunter gehörten auch diese Kostbarkeiten / derer Gebrauch im Mißbrauche / ihr Nutz in Uppigkeit bestünde. Denn worzu dienten sie sonst / als zu Werckzeugen der Hoffart / und zu Erfindungen der Verschwendung. Dahero ins gemein gegläubt würde: Prometheus / der nichts gutes in der Welt gestifftet / hätte den ersten Edelgestein aus einer Klippe des Caucasus gehauen / und da mit zum grossen Schaden die unersättliche Begierde damit zu prangen in die Welt gebracht. Erato nam sich Agrippinens an / und sagte: Es wäre nicht glaublich: daß die weise Natur an unnütze und nur mißbräuchliche Dinge solchen Fleiß angewendet / und sie zu so schönen Wunderwercken unserer Augen gemacht haben solte. Ihr Glantz und Durchsichtigkeit stritten schier mit den Strahlen der Sonne / und beschämten das Licht der Gestirne; und sie solten nur würdig seyn in der Finsternüs der Klüffte und Schachte zu liegen / nicht aber ans Licht des Tages zu kommen? Kein Kefer / keine Raupe /kein Regenwurm / kein Kieselstein / kein Sandkorn wäre von GOtt / wie die Deutschen selbst lehrten /umbsonst geschaffen;[403] Perlen und Edelgesteine aber solten unnütze Mißgeburten des Meeres und der Erde seyn? da doch dieser zweyhundert vier und sechzig Sorten gezehlet würden. Erdmuth antwortete: sie müste ihre Unwissenheit gestehen: daß ihr außer des Gepränges kein Nutzen bekandt wäre; und daß die Zauberer ihnen träumen ließen: daß der Indische Schneckenstein / und der in den Augen des Thieres Hiäna befindliche Stein / wenn man ihn auf die Zunge legte / die Krafft des Wahrsagens zu wege brächte. Daß die Korallen dem Ungewitter widerstünden; daß der Stein Synochitis die Geister zu erscheinen zwinge / und ein ander aus dem Pontus sie verjagte. Sie hätte auch mehrmals gehöret: daß nach gewissem Stande der Gestirne ihre Bilder denen Edelgesteinen eingegraben / und geglaubt würde: daß sie hiermit auch derselben Krafft eingeflößt bekämen. Also solte der in einen Amethist geschnittene Wieder / den / der ihn trägt / tiefsinnig; der in Berill gegrabene Löw beredsam; der Schütze im Schmaragd ansehnlich machen. Die Zwillinge im Goldsteine einem Freundschafft /die Wage im Carniol Gerechtigkeit / der Wassermann im Saphiere / Eintracht zu wege bringen. Der Krebs im Topaß / der Scorpion im Sardonich / und die Fische im Jaspis / solten den Febern widerstehen / aber einen zu Lügen / Unbestand und Ungerechtigkeit reitzen. Der Stier im Hyacinth / die Jungfrau im Chrysolith / und der Steinbock im Calcedonich solten zur Andacht und zum Ackerbau; das in Edelgesteinen befindliche Bild des Pegasus den Kriegs-Andromache den Eheleuten zur Liebe und Versöhnung / Caßiopea zum Schlaffe / der Schlangen-Mann wider Gifft / Hercules zum Siege / Jupiter im Schmaragde zur Annehmligkeit / Mercur im Achat zur Weißheit / Mars im Magnet zur Hertzhaftigkeit / Venus im Türckis zur Schönheit / Saturn im Onyx wider die Gramschafft; die Wasser-Schlange zu Reichthum / der Centaurus zur Gesundheit / Orion zum Siege / der Adler zu grossen Ehren behülfflich seyn. Agrippine brach ein: sie begehrte in Vertheidigung der Edelgesteine sich mit keinen Träumen oder Aberglauben zu behelffen. Sie hielte von allen erzehlten Dingen so wenig als von denen unter gewissem Scheine der Gestirne gegossenen Siegeln der Araber und Egyptier / welche die Einfältigen beredeten: das Siegel des Saturnus aus Bley /worauf dreymal drey Zahlen geschrieben stehen /derer jede fünfzehn austragen / hülffe denen schwangern Frauen zur Geburt / denen Bittenden zur Erhörung. Jupiters zinnernes Siegel mit vier mal vier / allezeit vier und dreißig austragenden Zahlen bringe Reichthum und Liebe des Frauen-Zimmers zuwege. Des Mars eisernes Siegel mit fünf mal fünf allezeit fünf und sechzig ausmachenden Zahlen vermöge Zwytracht und Unfruchtbarkeit zu stifften. Der Sonne mit sechs mal sechs Zahlen bezeichnetes Siegel aus Golde / welche sechs mal hundert und eylfe in sich hielten / solle die Krafft haben in allen Dingen den Träger glückseelig zu machen. Der Venus küpfernes Siegel mit sieben mal sieben Zahlen / welche so viel mal hundert / und fünf und siebenzig zusa en machten / solle einem Gewogenheit und Fruchtbarkeit zuziehen. Des Mercur aus Silber / Aloe / Mastyx und Kweck-Silber zusammen gemischtes Siegel mit achtmal acht viereckicht zusammen gesetzten Ziffern / die allenthalben zwey hundert sechtzig ausbringen / solle dem Gedächnüß helffen / künftiger Dinge Wissenschafft zueignen; das silberne Mondẽ-Siegel mit neun mal neun / auf allen Seiten drey hundert neun und sechzig ausmachenden Zahlen / solle zu glücklichen Reisen / und zu Erlangung fürtrefflicher Sachen[404] dienen. Alle diese Geheimnüsse hättẽ sie vom Tiberius aus sonderbarem Vertrauen begrieffen / welcher solche abergläubische Müntzen und bezeichnete Steine nie von sich legte / und diese aus der einflüssenden Krafft des Himmels / jene aus der Lehre des Pythagoras / welcher alles aus den Zahlen ergrübelt / oder vielmehr hinter sie versteckt hätte / zu rechtfertigen sich bemühete. Alleine alles dieses / wie auch viel andere denen Steinen zugeschriebene Eigenschafften /als daß der im Mund gehaltene Saphier Wahrsagung eingäbe / Schlösser aufsprengte / vom Jupiter einem die Herrschafft / vom Saturn das Priesterthum zuzüge; daß der Chrysolith Gespenster vertriebe; daß der Jaspis beliebt / der Beril weise machte / der Diamant von keinem Hammer zerschlagen / sondern nur durch Bley / Bocks- und Löwen-Blut erweichet würde / wären verlachens werthe Eitelkeiten; hingegen durch vielfältige Erfahrung zu Rom auf absondern Befehl des Käysers erhärtet: daß ieder Edelstein absondere und seltzame / ob schon nicht so sichtbare Würckungẽ habe /als der Magnet. Jedoch klebe der weiß-röthliche Carniol so handgreifflich am Holtze / als der Magnet am Stahle. Uberdiß heilte er frische Wunden / vermehrte die Freude / widerstünde der Zauberey / und stillte das Nasenbluten. Die Smaragdẽ-Mutter / der grüne roth-ädrichte Jaspis / welchẽ die Natur seines vielẽ Nutzens wegen mit Fleiß nicht unter Klüffte verborgen /sondern über der Fläche / der Erden reichlich zeuget /stärcket fürtrefflich den Magen / das Hertz und die Augen / stopfte den Blut-Fluß / stillte die Geilheit /hülffe der Geburt / diente wider Feber und Wasser-Sucht. Der allerhand-färbichte Agat / in welchem die Natur ihre sonderbare Mahler-Kunst sehen liesse /diente dem Gesichte / stillte den Durst verursachte Träume / heilte die Schlangen-Bisse / und stärckte den Menschen. Der Sardonyx / auf deren einem der Käyser des langsamen Fabius Tugenden abgebildet hat / machte freudig. Die sechseckichten Beryllen vertrieben wie der Ag-Stein die Flüsse / hülffen der Leber / schärfften den Verstand. Der grünlicht-gelbe des Nachts leuchtende Topaß kühlte im Augenblick siedendes Wasser / vertriebe die Mohnden-Sucht und Tollheit; widerstünde der Wasser-Sucht und Schwindung; seine Kräfften nähmen mit dem Monden ab und zu / und bewehrte hier mit die so wohl der Steine / als der Pflantzen Verwandschafft mit dem Gestirne. Der Lasur-Stein aber stellete gar einen blauen Hi el mit güldenen Sternen für Augẽ / wäre den Augen / auch wider Schrecken und unzeitige Geburten gut. Der Chrysolith / der des Nachts das Feuer / des Tages das Gold eigentlich fürbildete / ja neben welchem das Gold erblaßte / und Silber zu werden schiene / hülffe der Lunge und Lufft-Röhren / vertriebe die Traurigkeit. Der blaue Amethyst benähme die Trunckenheit /machte wachsam / widerstünde dem Gifte. Der ihm nicht unähnliche Hyacinth kühlte den heissen Mund /triebe das Gifft vom Hertzen / widerstünde dem Blitze / und machte schläfrig. Der allerblaueste Türckis erquickte das Hertz und Gesichte; ja wenn er in ein Glas gehenckt würde / schlüge er zu grosser Verwunderung eigenbeweglich die Stunden. Der durchsichtig-blaue für aller Edelgesteine Edelgestein beruffene Saphier / derer einer auff der Atlantischen Insel in der Grösse eines Hüner-Eyes gefunden worden / heilete die Scorpion-Stiche / innerliche Geschwüre / tödtete die Spinnen. Der alle andere grüne Sachen wegstechende- und zu hellen Spiegeln dienende Schmaragd heilete den Aussatz / erquickte das blödeste Gesichte /tödtete das Gift; denen ihn lange ansehenden Schlangen / zerflüssen davon die Augen / und wäre ein Wunder-Bild der Keuschheit; sintemal er bey Ausübung der Geilheit in Stücken springe / und daher von den Alten[405] der hi lischen Venus gewiedmet worden wäre. Der die feurigsten Sternen überstrahlende Rubin / welcher gegen andere Steine so viel köstlicher / als das Gold gegen ander Ertzt seyn solte / und nicht nur in der Nacht glüende Kohlen fürbildete / sondern auch von keinem Feuer warm-weniger beschädigt würde / verjagte das flügende Gift / widerstrebte der Fäulnüß / machte hurtig / und stärckte die Lebens-Geister; ja / daß Sternen und Edelgesteine nicht nur einander geneigt wären / sondern jene auch diesen ihr Bild eindrückten / erhärtete eine gewisse Arabische Art der Rubinen; welche in sich sieben güldene Sternen nach der Ordnung / wie sie in dem Kopfe des gestirnten Ochsen stunden / hätten. Der blitzende Diamant / welcher nunmehr durchgehends für die Sonne der irrdischen Gestirne gehalten würde / verlachte alle Gewalt des Feuers / benähme dẽ Magnet seine Eisen-ziehende Krafft / zernichtete die Beschwerungen /entkräfftete das Gifft / verjagte den Alp; zerschnitte alle andere Edel-Gesteine / wie das Glas / und kriegte im Golde mehr Stärcke / gleichsam zur Lehre: daß Königen sich nur mit Königlichem Geblüte zu vermählen anständig wäre. Die Perlen stärckten das Hertze / erquickten die Lebens-Geister / hülffen den Miltzsüchtigen / steuerten der Pest / stillten das Hertz-Klopfen und den Schwindel. Die Cattische Hertzogin fieng an: Sie wären sä tlich Agrippinen für so heilsamen Unterricht verbunden; wordurch sie erwiese: daß sie von diesen Köstligkeiten mehr Verstand / als schwerlich alle Morgen-Länder hätten / die doch das Vaterland der meisten Edelgesteine bewohnten. Sie würde nichts weniger sich einer unverantwortlichen Vermessenheit schuldig machen; wenn sie an denen erzehlten / und durch die Erfahrung geprüfeten Kräfften wider so unverwerffliches Zeugnüß zweifelte. Zumal sie sich selbst wohl bescheidete: daß die Natur nichts umbsonst machte / und nichts auf der Erde wäre / was nicht sein Vorbild / oder vielmehr seine Wurtzel im Hi el hätte. Alleine Agrippine würde vermuthlich selbst nicht in Abrede seyn: daß die gemeinen Krebs-Augen / das Hirschhorn / die Hecht-Zähne und andere unschätzbare Dinge ja so viel Würckung in der Artzney hätten / als die Perlen? Und manch mit Füssen getretenes Kraut würde der Edelgesteine Heilsamkeit zweifelsfrey die Wage halten. Es wäre nur aber in die Artzney eben die Eitelkeit / die sich der Taffeln bemeistert / eingeschliechen: daß nichts schmeckte / nichts den Kranckheiten abhülffe / was wohlfeil wäre. Also müste man nicht selten das beste / weil es gemein / verwerffen / damit man das unnütze desto theurer bezahlte. Wie dem allem aber wäre; so redete die Erfahrung für sie: daß hundert Centner Edel-Gesteine zum Aufputz der Hoffart / zum Zunder der Geilheit / hingegen nicht ein Pfund zur Artzney und andern heilsamen Würckungen verbraucht würden. Der Geitz hätte ja noch die Perlen in den Schachteln der Aertzte behalten; aber nur die geringen und in Muscheln zu zehn und zwantzig sich befindenden Staub-Perlen / umb darmit den schändlichsten Wucher zu treiben / und diesen unreiffen Sand so theuer / als wenn es die allervollkommensten und aus der von der Sonnen-Hitze geöffneten Muschel von sich selbst fallenden Haupt-Perlen Indiens gewest wären / anzuwehren; welche ihrer reinen Zärtligkeit halber in Essig zergehen sollen / und sich derogestalt zu Artzneyen besser schicken würden / als die Perlen der Abend- und Nordländer / welche sich kaum in marmelnen Mörseln zerstossen liessen. Nachdem nun dergestalt Perlen und Edelgesteine in der Artzney entpehrlich / durch wohlfeilere Mittel ersetzlich / und ihr Mißbrauch zum Wucher / zur Verschwendung /als mit derer Zerbeitzung Clodius und Cleopatra gleichsam[406] Königreiche in einem Löffel verschlungen /zur Hoffart und andern Lastern so dienlich wäre /würde das Cattische Gesetze hoffentlich nicht zu verdammen seyn. Agrippine versetzte: Diß wäre so wenig ihre Meynung gewesen / als es in ihrer Gewalt stünde anderer Völcker Satzungen aufzuheben. Weil die Menschen aber sich nicht scheuetẽ fast täglich die Schickungẽ des Verhängnüsses zu tadeln / würde sie hoffentlich zum ärgsten nicht sündigen / wenn sie das Cattische Gesetze einer übrigen Schärffe beschuldigte. Daher das deutsche Frauenzimmer so grosse Ursache hätte den Richter-Stul der Catten / wie die Römischen Weiber das Rathhaus / zu besetzen / und auf des Cattischen / wie diese auf des Opischen Gesetzes Aufhebung zu dringen. Sintemal ihrem Bedüncken nach die Natur Perlen und Edelgesteine nicht nur zur Artzney / sondern zur Augen-Lust und zum Schmucke des menschlichen Geschlechtes gezeuget hätte. Denn wenn sie auf diß letzte ihr Absehn nicht gehabt / zu was Ende hätte sie Perlen und Edelgesteine so schön und gläntzend gemacht? welche sonst in die ungestaltesten Wurtzeln / in die stachlichsten Kräuter / in die bittersten Rinden die bewährtesten Artzney-Kräfften gesencket / ja durch ein besonder Geheimnüs fast alle Artzneyen widrig und abscheulich gemacht hätte. Solte denn / fieng Erdmuth an / die Natur selbst eine Handlangerin der Uppigkeit seyn / und der Menschen Eitelkeit mit Fleiß gewissen Werckzeug verschaft haben? Agrippine versetzte: Die Natur hätte die Edelgesteine zwar nicht zur Hoffart und Eitelkeit / aber wohl zum Schmucke und zur Zierde / wie die Gestirne und Blumen nicht allein zum Nutzen / sondern auch zur Ergetzligkeit der Menschen so schön gemacht. Erdmuth antwortete lächelnde: Sie wüste von dem Schmucke der Perlen und gläntzenden Steine / welche weder wieder den Frost dienten / noch die Sonnen-Hitze deckten / die anklebende Eitelkeit nicht abzusondern. Ihrem Bedüncken nach solte der Mensch sich mit seiner angebohrnen Schönheit vergnügen /und als das edelste Geschöpfe sie nicht von todten Dingen erborgen. Worinnen ihr der Topaß zum Beyspiel diente / welcher / wie er von Natur gewachsen /am schönsten wäre / vom künstlichen Schleiffen aber seinen Glantz verliere. Das Fleisch der Perlen-Austern aber hätte die Natur Zweifels-frey darumb mit einem so bösen Geschmacke versaltzen / daß den Menschen auch die Lüsternheit nach denen in ein so unflätiges Behältnüß versteckten Perlen vergehen solte. Diesemnach könte sie sich noch nicht überwinden / ihrem väterlichen Gesetze zu böser Folge so schädlichen Abbruch zu thun. Wer eines aufhübe /schwächte alle andere. Denn sie hiengen wie eine Kette an einander / und wäre keines so gut / das nicht etlichen mißfiele; zu ihrer Rechtfertigung aber genung: daß es den meisten beliebte / allen zu Nutz gereichte / und so lange getauert hätte. Erato nahm sich Agrippinens unter dem Vorwande an: daß sie als eine Morgenländerin für den Preiß der Morgenländischen Schätze zu reden schuldig wäre; sagte also: Die Hertzogin Erdmuth käme der Schönheit und der menschlichen Herrschafft über alle andere Dinge in der Welt zu nahe. Die Bäume trügen nicht nur Früchte / sondern auch Blüthen. Also wäre der Mensch in seine Leben sich aller Dinge theils zu seiner Nothdurfft / theils zur Annehmligkeit zu gebrauchen berechtigt. Jeder Sinn hätte was besonders zu seiner Erquickung. Das Gehöre erlustigte sich an Seitenspielẽ /der Geruch an Rosen und Balsamẽ / der Geschmack an niedlichen Speisen / das Fühlen an der Kitzelung. Warumb solte denn dem fürtrefflichsten Sinne / welcher alles erfindet / der mit der Seele die festeste Verbindnüs hat / ja der Königliche Stul der Liebe ist /nemlich dem Gesichte / sich an was schönem zu ergetzen verwehret seyn? Warumb leschet die[407] Natur nicht die rubinenen Flammen des Morgen- und Abend-Sternes / die diamantenen Strahlen der Sonne /den saphirnen Glantz des Himmels aus? warum vertilget sie nicht die Schmaragden auf den Kräutern /die Amethisten auf den Hyacinthen / die Chrysolithen auf den Narcissen / die Granaten auf den Rosen? Adelmunde fiel ein: Meinem Bedüncken nach verwirfft die Cattische Hertzogin nicht das Wohlgefallen an angebohrner / sondern nur die eitele Annehmung geborgter Schönheit. Denn jene ist in der gantzen Welt gerechtfertiget / und würde sie sonst mit der Natur selbst einen Krieg anfangen müssen: daß sie ihre und ihrer wunder-schönen Tochter Catta Lippen so reichlich mit Rubinen / ihre Wangen mit Corallen / ihre Brüste mit Perlen übersämet; ihre Haare mit Chrysolitẽ besetzt / und durch die Sardonyche ihrer Haut so viel Adern aus Türckissen durchflochten / und zwey so schöne Saphire zu Augen jhnen in die Stirne gesetzet habe; welche eben so starck aller Anschauer Hertzen zu sich lockten / als die schmaragdenen Augen des auf des Hermias Grabe stehenden marmelnen Löwens die Meer-Fische verjagt hätten. Die Fürstin Catta begegnete ihr: Erato gäbe zwar eine gute Auslegerin der Meynungen / aber eine böse Mahlerin ab; denn sie heuchelte zu sehr: und schiene es: daß wenn sie die Welt nach ihren Gedancken abbilden solte /der Pinsel ihrer Gewogenheit alle Hecken zu Rosen-Sträuchen / und alle Sand-Körner zu Diamanten machen würde. Agrippine brach ein: Die gütige Erato hätte ein so gutes Auge über die Schönheit; daß niemand ihrem Urtheil widersprechen könte. Aber die Schönheit ersuchte das sä tliche Frauenzimmer wider die Catten zum Beystande: daß sie ihr nicht allen euserlichen Aufputz aberkennen möchten. Prangete doch der Himmel offt mit den Regenbogen / welche gleichsam von eitel Opalen zusammen gesetzet wären; die Erde und das Meer aber den Zeug dazu leihen müßte. Die Sonne überstreute die Wolcken früh mit Granaten / des Mittags mit Carniolen / des Abends mit Rubinen. Das stille Meer schmückte sich mit flüssenden Schmaragden oder Amethysten. Die Brunnen und Flüsse leckten von den Ertzt-Adern ihren Kern ab: daß sie Golde und Perlen sich könten sehen lassen. Die Reben umbhalseten die Ulmen-Bäume mit frembden Blättern zu prangen. Die Tauben spiegelten ihren gleichsam mit Berillen versetzten Hals / die Pfauen ihren Schwantz an den Sonnen-Straalen / der Hirsch wetzte seine Geweihe / der Elefant seine Zähne an den Felsen: daß sie mehr gläntzeten. Warumb solte dem Menschen / welchem als dem Herrn der Welt alles zu Dienste stehet / sich nicht mit allen ihm zu gefallen gewachsenen Schönheiten schmücken? Solte der mehr als perlene Hals der Fürstin Erdmuth und Catta was geringers als Perlen tragen? Solten ihre die Chrysolithen beschämende Haare mit was schlechterm als Edelgesteinen eingeflochten seyn? Und zwischen ihren mit Rubinen gekröneten Brüsten was unwehrters / als Rubinen und Diamanten hencken? Diese haben in Arabien zu der Schale ihres Wachsthums das feineste Gold zu unserm Unterrichte: daß die Schönheit nicht in Kutzen / sondern in Seide und Gold gekleidet / eine Seule aus Porphir auf keinen leinernen Fuß gesetzt / eine grosse Fürstin auf Agat gehen / und auf einem helffenbeinernen Wagen fahren solle. Alles dieses geschiehet aus keiner Eitelkeit /wenn nur der Stand der Menschen nicht vermischet würde; und nicht die / welche sich mit Zeugen aus Ziegen-Haaren vergnügen solten / Sammet und Silber-Stück trügen. Fürnemlich aber wäre Fürsten unanständig / wenn ihre Kleidung sie nicht von dem gemeinen Manne unterscheidete. Sie könten sich durch nichts mehr verächtlich machen / als durch eine so niedrige Sparsamkeit.[408] Westwegen des Lycurgus Gesetze: daß die Reichen und Armen / vornehme und gemeine Bürger einerley Kleider tragen solten / so geschwinde abgethan / als verlacht worden wäre. Hätte doch die Natur den Löwen / den Elefanten und andere fürnehme Thiere auch euserlich mit einer ansehnlichern Gestalt / als die unedlen begabt. Ja Gott selbst verschmähete bey seinem Gottes-Dienste weder Edelgesteine noch andern Schmuck. Bey den Egyptiern hätte so wohl der oberste Priester / als die Richter einen Saphier / als das Bild der Wahrheit / am Halse hencken. Bey den Juden dörffte der Hohe-Priester nicht in das allerheiligste ihres Tempels gehen / ohne einen mit zwölferley Edelgesteinen versetzten Brust-Schild. Wer wolte diß nun als unrecht schelten / oder darinnen Eitelkeit suchen? Eben so wenig ist verda lich / wenn eine edle Frau ihrer Gestalt mit Perlen und Edelgesteinen eine Folge giebt / wie man diesen bey der Einfassung selbsten unterlegt; wenn dieses nur nichts böses zum Zweck hat; sondern sie sich nur dem zu gefallen aufputzet / der sie zu lieben Recht hat /oder eine Fürstin sich bey einem Gepränge für was mehr als eine Bürgerin muß sehen lassen. Die Hertzogin Erdmuth fieng an: Sie müste gestehen: daß Perlen und Edelgesteine an sich selbst untadelhafte Geschöpfe der Natur wären. Aber an diesen schönen Aepfeln klebten zwey giftige Würme / nemlich Geitz und Verschwendung / welche den Kern aller grossen Herrschafften aufgefressen / und die mächtigsten Völcker entkräfftet hätten. Bey allen diesen hätten ausländische Zierligkeiten und Trachten sich anfangs der Fürsten / hernach des Adels / endlich des Pöfels bemächtigt. Kein Verboth / ja keine Armuth wäre mächtig dem Schwall der Kleider-Pracht zu widerstehen; wenn ihr schon nur wenig Lufft gemacht worden. Die Weiber machten Schlüsse: daß wenn die / welche nicht besser / als sie wären / sich mit was neuem herfür thäten; könten ihre Männer ohne Verkleinerung sie nicht geringer halten; solte mancher auch sein halbes Vermögen an einen Stein wagen / der zuweilen nicht so viel Groschen / als sein Vorgänger Talent hat. Zu geschweigen: daß lüsterne Weiber endlich bey frembden Männern zu verdienen lernten / was sie von ihren eigenen nicht zu erbitten getraueten. Erato begegnete ihr: Es wäre schon genung: daß die Fürstin Erdmuth die innerliche Güte der edlen Steine erkennte. Denn bey den Deutschen / derer gute Sitten fast keiner Gesetze bedörfften / wäre keine solche Verunehrung derer nur Fürsten anständiger Dinge zu besorgen. Sie hätte in keinem Lande grösseres Ansehen der Herrscher / und zwischen Adel und Pöfel keinen mercklichern Unterschied wahrgenommen. Bey dem gemeinen Pöfel hätte die Einfalt / bey den Edeln die Bescheidenheit / bey den Gebietern die Unschuld ihre Wohnstadt. Zwar / wenn gar niemand bey den Catten Perlen trüge / würde kein Weib darmit es der andern vorzuthun sich anmassen; aber alle Edlen sich wohl beschweren können: daß / was zu Rom und in Gallien schon der niedrigsten Tracht worden / in Deutschland auch Fürstinnen zu köstlich wäre; gleich als wenn andere Völcker für den tugendhaften Deutschen einen Vorzug hätten. Sie wunderte sich diesemnach / wie zu den Catten ehe ein Gesetze wider übrigen Pracht kommen / ehe der Pracht bey den Deutschen kentbar worden. Sintemal ja sonst die Erkäntnüß der Kranckheit für den Erfindungen der Artzneyen vorher gienge. Erdmuth antwortete: Sie hätte zwey solche Schutz-Frauen der Edelgesteine für sich / daß man sie nur ihrentwegen werth zu halten / die Catten aber ihnen zu Liebe ihr Gesetze aufzuheben Ursache hätten. Wormit auch Agrippine diese ihre Erklärung keiner Heucheley wegen verdächtig halten möchte / wolte sie das hochschätzbare Geschencke der Käyserin Livie von einer so holden Hand danckbar annehmen /[409] und von ihrem Gemahl eine Milterung des Gesetzes erbitten: daß sie diese Perlen zum Andencken einer so freygebigen Fürstin / iedoch zu Vermeidung schädlicher Nachfolgen nur an hohen Feyertagen tragen dörffte. Agrippine vergnügte sich höchst über dieser Entschlüssung /und sagte: Fürsten wären für sich selbst von solchen Gesetzen / welche übrigen Pracht und Kostbarkeit mässigten / ausgeschlossen; wiewohl sie durch nichts bessers / als durch ihr Beyspiel sie in Gebrauch bringen könten. Uberdiß wäre bey den Catten kein einschleichender Mißbrauch und schädliche Nachfolge nicht leicht zu besorgen / weil in Deutschland keine Perlen und Edelgesteine wüchsen / und die Catten keine darmit handelnden Kauffleute in ihr Land liessen. Zirolane fiel Agrippinen ein / und sagte: Sie möchte Deutschland nicht für so arm / und seinen Himmel nicht für so gar ungütig halten. Denn in dem Gebürge / welches die Marsinger von dem Lande der Bojen / ietzt Marckmänner schiede / führten nicht nur unterschiedene Bäche Gold / sondern man finde auch Rubinen / Agathen und Granaten / welche schöner /als die Indianischen wären. Zwey Meilen von der Oder grübe man Diamanten / und bey den Bojen in der Iser finde man grössere Perlen / als Indien zeugte; ungeachtet die deutschen Perlen freylich kein so schönes Wasser / die Diamanten auch nicht so durchdringende Strahlen hätten. Agrippine wunderte sich hierüber / und sagte: Derogestalt wäre Deutschland reicher / als Italien; welches nur auf der Spitze des Berges Vesuvius wenig gespitzte / aber ziemlich schlechte Diamanten aufzulesen hätte. Daher wünschte sie von denen Deutschen wohl einige zu schauen. Zirolane nahm ihre Schnure Perlen vom Halse / und reichte sie Agrippinen mit diesen Worten: Sie könte keine grössere Ehre / und Deutschland kein grösser Glück gemessen / als wenn Agrippine diese geringe Miß-Geburten ihres Vaterlandes nicht verschmähen würde. Agrippine fieng an: Soll ichs für Scherz oder Ernst annehmen: daß diß deutsche Perlen sind. Zirolane antwortete: Diese Perlen sind in der Iser gefischet / und die Diamanten / wormit das Schloß versetzt ist / im Marsingischen Gebiete gegraben. Warlich diese Perlen / sagte Agrippine / sind viel grösser / als sie im rothen Meere / oder im Persischen See-Busem wachsen. Ich erfahre nun auch: daß die Schnure Perlen /welche ein deutscher Handels-Mann nach Rom gebracht / und der zu Rom gewesene Indianische Gesandte als eine grosse Seltzamkeit für seinen König Pirimal umb drey hundert Talent erkauffte / nicht /wie er vorgegeben / das Atlantische Eyland / sondern Deutschland zu ihrer Geburts-Stadt gehabt habe. Adelmunde fiel ein: Die Friesen brächten wohl auch aus denen Atlantischen Eylanden sehr grosse Perlen; und hätte ihr Vater Hertzog Ganasch eine ziemlich lange Schnure von denen dahin Schiffenden zusammen gebracht / derer keine weniger / als hundert und zwantzig Pfeffer-Körner wiege; zwey als Birnen gestallte Perlen aber hätten iede das Gewichte von zwey hundert und zwantzigen. Sie wären aber alle bleyfärbicht. Gleicher Gestalt brächten sie Perlen aus den Caledonischen Eylanden / welche aber denen Atlantischen und Deutschen wiechen. Agrippine versetzte: Vermuthlich würden die zu Rom verkaufften auch Caledonische gewest seyn; denn diese der Fürstin Zirolane wären schöner und grösser / also auch würdiger gewest in Indien geführt zu werden. Sie hätten zwar nicht einen so durchsichtigen Glantz / als die / welche im Persischen See-Buseme / bey Taprobana / und hinter den Serischen Ländern im eusersten Ost-Meere gefangen würden / aber eine ungemeine Rundte / und eine wunder-würdige Grösse. Da hingegen nach dem Berichte des Indianischen[410] Gesandten die von Taprobana zwar die schönsten und rundtesten in der Welt /die grösten aber nur zwölff biß sechszehn / die übrigen Indischen biß viertzig Pfeffer-Körner schwer /und noch darzu gelblicht wären; wiewohl die Araber diese für viel tauerhafter / als die gar weissen hielten. Ob schon diese gelbe Farbe von nichts anderm herrührte; als wenn die Auster in der Muschel zu faulen anfienge / ehe sie von der Sonnen-Hitze sich zu öffnen gezwungen würde. Denn wenn man sie mit Gewalt öffnete / würden die in den Austern wachsende Perlen wie die Eyer in den Hünern meistentheils zersprenget. Adelmunde fiel ein: Bey solcher Beschaffenheit dörffte ich wohl glauben: daß der Indianer aus Werthhaltung / nicht aber das Gespötte damit zu treiben / die nordländischen Perlen gekaufft habe. Diß aber ist mir noch bedencklich: daß er sie so theuer bezahlet / da doch bey so viel Arabischen / Persischen und Indianischen Perlen-Fischereyen / und da in einer Muschel so viel Perlen jung werden / also der Alten Meynung / als wenn die Perle das Hertze der Auster wäre / eben so wohl / als des Mitylenischen Clares /welcher sie für ihre Gebeine hält / falsch ist; ja die Perlen-Muscheln im Meere so häuffig / wie die schwermenden Bienen ziehen sollen / sie überaus wohlfeil seyn müsten. Agrippine antwortete: Sie wäre in diesen irrigen Gedancken auch gewest / biß der Indianische Gesandte sie eines andern versichert / und erzehlet / wie die grossen Perlen meist zwölff Ellen tieff im Meere / dahin unmöglich einiger Thau oder Sonnen-Straal dringen könte / gefischet werden müsten / und drey hundert Fischer-Nachen kaum zwey geschickte Täucher aufbringen könten. Ismene fragte: Ob denn diß wahr wäre: daß denen Perlen-Fischern von den Austern mehrmals Finger und Hände abgezwickt würden? Agrippine antwortete: Davon hätte sie nichts vernommen / schiene auch ein blosses Getichte der Perlenhändler zu seyn / weil die gefischten Muscheln feste verschlossen / und von der Sonnen-Hitze offt kaum den funfzehenden Tag geöffnet würden. Destwegen aber wären die Perlen im Morgenlande nichts desto wohlfeiler; weil die Indianer sie für was hi lisches hielten / und ieden glücklichen Tag mit einer Perle bezeichneten. Massen denn ein Arabischer Fürst eine acht und viertzig Körner wiegende Perle haben solte / welche er seiner durchsichtigen Klarheit halber dem Könige Pirimal nicht für siebentzig Attische Talent hätte überlassen wollen. Weil nun diese nicht kleiner / würde sie eine unverantwortliche Unhöfligkeit begehen / wenn sie die allzu freygebige Fürstin Zirolane / welche eine Zins-Frau über alle Perlen zu seyn verdiente / eines so auserlesenen Schatzes verlustig machen solte. Sie vergnügte sich aber an derselben Anschauung und der von Deutschlandes Schätzen ertheilten Nachricht; wiewohl sie mit denen Indianern auf weisse Perlen / weisse Diamanten / weisses Brodt / und weisses Frauenzimmer viel hielte. Zirolane aber weigerte sich ihr Halsband zurück zu nehmen / mit dem Beysatze: daß sie die verweigerte Annehmung für nichts anders / als ein nachtheiliges Urthel über der Deutschen allzu schlechte Schätze auslegen könte. Agrippine antwortete: So wolte sie denn lieber unhöflich als unrecht oder verdächtig seyn / auch mehr für Ehre als eine Bürde schätzen: daß sie einer so vollkommenen Fürstin Schuldnerin bliebe. Thußnelde fiel ein: Für was würde nun sie sich erkennen müssen; nachdem Agrippinens unschätzbares Diamanten-Geschencke / gegen welchen die Deutschen nur Glas oder Cristall zu seyn schienen / alle Ausgleichung überstiege. Agrippine versetzte: Wenn die Diamanten gleich noch hundert mal so groß wären / würde Thußneldens Freundschafft schon eine überwichtige Vergeltung seyn. Livia hätte destwegen durch diese Art Steine sich in Thußneldens Gewogenheit einlieben wollen / weil die[411] Diamanten ein so fürtrefliches Sinn-Bild zweyer verknüpfter Hertzen abgäben. Sintemal diese / wenn sie lange zusammen gerieben würden / an einander unzertrennlich kleben blieben. Sonst aber wären nicht nur die Deutschen / sondern auch die Indianischen Diamanten den Crystallen ähnlich / als welche alle aus einer Crystallenen Feuchtigkeit gezeuget würden. Diese Deutschen müsten auch eine ziemliche reine Mutter haben / dahingegen nicht nur die Mohrischen / sondern auch / welche in dem Desorenischen Theile Indiens / wo doch an einem Orte über sechzig tausend Menschen stets diese Steine suchten / und derer nicht wenig hundert und sechzig Pfeffer-Körner schwer anträfen / gegraben würden / nach dem Unterschiede ihres Erdbodens /röthlicht / gelblicht / grünlicht aussähen / und wo es sümpficht wäre / aufs schwartze stächen. Welche Mängel die Indianer des Nachts / oder unter dem dicken Schatten eines grünen Baumes viel genauer / als andere Völcker beym hellen Tagelicht zu erkiesen wüsten. Thußnelde fiel ein: so solte sie der Größe nach / denen empfangenen Diamanten dis Vaterland zueignen / wenn ihre allzu schöne Farbe es nicht zweifelhafft machte. Agrippine antwortete: des Indianischen Gesandten Berichte nach / welcher aus denen Desarenischen / Mambarischen Gruben / wie auch von denen daselbst in einem flüßenden Wasser gefundenen spitzigen Diamanten einen ziemlichen Vorrath der Käyserin überbracht hätte / solten diese auf Jamboli der grösten Insel der Welt aus einem Flusse gelesen worden seyn. Die Fürstin Ismene fragte hierauf: So würde sie ihr aus dem Grunde sagen köñen: Ob die gemeine Sage wahr sey: daß in der Welt keine grössere Diamanten / als Haselnüsse wären / gefunden würden? Agrippine antwortete: Livie hätte selbst einige grössere; Und der Gesandte hatte von seinem Könige versichert; daß er in seinem Schatze einen Diamant in Gestalt eines halben Eyes besäße / welcher roh dreytausend sechshundert Pfefferkörner gewogen hätte / und nun derselben neunhundert und achtzehn wiege. Thußnelde / die inzwischen aus einem Schrancken etliche Kleinode gezogen hatte / fiel ein: dieses wäre sonder Zweifel der König aller Diamanten in der Welt / ungeachtet derer in so viel Orten gefunden würden. Jedoch hätte Deutschland noch eben so wol /wie Persien seine Türckisse / was besonders zu zeigen / was weder in Indien / noch einig ander Land besäße. Hiermit reichte sie Agrippinen ein Halsband von Opalen / welche nur bey den Quaden zwischen dem Flusse Cusus und Grauna gefunden würden. Agrippine sahe sie verwundernd an / und betheuerte: daß sie in Rom nicht zehn Stücke Opalen / welche diesen aber nicht das Wasser reichten / gesehen hätte. Ihre Seltzamkeit wäre aus des Nonius Hartnäckigkeit /welcher lieber sein Vaterland / als einen Opal hätte entpehren wollen; und daher / daß zu Rom eben so wol der Opalen / als Schmaragde Vaterland unbekandt wäre; ihre Schönheit aber daraus zu urtheilen: daß in selbigem des Rubins Feuer / des Amethystes Purper / des Schmaragdes grünes Meer vereinbaret wäre. Thußnelde bat hierauf Agrippinen: sie möchte diese geringen Steine nicht verschmähen zu behalten /wormit zu Rom hierdurch ihr zweifelhafftes Vaterland entdecket werden möchte. Agrippine fieng an: Ich sehe wol: daß die Natur Deutschland mit Perlen / Rubinen / Granaten / Opalen / Diamanten und Agstein zu bereichern allzu grosse Ursache gehabt; weil die Freygebigkeit in seiner Einwohner Hertzen zu Hause ist; und sie sich niemanden durch Wolchaten überwinden lassen wollen. Ich wil dieses unschätzbare Kleinod zwar annehmen / aber nicht für mich / sondern für die Käyserin; welche zweifelsfrey solche einem Heiligthume wiedmen wird; weil sie durch ihre immerthauende Regenbogen genungsam ihre himmlische Verwandnüs[412] erhärteten; und also dazu würdiger /als die so genennten Ammons-Hörner wären. Thußnelde aber bat: Agrippine möchte ihre Höfligkeit aus so schlechten Sachen / welche in Deutschland nur Katzen-Augen hießen / nichts so grosses machen; sondern selbte mit denen im Flusse Achelous befindlichen Milch-Steinen bedecken / welche die Vergessenheit würcken solten.

Inzwischen / als das Frauenzimmer durch diese und andere annehmliche Unterredungen die Zeit verkürtzte / gab der Feldherr und Hertzog Arpus dem Sentius Saturninus Gehöre / welcher zum ersten beym Fürsten Flavius abgetreten war / und im Nahmen des Tiberius ihm mit hundert versprochenen güldenen Bergen geliebkoset hatte. Sein Anbringen bestand in grossen Freundschaffts-Versicherungen des Tiberius / welcher zugleich alle anwesende Fürsten und Grossen zu denen Käyserlichen Spielen nach Meynz einladen ließ. Beym Schlusse seines andern Vortrags lenckte Saturnin auf seinen Eydam den Hertzog Segesthes ab; und bat: daß weder der Feldherr seiner Widersetzligkeit halbẽ gegẽ Thußneldes Heyrat / noch auch die sämtlichen Fürsten deswegen / daß er zum andern mal die Waffen wider die Deutschen geführet / auf einige folgende Rache gegen ihn sinnen möchten. Wenn zwischen zweyen Nachbarn sich ein Krieg entzündete; wäre nichts gefährlichers / als auf zwey Achseln tragen; nichts schwerers / als sich auf die rechte Seite schlagen. Denn der Ausschlag des Krieges wäre ungewiß / der Sieger aber behielte allemal Recht. Segesthes hätte zwar seiner Geburt halber Ursache gehabt /die deutsche Seite zu erkiesen; die von den Römern empfangenen Wolthaten aber hätten bey ihm / wie bey allen edlen Gemüthern das Gewichte bekommen. Da nun Segesthes bey seiner Wahl etwas versehen hätte /müste er wol ein Theil der Schuld auf seine eigene /und ein Theil auf seiner Gemahlin Sentia Achseln schieben. Sie selbst wären klug genung zu urtheilen /was eine beliebte Frau über ihres Eheherrn Gemüthe für einen aufgehenden Stern hätte. Der Feldherr und Arpus entschuldigten unter dem Vorwand wichtiger Reichs-Geschäffte ihre Dahinkunfft; entweder weil sie für eine allzu gefährliche Verträuligkeit hielten / sich als die Häupter Deutschlandes in die Hände eines unversöhnten Feindes zu trauen; oder weil die Zusammenkunfften der Fürsten / da jeder den andern an Pracht und Klugheit zu übertreffen bemühet ist; beyderseits Hofeleute auf alle Worte und Tritte hundert Augen aufsperren / und selbige nach ihren Gemüths-Regungen ausdeuten / ins gemein neue Zwytracht und so viel Unglück / als die Näherung des Monden und der Sonne Finsternüs würcken. Jedoch vertrösteten sie den Saturnin: daß unterschiedene Fürsten ihre Stelle vertreten / und den Tiberius der Deutschen Aufrichtigkeit versichern würden. Wegen Segesthens erklärete sich der Feldherr: Er hätte an seiner Tochter Thußnelde so viel gutes empfangen: daß er ihr zu Liebe alles empfangene Unrecht vergessen würde; weñ er sie schon nicht dem gemeinen Wesen zum besten eben so / wie die / welche er dem Vaterlande angethan / durch den Frieden-Schluß ausgetilgt hätte. Hertzog Arpus aber erklärte sich hierüber derogestalt: die Deutschen hielten es für ehrlicher / einen beleidigen / als hassen; daher wären sie gewohnt bey ihren Versöhnungen allen Zunder der Rachgier auszuleschen / nicht aber unter der Asche der Freundligkeit nur zu verbergen. Bey solcher Bewandnüs möchte Segesthes glauben: daß alle seine Vergehungen nicht nur in ihren Hertzen / sondern auch in ihrem Gedächtnüsse verlescht wären. Jedoch würde Saturnin ihnen nicht zumuthen können eine Schlange im Buseme zu nähren; also Segesthen seiner eigenen Wolfahrt halber verwarnigen: daß er der Deutschen Langmuth[413] und das Rad des Glückes an einer Schnure zu haben ihm nicht solte träumen lassen. Sintemal dieses ohne einen Schritt weiter zu thun sich auf der Ferse umbzuwenden / mehrmals mißbrauchte Gütigkeit aber in eine unversöhnliche Raserey / wie die erzürneten Tauben in erboste Raubvögel zu verwandeln gewohnt wäre. Saturnin erklärete sich hierauf: der Stein des Anstossens wäre mit der Römischen Feindschaft aus dem Wege geräumet / und würde Segesthes hinfort nicht nur ein treuer Sohn des Vaterlandes / sondern auch ein Werckzeug seyn der Deutschen Verträuligkeit mit den Römern immer mehr zu vergrössern / derer Treue und Aufrichtigkeit er Zeither von Grund aus erkennen zu lernen mehr als jemand anders Gelegenheit gehabt hätte. Weil nun Saturnin zugleich berichtete: daß Segesthes unweit von der Stadt des Feldherrn und des Hertzog Arpus Erlaubnüs erwartete sich mit ihnen zu ersehen / schickte der Feldherr den Grafen von Barby ihn einzuholen. Es gieng wenig über eine Stunde vorbey: daß Segesthes sich nur mit sieben Casuariern einfand. Denn ob er zwar noch für unterschriebenem Frieden von den Catten nach Meynz geliefert worden war / entschlug er sich nunmehr mit allem Fleisse aller Römischen Begleitung. Der Feldherr empfieng ihn mit der allerfreundlichsten / Arpus aber mit etwas ernsterer Gebehrdung. Segesthes mühete sich zwar seinen innerlichen Kummer mit euserlicher Freundligkeit zu verhüllen / aber seine Bangigkeit ward durch unterschiedene Seufzer / verbrochene Worte und Enderung der Farbe verrathen. Denn weil das Gewissen zugleich Ankläger / Zeuge und Richter ist / entfället auch dem Verwegensten der Muth sein Gerichte mit unverwendeten Augen auszutauern. Daher sticht die Unruh eines ihm übel bewusten Gemüthes / wie der Eßig in dem süssesten Weine / und die Schwärtze durch den weissesten Gips für. Sein Vortrag war kurtz; jedoch konte er seine Fehler / wie die Verwundeten ihre Schäden / nicht gantz unberührt lassen /ungeachtet weder eines noch das andere ohne Empfindligkeit geschicht. Denn wie die Verstellung allzu sehr verrathener Beleidigung den Argwohn ärgster Rache nach sich zeucht; also hat es einen Schein ärgster Hartnäckigkeit / wenn einer sein offenbares Laster mit gar nichts entschuldigt. Seine Vertheidigung aber bestand in der allgemeinen; da nemlich die / welche ihre Verbrechen sonst niemanden auf den Hals zu schütten wissen / sie durch ein neues Laster dem Verhängnüsse zumäßen; gleich als der Himmel gut genung wäre an seine Reinigkeit unsere Schandflecken zu wischen / und seinen Sternen nur Gestalten giftiger Thiere einpregen zu lassen. Er erwehnte selbst die nachdrücklichen Warnigungen beyder ihn hörenden Hertzoge; aber / sagte er / bey dem / welcher zu einem gewissen Unglücke versehen wäre / verfiengen keine gute Rathschläge. Kein Mensch hätte noch die Staffel dieser Vollko enheit erreicht: daß er sich / oder jemand andern aus dem Nothzwange seines Verhängnüsses hätte befreyen können. Diesemnach wäre alle Behutsamkeit vergebens / alle Versehung umbsonst. Deñ der Mensch rennte mit sehenden Augen in sein Unglück / wie die Schafe ins Feuer. Uberdis verfiele man bey so grossen Zufällen und Veränderungen auf so viel Scheidewege: daß der Allervorsichtigste nicht allemal den rechten treffen könte / sondern in dem verwirrten Spiele der Welt wider Willen zuweilen den Blinden abgeben / und denen Sehenden sich zum Gelächter machen müste. Nunmehr aber hätte er Gott zu dancken: daß mit dem ausgekläreten Zustande Deutschlandes er sein gantz Gemüthe umbgedrehet zu seyn fühlete / und seine bisherige Unfälle ihm allererst die Augen aufgesperret hätten den Angelstern seines Glückes nirgends anders / als gegen Nord zu suchen / und die Deichsel seines Fürhabens nicht anders wohin zu kehren /[414] als wohin ihm so wol das Glücke /als die Liebe des Vaterlandes selbst den Weg wiese. Hertzog Arpus kam mit allem Fleiß dem Feldherrn /welcher Segesthen mehr Ehrerbietigkeit zu erweisen Ursache hatte / zuvor / und antwortete: Wenn eine zerfallene Freundschafft nur aufrichtig ergäntzet würde / kriegte sie wie die zerbrochenen und wolgeheilten Beine mehr Stärcke; also / daß beyde hernach ehe anderwerts / als an dem beschädigten Orte brechen würden. In diesem Vertrauen nehmen sie ihn zum Freunde so willig auf / so behertzt sie und das Glücke / ja der seine eigene Kinder zur Rache wafnende Himmel ihn verfolgt hätten. Sein / und tausend andere Beyspiele erhärteten: daß noch niemand den Degen wider sein Vaterland gezückt / den er ihm nicht selbst durch die Hand gestochen. Mehr wäre Segesthen nicht zu sagen. Denn er würde zweifelsfrey schon in sich gegangen seyn / und ihm selbst mehr eingehalten haben / als einem zukäme / der die Feindschafft / wie sie / schon abgelegt / oder vielmehr vergessen hätten. Eines aber könte er mit Ehren und Gewissen nicht unterlassen / nemlich ihn bey der Liebe seines Vaterlandes und seiner ruhmwürdigsten Kinder / welche keine Wildigkeit auch den Thieren abzulegen verstattete / zu beschweren: Er möchte nicht einem Weibe zueignen / was er / vermöge des in sein eigen Hertz geschriebenen Gesetzes der Natur / denen erstern beyden schuldig wäre. Die Entfrembdung dieser Liebe wäre zuweilen des Vaterlandes Fall- aber allemal des von seiner Pflicht absetzenden Leichen-Brett. Die Römer / welche ihr eigenes Vaterland Alba eingeäschert / und mehrmals Rom zu verlassen vorgehabt hätten / liebkoseten zwar eine Zeitlang denen / welche sich zu Werckzeugen frembder Dienstbarkeit gebrauchen ließen / aber diese wären ihnen hernach bis zu ihrem Untergange ein Dorn in Augen: Niemand hätte mit grösserm Eiver als Masanissa seinem Vaterlande das Seil an die Hörner binden helffen; gleichwol hätte sein Enckel Jugurtha nackend in einem stinckendem Gefängnüsse ersticken und erhungern müssen. Die Heduer trügen nun / aber wol verdient / ein zweyfaches Joch / weil sie im Anfange untergebückt: daß Julius die Last den andern Galliern aufbürden können. Nichts sicheres aber könte Segesthes thun / als wenn er durch anderer Augen in sich selbst sähe. Solte Rom die Catten und Cherusker zu Knechten machen; so würden die Chassuarier und Dulgibiner nicht Zeit haben nach der Freyheit sich umbzusehen. Würden sie aber für einen Mann beysammen stehen / so hätten sie sich auf den gemachten Frieden / oder auch auf allen Fall auf ihre Kräfften zu verlassen. Kein Riese wäre so starck / daß er einem Pferde einen gantzen Schwantz ausrisse / oder ein Gebund Pfeile zerbräche; eintzelweise aber wäre es auch Zwergen nicht zu schwer. Kein Feind hätte den Deutschen noch was abgejagt / wenn sie nicht ihre Zwytracht zum Vortheil voraus gehabt: Und die Römer hätten lernen klein zugeben / so bald nur drey oder vier deutsche Fürsten wären unter einen Hutt gebracht worden. Daher Segesthes weder aus Hoffnung / noch aus Furcht von den Deutschen mehr abzusetzen und zu den Römern sich zu schlagen Ursach haben würde / wenn sie nicht glauben solten: daß er entweder aus keinem deutschen Geschlechte entsprossen sey / oder sein gantz Geblüte sich in Galle verwandelt hätte. Sie trauten ihm aber nunmehr nach dem Erkäntnüsse dessen / was das Verhängnüs und das Vaterland von ihm forderte / so viel Freundschafft als Klugheit zu: daß er allen andern Fürsten in Deutschland ein Vorbild unabtrennlicher Treue abgeben würde. Nicht nur alle Chassuarier und Dulgibiner würden mit ihm in den deutschen Bund treten; sondern auch die Alemänner / Longobarden und Marckmänner nach sich ziehen. Daher hätte er und alle Fürsten ins künfftig wol grosser Vorsicht von nöthen. Deñ[415] es wäre mit ihnen wie mit den Ziffern /eine eines stünde offt für tausend; und ein einiger von ihnen begangener Irrthum gebiere ihrer unzehlich bey gantzen Völckern. Die Anfälligkeit aber des Bösen wäre ärger / als das böse selbst. Segesthes / welcher wol verstund: daß wenn Stahl und Stein zusammen kämen / Feuer geschlagen würde / und also klein zuzugeben von nöthen hatte / antwortete: Wie er nicht zweifelte / daß von denen beygelegten Mißhelligkeiten keine Narbe eines beschuldigenden Gedächtnüsses übrig blieben sey; also würde seine künftige Bezeigung darthun: daß er nichts von seinem alten Mißtrauen in seinem Hertzen behalten habe / sondern die Wolfahrt des Vaterlandes sein oberstes Gesätze / und dessen Liebe seine Richtschnur seyn würde. Hierauf umbarmte der Feldherr und Arpus Segesthen / jener händigte ihm auch den in der Schlacht verlohrnen Degen wieder ein / mit dem Beysatze: Wenn er diesen Degen nicht wieder verlieren wolte / solte er ihn nie wider sein Vaterland zücken / wider desselbten Feinde nie zu feste stecken haben. Segesthes bedanckte sich zwar hierfür / nam aber selbten und zerbrach ihn in kleine Stücke / darbey meldende: dieser Degen wäre so befleckt / daß sein Widerschein ihn allezeit schamroth machen würde; daher solte er nicht mehr an seine Seite kommen. Nach diesem kam auf ein gegebenes Zeichen Fürst Siegesmund in das Zimmer /fiel für Segesthen auf das eine Knie nieder / und bat: Er möchte ihm zu Gnaden wenden: daß nicht so wol sein Wille / als Unglück ihn verleitet hätte wider das erste Gesetze der Natur zu sündigen / nemlich ein Werckzeug zu seines Vatern Gefangenschafft zu seyn. Im Kriege würden nicht nur die Augen / sondern auch die Vernunfft verbländet; und denen Rechten der Natur der Mund gestopft. Nichts destoweniger wäre sein Gewissen viel zu zart sich aller Straffe zu entziehen; wenn nicht die Gütigkeit seines Vatern vorher sein Verbrechen ausleschte. Sintemal auch der seinen Vater Cajus unwissentlich tödtende Oedipus seine Unvorsichtigkeit nicht gelinder / als mit Ausreissung seiner Augen gestrafft hätte. Segesthes konte nicht anders thun / als seinen Sohn aufheben / und ihm zu sagen: Er erkennete hierinnen die Schickung des gerechten Verhängnüsses; welches mehr als sein Sohn die Waffen wider ihn geschärffet hätte. Diesem hätte er zu dancken: daß / was er als Vater dem Vaterlande leides gethan / der Sohn durch seine Treue zugleich gut gemacht hätte. Irrthum könte kein Werck verschlimmern / wo der Vorsatz wol angezielet gewest wäre. Keiner aber könte besser seyn / als der für des Vaterlandes Heil angesehen wäre. Diesemnach müste er gestehen: daß der Sohn rühmlicher geirret / als der Vater sein Absehn verfolgt hätte. Und wenn Siegesmund diesen Fußstapffen nachgehen würde / könten auch seine Fehltritte nicht getadelt werden. Ingviomer / Flavius / Jubil / Catumer / und andere Grossen / bey denen Sentius Saturninus inzwischen im Nahmen des Tiberius grosse Freundschaffts-Bezeugungen abgelegt hatte / traten hiermit in das Zimmer / und unterbrachen durch ihre freundliche Begegnungen zwischen Segesthen und Siegesmunden zu beyder Vergnügung die empfindlichste Unterredung; da den Sohn seine kindliche Gemüths-Regung / den Vater das Gedächtnüs seiner Fehler schamroth machte. Fürnemlich aber nam dieser Siegismunds Entschuldigung wider desselben Meinung für eine Beschuldigung auf; da denn nichts gewöhnlicher / als daß man sich dis am meisten zu hören schämet / bey dessen Vollziehung wir uns nicht einmal gefärbet / oder ein Bedencken gemacht haben. Sentius Saturninus erinnerte hiermit: daß Segesthen der versprochene Reichs-Schluß / in welchem alle wider Segesthen vorhin gemachte Schlüsse abgethan werden solten / ausgehändiget wer den möchte. Worauf der Feldherr auch den Aufsatz[416] zur Stelle zu bringen befahl / und mit seiner Unterschrifft denen andern Fürsten vorgieng. Als es aber an Hertzog Jubiln kam / hielt er mit seiner Feder eine geraume Zeit inne. Wie nun der Feldherr dessen Ursache erkundigte / gab dieser schlaue Fürst zur Antwort: Er könte sich sobald nicht auf seinen ihm entfallenen Nahmen besinnen. Hierüber entstand zwar ein ziemlich Gelächter / aber Segesthes empfand dis als die spitzigste Stachel-Rede im innersten seines Hertzens; gleich als wenn dieser scharfsinnige Fürst allen deutschen Fürsten unvermerckt verwiese: daß sie bey Ausfertigung dieses der Deutschen Freyheit nachtheiligen Schlusses außer acht gelassen hätten / wer sie Zeither gewest wären. Gleichwol aber ward er von allen unterschrieben / und Segesthen ausgehändigt. Der Feldherr stellte hierauf Befehl die Taffel zu bereiten / und verfügte sich mit allen Anwesenden in Thußneldens Zimmer. Wie mächtig diese Fürstin nun ihrer war / so überfielen sie doch bey dem Anblicke ihres Vaters und des Sentius Saturnus zwey so ungleiche Gemüths-Regungen: daß man ihre Verwirrung ihr an Gesichte und Gebehrden ansah. Ob nun zwar die heftigste vom Saturnin herrührte / als welcher mit Vermählung seiner Tochter Sentia an Segesthen / zwischen Thußnelden und ihres Vaters Hertzen eine ewige Trennung gestifftet hatte; so verhüllete sie doch diese empfindliche Schwachheit unter die lobwürdigen Freuden-Thränen / mit denen sie die geküssete Hand Segesthens als mit einem reichen Thaue überschüttete. Sie selbst bat sehr beweglich: Segesthes möchte diese für einen Zoll ihrer Treue und Ergetzung über seiner so annehmlichen Umbarmung anzunehmen würdigen. Ihr Hertze wäre Zeit seiner währenden Entfernung von Traurigkeit / wie die Erde des Winters vom Froste verschlossen gewest. Nunmehr aber öfnete es sich von seiner annehmlichen Gegenwart /wie diese im Frühlinge von den Strahlen der Sonne. Ihre Augen stießen so viel Zähren / als einen Schweiß ihrer angefeuerten / oder als einen flüßenden Zeug ihrer von Liebe und Treu schmeltzenden Seele herfür. Segesthen giengen gleichfals die Augen über / und sagte er: seine Vergnügung ließe sich gleichfals nachdrücklicher mit saltzichten Thränen / als flüchtigen Worten ausdrücken; Weil er seine liebste Tochter /die vollkommene Freude seines Hertzens / nun nicht allein als eine Gemahlin des ruhmwürdigsten Feldherrn / sondern als eine fruchtbare Wurtzel des Cheruskischen Hauses umbhalsen könte. Ja wenn beydes nicht genung wäre ihn mit einem Ubermaße der Freuden zu überschütten / so käme noch darzu: daß er sie nicht rechter seine Tochter / als seine Erlöserin nennen müste. Denn ihr Beyspiel hätte an ihr wahr gemacht: daß kein Gefängnüs so feste verriegelt / keine Kette so hart gestählet seyn könte / welche nicht die Liebe auf- oder zu zersprengen wüste. Bisher hätte er ihm eingebildet: daß seine Sehnsucht alle andere Regungen überwachsen hätte; Nunmehr aber verkleinerte sie seine Vergnügung über ihrer Wieder-Erlangung / und zernichtete den gemeinen Irrthum: daß der Genüß eines Dinges nicht so süsse / als das Verlangen darnach wäre. Thußnelde holete hierüber einen tieffen Seufzer / und sagte: Wolte GOtt! daß diesen Genüß niemals mehr durch einigen Eckel vergället werde; und daß die Liebe in Vereinbarung der Gemüther nicht schwächer seyn möge / als er ihr in Zerbrechung der Ketten und Kerker zugeeignet hätte. Segesthes umbarmete sie / und antwortete: sie solte dieses für ein ungezweifeltes Kennzeichen seiner unzertrennlichen Liebe annehmen; welche / weil das Wesen ihrer Seelen einander nicht selbst umbarmen könte /sich mit Umbfassung ihres Behältnüsses vergnügen müste. Wie die Sonne keine Strahlen von sich liesse /welche sich nicht mit andern Gestirnen / unserm Gesichte / Edelgesteinen und andern[417] Geschöpffen vermählten; Wie das Meer keinen Tropffen Wasser verwendete / ohne selbtes mit der Erde oder Lufft zu vermischen; also könte auch ihrer beyder so reine Liebe nicht ohne Vereinbarung der Seelen sich auslassen. Sonst würde auch die vollkommenste eine Bewegung ohne Ziel / eine Reise ohne Ruh / und eine Verirrung ohne Ende seyn. Weil nun nichts leichters ist / als sich der Leichtgläubigkeit eines uns liebenden Hertzens mißbrauchen; ungeachtet nichts niedrigers und schwärtzers zu finden; wurden Thußnelde und der Feldherr durch so bewegliche Betheuerungen unschwer beredet: daß in Segesthens Seele weniger Falschheit / als in einem offtmals gereinigten Magen Galle übrig blieben seyn könte. Also verneuerten sich ihre Umbarmungen; und / weil eines Herrschers holdes Auge die erste Bewegung aller anderer Liebkosungen ist / war niemand nicht in gegenwärtiger Versammlung / welcher nicht dem andern mit Ehrerbietung überlegen zu seyn sich bemühte. Inzwischen ward die Taffel in dem nechsten Saale bereitet; bey welcher die deutschen Fürsten ihre Verträuligkeit durch Ausleerung nicht weniger mit köstlichem Rheinweine gefüllter Hörner und Gläser verneuerten; als wormit sie zugleich ihre Hertzen so viel aufrichtiger auszuschütten / und ihre Freundschaffts-Schlüsse am festesten zu versiegeln vermeinen. Unterdessen befunden sich doch unter allem diesem Gepränge scheinbarer Verträuligkeit nicht alle vergnügt. Segesthen reitzete der Dorn seiner Schande und der Verdruß über dem Genüsse so vieler unverdienter Gewogenheiten zu einer heimlichen Rache. Sintemal die menschlichen Gemüther nichts säuerer ankommt / als die Beleidigten zu lieben und mehr Wolthaten zu Danck annehmen / als man verdienet. Ismene seufzete / wenn schon andere Ursachen ihrem Munde das Lachen abnöthigten / nach ihrem abwesenden Zeno; konte sich also nicht überwinden den doch mit so viel Sieges-Kräntzen ansehnlichen Fürsten Catumer für was bessers / als für einen Bräutigam ihrer Unruhe /und für eine Schiffbruchs-Klippe ihrer Glückseeligkeit anzuschauen. Catumer hingegen hatte stets / jedoch Wechsels-Weise / ein Auge des Antlitzes oder des Gemüthes auf die Chaucische Fürstin Adelmunde; gleich als diese zwey einander / wie die ihre Eyer durch bloßes Anschauen ausbrütenden Straußen / ablösen müsten / umb ihre Vergnügung reif zu machen. Fürst Siegesmund war zwar von Zirolanen zu einer stillschweigenden Anbetung gebracht worden; alleine seine Augen bemühten sich so viel arbeitsamer zu seyn. Unter allen aber schätzte sich Flavius noch für den glückseeligsten. Denn ob ihn sein Glücks-Stern zwar nicht so hoch erhöhete; daß er sich in den Augen der Königin Erato eine Soñe zu seyn unterstehen dorfte; meinte er doch in der Abwesenheit des Fürsten Zeno die Stelle des Monden zu vertreten berechtiget zu seyn. Ihr Hertze hingegen war mit so viel Zweifels-Knoten umbflochten; sonderlich nach der letztern Schlangen-Wahrsagung: daß weder ihre Vernunfft /noch ihre Neigungen sich aus der Liebe des Zeno und Flavius auszuwickeln wusten. Der Tag gieng mit der Taffel und tausend aufwallenden Gemüths-Regungen zur Neige. Nach dem sie aber aufgehoben war; bediente sich Flavius des Vortheils oder vielmehr der Freyheit / welcher der Wein ins gemein den Zügel was reichlicher enthengt / die Königin Erato in Thußneldens Zimmer zu begleiten / und ihr zu sagen: Allerschönste Königin; nunmehr hat der Himmel uns alle Pforten der Glückseeligkeit aufgesperret. In ihrer Willkühr bestehet es nun entweder Armeniens Königin durch Hülffe der mir geneigten Römer / und mit mir eine Fürstin Deutschlands zu seyn; oder mich in äuserste Verzweifelung zu stürtzen. Das Verhängnüß redet mir das Wort; der mit meiner Schwester vergnügte Zeno hat mir mit Fleiß[418] die Stelle geräumet; Ist es nun nicht rathsamer mit mir die selbstständige Liebe zu umbarmen / als mit denen an dem abspenstigen Zeno hangenden Gedancken ihrem Schatten und eigenem Unvergnügen nachrennen? Erato seufzete und antwortete: Großmüthiger Flavius / es ist mir so schwer Armenien / als ihm seine Königin zu besitzen; Und mir so unmöglich des Zeno als meiner zu vergessen. Auch scheinet mir unglaublich: daß Flavius sich mit einer Seele unauflößlich verbinden könne; welche sich ihn so leichte von ihrer andern Helffte hat trennen lassen. Darumb mäßige Flavius sein Verlangen von der / die ihm so wol wil / ein mehrers zu begehren /als sie ihm zu gewehren mächtig / und ihm anzunehmen gut ist. Liebet er mich aber / wie er vorgiebt / so schone er meiner / und mühe sich nicht meine Pflicht zu einer Dienst-Magd meiner Schwachheit zu machen. Er ist vernünftiger als ich / darumb stehet ihm vielmehr zu mein Hertze wider sich selbst zu verhärten / damit mich die Tugend nicht verlasse / umb seinen Versuchungen zu folgen / und mich nach den Eitelkeiten des verschmäheten Armeniens lüstern zu machen. Die Ankunfft einer Person in das Zimmer oder vielmehr seine eigene Verwirrung hinderte den Flavius nicht allein in einem Gegen-Satze; sondern verstörete ihm auch durch tausenderley Auslegungen ihrer Worte seine gantze Nachtruh. Gleichwol aber heuchelte er seiner Begierde so weit: daß er die Königin Erato zu erlangen nicht mehr für unmöglich hielt; wenn er ihr nur mit sich den Besitzthum Armeniens zubrächte. Die Grund-Steine dieser Einbildung waren: daß niemand mehr nach Kron und Zepter seuftze / als der sie aus Einfalt verschmähet hat; und daß die erste Regung der Eyversucht / damit sich Erato schon vorher gegen dem Fürsten Zeno loßgegeben hatte / der vergehenden Liebe letztes Athem-holen sey.

Folgenden Morgen unterließen Agrippine und Saturninus nicht ihre Einladung zu dem Käyser zu Ehren angestellten Feyer aufs beweglichste zu wiederholen. Wormit auch ihnen ihre Einladung so viel mehr ein Ernst zu seyn schiene / theilten sie im Nahmen des Tiberius / an statt der sonst gewöhnlichen beinernenhöltzernen- oder ertztenen / zierliche Gast-Zeichen aus Golde allen Fürstlichen und andern hohen Personen aus; welche man in zwey gleiche Theile von sammen schüben oder schrauben konte. Worvon der eingeladene Gast die eine / der Wirth die andere Helffte zum Merckmale des eingegangenen Gastrechtes zu behalten pflegte. Auf dem / welches der Feldherr Hermann bekam / war auf dem einen Theile Pylades / auf dem andern Orestes künstlich geschmeltzt. Thußnelde bekam eines / darauf Telemachus Minerven bewirthete. Auf Ingviomers stand das vom Menelaus dem Telemachus und Pisistratus gegebene Mahl. Auf dem der Königin Erato war geetzt; wie die gutthätige Calypso den scheuternden Ulysses bewillko te. Ja jedes dieser kostbaren Gast-Pfänder hatte was nachdenckliches auf sich. Uberdis lieferte Agrippina im Nahmen des Germanicus dem Feldherrn eine güldene rundte Platte ein / umb welche alle Schutz-Götter der Gäste / nemlich Jupiter mit den Donner-Keilen / Venus / Minerva / Apollo / Castor /Pollux / die Hauß- und Strassen-Götter gebildet waren. In der Mitte aber stand die schärfste Betheuerung und Flüche / da denen Eingeladenen das wenigste Leid geschehen solte. Zwischen diesem Eyde war überdis durch Schmeltz aufs zierlichste ausgedrückt /wie Jupiter den ihm von dem Menschen-Fleische seiner erwürgten Gäste zu Essen-gebenden Lycaon in einen Wolff verwandelt. Weil der Feldherr keinen Schein einigen Mißtrauens von sich blicken / noch auch von den Deutschen urtheilen lassen wolte; daß ihre Gramhaftigkeit der Römischen Höfligkeit nicht würdig wäre; gab er selbst Anlaß: daß seine Gemahlin Thußnelde / Erato /[419] Catta / Ismene / Zirolane / Adelmunde / Hertzog Flavius / Ingviomer / Catumer /Siegesmund / Marcomir / Sesitach / Sebald / Reinold / Arnold / und viel andere deutschen Helden nach Meyntz reiseten / denen Käyserlichen Ritter-Spielen beyzuwohnen. Tiberius hatte inzwischen an Pracht und anderer nöthigen Anstalt nichts vergessen / was so wol zu würdiger Bewillkommung so vornehmer Fürsten / als zu Andeutung seines Gernesehens nöthig schien. Hierzu veranlaßte ihn nicht nur der neue Friede und Freundschafft / welche nach beygelegtem Zwist am geschäfftigsten ist seine gute Neigungen zu bewehren / oder zu bescheinigen; sondern auch der Deutschen Art; welche über alle andere Völcker der Welt das Gastrecht für was gar überaus heiliges halten. Denn ob wol die freundlichen Griechen ihre Gäste desto ehrlicher zu empfangen absondere Aempter in Städten hatten / die gastfreyen Cretenser allemal neben ihrem Tische einen andern für frembde Gäste / und den dritten für den bewirthenden Jupiter deckten die freygebigen Megarenser und Corinthier /so gar ihre Kriegs-Gefangenen als angenehme Gäste unterhielten / und ohne Lösegeld frey ließen; die gutwilligen Nachbarn des Flusses Phasis jedem Schiffbruch-leidenden über ihren Unterhalt noch drey Minen mit auf den Weg gaben; die Calabrer das ihrige auf Gäste zu verschwenden für Ehre hielten; ja fast allenthalben das nur mit Saltz und Brod gestifftete Gastrecht der Bluts-Freundschafft vorgezogen wird; also / daß wegen dieser Verbindung der dem Priamus verwandte Teucer für die Griechen wider sein Vaterland zu kämpffen kein Bedencken trug; so thun es doch die Deutschen und Gallier in Bedienung ihrer Gäste allen andern zuvor. Denn sie nehmen nicht nur Steinfrembde umbsonst auf / und halten es für Schande sie umb Geld wol zu bewirthen; sondern sie gehen auch selbten entgegen / und streiten gleichsam umb die Ehre ihnen gutes zu thun. Denn sie halten alle Gäste für heilige und GOtt angenehme Leute / also für ärgstes Laster ihnen Leid zu thun / oder wiederfahren zu lassen. Nichts ist in ihrem Hause für ihnen verschlossen; alles muß sodenn bey Tische voll-auf /und denen Wegziehenden / nichts / was sie nöthig haben oder verlangen / versagt seyn. Und hierinnen machen sie so gar zwischen Bekandten und Frembden keinen Unterscheid / und gleichwol rechnen sie alles dis für keine Wolthat / machen auch daraus keine Verbindligkeit. Dieses sind die Sitten der freygebigen Nord-Länder; woraus bey den Griechen dieses Gerichte erwachsen: daß Toxaris und andere Scythen ihre Gäste für Götter anbeteten. Diesen wolte nun Tiberius seinen Römern zu Ehren nichts nachgeben; als welcher bey seinen vielen Lastern doch viel Tugenden / und darunter diese fast am vollko ensten hatte: daß er gastfrey war / und wie vorzeiten Cajus Gracchus zu Rom / täglich offene Taffel hielt. Diesemnach muste die deutschen Fürsten Germanicus / den Adel Apronius zu Meyntz für dem Thore mit allerhand Säiten-Spielen und vielem Gepränge empfangen. Tiberius selbst kam ihnen mit dem fürnehmsten Römischen Adel bis an die Pforte seines Hauses entgegen; reichte allen Deutschen die rechte Hand; grüssete einen jeden absonderlich / denen Fürsten küssete er das Haupt /dem Frauenzimmer die Stirne / als einen heiligen Sitz des Schutz-Geistes. Hingegen wolte er dem deutschen Adel durchaus nicht verstatten: daß sie ihm zum Zeichen ihrer tieffen Verehrung die Knie anrührten; betheuerte auch: daß die Ankunfft so hochgeschätzter Gäste ihm unfehlbar etwas gar gutes bedeutete. Denn bey Fürsten wird zuweiln eine bloße Unterlassung einer geringen Zierligkeit für einen Schimpff und Beleidigung aufgenommen. Flavius und Thußnelde musten des Tiberius eigene Zimmer einnehmen / und die fürnehmsten Römer denen andern ihre bequämsten Wohn-Städte räumen. Gallien hatte von beydes[420] Meeren genungsam zuzuführen / umb allem Mangel an kostbarer Unterhaltung abzuhelffen / oder vielmehr den Uberfluß der Natur / und das Vermögen der Römischen Verschwendung sehen zu lassen. Zu denen Spielen war oberhalb Meyntz an dem Rheine ein weiter Platz ausgezeichnet / und in Gestalt eines Schau-Platzes mit Gestülen für viel tausend Zuschauer umbgeben. Agrippine führte alles deutsche Frauenzimmer auf einem Schiffe dahin / welches einen güldenen Wallfisch / die Ruderer aber schupffichte Wasser-Götter fürbildeten. Rings umbher schimmerten viel kleine / theils wie Sirenen / theils wie Meerschweine gebildete Nachẽ / welche mit annehmlichen Säiten-Spielen die Luft / wie die Sonne mit einer liebkosenden Wärmbde erfülleten. Die deutschen Fürsten und Ritter aber wurden vom Sentius Saturninus zu Lande dahin begleitet. Sintemal diese wol wusten: daß die Deutschen und Persen / welche ihre Kinder bald zum Stecken-Reiten gewöhnten / und im gewissen Alter auch an statt der Senfften sich der Pferde bedienten /für Schande hielten dahin zu fahren / wo sie hin reiten könten. Der erkiesete Schau-Platz bildete recht die länglicht rundte Renne-Bahn des beym Trasimenischen See vom Hannibal erlegten Flaminius ab / welchen er neben den bald nach vertriebenen Königen erbauten Tempel der Bellona aufgeführt hatte. Für die Römer und Gallier waren im eusersten Umbkreisse; für die eingeladenen Deutschen aber in der Mitte der Reñebahn zwischen den Bildern des Neptun / der Thetis / und Achilles unter einem vergüldeten Himmel wolabgetheilte- und mit Persischen Teppichten bedeckte Gestühle bereitet; auch eine grosse Anzahl des Römischen Adels und Frauenzimmers diese vornehmen Gäste zu unterhalten verordnet. An der geraden Seite des Ey-länglichtumbschlossenen Platzes war ein Tempel des Krieges zwar nur aus Holtze gefertigt /aber so wol gemahlet: daß er dem außerhalb der Stadt Rom stehenden steinernen Tempel der Bellona / welchen Appius Claudius gebaut hatte / an Seulen / Pforten / und allem gantz ähnlich / darmit aber unterschieden war: daß an statt der Claudier / der sieben Römischen Könige Bilder zwischen den Seulen zu schauen waren. Für diesem Tempel stand auch / wie bey dem zu Rom / eine niedrige Seule / an welcher die neuen Kriege angezeichnet wurden. Sie hatten kaum ihre Stühle besessen / als gegen über sich die Pforte des Tempels mit einem grossen Gethöne kriegerischer Hörner öffnete / und vier Herolde zu Pferde heraussprengten / drey mal umb den Tempel rennende allezeit rufften: Krieg! Krieg! endlich jeder an erwehnter Seule einen Spieß aufhieng; und an die Seule mit Röthe voraus gesprochene Worte anschrieb. Hierauf folgte auf einem Feuer-rothen Wagen / welchen vier Trachen zohen die Schwester und Gemahlin des Kriegs-Gottes. Sie war in Blut-rothe Seide gekleidet; in der rechten Hand hielt sie eine brennende Fackel /in der lincken eine Sichel. Auf dem Haupte hatte sie einen Helm / zerstreute Haare. Zu den Füssen einen Schild / eine Peitsche und allerhand Waffen. Umb den Wagen giengen sieben nackte Priester / welche mit Messern ihre Armen und Beine zerkerbten; das daraus flüssende Blut aber mit den holen Hand-Tellern auffiengen uñ einander zutrancken. Für dem Wagen giengen zwölf Unholdinnen mit schwartzen Pech-Fackeln. Ihm folgten zwölf einäugige Riesen / und so viel geharnschte Zwerge / jene mit grossen Käulen / diese mit Bogen und Pfeilen. Als Bellona zu der Krieg-ankündigenden Seule kam / rieß sie nach Art der zum Kriege ausziehender Bürgermeister einẽ Spieß davon zu sich / schlug damit wider die Seule und warf selbten gri ig weg: daß er in der Erde stecken blieb. Hierauf fieng sie an zu singen:[421]


Rom / Frau und Haupt der Erde /

Mein wohlgerathen Kind /

Hemm' einmal deine Pferde.

Denn deine Siege sind

Nunmehr biß an den Rhein / und hoch genung gebracht.

Der ist nicht Siegens werth / der keinmal Friede macht.


Du wirst mit Lorbern prangen /

Die Welt dich beten an /

Ob ich dir dein Verlangen

Gleich / nicht gewehren kan:

Daß Elb' und Weser wird dein neues Eigenthum.

Die Tugend krieget nicht umb Wucher / nur umb Ruhm.


Kein Ziel der Mord-Lust finden /

Ist ein Cyclopen-Krieg;

Sich selber überwinden /

Ist aller Siege Sieg.

Weil das Verhängnüß nun steckt deinem Krieg ein Ziel.

So sey vergnügt mit dem / was Stern und Himmel wil.


Jedoch must du nicht schlaffen;

Stets ruhen ist nicht gut.

Der Rost frißt stille Waffen /

Bewegung dient der Fluth.

Erörter mit dir selbst: welch Bürger deiner Stadt

Der Tugend höchsten Preiß den Krantz verdienet hat.


Nach dem Beschlusse ihres Singens erhub sich ein abermaliges Krieges-Gethöne; und Bellona rennete zwischen denen sie umbgebenden Schaaren gleichsam wütende hin und her. Hierauf ließ sich ein annehmlicher Schall von Seitenspielen hören / nach welchen die Unholden / die Riesen und Zwerge einen künstlichen Tantz anfiengen. Darinnen die Riesen bald mit ihren Käulen die Unholden / bald diese die Riesen mit ihren Fackeln verfolgten; die Zwerge sich aber bald zu einer / bald zu der andern Seiten schlugen / und durch ihre Geschwindigkeiten theils mit dem Bogen-Schüssen / theils mit ihren leichten Sprüngen einem und dem andern einen Vortheil abrennten. Als dieser Tantz sich kaum geendigt hatte / öffnete sich das Thor auf der Ost-Seite der Renne-Bahn / durch welches der alte Arcadische König Evander; welcher auf dem Palatinischen Berge das erste Schloß in Rom gebauet haben soll / mit einem Hauffen halb auf Arcadisch /halb auf Römisch gekleideter Kriegsleute einzoh. Diesem folgte ein ertztener von vielem Eisen schwirrender und von vier Wölfin gezogener Sieges-Wagen / an dessen Hintertheile eine übergüldete Wölfin mit zwey saugenden Kindern künstlich geetzt war. Darauf saß Rom in Gestalt eines siebenjährigen / aber wohl-gerüsteten Kindes. Hinter dem Wagen folgte der den Romulus fürstellende Tiberius zu Pferde / mit hundert alten Römern / welche theils Arcadisch / theils Phrygisch / theils nach Art der alten Lateiner aufzohen. Für ihm ward getragen das Gemählde der von ihm viereckicht-gebauten Stadt Rom mit vier Pforten seines Vejentischen Sieges / und der Raub der Sabinischen Weiber. Nach dem Romulus hatte Germanicus mit Vorstellung des andern Königs Numa Pompilius auf einem von Maul-Thieren gezogenen silbernen Wagen seinen Aufzug. Darauf war Egeria / wie sie auf ein brennendes Altar Weyrauch streute / gemahlet. Für ihm trugen vier Vestalische Jungfrauen das von Troja in Italien gebrachte ewige Feuer / drey Priester das zu Troja vom Himmel gefallene Bild der Pallas /zwölff Salische Priester des Krieg-Gottes in gemahlten Röcken mit eisernen Brust-Stücken so viel Ancylische Schilde; derer einer zur Zeit des Numa / als ein Merckmal ewiger Herrschafft / gleicher gestalt vom Himmel gefallen seyn soll. Diesem folgten hundert wohlgewaffnete Leib-Schützen oder Celures. Den dritten Aufzug machte der den kriegerischen Tullus Hostilius vertretende Asprenas / auf einem von vier Luchsen gezogenen rothen Wagen. An selbtem war das Bild der Rache zu sehen; welche den Horatius zu Durchstechung seiner Schwester; den Hostilius zu Zerreissung des Metius Fufetius anstiftete. Für ihm ward das Bild des Kriegs-Gottes / die mit Ruthen umbwundenen Bürgermeister-Beile[422] / das Gemählde von Uberwindung der Curatier / der Stadt Fidena / die Einäscherung der Stadt Alba / und die Aufnehmung der Albaner in Rom fürgeträgen. Ihm folgten hundert aufs beste gewaffnete Römer / halb zu Pferde / halb zu Fusse. Der vierdte war Cäcina auf einem mit vier Walachen bespannten Wagen / der Vorsteller des die Kriegs- und Friedens-Künste miteinander vermischenden Ancus Martius. An seinem blauen Wagen war das güldene Bild des Glücks geetzt / welchem dieser König den ersten Tempel in Rom gebaut. Seinen Ruhm stellten die vorgetragenen Bilder des über die Lateiner erhaltenen Siege / der erweiterten Stadt Rom / der gebauten Brücke über die Tiber / und des bevolckten See-Hafens Ostia für. Nach ihm folgten ebenfalls funfzig Reiter / und so viel Fuß-Knechte. Der fünfte Aufzug war des Tarquinius Priscus / oder des seine Stelle vertretenden Norbanus. Er saß in einem gantz güldenen Sieges-Wagen auf einem helffenbeinernen Stule / in einem mit Gold und Seide gestückten Rocke. Den mit allerhand bundten Blum-Wercke besämten Wagen zohen vier mit einem köstlichen Zeuge belegten Hengste. An dem Wagen war das Bild der Pallas aus Corinthischem Ertzte künstlich erhoben; weil er aus Griechenland eben so wohl allerhand Künste und Wissenschafften / als alle obige Zierrathen zu erst nach Rom gebracht. Für dem Wagen wurden von eitel Wahrsagern getragen zwölff abgebildete Städte der Thuscier / Sabiner und Hetrurier; welche er mit ihren Völckern überwunden; wie auch der Grund-Riß des Capitolium / und seine Gebäue wider die überlauffende Tiber. Die ihm nachfolgenden Kriegsleute waren mit viel bessern Waffen /als seiner Vorgänger ausgerüstet. In dem rechten Aufzuge vertrat auf einem mit eitel Sternen beworffenen Wagen Stertinius die Stelle des Servius Tullius. An dem von vier weissen Ochsen gezogenen Wagen war das Bild des Verhängnüsses gebildet / welche des Tullius Haupt mit einer Flamme überschüttete; westwegen ihn des Tarquinius Gemahlin Tanaquil / als einen künftigen Herrscher unter ihre Kinder aufnahm. Für ihm wurden unterschiedene Taffeln getragen / auf welchen die Abtheilung des Römischen Volckes / die Unterscheidung des Adels und der Zunften / die Austheilung der Schatzungen / und anderer Wirthschaffts-Anstalten; der Riß von Erweiterung der Stadt und der sie umbgebenden Graben; die Uberwindung der Sabiner / und die Demüthigung der Vejenter zu schauen war. Ihm folgten hundert gewaffnete Römer in einer bessern Ordnung / als alle vorher. Den siebenden Aufzug hielt Lucius Apronius unter dem Nahmen des hoffärtigen Tarquinius in einem Purpur-Kleide auf einem mit Edelgesteinen besetzten / und von drey Panthern gezogenen Wagen; an welchem die Hoffart /die Herrsch-Sucht / und Grausamkeit Tullien des Tarquinius Gemahlin über die blutige Leiche ihres ermordeten Vaters Tullius mit denen Pferden zu sprengen reitzten. Vorher ward das bey angefangenẽ Baue des Capitoliums ausgegrabene Menschen-Haupt; der Abriß seines grossen Tempels; ein Verzeichnüß der von ihm gesetzten Feyertage / und die Gemählde seiner wider die Sabiner und Hetrurier erlangten Siege getragen. Die dem Wagen nachfolgenden Römer waren so wohl mit Werckzeugen der vom Tarquinius ausgedachter Peinigung / als Waffen versehen. Nach dem alle diese einmal umb die Renne-Bahn gezogen waren / machten die sieben Könige mit ihren Aufzügen umb Bellonen einen Kreiß / Rom aber stellete sich Bellonen gleich gegen über / und fieng nach einem starcken Gethöne der Kriegs-Hörner an folgendes zu singen:[423]


Auf festen Grund Palläste bau'n /

Auf Stämme gute Pfropfer setzen;

Füllt zwar das Auge / läst sich schau'n /

Schafft so viel Frommen / als Ergetzen.

Der aber thut ein Werck / das beydes übersteigt /

Der Schlösser legt in Grund / und Stämme selber zeugt.


Mein Adler ist der Grund und Fuß

Der ewigen Stadt Rom zu nennen;

Das Welt und Meer verehren muß /

Dem alle Völcker Weyrauch brennen.

So viel ein kräfftig Quell beschämt die faule Bach /

So viel gibt iede Zeit auch meiner Jugend nach.


Und diese sieben Söhn' allhier /

Die Erst-Geburthen meiner Stärcke /

Gehn allen andern Römern für;

Was sie gethan / sind Wunderwercke.

Der ersten Jahre Kern hegt stets das beste Blut /

Der Anfang ist stets heiß / der Fortgang schwächt die Glut.


Weil aber eine Sonn' allein

Ist unter sieben Irre-Sternen;

Und aller Blumen edler Schein

Sich für der Rose muß entfernen;

Die Tugend einen Krantz nur einem setzet auf.

So zeigt / wer ihn verdient / durch euren Kampf und Lauff.


Nach Endigung dieses Liedes rennen die sieben Könige auf ihren zweyrädrichten; iedoch sonst auf vielerhand Arten unterschiedenen Wagen mit einander umb die Renne-Bahn die Wette; hernach stritten nicht nur sie von den Wagen mit Werff- und Abschüssung vieler Wurff-Spiesse und Pfeile; sondern auch die /welche sie begleiteten / aufs zierlichste gegen einander / wie beydes auf der Flaminischen Renne-Bahn in den Taurischen Spielen zu geschehen pfleget / welche dem blutigen Saturnus und andern unterirrdischen Göttern zu Ehren pflegen gehalten zu werden. Am wunderwürdigsten aber war bey diesem Rennen zu schauen: daß die faulen Maul-Thiere des Numa denen andern schnellen Thieren so gleich die Wage hielten /die unbändigen Luchse / so wohl als des Martius Walachen / den Zügel des Hostilius vertrugen; die sonst langsamen Ochsen des Tullius der feurigen Geschwindigkeit der den Priscus führender Hengste nichts bevor gaben; die grimmigen Panther für dem hoffärtigen Tarquinius sich so sehr demüthigten; und fürnemlich: daß die Wölffe sich so freundlich geberdeten / als wenn sie unter eitel beliebten Papegoyen wären; oder in ihrer Haut eitel freundliche Latonen wohneten / und nach etlichen Rennen sie nicht alleine allen andern Thieren zuvor kamen; sondern auch die Pferde gantz stätig und hiermit die Meynung wahr machten: daß die angespannten Pferde / wenn sie in eines Wolffes Fußstapfen treten / gleichsam gefroren und unbeweglich würden. In dem Gefechte thäten in allen sieben Hauffen auch ein ieder das beste; und müheten sich diese mit geschickter Wendung ihrer Pferde; jene mit Vortheilhaftigkeit ihrer Schilde und Waffen; viel mit Arglist durch Netze und Riemen /andere durch ihre Geschickligkeit die Oberhand zu behaupten. Wie denn ieder Hauffe mit allen andern Wechsels-weise zu treffen kam. Endlich erhielten doch die Gefärthen des Romulus / wie ihr Führer für allen andern so viel Vortheil; daß der andern sechs Könige Hauffen wider den einigen Romulus ein stillschweigendes Bindniß zu machen schienẽ / und mit gesa ter Hand dem Romulus auf den Hals dringen wolten. Bellona aber rennte mit ihrem Anhange darzwischen / und / nachdem für ihr nicht allein alles die Waffen sincken ließ / sondern der gantze Schau-Platz gleichsam verstu ete / fing sie an zu singen:


Nun ists / ihr edlen Helden Zeit

Von Kampf und Rennen aufzuhören;

So wohl-bewehrte Tapferkeit

Strebt nicht nach Rache / nur nach Ehren.

Der Erde Schatten reicht zum Monden höher nicht;

Kein Neid verfinstert ie der höchsten Tugend Licht.


Zieht euch nicht eures Romulus

Verdienten Vorzug zu Gemüthe;

Weil ihm zum Vortheil dienen muß

Der Wölffin Milch / des Mars Geblüte.

Was Wunder? daß an dem nichts eure Tugend schafft.

Der Gott zum Vater hat / und wilder Thiere Krafft[424]


Uhrheber meiner grossen Stadt /

Die dich zur Göttin macht auf Erden /

Und dich für längst vergöttert hat /

Dir muß mein lorbern Siegs-Krantz werden.

Nim hin der Tapferkeit verdienten Ehren-Preiß;

Weil sich kein Römer dir nicht zu vergleichen weiß.


Nach vollendetem Gesange wendete sich Bellona /und fuhr in erster Ordnung wieder in den Tempel. Die Römischen Könige aber rennten mit allerhand zierlichen Wendungen so geschickt durch einander: daß es nicht ohne Verwunderung zu schauen war / wie die einander so begegnenden Wagen nicht an einander stiessen. In diesen geschickten Verflechtungen wiechen die andern sechs Könige dem Romulus allezeit mit Ehrerbietung aus; und am Ende beschlossen sie seinen Wagen in die Mitte. Hierauf hielten der Könige Begleiter zu Pferde einen von den kriegerischen Spartanern erfundenen Roß- die zu Fusse aber einen von den Cureten angegebenẽ Waffen-Tantz. Hiermit überfiel den Schau-Platz die finstere Nacht; aus der Lufft aber kam in Gestalt eines fallendẽ Sternes Prometheus gefahrẽ; welcher mit einer breñenden Ruthe sich durch die oberste rundte Oefnung in Bellonens Tempel herab ließ. Dieser ward inwendig alsofort mit viel Lichtern erfüllet: daß es durch die Fenster und Pforten nicht anders schien / als wenn er in vollem Feuer stünde. Kurtz darnach kam Prometheus mit Bellonen wieder auf ihrem Wagen aus dem Tempel gefahren / und hatte für sich ein von ihm aus Golde gearbeitetes Bild des Käysers Augustus. Bellona aber / als sie zwischen die sieben Könige kam / wendete sie sich gegen dem in der Mitte haltendẽ Romulus /und fieng an zu singen:


Vergnüge / Romulus / mein Sohn /

Dich am Genüsse deines Preises;

Ich gönne dir den Tugend-Lohn /

Den Ruhm des gantzen Erden-Kreises;

Doch mein ertheilter Krantz steht dir nicht länger an /

Nun mir ein hi lisch Licht die Augen aufgethan.


Beschaue des Prometheus Bild /

In dem ein hi lisch Feuer glimmet;

So bald die Zeit wird seyn erfüllt /

Die das Verhängnüß hat bestimmet /

Wird Rom durch seinen Geist beseelt und glücklich seyn;

Ja ihm wird sich die Welt zum Tempel weihen ein.


Der grösten Sieger Helden-Geist

Wird sich für seinem scheu'n und flüchten.

Der / wo Nil / Ister / Tagns fleust /

Nur Wunder-Wercke wird verrichten.

Ja Rom / für dem die Welt und Mars sich bücken muß

Legt Schwerdt und Sieges-Fahn selbst für Augustens Fuß


Die Adler / welche Jupiter

Ließ umb den Kreiß der Erde flügen /

Wird er von Delphis bringen her /

Rom sie zum Heiligthume kriegen.

Und seines Zepters Maaß wird künftig bringen bey:

Daß Rom / nicht Delphis mehr / der Erde Nabel sey.


Hat Romulus den Grund gelegt;

So wird August doch Rom erst bauen.

Wo ietzt der Leim ein Stroh-Dach trägt /

Wird Gold und Marmel seyn zu schauen;

Er macht das Dorff zur Stadt / zum Meere seinen Fluß:

Drumb tritt den Preiß nur ab dem andern Romulus.


Bey wehrendem Singen stiegen sechs Könige von ihren Wagen / hoben das Bild des Käysers August von dem der Bellonen / und setzten es mit grosser Ehrerbietung neben den Romulus / welchem er seinen empfangenen Lorber-Krantz aufs Haupt sätzte. Alles was sich im Schau-Platze nur regen konte; rennete oder tantzte. Zwischen diesen Freuden-Bezeugungen sang Bellona folgende Reyme:


Der Ruhm des ersten Romulus

Wird blühend seyn / weil Rom wird stehen.

Denn seine Herrschafft war der Fuß

Des Reiches / das nie wird vergehen.

Der and're Romulus / Augustus aber soll

Zum Erden-Haupt erhöhn Rom und sein Capitol.


Rom wird zwar als ein Heiligthum

Des ersten Königs Hütte preisen.

Allein Augustens Glück und Ruhm

Wird Welt und Himmel Ehr' erweisen.[425]

Wer's nen' und alte Rom auch mit der Zeit beschaut /

Bekenn't: Dort habe Kunst / die Einfalt hier gebaut.


Nach diesem erhellete sich die Lufft mit unzehlbaren Stern-Feuern; derer etliche sich nach und nach der Erde näherten / und zugleich vergrösserten. Diese wurden endlich im Schau-Platze für die sieben Irr-Sterne / und ihnen nachfolgenden sieben Plejades erkennet. Jene gesellten sich alsofort zu den sieben Römischen Königen; und zwar Saturn zum hoffärtigen Tarquinius; Mercur zum geschickten Servius; Jupiter zum Kunst-liebenden Prisus; Venus zum beliebten Martius; Mars zum streitbaren Hostilius; der Monde zu dem andächtigen Numa; die Sonne zum Romulus; vielleicht / weil dieser der Uhrheber der lebhaften Stadt Rom / wie die Sonne der Brunn des Lebens / und die Seele der Welt ist. Bey der Ankunfft dieser Gestirne war niemand in Begleitung der sieben Könige / der nicht eine weisse Wachs-Fackel / niemand wuste bey dieser Geschwindigkeit / woher / in die Hand bekam. Das Sieben-Gestirne der Plejaden aber verfügte sich zu dem Wagen des Romulus / und fieng nach siebenerley Seiten-Spielen an zu singen:


Der Sterne sieben Könige

Sind lüstern worden nach der Erde.

Sie fahrn aus der saphirnen Höh':

Daß ihnen kund und wissend werde /

Was für ein hi lisch Glantz die Renne-Bahn erhell't /

Was für ein göttlich Bild bestrahlt die Unter-Welt.


Die sieben Irr-Sterne hielten hierauf einen künstlichen Tantz umb den Wagen des Romulus / darauf Augustens Bild stand. Sie näherten sich Wechsels-weise diesem Bilde / und zeugten ihre Begierde es genau zu betrachten. Bey dem Schlusse fuhren die Plejaden im Singen fort:


Daß es Prometheus Diebstahl setz /

Kan diese Bildes Zeug beweisen.

Dionens Ertzt / Saturnens Bley /

Der Zien des Zevs / des Mavors Eisen /

Der Sonne Gold ist hier / des Monden Silberspur /

Und der Queck-Silber-Geist des flüchtigen Mercur.


Die Irr-Sternen veneuerten hierauf ihren Tantz /; und nach diesen die Plejaden ihren Gesang:


So ist's / des Himmels Feuer-Dieb

Prometheus hat diß Bild gegossen

Aus Ertzt / das durch des Himmels Trieb

Aus Sternen-Saamen hergeflossen.

Er wehrt / weil er nichts mehr vom Himmel stehlen kan /

Für Thon ietzt hi lisch Ertzt zu seinen Bildern an.


Nach wiederholetem Tantze der sieben Irr-Sternen verneuerten die Plejaden auch ihren Gesang:


Diß Bild ist noch zur Zeit zu gut

Die Kindheit der Stadt Rom zu zieren.

Laßt's uns für die gestohlne Glut

In güldnen Himmels-Tempel führen:

Da der gestirnte Bock ihm eine Seel' einflößt /

Die güldne Zeiten bringt / und's Unglück von uns stößt.


In einem Augenblicke kam ein feuriger Stein-Bock / welchen August für seinen Geburts-Stern hielt / und ihn destwegen auch auff seine Müntze pregen ließ /aus der Lufft herab gefahren. Die Irr-Sternen und Plejaden aber faßten sich mit dem Bilde des Käysers August / setzten es auf den gestirnten Stein-Bock / welcher sich darmit gegen dem Himmel erhob. Die Sternen folgten selbten mit einem Gethöne vieler hundert Seiten-Spiele nach / biß alles sich in den Augen der hierüber verwunderten Zuschauer verlohren / und mit denen ausleschenden Lichtern auch alles im Schau-Platze verschwand. Jedermann kehrte hierauf wieder nach Meyntz / in Meynung durch den Schlaf so viel dem Tage zu benehmen / als die Wachsamkeit der Nacht-Ruh abgebrochen hatte. Alleine die Höffligkeit des sonst so sauersehenden Tiberius weckte sie zeitig mit anmuthigen Seitenspielen und Griechischen Sängerinnẽ auf. Kurtz darauf ließ er alle Gäste in einen am Rheine gelegenen Garten einladen; dahin Germanicus die deutschen Fürsten; Agrippina das Frauenzimmer selbst abholete. Dieser Garten war vom Drusus noch angelegt / auf dreyen Seiten von eitel mit[426] Reben belegten Hügeln umgeben / und von vielen lebendigen Quellen angewässert. Alle Gänge waren nach der Schnur mit weissen Buchen besetzt / welche theils mit ihrer Höhe / theils mit ihren die Gänge zuwölbenden Aesten keine Sonnen-Strahlen einliessen /sondern recht kühle Lauber-Hütten abgaben. Die Helffte des Gartens bestand in eitel fruchtbaren Obst-Bäumen / welche mit denen köstlichen Früchten / die Griechenland / Italien und Hispanien trägt / gepfropft waren. Die andere Helffte bestand in zwölff Blumen-Feldern / welche mit hunderterley Arthen Blumen überwachsen waren / die die Römer erst für wenigen Jahren aus Assyrien und Asien nach Rom und folgends nach Meynz versetzt hatten. Die dahin kommenden Deutschen erstauneten: daß sie in ihrem Deutschlande so unvermuthet alle Schönheiten der Morgen-Länder antraffen. Sie waren beschämet: daß sie der wenigsten Nahmen zu nennen / weniger aber ihre Farben zehlen / oder ihre Gestalten unterscheiden könten. Ja die Königin Erato selbst / welche mit dem sä tlichen Frauenzimmer alle noch von dem Speichel der Sterne / nemlich dem Thaue / bespritzte Blumen-Stücke begierig betrachtete / ward hierüber gleichsam verzückt / und fieng an: Sie finde in diesem Garten mehr Vergnügung / als ihr iemals einer in Meden oder Armenien gegeben hätte. Dieses rührte auch nicht nur aus blosser Anmuth der Neuigkeit her / sondern sie hätte darzu rechtschaffene Ursachen. Die Cypressen /wormit sie im Morgenlande die Gänge besetzten / hätten zwar eine fettere Grüne und eine annehmlichere Rundte; aber die sich gegen einander wölbenden Buchen wären zwar zum Schein für die Sonnen-Strahlen viel geschickter. Die Obst-Bäume wären hier in einer so wunderwürdigen Ordnung gepflantzt: daß / wo das Auge sich hin wendete / man gerade Gänge für sich sähe. Die Blumen wären in Mesopotamien und Assyrien / als ihrem rechten Vaterlande zwar zu Hause /und wüchsen ungepflantzet auf den Feldern; aber die hier vollen Narcissen wären dort nur hohl; die Anemonen nicht so vielblättricht; die Hyacinthen hätten nicht so grosse / auch nicht so viel- und hochblaue /am wenigsten aber volle Kelche wie in diesen Blumen-Stücken; die Tulipanen wären dort nur roth und gelbe; hier aber spielten sie mit so viel Farben durch einander: daß das Auge sich kaum von ihrer Vielheit auswickeln könte; und die Kunst in Deutschland der Natur wärmerer Länder hierinnen den Preiß abjagte. Es ist wahr / sagte Agrippine; die Kunst ist in Gärten ein rechter Proteus; welcher nicht nur wilde Stämme in fruchtbare Bäume; sondern auch das ungefärbte Wasser der Blumen in Gold / Himmel-blau / Purpur /ja gar in Flammen verwandeln kan. Durch ihre hülffliche Hand spielet die Natur mehr in diesen flüchtigen Geschöpfen / als in Edel-Gesteinen. Etliche übertreffen Schnee und Helffenbein; andere Flammen und Schnecken-Blut; viel das Gold / die Türckisse und Saphire; und ihrer nicht wenig spielen vielfärbichter /als die Tauben-Hälse / Pfauen-Schwäntze und Regenbogen. Dahero sich über denen Getichten der Griechen nicht zu verwundern: daß die Lilgen aus der Milch des Juno / die Hiacynthen aus dem Blute des Ajax / die Anemonen aus dem schönen Adonis gewachsen / die Rosen aber von den Wunden der Liebes-Göttin geröthet worden wären; gleich als wenn die gütige Natur / welche in dem Blumwercke ihre Mahler-Kunst am fürtrefflichsten sehen läßt / nicht Farben und Pinsel genung hätte zu so unzehlbaren Blumen-Bildungen. Sintemal der menschliche Verstand freylich nicht zu begreiffen weiß / wie die Natur durch ein einiges Röhr eines grünẽ Stieles in die Häupter der Blumẽ / Zinober / Röthe / Berg-blau /Meer-grün / Milch / Bleyweiß und alle andere in den Ertzt-Adern verborgene Farben einflössen / und so wohl einander[427] zusagend vermischen könne. Man hat sich bey der Geburt der Blumen: daß eine weisse Mutter ein braunes / eine gelbe ein rothes Kind gebähre / mehr als über den Nicäus zu verwundern /welcher mit einem weissen Weibe einen Mohren / wie sein Groß-Vater war / zeugte. Die widrigsten Farben verschwistern sich in den Tulipanen so seltzam mit einander: daß ein Theil derselbten unter den schneeichten Bären / das ander unter dem schwärtzenden Hunds-Sterne gebohren / und nicht / wie denen menschlichen Leibes-Früchten / durch eine Nabel-Schnure / sondern durch gantz unterschiedene Adern die Nahrung eingeflöst zu werden scheinet. Mit einem Worte: Es fällt der beredsamsten Zunge nicht so leichte ihre bundte Pracht auszusprechen / als der in dem Blumwercke am meisten spielenden und üppigen Natur solche so künstlich zu mahlen. Keine Schönheit und Vollkommenheit sättigt hier das Gesichte / sondern nur die Neuigkeit / welche täglich eine vorhin nie gesehene Seltzamkeit ans Licht bringen / und mit diesen lebendigen Tapezereyen die Erde ausputzen soll. Ich sehe niemals die Blumen-Zwiebel ohne Verwirrung an. Sintemal mein Verstand allzu alber ist: daß er begreiffen solle / wie diese einsame Mutter von niemanden geschwängert wird / und noch schönere Kin der / als Helena gebieret. Wie sich diese ungestalte Zwergin selbst befruchtet; und ohne Lehre / ohne Verstand / ohne Erfahrung eine so grosse Künstlerin abgiebt: daß Dädalus und Apelles bey ihr beschämt steht. Euclides mag über denen so wohl abgeheilten Wachs-Fächern der Bienen erstaunen und fragen: Wie es möglich sey: daß diese Würmer ohne Lehre und ohne Hände so vollkommene Sechs-Ecken bauen können? Archimedes mag ihm über der künstlichen Abtheilung der Spinnen-Weben / und Eratosthenes ihm über seinen unsichtbaren Streichen den Kopf zerbrechen; alle aber werden bey genauer Betrachtung nur einer einigen Blume mehr Kunst in der Abtheilung /mehr Wunder in genauer Zusammenstimmung finden. Der blosse Stiel / durch welchen eine iede Blume den Safft der Erde / wie ein Kind die Milch der Brüste / in ihre Aederlein säugt / ist ein grosses Meister-Stücke des göttlichen Verstandes. Die Blätter sind so geschickt / und bey einem ieden Geschlechte der Blumen in gleicher Anzahl neben einander gesetzt; in einerley Grösse abgemässen / mit dem Stiele so feste verbunden / und auf einerley Art entweder ausgebreitet / oder eingebogen: daß niemand vernünftiges sie anschauen kan / sondern die unsichtbaren Hände Gottes darauf zu schauen. Der inwendige Krantz / den die Natur nicht nur in Lilgen und Rosen / sondern in den meisten Blumen aus Golde zu flechten gewohnt ist /stellet nicht weniger ein vollkommen Gemächte der Mäß-Kunst / als durch ihr Saamen-Behältnüß ein Merckmal der göttlichen Versehung für. Diese ist nicht weniger in dem Unterschiede der Blumen / als in der Anzahl der Sternen unbegreifflich. Die Lilge strecket ihren Hals über alle andere empor / zur Lehre unserer Seele: daß ihr reines Haupt von dem Kothe der Erden könne besudelt werden. Die Rose / das Bild der Liebe / ist zu dem Ende mit Dornen verwahret: daß sie durch Abhaltung der Hände nach sich desto grössers Verlangen erwecken; oder uns lehren solle: daß Lust und Unlust aus einer Wurtzel wachsen. Etliche wachsen mit gestrecktem Halse empor / andere bücken ihre Häupter; viel kriechen aus Demuth gar auf der Erde; andere verstellen wie Epheu durch Umbarmung eines Gehülffen ihre Schwäche / oder lassen sich lieber wie ein Gewebe zu Bekleidung der Wände hin und her flechtẽ / als sie sich wollen mit Füssen treten lassen. Etliche vergnügen sich mit einem in sich selbst[428] gewickeltem Blatte; andere haben ihrer wol hundert in einem Püschel. Viel Stiele tragen nur eine Blume; offt aber pranget einer mit Schocken. Etliche sind so zart / als giengen sie nur im Hembde / oder als wären sie gar nackt / oder mit gewebtem Winde bekleidet; andere hingegen tragen Sa et / oder gar Rauchwerck; viel scheinen auch gar von Gold- und Seiden-Stücken erhoben zu seyn. Etlicher Blumen Haupt ist haaricht / und entweder wie ein Wichtel-Zopff verwickelt / oder ihre Locken zierlich ausgekämmet. Diese bilden offene Schalen / Schilde / Becher; jene enge Pfeiffen und Schwerdter für. Nicht wenig sind mit Helmen oder Feder-Püschen gethürmet; andere sind harte / und runtzlicht; andere glatt und weich und so zärtlich / ja gleichsam Lufft; welche nicht nur für dem Anrühren fliehen / sondern gleichsam durch einen Anblick verwundet / durchs Anhauchen in Ohnmacht versätzt / durch Anfühlen getödtet werden. Etliche halten ihre Knospen stets verschlossen; etliche sperren ihre Augen nur halb auf; viel scheinen auch wie Anaxagoras / nur zu Anschauung der Sonne / viel auch / wie die Nacht-Eulen / sich nur im finstern Schatten zu verstecken gebohren zu seyn. Gewisse behalten ihre Fische Farbe so wol auf der Baare / als in der Wiege; andere vergrössern mit dem wachsenden Tage ihre Pracht; viel fangen auch / so bald sie aus der Schale kriechen / schon an zu verblassen. Erato seufzete hierüber / und fieng an: Wolte GOtt! daß nur die Blumen / nicht aber auch die Menschen so offt ihre Farbe veränderten! Wolte GOtt! daß man nur in Nuß- und Ahorn-Bäumen die knörnrichten Gewächse so sorgfältig / als die Perlen in Muscheln suchte / nicht aber auch in Gemüthern die Verstellungen für was sonderliches achtete / und eine Mißgeburt für ein Wunderwerck hoch hielte! So aber ist es leider! dahin kommen: daß / wie die ihre Farbe am seltzamsten verwandelnde Blumen für die schönsten /also die unbeständigsten Hertzen für die gescheutesten geachtet werden. Ihrer viel bilden sich ein: sie könten nicht die Ehre haben Rosen zu seyn / wenn sie nicht mit ihren Dornen andere Seelen beleidigten. Ismene machte ihr hierauf diese Auslegung: daß Erato den ihr so lieben Fürsten Zeno anstäche; fieng daher an: Ihr Hertze trüge sie so sehr zu den Blumen: daß sie eine Vertheidigerin ihrer Unschuld seyn; und also auch dis / wormit die Menschen den Blumen nachahmten / rechtfertigen müste. Unterschiedene Weltweisen hätten nicht nur dis / was die Königin an den Blumen tadelte / gepriesen / sondern sie gar für ihre Lehrmeistern erkennet. Welche den Menschen zu einem viel höhern anleiteten / als was das leibliche Auge an ihnen wahrnehme. Die stachlichsten Kräuter wären die kräftigsten Artzneyen / welche die Natur mit Disteln und Stacheln aufs sorgfältigste gewaffnet hätte / damit selbte nicht von unachtsamen Füssen vertreten / von vorwitzigen Händen versehret; von gefräßigen Thieren vertilget; sondern dem Menschen zum besten aufbehalten würden; denen dis / was man an ihnen hassete / zum besten gewachsen wäre. Die Natur hätte die Blumen so schön gemahlet / umb ihren Nutzen desto annehmlicher zu machen; und daß die Wollust der Augen uns zu ihrem heilsamen Gebrauche so viel mehr anreitzte. Nach dem Beyspiele dieser Gewächse erforderte es auch offt die hohe Noth: daß ein Mensch sich gegẽ dem andern mit spitzigen Waffen ausrüstete; wormit die Eitelkeit sich nicht an uns vergrieffe; oder durch unsere Unempfindligkeit zu weit vergienge. Die Klugheit erforderte von uns öfter / als die Natur von Blumen / die Farbe zu verändern / damit andern nicht für uns zu eckeln anfienge. Ja es wäre fast Noth: daß uns der Himmel offt für dem Alter grau und runtzlicht werden / und unsere Gestalt so geschwinde / als der Blumen verschwinden ließe. Sintemal wie die Schönheit in den Blumen[429] die Ursache des Todes und einer zeitlichen Abbrechung; also unsere des Unglücks ist / dadurch wir durch anderer Liebe gestürzt werden. Die Fürstin Thußnelda verstand allzu wol: daß die Eyversucht beyden derogestalt die Zunge lösete / und brach ein: Alle Blumen wären so grosse Wunder-Wercke in der Welt: daß dieser Nahme nicht ohne grosses Unrecht nur etlichen Arten derselben zugeeignet würde; ja alles / was sie an sich hätten / wäre etwas göttliches; außer / daß sie sterblich wären. Diesemnach sich der Mensch an ihnen / als Nach-Gemählden himmlischer Schönheiten gar wol zu spiegeln hätte. Ihr Glantz wäre so wol / als der Schimmer der Sterne ihre Sprache / welche uns ins Hertz redete: daß wie sie nur auf einen Tag; also die Menschen auf nicht viel länger gezeugt wären / und die schönsten am geschwindesten verwelckten. Daß der Purpur der Könige / wie der Anemonen erblaßte; das Gold so wol von gekrönten Häuptern / als Lilgen abfiele; und die Käyser-Kronen so wol in Pallästen / als Gärten zu Bodem fielen. Nichts aber vergnügte und unterwiese sie an den Blumen mehr / als ihr Geruch. Dieser wäre ihre rechte Seele / und eine Erquickung der Seelen. Sie hätten zwar mehr Farben und Gestalten / als keine Sprache Wörter solche zu nennen; Aber noch weniger liesse sich das Reichthum ihres Gemüthes ausdrücken; also / daß wenn gleich Indien und Arabien alle Balsame /Hartzte und Würtzen zusammen trüge / sie doch weder die unzehlbaren Arten / noch die Krafft des Blumen-Geruchs ausgleichten. Sie vergiengen auch zweifels-frey nur desthalben so geschwinde; weil sie durch den Geruch so begierig ihre Seele ausathmeten. Ja etliche / wie klein sie wären / rüchen so starck /daß sie schienen Geister ohne Leib zu seyn. Der Geschmack würde zwar der köstlichen Früchte überdrüßig: aber an den Farben der Blumen könte sich das Gesichte / an ihrem Bisame der Geruch niemals sättigen; also daß nur an ihnen der Uberfluß sich seiner Unart / nemlich des sonst aus ihm erwachsenden Eckels erledigte. Nach diesem Beyspiele solte der Mensch auch unaufhörlich den süssen Geruch eines guten Nahmens von sich auslassen. Denn dieser wäre ein so gewisses Kennzeichen der innerlichen Tugend / als der Geruch in Blumen eine Anzeigung ihrer Heilsamkeit. Wenn an diesem die Farbe gleich vergienge / die Blätter verwelckten / bliebe doch ihr Geruch; und ihren Staub genüsse man in Artzneyen; also auch /wenn wir schon verweseten / tauerte ein wolverdienter Nachruhm nach unser gäntzlichen Einäscherung. Und der nur im Gedächtnüsse übrige Schatten unsers Lebens diente der Nachwelt zu einem Lichte.

Germanicus / welcher in einem laubichten Gange des Gartens dem Frauenzimmer unvermerckt genähert / und sich hinter das Bild des Bacchus gestellt hatte /hörete diesem allem begierig zu; und als ihn Zirolanens vorwitziges Auge ausgespüret hatte / trat er herfür / und fieng an: Er hätte noch keine würdige Liebhaberin der Gärte / als Thußnelden gehöret. Ins gemein hielte man in ihnen nur den äuserlichen Schein und zwar unmäßig werth. Der Geist der Anschauer schwinge sich selten über ihre Blumen-Bäte; und die meisten hegten sie nur zum Zunder ihrer Eitelkeit /und zu Haupt-Küssen des faulen Müssigganges. Sie pflegten eines frembden / wiewol unnützen Gewächses / sorgfältiger / als ihrer eigenen Kinder; und giengen umb eine verwelckte Blume oder verfaulte Zwibel länger / als Murena umb seinen Fisch / und ein ander Römer umb einen Raben im Leide. Wenn ein ander in seinem Garten was seltzamers hätte / gienge[430] es ihnen näher / als dem Sulla / da er nicht Stadt-Vogt / und dem Cato / da er nicht Bürgermeister werden konte. In diesem Schatten der Bäume vergrübe aber die Fürstin Thußnelde nicht ihre allzu hohe Gedancken; sondern ihre Garten-Lust wäre die Erleichterung ihres Gemüthes / und die Erbauung ihrer Tugend. GOtt hätte alles in der Welt nicht so wol zum blossen Anschauen / als zu unserem Unterricht und Nutzen geschaffen; und um unsere Schlafsucht zu ermuntern /oder den Gebrechen unserer Ohnmacht zu rühmlichem Vorsatze anzuleiten / in die kleinsten Gewächse die gröste Kunst verwendet. Also wäre kein Kraut so unansehnlich / keine Blume so ungestalt / welche nicht eine Artzney so wol unser Seelen / als unser Leiber abgäbe; und nicht weniger zu einem Spiegel des Lebens / als zu einem Hülffs-Mittel der Gesundheit diente; welche aber niemand besser als Thußnelde anzugewehren wüste. Thußnelde antwortete: Es wäre eine angebohrne Höfligkeit: daß er über ihre niedrige Gedancken eine so herrliche Auslegung machte. Dis aber könte sie nicht läugnen: daß sie aus dem Buche der Natur GOtt zu erkennen und sich zu erbauen jedesmahls beflissen hätte. Sie wäre zwar kein Riese; aber darinnen doch dem Antäus nicht unähnlich: daß /wenn sie mit ihrem Nachdencken die Blumen-reiche Erde berührte / sie jedesmahl neue Kräfften bekäme. Erato fiel ein: sie hielte diese Regung für eine Eigenschafft aller edlen Seelen. Daher hätten nicht nur die Könige Adonis in Cypern / Alcinous auf Corcyra /Atlas in Africa die Dornen ihrer Reichs-Sorgen in den Blumen-Gärten erleichtert; und Semiramis zu Babylon in ihren hängenden Gärten allen Kummer an Nagel gehenckt; sondern ihre Vorfahren in Armenien hätten diese rühmliche Empfindligkeit so wol / als die Könige in Persien bey sich gefühlt / derer Paradiese ihre Wohnstädte / die Gärtnerey ihr Handwerck gewest wäre. Nichts weniger solte Attalus sich so wol auf die Blumen-Zeugung / als auf das Gewebe der geblümten Zeuge und Kleider verstanden; auch Epicur und andere weise Griechen / ihre Welt-Weißheit in Gärten gelehrt haben; gleich als weñ die Seele durch den Anblick so schönen Mahlwercks / und durch den Geruch so viel kräftiger Gewächse zu vieltiefsiñigerem Nachdenckẽ aufgeweckt würde.

Uber diesen Worten näherte sich auch Tiberius /welcher in diesen blühenden Garten und bey der lachenden Jugend des Jahres gleichsam alle Ernsthaftigkeit seiner Geburts-Art und Alters von sich gelegt hatte / und alle Deutschen / besonders aber das Frauenzimmer mit der anmuthigsten Freundligkeit unterhielt; und ihnen selbst ein und andere seltzame Blumen; also insonderheit Purpur-färbichte Lilgen-Narcissen theils mit grossen Kelchẽ / theils mit rundten Blumẽ / theils mit verschlossenen Scheidẽ; Feuer- färbichte Jasminen aus Indien / Syrische Früh-Rosen /und andere Wunderwercke fremder Länder zeigte und auslegte. Hierüber ward durch die Trompeten angedeutet: daß die Taffel zur Mahlzeit bestellt wäre. Die mit hunderterley Blumen gekräntzte / ja darin gekleidete Chloris kam mit zwölf umblümten Gärtnerinnen / und lud die gantze Versammlung zu der bereiteten Mahlzeit ein. Sie bestreueten für ihnen den Weg mit so viel Blumen: daß sie gleichsam darinnen waten musten; gleich als wenn so viel Fürsten nicht anders /als die Götter von einem Uberflusse der Blumen bewillkommt werden müsten. Also näherten sie sich dreyen an einander gehenckten Zelten / welche von den seltzamsten Blumen zusammen geflochten / oder vielmehr wie die Persischen Tapezereyen gestickt waren. Deñ die weissen / blauen / rothen / gelben und scheckichten Blumen bildeten theils Landschafften /theils Thiere / theils nachdenckliche Schrifften so künstlich ab:[431] daß alle Mahler der Welt mit ihren kostbaren Schildereyen allhier gegen der mit einander verschwisterten Natur und Kunst würden beschämet worden seyn. Die Taffeln und die Köche waren nach Sybaritischer Art nicht nur mit Blumen überdeckt / alle Schüsseln und Gerüchte darmit überstreuet / alle Trinck-Geschirre mit Blumen-Kräntzen umbflochten /und der Wein mit Blumen vermischt; sondern man gieng auch so gar auf nichts / als Rosen; und denen Gästen waren zum Sitzen Küssen und Polster aus Rosen untergelegt; also daß dieser Ort mehr / als die Stadt Paläa der Götter Rosen-Tisch genennet zu werden verdiente. Ob es nun zwar so wenig zu Rom / als Griechenland bräuchlich war: daß frembdes Frauenzimmer / am wenigsten aber Jungfrauen Gastereyen beywohneten; außer denen Feyermahlen der Rathsherren; so ließ doch Tiberius allhier nach Art der unschuldigen und nicht argwöhnischen Deutschen beyderley Geschlechtes Gäste unter einander sitzen. Bey der Taffel wurden sie von hundert der schönsten Jungfrauen bedienet; welche auf den Häuptern grosse ihr gantzes Antlitz überschattende Kräuter trugen / und in ihren von Blumen zusammen gehefteten Röcken eitel Blumen-Göttinnen vorstelleten / bey derer Kräntzen die vom Pausias und der Glycera gelehrte- und dem Amasis die Krone Egypten-Landes erwerbende Kunst / welche Blumen sich ihrer natürlichen Eigenschafften halber zusammen schickten / aufs genaueste beobachtet war. Massen denn auch die güldenen Harffen / und andere Säiten-Spiele alle / wie des Apollo Leyer mit Lorbeer-Kräntzen / prangten. Mit einem Worte: Es war hier nicht anders / als wenn es Blumen geschneyet hätte; oder sich alles / was so holdseelige Gäste anschauten / in Rosen verwandelte / und die Laconische Blumen-Stadt Anthana in diesen Garten versätzt; ja fast jeder Krantz ein kurtzer aller auf Erden / im Meere / und im Himmel zertheilter Schönheiten wäre. Agrippina hatte auch allem deutschen Frauenzimmer Anlaß gegeben ihnen mit eigener Hand zu Bekräntzung ihrer Häupter / Armen und Brüste Blumen abzubrechen. Sintemal es für einen Fehler gehalten ward / an grossen Feyern mit gekaufften Blumen sich zu bekräntzen. Jedem Helden aber sätzten / wie bey den Gastmahlen der Götter geschehen soll / zwölf Centauren einen Rosen-Krantz auf die Scheitel; einen von Laube umb die Stirne; und / gleich als wenn die Kräntze nicht allein zu Verehrung des Hauptes erfunden wären / einen von Kräutern umb den Hals. Tiberius ließ nichts an Kostbarkeit der Speisen / und an Aufmunterung zur Ergötzligkeit erwinden; entweder weil sein altes Feuer der Liebe gegen Thußnelden wieder glimmend ward; oder weil er durch so viel Ehren-Bezeugungen die Deutschen in Sicherheit einzuschläffen gedachte. Die Taffeln waren am Fusse von Helffenbein; die Blätter von Citron-Holtze; die Bette zur Lager-Stadt der Gäste mit roth sammetenen Decken belegt. Als es zum Liegen kam / fand sich zu jedem Gaste eine wolaufgeputzte Jungfrau; welche ihm die Schuch auflösete / und die Füsse ihm mit wolrüchenden wärmende Hände mit kalten Wassern wusch; zum Haupte und Barte Syrischen Balsam reichte / und einem jeden einen leichten und köstlichen Gast-Rock von Baumwolle anlegte. Thußnelden war die lezte Stelle des mittelsten Bettes / und also die Oberhand an der Taffel / und nach ihr allen Deutschen der Vorsitz eingeräumt. In der Mitte der Taffel stand ein unbeweglicher Colossus / welcher in der rechten Hand eine Schüssel voll Saltz / in der lincken ein Gefäße von Wein hatte. Derer jenes bey Tische für ein Vorbild der Freundschafft / dieser der Freudigkeit gehalten wird. Die Speisen einer jeden Tracht wurden alle auf einmal auf einem vergüldeten Gestüle auf die Taffel gesetzt. In der ersten Tracht wurden alle Speisen auf zwölf[432] güldene Füsse gesätzt / welche die zwölf himmlischen Zeichen abbildeten; und auf jedem dieser Füsse stunden sechs sich darzu schickende Speisen. Auf dem mit Amethisten versetzten Wieder war allerhand Wieder-Schaaf- und Lamm-Fleisch. Auf dem mit Hyacinthen gezierten Ochsen Speise von Rindfleische; auf dem mit Chrysopasen bedeckten Zwillingen zugerichtete Nieren und Geilen. Auf dem mit Berillen geschmückten Löwen allerhand nur erdenkliches Wilpret von vierfüssigten Thieren mit Africanischen Feigen belegt. Auf der mit Chrysolithen erhobenen Jungfrau / Gerüchte von Bibern / Geburts-Glieder von geldem Vieh und Schild-Kröten. Auf der von Sardonichen schweren Wage alles nur ersinnliche Flügel-Werck; sonderlich aber gethürmte Schüsseln von Fasanen / Hasel-Hünern / und Gerstlingen; wie auch vielerley Back-Werck und Kuchen; auf dem mit Sardonichen gläntzenden Scorpion Bären-Fleisch und Raub-Fische; auf dem mit Schmaragden bekleideten Schützen Trappen und wilde Schweinen-Köpffe; auf dem mit Chalcedonichen bekleideten Stein-Bocke Gemsen / Reh-Hirsch- und Elend-Fleisch; auf dem mit Saphieren schimmernden Wasser-Manne Wasser-Wilpret / Austern / Schnecken / und vielerley See-Fische; auf dem mit Jaspißen gantz bedeckten Fischen hunderterley Fluß-Fische / und gekräntzte Milch. Der mit Topaßen prangende Krebs stand in der Mitten mit Krebsen / welche alle die Schalen abgeworffen hatten. Und auf diesem waren wol hundert Kräntze über einander gethürmet. Nach dem sich die Anwesenden aufs neue aus wolrüchendem Wasser gewaschen hatten /wie die Römer bey Veränderung jeglicher Tracht gewohnt waren / ward in der andern Tracht an des Mieders Stelle gesetzt / ein mit Eicheln gekröntes Bild Jupiters / welches sieben mit Trappen / Stieren / Reh-Böcken / Granat-Aepffeln / Citronen und Feigen gefüllte Schüsseln trug; die aber alle mit Saffran-Blumen überstreut waren / auf welchen Jupiter und Juno sollen zu schlaffen pflegen. An statt des Ochsen ward das Bild des mit Myrthen gekräntzten Kriegs-Gottes gesätzt; welches auf sieben mit Raute / Grase und Wermuth überstreuten Tellern / Biber / Hechte / Forellen / Senff / Brunntressen / und andere scharffe Kräuter den Gästen vorhielt. Den Platz der Zwillinge erfüllete das mit Poley umbflochtene Bild der mit einem halben Monden gehörnten Diana / mit so viel von Hirsch-Fleische / Schneppen / Austern / Schnecken / Krebsen / und eingemachten Melonen gehäufften- und mit Hahnen und Beyfuß ausgezierten Muscheln. An statt des Löwen sahe man den mit feurigen Anemonen umbflochtenen Vulcan; welcher in sieben umbnelckten Nabben / Datteln / Indianische Palmen-Nüsse / Zimmet / Nägel / Muscaten / Pfeffer /und viel andere Würtzen / darreichte. Der Jungfrau Stelle versätzte die mit Oel-Zweigen überschattete Minerva; welche in so viel mit Rosmarin umbflochtenen Geschirren allerhand Oele und Balsame hielt. An statt der Wage stand das mit Reben-Blättern bekräntzte Bild der Juno; welche auf ihrer güldenen Krone sechs empor-gekehrte Mohnden führte / und sieben mit Pfauen / Rebhünern / Lerchen und hunderterley Flügel-Werck gehäuffte / auch mit Lilgen gezierte Schüsseln kaum ertragen kunte. Den Abgang des Scorpions ersetzte der mit frischen Feigen gekrönte Saturn auf so viel mit Cypressen und Eschen-Laube umbwundenen / und mit Aalen / Lampreten / gemeinen und Egyptischen Feigen / eingemachten Oliven /Gurcken / Fichten-Nüssen angefüllten Schalen. Den Schützen vertrat das Bild des Apollo mit einem Krantze von Sonnenwenden und Egyptischen See-Blumen; und war in sieben mit Hyacinthen beblümten Schüsseln mit Phasanen / Indianischen Hünern / wilden Auer- und Birck-Hähnen / wie[433] auch Salmen /Lachs und andern niedlichen Speisen überladen. Die Speisen waren alle mit Goldstaube bestreuet. An der Stelle des Steinbocks befand sich der mit dreyen Narcissen / und Lorbeer-Kräntze aufziehende dreyköpfichte Mercur; welcher in sieben künstlichgeflochtenen und mit Bürgel-Kraute umbwundenen Körben /sieben prächtige Schau-Gerichte hielt. Eines stellte den Atlas für; der auf den Achseln eine gläserne Welt-Kugel trug / in welcher oben Forellen und Purpur-färbichte Salmen schwamen / unten aber kleine Schnee-Könige herumb flohen. Das andere bildete Andromeden und den sie zu verschlingen dräuenden Wallfisch für; welcher vermittelst eines Uhrwercks fort für fort den Rachen aufsperrte; da denn jedesmal eine Drußel / Stiglitz / Hämpflich / Quecker / oder dergleichen kleiner Vogel heraus geflogen kam. Das dritte war das Bild Amphions; welches durch gleichmäßige Regung / so lange als es auf der Taffel stand /auf der vom Mercur erfundenen Leyer spielte / wozu denn 2. versteckte Knaben unterm zuckernen Berge Parnassus / welcher mit dem Apollo und den neun Musen das vierdte Schau-Essen fürstellte / mit ihrer hellen Stimme zierlich einstimmeten. Das fünfte war das Bild der sich in einen Baum verwandelnden Myrrha / dessen Aeste von allerley Balsam tröpffelten. Das sechste Schau-Essen vorbildende den Berg Aetna; welcher auf seinem Gipffel mit seinem stetsglimmenden Zimmet-Feuer und Weyrauch-Dampffe die Lufft einbisamte; auf den Seiten aber aus den Klippen rothen und weissen Wein sprützte. Das siebende bildete den sich in einen Pfauen verwandelnden Argus für; dessen Augen bald allerhand Edelgesteine / bald Sternen fürstellten / und solche unaufhörlich bewegte. An der Stelle des Wasser-Mannes stand Neptun mit einem fichten Krantze auf dem Haupte /und reckte in sieben grossen mit Wasser-Klee belegten Muscheln denen bey der Taffel auf Römische Art liegenden Fischen alle ersinnliche Meer-Speisen zu. An statt der Fische zeigte sich das Bild der mit Rosen gekräntzten Venus. In sieben Porcellanen mit Anemonen überstreuten Schalen hielt sie zugerichtete Geilen von Kapp-Hahnen / Numidische Hüner / Murenen-Milch / eingesaltzene Eyer von Stören und Hausen /mit Wein-Eßig und Oel eingemachte Eingeweide von Makrellen / und andern zur Geilheit dienenden und destwegen so vielmehr gewürtzten Speisen. Auf der mitlern Stelle des Krebses stand das Bild der Ceres mit einem Weitzen-Krantze; welcher Krantz der älteste unter allen / und ein Wahr-Zeichen eines gewünschten Ausschlages seyn soll. Sie trug sieben mit weissem Geblüme bestreute Schüsseln aus Lemmischer Erde / mit allerhand nur ersinnlichem Obste. Tiberius und die andern Römer unterließen das wenigste die Deutschen aufs höflichste zu bedienen / und aufs annehmlichste zu unterhalten. Ihre Verträuligkeit war die Erfinderin allerhand Schertzes / und dieses Gesetzes: daß / wer ein ihm aufgegebenes Rätzel nicht auflösen könte / ein Glaß Saltz-Wasser zur Straffe austrincken solte. Welches aber den Gesetz-Geber Tiberius am ersten traf / nach dem die scharfsinnige Thußnelde mit ihren verblümten Fragen seiner Arglist weit überlegen war. Hierbey wuchs nicht weniger seine Begierde zu trincken / als seine Vergnügung. Daher er ihm die schönsten Trinck-Geschirre aus Edelsteinen / Berg-Krystallen und dem reinsten Glase / darein viel Geschichte und Sinnen-Bilder künstlich geschnitten waren / reichen und nach einander ausleeren ließ. Er vergaß hierbey keines deutschen Fürsten Gesundheit in gekröneten und mit Epheu umbwundenen Gläsern zu trincken / und hiermit zu erhärten: daß er es den Einwohnern der[434] durstigen Mitternacht im trincken zuvor thäte. Wie er denn auch entweder aus Einbildung: daß das Vermögen unmäßig zu trincken eine grosse Tugend wäre / oder in Meinung den Deutschen zu liebkosen / sich bey angefeuerter Stirne rühmte: daß er dreyen ihm stattlich Bescheid thuenden Sauf-Helden / nemlich dem Pomponius Flaccus die Syrische Land-Vogtey / dem Lucius Piso die Aufsicht der Stadt Rom / und einem andern die Ober-Einnah me der Reichs-Einkunfften beym Käyser zu wege gebracht hätte. So offt nun Tiberius ein grosses Glaß ausgeleeret hatte / steinigten gleichsam die an der Taffel sitzenden Römer / wie die Macedonier bey Alexanders Gastmahle / den Calisthenes / und nach gemeiner Art der schwelgenden Griechen / ihn mit Blumen; und jauchtzeten gegen ihm als einem Uberwinder / welcher auf den Olympischen Spielen seinem Gegner alle drey Streiche angebracht hätte. Ja Tiberius war hierüber so verträulich: daß er ihm etliche tausend helffenbeinerne Würffel / darauf allerhand Thiere / Früchte / güldene Ketten / Silber-Geschirre / Geld / auch zum theil lächerliche Dinge geschnitten waren /bringen ließ / und über die Taffeln / bey welchen die deutschen Kriegs-Leute gespeiset wurden / zu werffen befahl; derer jeder hernach vom Rentmeister abzufordern berechtigt war / was sein Würffel andeutete. Unter diesem Gläser-Kriege brachten die sie bedienenden edlen Jungfrauen frische-zwar nur aus Eppich und Epheu geflochtene- aber mit Edelgesteinen glänzende Kräntze; welche nicht nur von denen aus Rosen / Veilgen und Lilgen / Myrrchen- und wilden Reben-Blättern / aus Narden und Majoran-Wurtzeln bereiteten Oelen / sondern von Syrischem und Babylonischem Balsam gleichsam troffen / und nicht weniger die Häupter anfeuchteten / als die Stirnen und halben Antlitzer gantz verdeckten; vielleicht die vom Weine verursachte Röthe zu verbergen. Diese sätzten sie nicht nur denen Trinckenden auf die Häupter; also /daß dieses Zimmer eben so wol / als des Philippus Philadelphus bey seinem Gastmahle die Gestalt einer mit Edelgesteinen beblümten Wiese fürbildete; sondern denen Gästen wurden so gar aufs neue rings herumb die Füsse aus Jasmin-Amomum- und andern wolriechenden Wassern gewaschen. Mitten in diesem Blumen-Saale / an dessen Decke allerhand zum singen abgerichtete Vögel angebunden waren / und aus welcher es fort für fort gleichsam Blumen schneyte /hieng ein mit Diamanten und Rubinen reich-versätzter Rosen-Krantz / welcher sonder Zweiffel kostbarer war / als den die Persen dem Agesilaus schickten. Inwendig war in die güldene Schiene dieses Krantzes mit zierlichem Schmeltze köstlich eingeetzt:


Weil allen Siegern man ins Haar flicht Blumen ein /

Wie soll die Wollust denn nicht auch gekräntzet seyn?


Unter diesem abhängenden Krantz sätzte Tiberius ein Trinck-Geschirre / dessen Zeug zwar Gold / aber gegen der Versetzung mit Schmaragden / und der herrlichen Arbeit das geringste war. Auf diesem stand die Vermählung des Bacchus / der Ceres und Venus erhoben / mit beygesetzten Worten:


Ohne Wein und gute Kost

Ist die Glut der Leibe Frost.


Tiberius erklärte sich hierbey: daß / wer dieses drey Maas haltende Gefäße auf einen Trunck ausleeren würde / den aufgehänckten Siegs-Krantz zum Preiße haben / und dem Alcibiades gleich geschätzt werden solte. Ob nun zwar die Deutschen dem Tiberius zu Gefallen / auch in dem Truncke ihren Mann[435] ziemlich wehrten / so hielten sie doch so viel möglich an sich umb nicht durch Verlierung der Vernunfft denen Römern sich zum Gelächter zu machen. Und ob wol ein Schwardonischer Edelmann sich heimlich gegen dem Hertzog Ingviomer heraus ließ / auch bey Saltz und Brodte schwur: daß er dessen Meister zu werden gar wol getraute; hielt er doch selbten zurück / mit der Erinnerung: Es wäre eine unausleschliche Schande der Griechen: daß sie ihren Xenocrates wegen seines Sauffens mit einem kostbaren Krantze beschenckt hätten; diesen und den weibischen Sybariten / welche wollüstige Verschwender kräntzten / möchten es die Römer nachthun. Denen Deutschen aber wäre nur anständig sich durch Tugend / nicht durch strafbare Laster umb Ehren-Kräntze zu bewerben. Unterdessen zückte sich Novellus Torquatus herfür / und bot sich an / nicht alleine sich an das Trinck-Geschirre zu machen; sondern er that auch seinem Versprechen zum grossen Frolocken der Römer / sonderlich aber des Tiberius ein Genügen; welcher dem Novellus also bald den Krantz aufsätzte. Er nam hierauf seinen Krantz vom Haupte und zerriß in kleine Stücke; gleich als er hierdurch seines höchsten Wunsches gewehret worden wäre / oder er durch dis Zeichen aller Uppigkeit den Zügel verhencken wolte. Er ergrief auch selbst einen Myrthen-Zweig / und sang den Anfang des dem Bacchus vom Aeschylus gemachten Lob-Gesanges; welchem seine Nachbarn / denen er den Zweig zulangte / nachsingen musten. Nach dem dieser Preiß vergeben war / erlaubte Hertzog Ingviomer seinem Edelmanne eben selbigen Becher auszutrincken; welches er denn in einem Atheme zu aller Anwesenden Verwunderung ausrichtete. Dieses vergnügte den Tiberius derogestalt; daß er anfieng: dieser Deutsche verdiente in den Elysischen Feldern des Musäus Stelle zu vertreten; welcher denen / die daselbst in unaufhörlicher Trunckenheit lebten / einen Krantz aufsätze. Er befahl auch dem Novellus: daß er / als Uberwundener / diesem Deutschen den Siegs-Krantz einhändigen und einer andern Vergeltung gewärtig seyn muste. Wie sehr sich dieser nun zwar des Empfangs weigerte; muste er doch der öftern Nöthigung des Tiberius sich unterwerffen. Germanicus /welcher besorgte: daß der trunckene Tiberius sich in Wollüsten noch weiter vergehen / und gegen das deutsche Frauenzimmer ärgerlicher Freyheit / wie auf solchen Gastmahlen bey Zerreissung der Kräntze / Ausleschung der Lichter / Vermengung der Bette / mehrmals zu geschehen pflegte / unterfangen würde / ward hierüber bekümmert; sonderlich da er destwegen von der eben dis besorgenden Agrippine einen Winck bekam / und sie Zeugung machte mit dem andern Frauenzimmer / nach Art der Persischen Königinnen bey hervor brechender Trunckenheit von der Taffel aufzustehen. Diesemnach machte Germanicus Anstalt: daß dis / was zu der angestellten Lust ermangelte /nunmehr beschleuniget werden möchte. Es ward diesemnach die dritte Tracht auf einem über und über vergüldeten Speise-Gestühle auf die Taffel getragen. Darauf stunden die Bilder der zwölf Monate. An der Stelle Juno stand der ihr gewiedmete Jenner / welcher in sieben Schüsseln eitel Schnee und Eis abbildendes Zucker-Werck trug. Den Platz des Neptun vertrat der Hornung mit sieben Schalen / welche von Eingeweiden der Meer-Barben / und Murenen-Milch; den Raum Minervens vertrat der Mertz mit Torten / welche mit den köstlichen Säfften / Baum-Früchten / und Marck der Thiere gefüllt waren. Die Venus bildete der Blumen-reiche April für / welcher denn auch in sieben Muscheln nichts anders / als einen Uberfluß des schönsten aus Zucker[436] und Säfften gemachten Blumwercks / wie auch allerhand Milch fürsätzte. Des Apollo Stelle füllete der May mit sieben Schalen / welche von eingeamberten Suppen / und aus den seltzamsten Stärck-Säfften gemachten Gallerten angefüllt waren. An der Stelle des Mercur befand sich der Brach-Monat / mit sieben von Rebhüner-Eyern /Drossel-Gehirne / Phönicopter-Zungen / Pfauen- und Papagoyen-Köpfen gefüllten Pasteten. Jupiters Platz füllte der Heu-Monat / welcher auf sieben Tellern in Eyß gefrorne Erd- und Him-Beeren / nebst andern Erfrischungen / darreichte. An statt der Ceres ließ sich der August-Monat sehen mit allerhand künstlichem Backwercke / Melonen / unterschiedenen Piltzen und Schwä en / wie auch Samischen / Coischen / und Tarentinischen Kuchen aus Lesbischem Kern-Meele /Honige / Zucker / Eyern / Flachtoter / Oel / Zibeben /Milch und Würtzen bereitet. Den Platz des Vulcan nahm der Herbst-Monat / welcher in sieben Körben so viel Körbe allerhand Obstes trug. Den Mars vertrat der ihm geweyhete Wein-Monat / mit sieben Schüsseln voll frischer Wein-Trauben / Wein-Beeren aus Chio / Egyptischen Bohnen / Africanischen Feigen /und Asiatischen Gurcken. Der Winter-Monat nahm Dianens Raum ein / mit Mandeln / Datteln / Pontischen- und Indianischen Nüssen. Die Stelle der Vesta ward von dem letzten Monat vertreten / mit Cynthischem und Sicilischem Käse / allerhand eingesaltzenen Fischen / und geräucherten Speisen. Also daß Tiberius nicht ohne Wunderwerck auf einmal des gantzen Jahres Reichthum fürsetzte. Wiewohl wenig hier von genossen ward; weil auff des Germanicus Anstalt kurtz darauf die oberste Spitze dieses Blumen-Gebäues mit Gewalt eröffnet ward / und die an Achseln geflügelte mit einem Krantze aus nie verwelckendem Tausendschön gezierte und in einẽ blauẽ Atlas mit darein gewirckten Sternen bekleidete Göttin des Geschreyes hinein drang / und denen Anwesenden andeutete: Die güldene und unschätzbare Freyheit würde folgenden Morgen an dem edlen Rhein-Strome / welcher der Freyheit zeither so viel Blutes geopfert hätte /einen Kampff und ihr Siegs-Fest halten. Diese hatte sich kaum in die Lufft geschwungen / als die kaum mit ihren magern Wangen die Zähne deckende / und mit Zwiebeln und Nattern gekräntzte Mißgunst / die Nachtreterin der Ehre / und Mutter der Verläumbdung / unter der Schwelle sich hervor kratzte / und auf die Taffel einen Granat-Apfel warff / welcher die Umb-Schrifft hatte: Dem freyesten Volck der Welt. Dem Hertzoge Ingviomern kam dieser Apfel zum ersten in die Hände / und nachfolgends in der andern Deutschen. Welche diese Erfindung für eine Ausforderung der Römer aufnahmen; und alsobald darauf von der Taffel aufstunden / umb sich desto besser auf folgenden Tag auszurüsten. Tiberius hatte etwan eine halbe Meile unterhalb Meynz am Rhein-Strome einen Kampf-Platz / nach Art des vom Romulus zu Rom dem Mars gewiedmeten / und nach Verjagung der Tarquinier zu Kriegs-Ubungen schicklich eingerichteten Feldes / bereiten / auch umb und umb mit zierlichen Gängen umbgeben lassen. Unter welchem viel tausend Zuschauer / und sonderlich die eingeladenen Deutschen / auf zubereiteten bequemen Sitzen / bey vielen Taffeln mit allerhand zusammen gefrornen Fürchten und andern Erfrischungen bedienet wurden. Denn es ist nunmehr so weit kommen: daß den Menschen nichts / was der Natur / gefällig ist; und daß der aufbehaltene Schnee der heissen Monate Wollust / die Straffe der Gebürge / nemlich das Eiß der Fürsten Geträncke / und nachdencklicher Leute Arbeit worden; welche durch allerhand Künste und Kräuter den Winter zum Sommer zu[437] machen gedacht haben. Der Anfang der besti ten Lust nahm den Anfang von denen allersüssesten Seiten-Spielen / welche denen Ohren gantz nahe / denen Augen aber entfernet waren. Unter dieser Ergetzung erschienen in dem Kampf-Platz hundert in lange Röcke mit rothen Säumen gekleidete Jünglinge / wie der Römischen Freygelassenen Söhnen bey dem andern Carthaginensischen Kriege /wegen beygeschobenen Geldes / zu tragen erlaubet ward. Ihr Vorgänger war der Müssiggang / den Socrates den Bruder der Freyheit zu nennen gewürdiget; die Thracier aber für ihr höchstes Gut geschätzet haben. Er hatte gar nichts in Händen: sein Gang war nur Fuß für Fuß; auf dem Haupte trug er einen Brodt-Krantz /wormit auch zu Rom am Feyer der Vesta der Esel gezieret ward; weil er durch diese Göttin aufgeweckt /und sie des Priapus sich zu enteusern gewarnigt haben soll. Diesem folgte die blaugekleidete Freyheit auf einem von zwey Caledonischen Ochsen gezogenen güldenen Sieges-Wagen; welche Thiere lieber sterben / als gefangen seyn. Sie trug einen Myrten-Krantz auf dem Haupte; in der Hand eine Schlange / als ein Vorbild der Freyheit / welche lieber sich ins Feuer stürtzt / als sich in einem Kreyße von Dornen oder Eschen-Zweigen verschlüssen läßt. Dem Wagen folgten die neun Musen / welche mit ihren Seiten-Spielen die Freyheit preiseten / und der Zuschauer Ohren schier bezauberten. Nach ihnen kamen die sieben freyen Künste / die Schreibe-Kunst hatte einen Krantz von Hyacinthen / Bohnen-Blüthen und Pfirschken; vielleicht / weil diese Blumen und Früchte von der Natur selbst mit Buchstaben bemahlet sind. Die Rechen-Kunst trug einen zugespitzten Krantz von Frauen-Haare und andern fädemichten Blumen; ihre Zärtligkeit dardurch anzudeuten. Die Beredsamkeit war mit anmuthigen Rosen; die Tichter-Kunst mit Lorbern; die Singe-Kunst mit Epheu; die Mässe-Kunst wie Cybele / mit Thürmen / und die Wissenschafft der Sterne mit Oel-Zweigen bekräntzt / wie die langsamen Himmels-Pförtnerinnen Carpo und Tallote / welche der Sonne zu Dienste den Himmel wölckicht und heuter machen. Die Singe-Kunst war mit Lilgen gekräntzet. Hinter diesen kam auch die mit tausend-schön gekrönte Mahlerey / und die mit Alrau-Kraut gekräntzte Bildhauer-Kunst. Den Wagen begleiteten die Eintracht mit einem Lorber- die Freudigkeit mit einem Hyacinthen- die Mässigkeit und Weißheit mit einem Oel- die Wohlfarth mit einem Rosen- die Frömmigkeit mit einem Palmen-Krantze. Diese setzten mitten in diesem Felde aus sieben mitgebrachten Stücken eine Säule zusammen worauf die Freyheit einen mit allerhand Blumen und Edelgesteinen Hutt stürtzte; und darbey diese Reymen sang:


Ihr edlen Seelen / die ihr wisset:

Daß alles Glücke schlechtes Bley

Und nur die Freyheit gülden sey /

Ko t / ehret mich! kommt und genüsset

Der Seele Kost! den Schatz der Erden /

Für dem das Reichthum / das die Welt

Für mehr als seinen Abgott hält /

Als Armuth muß verschmähet werden.


Entfernet euer groß Gemütte

Von knecht'scher Furcht und Dienstbarkeit;

Die mit der Tugend stets hegt Streit /

Und folget der Vernunfft Gebitte /

Die als des Himmels Kind die Schwächen

Der Regungen nicht herrschen läßt /

Der Wollust giftig Licht ausbläßt;

Die minder Lust hat als Gebrechen.


Haß't Lufft und Glutt doch das Gedränge;

Die Flutt müht sich zu machen frey;

Die Pflantze sprengts Gefäß entzwey /

Wenn sie darinnen steht zu enge.

Kein Thier ist / das nicht lieber tragen

Wil Hunger als ein gülden Band;

Und den beperlten Elefant

Hört man die Dienstbarkeit beklagen.[438]


Wie daß denn nur der Mensch alleine

Zu dienen scheint gebohrn zu seyn?

Man hüll't ihn jung in Windeln ein;

Alt klebt er selbst an Dunst und Scheine /

Wenn er sich an der Liebe Nesseln

Und an der Ehrsucht Feuer brennt /

Sein Hertze nie von Golde trennt /

Wenn Glück' und Eitelkeit ihn fesseln.


Der aber / den kein Laster bindet /

Besitzt mehr als ein Königreich;

Er ist sein Herr / und Gott zugleich /

Den nichts nicht zwingt / nichts überwindet.

Ja Jupiter ko t selbst hierinnen

Nicht den behertzten Weisen bey.

Denn er ist von Natur nur frey /

Worzu sich jene machen können.


So laßt euch doch nichts thör'chtes bländen /

Daß ihr steht andern zu Geboth;

Es ist ja ärger als der Tod;

Die Freyheit steht in euren Händen.

Kein Herrscher ist von solcher Stärcke:

Daß nicht ein Knecht sein Herr seyn kan.

Wer einen Wütterich greifft an /

Sich frey macht / übt die grösten Wercke.


So komm't nun / ihr berühmten Geister /

Die ihr der Freyheit euch geweiht;

Bewehrt mit euer Tapferkeit:

Die Freyheit sey der Fürsten Meister /

Der Tugend Kleinod euer Leben;

Für das ihr opfert Seel und Blut.

Dem würdigsten soll dieser Hutt

Zum Ehren Preiße seyn gegeben.


Hierauf hielten die ihr vortretenden hundert Freygelassene umb die aufgesetzte Säule einen künstlichen Tantz / und legten darinnen alle ihre Hütte derselben zun Füssen. Diesen folgten die neun Musen / und die sieben freyen Künste mit der Mahlerey und Bildhauer-Kunst; derer iede in einem vermengten Tantze mit stummen Geberden ihre Fürtreffligkeit so deutlich fürbildete / als wenn sie solche mit Worten ausdrückte; iede auch darinnen ihre Wahrzeichen mit einer zierlichen Ehrerbietung an die Säule der Freyheit gleichsam zum Opfer aufhienge; nemlich die mit Lorber-gekräntzte Heroldin der Helden / Clio / in einem Goldstücke ihre Trompete; die geile Aufseherin der lustigen Schauspiele / die mit Epheu ums Haupt und mit einem gelb-geblümten Rocke prangende Thalia ihre Larve und Stiefeln; die freudige Täntzerin /die mit Strauß-Federn auf dem Haupte und einem von silbernem Zindel gemachten Gewand aufgeputzte Terpsichore ihre erfundene Cyther; die ernsthafte Erfinderin der Trauer-Spiele / die mit Zypressen gekräntzte- und in braunen Sammet gekleidete Melpomene ihren Zepter und Dolch; die hertzhaffte Aufmunterin der Kämpfer / die mit denen dem Hercules gewiedmeten Pappel-Zweigen geschmückte und geharnschte Euterpe ihre Flöte; die annehmliche Liebes-Sängerin / nemlich die mit Rosen gezierte und mit Purpur angethane Erato ihre Laute / die durchdringende Rednerin / nemlich die in weisses Silber-Stück gekleidete und einen Perlen-Krantz tragende Polyhymnia ihr Buch; die scharffsichtige Himmels-Ausspürerin / nemlich die in blauen Atlas sich hüllende und mit Sternen gekrönte Urania ihre Hi els-Kugel; die prächtige Erfinderin der Helden-Gedichte / die mit Palmẽ bekräntzte und sich in grünen Atlas hüllende Calliope ihre Leyer. Gleicher gestalt wiedmete der Freyheit die Schreibe-Kunst ihre güldene Feder; die Rechen-Kunst ihre Ziffern; die Beredsamkeit ihre Blumen; die Tichter-Kunst einen güldenen Drey-Fuß; die Mässe-Kunst ihren Zirckel; die Sternseher-Kunst ihr fernendes Schau-Glas; die Singe-Kunst eine Geige mit einem Ey-rundten Bauch / weil in solchen der Schall sich am besten vergrössert; die Mahlerey ihren Pinsel; und endlich die Bildhauer-Kunst ihr Schnitt-Messer. Als diese Täntze geendigt waren / rennte die frohlockende Freyheit dreymal umb ihre Sieges-Seule; hernach stellte sie sich auf die eine Seite des Kampf-Platzes /allwo selbter die Stirne des zu Rom auf dem Berge Aventinus gebauten Tempels der Freyheit abbildete. Hierauf öffnete sich gegen über ein grosses Thor /durch welches der[439] alte kluge König Janus mit zweyen Gesichtern und einem Krantz von Brunn-Kresse herein zoh. Er saß auf einem mit vielen Kräntzen ausgeputzten weissen Ochsen / dessen Hörner und Klauen vergüldet waren / und hatte in der Hand eine Ruthe von Wein-Reben; weil Janus der Kräntze und des Weines erster Erfinder gewest. Ihn begleitete eine grosse Menge Ackers-Leute mit Kräntzen von Weiden-Laube / und mit allen ersinnlichen Acker-Geschirren / weil dieser den Berg Janiculus bewohnender uhralter König Italiens den Acker-Bau vom Saturn zum ersten gelernet haben soll. Hierauf erschien auff einem helffenbeinernen und mit Lorber-Aesten umbwundenen Wagen / welchen / wie den des Jupiters / zwey schneeweisse Pferde zohen / die mit einer strahlenden Krone wie die Sonne gläntzende Göttin /Rom / in Gestalt einer vierzehn-jährichten Jungfrauen: Auf ihrer güldenen Krone trug sie noch / wie Juno / einen Thurm und den Gürtel der Venus. Die Pferde hatten Geschirre mit güldenen Puckeln / auf der Stirne silberne Schilde / wie halbe Monden / und perlene Hals-Bänder. Ihre Haare waren mit silbernen Bändern eingeflochten / und sie waren mit silbernen Huf-Eisen beschlagen. Hinter dieser Römischen Göttin / welcher die Stadt Smyrna den ersten Tempel gebauet / und ihr geräuchert hat / stand Italien / und hielt ihr eine Lorber-Krone übers Haupt; weil dieses Land in diesem andern Alter von Rom überwältiget worden. Nach dem Wagen kamen vier hundert und achzig Bürgermeister in purpernen Krieges-Röcken / mit eichenen Bürger-Kräntzen auf dem Haupte / geritten; weil nach den Königen jährlich zwey Bürger-Meister zwey hundert und viertzig Jahr lang biß zum ersten Carthaginensischen Kriege den Römern vorstunden. Sie waren alle auffs beste gerüstet / wie wenn sie als Heer-führer in Krieg zu ziehen pflegten. Jeder hatte einen Schildträger / und auf eines ieden Schilde war das wichtigste / was er für die Freyheit des Römischen Volckes gethan / abgebildet. Tiberius hatte ihm die Stelle des Junius Brutus / Stertinius des Fabius Maximus / und der Kern des übrigen Römischen Adels anderer Bürgermeister Stellen zu vertreten auserlesen. Dieser Aufzug geschah unter dem Gethöne etlicher hundert Trompeten. So bald sich aber diese Bürgermeister hinter einander in zwölff Glieder gestellt hatten / ward im Augenblicke alles stille / und Rom fieng zu linden Seitenspielen folgender Weise an zu singen:


Die Freyheit ist mit Rom vermählt /

So wohl / als mit der Kunst der Waffen;

Sie hat in mir den Sitz erwehlt /

In Ruh und Sicherheit zu schlaffen.

Denn Fried' und Freyheit wird in erster Blüth' ersteckt /

Wenn sie nicht Tapferkeit vertheidiget und deckt.


Durch die hab' ich der Zentner-Last

Mich der Tarquinier entbrochen.

Denn Knechtschafft ist mir mehr verhaßt /

Als Spinnen den / den sie gestochen /

Die recht der Erde Pest / der Tugend Wurm-Stich heißt /

Die Freyheit aber ist des Lebens Seel und Geist.


Bückt sich gleich manches Volck für mir /

Folgt Welschland meinen Grund-Gesetzen;

So schreib' ich doch nur Richtschnurn für /

Die ihre Freyheit nicht verletzen:

Begierden dienstbar seyn / ist ärgste Sclaverey;

Wer aber der Vernunfft dem Rechte folgt / bleibt frey.


Kein weiser Indianer wil

Von eines Menschen Knechtschafft wissen;

So ist auch meiner Herrschafft Ziel /

Besiegter Fessel aufzuschlüssen-

Wer Rom und Göttern dient / sucht sich nur zu befreyn;

Drumb wil Fürst Prusias mein Freygelaßner seyn.


Wormit mir nun die gantze Welt /

Wie Smyrna / heil'ge Tempel bauet /

Mich für der Erden Gottheit hält /

Und meiner Herrschafft sich vertrauet;

So führt / ihr Helden ihr / die meine Brust genehrt /

Durch eure Waffen aus: Ich sey der Freyheit Schwerdt.[440]


Wen unter euch der gröste Trieb

Anfla t die Freyheit zu besitzen;

Wem nicht so sehr sein Leben lieb /

Als das Gelücke / mich zu schützen;

Dem wird der Freyheit Hand aufsetzen ihren Hut /

Den schönsten Krantz der Welt / der Menschen höchstes Gut.


Dieser Gesang war so bald nicht beschlossen / als die Trompeten und Kru -Hörner ein Zeichen zum Kriege gaben / und ieder unter diesen Bürger-Meistern sich zum Kampfe rüstete; weil ein ieder sich umb Rom so viel verdient zu haben Anzeugung machte: daß ihm der Freyheit Ehren-Hut wohl anstünde. Es erregte aber bald die Eröffnung eines andern Thores aller Anwesenden Aufsehen. Sintemal unter dem Schalle der allerlieblichsten Seitenspiele der alte Cecrops mit zweyen Antlitzen auf einem Drachen in den Schau-Platz geritten kam. Von welchem Aufzuge er für Alters für einen halben Menschen und einen halben Drachen gehalten / oder aus Drachen-Zähnen entsprossen zu seyn geglaubet ward. Er war wie Bacchus / Hecate / und die Götter bey den Egyptiern auch mit einem Drachen gekräntzet. Ihn begleitete eine grosse Menge mit Streit-Kolben gerüsteter- mit wilden Oelzweigen / nach Gewohnheit des Hercules und der Sieger auf den Olympischen Spielen / gekrönter- und mit Oel eingeschmierter Fechter. Sintemal in Griechenland das Oel zum ersten gewachsen seyn soll /und für eine Hülffe und Vorbild der Tapferkeit gehalten wird. Hierauf erschien in Gestalt der Göttin Pallas die Stadt Athen mit einem Krantze von Oelzweigen; dessen sä tliche Blätter auf der einen Seite vergoldet waren. Hinter ihr stand das mit Myrten gekräntzte- und mit einem gold-gestückten Rocke bekleidete Griechenland; welches jener eine köstliche Perlen-Krone übers Haupt hielt / wie derogleichen die sä tlichen Griechen dieser Stadt nach dem wider die Persen erhaltenen grossen Siege / und die Byzantier und Perinthier ihrem sechzehn Ellen hohen Bilde aufgesetzet haben. Hinten am Wagen war das Gerichte der Pallas und Neptun abgebildet; in welchem jener für diesem das Schirm-Recht über Athen zuerkennet ward. Dem Wagen folgten vier hundert und achzig weiß-gekleidete und darunter fürtrefflich gerüstete Helden. Denn bey den Griechen waren solche Kleider ein Kenn-Zeichen der Freyheit; und dorffte niemand in gefärbter Kleidung zun Schauspielen kommen. Jeden begleitete ein nackter Fechter / welcher ihm Schild und Lantze trug. Germanicus hatte ihm erwehlet Miltiades zu seyn; auf seinem Schild war die Marathonische Schlacht mit den Persen geetzt. Diesem zu Liebe hatte das Glücke durchs Looß die fürnehmsten Römer auf die Griechische Seite geschlagen. Saturninus bildete Themistoclen für; auf dessen Schilde war die grosse See-Schlacht bey Salamine wider den weibischen Xerxes / und die männliche Artemisia zu schauen. Cäcina war Alcibiades; auf seinem Schilde stand seine mit Lorbern gekrönte Schiffs-Flotte / und die Abbildung des ihn mit Entgegen-Tragung ihrer Götter bewillkommenden Athens. Lucius Apronius vertrat die Stelle des den Mardonius erlegenden Aristides; welchen Sieg das Gemählde seines Schildes ausdrückte. Asprenas hatte das Glücke Cimon zu seyn; dessen Schild nicht alleine seine in einem Tage zwey zu Wasser und Lande beym Flusse Eurymedon wider die Meden erhaltenen Siege / sondern auch die ihm selbst angelegtẽ Fessel seines gefangenen Vaters fürstellten. Apulejus hatte die Ehre den weisen und beherzten Pericles / sein Schild die grosse Niederlage der Sicyonier am Flusse Nemea vorzustellen. Plancus hatte die Person des Agesilaus übernommen. Sein Schild zeigte; wie er in dem Opfer-Feuer der Soñe den anwesendẽ Xerxes schreckte / als er nach verbreñter rechtẽ Hand auch die lincke freywillig ins Feuer hielt /nachdẽ er aus Irrthum an statt des Königs den Mardonius erstochen hatte.[441] Mennius / Camillus und Acilius waren die Vertreter des Thrasybul / des Harmodius und des Aristogiton; ihre Schilde aber Abbildungen ihrer wider die dreissig Wütteriche ausgeübter Helden-Thaten / die von wegen der Spartaner das vom Pausanias eroberte Athen beherrschten. Norbanus war Conon. Auf seinem Schilde war zu sehen / wie er mit Persischer Macht wider die Spartaner zur See einen herrlichen Sieg / und der Stadt Athen die Freyheit wieder erwarb. Seines tapfern Sohnes / Timotheus Person / stellte Centronius für. Auf seinem Schilde war die Göttin des Glückes geetzt / welche mit einem Netze Städte fischte; er aber lag schlafend zu ihren Füssen. Iphicratens Platz nahm der junge Sulpitius Galba ein; und dessen Schild dieses zwantzigjährigen Heldens stellte den denen Spartanern versetzten herrlichen Streich vor. Censorinus war Chabrias; auf dessen Schild der verschmitzte Sieg bey Thebe wider den Agesilaus gepregt war. Junius Silanus war Phocion /welcher auf seinem Schilde die Geschencke König Philipps und des grossen Alexanders verschmähete. Mit einem Worte: Es mangelte keiner der tapferen Athenienser; und ihre Schilde waren eitel Sinnen-Bilder aller Griechischen Helden-Thaten. Ja es fanden sich auch auf Seiten der Römer und Griechen über die Zahl unterschiedene herrlich aufgeputzte- und in ihren Schilden nachdenckliche Sinnen-Bilder führende Ritter / welche nicht mit in die Rolle kommen / und also ihren eigenen Geferten unkenntlich waren. Nachdem diese sich gleichfalls gegen die Römer in Schlacht- Ordnung gesetzt hatten / fieng Athen mit einer durchdringenden Liebligkeit an zu singen:


Wie? soll Athen nicht auch ein Theil

An diesem Freyheits-Preiße haben?

Mein Volck wünscht sich fürs Volckes Heil

Wie die Philenen zu begraben.

Der Freyheit Liebe regt und schärffet ihren Muth;

Im Hertzen wallt Begierd' / in Adern edles Blut.


Die Welt war ungeschickt und schlecht /

Biß meine Künste sie gekrönet;

Rom hat von mir Gesetz' und Recht /

Und ihren Gottes-Dienst entlehnet.

Zu Rom lag noch kein Stein / es glam noch kein Altar /

Als ich schon Griechenlands sein Augen-Apfel war.


Die Freyheit ward zu meiner Zeit

Mit mir gebohren und verehret.

Mein Tempel der Beredsamkeit

Hat erst / was Freyheit sey / gelehret.

Denn ohne Weißheit ist die Freyheit Sclaverey /

In Fässeln aber bleibt Miltiades noch frey.


Wen iemals nur ein einig Blat

Von meinem Krantze wegzubrechen

Aus Eiversucht gelüstet hat /

Hat nur bemüht sich selbst zu schwächen.

Ich hab in Trojens Graus mein ewig Lob geetzt /

Und Persens Monden-Krantz mir auf mein Haupt gesetzt.


Nach geendigtẽ Gesange scharrte sich die mit Schlangen gekräntzte Mißgunst mitten in diesem Kriegs-Felde aus der Erden herfür / und ruffte mit heiserem Halse unaufhörlich aus: Zun Waffen! zun Waffen! Die Trompeten munterten auch Männer und Weiber zum Kampfe auf. Junius Brutus und Miltiades machten den Anfang alleine drey Lantzen mit einander zu brechen; darinnen jener auch noch bey seinem ziemlichen Alter seine Geschickligkeit / dieser eine absondere Zierligkeit schauen ließ. Hierauf traffen zwey und zwey / folgends drey und drey / biß endlich gar zwölff und zwölff auf einander: daß die Lufft nie von Stücken der zersprungenen Lantzen leer war /und die Augen nicht genung sehen kunten / umb alle Meister-Streiche der Tapferkeit wahrzunehmẽ. Fast allen aber that es derselbe Römer zuvor / welcher den Bürgermeister Horatius Pulvillus fürstellte / und in seinem Schilde die durch die Tiber schwimmende Clölia führte. Zwey guter Stunden hatte dieses Lantzen-Brechen gewähret / als die Griechen mit Fleiß denen sie ferner ausfordernden Römern / gleich als wenn sie sich hiermit überwunden zu seyn erkenneten / den Rücken kehrten. Hierauf verfügte sich die[442] Freyheit wieder auf ihren Wagen in die Mitte des Schau-Platzes / und sprach singende das Urtheil aus:


Verkreuch dich / thör'chtes Griechenland!

Dein grosser Pyrrhus mag dir sagen:

Ob du befugt seyst Hals und Hand

Für Rom so hoch und stoltz zu tragen.

Das grosse Griechenland ist schon der Römer Knecht.

Was rühmt das kleine denn viel seiner Freyheit Recht?


Ihr edlen Römer aber habt

Noch mit den Waffen anzufechten:

Wer unter euch soll seyn begabt

Mit dem / was Ehr' und Freyheit flechten.

Ob ich euch alle zwar des Kleinods würdig weiß;

Gebührt dem windigsten doch nur der Freyheits-Preiß.


Dieser Ausspruch war unter den Römischen Bürgermeistern ein neues Zanck-Eisen. Jeder hielt es für eine Schande in der Liebe und Beschirmung der Freyheit / welche zu genüssen ihnen die unvernünftigen Thiere so gar die gefesselten Klauen abnagten / einem andern was vorzugeben. Jeder rüstete sich mit neuen Lantzen zu einem frischen Gefechte / welches niemals grausamer / als für die Freyheit ist. Die Römer traffen hierauf für Mann auf einander; der den Brutus vorstellende Tiberius aber fieng nunmehr mit allen andern Römern an zu treffen / und zwar mit solchem Glücke: daß er eitel Wunderwercke auszuüben schien. Denn auser seiner waren alle andere Lantzẽ durch ein sonderbares Kunst-Stück derogestalt bereitet: daß / wenn sie Tiberius nur mit seiner berührte / selbte so / als wenn sie Glas oder von Glase gegossene Thränen wären / bey Abbrechung ihrer Spitze zersprungen. Niemand war auch / der nicht durch seine Ehrerbietung schon diesen eingebildeten Brutus für den Uhrheber der Römischen Freyheit erkennte; welches die abermals in der Mitte dieses Feldes erscheinende Freyheit derogestalt bekräfftigte:


Komm Brutus! dessen Weißheit sich

Vermumm't in Thorheit ließ verlachen;

Umb durch die Arglist einen Striech /

Durch Dienstbarkeit ein Loch zu machen;

Der du die Frau der Welt / was frey sey / hast gelehrt;

Komm! daß dich Rom und Welt für ihren Freyherrn ehrt.


Komm! und setz' auf den Freyheits-Hut

Den dir die Tapferkeit erworben!

Du wiedmest mir dein eigen Blut.

Die Knechtschafft ist zu Rom gestorben /

Als du dem Sextus triebst den Degen durch das Hertz /

Und deiner Söhne Todt war ohne Vater-Schmertz.


Du hast der Kinder dich beraubt:

Daß du des Volckes Vater würdest;

Der Freyheit Schirm / der Bürger Haupt /

Die du erleichterst / nicht bebürdest.

Apollo wehlt dich selbst; weil keiner hat gewüßt /

Wie man nach seinem Heisch zu erst die Mutter küßt.


Die Freyheit grieff beym Schlusse nach dem zum Freyheits-Preiße aufgesetzten Hutte; es kam ihr aber ein aus der Lufft wie ein Blitz abschüssender Adler zuvor; nahm und führte den Hut empor / und ließ hin gegen der Freyheit einen im Schnabel habenden Lorber-Zweig in die Hand fallen. Diesen händigte die Freyheit an statt des Hutes dem Brutus ein; und sang darzu:


Nihm hin / du Sonne deiner Zeit /

Des Phöbus eignes Sieges-Zeichen.

Dir / Vater der Glückseligkeit

Muß ich hier den Gelücks-Zweig reichen /

Den dir der Himmel schenckt / die Tyber eignet zu;

Der du den Grund-Stein legst zur Freyheit / Herrschafft / Ruh.


Bey diesem wehrenden Singen senckte sich auf ihrem güldenen Wagen / die Göttin der gewaffneten Liebe / als eine Beschirmerin der Freyheit und Uhr-An-Frau des Julischen Geschlechtes / mit denen drey Holdinnen gegen der Erden. Diese brachten ein güldenes Bild des Käysers August / und setzten es auf die mitten in diesem Kampf-Felde stehende Säule. Worzu Venus mit ihnen diese Reymen zu denen allersüssesten Seitenspielen sang / welche die umb sie flügenden Liebes-Götter regten:


Gar recht: daß Brutus diesen Preiß

Der Freyheit als ihr Stiffter träget;

Es lebt kein Römer / der nicht weiß:

Er habe sie in Grund geleget.[443]

Allein sie käumet nur; sie bleibt ein Zwerg und Kind /

So lange Rom der Welt das Hefft nicht abgewinnt.


Wie vielmal muß die Freyheit nicht

Sich unters Pöfels Herrschafft beugen /

Der übern Adel Urtheil spricht /

Und offt heißt Bürgermeister schweigen.

Die Freyheit aber kan unmöglich bleiben rein /

Wo iedermann gebeut / Zunfftmeister Herrscher seyn.


Wen aber Rom die güld'ne Zeit

Sein männlich Alter wird erleben;

So wird ihm die Glückseligkeit

Auch seiner Freyheit Völle geben.

Der / dessen Bild hier steht / wird Rom erst machen frey /

Von's Pöfels Ubermuth / von's Adels Tyranney.


Wo Glück' und Freyheit sollen blüh'n /

Muß eine Sonn' / ein Fürst nur scheinen.

Wo alle sich zu herrschen müh'n /

Nagt ieder an des andern Beinen.

Wenn aber Fürst August der Freyheit Schirm wird seyn /

Wird sich die Welt bey ihm gehorchend lieben ein.


Zum Zeichen dieser güldnen Zeit

Wird dieser Adler wiederkehren

Auf Liviens bepurpert Kleid /

So Henn' als Lorber-Zweig gewehren;

Aus dem ein Lorberwald wird wachsen / der das Haupt

Der Käyser / und das Haar der Siegenden / umblaubt.


Bey wehrendem Gesange ließ sich der vorhin fast wieder in der Höhe unsichtbar gewordene Adler allgemach wieder herunter / und setzte bey dem Schlusse den Hut / als das Kleinod und Wahrzeichen der Freyheit / dem Bilde des Käysers August aufs Haupt. Worüber der gantze Schau-Platz ein unaussprechliches Freuden-Geschrey bezeugte; und dem Kayser August als dem Freyheits-Geber der gantzen Welt /viel tausend Glück zuruffte; ja ihren Gehorsam aller ungebundenen Freyheit weit fürzohe. Das vorhin mit seinẽ Helden der Freyden Rücken kehrende Griechenland wendete sich nunmehr freudig umb / und fieng an zu singen:


Nim Rom mich zum Gefärthen an /

Den grossen Käyser verehren /

Dem man wie Gott gehorchen kan /

Und darff die Freyheit nicht versehren.

Weil er als Vater herrscht / geh' ich der Welt voran /

Die / wenn sie ihm nicht dient / nie völlig frey seyn kan.


Die deutschen Fürsten / welche von dieser Erfindung der Römer den Tag zuvor Nachricht und zugleich / als die grösten Eyverer für die Freyheit / Eyversucht eingezogen hatten / waren auf eine Anstalt euserst bemüht gewest auf diesem Kampf-Platz theils ihre Tapferkeit / theils ihre Liebe der Freyheit zu zeigen. Wie sie nun nach und nach von dem Fortgange dieses Schauspiels Nachricht bekamen; also rückten sie bey wehrender Verehrung des Käysers dem Platze zu / und öffnete sich bey dem Schlusse das Nord-Thor unter einem heftigen Gethöne vieler bey den Deutschen im Kriege bräuchiger Kru -Hörner. Durch dieses trat hinein der deutsche Hercules. Er trug einen grossen Streit-Kolben auf der Achsel / darein war mit Griechischen Buchstaben geschnitten: Für die Freyheit. Führete einen gezähmten Löwen an der Hand; und er selbst war gantz nackt; ausser / daß er einen Krantz von Pappel-Laube umb die Stirne und die Lenden hatte. Ihm folgten funfzig wie er aufziehende Riesen / welche aus dem gantzen deutschen Heere mit Fleiß ausgelesen waren. Hierauf kam auf einem von vielem Eisen schwirrenden und von 4. Luchsen gezogenen Sichel-Wagen die Königin Deutschland in Gestalt einer ernsthaften Frauen. Sie trug auf dem Haupte einen Eichen-Krantz / in der rechten Hand einen Spieß wie Pallas; in der lincken einen Schild / darinnẽ ein Eichen-Sta mit der Uberschrift war: Ich vertrage keine Einpropfung. Wordurch nichts anders angedeutet ward; denn / daß die deutsche Freyheit keiner frembden Herrschaft unterlegen wäre. Nach diesem Wagen kamen beynahe 500. auserlesene deutsche Ritter. Die ersten 40. führte Hertzog Ingviomer unter dem Nahmen des vom Ascenas entsprossenen Fürsten Tuisco. Er war an statt des Helmes und Harnisches mit einer Löwen-Haut überdecket. Sein Waffenträger trug ihm einen Schild bey / umb welchen 16. Griechische Buchstaben geetzt waren / welche Tuiscon erfunden / und hernach den Griechen entlehnet haben soll. Zwischen diesem stand ein Circkel / als ein Sinne-Bild / entweder des unbegreifflichen Gottes / oder seiner unumbschrencklichen Tapferkeit. Unter ihm[444] zohen eben so auf: Sarmata / Dacus / Geta / Berich /Philomar / Mösa / Savus / Hister / Adulas / Mösias /Dalmata / Dachau / Andechs / und andere Urheber grosser Völcker. Der andere Hauffen folgte dem Hertzoge Flavius; welcher den König Mann mit einem Helme fürbildete; dieser war über und über mit Pferde-Haaren bedeckt. In seinem Schilde führte er einen Phönix; vielleicht durch diesen Vogel / welcher von keinem weiblichen Geschlechte weiß / anzudeuten: daß alle seine deutschen Männer seyn müsten. Ihm folgten in gleicher Rüstung viertzig edle Cherusker /welche die Stellen der alten Fürsten Trevir / Ingevon /Istävon / Vandalus / Tyras / Nester und anderer unter ihm lebenden Fürsten / vertraten. Des dritten Geschwaders Führer war der Hertzog Jubil unter dem Nahmen Hermions. Er führte auf seinem Helme / wie nach seinem Beyspiele Pyrrhus / grosse Büffels-Hörner; in seinem Schilde einen Löwen / welcher mit seinen Klauen Eisen zerbrach. Ihm folgten eitel auf Amazonen Art gewaffnete deutsche Frauen und Jungfrauen / weil dieser Fürst auch die Weiber in Waffen geübt / und eingeführt hat: daß ein Mann bey der Heyrath seinem Weibe zum Ehgelde etliche Ochsen /ein gesatteltes Pferd / einen Spieß und ein Schwerdt einliefern müsse. Den vierdten Hauffen führte unter dem Nahmen des Marsus Hertzog Segimer. Sein Helm hatte zu oberst einen güldenen Sphynx / und im Schilde einen ackernden Ochsen; weil zu diesem Helden Osyris in Deutschland gereiset seyn / und ihn den Ackerbau / wie auch das Bierbrauen gelehret haben soll. Für dem fünften ritt Hertzog Catumer und stellte den Fürsten Cimber für / dessen Helm so glatt und gläntzend wie Feuer war / oben einen wilden Schweins-Kopff / in dem Schilde das Bild des Libyschen Hercules / welcher diesen deutschen Fürsten mit seiner Mutter Isis heimgesucht haben soll. Der sechste Führer war Marcomir; welcher den König Svevus fürstellte; auf dem Helme einen Wolff / im Schilde eine gekrönte Seule zum Wahrzeichen hatte. Den siebenden Beherrscher Deutschlandes / nemlich den Vandalus / stellte Hertzog Siegesmund für; dessen Helm mit einem Drachen-Kopffe gerüstet; in dem Schilde aber ein Zweifels-Knoten zu sehen war. Der achte Führer war Fürst Sesitach / der den sinnreichen Teutates mit einem Schlangen-Krantze auf dem Helme und einem Schilde / darinnen ein siebenspitzigter Alb-Fuß zu sehen war / vertrat. Der neundte war Sebald ein junger Chamavischer Fürst / der den behertzten Alemann mit einem Löwen-Kopffe auf dem Helme / und einem Löwen im Schilde vorstellte. Den zehnden Hauffen führte Reinold ein Marsingischer Fürst / und vertrat den Fürsten Bojus. Auf seinem Helme führte er einen Tyger Kopff / im Schilde einen Bär. Dem eilften gieng Dagobert ein Schwäbischer Fürst für / anstatt des alten Ingrams; welcher auf dem Helme einen Luchs / im Schilde drey Elefanten-Zähne hatte. Der letzte Hauffen ward von Arnolden / einem Friesischen Fürsten / geführt / der als ein Vertreter des zwölfften deutschen Herrschers Adalgers / der auf dem Helme ein Hirsch-Geweih / im Schilde einen stossenden Stier führte. Nach dem diese sich die Helffte gegen die Römer / die Helffte gegen die Griechen in Ordnung gestellt hatten / küßte das sich regende Deutschland zwar die Hand / ja ihr Kutscher die Geisel / und warffen sie ehrerbietig Rom und Athen zu; es behielt aber darbey seine ernste und männliche Gebehrdung / und fieng hierauf an zu singen:


Es rühme Rom und Griechenland

Die Freyheit / ihre Helden-Wercke.

Kein Volck ist mehr als ich bekand

Von mehrer Freyheit / grösser Stärcke.

Eh' als Phoroneus fieng der Griechen Herrschafft an.

War mir schon Tanais und Mosel unterthan.[445]


Als Rom in Wieg' und Windeln lag /

Herrscht' ich vom Eiß-Meer bis zun Alpen /

Man suchte Hülffen und Vertrag

Bey mir von Hamus bis zu Calpen.

So Rom / als Griechenland verfiel in meine Hand

Und Asien that mir vergebens Widerstand.


Es sehnet sich noch alle Welt /

Nach meinem Schutz und meinem Herrschen.

Weil dis die Freyheit ihr erhält

Und jeder Feind mir kehrt dir Fersen.

Bey andern Völckern ist die Freyheit nur ein Gast /

Mir ist sie angebohrn / und Dienstbarkeit verhaßt.


Mein Angel-Stern wird Hunds-Stern seyn /

Mein Eys-Meer wie das Rothe sieden;

Eh' als die Donau und der Rhein

Wird mit der Knechtschafft seyn zu frieden.

Urheber meines Reichs / wol so bewehrt: daß frey

Und von der Deutschen Blut erzeugt seyn / eines sey.


Römer und Griechen wurden durch diese unvermuthete Ausforderung genöthiget sich mit neuen Lantzen zu versehen und zum Kampffe fertig zu machen. Inzwischen hielt der deutsche Hercules mit seinen Riesen nach Himmlichen und Sack-Pfeiffen einen gantz besondern Tantz; welcher zwar mit dem Griechischen keine Gemeinschafft / aber viel mehr Kunst in sich hatte. Denn sie sprungen bald über einander /bald standen sie einander auf Achseln / bald sie selbst mit empor gestreckten Füssen auf den Köpffen; bald flochten sie sich in einander / und wunden sich doch ohne Verwirrung von sammen also; daß die Römer sich an dieser neuen Tantz-Art nicht satt sehen kunten / und sich so wol über die Geschickligkeit / als Geschwindigkeit dieser ungeheuer-grossen Leute verwundern musten. Nach geendigtem Tantze traffen anfangs die deutschen Heerführer eintzel-weise auf die Römischen und Griechischen Obersten; hernach die Geführten / Gliederweise so zierlich auf einander: daß der vorhin gleichsam eingeschlaffene Schau-Platz nunmehr allererst die Augen aufzuthun schien. Nichts aber war denen Römern verwunderlich; als daß das deutsche Frauenzimmer so behertzt und geschickt im Lantzen-brechen waren / und in diesem sich nicht nur verhielten / als wenn es ihr gewohntes Handwerck wäre; sondern es auch an zierlicher Werff- und Schwenckung der Lantzen fast allen Männern zuvor thäten. Unter diesen ließ sich fürnemlich selbst die Fürstin Ismene / Catta / Zirolane / eine Gräfin von Nassau / von Waldeck / von Salen / Bentheim und mehr andere tapffer sehen. Ob nun wol Tiberius sich dieses geschwinden Streichs von den Deutschen nicht versehen hatte / und entweder aus einer angebohrnen Mißgunst / oder weil er es dem Römischen Volcke nicht für vorträglich hielt: daß die Deutschen zu Rom ihrer Geschickligkeit halber in so grosses Ansehn kommen solten / eyversichtig ward; so verstellte er doch / seiner Gewonheit nach / diese Empfindligkeit. Ja seiner Arglist mangelte es nicht an einer geschwinden Erfindung und Mitteln Anstalt zu machen: daß bey geendigtem Lantzen-brechen Rom auf seinem Wagen zwischen die gegen einander gestellten Hauffen gefahren kam / und zu singen anfieng:


Ich gönne / Schwester / dir den Ruhm:

Die Freyheit sey dir angetreuet /

Die Tugend sey dein Eigenthum /

Und bin darüber selbst erfreuet.

Ja deine Tapfferkeit hat auch zu wege bracht:

Daß mein August mit dir solch' einen Frieden macht.


Mein Krieg war nicht des Hasses Brut;

Nur eine Prüfung unser Stärcke.

Uns alle zwey regt edles Blut;

Wir üben beyde Wunderwercke.

Weil gleich und gleiche nun die beste Freundschafft macht:

Wird auch die Nachwelt nicht auf Spaltung seyn bedacht.


Nun wir einander sechzig Jahr

Durch Tapferkeit geeichtet haben;

Bau'n wir der Eintracht ein Altar /

Das tausend Erndten nicht begraben.

Weil Freundschafft nun für sich nichts eignes haben kan:

So ni den Lorbeer-Zweig halb von mir / Deutschland / an.


Mit diesen letzten Worten brach Rom den Lorbeer-Zweig mitten entzwey / und reichte die[446] Helffte Deutschlande zu. Hierüber entstand ein allgemeines Freuden-Geschrey; die deutschen Riesen machten sich noch mit einem seltzamern Tantze lustig / und diesem Lust-Spiele ein Ende.

Die Trompeten wolten gleich das Zeichen zum Abzuge geben; als ein Herold in Begleitung zweyer Waffen-Träger auf einem schwitzenden Pferde hinein kam. Er hatte auf dem Haupte einen Krantz von Oel-Zweigen / und in der rechten Hand einen Oel-Zweig /welchen er zum Zeichen: daß er demüthig um Erlaubnüs zu reden bäte / gegen dem Tiberius beugte. Hiernach fieng er mitten auf dem Platze an zu ruffen: Zwey aufs euserste beleidigte Ritter haben diesen Schau-Platz zu Ausübung ihrer gerechten Sache erwehlet: daß sie die edelsten Helden der Welt nicht weniger zu Richtern / als Zuschauern ihrer Tapferkeit haben; die Vermessenheit aber sich an der Straffe der Beleidiger spiegeln möge: wie gefährlich es sey der Tugend auf die Zeen treten. Gehet diesem nach / ihr Waffen-Träger / und bringet denen / welchen diese Rache gilt / die gleichen Waffen: daß sie zu ihrer Vertheidigung die ihnen anständige Helffte erkiesen. Augenblicks verfügte sich der eine zum Hertzog Flavius / der andere zum Hertzog Jubil / derer jeder ohne Befragung: wer ihnen auf den Hals wolte? eine von den angebotenẽ Lantzen / ein Schwerdt / einen Bogen und Köcher zu dem abgenöthigtem Kampffe erkiesete. Der Herold zerbrach hierauf den Oel-Zweig / und warf einen Spieß von sich: daß er in der Erde stecken blieb. Ja er war kaum wieder aus diesem umbschlossenen Felde kommen / als zwey Ritter auf zwey kohlschwartzen Pferden und in schwartzer Rüstung auf den Platz geritten kamen; welcher von allen Anwesenden in der Mitte mit Fleiß geräumet ward. Sie hatten beyde auf ihren Helmen Kräntze von Nesseln / welche kein Anrühren ohne Brand vertragende Pflantze hier schicklicher ein Merckmal der Rache / als dem geilen Antigonus einen Zepter abgab. In dem Schilde führte der eine einen Bienschwarm / welche einen Bär mit Stechen ängstigten; Mit dieser Umbschrifft:


Honig ist so süsse Sache

Nicht / als sterben nach der Rache.


Der ander hatte in seinem Schilde einen Hauffen glüenden Kohlen / mit der Uberschrifft:


Wer die Rache zündet an /

Fühle / daß sie brennen kan.


Sie hatten gar keine Waffen bey sich; sondern empfiengen dieselben von ihren Waffen-Trägern / welche ihnen Hertzog Flavius und Jubil übrig gelassen hatten. Diese wusten zwar nicht / konten es auch nicht aussinnen / wer ihre Ausforderer seyn müsten / jedoch machten sie sich zum Kampffe mit nicht weniger Freudigkeit / als zu einem Tantze fertig. Wiewol nun Tiberius über dieser Ausforderung sein Mißgefallen an Tag und bey den Fürsten zu verstehen gab: daß /weil er seinen so werthen Freunden aus Schuldigkeit des Gastrechtes Sicherheit zu verschaffen / und sie zu beschirmen schuldig wäre / würde es an Römern nicht fehlen / welche diesen vermäßenen Ausforderern die Stirne wieder bieten würden; so baten doch Hertzog Flavius und Jubil aufs beweglichste: man möchte ihnen die Ehre eigenhändiger Rache in den Augen so vieler hundert Helden nicht mißgönnen. Derogestalt muste Tiberius darem willigen; worbey er sie aber beschwur: sie möchten daraus keinen Anlaß nehmen das Gastzeichen mit Bereuung ihrer ihm erwiesenen Freundschafft zu zerbrechen. Der erste Angrief geschahe auf beyden Theilen mit den Pfeilen / welche sie aber sämtlich mit den Schilden so meisterlich zu versätzen wusten / als wenn sie als Schützen solche ihnen selbst zum Ziele erkieset hätten. Nach dem alle verschossen waren /[447] grieffen sie zu den Lantzen / welche nicht wie in Lust-Spielen mit breitlichen Blättern verwahret / sondern wie im Kriege mit Stahle scharff zugespitzt waren. Sie verrichteten das erste Rennen alle mit so gutem Glücke: daß alle vier Lantzen ohne jemandens Verwundung brachen. Im andern ward der / welcher mit dem Hertzog Jubil anband / so heftig auf die Brust getroffen: daß er sich an die Meynen des Pferdes anhalten muste; wenn auch der Stoß nicht so gestreckt / und des Getroffenen Harnisch so gut gewest wäre / würde ihm Jubil damit sein Licht ausgelescht haben. Dessen ungeachtet ergrief er / wie Flavius und sein Gegener / welche wie das erstemal einander nichts nachtheiliges angebracht hatten / die dritte Lantze um dem Hertzoge Jubil zubegegnẽ. Alleine dieser faste jenẽ so wol: daß er ihn zwischen den Waffen durch den rechten Arm nahe am Gelencke der Achsel durchstieß / und derogestalt mit sambt dem Pferde zu Bodem reñte. Jubil war wie ein Blitz vom Pferde / um seinem Feinde den leztẽ Streich zu versetzen. Er rieß ihm daher / den blancken Degen in der Hand habende / den Helm vom Haupte; erkennte aber seinen Feind mit so viel mehr Verwunderung für den Fürsten Malovend / weil er sich nicht erinnerte: daß er ihm jemals einiges Leid zugefügt hätte. Weil nun die Beleidigungen / welche keine rechtschaffene Ursache haben / von Seiten des Beleidigers am heftigsten / von Seiten des Beleidigten am empfindlichsten sind; ward Hertzog Jubil mit sich selbst streitig: Ob er das Recht seiner Rache am Malovend vollends ausüben solte? Gleichwol aber überwand seine Großmüthigkeit seinen Zorn: daß er ihm nicht allein mehr kein Leides that / sondern auch befahl ihn aufzuheben und ihm die Wunde zu verbinden. Er sätzte sich diesemnach wieder zu Pferde / und gab nun nebst allen andern einen Zuschauer ab des feurigen Zwey-Kampffes mit dem Flavius. Niemand konte noch urtheilen / wer sein so tapfferer und erbitterter Feind wäre / außer die Fürstin Catta machte ihr alsbald die Auslegung: daß die eyversüchtige Liebe den Fürsten Malovend wider den Hertzog Jubil / und den Hertzog Zeno wider den Flavius in Harnisch gejagt hätte. Die Königin Erato quälte sich mit eben diesem Kummer / und / weil beyde Kämpffer nunmehr nach gebrochenen Lantzen zu den Schwerdtern gegrieffen hattẽ; geschah von ihnen kein Schlag / daß ihr nicht zugleich das ängstige Hertze schlug: also / daß sie nicht / wie Catta / ihre Empfindligkeit verstellen konte. Ihre Seele verwickelte sich in einem rechten Zweifels-Knoten; den die vorherigen Ebentheuer und Wahrsagungen hatten sie so irre gemacht; daß sie sich nicht auszuwickeln wuste: wen sie unter dem Zeno und Flavius lieben? weniger /wem sie den Sieg gönnen solte? Unterdessen sätzten beyde streitende Helden einander so heftig zu: daß beyde wegen einander zugefügten Wunden von Blute troffen. Am schrecklichsten aber war zu sehen: daß ihr Athem von der Bemühung / und ihre Kräfften von der Blutstürtzung gleichsam zunahmen. Wie nun der von den Römern erkennte Malovend alsbald zur Pfleg- und Verbindung weggetragen ward; also muthmaste Tiberius aus diesem den Römern vorhin zugethan-gewesten Gefärthen: daß auch der andere Ausforderer des Flavius ein Freund der Römer seyn müste. Diesemnach veranlaßte er den Germanicus diesen Kampff / in welchem beyde Ehre genung erlangt hätten / zu unternehmen. Dieser verfügte sich zu dem Ende dahin; ward aber seiner Müh überhoben /weil sie beyde auf einmahl von Pferden für todt zur Erde fielen. Die Waffen-Träger sprungen bald darzu /und öfneten ihnen ihre Helme. Wordurch denn dem gantzen Schau-Platze kund ward: daß Flavius mit dem Zeno gefochten hätte. Erato / welche durch beyder Fall Gehöre und Venunfft verlohren hatte / war nicht mächtig sich zu mäßigen: daß sie Thußnelden verließ / und denen Gefallenen[448] zusprang. So bald sie aber beyder erblassete Antlitzer ins Auge bekam /verwandelte sie sich selbst in ein Ebenbild des Todes; und fiel ohnmächtig zu Bodem. Die nechsten Zuschauer dieses unvermutheten Trauer-Spieles wusten nicht / wem sie zum ersten zulauffen solten. Die Hertzogin Thußnelde und Agrippine drängten sich selbst herzu; und weil andere mit Entwafnung des Flavius und Zeno beschäftiget waren; brachten diese die Königin Erato wieder ein wenig zu Kräfften / aber nicht zur Vernunfft. Denn so bald sie ihrer Hände und Zunge mächtig war / rauffte sie ihr verzweifelnd die Haare aus / und ruffte wiewol mit lächsender Stimme: Zeno! Zeno! Alles reiben / kühlen und einbalsamen hatte bisher nicht zuwege bringen können: daß weder Zeno noch Flavius ein Zeichen des Lebens von sich gegeben hätten. Nunmehr aber hatte die doch so schwache Stimme der für Leid vergehenden Erato mehrere Krafft / als derer / welche durch das getrunckene Wasser des Bruñen Zame selbte helle gemacht hatten. Oder sie übertraf vielmehr die Kräfften der Strauß-Augen; welche durch stetes Anschauen ihrer Eyer an statt des Brütens ihre Jungen lebend machen. Denn Zeno und Flavius schöpfften zugleich Athem /und endlich öfneten sie auch die Augen. Erato hingegen ward aufs neue ohnmächtig; und nachdem man sie wieder nur ein wenig erfrischet / sie aber keinen der Verwundeten mehr sahe / welche Agrippine zur Verbindung wegtragen lassen; ergrief sie das auf der Erde liegende Schwerdt des Zeno / und hätte es ihr durch den Leib gestossen / wenn nicht Homburg / ein deutscher Ritter / ihr in die Armen gefallen wäre. Sie verlohr aber hierüber gleichsam ihre Sinnen; ruffte mit denen nachdrücklichsten Liebkosungs-Worten bald den Zeno / bald den Flavius; bald verfluchte sie auch einen und den andern als Mörder / und Verstörer ihrer Vergnügung. Thußnelden stieg alles dis mitleidentlich zu Hertzen; und begleitete sie die Königin selbst unter das Zelt; dahin sie die sorgfältige Agrippine auf den Armen ihrer Freygelassenen / aus diesen aber auf Bithynischen an vier Seulen frey in der Lufft hängenden Sänfften / darauf die der Agrippine aufwartenden Römischen Rathsfrauen dahin gefahren /und derer Pulster mit eitel Rosen gefüllt waren / bringen ließ. Also endigte sich dieses Freuden-Spiel mit vieler Trauern / wie manch schöner Tag mit Regen und Ungewitter.

Das allgemeine Leid über dieser dreyer Fürsten Beschädigung hinderte den Fortgang der Römischen Freuden-Spiele. Das gemeine Volck fällte von diesem Kampffe hunderterley Urtheil / welches ins gemein so viel Meinungen als Köpffe hat. Der deutsche Hof aber konte ihm die Rechnung leicht machen: daß die Eyversucht den Zeno gegen den Flavius wegen der von ihm geliebten Erato hierzu veranlasset hatte. Malovend aber / welcher unter denen Verwundeten sich noch am besten befand / machte sein Geheimnüs freywillig kund / indem er durch zwey Marsische Ritter den Hertzog Jubil umb Verzeihung seiner Ausforderung ersuchen / wegen gerechter Bestraffung seiner Vermäßenheit sich aber aufs höflichste bedancken ließ. Seinen Degen hätte ihm nicht einige Feindschafft / sondern die Hefftigkeit seiner Liebe gegen der Fürstin Catta gezücket / welche ihm so viel grimmiger zugesätzt / jemehr er sich selbte zu verhölen bemühet hätte. Diese gebiehre ins gemein solche Mißgeburten /wenn sie sich mehr mit der Tapferkeit / als der Vernunfft vermählte. Jedoch hätten ihn die gerechten und glücklichen Waffen des Fürsten Jubils von der Verzweifelung wieder auf die rechte Bahne dem Verhängnüsse zu folgen / und sich über seinen Unfall nicht zu beschweren verwiesen; ja ihn gelehret: daß der Himmel nur über unserm Unglücke lachte / das man der Liebe halben ausstünde. Diese hätte ihn zwar so keck und vermässen[449] gemacht sich an einen so grossen Helden zu reiben; Er hätte aber beym ersten Anbinden erfahren: daß ein geistiger Blick der Tugend einem Schuldigen durchs Hertz führe / und ihr blosses Anschauen diesen schon Straffe genung wäre. Alleine was er am Ruhme der Tapferkeit eingebüßt / hätte er durch seinen Schaden an Klugheit gewonnen / nemlich gelernet / sich von dem bescheiden zurück ziehen; was ein würdiger zu seinem Augen-Ziele hätte. Seine Thorheit aber würde etlicher maßen von dem gemeinen Fehler verredet: daß wir an andern nur ihre Schwachen / an uns selbst aber nur dis / was etwan das beste an uns ist / anschauen / und uns daher andern / wo nicht überlegen / doch nichts nachzugeben einbilden; also uns solcher Dinge unterwinden / welche weit über unsere Kräfften sind. Dis verstünde er nunmehr / und hätte er seinem Willen schon einen Zaum angelegt / nach der Hertzogin Catta nicht mehr lüstern zu seyn; ja wenn er über sein Gedächtnüs eine Bothmäßigkeit hätte / würde er seinen Gedancken befehlen ihrer gar zu vergessen; und wünschte er ihm zum Besitz der unschätzbaren Catta so viel Glücke /als ihrer beyder Tugenden verdienten. Er hätte nun mehr mit seinem Schaden / jedoch zu seinem besten gelernet: daß Hertzog Jubil so wol ein Muster eines unvergleichlichen Helden / als die Hertzogin Catta einer vollkommenen Fürsten abgäbe. Bey diesem seinem Verstossen begehrte er keinen andern Schirm für seine Fehler / als den unüberwindlichen Jubil zu suchen / als welcher keine selbst zu begehen fähig wäre. Hertzog Jubil nam Malovends Erklärung mit so viel Höfligkeit auf; mit wie vieler Hertzhaftigkeit er vorhin seinen Anfall hintertrieben hatte. Und weil Jubil noch immer das Gedächtnüs der ihn so hertzlich liebenden Leitholde im Gemüthe / und von selbiger Zeit an / da selbte in Wahnwitz gerieth / mit allen Liebhabern grosses Mitleiden hatte / nam er nicht alleine Malovends Entschuldigung höflich an / sondern suchte ihn selbst heim / und schätzte nunmehr seiner Bescheidenheit halber seine Tugend höher / als jemals vorher. Sintemal sonst selten heftige Liebe und gute Vernunfft sich mit einander vertragen; sondern durch ihren blinden Trieb auf hunderterley Thorheiten von ihren Nebenbuhlern schimpflich zu reden / ihre Buhlschafft zu verkleinern / oder gar in Unglück zu stürtzen gerathen. Dahingegen Malovend die Fürstin Catta zu einer Göttin; welche anzubeten er zu unwürdig /den Hertzog Jubil aber zu einem solchen Helden machte / welcher nichts sterbliches zu verehren fähig wäre. Hertzog Flavius und Zeno hingegen waren in einem so elendem Zustande / der keine Besuchung vertrug; jedoch die Königin Erato in ihrem Gemüthe noch gefährlicher verwundet / als jene an ihren Leibern. Nichts desto weniger löseten Thußnelde / Agrippine und anderes Frauenzimmer / außer der bis in das innerste ihrer Seele bekümmerten / und sich destwegen in eine stete Einsamkeit versperrenden Ismene / einander bey der verzweifelnden Erato fast stündlich ab. Als diese sich aber einst allein befand / raffte Erato alle Uberbleibungen ihrer Vernunfft zusammen / und beschwur sie bey der von den Deutschen angebeteten Gottheit / beym Haupte ihres Jupiters / und beym Schutz-Geiste ihres so sehr geliebten Hermanns: sie möchte ihr allemal den Zustand des Zeno und Flavius mit ihren Veränderungen aufrichtig wissend machen. Ob die Aertzte nun zwar dieses widerriethen / und in solchen Fällen / da einem Krancken die unverfälschte Warheit zum Nachtheile / wie einem verterbten Magen der Zucker zu Galle geriethe / die Unwarheit als eine heilsame Klugheit rühmten / war doch Thußnelde eines so zarten Gewissens: daß sie sich nach erlangter Nachricht: Es könte Zeno unmöglich von seinen Wunden genesen / zur[450] Erato verfügte /und ihr sagte: sie solte nunmehr ihre Gemüthe durch die Tugend so befestigen: daß es sich durch keine Zufälle aus den Angeln einer hertzhaftigen Beständigkeit heben ließe. Hätte Phidias ein solch Oel zu bereiten gewüst; welches seine Bilder wider Rost / Abschüßung der Farbe / und die Veralterung bey ihrer Neuigkeit / Jugend und Schönheit zu erhalten vermocht; so wäre es auch keine Unmögligkeit unser himmlisches Theil / nemlich die Seele / für Schwachheiten zu verwahren. Die Zeit und tausend seltzame Zufälle hätten die Königin schon derogestalt abgehärtet: daß ihr nichts in der Welt zu empfindlich und unverträglich fallen könte. Erato sahe hierüber Thußnelden mit starren Augen an / und bat: sie möchte ihr ohne Umbschweiff sagen: welcher unter beyden Kämpffern todt wäre. Thußnelde antwortete: keiner noch; aber umb einen wäre es der Aertzte Urtheil nach geschehen. Erato fragte alsofort: Umb welchen? diese antwortete: umb den Fürsten Zeno. Erato erstarrete und erblaßte zugleich über diesem Worte. Diese Unbewegligkeit aber gab genung zu verstehen: daß das Stillschweigen nicht weniger in Schmertzen / als in der Liebe eine grosse Beredsamkeit wäre. Uber eine Weile aber ergrief sie eine seidene Schnure / welche an dem einem Ende des Haupt-Küssens hieng / und schlingte sie ihr umb den Hals; hätte sich auch erwürget / wenn nicht Thußnelde ihr augenblicks die Hände ergrieffen und Salonine die Schnure loßgeschlingt hätte. Die behertzte Thußnelde / welche allzu wol verstund: daß solche Krancken nicht mit linden Salben und Pflastern / sondern mit schneidenden Messern und glüenden Eisen zu heilen wären; fuhr die Königin mit so ernsten Gebehrden / als Worten an: Wenn sie ihr von ihr eine solche Gemüths-Zärtligkeit jemahls hätte einbilden können / würde sie sich niemals haben bereden lassen die Warheit ihr so lauter einzuschencken. Die Natur hätte sie mit so viel Vernunfft beschenckt / und die Zeit hätte ihre Tugend durch so viel Ebentheuer abgehärtet; nunmehr aber vergäße sie auf einmal beyder / und könte ohne Verzweifelung dem Verhängnüsse nicht einen rechten Streich aushalten. Ihr Geist hätte so viel Licht aus den Gestirnen bekommen / und sie ließe ihr die Gemüths-Regungen ärger /als unvernünfftige Thiere zu Kopffe machen. Diese müsten ja ihrem ersten Triebe / als blinde Sclaven gehorsamen; in vernünftigen Menschen aber hätten die mit dem freyen Willen aus einerley Wurtzel entspringenden Gemüths-Regungen eben so wol / als er ihre Freyheit. Diesemnach solte sie ihrer selbst nicht auf einmal so gar vergessen / und durch ihre scheltbare Kleinmuth nicht der Welt verrathen: daß sie nur einen Schein / nicht den Kern der Tugend besessen hätte. Erato seuftzete aus der innersten Seele; und nach dem sie ihr die aus den Augen schüßenden Thränen abgewischt hatte / fieng sie an: O der erbärmlichen Freyheit unserer Regungen / wenn uns Liebe und Schmertz auf beyden Seiten anfäßeln! Warlich! diese sind von so niedriger Ankunfft / und von so unberührlicher Schwerde: daß sie die Vernunfft so wenig / als die Sonne die Ausdampffungen sümpfichter / Thäler zertreiben kan. Rühren aber auch gleich unsere Aufwallungen des Hertzens eben daher / wo unser Wille; sind auch unsere Regungen weder so blind / noch so gefässelt als andere Thiere; so sind doch diese von dem Willen so ferne / als die Granat-Aepffel-Blätter von den gekrönten Früchten unterschieden. Sind in uns Liebe / Schmertz / Zorn und andere heftige Aufsteigungen nicht an einem Felsen angeschmiedet; so gleichet doch ihre Freyheit nur denen Gefangenen /welche in einem Kerker herumb gehen. Ja so gar unsere Vernunfft kan sich so wenig / als die[451] Gestirne einer vollkommenen Freyheit rühmen / sondern beyde sind des Verhängnüsses Leitung unterworffen; also unser Verstand ein angefässelter Führer einer blinden Freygelassenen / und eine schöne Sclavin / die den Regungen / als ihrer Königin / bey stock-finsterer Nacht eine Fackel vorträgt. Hat die Vernunfft doch nicht das Vermögen zu hindern: daß wir beym Erschrecknüs zittern / unser Antlitz schamroth werde. Diese Epp und Fluch unsers Geblütes kommt und verscheust ohne Erwartung einigen Befehls von unserm Willen; ja der Schauer der Furcht bemeistert unsere Glieder so sehr / als der des Febers. Wie soll sie denn Liebe / Zorn / Schmertz und andere wilde Regungen bändigen oder ausrotten? die Sterne flößen sie unsern Adern / als einen Saamen des guten und bösen / für unserer Geburt ein; wie soll denn unsere eitele oder unvollkommene Weißheit selbige zu reinigen mächtig seyn? welche / wenn sie diese Kräfften hätte /verdiente: daß die edelsten Gestirne sich herunter liessen / umb durch sie ihrer Flecken loß zu werden. Thußnelde brach ein: Ich hätte der Königin niemals zugetraut: daß sie ihren scharffen Verstand zu einer Dienst-Magd der niedrigen Gemüths-Regungen machen / ihren freyen Geist aber einer eingebildeten Nothwendigkeit / welche vom Himmel den Ursprung haben soll / unterwerffen solte. Gleich als weñ dieser nicht weniger ein Brunn irrdischer Schwachheiten /als des Lichtes und guten seyn könte. Alleine weil dieser gewohnt ist die Aufdämpffungen / wormit die Erde seine schönen Gestirne zu verdüstern bemüht ist / in fruchtbare Regen zu verwandeln / also böses mit gutem zu vergelten; wil ich auch mit ihren Irrthümern glimpflicher / als sie mit der Warheit umbgehen; indem ihre Einbildung vom Himmel in ihre Seele solche Einflüße zu fühlen vermeint / da man doch durch die künstlichsten Ferne-Gläser noch nichts anders /als fruchtbare Wärmbde / und erfreuendes Licht von oben herrinnen gesehen. Wie können aber der Sternen Cörperliche Einflüsse Leiter der Seelen seyn / welche als Geister würdiger als die Sternen selbst sind? ist diesen aber ja einiger Reitz zu enthengen; so sind sie gewiß nur Wegweiser / nicht Kerkermeister; welche unserm Willen mit annehmlicher Lockung zu folgen liebkosen; ihm aber nicht an die Gurgel greiffen und den Gemüths-Regungen / welche selbst von Ankunfft Leibeigene sind / zu gehorsamen zwingen. Dieser ihr erster Anfall kan uns zwar im ersten Sturme eine Röthe abjagen / einen Schauer eindrücken; destwegen aber bleibt die sich erholende Vernunfft eben so wol als die wol anschlagenden Artzneyen der Kranckheiten Meisterin. Die zitternde Furcht faßte den grossen Alexander bey angehender Schlacht zwar bey den Armen und Beinen; wenn es aber zum Handgemänge kam / trat er sie unter die Füsse / und sein Schauer verwandelte sich wie in Febern in eine feurige Hitze. Das Hertz geust bey Liebe / Verlangen / Freude und Zorn / und andern thätigen Regungen sein flüssendes Feuer zwar in alle Glieder; und rufft es bey Traurigkeit / Furcht / Verzweifelung und andern kalten Regungen / welche es bedrängen / zu Hülffe; Und hierinnen läßt ihm das Hertze / welches in dem / was den Leib und das Leben angeht / keine Oberherrschafft der Vernunfft erkennet / nichts gebieten oder verwehren. Wenn aber die Vernunfft die wilden Gemüths-Regungen besänftigt / die Ohnmächtigen erfrischet /kommet das Geblüte doch endlich wieder in sein Lager / und das Hertze zur rechten Bewegung. Dafern aber unser Vernunfft die Liebe nicht mehr als die Bewegung des Geblütes gehorsamte / die Hemmung des Zornes so wenig / als die Ergießung[452] der Galle / in der Gewalt unsers Willen stünde; was hätte die tugendhafte Erato für einer geilen Lais / für einer unmenschlichen Tanaquil für ein Vorrecht? denn die unablehnliche Nothwendigkeit / böses oder gutes zu thun / raubet den Lastern ihre Häßligkeit / der Tugend ihre Schönheit. Sie macht sie zu Schwestern von einerley Würde und Gestalt; ja sie hebet den Unterschied ruhm- und scheltbarer Menschen auf. Die Geschicht-Schreiber könten sich der Verläumbdung nicht entbrechen: daß sie des Tarquinius an Lucretien verübten Noch-Zwang gescholten / die Mäßigkeit des Africanischen Scipio gepriesen. Es wird kein Unterschied seyn: ob einem die Nase / oder seine Faust von des Vaters oder Bruders Blute trieffe? Ob einer über Ehbruche / oder an einem hitzigen Feber schwitze? die Liebes-Male des Pylades und Orestens würden für Thyestens und anderen Mord-Taffeln / derer blosser Schatten uns auf den Schau-Gerüsten ein Grauen erwecket / keinen Danck verdienen. Ja wir Menschen wären nicht einst von wilden Thieren abzufordern /welchen kein Gesätze eingebohren noch geschrieben ist / welche weder Tugend noch Geblüte kennen / und die säugenden Brüste ihrer Mütter von gemeinen Quellen nicht unterscheiden / und mit den Füssen ihnen das Wasser trüben / daraus sie trincken. Wenn unsere Vernunfft uns so wenig / als rasende Hunde und schäumende Wald-Schweine zurücke halten /unser Wille der hitzigen Leber folgen muß; wenn unser Geblüte / wie der Panther / eine stets bittere Galle / und unsere Seele ein stets hitziges Feber ist /und unser himmlischer Geist nicht verwehren kan: daß der Leib in Unflat vielerley Sünden fällt; daß Orestes so wol / als hungrige Wölffe unser Mütter Brüste zerfleischet; daß Romulus das neben ihm in einerley Eingeweiden liegende Blut eben so wol / als eine wütende Löwin trincket; daß Medea nicht weniger / als Schlangen und Nattern / aus nichts als Gifft und Boßheit bestehet; außer / daß wir einen ohnmächtigen Verstand / und ein überflüßiges Licht besitzen /welches nur unsere Fehler und Irrthümer scheinbar macht. Moses / Solon und Lycurgus haben bey solcher Beschaffenheit eine grosse Thorheit begangen: daß sie Gesätze zu Richtschnuren des Lebens geschrieben. Weñ unsere Vernunfft weder Seile noch Ketten hat / unsere Neigungen von Lastern zurück zu halten; wie viel mehr wären sie schuldig gewest unsern Schwachheiten Pulster unter zu legen / daß wir nicht allzu harte fielen? wenn die Begierde uns zum Besitzthum gläntzenden Goldes und schimmernder Edelgesteine / zum Genüß der aus schönen Antlitzen und schwartzen Augen fallender Strahlen anlocket; wenn Zorn / Geitz und Ehrsucht so sehr als Stein /Geschwulst / Rose und Wassersucht unserm Willen zu widerstreben hartnäckicht sind; weñ unser Geist nur einem Schiffer gleichet / dessen Schiffe / Segel und Ruder fehlt / und unser Verstand uns nur / wie jenem der Angelstern und die Magnet-Nadel den Weg zu seinem Schiffbruche zeiget. Warlich es wäre eine unmenschliche Grausamkeit / wenn jemahls ein Gesätz Geber was geboten hätte; was nicht der Botmäßigkeit unser Willkühr unterworffen ist. Die Natur und das Glücke erkennen keinen Menschen für ihren Oberen / und lassen ihnen kein Gesätze fürschreiben. Kein Egyptischer König hat dem Nil Ziel und Maas gesätzt / wie hoch er wachsen dörffe oder müsse. In den zwölff Römischen Gesetz-Taffeln ist der Tiber die Uber-Strömung / und in Ordnungen der Stadt Tyrus dem Meere sein Stürmen / und die Beschädigung ihrer Schiffe nicht verbothen. Der unsinnige Xerxes hat durch seine dem Meere gegebene Streiche und durch Anlegung[453] der Ketten sich der Nach-Welt zum Gelächter gemacht; und seine zerschmetterten Schiffe haben seinen Aberwitz theuer bezahlen müssen. Kein Busir und Phalaris hat jemals sich unterstanden zu gebieten: daß einer zweymal sterben müsse / und die Leichen noch Pein und Folter fühlten. Wenn es nun einerley wäre einem Bürger anzubefehlen: Es solte ihn nicht hungern / schläffern und dürsten; oder er solle nicht geil / geitzig und zornig seyn; welche kluge Obrigkeit wolte solche Unmögligkeit dem geringsten Knechte aufbürden? Wer diesemnach der Vernunfft ihre Herrschafft über die Gemüts-Regungen abspricht / reisset die Spann-Adern des gemeinen Wesens entzwey / zergliedert die menschliche Gemeinschafft; und zernichtet den Ancker aller Städte / nemlich die Gerechtigkeit. Denn wie könte iemand destwegen ohne Unrecht gestrafft werden / was zu unterlassen nicht in seinen Kräfften gestanden hat? Wenn Phryne aus unvermeidlicher Noth sich so gemein als Lufft und Wasser machen muß; wenn es so wohl des Dionysius als der Tyger unveränderliche Eigenschafft ist grausam zu seyn; wenn Pasiphae nicht keuscher seyn kan als ihr Ochse / für welcher Schand-That sich iedes Papier / darauf sie geschrieben stehet /schämet; Es würde eben so unverantwortlich seyn einen Dieb / als einen Schwindsüchtigen ans Creutz zu nageln; und wenn man einen Verräther tödtete /würde man nicht gerechter / als die Areopagiten handeln / die die Waffen / wormit einer ermordet war /zur Zerbrechung verda ten; und die Persen / welche die Kleider der Mißhandelnden peitschten / und dem /welcher den Kopf verwürgt hatte / den Bund abschlugen. Die Königin Erato hatte sich über dieser scharffen und nachdrücklichen Zuredung ein wenig ermuntert / und fieng an: Da ihre verzweifelte Entschlüssung eine so tugendhafte Fürstin so sehr verletzt hätte / begehrte sie ihre Straffe nicht so wohl abzubitten /als die Grösse ihres Lasters zu entschuldigen. Denn ob schon ihre Schwachheit sie beredete: daß die Vernunfft einem übermässigen Schmertze und der Verzweifelung nicht gewachsen wäre; so könte sie doch die Gesetze nicht tadeln / noch für unrecht schelten: daß der / welcher ohne natürlichen Reitz / aus blosser Boßheit und muthwilligem Vorsatze andere beschädigte / aus dem Wege geräumet würde. Also gäbe die gemeine Sicherheit einem ieden das Recht / Schlangen / Nattern und Crocodile zu tödten; ungeachtet diese Thiere aus natürlicher Eigenschafft und ohne Gesetz-Bruch Böses stifteten / und durch ihre Tödtung ihre Seelen nicht mit Blute besudelten. Uberdiß sündigte der Mensch mehrmals wider die Natur / und thäte durch seine Boßheit denen Neigungen Gewalt an; da hingegen unvernünftige Thiere niemals / wie viel menschliche Ungeheuer / die ihrem Geschlechte schuldige Ehre verletzten / niemals sich durch einsame und unfruchtbare Brünste befleckten. Wölffe und Beeren behielten immer einerley Unart; keine Taube verwandelte sich iemals in einen rauberischen Geyer /und kein Schwan in einen Raben: Der Mensch alleine stellte heute ein La / morgen einen Drachen für; er versteckte die Wolffs-Zähne mit schönen Lippen /und die Greiffen-Klauen unter Pflaumen-streichenden Händen. Er sinnte so gar auf neue Erfindungen der Grausamkeit nach. Auch hätte er die Peinigung zu einer Wissenschafft gemacht / und denen Ermordungen lernen ein Geschicke geben; also daß der Tod zur Straffe mehrmals aufgehalten / und einem ieden Gliede ein absonderlicher angethan; ja so gar die Leichen zur Quaal der Lebenden aufgegraben würden. An dieser Boßheit hätten weder die Gestirne / noch die Gemüths-Regungen Schuld; und dahero wären für sie keine Gesetze zu scharff / und keine Straffen zu grausam. Thußnelde begegnete der Königin: Diese[454] letzteren sind nicht würdig Menschen genant zu werden; ja gegen wilde zu rechnen ungeheure Miß-Geburten; derer Gedächtnüß so wohl als ihre Wiesen mit Strumpf und Stiel auszurotten ist. Gleichwohl aber bleiben dieselben Vergehungen / worzu dem Menschen seine natürliche Neigung Anleitung giebt /nicht unstraffbar. Zielten die Straff-Gesetze auch nur dahin: daß niemand durch die Sündigenden zu Schaden käme / würden aller Unterschied / und die Staffeln der Straffen aufzuheben / der Vorsatz nicht geringer / als das Verbrechen zu straffen / und iedem Menschen eben so wohl auf schädlicher Leute / als auf wilder Thiere Jagt auszuziehen freygelassen seyn. Wenn unsre blosse Sicherheit uns das Richt-Beil in die Hand gäbe / würde man denen mit anfälligen Seuchen beladenen Kranckheiten sicherer Gifft / als Bezoar und Rhabarber eingeben; und die zur Pflegung gebauten Siech-Häuser in Kercker und blutige Trauer-Bühnen verwandeln müssen. Da hingegen so wohl Klugheit / als Gerechtigkeit aus diesem einigen Grunde: daß unboßhafte Schädligkeit nicht Straffe / sondern Hülffe verdiene / befiehlet: daß man niemanden auch in der Pest vergehen lassen soll; da doch dieser ihr blosser Schatten schädlich / ihr Athem tödtlich ist / und man sie mehr nach ihrem Tode / als lebend zu fürchten hat / als welche vielmal durch Anrührung eines Fingers / oder eines Tuches / gantze Städte vergifften und wüste machen. Uber diß haben alle kluge Gesetz-Geber sehr vernünftig die Richter-Stüle verordnet / welche die Grösse einer ieden Missethat aus allen Umbständen genau untersuchen / und selbte ihr eine gleichwichtige Straffe auflegen lassen. Ja ihr fürnehmstes Absehen gienge dahin: daß andere zum bösen geneigte sich an anderer Straffe spiegeln / und ihrer Vernunfft über ihre Gemüths-Regungen brauchen lernen. Die Erfahrung ist auch ein unverwerfflicher Zeuge: daß die wildesten Menschen / wo nicht durch den Zaum des Gesetzes / doch durch die Schärffe der Straffen gebessert werden; ja in etlichen Eylanden / wo der Einwohner Vernunfft so / wie das Tage-Licht des kürtzten Tages verdüstert / und von euserlichen Sinnen wenig oder nicht unterschieden zu seyn geschienen / hat vernünftiger Leute Anleitung und Beyspiel milde Sitten und Tugenden eingeführt. Die Regungen selbst kriegen mehr Zunder von aussen /als sie uns einflössen. Der Abgang der an der Sonne der Ost-Welt gekochten Reichthümer verstopfen dem Geitze / der Mangel des anbethenden Pöfels der Ehrsucht leicht alle Röhren. Die Liebe hat zwar zuweilen / wo nicht vom Himmel / doch von unser Einbildung einen so feurigen Einfluß: daß sie ihre eigene Einäscherung für eine Ergetzligkeit hält; aber ihr Trieb kan doch nicht heftiger seyn / als der des Hungers und Durstes; beyde aber hat nicht allein die Vernunfft des großmüthigen Cato im wüsten Libyen / da es wenig kältere Lufft als in Bad-Stuben / und keine andere Feuchtigkeit / als eigenen Schweiß / und das Gifft kalter Schlangen gab / bemeistert; sondern sein einiges Beyspiel verursachte auch: daß sein gantzes Heer sich weder Hitze / Sand / Durst / noch Drachen aufhaltē ließ / und so wohl seine eigene / und der Natur Gebrechen / als die feindlichen Mohren besiegte. Keine Kirrung aber ist mächtig wilden Thieren ihre Zähne und Klauen zu binden: daß sie sich der Gelegenheit des Raubes nicht bedienen; und alle andere durch viel Zeit und Mühe ihnen abgewöhnte Unart ko t / ehe man sichs versieht / wieder. Der Mensch allein ist fähig durch die Vernunfft die angebohrnen Gebrechen auszurotten / und seinen Adern gleichsam ein ander Geblüte einzugiessen. Alcibiades hatte mehr Trieb zur Uppigkeit / als hundert Menschen; und gleichwol ward er tugendhafter / als tausend[455] andere. Socrates war von Geburt ein aus Hartzt und Schwefel zusammen gebackenes Bild; gleichwohl aber war er hitzigen Regungen weniger unterworffen / als der allerwäßrichste Scythe / dessen einiges Beyspiel alleine zu erhärten genung wäre: daß die Vernunfft / eine Bothmässigkeit über alle Gemüths-Regungen der Gestirne habe / und ihre böse Würckungen entweder entkräffte / ihre guten verbessere. Erato war entweder durch die Wichtigkeit angeführter Gründe überwiesen / oder durch ihre Gemüths-Verwirrung so geschwächet: daß sie Thußneldens Meynung nichts entgegen zu setzen wuste. Das Andencken aber ihres Zeno und sein unschätzbarer Verlust versetzte sie abermals in eine solche Wehmuth: daß sie iedes Wort Thußneldens mit hundert heissen Thränen bezahlte; endlich der sie nunmehr mit sanftern Trost-Worten aufrichtenden Thußnelde antwortete: Ach! wie zierlich lässet sichs von Uberwindung unsrer Liebe / von Mässigung unsers Schmertzens / von Verdammung unsrer Verzweifelung reden! wie schwer oder unmöglich aber fället es eines von diesen bewerckstelligen! Wenn aber ja alle Neigungen von der Vernunft gehemmet werden; ist doch diese Ohnmacht der Liebe mir unbegreifflich. Denn da diese so gar die Götter überwältiget; wie soll sie unserm Verstande unterworffen seyn? Ja da auch aller anderer Liebe sich die Gesetze der Vernunfft binden läßt / ist doch meine von einer besondern Art und von einer unüberwindlichen Stärcke. Diese alleine weiß von sich / nur ich von den Kräfften meiner Liebe zu urtheilen; welcher ich für allen andern Rathgebern zu folgen habe. Denn ie mehr man liebet / ie weiter sperret man die Augen auf. Allein / ich thörichte! was für eine Zwitracht lasse ich mir zwischen meiner Liebe und Vernunfft träumen? Diese selbst redet meiner Verzweifelung das Wort / und befihlet mir mit dem zu sterben / welcher ohne mich nicht leben konte / und ohne den mein Lebē ein täglicher Tod seyn würde. Keine Seele ist iemals so sehr / als Erato von Zeno geliebet worden; solte ich nun nicht mich mit ihm zu begraben für Glücke und Ehre / mein Leben nach ihm aber für eine Kaltsinnigkeit des undanckbarsten Weibes halten? Könte ich meiner gerühmten Treue einen ärgern Schand-Fleck anbrennen / als wenn ich einen so unverwerfflichen Fürsten / einen so beständigen Liebhaber / so seichte / und nur biß zu seinem Grabe geliebt hätte? Die Liebe ist stärcker als der Tod; die aber nur ihr Schatten / welche sich nicht mit dem Geliebten in die Finsternüß seiner Todten-Grufft einschleust. Gib dich also überwunden! treuhertzige Thußnelde! nachdem mir deine eigene Zunge / und die vertheidigte Vernunfft zu sterben befihlet. Mißgönne mir nicht /wehrteste Freundin! daß sich meine Asche mit den modernden Beinen dessen / der eine so süsse Flamme im Leben mit mir vereinbart hat / vermische. Lasse mir zum unsterblichen Nachruhme auf beyder Grabe-Stein schreiben: Daß darunter die Uberbleibung zweyer Leiber / aber nur einer Seele ruhe. Erato fiel nach diesen Worten in Ohnmacht / also daß die mitleidende Thußnelde nicht mehr vielen Thränen den Vorbruch hemmen konte; durch welche sie vielleicht mehr als durch Saloninens Balsame erquicket ward. Als sie nun ein wenig wieder zu rechte kam / fieng Thußnelde mit übergehenden Augen an: Sie hat recht Erato / ihren sterbenden Zeno zu beweinen / aber nicht Befugnüß ihm ihr Leben aufzuopfern. Jenes ist eine Schuldigkeit reiner Liebe / dieses aber ein scheltbares Werck der Verzweifelung. Todte sind keiner andern Verehrung fähig / als eines ruhmbaren Andenckens. Dieses aber entzeucht sie ihrem so würdigen Liebhaber / wenn sie ihr selbst das Tacht des Lebens auslescht. Ihre Asche kan des Fürsten Zeno Verdiensten und Liebe kein Licht / aber wohl ihr Leben eine brennende[456] Fackel seines Ruhmes anzünden. Lebe diesemnach Erato! wo du nicht wilst: daß mit dir das süsseste Gedächtnüß deines Zeno sterben soll. Verbrenne das übrige Oel deiner Seele / ihm zu Ehren! welches vorher eine lodernde Ampel der keuschesten Liebe gewesen ist. Erato brach ein: Mühe dich nicht /Thußnelde / mir ein erbärmliches Leben so scheinbar zu überfirnsen. Schätzest du für verantwortlich mich zu einem Leben zu verdammen: daß ich durch stetes Andencken meines unsterblichen Todten alle Augenblicke aufs neue sterbe? Könte ich ohne äuserste Schande ohne den leben / der meinetwegen sich in den Tod gestürtzt hat? Bin ich ihm zeither in Liebe und Großmüthigkeit ungleich gewest / so wil ichs ihm zum wenigsten an der Weise zu sterben nachthun. Ich wil einmal sterben! so wird die Liebe unser Gedächtnüß nimmermehr sterben lassen. Wenn ich mich aber auch gleich überreden lassen könte nicht zu sterben /würde mich doch mein Gewissen zum Tode verdammen. Denn ich / nicht Flavius hat den Zeno getödtet. Dieser ist nur mein Werckzeug / ich selbst die Stifterin des Todes gewest. Meine Augen haben im Flavius eine verbothene Liebe / im Zeno eine gerechte Eyversucht entzündet; dieser aber hat lieber sich selber mir zu einem Opfer der Liebe / als mich zu seiner gerechtesten Rache abschlachten wollen. Mit wie viel besserem Rechte hätte Flavius seinen Degen mir durchs Hertz getrieben / als daß er die Liebe gegen mich seine Waffen auf den unschuldigen Zeno schärffen lassen? Saget demnach dem Flavius: daß er weder seine Seele noch sein Schwerdt von Flecken dieses edlen Blutes reinigen kan / wenn er es nicht mit meinem abwäscht. Wie vergnügt würde ich sterben /wenn ich von der Klinge stürbe / die in der Brust meines getreuen Liebhabers gesteckt hat! Dieses ist das einige Mittel / welches mich / Flavius / zu deiner Gegen-Liebe bewegen kan; ausser welchem ich für dir als einem Mörder meiner andern Seele allezeit werde Grauen und Abscheu haben. Diß ist der einige Beweiß / den Geist meines erblichenen Zeno zu bereden; daß ich ihn mehr / als meine Neben-Buhlerin Ismene geliebt habe. Mit diesen Worten erhub sich Erato als ein Blitz aus dem Bette / eilte einem an der Wand stehenden Tische zu / und hätte / ehe es Thußnelde oder Salonine verhindern können / sich mit dem darauf liegenden Messer verwundet; wenn nicht Ismene hinter den Tapezereyen hervor getreten wäre / und das Messer ihr vorher weggenommen hätte. Erato erstarrete über dem Anblicke Ismenens / unwissende: Ob sie sie für die selbständige Ismene oder für ein Gespenste halten solte. Bald aber fuhr Erato sie an: Kommest du nun auch mir die Süssigkeit des Todes zu rauben / die du durch deinen Eintrag mir meine Liebe so sehr vergället hast? Wie? oder wilst du die Ehre haben mir selbst das Licht auszuleschen / die du das Hertze gehabt / die in der reinen Seele des Zeno mir angezündete Liebes-Flamme dir zuzueignen? Wohl! wohl! vollziehe diesen deinen Vorsatz / welcher verantwortlicher / als dein erstes Beginnen ist! Rechtfertige durch meine Entseelung dein Verbrechen; daß du mit dem Zeno mir meine Seele zu rauben dich hast gelüsten lassen! Thue mir die Wohlthat: daß ich von deinen Händen sterbe! denn ausser dem werde ich dir die mir im Lebẽ angethane Beleidigung nimmermehr verzeihen. Durch einen so glücklichen Tod wird meine unglückliche Liebe vollkommen werden. Ja du wirst durch einen mitleidentlichen Stoß mich dir so verbinden: daß / wenn Zeno wieder lebend werden könte /ich sterbende ihn dir bescheiden wolte. Ismene / welche nunmehr ihre Liebe gegen den Zeno für Thußnelden länger zu verhölen durch seinen ietzt vernommenen Tod viel zu ohnmächtig war; antwortete der Königin / welche sie zeither gleichsam mit versteinerten Augen derogestalt angesehen hatte:[457] daß es unmöglich zu unterscheiden war: Ob es mehr aus eigener Bestürtzung / als aus Mitleiden gegen der Erato geschehe: Ist Zeno todt! so hat Ismene weder Krafft noch Lust zu leben! aber wohl mehr Recht / als Erato mit ihm zu sterben! Denn meine Liebe hat in seinem Hertzen ihr Bild verwischet / meines aber aufs frischeste darein gepräget. Meine Seele wohnet in seiner mit solcher Völle: daß sie weder der Erato / noch iemand anderm den engsten Platz enträumet. Diesemnach kan man ihn nicht begraben / sonder daß man mich mit ihm zugleich zu Grabe trägt. Stirb diesemnach! Ismene! stirb! Denn was wären die leeren Schalen eines unbeseelten Leibes auf der Welt nütze? Lasse dir die Erato nicht mit einem ruhmbaren Tode zuvor kommen / die du an der Seele des verliebten Zeno mehr Theil gehabt hast. Was für eine dem Kalck gleichende Empfindligkeit aber hat Erato: daß sie aus den ausgelöschten Liebes-Kohlen des Zeno eine so heftige Flamme empfindet / daß sie sich mit ihm einäschern wil? Die Verschmähung ist wohl eine Mutter der Rache / nicht aber der Liebe. Sie reitzet wohl andere / nicht aber sich selbst zu tödten. Räche dich demnach! hier ist das Messer / an der / welche gestehet: daß sie durch den Strom ihrer heftigen Liebe in dem Hertzen des Zeno deine ersäuffet und ausgeleschet hat. Erato ward hierüber derogestalt entrüstet; daß sie Ismenen nach dem Messer grieff und anfieng: Bilde dir solche süsse Träume nich ein / Ismene: daß du am Zeno einiges Theil gehabt. Er muß mir sein gantzes Hertz haben zugeeignet weil er ja für mich sein Leben gegeben / und mit Verlust desselben sich an demselben zu rächen entschlossen hat / der an mir Theil zu haben sich bedüncken ließ. Wenn ich nun mit dem für mich sterbenden nicht stürbe / würde die Welt und Ismene selbst urtheilen: daß mein Hertze von aller Tugend leer / und von Undank voll wäre. Ismene versetzte: Ich habe mehr Erbarmnüß mit der Eitelkeit ihrer Einbildung / als Mißgunst gegen ihrer Begierde zu sterben. Glaube mir Erato: daß Zeno dir allen äuserlichen Schein; Ismenen aber alles Wesen der Liebe zugetheilt habe. Ich widerspreche nicht / er habe der Erato gesagt: Er liebe sie mehr als mich; aber ich weiß allzu gewiß: daß er mich mehr geliebt /als er ihr gesagt. Ich mag ihr kein Kennzeichen für die Augen legen; denn ich habe mit ihrem Elende so viel Erbarmnüß / als meine Seele gegen den Zeno zarte Regung. Die vorhin eivrige Erato ward hierüber als ein Tuch blaß; gleichwohl erholete sie sich und fieng an: Heuchele deinen süssen Gedancken / wie du wilt; bilde dir aber von mir die Schwachheit nicht ein: daß ich in der Liebe einer Neben-Buhlerin glauben könne. Hätte mich aber auch Zeno gleich niemals geliebt / als da er mir zu Liebe wider den Flavius den Degen gezückt; da er sich umb mich zu besitzen dem Tode in Rachen gestürtzt / so wäre ich mit ihm zu sterben verbunden und willig. Denn bey solcher Bewandnüß hätte das grösseste Ubel der Welt / nemlich sein Tod mir das gröste Glücke zugeschantzt. Sein Tod müste in meinem Hertzen die heisseste Liebe anzünden /wenn von ihr niemals kein Funcken darinnen geglommen hätte. Wie solte nun von dieser durch den Tod gestifteten Liebe in mir die Begierde zu sterben getrennt seyn? Ja wenn ich auch zu bereden wäre: daß Zeno mich weder im Leben / noch sterbende geliebt hätte / wurde ich so viel freudiger in Tod gehen / weil ich vielleicht die erste seyn würde / die den Ruhm erlangt: daß sie aus Liebe gegen den / der sie nicht geliebt hätte / gestorben wäre. Ismene fiel ein: Erato ist numehr in der rechten Meynung; aber auf einem irrigen Vorsatze. Es ist Raserey / keine Liebe / dem zu Gefallen sterben / der uns nicht liebet. Daß dich aber Zeno nicht wie mich geliebet habe / wirst du zu glauben gezwungen werden /[458] wenn du dieses Pfand der Liebe zu kennen nicht leugnest. Hiermit entblößte Ismene ihren Arm / und zeigte der Königin ein Arm-Band / wormit sie noch zu Sinope den Zeno beschenckt hatte. Zugleich reckte sie ihr auch das Messer / und redete ferner: Räche diesemnach / Erato /durch einen behertzten Stich / dich so wohl an mir /als am Zeno! denn ich werde sonst nimmermehr glauben: daß du den Zeno iemals hertzlich geliebt hast; sintemal diß unmöglich eine rechtschaffene Liebe seyn kan / welche sich nicht / wenn sie verschmäht wird / in eivrigste Rache verwandelt. Uber diesem Anblicke und Worten sanck Erato zur Erde; Ismene aber fuhr fort: Ich sehe wohl / Erato habe mehr Lust zu vergehen / als sich zu rächen. Ihre Lebens-Geister sind so bemüht von sich selbst auszulöschen; gleich als wenn ihnen mit der ausgeloschenen Liebe des Zeno aller Zunder entgangen wäre. Ist es aber nicht Wahnwitz / wenn es mein Ernst ist zu sterben /derselben Hand zum Werckzeuge des Todes auszubitten / die mir die Ehre mit dem Zeno zu sterben nicht gönnet / die aus gerechter Rache mir ein langes Lebē zur Straffe wünschet? Kan ich die Grösse meiner Liebe mit einem kräfftigern Siegel bewehren / als wenn ich selbst zugleich ihr und des Zeno Priester und Opfer werde? Keine Liebe ist dieses Nahmens werth / welche nicht den Tod für den Preiß ihres Sieges / und den lodernden Holtz-Stoß für den Siegs-Wagen ihres brennenden Hertzens hält. Hiermit holete Ismene aus / das Messer ihr selbst in die Brust zu stossen. Zu allem Glücke aber erblickte es die nebst Saloninen umb die ohnmächtige Erato beschäfftigte Fürstin Thußnelde / erwischte ihr den Arm / und rieß ihr das Messer aus der Hand. Erato schöpfte wieder ein wenig Lufft; Thußnelde aber gab mit Fleiß durch alle ihre Geberden eine empfindliche Ungedult zu verstehen; und redete zu beyden / bald eine / bald die andere ansehende: Ich weiß nicht / welche unter euch am meisten scheltbar sey. Denn eine hat alle Vernunfft /die andere alle Sinnen verlohren. Sie beweinen als einen Todten den / welcher noch lebet; und zancken sich umb das Vor-Recht aus Liebe zu sterben; gleich als wenn die Todten mehr Süssigkeit im Grabe / als die Lebenden in den Armen ihrer Liebhaber zu genüssen hätten. Bist du / Erato / in der Liebe ein solcher Neuling / und auf dem Fusse der Tugend so übel gegründet: daß jene ihre gewohnten Stürme / nicht mit Hoffnung und Gedult / die zwey Heb-Ammen der Liebe / nicht auszuwarten weiß; diese aber sich durch einen sauern Anblick des Todes von ihrer Höhe in thörichte Verzweifelung stürtzen läßt? Wer nichts verschmertzen kan / muß nicht anfangen zu lieben; und wer dem Tode nicht behertzt in die Augen sieht /ist ein Weichling / taugt nicht einst weder in die Schule der Liebe / noch der Tugend. Denn beyde arbeiten ins gemein mehr in Stahl / Stein und knörnichtem Holtze / als an Wachse / Gold und Helffenbein; Ihr Hertz-Blat ist die Beständigkeit alles /nemlich die Tugend / die gewohnt ist / was sie uns bittres einschencken / ohne Ungedult auszutrincken /allen Verlust zu verschmertzen / sich aber nicht selbst mit zu verlieren. Ist ihr so frembde: daß die / welche ihrer Liebhaber Tod im Leben lange beweinen / mehr ausstehen / als die wahnsinnige Porcia / welche doch den Tod mit glüenden Kohlen einschlingt? Sich in solchem Zustande selbst entleiben / ist nur eine gemahlte Liebe; eine falsche Großmüthigkeit der Kinder / welche / wenn man ihnen die Tocken ni t / sich auf den Bodem werffen / und ihnen die Haare ausrauffen. Die aber lieben recht und beständig / welche ihrer Liebhaber Zufälle ohne Zärtligkeit fühlen / und ohne Härtigkeit überstehen. Auch die rechtmässige Liebe erfodert ihre Maaß. Nichts in der Welt muß uns /auser der Tugend / so annehmlich / wie etliche süsse Kräuter den Ziegen / schmecken: daß sie durch[459] Unersättigkeit sich dadurch selbst hinrichten. Für was aber soll ich / Ismene / deine verzweifelte Entschlüssung aufnehmen? Ist es iemals erhöret: daß man ein Haus ehe eingeäschert / als brennen siht? Auch der Blitz hat die Gewalt nicht etwas ohne scheinbare Flamme zu vernichten. Ich aber soll dich hier für Liebe sterben sehen / ehe ich weiß: daß dein Hertz einen einigen Funcken der Liebe gefangen habe? Mit was Unrechte aber hast du auf den Zeno ein Auge / weniger eine solche ungeheure Liebe werffen können / welcher der Tod aus den Augen sihet / und die Verzweifelung im Busem steckt? Aber was kan anders eine solche Chimere / wie die verbotene Liebe ist / gebehren als Miß-Geburten? Weist du nicht: daß iede einem andern gewiedmete Seele ein verbothener Baum sey / und man ihm an seinen Aepfeln den Tod esse? Von seinen Blättern aber die Schande nichts als Kräntze der Schmach winde? Was für übele Nachrede wirst du nicht nur dir / sondern allen deutschen Frauenzimmern auf den Hals ziehen / wenn die Ausländer erfahren werden: daß die tugendhafte Ismene ihrer Gästin keuscher Liebe Eintrag gethan habe? Was für Aergernüß wirst du dem Rheine und der Elbe geben / wenn sie hören werden: daß ihres Feldherrn Schwester eine der zweyen Weiber sey / welche umb einen Liebhaber sich gezwistet / und aus rasender Blindheit verzweifelt sind. Ja Zeno selbst / welchen ihr beyde so unsinnig liebet / wird von euch beschimpfet; und ihr werdet verursachen: daß man sein Grab an statt der Cypressen und Lilien mit Disteln bestreuen; den seine Asche verwahrenden Todten-Kopf aber an statt der Hyacinthen mit Wolle umbflechten wird / wormit die Versehrer der Ehe und keuschen Liebe gekräntzet werden. Lebet diesemnach beyde: daß Zeno / wenn das Verhängnüß es ja so habẽ wil / mit Ehren sterbe, euer Tod aber euch nicht ein Urtheil auf den Hals ziehe: daß ihr ohne Scham und Schande euch nicht zu leben getraut / und nur eure Unehre mit dem Grabe verhüllet hättet. Alle Verzweifelten haben in solchen Fällen sich durch ihre eigene Hand aufgeopfert / und alle Weise sich durch ihre Vernunft erhalten. Thußneldens Rede hatte einen solchen Nachdruck: daß Erato und Ismene als zwey versteinerte Nioben stehen blieben. Keine rührte ein Glied / weniger die Zunge zu ihrer Verantwortung. Die ihnen aber auf die Wangen tretende Scham-Röthe verträt die Stelle eines Richters /und sprach für Thußnelden wider Ismenen und die Erato die Sache aus. Beyde musten endlich ihre Vergehung gestehen / und bekennen: Die lebhafte Thußnelde hätte ihnen so viel bewegliches ins Hertz geredet: daß sie mehr keine Begierde hätten sich zu verterben. Weil nun die kluge Thußnelde wohl verstand: daß wie getrübte Brunnen / also auch verwirrete Gemüther zu ihrer Ausklärung Ruh und Zeit von nöthen hätten / nahm sie so wohl als der Tag Abschied; befahl die Königin Saloninen; Ismenen aber der Gräfin von Bentheim aufs beste.

Die folgende Nacht würckte in den Hertzen der in Meyntz sonst überaus wohl bewirtheten Deutschen fast so vielerley Gemüths-Regungen / als sie Sterne an Himmel stellte. Erato und Ismene waren fast ausser sich selbst / und viel zu schwach nur ihre Gedancken zusammen zu raffen / weniger was vernünfftiges zu entschlüssen. Thußnelde war nicht nur umb dieser beyder Wohlfarth; sondern auch wegen Ismenen bekümmert: daß nicht ihre verzweifelte Liebe dem ihr besti ten Hertzoge Catumer / und dem Feldherrn Herrmann zur Wissenschafft käme; unwissende: daß der Cattische Hertzog hierdurch eine grosse Erleichterung seiner nach Adelmunden seufzenden Seele bekommen haben würde. An[460] Hertzog Siegesmunds Hertze nagte noch immer Zirolanens Liebe; und zwar so viel empfindlicher / weil nicht nur ihm ihr so scharffes Verbot / sondern auch seine gegen ihr tragende tieffe Ehrerbietung die Zunge schloß / nur ein Wort von Liebe gegen ihr zu gedencken. Zeno und Flavius waren gleichsam zwischen Thür und Angel des Lebens und des Todes; gleichwol aber fühlten sie noch mehr Schmertzen von Liebe und Eyversucht / als von ihren Wunden. Umb Mitternacht fiel Zeno bey seiner Verbindung in eine solche Schwachheit: daß er bey nahe ihnen unter den Händen vergangen wäre /und sie daher ihre gewohnte Trost-Larve vom Gesichte zohen: und weil alle euserste Mittel ihm das Blut zu stillen mehr keine Würckung thun wolten / dem ein wenig gelabten Zeno mit Einziehung der Achseln das Todes-Urthel ankündigten. Zeno hörte es unerschrocken an; und verlangte allein die Königin Erato noch ein mal zu sehen; welches die nunmehr an der Genesung verzweifelnden Wund-Aertzte wider ihre bisherige Meinung willigten. Erato war von ihrer Abmergelung in Schlaff / oder viel mehr in eine halbe Ohnmacht gefallen. Kurtz ehe sie aufgeweckt ward /träumte ihr: Es schwebte ein sie in die Klauen feste einschlüßender Adler in der Lufft herumb; dieser aber würde von einem Donner-Strahl gerühret; worüber sie ihm zwar entfiele / aber von einem Falcken aufgefangen / und nach langer Umbschweiffung / durch neblichte Lüffte und Gewölcke von selbtem zu Artaxata in dem Tempel Jupiters bey seinem die Leda umbarmenden Schwanen-Bilde nieder gesetzt würde. Die unvermuthete Beruffung zum Zeno / und die hieraus fürgebildte Todes-Näherung ließ ihr weder Zeit noch Kräffte diesem seltsamen Gesichte nachzudencken. Ihr Wehklagen aber machte: daß so wol des Zeno euserster Zustand / als der Erato Beruffung der in einem unentfernten Zimmer liegenden Ismene kund ward /und sie aufs neue in ärgste Verwirrung versetzte. Die zu gehen unvermögende Erato ward zu dem krancken Zeno getragen / welcher von ihrem ersten Anblicke sich ermunterte / ja sich aufzurichten und sie zu umbarmen anfieng. Sie hingegen ward in seinen Armen fast gantz entseelet / und eine gute Weile konte weder eines / noch das ander ein Wort sprechen. Ihre Augen klagten allein einander ihr Leid; gleich als wenn die Glieder / in welchen sich ihre Liebe angesponnen /auch dieselben seyn müsten / in denen sie ausleschen solte. Nach etlichen halb-verbrochenen Worten der Erato / welche ihn mehr / als die fertigste Beredsamkeit ihrer noch eingewurtzelten Liebe versicherten /erholte sich Zeno / wie ein dem Ausleschen nahes Licht / und redete die Königin an: Ich bin nunmehr an dem Ziele meines Lebens und meiner Liebe; und meine Seele soll sich nach wenigen Augenblicken so wol von ihrer / als von meinem Leibe trennen. Mein Leben haben die Götter in Glück und Unglück / wie die Sonne die Zeit / nemlich in Tag und Nacht abgetheilt; und zwar wie dis der Welt / also jenes mir zu meinem besten. Denn das annehmliche und widrige Glücke sind die zwey Bildhauer der Natur / durch welche sie das menschliche Gemüthe zur Vollkommenheit ausarbeitet. Meines ist jederzeit in Ruh / und mein Hertze stets vergnügt gewest. Denn das Verhängnüs hat in seiner Gewalt keine so bittere Galle gehabt mir einzuschencken: daß nicht das bloße Andencken der holdseeligsten Erato mir hätte verzuckern können. Ihre Liebe ist das rechte Saltz meines Lebens / das Marck meiner Wollust / und der Leitstern zur Tugend gewest. Ich gestehe gerne: daß unsere Liebe nicht allezeit Sonnenschein; sondern offt trübes Wetter / und zuweilen harten Sturm gehabt. Aber sind die schönsten Rosen nicht mit den meisten Dornen umbgeben?[461] Liebe und Beschwerligkeit sind leibliche Geschwister; ja die Liebe ist nicht mehr Liebe / wenn man sie entwaffnet und ihr die Pfeile zerbricht. Ihre gröste Süßigkeiten sind ohne Kummer ungesaltzene Speisen; und eine vermischte Sauere giebt so wol Liebhabern / als Granat-Aepffeln die schmackhafteste Anmuth. Glaube mir diesemnach / Erato: daß deine Liebe mir so gar das bitterste in der Welt / nemlich den Tod süße macht; und ich werde mit Freuden sterben / wenn ich noch einmahl aus deinem Munde das Wort hören werde / welches mich so viel mahl lebend gemacht hat / nemlich: Ich liebe dich Zeno. Uber diesem Worte zerstoß Erato gleichsam in eine Bach; und überschwemmte den krancken Zeno mit so viel Thränen / als man nicht geglaubt hätte / daß ihrer eine solche Menge in tausend Augen solten Raum haben. Zeno sahe ihr mitleidentlich an / wie sehr sie sich mühte zu reden / und wie feste ihr der Schmertz die Zunge hielt. Endlich brachte sie doch gegen Himmel sehende diese Worte heraus: Zeuget mir ihr unsterblichen Götter / die ihr Hertzen und Nieren prüfet: daß ich mich selbst nicht so sehr / als den Fürsten Zeno liebe! Straffet mich in den Augen des Zeno / wo sein Bild jemahls aus meinem Hertzen kommen; und du gütige Mutter der Liebe / welche Armenien als eine Hertzen-Wenderin anbetet / laß nimmermehr mein Hertze ein Behältnüs einer andern Seele / als des Zeno / und seinen Tod zugleich das Ende meines Lebens seyn! Wolte GOtt! es stünde in meiner Gewalt mein Hertze zu theilen / so wolte ich es die Helffte dir nehmen umb nur des zweifelnden Zeno Unglauben zu straffen. Aber nur einen Augenblick; weil meine Unschuld darbey mehr als sein Mißtrauen leiden würde. Zeno ward durch diese Worte / mehr aber durch ihre ihm sein Hertz brechende Seufzer bis in die innerste Seele gerühret; welche ihm nicht nur etliche Zehren aus den Augen; sondern auch aufs neue mehr als vorhin Blut aus seinen Wunden preßten; gleich als wenn eine so hertzliche und feurige Liebe mit keiner andern / als so rother Tinte geschrieben werden könte. Er grief sich aber doch aufs euserste an / und sagte: Es ist genung / Erato: daß du mich bis hieher geliebet hast! Versiegele mit dem letzten Kusse diese deine Versicherung / wie ich mit meinem Tode: daß ich auch sterbende dich noch liebe. Keine Erklärung der Liebe kan unverdächtiger seyn / als wenn selbte nichts mehr zu erwerben hat; nemlich auf dem Scheide-Wege des Lebens und Todes. Setze kein weiteres Ziel deiner Liebe / als die Götter meinem Leben! bleib aber meiner Liebe ingedenck / wenn mein erblichener Geist sich nur mit dem Schatten deines Bildes / du aber mit einem würdigern Liebhaber dich vergnügen wirst. Dem Zeno entfiel hierüber die Sprache /und die ihn küssende Erato fiel gestreckt für todt zur Erde. Die Erquickungen brachten sie doch wieder zum Atheme; Zeno aber bat den an seinem Bette stehenden Grafen von Löwenstein: er möchte beym Hertzog Flavius ihm die letzte Gnade ausbitten; daß er sich möchte in sein Zimmer tragen lassen / umb von ihm Abschied zu nehmen / und in einer Sachen ihm Erleuterung zu thun / welche ihn nicht nur zu Vergessung seines ihm angethanen Unrechts bewegen; sondern mit seiner ewigen Ruh seines Gemüths beglücken würde. Löwenstein richtete diesen Befehl treulich aus; Flavius aber war viel zu höflich den viel kränckern Zeno zu erwarten; sondern seine Gegenwart fand sich an statt der Antwort ein. Als die von den Aertzten ermunterte Erato wieder die Augen aufthat /ward ihr Verstand gantz verblendet / da sie den Zeno und Flavius als Hertzens-Freunde einander umbarmen sah / welche für zwey Tagen als Tod-Feinde einander angefallen hatten. Nach[462] diesen stummen Ausdrückungen ihrer Versöhnung fieng Zeno lebhafter / als noch nie vorher den Flavius anzureden: Es ist mir leid /tapfferer Flavius! daß / da ich jetzt sterbe / meine Wangen von Schamröthe gefärbter seyn sollen / als meine Wunden von Blute. Dieses giebt einen Glantz meinem Tode. Denn wie hätte ich rühmlicher / als von der Hand eines solchen Helden sterben können? jenen Schandfleck aber würde mein Tod nicht ausleschen /wenn ich von einem so grossen Geiste durch Erkäntnüs meines Verbrechens nicht den Nachlaß seiner Beleidigung zu erbitten hoffte. Mein Unrecht hat zu seinem Ursprunge und Vorbitter die Liebe / welche sich an keiner Helffte sättiget / keine Theilung verstattet; sondern wie geitzige Erben das gantze besitzen wil. Ja meine eigene Irrthümer reden mir bey dir das Wort / weil sie dir als Uberwindern / wie die Wunden guten Wund-Aertzten zur Ehre ausschlagen. Traue mir nicht zu: daß deine gegen meiner Erato angesponnene Liebe in meinem Hertzen Mißgunst gezeugt / dieser aber meine Klinge gegen dich geschärfft habe. Nein warlich mein Hertze ist für diesen geringen Wurm allzu groß; und meine Entschlüßung gegen sein Thun allzu feurig gewest. Denn der Neid frißt nur wie der zubereitete Demant-Staub langsam umb sich; er zeucht wie die Schnecken die Hörner ein / wenn Man ihm die Zähne weist. Die Liebe aber gleicht dem Blitze / der die härtesten Eichen und Klippen angreifft /und im Augenblicke zermalmet. Diese Stunde soll ein Vertheidiger meines viel ehrlichern Beginnens / und ein unverfälschter Zeuge seyn: daß ich am Flavius nichts geneidet / und auf der Welt ihm nichts mißgegönnet habe. Ich schätzte mirs für Ehre; daß Flavius ist / was ich liebte. Denn weil Liebe die vollkommenste Großachtung ist / lobte er hierdurch meine Wahl. Weil die Ereignung der Neben-Buhler den besten Wetzstein der Liebe abgiebt / machte Flavius meine Flammen so viel feuriger. Weil Adler nicht nach gemeinen Sternen / sondern nur in die Sonne sehen /wuchs in meiner Seele meiner Erato eine solche Schätzbarkeit zu: daß ich mich selbte zu besitzen nicht würdig schätzte; wenn ihr ein würdiger Liebhaber / als ich wäre / aufstieße. Ich sahe den Flavius niemahls an: daß ich mir nicht einbildete: er wäre vom Verhängnüsse mir zu einem Neben-Buhler auserkiest worden. An dessen Tapfferkeit ich mich zu prüfen hätte: ob ich ihrer Liebe werth wäre. Die von dem Cheruskischen Hause genossenen Wolthaten hielten mich zurücke: daß ich dis / nicht ehe / als für zwey Tagen bewerckstelligte. Ich reisete mit dem Fürsten Malovend in Deutschlands euserste Nord-Länder / in Meinung diesen Eyver abzukühlen. Ich erfuhr aber: daß unter dem Striche des heissen Hunds-Sternes nur die Hitze der Leiber / unter dem gefrornen Bär aber das Feuer der Gemüther seine Esse hätte. Also trieb mich diese kriegrische Lufft / es leitete mich der gerechte Himmel / in dem Gesichte der zwey streitbarsten Völcker der Welt / zu deinem Ruhme auszumachen: welcher unter uns beyden diese Perle Armeniens zum Siegs-Preisse zu überkommen verdiente. Deine Waffen haben sie dir erworben; das Verhängnus spricht sie dir durch mein Todes-Urthel zu; und wormit deine Liebe so viel mehr gerechtfertiget werde / so ni hin / und empfang sie mein Leben aus des sterbenden Zeno eigenen Händen. Erato / welcher Hand Zeno mit Gewalt ergrief / und in des Flavius legte / war ihr Lebtage noch nie in solcher Verwirrung gewest / als dismal. Das grosse Leid über des Zeno Lebens-Gefahr / welches auch eine laue Liebe wieder rege macht / hatte bis hieher den gegen dem Flavius gefaßten Zunder schier gantz erstecket. Bey dieser frembden Entschlüßung des Zeno aber liessen sich in ihrem betrübten Hertzen wider etliche Funcken /[463] wie die güldenen Puncte in dem tunckelen Lasur-Steine blicken. Des Flavius Anblick rückte ihr die von Schlangen gebildete Wahrsagung ins Gedächtnüs; ja alle Umbstände wiesen ihr gleichsam mit den Fingern: daß sie vom Verhängnüsse nicht für den Zeno /sondern den Flavius besti t wäre. Als sie aber nur wieder an den Zeno dachte / verschwunden alle diese neue Liebes-Gedancken; die Trauerwolcken umbwülckten ihren Verstand / und zerflossen endlich in den gewohnten Regen der Liebe und Bekümmernüs / nemlich in Weinen. Flavius hingegen / welcher ihm zwar von einem Liebhaber eine so ungemeine Fleygebigkeit nicht hatte träumen lassen: ja / wenn sie nicht von einem Sterbenden geschehen wäre / für Schertz oder Verspottung ausgedeutet hätte / faßte der Erato Hand so feste: daß sie sie ihm nicht entziehen konte / und antwortete dem Zeno: Ist es wolmöglich /unvergleichlicher Zeno! daß in einem Hertzen so ein hoher Geist und eine solche Leitseligkeit wohne? daß der unüberwindliche Zeno seinem Unsterne noch liebkosen / und seinem Beleidiger Recht geben könne? Ist es glaublich: daß eine Seele vollkommen lieben / und mit dem / was ihm lieber als sein Leben ist / so freygebig zu seyn vermöge? Ich erkenne mein Unvermögen gegen der Tapfferkeit des Zeno; Ich bescheide mich: daß nicht meine Geschickligkeit / sondern meine Liebe / oder vielmehr etwas / in dessen Hand alle Fädeme unsers Thuns hängen / mir meine blinden Streiche geführt habe. Ich würde niemals so vermessen gewest seyn gegen denselben den Degen zu zücken / welcher das Vorrecht der Liebe / alle Gesetze der Freundschafft zu Beyständen seiner sonst allezeit sieghaften Waffen hätte; wenn es dem Fürsten Zeno nicht gefallen hätte / sich unkenntbar zu machen. Aber dis / was seinen Leib verdeckte / war das erste /das ihn verrieth. Denn seine Waffen lehrten mich bald genung: daß ich mit einem Löwen / oder dem Zeno zu thun hätte. Ich bejammere das Unglück meines Vortheils / welcher in Gefechten ins gemein mehr den Zufällen / als der Geschickligkeit zuzuschreiben ist. Wolte GOtt! daß das Blut meiner Wunden / welche ich künftig als Ehren-Male zum Gedächtnüs eines so vollkommenen Helden tragen werde / deinen Adern eingeflößt; und nach dem man auch nunmehr Menschen-Blut zur Artzney bereitet / dir zur Genesung dienen möchte; so wolte ich nicht nur alle Pflaster abreissen / sondern mir selber mehr Wunden kerben umb einen solchen Helden mit meinem Blute zu erhalten / den meine Unbesonnenheit umbs Leben bringt. Verzeihe diesemnach demselben die Beleidigung / der sie sein Lebtage bereuen / und deine Ehre bis in Tod vertheidigen wird! Was soll aber ich zu des Fürsten Zeno unschätzbarem Geschencke sagen? weil denen Wachenden offtmals so seltzame Dinge /als den Schlaffenden träumen / habe ich Ursache mich gar wol zu besinnen: ob ich glauben soll: daß ein Beleidigter seinem Feinde seinen grösten Schatz vermachen könne. Des Cato und Tiberius Nero Treuhertzigkeit reicht keines weges an diese. Denn Hortensius war des Cato bester Freund / dem er die Martia überließ. Augustus aber Fürst und Gebieter / welchem Nero ohne Gefahr des Lebens nichts versagen konte. Livia und Martia waren auch schon übertragene Waaren. Erato aber ist noch eine unaufgeblühte Rose /eine Fürstin / derer Windeln schon Purpur gewest; welche von der Natur mit der vollkommensten Schönheit eine Herrschaft ohne Zwang über alle zarte Seelen bekommen / und durch welcher Tugenden dem Himmel eine sichtbare Gottheit fürzustellen beliebt hat. Urtheile diesemnach aus der Empfindligkeit deiner Seele: ob die meinige von ihr keinen Zug empfinden sollen? Uberlege; ob die Liebe einer Schönheit von so gutem Geruche / einer Heldin von so grossem Beyspiele könne verda lich seyn? Warlich![464] ich kan meine Liebe für dem nicht verbergen / dessen scharfsinniger Geist aller Menschen Heimligkeit ergründet /die er nur anschaut. Was mühe ich mich aber / meine Liebe auf den Teppicht zu breiten? sie selbst legt sich an den Tag / und ist schwerer zu verstecken / als das Tage-Licht. Sie redet mit stummer Zunge / und verräthet sich mit jedem Blicke. Zeno hat sie fürlängst ausgekundschafft. Denn wie würde er ohne Versehrung seines unschätzbaren Geschenckes gegen mich so freygebig seyn können / wenn er meiner Liebe nicht allzu gewiß versichert wäre? dieses nehme ich mit der tieffsten Ehrerbietung so viel danckbarer an / weil die Götter selbst mir nichts köstlichers vom Hi el werffen könten. Ich kan an der Königin Gegen-Liebe nicht zweifeln / weil ich allzu wol weiß / wie sehr sie den Fürsten Zeno liebet. Das erste Gesetze der Liebe aber ist / dis wollen / was der Geliebte wil. Weil nun Zeno weiß / wie heftig ich seine Liebhaberin liebe / kan er ihm die Rechnung leicht machen: daß ich ihnen ihrer Liebe halber lieben müste / so lange mir die Augen offen stehen / wenn er schon durch seine Tugenden nicht aller Welt Liebe verdiente. O eines unerhörten Beyspieles der Liebe! Kommet hieher ihr Weisen! und ändert eure bisherige Lehre: daß der Liebe Wesen in Vereinbarung zweyer Hertzen bestehe! Kommet und betrachtet mit Verwunderung unsere Liebe! denn in dieser findet ihr so gewiß drey verknüpffte Hertzen / als in einem Dreyeck drey Spitzen / und auf einem Klee-Blate drey Blätter. O unvergleichlicher Zeno! du alleine bist fähig solche Wunderwerke zu stifften! du alleine verdienest: daß alle künftige Liebhaber dein Gedächtnüs verehren / und jährlich dein Grab mit Rosen bestreuen! Kan ich aber an dein Grab ohne Seuffzen gedencken / und von selbtem ohne Thränen reden? Wird mit dir nicht unserer Liebe der Stiel abbrechen? Der Himmel lasse so geschwinde Verstimmelung unserer Freundschafft nicht geschehen! sondern er erhalte dich zu Bewehrung dieses seltzamen Ebentheuers: daß zwey Hertzen ohne Eyfersucht eine Seele lieben / wie mehr Irrsterne in einem himmlischen Zeichen sich vertragen können. O seltsame Mißgeburt der Liebe! ruffte zu diesen Worten eine unversehene aber bald erkennete Stimme. Denn Ismene hatte sich mit Hülffe der Nacht / und des gemeinen Bekümmernüsses welches jedermann unachtsam macht / in einem gemeinen Schlaff-Rocke ins Zeno Zimmer gespielet / und trat nunmehr freymüthig her für mit wiederholeten Worten: O seltzame Mißgeburt der Liebe! soll ich dich / Zeno / zugleich so leichtgläubig und einfältig halten: daß mein Bruder Flavius von Hertzen dein Leben / und mit dir in Gemeinschafft der Liebe zu stehen verlange? Kleine Sterne können sich ja auch wol vereinbaren / und gemeine Freunde einander leiden. Aber die zwey grossen Augen des Himmels kommen nimmermehr in einem Zeichen zusammen; und die Liebe verträgt so wenig als die Sonne / und der Augapffel neben sich einen Gefährten. Ein getheiltes Hertze kan so wenig lieben /als leben. Grosse Ströme / wenn sie in vielen Wasser-Betten zu flüssen anfangen / werden zu verächtlichen Bächen; und eine Seele / die sich ihrer zwey zu lieben vermißt / betheilet entweder eine / oder gar beyde mit eitelem Schein und Schalen. Erato ist demnach viel zu edel: daß sie einem unter beyden zum blossen Vorwand dienen solle; und zu aufrichtig: daß sie aus ihrer Liebe ein gebrechliches Stückwerck machen solle. Lasse dich / liebster Zeno / daher nicht mit solchem Winde speisen. Zerstickele nicht das Geschencke /das du meinem Bruder gegeben hast; und lasse deine geliebte Erato durch eine so ungestalte Liebe nicht zu einem Thiere machen / welches bald auf Erden / bald im Wasser lebt. Ni vielmehr hier Ismenen / welche dich von gantzer Seele mit unzertheiltem Hertzen liebt / für deine Buhlschafft; oder wo dis[465] für sie zu viel / für deine Dienerin; wo es aber für dich zu geringe / für deine Anbeterin an. Frage deine gewesene Erato / wie sehr dich Ismene liebet; wie dein verlautender Tod sie entseelet / und zu einer festen Entschlüßung die Brände deines Holtzstosses mit ihrem Blute auszuleschen gebracht haben. Glaube: daß Ismene nicht mehr lebte / wenn Zeno todt wäre; und solte das Verhängnüs was so grausames über dich /oder vielmehr über sie beschlüssen / so stehet es in dessen Macht zu hindern: daß Ismene nicht mit dem sterbe / in dem sie lebe. Der Erato hatten mitlerzeit so viel Gemüths-Regungen zugesetzt; daß ihr Hertz wie ein ohne Ruder / Segel und Mast in den Wellen wanckendes Schiff ihm nicht zu rechte helffen konte. Ihre Vernunfft war eine Schiff-Nadel ohne Magnet; und ihre Zunge ein stummer Buchstabe. Nunmehr aber zwang ihr die Regung Ismenens eine Entschlüßung ab; und ihr Eintrag / welcher der stärckste Blasebalg der Liebe ist / lösete ihr die Zunge; daß sie einbrach: Wie? soll Ismene für der Erato ein Vorrecht haben mit dem Zeno zu sterben? hat sie in einem Jahre sich mehr durch ihr Liebkosen umb ihn verdienet / als die ihn von Kind an in ihrem Hertzen angebetet? Ich gestehe es: daß ich nach dem Zeno in der Welt keinen Menschen höher / als den Flavius schätze; und ich würde niemanden als ihn lieben / wenn nicht Zeno sich meines gantzen Hertzens bemächtiget hätte. Aber darumb werde ich die Verknüpffung unser Seelen nicht trennen; ja dem Tode selbst soll es so gut nicht werden: daß er sich über uns einen Ehscheider nennen solle. Hat Ismene das Hertze mit dem Zeno zu sterben / so wil Erato ihr die Ehre nicht nehmen lassen: daß sie / umb die Warheit ihrer Liebe mit Blute zu besiegeln / vorher sterben könne. Hiermit grief sie nach einem auf dem Tische liegenden Pfriemer der Wund-Aertzte / und war in vollem Stoße ihre Brust darmit zu durchbohren. Flavius aber hielt ihr in den Arm fallend mit genauer Noth diesen tödtlichen Stoß zu rücke; rieß ihr diesen zur Heilung / nicht zur Tödtung /bestimmten Werckzeug aus der Hand / und redete sie an: Woher schöpfft sie / wunderschöne Erato / für mir eine solche Abscheu: daß ihr das schrecklichste in der Welt lieber ist / als meine Liebe? Aus Liebe gegen den Zeno kan weder ihr Vorsatz zu sterben / noch ihre Enteuserung nicht rühren; weil Zeno selbst wil / daß sie mich liebe. Alle Regungen / ja alle Gedancken geben sich demselben leib-eigen / den man rechtschaffen liebet. Unsere Seele ist unserm Liebhaber einen gantz blinden Gehorsam schuldig; welcher nur seinen Befehl ausübet / nicht aber überleget. Ja wenn es möglich wäre / würde sich eines Liebhaberin Seele in ihres Liebhabers / und ihr Willen in seinen verwandeln. Liebe demnach den Zeno! so wirst du mich nothschließlich lieben; und deinen Vorsatz zu sterben / als einen Ungehorsam gegen den Zeno / und eine Todfeindschafft gegen den Flavius fahren lassen. Außer dem wird niemand anders glauben / dann daß du durch deinen Tod dem Zeno sein Sterben zweyfach bitter machen / mich aber / der ich ohne dich nicht leben kan / vorsätzlich tödten wollest. Ist es aber eine Mögligkeit: daß man den liebe / dessen Befehle man widerstrebet; so ist nicht zu zweifeln: daß Erato den Fürsten Zeno liebe; so liebe sie ihn zu meinem Nachtheile nicht weiter / als er und die Natur seiner Liebe ein Ziel gesteckt hat. Könte wol von einem ein grausamer Gesetze ersonnen werden / als dis / das ihr Erato selbst aufhalsen wil / nemlich: daß wenn eines der Liebhabenden stirbt / das andere entweder mit sterben / oder sich lebenslang menschlicher Gemeinschafft entschlagen / und auf des Todten Grabesteine zu tode weinen müsse? Ein solch schreckliches Sterbe-Recht würde beyzeite die Welt zur Einöde machen. Wie viel verantwortlicher ist derselben wahnsinnige Liebe / die an einem Bilde oder Gemählde einen[466] Narren gefressen; als derer / welche sich in eine Leiche verlieben / oder mit Todten-Asche vermählen. Jede vernünftige Liebe hat zu ihrem Zweck und Preiße die Liebe. Was nun nicht wieder lieben kan / soll man nicht lieben / umb sich nicht selbst vorsetzlich elende zu machen. Man hat viel genung zuthun / daß man thue was man soll / und eine unfruchtbare Vermessenheit das thun wollen / was man zu thun nicht verbunden ist. Erato fiel ein: Meine Liebe ist so wenig / als des Zeno Tugenden nach gemeinem Mäßstabe einzuschrencken. Der Monde stehet der Sonne nie näher / als wenn sie verfinstert wird. Wie soll denn ich / die ich von dem Glantze meines hochschätzbaren Liebhabers so viel Licht genossen / mich dem Schatten seines Grabes entfernen? Lasse mich diesemnach sterben Flavius! wo es dein Ernst ist mich zu lieben. Denn wenn ich den Fürsten Zeno überlebte / würde ich mich des Flavius Liebe unwürdig / wie eines verletzten Bündnüsses schuldig machen. Zeno begegnete ihr nicht ohne eine kleine Eyferung: Lasse dich / Erato / nicht den Schein eitelen Ruhmes bländen / noch übermäßige Bestürtzung dein gutes Urthel verwirren. Der Tod / das alles in der Welt zernichtende Ungeheuer / hebet alle Bündnüsse auf. Der umbschrenckten Könige Gewalt endigt sich mit ihrem Leben; alle Pflicht und Eyde der Unterthanen und Leibeigenen werden zurissen. Und hierinnen hat die sonst Tyger- und Löwen-bändig machende Liebe keinen Vorzug. Wenn unsere Liebhaber uns nichts mehr gebieten /unsere Verehrung nicht mehr annehmen können / gewehren wir die zarte Regung nicht besser an / als die /welche einem Marmel-Bilde hundert Lichter anzünden. Es ist billich: daß unser Gedächtnüs ihrer Hold nimmermehr vergeße; daß unsere Hände ihren Tugenden Ehren-Seulen aufrichten. Aber Vernunfft und Natur wollen auch: daß der alles verzehrende Schwamm der Zeit unsere Thränen abtrockne; daß die allen Dingen ihre Maas gebende Weißheit unsere Schmertzen vermindere. Alle von der feurigsten Liebe aufgethürmte- und mit unverzehrlichem Oele erleuchtete Grabmale sind zu ausgeleschten Fackeln worden /den Sterblichen zur Nachricht: daß die Verstorbenen am Lichte / und die Lebenden an den Todten kein Theil haben. Aller ihr Athem vermag nicht ihrer Asche einigen Geist einzublasen / und die allerverliebtesten Seufzer ihren ewigen Schlaff zu vertreiben. Ja alle Lebenden entsetzen sich von Natur für den Todten-Grüfften und Geistern. Welche weder Hofnung noch Verlangen / nach den Leibern haben / noch auch die geringste Frucht von unser Liebe genüssen können; wiewol es auch eine lautere Unmögligkeit ist einen Todten zu lieben / dessen Fäule uns anstinckt /dessen Seele sich mit den Gestirnen vermählet / und alles Irrdische verhöhnet. Also haben der Tod und die Liebe niemals mit einander Gemeinschafft. Unsere Einbildung macht das Andencken unser Buhlschaft zu ihrem Bilde; und der Schmertz nimmet allein die Larve einer heftigen Liebe für; welchem die Vernunfft so gerechte Gräntzen / als die Natur den Ländern setzt; also daß sich niemals kein kluges Weib mit ihrem Manne ins Grab verscharret hat. Mit einem Worte: wie man nicht lieben kan / was man nie gesehen; also muß man zu lieben vergessen / was man nicht mehr sehen wird. Liebe demnach den Flavius /von dem du gestehen must: daß er deiner Liebe würdig sey / und von dem du glaubest: daß er dich liebe: thue dir selbst nicht Gewalt an. Denn wer gläubet: daß er geliebet werde / fänget schon selbst an zu lieben. Zeno hätte ihr desthalben mehr Einhalt gethan /weñ seine ihn verlassende Kräften ihn nicht durch eine halbe Ohnmacht abzubrechen gezwungen hätten. Ismene aber nam das Wort von ihm / und sagte: siehest du wol / Erato / daß du durch deinen hartnäckichten Vorsatz zu sterben den Zeno für der Zeit tödtest? Erato antwortete: die Hartnäckigkeit ist Lobens[467] werth / uñ wird zur Tugend / weñ sie auf Behauptung der Warheit / oder Erhaltung der Ehre feste steht. Flavius begegnete ihr: wollest du deñ nicht deiner Hartnäckigkeit etwas Abbruch thun? weñ du dem Zeno so viel am Leben köntest zusezẽ? Erato sagte: Ihm sein Leben zu verlängern wolte ich nichts in der Welt zu thun weigern. Flavius versetzte: So würdest du auch den Flavius dich zu lieben überwinden / wenn diß ein Mittel wäre / daß Zeno gonesete. Ja / bekennete Erato; ich traute auf solchen Fall meiner Meister zu werden. Ismene brach ein: Woltest du / Erato / denn auch Ismenen verstatten: daß sie der Zeno liebte /wenn sie ihm hierdurch könte das Leben geben? Wolte Gott! sagte Erato: daß ihn alle Frauen der Welt durch ihre Liebe heileten. Ismene fuhr fort: Würde dir es denn auch möglich seyn geschehen zu lassen: daß Zeno Ismenen liebte. Erato stutzte / seufzete und antwortete: Ach! Ismene! Kanst du Unbarmhertzige! mir ohne Grausamkeit so sehr zusetzen? Aber ja! liebe du den Zeno; nur höre nicht auf mich zu lieben. Flavius brach ein: So gestehest du / Erato: es sey einem Hertzen möglich / und recht: daß es ihrer zwey liebe? Warumb weigerst denn du dich / mich nebst dem Zeno ohne einige Bedingung zu lieben? Ach! Erato ich sehe es: daß dich meine unbeschreibliche Liebe empfindlich gemacht habe. Warumb wilst du denn nicht fühlen / was du wahrhaftig fühlest? Warumb thust du dir selbst durch eine schreckliche Marter so viel Ungerechtigkeit an / umb nur mich und meine Schwester zu peinigen? Hast du den Vorsatz auf diese Art dich gegen den / dessen Liebe ohne diß nicht höher steigen kan / beliebt zu machen? Hegest du auch die unmenschliche Meynung: daß in einer Frauen nichts beliebter sey / als die Grausamkeit? Es ist wahr; keine Hertzen rühren die Zärte unserer Seele mehr / als die sich / wie grosse Festungen / nicht bald ergeben. Aber sie müssen sich doch endlich gewinnen lassen. Du bist lange genung grausam gewest; dein Hertze hat sich lange genung gehalten; und Zeno / der es dir zu verwahren vertraut / befihlt es selbst dich zu ergeben. Ungehorsame Tapferkeit ist nicht weniger in der Liebe / als im Kriege straffbar. Erato antwortete: Setzet meiner Schwäche nicht ferner zu! Störet nicht länger die Ruhe meines Zeno! und meine seiner Verehrung gewiedmete Andacht! Vergnüget euch: daß ich Ismenen dem Zeno / und dem Flavius die Erato zu lieben nicht verwehre. Sie gab bey diesen letzten Worten dem Flavius einen so erbärmlichen Anblick: daß er zwar einen ungemeinen Schmertz / aber zugleich eine innerliche Zuneigung ausdrückte; welche er ihm / als eine ungezweifelte Versicherung / mit unbeschreiblicher Anmuth ins Hertze pregte. Erato und Ismene nahmen nebst ihm wahr: daß Zeno zu schlummern anfieng; daher sie auf der Aertzte Winck sich des Zimmers entäusern musten.

Hertzog Zeno ruhete wieder Gewohnheit biß in die dritte Stunde sanfter / als noch niemals bey währender Niederlage; ob schon seine Wunden niemals zu trieffen aufhöreten. Vielleicht / weil es zu Beruhigung seines Gemüthes gereichte: daß er zwey der vollkommensten Frauenzimmer in der Welt nicht allein umb seine Liebe; sondern so gar umb die Vermählung mit seiner Todten-Asche hatte kämpfen gesehen. Diesen Tag kam ein von dem Tiberius aus Trier verschriebener Artzt zu Meyntz an; welcher sich vermaaß durch das eingebalsamte Fleisch der Egyptischen Leichen das Blut zu stillen. Als aber diß nichts verfangen wolte / forderte er das auf einem unbeerdigten Hirn-Schädel gewachsene Mooß; welches iedermann aufzufinden auf die Wall-Stäte der gehaltenen Schlachten viel Leute ausschickte. Inzwischen ward Zeno immer schwächer / und gerieth in einen solchen Zustand: daß die Aertzte[468] mehr keinen Menschen ins Zimmer lassen wollen. Ismene / welche bey so verzweifeltem Zustande nun nicht mehr den Tod des Zeno / / sondern ihr Unglück: daß sie ihn nicht sterben sehen dürfte / beklagte / wuste ihrem Leide kein Ende; Und ihre Ungeberdung bewegte iedermann zum Mitleiden. Umb ihr nun den Schmertz ein wenig aus den Gedancken zu bringen / veranlaßte die Gräfin von Bentheim Ismenen: Sie möchte mit ihr über den Rhein fahren / auf daß sie nicht alleine die müssigen wären / welche für den Fürsten Zeno die verlangte Artzney nicht aufsuchten. Sie verfügten sich also in ein an dem Ufer des Meyns liegendes Gepüsche / wo zwischen den Catten und Römern ein scharffes Treffen vorgelauffen war. Ismene selbst stieg vom Wagen / und mühte sich aufs emsigste einen bewachsenen Schädel zu finden. Als nach langer Müh sie schon an ihrem Zwecke verzweifelten / kam ein eyß-grauer Kräuter-Mann zu Ismenens Bedienten / welcher die Ursache ihres Suchens erkundigte / und auf erlangte Nachricht sich auf einen Hügel verfügte / von dar auch in kurtzer Zeit zwey bemooßte Köpfe zur Stelle brachte / und damit zu Ismenen geführet ward. Ihre hierüber bezeugte grosse Freude / und seine reichliche Beschenckung veranlaßte ihn nach dem Gebrauch und Nutzen dieses Mooßes zu fragen. Als er nun vernahm: daß einem verwundeten vornehmen Fürsten damit das Blut seiner Wunden gestillet werden solte; lachte er / und fragte: Warumb sie nicht auf die Fettigkeit eines in der Geburt getödteten Beeres / oder ein von einem noch lebenden Thiere abgelösetes Glied / oder eine After-Geburt einer Gebährerin / und dergleichen abergläubische Dinge mehr darzu nähmen? Ismene erschrack über diesem schlechten Troste / und fragte: Ob er denn bewehrtere Blutstillungs-Mittel wüste? In allewege / antwortete dieser Kräuter-Mann; ich traute mir ohne Zauberey und glüendes Eisen einem / dem gleich ein gantzer Schenckel abgeschnitten wäre / das Blut zu stillen. Er führte hierauf die nach solcher Arzney eine unsägliche Begierde habende Fürstin in seine Höle / laß aus viel tausend verhandenẽ Kräutern etliche aus / zerklitschte sie auf einem Steine / drückte den Safft heraus in Vitriol. Hierauf erwischte er einen Hund / schnitt selbtem das Bein ab / stillte aber mit Umbbindung dieser Salbe im Augenblick das Blut. Ismene war für Freuden gantz ausser sich; ließ auch nicht ab / biß dieser Cattische Kräuter-Mann ihr nicht nur diese Wund-Salbe zu geben / sondern auch sich mit nach Meyntz zu verfügen willigte; unterweges aber sie in demselben Gebrauche genau unterrichtete. Ismene verfügte sich alsbald in des Zeno Zimmer / welcher der neue Artzt wegen mitgebrachter bemoosten Todten-Köpfe nicht nur den Eingang verstattete; sondern weil er vermittelst dieser Artzney dem Zeno das Blut zu stillen vorhatte / die Hertzogin Thußnelde / Erato / und den Flavius einließ. Dem Zeno ward das Mooß alsofort aufgelegt; das Blut raan zwar etwas sparsamer; aber doch hörte es nie gar auf. Der hierüber bestürtzte Artzt fragte: Ob etwan iemand anwesend wäre / der einsmals von einer Schlange gestochen worden wäre? Denn solcher Menschen Gegenwart; mehrte die Kranckheiten entkräfftete die Artzneyen. Niemand aber wolte hiervon etwas wissen / und die Wunden troffen immer stärcker. Hiermit fieng Ismene an: Weg mit euch und euren untauglichen Mitteln! ihr elenden Aertzte! die Liebe hat dem Zeno die Wunden geschnitten; also kan sie auch niemand heilen / als die Liebe. Erato / nunmehr ist es Zeit dich rund aus zu erklären: ob du deinen Liebhaber unbarmhertzig sterben lassen? oder mir deinen Anspruch an Zeno abtreten /und dardurch ihn beym Leben erhalten wilst? Die in Thränen sich badende Erato / welch ein sauer Apfel-Biß es ihr gleich war / befand sich gezwungen diese Erklärung zu thun: Es ist nichts in der Welt so schwer / was ich nicht[469] willige / ihm das Leben zu erhalten. Ismene antwortete: Ich nehme der Königin gütige Er klärung zu Dancke / und alle Anwesende darüber zu Zeugen an. Es ist von ihr eine grosse Klugheit / ihrem Liebhaber und dem Verhängnüß gehorsamen. Daß dieses mich nur zur Aertztin dieser Wunden / hingegen den Zeno zum Artzte meiner Liebe erkieset habe /wirst du selbst bald sehen / und diese Aertzte gestehen müssen. Mit diesen Worten nahm sie alle Binden und Pflaster nach und nach ab; und wiewohl es der fast ohnmächtige Zeno nicht geschehen lassen wolte; soog doch Ismene mit ihrem eigenen Munde das Blut aus / und führte an: daß dieses eine gewohnte Pflicht des deutsche Frauenzimmers / und die beste Reinigung der Wunden wäre. Welches Weib der Tapferkeit nicht feind / nicht ein Zärtling der Wollust wäre /könte ihr für diesem Purpur-Schaume der Ehren-Mahle nicht eckeln lassen. Des Zeno Hertze ward über diesem Beginnen Ismenens derogestalt gerührt: daß er sich bedüncken ließ: Ismene saugte ihm alle Schmertzen aus den Wunden / und flößte ihm alle Süssigkeit der Liebe ins Hertze. Sie aber bereitete aus ihrer Salbe dienliche Pflaster / verhüllete damit den beschädigten Leib / worvon sich Augenblicks zu aller Anwesenden Verwunder- und der Aertzte Beschämung nicht allein das Blut stillte; sondern Zeno fühlte / oder bildete ihm zum wenigsten ein: daß sich seine Schmertzen verlierten / die Kräfften aber erholeten. Ismene verfügte hierauf den der Ruhe hochbenöthigten Krancken alleine zu lassen / und verließ: daß sie erst folgenden Morgen in Gegenwart der damals Versa leten ihr angemaaßtes Ampt verrichten wolte. Auf besti te Zeit fand sich iedermann mit grosser Begierde ein; ausser Flavius der dem Vermuthen nach / aus übermässiger Freude / über dem / daß er nun bey der Erato einen guten Stein im Brete zu haben vermeynte / kranck worden war. Hingegen hatte Zeno die gantze Nacht geschlafen; er befand sich zweymal so starck /als den Tag zuvor / und er selbst betheuerte: er wäre gleichsam neu gebohren. Als auch Ismene die Wunden auffband / erstarrten alle; niemand aber mehr / als die Aertzte / weil sie selbte schon halb geheilet fanden. Kein Mensch wuste zu ergründen / wie und woher Ismene in so kurtzer Zeit diß Geheimnüß ergründet haben könte? ob es mit Kräutern oder Zauberey zugienge? Zeno aber sagte: Soll ich dich / Ismene / nun mehr für eine Tochter des Apollo / für eine Göttin / oder mehr für die vollkommenste Liebhaberin verehren? Zu diesem leitet mich deine hertzliche Zuneigung; zu jenem das für aller Menschen Augen unbegreiffliche Wunder-Werck. Ismene antwortete: Ich bin froh: daß Zeyo nunmehr meinen Worten gläubet: Ich liebe ihn. Meine irrdischen Schwachheiten aber werden mich bald verrathen: daß ich nichts göttliches an mir habe. Denn wo mich Zeno nicht zu lieben würdiget / werde ich noch heute zur Leiche werden. Ich weiß wohl: daß er vorher an der Königin Erato etwas köstlichers / als ich bin / geliebt habe. Ich bescheide mich: daß man keine güldene Seule zerbrechen / und an statt derselben keine thönerne zum Abgott machen soll. Alleine dieses sind nur Absehungen der Ehrsucht; die Liebe aber ni ts so genau nicht; sie verschmehet so bald einen Scepter für einem Hirten-Stabe / als Gold-Stück für einen leinenen Kittel. Ich bin zufrieden: daß er die Erato anbete / wenn er mich nur liebet. Erato hat ihn zwar ehe / kan aber ihn nicht so heftig / nicht so geschwinde geliebt haben. Denn als ich ihn nur den ersten Blick ins Gesichte kriegte /als ich ihn in der Schlacht mit dem Varus zu hassen verbunden war / fieng ich ihn schon an zu lieben. Zeno ward damals unser Gefangener; ich aber verlohr meine Freyheit / und er erwarb die Herrschafft über mich. Meine Dienstbarkeit hielt ich Gewinn / und freute mich über den Verlust meiner Freyheit. Etliche[470] mal mühte ich mich zwar ihn nicht zu lieben; im Augenblicke aber wendete sich das Blat / und mein Hertze sehnte sich ihn immer noch viel mehr zu lieben. Ich erlustigte mich über der Unruh meines Gemüthes /welche seine Großmüthigkeit in mir rege gemacht hatte. Diesemnach kan meine Liebe nicht verdammlich seyn; weil sie seine Tugend zur Wurtzel hat / und weil meine Liebe in mir gezeugt worden / ehe ich von der Erato Neigung gewüßt. Ihr Verfolg aber kan nicht getadelt werden; weil Zeno sie schon eines andern Liebe gewiedmet hat. Zeno versetzte: Ich wäre nicht bey Vernunfft / wenn ich an deiner Liebe zweifelte /die du nicht mit Worten / sondern wichtigen Wercken ausdrückst / welches die nachdrücklichste Sprache der Welt ist. Erato aber / glaube ich / würde an mir als ein Laster verdammen / wenn ich dich nicht liebte. Erato lächelte / und brach ein: Ich würde undanckbarer als ein Kuckuck seyn / wenn ich Ismenen für was weniger als deinen Schutz-Stern und meine Gottheit verehrte. Verzeihe mir / Ismene! daß ich zeither so viel deinem Ansehn abgebrochen. Du selbst hast Schuld daran: daß du deine Verwandschafft mit den Göttern verhölet hast. Alleine hätte ich aus deinem Thun nicht dein Wesen zeitlicher urtheilen sollen? Nur der Helden / nicht der Götter Bildnüsse haben Uberschrifften; weil sie schon an sich selbst kenntlich sind / oder keine Nahmen sie würdig auszusprechen vermögen. Liebster Zeno! ersetze diesemnach mit deiner Liebe bey Ismenen meine Fehler; und liebe / liebste Ismene / den Zeno; nur daß er lebe. Ismene fand sich hierüber so vergnügt: daß sie sich selbst schwerlich begreiffe konte. Zeno hätte ihr gerne mehr seine Danckbarkeit zu verstehen gegeben / wenn sie ihm nicht ferneres Reden / als eine Ursache der Schwachheit verbothen hätte. Er und alle folgten Ismenens Anstalten; die Aertzte liessen sich nicht gerne mehr sehen / weniger widersprachen sie ihr im geringsten /nachdem sie durch den Augen-Schein alle ihre Künste beschämet hatte. Folgenden Morgen fand man des Fürsten Zeno Wunden völlig zugeheilet / und fühlte er mehr keine Schmertzen / sondern nur noch eine ziemliche Mattigkeit; welche Beschwerligkeit aber ihm theils die Anwesenheit / theils das Andencken Ismenens / welche er als die einige Erhalterin seines Lebens unaufhörlich preisete / genugsam erleichterte. Hingegen hatte sichs mit der Kranckheit des Flavius so sehr verärgert: daß die furchtsamen Aertzte schon die Köpfe zusammen steckten / und ihn nicht auser Gefahr des Lebens zu seyn / mit gewohnten Geberden an Tag gaben. Die sorgfältige Erato verstand am ersten diese Sprache; und grämte sich biß in die innerste Seele. Folgende Nacht aber nahm die Hitze des Febers so überhand: daß Flavius seinen Verstand verlohr; also die Aertzte an seinem Leben / Erato aber für Bekümmernüß verzweifelte. Ja da diese es über des Zeno Kranckheit vorher arg getrieben hatte / war ihre Ungedult ietzt noch viel ärger. Sie schlug gleichsam als unsinnig ihre Brüste; rauffte ihr das Haar aus / zerfleischte mit den Nägeln ihre Wangen / fluchte dem Verhängnüsse / als welches das / dem sie ihr Hertz wiedmete / alsobald dem Tode auffopferte; dräute und verschwur sich mit dem Flavius auf einem Holtz-Stosse zu verbrennen. Denn es würde ihr doch nimmermehr kein Mensch diese Meynung aus dem Gemüthe reden: daß eine treue Liebhaberin sich so wenig von der Leiche ihres Liebsten / als der sich umb einen Baum windende Epheu von seinem vertorbenen Stocke solte trennen lassen. Nähme doch der weibliche Palm-Baum / wenn sein männlicher vertürbe / keinen Trost / und keine grüne Blätter an. Wie vielmehr wäre es die Pflicht einer vernünfftigen Frauen: daß sie nach Verlust ihres Liebhabers zu leben aufhörte? Mit einem Worte: Sie unterließ keine Ungeberdung der rasenden Liebe.[471] Ismene war zwar anfangs vergnügt über der Königin Leidwesen / als einem deutlichen Kennzeichen ihrer nunmehr gegen den Flavius angeglommenen Liebe. Hernach aber / als es mit ihm in einen so erbärmlichen Zustand gerieth / bemeisterte sie eine heftige Bestürtzung. Jedoch hielt sie eine hertzhafte Sorgfalt für ihren krancken Bruder vor eine rühmlichere Mitleidens-Art / als die unnütze Verschwendung vieler tausend Thränen. Die glückliche Errettung des Zeno war ihr ein Wegweiser zu ihrem Wurtzel-Manne; welchen sie nach Gewohnheit der bey dem Kohl schwerender Jonier / bey allen heilsamen Kräutern beschwur: daß er ihrem Bruder durch seine Artzneyen das Leben retten / und zu ihm kommen möchte. Dieser Alte willigte / seinem Vermögen nach / das erstere; weigerte aber das letztere; theils /weil er seine Anwesenheit nicht für nöthig hielt; theils / weil er dadurch ihm der andern Aertzte Haß oder Zanck auf den Hals zu ziehen vermeinte. Er fragte aber nach aller Beschaffenheit des Krancken aufs genaueste. Ismene sagte ihm: daß der seiner Vernunfft beraubte Flavius mit der Lantze in die rechte Achsel verwundet; die Wunde zwar zugeheilet / nunmehr aber allererst aus derselben hitzigen Aufschwellung geurtheilet worden wäre: daß die abgebrochene euserste Spitze in der Achsel stecken blieben / und verheilet worden wäre. Die Aertzte hätten zwar ein Pflaster bereitet / solches mit zermalmten Magnet-Steine vermischet / und das verhüllte Eisen damit heraus zu ziehen vermeinet; weil solches aber nicht angehen wollen / wären sie entschlossen ihm die Wunde wieder aufzuschneiden. Der Wurtzel-Mann lachte / und sagte: dieses wären Metzger / nicht Aertzte / welche nicht verstünden: daß der Magnet alle seine Kräffte in heissen-nassen- und fürnehmlich in fetten Dingen verliere. Man solte aber nur ofters hinter einander Tauben zureissen / selbte ihm auf die Fußsolen aufbinden / so würden dardurch das Haupt und die Lebens-Geister mercklich gestärckt werden. Hierbey gab er Ismenen ein zerstossenes Kraut / welches umb des Flavius Achsel geschlagen werden solte; daß es das Eisen auszüge / auch mit Saltz vermischte und zerflossene Wacholder-Beeren / welche ihm aufs Haupt / aufs Hertze / und auf den Rückgrad / bis sie gantz trocken würden / aufgelegt / hernach ihm aus einer Ader drey Löffel voll Blut gezöpfft / alle Nägel an Händen und Füssen wie auch einen Püschel Haar abgeschnitten /und ihm wieder zugebracht werden müsten. Ismene verrichtete alles dis mit emsigstem Fleisse / und fürtreflicher Vorsicht. Ihre Bekü ernüs kriegte eine grosse Erleichterung / als nach etliche mal aufgelegten Tauben Flavius wieder zu sich selbst kam / daher sie ihrem Wurtzel-Manne so viel freudiger die verlangten Sachen überbrachte / und mit ihm sich wieder über den Rhein verfügte. Daselbst vergrub er in die frische Erde des Flavius Blut; Nägel und Haare aber spündete er in eine junge Esche ein / von welcher er die Ründe derogestalt gelöset hatte: daß sie wieder füglich zugebunden / und die Ritze mit Baum-Wachse verwahret werden konte. Hiermit meinte er seinem Ampte ein Gnügen gethan zu haben / und Abschied zu nehmen / mit Versicherung: daß in dreyen Tagen Flavius seines Febers loß seyn würde. Alleine Ismene lag ihm so lange mit guten Worten an / bis er wieder mit ihr in die Stadt zu kehren willigte. Daselbst fand sie den Flavius in besserem Stande. Denn die zugeheilte Wunde der Achsel war schon aufgegangen; die stete Hitze des Febers ließ ein wenig nach / und selbigen Abend hatte Ismene zugleich der Königin den schlimmsten Dorn aus dem Fusse gezogen. Thußnelden aber ward dardurch ein desto schärfferer ins Haupt gestochen. Denn sie hatte zeither für unmöglich gehalten; daß Erato ihre gegen den Zeno von so vieler Zeit eingewurtzelte Liebe dem Flavius zueignen solte. Also ihr über Ismenens Neigung[472] zum Zeno wenigen Kummer gemacht; als welche anderer Gestalt nicht zu Kräften kommen könte / da sie nicht auf den Grauß der erstern gebauet würden. Nunmehr aber werden Thußnelden durch der Königin Erato Ungeberden die Augen aufgesperret: daß sie den Flavius hertz- und ernstlich liebte; also Ismene / nachdem ihr Erato beym Fürsten Zeno den Platz geräumet / durch nichts in der Welt von ihm würde abwendig zu machen seyn; und mit der vorgehaltenen Heyrath entweder die Freundschafft der Cherusker und Catten zerrissen; oder Ismene durch eine gezwungene Eh in den erbärmlichsten Stand versetzet werden dürffte. Wie ungerne sie nun daran kam: daß sie Ismenen in ihrer Liebe / als in dem allerempfindlichsten Dinge der Welt / weh thun solte / so fand sie sich doch durch die Liebe ihres Eh-Herrn und Vaterlandes gezwungen /selbter / wo möglich / einen Stein in Weg zu werffen. Weil nun hierzu nichts dienlicher schien / als die Königin auf ihren ersten Weg zu bringen; versuchte sie /unter dem Scheine ihrer Bekümmernüß ein Ziel zu stecken / den Zunder ihrer ersten Liebe wieder rege zu machen; indem sie ihr einhielt: Ob ihre Ungeberdungen mit einem auff die Tugend geanckertem Gemüthe Verträgligkeit haben könten? Ob diß ihrem Versprechen nachgelebt hiesse; daß sie bey keinem Unfalle mehr wider sich selbst grausam zu seyn begehrte? Wie ihr Hertz zu einer Zeit ihrer zwey so unmässig lieben könte: daß sie ihr darüber selbst so gram würde? An vielen Dingen könte man wohl ein Wohlgefallen haben; aber eine nur lieben. Jene Mutter der Liebe aber hätte so heftige Regungen nicht / als diese ihre Mutter. Freundschafft vertrüge noch auch eine Vereinbarung mit zwey oder dreyen / welcher Hartzt /ja zuweilen etliche Hertzen dergestalt zusammen keibte: daß sie nichts als der Tod trennte. Aber auch diese hätte weder Gesetze noch Beyspiel sich mit einem sterbenden Freunde zu begraben. Ob sie nicht schon in ihrer Kindheit begrieffen: daß die Beständigkeit mit Enderung der Anfechtungen / doch nicht ihre Tapferkeit verändern müßte? Es wäre nicht genung ein oder zehnmal / oder auch die Helffte unsers Lebens in allen Dingen wissen Maaß zu halten. Die Tugend behielte immer einerley Antlitz / einerley Anmuth / was vor Zufälle ihr gleich begegneten. Die Laster aber nähmen so viel Larven fürs Gesichte / so viel mal sich die Lufft des Glückes oder der Wollust änderte. Erato ward hierüber mit einem gantzen Strome von Scham-Röthe übergossen; weil sie ihr nicht so wohl ihren unmässigen Schmertz / als die Unbeständigkeit ihrer Liebe für gerückt zu seyn einbildete. Sie muste etliche mal Athem hohlen / ehe sie sich erholte / Thußnelden derogestalt zu antworten: Ach! unvergleichliche Thußnelde! sie ist ein allzu scharffer Richter / wenn sie anderer Schwachheiten nach der Richtschnur ihrer Vollkommenheiten urtheilen / und einer Taube den Flug eines über die Wolcken klimmenden Adlers fürschreiben wil. Ich erkenne mein Unvermögen / und unterwerffe mich willig ihrer Klugheit und Tugend / daß jene mich als einen Blinden / diese als ein Kind an der Hand leite. Ich kan die geschwinde Verstellung meines Gemüthes nicht leugnen; und es ist mit meiner Seele heute viel anders / als für drey oder fünf Tagen / ja wie in einer neuen Welt beschaffen. Ich habe durch tausend Pein und Schmertzen erfahren: daß die Liebe ein unsichtbarer Proteus sey / welcher sich geschwinder als die Gestalten der Schau-Plätze / oder die Menschen in Getichten / bald in Wasser / bald in Feuer / bald in grosse Wall-Fische / bald in kleine Nattern zu verwandeln weiß. Alleine die Einflüsse des Himmels / ja selbst das Verhängnüß haben über Veränderung meines Hertzens gearbeitet. Der[473] Pfeil des dem Zwo zusetzenden Todes hat in mir mehr gewürcket / als keine Schönheit der Welt / und keine Fackeln der Liebe iemals in mir zu thun mächtig gewest wären. Die Furcht für des Zeno Leben erweckte in mir die Begierde meines zu verlieren / und mit meinem Hertzen meine Liebe für ihn / als ein Löse-Geld zu geben / für den ich / als ich in Deutschland kam / nicht einst zu leben verlangt hätte / für den wünschte ich nunmehr zu sterben. Die wahrsagenden Gottheiten Deutschlands haben mir den Flavius zu lieben aufgelegt; ja der Wille meines Liebhabers und der und der unveränderliche Zwang des Verhängnüsses hat meine edle Hartneckigkeit niemanden als den Zeno mein Lebtage zu lieben so lange bestürmet / biß sich meine Seele gegeben. Also kan ich nicht leugnen: daß ich den Flavius liebe / und daß ich mir vorgesetzt gehabt / ihn nicht zu überleben. Aber / gütigste Thußnelde! rechtfertiget der Befehl dessen / den wir lieben / und ihm zu gehorsamen schuldig sind / nicht unser neue Flamme? Leidet das Gesetze nur den /welchen wir einmal geliebt / biß in Tod zu lieben /keinen Absatz? auch keine Bedingung? Sind alle Veränderungen in der Liebe verda lich? Ist unser Seele diß / was am Himmel nicht getadelt wird / unanständig? Glaube mir aber: daß meine Seele eben wie dieser / von der Liebe mehr beweget / als verändert sey. Meine Liebe gleichet einem gegen Suden segelnden Schiffe; welches zwar einem neuen Angel-Stern ins Gesichte beko t / aber doch die Nord-Sterne nicht gar verlieret / allemal aber die Sonne zu seinem Wegweiser behält. Ich liebe den Flavius; aber dieser stehet mit dem Zeno so wohl: daß ich ihm nicht gram seyn darff / und seine Tugend wird mir / so lange mir die Augen offen stehen / einen so angenehmen Leit-Stern abgeben / daß ich / wo nicht seine Liebhaberin / doch seine Freundin / seine Verehrerin / seine Dienerin sterben werde. Kan ich aber dieses mit Ehren nicht thun / leidet meine Keuschheit durch diese Veränderung Schiffbruch; warumb wehrt man mir denn zu sterben? Wahnsinnige Erato! warumb hast du dir das Messer auswinden / und dich zu leben bereden lassen / daß du andern zum Greuel / dir selbst zur Schmach lebtest? Wolle Gott! ich hätte ehe meine Brust mit meinem Blute beflecket / ehe ich meine Liebe mit dem Laster des Unbestandes besudelt! es ist wahr / ich bin nicht mehr werth: daß mich weder Zeno noch Flavius liebe; ohne eines oder des andern Liebe aber würde mein Leben ein unsterblicher Tod seyn. Warumb eile ich denn nicht zu sterben? Ich selbst kan keinen mehr lieben / weil ich mir selbst anfange gram zu seyn. Wolte Gott! ich hätte fürlängst- und eher mein Gesichte verlohren / ehe ich den Flavius gesehen / so dörffte ich ietzt meines guten Nahmens nicht verlustig seyn! Wer ohne diesen zu leben vermeynt / ist des Lebens niemals werth gewest. Stirb diesemnach / Erato! und lasse dir in der Welt nichts so lieb seyn: daß du dessentwegen schamroth leben / nicht aber rühmlich sterben soltest. Hierüber sanck Erato auf das Bette nieder / und bekam die hinfallende Sucht. Die bestürtzte Fürstin Thußnelde aber machte ihr über ihrem so übel ausschlagenden Einhalte ein so schweres Gewissen: daß sie ihrem Leide kein Ende wußte /weniger sich starck genung befand der Königin zu helffen. Daher sie durch einen lauten Ruff auf Hülffe schreyen muste. Salonine / und das sie bedienende Frauen-Zimmer kamen aus dem Vor-Gemache voll Schrecken hinein / traffen die mit allen Gliedern wie ein Aspen-Laub zitternde Thußnelde / gantz erblasset und stu / die Königin aber in so erbärmlichem Zustande an. Ismene / welche Thußneldens Stimme in ihrem Zimmer gehört hatte / folgte dieser auf der Ferse / und wuste nicht: ob sie Thußnelden oder der Königin am ersten zulauffen solte. Nachdem aber jene sich[474] ein wenig erholete / und ein Zeichen gab / nur dieser wahr zu nehmen; und Ismene der Erato Zustand sah / kehrte sie auff dem Fusse umb / und holete aus ihrem Gemach weisses Birnstein-Oel / Biber-Geil /und Wasser von schwartzen Kirschen. Durch welches Mittel denn auch Erato bald wieder zu ihr selbst kam. Als Thußnelde nun vernahm: daß sie nach etlicher Stunden Ruh zwar wachte / aber eine grosse Unruh ihres Gemüthes spüren liesse; verfügte sie sich zu ihr / und entschuldigte auf alle ersinnliche Weise: daß sie durch ihre Unvorsichtigkeit ihr so viel Leides angefügt / welche doch nur auf Mässigung ihres Schmertzens über des schon halb-genesenen Flavius Kranckheit gezielet hätte. Sie wüßte wohl: daß die Liebe einen gantz absondern Regung- und Schutz-Geist hätte / welcher sich von keiner menschlichen Vernunfft meistern liesse; sondern ihre Regung würde von dem ersten Bewegungs-Rade des Verhängnisses /wie der Zeiger in Uhren / von den Gewichtern getrieben. Es könte ihr und dem Cheruskischen Hause kein grösser Glücke geschehen / als wenn sie den Flavius mit einer Königin so hohen Geblüts / und solcher Vollkommenheit vermählet sehen solten. Sein und des Feldherrn Vater hätte ihm eine Gemahlin aus Parthen geholet. Warumb solte dem Flavius nicht eine aus dem edlen Armenien taugen? auff dessen Gebürge Gott mit dem menschlichen Geschlecht ein ewiges Bündnüß durch den ersten Regen-Bogen geschlossen haben soll; daß er es nicht mehr durch Wasser verterben wolte? Dessen ungeachtet blieb der Königin Hertze mit finsterer Traurigkeit / wie ihre Augen mit Thränen / umbwölckt. Ihre Rede hatte keinen andern Innhalt / als eitel Wünsche und Begierde zu sterben. Ich / sagte sie / bekenne meine Schwachheit: daß ich den Flavius liebe; iedoch kan ich diesen Irrthum wohl verdammen / nicht aber hassen. Und die / welche werden den Ursprung meiner Liebe schelten / werden doch mit ihrem Ausgange müssen Mitleiden haben. Der Tod hat die Liebe des Flavius in meine Seele gepflantzt; also konte ich sie auch durch keine andere Merckmahle bewehren / als daß sie aus Liebe sterbe. Ich bereitete mich dem Zeno zu Liebe mit Hertzhafftigkeit zu sterben; nun bemühe ich mich mir selbst das Leben so herbe und verdrüßlich zu machen: daß ich des Flavius halber mit Freuden sterbe / und der Tod in meiner Person mir so annehmlich fürkomme /so schrecklich er mir in der des Flavius geschienen hat. Andere stürtzten sich vorsetzlich in Tod: daß ihr Gedächtnüß in anderer Gehirne leben möchte; ich aber wil sterben: daß Flavius mit desto mehr Ehre lebe; und verlange für mich kein ander Vortheil / als sein Andencken meiner hertzlichen Liebe; welcher niemand den Ruhm wahrer Treue strittig machen kan / weil sie sich allererst an Tag gibt / da ich verscharret werden soll / und da ich von ihm mehr keiner Gegen-Liebe von nöthen habe. Ich bin schon vergnügt mit der Hoffnung: daß Flavius genesen und leben werde. Denn einem ohne Falschheit liebenden ist sein eigener Tod so süsse / als seines geliebten herbe. Ismene /welche glaubte: daß der Königin Traurigkeit zum theil von dem Zufalle der ihr zugestossenen erbärmlichen Kranckheit herrührte; hatte mit ihrem geheimen Artzte Rath gehalten; brachte ihr also an Hals zu hencken einen Püschel voll Beeren / welche auf einem Holunder-Strauche / der auf einer Weide stand / gewachsen waren / mit Versicherung: daß weil diese Sucht ihr nicht angebohren / selbte dieses Mittels halber nicht leicht / und wenn sie ihr bey itzt abnehmendem Monden von allen Fingern und Zehen ein wenig ihrer Nägel geben wolte / nimmermehr[475] wieder kommen würde. Erato bedanckte sich für so mitleidentliche Vorsorge; meinte aber: daß weil sie zu sterben beschlossen hätte / sie für ihre Kranckheiten den wenigsten Kummer trüge. Die aufs euserste bekü erte Fürstin Thußnelde / und Ismene gewehrten alle ihre Vernunfft / Höfligkeit und Thränen ohne Frucht an sie zu besänfften; bis auf den folgenden Morgen sich Flavius in dem Zustande befand: daß er sich auf einem Stule zu der Erato tragen ließ / welchem denn seine über ihrem erbärmlichen Zustand erwachsende Bestürtzung folgende Worte heraus lockte. Wie allerliebste Erato /soll ich das verstehen: daß / da ich genese / sie zu sterben wünschet? Ist sie nicht mehr dieselbe / welche / wenn ich stürbe / nicht mehr leben wolte? Wie hat sich denn ihr Gemüthe so bald umgewendet? Ich kan nach vernünftigem Gegensatze anders nicht schlüssen; als daß / da ihre erste Begierde zu sterben aus Liebe hergeflossen / die letztere meinen Haß zum Ursprunge haben müste? Wormit hat diese Veränderung der unschuldige Flavius verdienet / welcher lieber sterben als leben wolte / wenn bis ihre Abneigung /jenes ihre Liebe zuwege bringen solte? Warlich! Erato / es ist mir einerley; ob du sagst: daß du sterben wilst; als daß du mich sterben heissest. Woher rühret deñ nun ihre Grausamkeit / daß sie mich durch ihren Tod aufs schrecklichste tödten wil? Wie es eine mehr / als weibische Zagheit ist / nicht sterben wollen /wenn es das Verhängnüs befiehlet / also ist es eine Unsinnigkeit nicht leben wollen / wenn man kan; aber etwas unmenschliches einem andern zur Pein mit Fleiß sterben. Glimmet diesemnach nur noch ein Funcke meiner Liebe / oder nur eines Mitleidens in ihrem Hertzen / so schone sie doch ihres Blutes; sie spare ihr Leben / umb meines nicht zugleich zu verschütten. Erato antwortete: wie kan jemand einem andern zu Wolgefallen leben / der ihm selbst zur Schande lebt? Lasset mich also mit Ehren sterben: daß mein Leben nicht mir zum Laster / andern zum Aergernüs werde! Flavius versätzte: was kleben denn ihrem Leben für vermeinte Flecken an? diese / sagte sie / daß ich im Lieben zum Wetter-Hahne worden; daß ich den Zeno nicht mein Lebtage geliebt; daß ich die heilige Einigkeit der Liebe zertheilet. Lasterhaffte Erato! schäme dich / daß dich die unvernünfftige Turtel-Taube / und die Eiß-Vögel beschämen / welche ihr Lebtage nur einen Buhler küssen / und bis in Tod betrauren. Meine Liebe hat sich in eine Schlange verwandelt; welche an jedem Ende einen Kopff hat / und mit einem hin- mit dem andern her wil. Lasset mich diesemnach sterben! daß ich nicht ein Ungeheuer unter den Menschen / nicht eine Urheberin einer so heßlichen Liebe sey! Thußnelde / welcher alle diese verzweifelte Reden durchs Hertz giengen / brach mit einer wüsten Gebehrdung ein: Meine übel-gedeutete Worte sind Ursache ihrer Verzweifelung; indem Erato meinen Trost für eine Tadelung aufgenommen; die Natur und kein Völker-Recht / auch nicht die hierinnen sonst so strengen Deutschen / welche der Wittiben andere Heyrath verschmähen / hat jemals in einem Gesetze der Liebe alle Veränderung verboten. Sie ist eine so feurige Regung / als die Sonne / welche sich in ein Himmels-Zeichen nicht einsperren läßt. Die zwey Angel-Sterne / welche doch die unbeweglichen Wirbel der Welt seyn sollen / sind so wenig ohne Bewegung / als die Erde. Ja es giebet Umstände und Ursachen / welche die Liebe zum Laster machten / wenn sie unverändert bliebe. Welche aber kan wichtiger seyn / als wo ein Liebhaber uns selbst unser Pflicht erläst; wo von der Aenderung beyder Heil hänget / und wo das Verhängnüs selbst den Wagen der Liebe wie der Sternen-Kreiße forttreibet? Wie solte mir denn in Gedancken ko en seyn / einer freyen Königin ein so scharffes Gesetze zu[476] geben / und ihr die Hände zu binden? Wenn aber auch Erato in Veränderung ihrer Liebe eine Schwachheit begangen hätte /müste sie solches keines weges durch eine viel grössere abzuthun ihr träumen lassen / wie ein solcher verzweifelter Tod sonder Zweifel ist; dafern man glauben soll: daß sie jemals den Zeno oder den Flavius geliebt habe. Denn was kan einem Liebhaber verkleinerliches widerfahren / als wenn seine Liebste sein ihr verlassenes Bild zerreißt? Ist es aber wahr: daß eines geliebten Bild in der Einbildung / im Geiste im Hertzen der Liebsten seinen Stand / sein Leben / ja sein Paradieß habe? so kan Erato nicht leugnen: daß sie durch den wilden Vorsatz eines gewaltsamen Todes das andere Wesen des Zeno / das in die Gedancken von der Liebe gepregte Eben-Bild des Flavius mit sich auf einmal zu vertilgen trachtet. Die Liebe wird von denen / welche aus einer falschen Großmüthigkeit sich umbringen / viel ärger versehret / als wenn eine / welcher Liebhaber noch auf der Baare steht / schon in ein ander Ehbette steiget. Denn diese andere Flamme hat mit dem Gedächtnüsse der ersten keine solche Unverträgligkeit: daß sie nicht ihre Bilder in Zimmern / ihre Ringe in Händen behalten / und noch etliche Funcken in der Asche ihrer ersten Liebe ihr Hertze anfeuren solten. Alleine die / welche so /wie Erato wil / vergehen / leschen das alte Feuer gar aus; vertilgen so gar die Asche und Brand-Stelle ihrer Liebe / und tödten ihre Liebhaber durch ihr lebhafftes Gedächtnüs zum andern mal / oder für der Zeit. Wie vielmehr aber würde Erato durch ihre Verzweifelung sündigen / welche in zweyer so tapfferer Helden Bilder mit sich auf einmal vernichten wil; welche ihre Seele nicht nur mit eines Verstorbenen Gedächtnüsse sich vermählen / sondern den ihr zu Gefallen und Dienste lebenden Flavius mit ihrer lebhaften Liebe glückseelig machen kan. Erato seufzete etliche mal /und beantwortete Thußnelden mit stillen Thränen. Zeno aber / welcher bey erfahrnem Nothstande der Erato / aus einer neuen Aufwallung des Geblütes /bald nach dem Flavius sich in ihr Zimmer eingefunden hatte / trat herfür / und fieng an: Wie / Erato / wil sie die Asche unser so reinen Liebe mit ihrem Blute /und unsern guten Nahmen mit einer so schlimmen Nachrede beflecken? sintemal sich selbst erhalten wollen eine Regung der Natur / ein Gebot der Vernunfft; sich selbst aber aufreiben ein Werck der Raserey / und ein Kennzeichen eines bösen Gewissen ist. Dahero man auch in denen Fällen / wenn die Götter unsern Untergang beschlossen haben / man den Streich des Todes erwarten / nicht aber selbst darein rennen soll. Das Verhängnüs aber zeiget ihr einen viel andern Weg / als die schreckliche Straße des Todes; welches gleichsam durch Wunder-Wercke ihrer zwey zu ihrem Beyspiele beym Leben erhalten hat / mit derer jedem sie sich zu sterben verbunden schätzte. Warum wil sie denn auch nun mit ihnen nicht leben? da ja das Gesetze mit einem Geliebten zu leben leichter und verbindlicher / als das des Todes ist. Sie lasse sich den eitlen Wahn einer Hertzhafftigkeit nicht betrügen. Alle Ubermaß macht auch Tugenden zu Lastern. Ubrige Großmüthigkeit wird zur Raserey; und die unumpfälte Weißheit selbst / kan in Thorheit umschlagen. Sie mache sich diesemnach nicht unglücklicher / als sie der Himmel hat haben wollen. Es stehen ja in ihm ohne dis Unsterne genung / unsere Ungedult darf ihrer mehr nicht darein setzen. Sie höre die weise Thußnelde; welche sie vor so gerne gehört hat / nicht nur als eine treue Freundin; sondern als einen ihr zur Erhaltung vom Himmel gesendeten Schutz-Geist. Ja wenn sie sich für sich selbst / auch für den Flavius nicht erhalten wil / so erhalte sie sich doch für den Zeno; wordurch sie den eingebildeten Fehler ihrer abgebrochenen Liebe auf einmal ergäntzen[477] kan. Erato sahe den Zeno so lange er redete mit unverwendetem Gesichte an; bey den letzten Worten aber warf sie die Augen mit einer mitleidens-würdigen Wehmuth auf den Flavius; gleich als wenn sie von ihm ihr End-Urthel ausbäte. Dieser einige Anblick zohe dem Flavius sein Hertz auf die Zunge empor; daß er sie in die Armen schlüßende sie anredete: Allertreueste Besitzerin meiner Seele! kanst du es wol übers Hertze bringen mit deiner auch meine mir erst vom Himmel wieder-geschenckte Seele zugleich mit aus der Welt zu reissen? Nein / liebste Erato! dieses bestehet nicht in deinen Kräfften. Denn weil ich deine Seele in das innerste meines Hertzens verschlossen habe; bist du derselben keines weges mehr mächtig. Ich habe sie vom Himmel dir und dem Fürsten Zeno zu meinem Eigenthume bekommen; also hast du kein Recht darüber was grausames zu gebieten. Fürwahr! deine eigene Augen verrathen dein Hertze: daß es mich mehr /als sich selbst liebe. Was für ein höllischer Geist müht sich ihr denn einzugeben: daß es den Tod / welchen die gantze Welt hasset und fleucht / mehr als mich lieben solle? Manche verbländet die Eitelkeit der Ehre: daß sie diesem Ungeheuer sich verloben; aber dein Tod würde deiner Ehre selbst Abbruch thun. Was für ein ander Schatz lieget denn in deinem Grabe verborgen? Weist du bey der Verstorbenen Geistern eine annehmlichere Seele / als mich anzutreffen? Liebest du noch den Zeno? diesen Lebenden suchest du vergebens unter den Todten. Alleine dein Auge / mein und dein Hertze saget mirs: daß ich dein liebstes Theil deiner selbst bin. Denn jedweder Sinn hat seine Sprache; und die Liebenden reden auch mit den Gedancken zusammen. Wil sie nun nicht die Unbarmhertzigkeit selbst seyn; so kan sie sich von mir und ihr nicht auf so grausame Weise trennen. Ach! Erato / glaube mir nur: daß ein dir aus den Augen stehender Schmertz mir anliege / für deine Erhaltung bekümmert zu seyn! Höre mich also! wo du mich und dich glückseelig wissen wilst! nicht aber deine Verzweifelung / welche das ärgste Ubel der Welt ist! Höre deine Vernunfft und meine Liebe! so werden sie dir beyde aus einem Munde sagen: daß Erato sonder Vorsatz den Flavius zu ermorden sich zu tödten nicht gedencken könne! Habe ich dich aber mit was so beleidigt: daß es mit meinem Tode gebüsset seyn muß /so versaltze dir nicht selbst deine Rache durch dein sterben. Ich selber wil dein Urthel an mir vollziehen /ich wil deines zu erhalten mir gerne das Leben nehmen / möchte ich nur bey Ausblasung meiner Seele die Freude haben: daß du über meinem Tode einmal seufzen / und an mein Leben nach seinem Ende einmal gedencken müstest. Erato schöpffte hierüber Lufft / und Flavius machte ihr ein Hertze zu antworten. Ist es Mitleiden oder eine neue Art der Grausamkeit einen zwingen: daß er leben muß? Ich wil / und muß ja leben; weil es die befehlen / welchen der Himmel die Willkühr über meinen Tod und Leben verliehen hat. Alle Anwesende waren über diesen wenigen Worten unsäglich erfreuet; Flavius aber entzückt: daß er sich die Königin auf die Stirne zu küssen erkühnete. Erato röthete sich hierüber / und fieng an: Unbarmhertziger Flavius! zwingst du mich destwegen zu leben: daß du nur Gelegenheit habest mich zu beleidigen? Flavius antwortete: wo ich sie hierdurch beleidiget habe / ist es eine Rache / welche die Liebe mir zum besten an die Hand gegeben hat. Mit was für einem Unrechte / sagte sie / habe ich denn einige Rache verdienet? Flavius begegnete ihr: Ach! unempfindliche Erato! glaubet sie denn nicht: daß eines ihrer grausamen Worte mir nicht durch Marck und Bein gegangen sey? Erato versetzte: Ich wil gerne unrecht seyn / suche i er deine Vermässenheit zu rechtfertigen / Flavius;[478] oder berede mich es zum wenigsten durch einen scheinbaren Vorwand. Sintemal es mir erträglicher fällt / für schuldig gehalten seyn / als dich von einer warhafften Vertheidigung bloß stehen sehen. Uberrede mich es; daß ich dich beleidigt habe; wie ich mich habe bereden lassen / daß du mich liebest / und daß ich leben soll. Thußnelde fieng an: Es wird dieser Streit wol ohne Mitler beyzulegen seyn. Denn eine liebende Seele kommt schwer daran das zu straffen / was ihr lieb ist; und es fällt nicht schwer dieselben zu besänfftigen / die uns lieben / und geliebt zu werden verlangen. Zeno redete sein Wort auch darzu / und unterließen beyde nichts der Königin Gemüthe zu besänftigen. Ismene fand sich auch wieder ein; und ließ nicht nach / bis ihr Erato versprach von ihren Nägeln die verlangten Kleinigkeiten zu schicken. Welchem sie aber die Bedingung beysätzte: daß sie ihr das Geheimnüs dieser neuen Erfindung denen Kranckheiten abzuhelffen entdecken solte. Ismene sagte: die Liebe hätte ihr diese Mittel zu wege gebracht; welche die Mutter aller Erfindungen wäre /und niemanden im Stiche liesse / der zu ihr Zuflucht nähme. Weil aber auch die Liebe eine milde Hand und ein gütiges Hertz erforderte / machte sie von ihrem Geschencke so wenig Wercks; und ihr guthertziger Lehrmeister wäre so wenig neidisch; daß sie kein Bedencken hätte frey zu bekennen: sie wolte diese Nägel in eine Gans-Feder stecken / und solche in einer Pappel-Weide / zu welcher die Königin nicht leicht kommen könte / verspinden; wie sie mit dem Blute / dem Haare / und den Nägeln des Flavius / zu Vertilgung des Febers / auch gethan hätte. Dieses hörete ein ungefehr ins Zimmer tretender Artzt; welcher an statt: daß sich die andern darüber verwunderten /allerhand Ursachen anführte: daß auf diese Heilungs-Art kein Krancker bauen könte / weil er für sie keinen vernünftigen Grund in der Natur zu finden wüste; sondern selbte vielmehr allen bewährten Schlüssen der Artzney-Kunst zu wider lieffe. Ismenen verdroß dieses kühne Urthel / antwortete ihm also: Es ist besser einen wider die Gründe euer Kunst gesund machen / als nach euern Richtschnuren entweder dem Krancken nicht helffen / oder ihn gar nach der Kunst tödten. Ich habe nichts / als die uns allen bekante Erfahrung für meine Artzneyen; die Ursachen ihrer Würckungen aber weiß ich nicht auszuführen. Deñ ich bin nur ein Werckzeug des Artztes / welchen ich Morgen euch Aertzten zu euer Prüfung vorzustellē kein Bedenckē tragē werde / und er keine Scheu habē wird. Folgende Nacht-Ruhe diente dem Flavius und Zeno zu mercklicher Stärckung ihrer Schwachheiten / der Erato aber Erleichterung ihres Gemüths / in welchem die Liebe des Flavius / wie eine Pflantze in geilem Erdreiche / fast sichtbarlich fortwuchs. Ismene brachte auf den Morgen / dem Versprechẽ nach / ihren Kräuter-Mañ in des Zeno Zimmer; welcher mit Fleiß alle Aertzte zu sich erfordert hatte / und meldete von ihm: daß dieser redliche Alte der wäre / welchem Zeno / Flavius und Erato / nicht aber ihr die Genesung zu dancken hätten. Einer der Römischen Aertzte / Cornelius Celsus / welcher der Lateinische Hippocrates genennet ward / fragte den Alten / wie er denn diese Kranckheiten geheilet hätte? welcher ihm einfältig erzehlte: daß er sie aus denen krancken Leibern in Bäume versetzet hätte; welche selbte wegen mangelnder Fühle besser / als die zärtlichen Menschen erdulden können. Celsus fragte sorgfältig nach allen Umständen: ob dabey einige Beschwerungen / oder andere zauberische Worte gebraucht würden? welches aber der Wurtzel-Mann verneinte / und etwas empfindlich antwortete: Er wäre zu so schwartzen Künsten viel zu einfältig und ehrlich. Celsus versätzte: Ich finde aber / guter Freund / in der Natur keinen Grund / welcher deine[479] Kunst unterstützte. Denn / da ja die gantze Kranckheit nicht in denen unempfindlichen Nägeln / nicht in Haare / nicht in einem Löffel Bluts; sondern ins gemein in dem gantzen Wesen des Geblütes / und der Feuchtigkeiten stecket / wie ist möglich: daß mit diesen geringen Dingen selbte von einem krancken Leibe gesondert werden können? Steckte sie aber darinnen; warumb höret sie nicht auch auf /wenn man Haare und Nägel nur abschneidet / nicht einspindet? der Wurtzel-Mann antwortete: Ich bin niemals so vorwitzig gewest / das Geheimnüs der Natur zu ergründen; als welche für mich und aller Menschen Verstand eine gar zu grosse Künstlerin ist. Ich bilde mir aber ein: daß / weil freylich die Kranckheiten meist den gantzen Leib einnehmen / und das wenigste Theil in denen abgesonderten Stücken stecket / dennoch diese in dem Baume eben so wie die Pfropf-Reiser auf andern Stämmen beseelet werden müssen; also / daß sie nach solcher Regung dis / was von der Kranckheit im Leibe zurück blieben / wie der Magnet alle die Nadeln / die von ihm berühret worden / oder Verwandschafft mit ihm haben / nach sich ziehen. Celsus begegnete ihm: Warum zeucht aber das grössere Theil im Leibe nicht vielmehr das kleinere aus dem Baume wieder an sich? Wie kan dieser Zug in eine solche Ferne und außer dem Kreiße seiner Würckligkeit würcken / da der Magnet nur ein nahes Eisen an sich zeucht / und nichts in der Welt in etwas entlegenes / was nicht mit ihm eine gewisse Verbindung hat / würcken kan? die Sterne haben ja wol fernere Regungen und Einflüße auf die Unter-Welt; aber was ist dieser vom Leibe gesonderte und seiner Seele beraubte Staub gegen denen die Grösse der Erde hundert mal übertreffenden Gestirnen zu rechen? das Blut ist ja wol der Wagen / das Behaltnüs des Lebens /und hat etwas göttliches in sich; aber aus was für Grunde läßet sich eine solche Wunder-Krafft den Haaren / Nägeln / und dem Harne zuschreiben / welche fast nur Auswürfflinge unserer Leiber sind? der Wurtzel-Mann sagte: Ich kan auf diese spitzige Einwürffe zwar nicht antworten; gleichwol aber ist in der Natur nichts seltzames: daß das kleinere und schwächere das grössere und stärckere an sich zeucht. Der in Katzen und Eichen verborgene Schwefel macht; daß der Blitz auf sie gerne schlägt. Der Feigen-Baum zähmet den wildesten Ochsen / der an ihn angebunden wird. Ein kleiner Achat-Stein verknüpffet die Gemüther der Ehleute. Etliche kleine Körner Geldes oder Silbers regen in der stärcksten Hand die Winschel-Rutte. So macht auch die Ferne keine Hindernüß: daß die Natur die ihr verwandte Sachen nicht mit einander vereinbare. Das in Geschirren verwahrte Bären-Schmaltz jühret eben so wol im Winter / wenn die in Hölen sich vergrabene Bären fett werden; als der Wein in Fäßern zu Sommers-Zeit / wenn der Weinstock / und das Bier / wenn die Gärste blühet. Eine aus frembdem Fleische gemachte und angeheilete Nase faulet mit dem / aus welchem sie geschnitten worden. Die denen Kindern aus Empfindligkeit ihrer schwangern Mütter eingedrückte Beern und Kirschmale verändern nach unterschiedener Beschaffenheit der wahren Gewächse ihre Farbe. Die umb das verwundende Eisen gebundene Salbe erstrecket seine Heilungs-Krafft in weit entfernte Wunden. Denn die durch Regung der Wärmbde aus den Leibern steigende kleine Sternlein / aus welchen alle Cörper zusammen gesetzt sind / lassen sich nirgends aufhalten; sondern bleiben in ihrer Bewegung so lange / und weichen denen anders gebildeten aus / bis sie ihres gleichen antreffen / und sich zusammen vereinbaren. Welches aus den Leibern ausschüssende Licht die Ursache ist: daß etliche[480] Dinge / wie das Eisen zum Magnet / die Spreu zum Agtsteine / einen so kräfftigen Zug; andere aber wie der Diamant für dem Magnete eine rechte Abscheu haben. Diesemnach denn nicht folget: daß wenn gleich ein Leib den andern nicht berühret /sie nicht in einander etwas würcken können / und daß der Kreiß ihrer Würckligkeit unserm Augen-Maße unterworffen sey. Diese Warheit wird bewehrt durch den Basilisken / welcher ohne Anrühren den Menschen durch seine aus den Augen unsichtbar-schüßende Geisterlein tödtet. Der Wolff macht durch sein bloßes Anschaun den Menschen heiser. Der Tarantulen Gifft lebt in der gestochenen Wunde / so lange er nicht stirbt. Die Gold-Ammer heilet durch Ansehen die Gelbesucht. Weil nun alle Leiber dergleichen ausschüßende Geisterlein haben / wie alle Sterne ein Licht von sich geben; ist kein Wunder: daß nicht nur das Blut / sondern auch Haare und Nägel derselben nicht mangeln / und sie andere ihres gleichen nach sich ziehen; sonderlich / wenn ihre Bewegung noch von außen her eine kräfftige Regung bekommt. Derogleichen fürnemlich die Liebe und das Verlangen desselben Menschen ist / der diese Fortpflantzung verrichtet. Westwegen auch die Waffen-Salbe von einer Hand fruchtbarer / als von der andern angewehret wird. Zu geschweigen: daß alle gewaltsam zertrennte Dinge / welche die Natur einmal vereinbart / und aus einem Saamen entsprossen sind / entweder durch Trieb derer in jedem Stücke bleibenden Lebens-Geister oder des die gantze Welt beseelenden Geistes einen so heftigen Zug behalten / sich wieder zu vereinbaren / als die zerstickten Nattern haben / ihren abgehauenen Schwantz zu suchen / und wieder an einander zu wachsen; oder als die Magnet-Nadel nach dem Angel-Sterne sich zu wenden geneigt ist. Celsus /welcher so viel Witz in dieser Einfalt nicht gesucht hatte / hörete diesem Wurtzel-Manne mit Verwunderung zu / und redete ihn mit mehr Freundligkeit / als anfangs an: Es ließe sich alles dis wol hören; aber es wären dis alles nur scheinbare Muthmaßungen / nicht aber gründliche Ursachen / worauf ein gewisser Schluß gebaut werden könte. Deñ gesetzt: daß es derogleichen Neigung und Zug in den menschlichen Gliedern gäbe / sich nach der Trennung wieder zu vereinbaren / so folget doch nicht: daß solcher Trieb der Leiber Schwach- und Kranckheiten aufhebe; die schon in dem noch unzertrennten Leibe ihr Wesen und Krafft hätten. Das vom Magnet angezogene Eisen heilet nicht die Gebrechen des Magnets / noch der Magnet des Eisens. Da die Ausflüsse der Leiber auch keinen gewissen Leiter / keine gerade Richtschnur hätten / wie wäre es möglich: daß sie so ferne / und in einer so kurtzen Zeit / bey ihrer Blindheit einen so glücklichen Irrthum begehen / und die gerade Strasse zu ihres gleichen finden können? Wie könten die wenigen Lebens-Geister in Nägeln und Haaren so grosse Kranckheiten bemeistern / und mehr würcken als die in Leib genommenen kräftigsten Artzneyen? Es wäre überdis noch gantz ungewiß: ob die Bäume oder Thiere / darein die Einpflantzung geschehe / gar mit einander einigen Heilungs-Balsam / und Artzney-Krafft in sich hätten; welchen sie denen eingespindeten Nägeln / und Haaren / und folgends ihrem krancken Leibe mittheilen könten. Wenn aber auch durch einen solchen Zug und eine dardurch verursachte Jährung zu wege gebracht würde; daß das Wesen der Kranckheit zum theil aus dem Leibe käme / würde doch solcher nimmermehr so starck seyn / ihren gantzen Saamen / welcher meist in der Leber / dem Miltze / dem Magen / der Galle / und andern unabsonderlichen Eingeweiden steckte / auszurotten. Die Schweiß-Artzneyen nehmen viel böses mit weg / destwegen aber hörten die im Leibe zurück bleibenden bösen Feuchtigkeiten nicht auf darinnen zu jähren und zu toben. Das[481] aus der Ader gelassene und begrabene gute Geblüte verfaulte; das in den Adern wallende lidte destwegen keinen Schaden. Der allgemeine Regungs-Geist / und die grosse Seele der Welt bliebe also noch als eine der scheinbarsten Ursachen übrig /welcher aber nichts anders wäre / als der Einfluß des Gestirnes. Dieser regte die Geister aller Geschöpffe; er verknüpfte nicht allein dieselben mit ihm / und dem Himmel; daß die Sonnenwende / der Lothos-Stengel sich gegen der Sonnen wendete; der Mondenstein mit dem Monden sich verstünde; sondern er verknüpffte auch ein Ding mit einem andern / und erhielte unter so viel tausend widrigen Dingen eine beständige Eintracht in der Natur. Aber aus diesem würde die Versetzung der Kranckheiten auch zu weit hergesucht; und könte er sich schwerlich bereden lassen: daß die Erfahrung allemal dieser Lehre an die Seite treten solte. Der Wurtzel-Mann begegnete ihm: diese Einwürffe wären für ihn zu hoch; zudem liesse sich jede Meinung leichter anfechten / als vertheidigen. Seiner Artzney und Heilung halber / hätte er alleine für sich die Erfahrung / welche sonder Zweifel nicht nur der eine Fuß / sondern gar die Mutter der Artzneykunst wäre / welche die heilsamen Eigenschaften der Kräuter / und die Weise zu heilen gelehrt hätte. Daß nicht alle Kranckheiten durch Einpflantzung versetzt werden könten / wäre wahr; und wären nur eigentlich die saltzichten dazu geschickt. Jedoch gienge es mit diesen auch nicht allemahl an; weil darbey gar leicht ein Hand-Grief versehen werden könte; und hierbey freylich auf den Stand des Gestirnes / sonderlich des Monden genau achtung gehabt werden müste. Gleichwol aber wäre der Einfluß des Himmels mit dem allgemeinen Regungs-Geiste der Welt nicht zu vermischen / wiewol jener unter diesem begrieffen wäre. Denn dieser hätte nicht nur seine thätige Würckungs-Krafft in Sternen; sondern in allen Dingen der Welt /auch in denen irrdischen. Weñ nun gleich ein Theil von einem jeden Dinge abgeschnitten würde / behielte doch das abgeschnittene / so wol als das grössere Theil / diesen allgemeinen Geist in sich; welcher durch Ausflüsse sich das zertrennte doch wieder zu vereinbaren trachtete. Was nun einem oder dem andern Theile gutes oder böses begegnete / würde durch solche Ausflüsse dem andern mitgetheilet. Hiervon käme es: daß wenn der Weinstock blühte / der vorhin gewachsene Wein in Fässern prausete / und zu jähren anfienge. Der absondere Geist der Sonne und des Gestirnes thäte dis nicht unmittelbar; Denn sonst müste dis auf einen gewissen und beständigen Tag des Jahres geschehen; so aber ereignete es sich nach Unterscheid der Länder / hier vor- dort nach dem längsten Tage; und zwar nach dem der Weinstock blühet /worauf der Wein gewachsen / wenn selbter schon tausend Meilen weit verführet worden. Die zur Zeit der Blüte aus den Weinstöcken insgemein in die Lufft steigenden Wein-Geister thun es auch nicht. Denn der hundert Ellen unter der Erde / in einem Lande / wo kein Wein wächst / zwischen Eis und Klippen versteckte Wein jühret so denn nicht weniger / als der in seinem Vaterlande / wo alle Hügel mit Reben bedeckt sind. Celsus zohe hierüber die Achseln ein / und sagte: Mein lieber Freund / ich sehe wol: wir werden dis Geheimnüs der Natur / wie viel andere mit einander nicht ergründen. Das Buch der Natur ist zu groß und zu hoch / unser Leben zu kurtz / unsere Vernunfft zu alber / es auszulernen. Wir müssen uns / wie die Nacht-Eulen an dem wenigen Schimmer der Nächte vergnügen / unsern Nachkommen auch etwas zu ergründen übrig lassen; und wo wir in die hellen Strahlen der göttlichen Weißheit nicht sehen können / nur die Augen zudrücken / und durch ihre Lieder gucken. Der deutsche Wurtzel-Mañ legte derogestalt mit seiner Einfalt nicht geringe[482] Ehre ein / und er ward mit einer seinen Wunsch und Hoffnung übersteigenden Belohnung von dem Hofe erlassen.

Eben selbigen Tag kamen Tiberius und Germanicus aus dem Vogesischen Walde zurücke; dahin sie nebst denen führnemsten Römern den Hertzog Ingviomern / Catumern / Jubiln / und andere deutsche Fürsten / auf die Hirsch-Brunst geführet hatten / weil sie durch des Flavius / Zeno und Malovends Unpäßligkeit die Fortsetzung ihrer Freuden-Spiele zu verschieben veranlasset waren. Tiberius bezeugte so viel Freude als Verwunderung über der Verwundeten Genesung; und weil Thußnelde wieder nach Bingen zum Feldherrn zu kehren verlangte / machte er Anstalt: daß folgenden Tag die dem Käyser zu Ehren angestellten Spiele vollends geendiget werden solten. Früh / ehe noch die Sonne aufgegangen war / kam Agrippine / und forderte die Hertzogin Thußnelde /Ismenen / die Königin Erato / und anderes deutsche Frauen-Zi er; Saturnin aber die Fürsten / und den vornehmsten deutschen Adel ab. Sie fuhren abermals zu Schiffe dahin / weil Tiberius abermals den Schauplatz nahe an dem Rheine / wie die Griechen ihre Olympischen Spiele an den Fluß Alpheus verlegt hatte. Die Schiffe waren wie die der Argonauten gebildet; und die auf allerhand zierlichen Nachen umb sie schwärmenden Musen / Sänger und Tichter hegten einen unaufhörlichen Kampff in Säiten-Spielen / darein die vom Maro / Horatz und Naso zu Ehren des Käysers gemachten Lieder gesungen wurden. Der neue Kampff-Platz / war wie des Statilius Taurus zu Rom aus Steinen gebauter Schau-Platz angelegt. Dis in weniger Zeit aufgeführte Gebäue war zwar nur höltzern; jedoch umb ein gutes Theil geräumer / als das des Taurus; und es ward durch unzehlbare Röhren mit Saffran-Geruch / Narden-Oel / und Jasmin-Wasser eingebalsamet. Alle Sitze hatten für sich gelb- und blau-seidene Vorhänge / in denen untersten Gestülen aber / wo die deutschen Fürsten und das Frauenzimmer sassen / waren sie von Purpur und Gold-Stück. Die Trompeten erfüllten die Lufft mit ihrem Schalle / und machten den Anfang zum Schauspiele. Unter diesem kamen zweyhundert weißgekleidete Diener mit rothen Stäben in Schau-Platz / welche in Siegs-Geprängen durch das sich zudrängende Volck Platz machten. Diesen folgten zwölf Stadt-Knechte mit aufgeschürtzten Kleidern / mit so viel in Ruten gebundenen und mit Lorbern umbkräntzten Beilen. Hierauf kamen die Zunfftmeister / die Bau- und Geträide-Vorsteher / die drey Männer über die Hals-Gerichte / über die Nachtruh / über die Gesundheit / über die Müntze. Die vier Männer über die Land-Strassen / die zehn- und hundert Männer über die Gerichte; die Schatzmeister / die Aufschauer über die Stadt-Gebäue / über die Tyber /über die Wasser-Läuffe / über die Wächter / und alle andere Römische Obrigkeiten / alle in weissen gegürteten Röcken / derer Saum mit Purpur eingefaßt war. Nach diesem traten hundert Römer herein; welche in ihren langen und weiten Röcken und auf der Brust angehefften Purpur-Zierath so viel Römische Rathsherren fürstellten. Diesen folgten funffzig mit Myrthen gekräntzte Trompeter / welche in Trompeten / und ertztene Krum-Hörner eben so als wie zum Streite /aber gantz linde bließen. Nach diesem fuhren sieben silberne von vier Pferden gezogene Wagen / darauf allerhand köstliche Gemählde / ertztene und helffenbeinerne Bilder / güldene und silberne Geschirre / Gefäße voller Perlen und Edelgesteine / Purpur-Röcke /goldgestückte Decken / güldene mit köstlichen Kleinodten versätzte Kronen / die Bilder der eroberten Länder / eingenommener Städte / und bezwungener Flüsse / endlich alle nur ersinnliche Waffen der Völcker /mit einem Worte / aller Vorrath / welcher in Siegs-Geprängen als Beute eingeführt zu werden pflegt. Ferner trugen[483] tausend in gehefteten Kriegs-Röcken aufziehende Römer in silbernen Geschirren / güldene und silberne Müntzen / kostbare Trinck-Geschire aus Golde / Edelgesteinen und Chrystall / nach welchen funfzig Pfeiffer viel rauer aufbließen. Hierauf wurden von zwey-hundert Opffer-Knechten / welche alle weisse Röcke mit Feilgen-blauen Säumen hatten / und theils Hämmer / Schlacht-Messer / Beile / Schüsseln /Leuchter / enghälsichte Krüge / Töpffe / Rauch-Fäs ser / Teller / Opffer-Tische / und andere Opffer-Geschirre trugen / theils hundert zum Opffer bestimmte Ochsen geführet / derer Hörner vergüldet / die Köpffe mit Cypressen gekräntzet / die Rücken mit seidenen Gürten überlegt waren. Hernach erschienen die Priester in ihren weißseidenen in Purpur an allen Enden eingefaßten Röcken. Ihre Kräntze waren von Oel-Blättern / und mit Golde zusa en gebunden. Nach diesen wurden vier mit Lorbeer-Kräntzen und Persischen Decken gezierte Elephanten von so viel nackten Mohren geleitet / derer jeder einen Palm-Zweig in der Hand hatte. Diesen folgten noch vier andere mit Thürmen / und drey übergüldete Wagen voller Kronen /und Königs-Stäbe / hinter welchen sechzig gefangene Könige und Fürsten / derer Hände hinter die Rücken gebunden waren / mit angeno enen Thränen giengen / nebst einem grossen Gefolge gefangener Kriegs-Leute. Hierauf sahe man hundert in goldgestückten Kleidern / viel von Gold und Edelgesteinen bereitete Kronen tragen / derogleichen die eroberten Länder /oder die benachbarten Bundsgenossen ihren Siegern zu schencken pflegten. Nach diesen giengen abermals vier und zwantzig mit Lorbern gekräntzte / und rothgekleidete Stadt-Knechte / mit bundten Stäben. Nach diesen in kurtzen aufgeschürtzten und gemahlten Röcken / mit güldenen Kräntzen auf den Häuptern / funfzig Sänger und Säiten-Spieler / und eben ihrer so viel mit Rauchfässern / welche mit Weyrauch und Balsam die Lufft wolriechend machten. Eben so viel Säiten-Spieler / Sänger und Räucherer folgten dem Sieges-Wagen / für welchem einer in einem bundten mit Golde gebrämten Rocke / mit einem Palmen-Krantze auf dem Haupte / und einem Zweige in der Hand allerhand lächerliche Geberden machte / die Gefangenen spottete / und das Volck sie zu verhönen vermahnte. Der Siegs-Wagen war rund / und auf zwey mit silbernen Schienen beschlagenen / auch übergüldeten Rädern hoch erhoben. Das Gestelle war von Helffenbein / der Korb von dichtem Golde / mit Rubinen / Saphieren / Schmaragden versetzt. Diesen zohen vier Perlen-farbene Hengste / derer Zeug von Golde /und darein gesetzten Türkissen schi erte / die Huf-Eisen auch von Silber waren. In diesem stand Rom /als eine Frau in ihren besten Jahren. Ihr Rock war zweyfach gefärbter Purpur / in welchen auf Phrygische Art / mit der Nadel um den Saum Palmen-Zweige / sonst aber allerhand Geschichte gemahlet waren. Ihr Unter-Rock war blauer Sa et / mit darein gewürckten güldenen Sternen. Sie hatte auf dem Haupte einen von Diamanten schimmernden Helm /mit Oel-Zweigen umbflochten / umb ihre Macht im Kriege / und ihre Herrligkett im Frieden / oder die Kräffte ihres Leibes und Gemüthes anzudeuten. Auf der Stirne bildeten sieben grosse Rubinen das Sieben- Gestirne / als Schutz-Sterne / der sieben Berge in Rom ab. In der rechten Hand hielt sie einen Lorber-Zweig / in der lincken einen helffenbeinernen Königs-Stab / auf dessen Spitze ein Adler mit sich regenden Flügeln gebildet war. Hinter Rom stand das mit Gold- und Lorber-Zweigen gekräntzte und einen Palm-Zweig in der lincken Hand haltende Bild des Sieges /welches der Göttin Rom eine güldene mit Perlen und Diamanten strahlende Krone übers Haupt hielt. Neben dem Wagen ritten in gestückten Purpur-Röcken zwey Römische Bürgermeister. Nach ihm folgten hundert mit Lorbern gekränzte Schild-Träger. Und fünf-hundert Römische Kriegs-Obersten zu Pferde mit einem güldnen[484] Adler / und zwölff andern Kriegs-Zeichen / einer Legion. Rom stellte sich in die Mitte des Schau-Platzes: ihr Gefolge aber sich auf die eine Seite desselben in schöner Ordnung nahe aneinander. Kurtz darauf hörte man ein annehmliches Gethöne von den allerlieblichsten Seiten-Spielen. Die Göttin des Geschreyes kam auf einem geflügelten Pferde vorher geritten / und bließ in eine Posaune. Bald darauf sahe man den Apollo mit den neun Musen und dreyen Heldinnen in Schau-Platz kommen. Die ersten hatten theils Kräntze von Flügel-Federn / theils von Epheu /theils von Palmen / diese von Rosen auf. Diesen folgten auf einem stählernen Wagen / welcher einen Fels gleichsam abbildete / die Tugend. Ihr Sitz war ein Palmbaum / als seiner Nutzbar- und Tauerhaftigkeit halber das schönste Vorbild der Tugend. Den Wagen zohen ein Kamel und ein Ochse; dieses als ein Bild der Arbeit / jenes der Mässigkeit. Sie war in Purpur und Gold gekleidet / trug auf dem Haupt einen Krantz von Oel-Zweigen / in der rechten Hand eine Lantze /in der lincken einen Mäß-Stab. Zu ihren Füssen lag ein stählerner Schild / darinnen Hercules auf dem Scheide-Wege der Tugend und Wollust gebildet war. Hinter ihr stand die in Gold Stück gekleidete / und mit einem Krantze von zwey Oel-Zweigen gekräntzte Ehre. Hierauf kamen dreissig Römische Feldherren in Gold-gestückten Krieges-Röcken geritten; über welchen sie einen purpernen offenen Mantel von Purpur über den Rücken und lincke Achsel abhencken / auf der rechten Achsel aber mit einem köstlichen Kleinode zusammen gehefftet hatten. Jeder hatte zwey Waffenträger / derer einer ihm einen Schild / der andere etliche Lantzen nachtrug. Hierauf hörte man neue Seitenspiele / und kam die Zeit unter der Gestalt des mit frischen Feigen gekräntzten schwartz-bärthichten Saturn / auf einem Drachen in Schau-Platz geritten. In der rechten Hand führte er eine Sichel / in der lincken eine Schale voll Müntzen / weil er das erste Geld in Italien gepregt haben soll. Ihm folgten die im gestirnten Thier-Kreysse stehenden hi lischen Zeichen. Auf dem güldenen Widder ritt Helle / und spielte auf einer Leyer / darauf sie Orpheus spielen lehrete. Auf dem gestirnten Ochsen saß Jo / und pfieff auf einer Flöte /wormit Mercur den sie bewachenden Argos eingeschläft. Auf zweyen Pferden erschienen die gestirnten Zwillinge Castor und Pollux / bliessen in Trompeten; auf einer Kuh Thetys die Amme der Juno; auf ihrer Brust führte sie den Krebs / der den Hercules bey Erlegung der Lernischen Schlange in einen Fuß gezwickt / und von der Juno unter die Gestirne versetzt worden. Sie spielte auf einer mit Saiten überzogenen Muschel / wie auf einer Laute. Auf dem Löwen / welchen Juno in Feldern des Monden den Hercules aufzureiben erzogen / und als dieser bey Nemea erlegt /unter die Gestirne versetzt haben soll / ritt die von der Mutter der Götter in einen Löwen verwandelte Atalanta / und schlug auf einer Harffe. Dieser folgte auf einem gelben Pferde / die Tochter der Morgen-Röthe /die von der Erde unter die Sterne geflogene Jungfrau Astrea / und sang einen Lob-Gesang des Verhängnüsses. Hierauf kam Orion auf einem zahmen Hirsche geritten / mit dem gestirnten Scorpion / von dem er auf Dianens Anstifftung getödtet war. Er bließ ein Jäger-Horn. Diesem folgte der vom Hercules wegen der Deianira mit einem Pfeile durchschossene Centaur Nessus / welchen Juno als einen Schützen in Himmel erhoben. Er striech eine Geige. Nach diesem kam der gestirnte Stein Bock mit vergüldeten und mit Blumen umbflochtenen Hörnern; welchen Jupiter dem in Egypten darein verwandelten Pan zu Liebe unter die Sterne gesetzt. Auff ihm saß ein Wald-Gott / bließ auf einer Hirten-Pfeiffe. Diesem folgte auf einem Adler[485] der Wasser-Mann / oder Schencke Jupiters Ganymedes; welchen der in ihn verliebte Jupiter ebenfalls in Himmel erhoben. Dieser ließ sich mit einer Wasser-Pfeiffe hören. Das letzte war ein von zwey Wasser-Pferden gezogener Wagen / auf welchem die in Egypten zu Fischen gewordene Venus und Cupido sassen. Ihr unterstes Theil endigte sich in einen Fisch / und beyde schlugen auf zweyen mit Haaren bezogenen Muscheln. Die Wage war zu Verwunderung der Zuschauer nicht mit darbey; die weisesten aber urtheileten: sie würde destwegen nicht mit aufgeführt / weil die alten Sternseher nur eilff Zeichen gezehlet / und die zwey Waag-Schalen für die zwey Schären des Scorpions gehalten hätten. Diesen folgte ein von vier geflügelten Pferden gezogener- und von eitel Gold und Edelgesteinen schimmernder Wagen; darauf saß das Glücke in einem Königlichen Kleide. Ihr Krantz war von eitel Perlen. Ihr Purpur-Rock starrte von Diamanten. In der rechten Hand hatte sie ein Steuer-Ruder; gleich als wenn sie alles allein in der Welt nach ihrem Gutdüncken richtete; in der lincken ein Horn des Uberflusses / daraus sie ihre Schooß-Kinder überschüttete. Auf der Achsel trug sie eine Himmels- Kugel; zu seinen Füssen saß ein Liebes-Gott / und sie trat auff Kronen / Scepter / Priester-Stäbe / Helme /Waffen / Geld / Datteln / Nüsse / und hunderterley andere Dinge / zur Andeutung: daß dieses alles / auch die Liebe selbst ihren Fürsten unterworffen sey / und die gantze Welt ihr zu Gebote stehe. Diesem Wagen folgten eben so / wie der Tugend / dreissig Römische Feldherren nach. Beyde stellten sich mit ihrem Gefolge im Schau-Platze einander gegen über; also daß Rom in die Mitte kam. Bald darauf ward ein neues Gethöne gehöret / und es kam auf einem von Drachen gezogenen güldenen Wagen das nackte und schwartze Africa in Schau-Platz. Umb den mitlern Leib war es alleine mit einer purpurnen Binde umbhüllet; welche aber nicht von dem rothen Speichel der Schnecken /sonder von den Rosen-Blüthen wilder Granat-Aepfel gefärbet war. Es trug einen Krantz von Pfeilen / welche mit Oel und Granat-Aepfel-Zweigen durchflochten waren / weil diese Bäume in ihm häuffig wachsen. Auf ieder Seite der Stirne gieng ein langes Ochsen-Horn für. Hinten am Wagen war ein Drache / das Bild der Wachsamkeit / als sein Wappen geetzet. In der rechten Hand hielt Africa einen Bogen; und ein Köcher hieng an der Seite. Uber den Wagen war ein fleckichtes Panther-Fell ausgebreitet / welchem sich das also gleichsam Fleck- oder Schuppen- weise bewohnte Africa gleichen soll. Dieser folgten auf einem güldenen mit vier Pferden bespannten Wagen das absondere Africa; worauf selbtes sein Haupt das glückselige Carthago mit einem Krantze von Edelgesteinenen Thürmen / und einem mit Golde durchwürckten Purpur-Rocke fürstellte. In der rechten Hand hatte sie einen helffenbeinernen Scepter / in der lincken eine Garbe Weitzen / welcher in Africa nicht nur ein- sondern zwey- und drey hundert-fältige Frucht bringen /ja ins gemein aus einem Körnlein viertzig Eeren / zuweilen gar drey hundert und funfzig Halmen wachsen sollen. Westwegen es nicht unrecht das Eeren-Land /und eine Amme des menschlichen Geschlechts / eine Speise-Kammer der Stadt Rom genennet wird. Hinten am Wagen war das Vörder-Theil eines Pferdes / als sein Wappen gebildet. Neben ihr fuhr auf einem marmelnen Wagen mit so viel Pferden das braune Numidien / mit einem Weitzen-Krantze auf dem Haupte /weil dessen faulender Sand mehr als andere fetten Aecker Weitzen trägt. In der rechten Hand hatte sie einen mit Datteln schweren Palmen-Zweig. Hinten am Wagen führte es zu seinem Kenn-Zeichen einen Palmbaum. Diesen folgte auf der rechten Hand das schwartz-gelbe[486] Mauritanien auf einem von Zitron-Holtze gemachten drey-spännigen Wagen / mit einem Krantze von Wein-Trauben umbs Haupt. Sintemal in diesem fruchtbaren Lande die Wein-Stöcke mehr / als zwey Klafftern dicke / die Trauben einer Ellen lang /und die Beeren so groß als Hüner-Eyer werden sollen. In der Hand führte Mauritanien einen Zweig voller güldener Aepfel / von denen die im Tingitanischen Mauritanien gelegenen Hesperischen Gärte erfüllet gewest. Am Hinter-Theil des Wagens hatte es zum Wappen einen Pegasus / als ein Merckmahl seiner flüchtigen Pferde. Auf der lincken Hand fuhr auf einem ledernen Wagen das wilde Getulien mit vier Pferden ohne Zaum; weil dieses Volck also zu reiten pflegt. Der Krantz war ein Kreiß von vielen die Spitze empor kehrenden Pfeilen. In der Hand hielt es einen Nab mit Saltze / welches nirgends weisser und schöner als in Getulien gefunden wird. Zu seinem Wappen hatte es hinten am Wagen einen Löwen mit Strahlen / als ein Bild der Sonne / welches Thier hier sein rechtes Vaterland hat. Nach diesem erschien das durstige / aber gesunde Libyen / auf einem von Palm-Zweigen geflochtenen Wagen. Es trug auf dem Haupt einen Krantz / von denen in ihm allzu gemeinen Schlangen. In der rechten Hand einen Püschel Gerste /welch Getreyde hier allein wächst. Zu seinem Wappen war ein Elephanten-Kopf mit einem langen Rissel erkieset. Neben ihm fuhr auf einem ertztenen Wagen das Castanien-farbichte Cyrene. Auf dem Haupte hatte es einen Krantz von Wieder-Hörnern; vielleicht / weil in dessen Antheile Marmarica Jupiter unter der Gestalt des hörnrichten Ammon verehret wird. In der einen Hand führte es einen Zweig mit Zitronen; weil in diesem auch ein Hesperischer Garten gewesen seyn soll. In der andern einen Püschel des heilsamen Gewächses Sylphion. Hinten am Wagen führte es drey Elephanten-Zähne. Nach diesem fuhr das schwartze oder Ost- und das weisse oder West-Mohren-Land neben einander. Jenes hatte einen Krantz von Strauß Federn / in der lincken Hand einen viel grössern Bogen / als die Persen brauchen / und an der Seite einen Köcher voll gantz kurtzer Pfeile. Neben selbtẽ standen helffenbeinerne Kisten voll Zimmet und Weyrauch / die zwischen denen Brunnen des Nil und am rothen Meere wachsen. Am Hintertheil seines Wagens war ein oben mit Kräutern bewachsener Drache gebildet. Das andere Mohren-Land fuhr auff einem gold- und silbernen Wagen / weil beydes in ihren Flüssen und Bergen in Erbsen- und Bohnen Grösse gefunden wird; da doch sonst Africa für arm an Ertzte gehalten wird. In der Hand hatte es einen Zweig mit Granat-Aepfeln und Nüssen / welche zugleich Speise / Wein und Essig geben. Sein Wappen am Wagen war ein Crocodil. Zuletzt kamen Egypten und Thebais. Jenes saß auf einem von Papier oder Schilff geflochtenen Wagen / in Gestalt eines Krokodiles / woraus sie auch Schiffe zu machen pflegen. Auf dem Haupte hatte es einen Krantz voll Wasser-Blumen des Gewächses Lothos / die umb eine Schlange geflochten waren / wel che die Egyptier in ihren Kronen als ein Bild ihrer unüberwindlichen Macht führten. In der Hand einen Püschel Weitzen / und Egyptischer Bohnen. Neben ihm lag ein grosser Schild / damit die Egyptier sich von oben biß auf die Spitze zu decken pflegen. Und zuförderst stand das Bild des Osiris / in Gestalt einer Schlange / welche auf dem Haupte eine den Lilgen ähnliche Lothos-Blume / neben sich einen Herolds-Stab / und ein von den Egyptischen Priestern zu gebrauchen gewöhnliches Seitenspiel hatte. Hinten am Wagen war ein Löwe / mit Strahlen / als der Egyptier Sonnen-Bild gemahlet. Thebais fuhr auf einem Himmel-blauen mit Sternen besäeten Wagen; weil Egypten sich ein vollkommenes Bild des Himmels zu seyn rühmte.[487] Auf dem Haupte hatte es einen Krantz von denenselben Pfirschken / welche denen Mandeln und Datteln etwas gleichende Früchte tragen / in Persien giftig / in Egypten gesund / und der Isis gewiedmet sind. In der rechten Hand führte es ein Gebund Egyptischer Feigen; in der lincken Hand einen Mäß-Stab /weil allhier die Mäß-Kunst erfunden worden. Zu den Füssen stand ein porphyrener Krug mit Wasser / dergleichen die Priester in die Tempel zu tragen pflegen. An selbtem war das Maaß des wachsenden und abnehmenden Nils gebildet. Am Vörder-Theil des Wagens stand das Bild der Isis / in Gestalt eines gebrüsteten und aufgerichteten Drachens. Hinten am Wagen aber drey Schlangen / iede mit drey Lothos-Blumen bekräntzen; wordurch die dreyfache Gewalt der Schutz-Geister fürgestellt zu werden pflegt. Alle diese Afrikanische Länder waren mit Bogen und Pfeilen ausgerüstet. Nach diesem Afrikanischen Aufzuge erschien das edle und reiche Asien auf einem von Edel-Gesteinen gleichsam blitzenden und von Kamelen gezogenen Wagen. Ihr Krantz war von Perlen; ihr Kleid von Phönicischem Gewand und auf Phrygische Art gestückt. Hinten am Wagen stand ein Löwe / aus dessen Rachen der Blitz / als ein Bild der Göttlichen Versehung und Herrschafft / fuhr. Dieser folgte das schwartze Phrygien / welches für Zeiten ein Haupt Asiens gewest. In sein blaues Kleid war des Paris Urthel über die drey Göttinnen mit Golde genehet. Auf dem Kopfe trug es eine gethürmte Krone / wie die daselbst verehrte Mutter der Götter. Es trug in der einen Hand ein Geschirre mit güldenem Sande aus dem Flusse Pactolus; in der andern einen güldenen Apfel. Sein güldener von vier Cappadocischen Pferden gezogener Wagen hatte zum Wappen einen Wolff / weil sich Apollo bey ihm darein verwandelt haben soll. Neben ihm fuhr der reiche und vom Mithridates zu einem grossen Reiche erhobene Pontus. Der Rock war Silber-Stück mit goldenen Lilgen. Sein Krantz war von dem Kraute / welches Mithridates erfunden / und nach seinem Nahmen genennet hat. In der Hand trug er einen Lorber- und Myrthen-Zweig / welche ihm liebe Bäume Mithridates vergebens nach Panticapeum zu versetzen getrachtet hat. Sein silberner Wagen hatte zum Wappen zwey Püffels-Hörner / als Kenn-Zeichen der Herrschafft. Nach ihm erschien in einem braunen mit Silber durchwürckten- und biß auf die Füsse gehenden Leib-Rocke Armenien. Der Krantz war aus Lorbern. In der einen Hand führte es einen Zweig mit Morellen; in der andern einen Bogen. An dem grünen mit Rosen beworffenen Wagen war ein gehörnter Löwe gebildet. Neben Armenien fuhr Meden in einem gelben mit Silber durchwürckten Rocke. Das Haupt war mit weisser Wolle umbgeben /vielleicht weil Meden die berühmteste Schaf-Trifft in der Welt ist. In der einen Hand hatte sie einen Ast von Citronen / welche in Meden am ersten und besten gewachsen sind. In der andern einen Nab voll Honigs /der in Meden von Bäumen läufft. An dem weiß-zier-vergoldeten Wagen stand ein weisses Maul-Thier gebildet / welche in diesem Lande häuffig gezeugt /denen Persen gezinset / und nach Rom verkaufft wurden. Hierauff kam Syrien gefahren. Sein Kleid war in Phönicischen Schnecken zweymal gefärbt- und gewässerter Damast. Sein Krantz war von Mandel-Zweigen. In der Hand hatte es eine Indische Balsam-Staude. An dem feuer-rothen Wagen führte es zum Kenn-Zeichen einen Fisch / unter dessen Gestalt die Syrier der Göttin Atergatis opfern. Neben Syrien fuhr Arabien in einem klaren Gold-Stücke. Zum Krantze dienten ihr Blätter von Aloe / in der einen Hand hatte es ein[488] Rauch-Faß voller Weyrauch; in der andern ein Gefässe voller Myrrhen und Würtze. An dem aus schwartzen Ziegen-Haaren geflochtenen- und von drey Arabischen Pferden gezogenen Wagen stand Arabiens Wappen / nemlich ein Kamel. Hierauf folgte das glückselige Assyrien / in einem rosinfarbenen von Assyrischem Seiden-Gewebe gefertigten Rocke. Das Haupt zierte ein Palmen-Krantz; in der Hand hatte es ein Gebund Amomum. An dem aus Zypressen-Holtze gemachten Wagen war eine Taube / darein Semiramis soll verwandelt worden seyn. Neben ihm kam Persien in einem grünen Gold- und Silber-Glücke. Es war mit einem hörnrichten Wieder-Kopfe gekrönet. In der einen Hand hatte es das den Pfauen gleich gemahlte Kraut Semnion; welches die Persischen Könige wider alle Schwachheiten des Leibes und Gemüthes zu essen pflegten. Den güldenen mit Türckissen besetzten Wagen zierte ein weisses Pferd / wie man es der Sonnen opfert. Hierauf kam das Caucasische in Colchis / Iberien und Albanien bestehende Reich / in einem von Haaren gewürckten dreyfärbichtem Rocke. Sein Krantz war von giftigen Kräutern / in der Hand hielt es ein Wieder-Fell voll Gold-Staubes; welches die Colchier darmit aus ihren Flüssen fischen sollen. An dem von Drachen-Häuten gemachten Wagen war das Wappen ein güldener Wieder / und darüber der Blitz / an welchem Prometheus auf dem Caucasus seine Fackel angezündet haben soll. Diese neun Reiche fuhren drey und drey neben einander. Zuletzt aber kam das reiche Indien in einem seidenen- mit güldenen Drachen gestückten Kleide. Sein Krantz war wohl von hunderterley Edel-Gesteinen; in der Hand hatte es ein hohles Elephanten-Horn / daraus unzehlbare Früchte / Würtzen / Perlen / Edelgesteine / und andere Schätze hervor ragten. An dem von Perlen und Edel-Gesteinen schütternden Wagen war das Indische Thier Rhinoceros mit einem Nasenhorne gebildet. Nach diesem Asiatischen Aufzugekam das gantz geharnischte Europa / auf einem gläntzenden stählernen Wagen mit vier Lusitanischen Pferden in Schau-Platz gefahren. Jedes dieser Länder hatte über diß an der Seiten Waffen nach seiner Landes-Art. Auf dem Haupte trug es eine Bären-Haut und auf der Stirne zwey vergüldete Püffels-Hörner. In der Hand die Keule des Hercules. Ihm folgte das zu erst unter die Römische Bothmässigkeit gebrachte Italien / auf einem mit vier gelben Pferden bespannten silbernen Wagen. Es trug ein Kleid von gelber Seide / einen Krantz von Lorbern. In der Hand hatte es / wie sein ältester König und Erfinder des Weines gebildet wird / eine Wein-Reben-Butte; in der andern einen Schlüssel. An dem Wagen war das Wappen das zweyfache Gesichte des Janus auf der Schnautze eines Schiffes /wie er dem aus Creta verjagten und in Italien anländenden Staturn zu Ehren auf seine erste Müntze prägen lassen. Neben ihm fuhr das reiche Hispanien auf einem güldenen Wagen; welchen vier schwartze Asturische Pferde zohen. Das Kleid war Purpur der Phönicier / welche dieses Land grossen Theils bebauet. Der Krantz war aus Blüthe allerhand Ertztes / mit dessen Menge und Güte Hispanien alle andere Länder übertreffen soll. In der Hand hatte es einen Oel-Zweig /am Wagen drey Caninichen / von denen es auch den Nahmen soll bekommen haben. Hierauf erschien Griechenland auf einem von Corinthischem Ertzte gegossenen Wagen. Es war wie die Venus in Meer-grün gekleidet / und mit Myrthen gekräntzet. In der Hand führte es einen Oel-Baum / an dem Wagen zwey Kronen / vielleicht die zwey Herrschafften der Stadt Athen und Sparta anzudeuten. An ihrer Seiten fuhr das streitbare Macedonien / auff einem von Eisen schwirrenden Sichel-Wagen. Sein Kleid war ein gläntzender Pantzer / sein[489] Krantz von Grase / wie des Kriegs-Gottes. Am Wagen war des Hercules Löwen-Haut / Keule und Bogen gebildet / von dem die Macedonischen Könige ihren Ursprung herrechneten. Nach ihm kam auf einem stählernen Wagen das grausame Thracien. Dessen Kleid blutroth / seine Achseln mit einer Luchs-Haut bedecket / das Haupt / wie des alldar verehrten Bacchus / mit einem von Epheu umbflochtenen Drachen-Kopfe gekrönet war. In der Hand hatte es einen mit Reben und Wein-Trauben umbflochtenen Spieß. Am Wagen war ein auf der Leder spielender Löwe gebildet; vielleicht weil Cybele eine Schutz-Göttin der Thracier / und bey ihnen die Leyer des Orpheus ein Heiligthum ist. Nechst ihm ließ sich auf einem von Kupfer geschmiedeten und mit gold- und silbernen Bildern gezierten Wagen das streitbare Pannonien schauen. Es hatte ein himmel-blaues Kleid / und einen kurtzen Mantel von Purpur; umb das Haupt einen Krantz von Wein-Reben / mit denen hier allein wachsenden Opalen geschmückt. In der rechten einen langen Spieß mit einem kurtzen Eisen und bundten Fahne. In der lincken ein ertztenes Horn des Uberflusses / mit hunderterley Früchten erfüllet. Sein Wappen am Wagen war ein Ochse / als das Bild der Fruchtbarkeit. Hierauf erschien auf einem roth- und schwartzen Wagen das weisse und wanckelmüthige Gallien in einem kermesinen Purpur-Rocke. Auf dem Haupte trug es einen Krantz von Narcissen / wie die höllischen Götter; weil die Gallier vom Pluto sollen entsprossen seyn; und auff der Stirne zwey Widder-Hörner. In der Hand führte es eine mit Wein-Laube und Flachs umwundene Lantze / am Wagen das Bild eines Wolffes. Neben ihm fuhr Britannien auf einem Wagen aus Zien / von dessen Uberflusse es den Nahmen haben soll. Ein blauer Rock bedeckte es kaum die Helffte; was aber nackt / war mit Weyd und Zinober gefärbet. Es trug einen Krantz von scheckichten Strauß-Federn. In der Hand ein Schaf. Am Wagen führte es ein Schiff mit einer Erd-Kugel; weil die Britannier den gantzen Erd-Kreiß umschifft haben sollen. Diesem folgte das rothe und grimmige Scythien auf einem ledernen von drey Walachen gezogenen Wagen / weil diß Volck die Pferde zum ersten ausgeschnitten haben soll. Sein Kleid war aus Zobeln und schwartzen Füchsen. Sein Haupt deckte ein weisser Bären-Kopf / und darauf ein Krantz des Sieges von reiffen Pflaumen; weil Scythien noch niemals gar von einem ausländischen Feinde überwunden worden. In der Hand hatte es ein Horn voll Milch; am Wagen eine blancke Sebel / bey welcher die Scythen schweren /und sie wie einen Gott verehren. Zuletzt ließ sich auch Deutschland gantz absonderlich sehen. Es fuhr auf einem zierlich-vergoldeten Wagen / und war nackt; ausser; daß es eine Bären- und Luchs-Haut umb sich hencken / einen wilden Schweins-Kopf mit zweyen vorragenden Zähnen auf dem Haupte hatte. In der rechten Hand trug es einen Oel-Zweig / als ein Zeichen des mit den Römern geschlossenen Friedens. Die Schläfe waren mit einem Myrthen-Krantze / als einem Zeichen der Freyheit / umbwunden. Wordurch Tiberius den Deutschen heuchelte / und die Aufführung. Deutschlandes in diesem Aufzuge entschuldigte. Am Wagen war der deutsche Hercules gebildet. Alle diese fuhren langsam umb Rom mit Ehrerbietung herumb; und legte iedes Land diß / was es in seiner rechten Hand führte / ihm zu Füssen. Als es sich inzwischen in eine Anzahl linder Seitenspiele derogestalt mit heller Stimme hören ließ:


Ihr grossen Reiche dieser Welt /

Die ihr Zeither durch Tugend und Gelücke

Viel Völcker habt ins Joch gestellt /

Nun aber geht / als wie ein Krebs / zurücke;

Nehmt an der Sonne wahr; kommt! schaut den Mohnden an /

Und lernet: daß man nicht stets steig- und wachsen kan.[490]


Flucht meinem Glück und Göttern nicht;

Mißgönnt auch mir nicht so viel Sieges-Kräntze /

Weil sie der Himmel mir selbst flicht /

Und Thule setzt zu meines Reiches Gräntze.

Schämt sich kein Stern doch nicht mein Schmuck und Krantz zu seyn.

So flicht auch in mein Haar / mir Erd-Kreiß / Lorbern ein.


Neigt euch für mir / der Königin /

Für welcher sich selbst das Verhängnüs beuget.

Weil ich der Erde Göttin bin /

So werde mir auch würdig Ehr erzeiget /

Da / wo die Sonne sich früh in dem Ganges wäscht /

Und hundert mal so groß in Gadens Meer auslescht.


Hat sich doch Welschland nicht geschämt

Mich als ein Kind schon anzubeten /

So Griech' als Mohr hat sich bequämt /

Mit mir in Bündnüsse zu treten.

Wem mag nun nicht stehn an mir Weyrauch aufzustreun

Nun Jahre / Stärck und Witz in mir vollkommen seyn?


Rom rückt den Sieg niemanden auf /

Giebt den Besiegten besser Recht und Satzung /

He t strenger Herrschafft ihren Lauff /

Und mindert ihrer Fürsten schwere Schatzung /

Ni t sie zu Bürgern an / pflantzt ihnen Weißheit ein;

So ists nun Glück und Ruhm von Rom bezwungen seyn.


Viel hätte längst der Schwamm der Zeit

Verlescht; ihr Nahme würde seyn begraben

In Asche der Vergessenheit /

Die nur durch mich ein gut Gedächtnüs haben.

Wer seine Tugend wil bewehr'n / führt mit mir Krieg.

So kämpfft der Deutsch' und Parth' umb Ehre / nicht umb Sieg.


Denn seit / daß Glück und Sieg sich hat

Zu Rom gesetzt / ins Capitol gefunden /

Vernagelt' ich des ersten Rad /

Dem andern sind die Flügel abgebunden.

Daß jenes gar nicht wanckt / der nicht verflügen kan /

So betet nun mit Rom Gelück' und Tugend an.


Verehrt doch Memphis und Athen

Der sieben Sterne regenhaffte Flammen /

Die an des Ochsen Stirne steh'n.

In Rom stehn so viel Sternen auch beysammen.

Jedweder Berg in ihm ist ein groß Stern der Welt /

Weil ja der Erd-Kreiß mich für seinen Himmel hält.


Die Tugend lächelte zu der Ehrerbietung so vieler Völcker / und behielt allemal ein unverändert Gesichte / welches alleine von dem verlangen Ehre einzulegen ein wenig auff den Wangen röthlich war. Als die Länder wieder in ihren ersten Stand kamen / bewegte sie sich / aber mässig.


Daß ihr das Haupt der Welt so tief verehret;

Daß ihr als Göttin sie rufft an /

Ihr Tempel baut / durch sie die Sterne mehret.

Weil Titan nichts bestrahlt / das man ihr gleichen mag /

Ja er ihr Weyrauch selbst zum Opffer bringt an Tag.


Alleine neben ihr bin ich

Als Mutter ihrer Größe / zu bedienen.

Rom selbst verehrt / als Göttin mich /

Dem ich als Schutzstern tausendmal erschienen.

Ich legte Rom in Grund / und hab es ausgeführt;

So fragt nun Rom: ob mir nicht gleicher Dienst gebührt.


Als die Tugend schloß / fieng Apollo mit den neun Musen und Gratien einen zierlichẽ Tantz auf Phrygische bey ihren Gastmahlen gewohnte Art an; darinnen sie den Streit zwischen dem Apollo und Marsyas durch Geberden sehr künstlich vorstellten. Clio stellte Minerven für / wie selbte aus dem See bey Apamea die Schilff- Pfeiffe abschnidt und darauf spielte / als sie aber sich in einem Brunnen spiegelnde ihrer aufgeblasenen Wangen gewahr ward / selbte verächtlich wegwarff. Euterpe vertrat den Marsyas / welcher diese Pfeiffe fand / aufhob / und vermöge der darinnen steckenden Krafft so lieblich spielte / daß die der Nysier Stelle vertretende Gratien drüber erstauneten. Marsyas ward hierüber im Gemüthe mehr aufgeblasen / als seine Wangen; und forderte den Apollo zum Streit aus / mit dem Bedinge: daß der Sieger mit dem Uberwundenen nach Belieben gebahren möchte; die Nysier aber ihre Richter seyn solten. Apollo und Marsyas bliessen zusammen / ein ieder in seine Pfeiffen / und that dieser jenem es zuvor. Worüber Euterpe wunderwürdig des Marsyas Freude und Hochmuth fürstellte. Apollo aber lächelte nur / und verlangte noch einen Versuch; und als Marsyas pfieff / fieng er zu seinem Pfeiffen die Cyther so lieblich an zu schlagen / daß gegen[491] dieser sein Spielen dem Geschrey der Heuschrecken gleichte. Marsyas erschrack / und wendete ein: daß sie nur auf den Mund und die Pfeiffe / nicht aber auf die künstliche Finger und die Cyther einander ausgefodert hätten. Aber Apollo versetzte: Jedermann möchte im Kampfe / wormit er könte / sein bestes thun. Die Nyseer aber sprachen für den Apollo wider den Marsyas das Urtheil aus; worüber er erblaßte und zitterte; gleichwohl aber sich unrecht beklagte. Alleine die Musen verlachten nicht nur den Marsyas / sondern sie banden ihn auch mit Geberden an eine Fichte / und wuste sich Euterpe so erbärmlich / Apollo aber so grimmig zu stellen / als wenn dem Marsyas wahrhaftig die Haut vom Leibe geschunden wäre. Hierdurch aber ward angedeutet: daß das Glücke eben so unrechtmässig der Tugend / als Marsias dem Apollo Kampf anzubieten sich unterstünde. Nach geendigtem Tantze warff das hochmütige Glücke mit frechen Geberden seine Pferde herumb; drehte wie ein Blitz etliche mahl mit seinem Wagen ein Rad umb die Tugend / und fieng mit einer durchdringenden Stimme in die Seiten-Spiele der hi lischen Zeichen zu singen an:


Wer Rom zu ehren würdig schätzt /

Kan Ehr' und Dienst nicht weigern dem Gelücke.

Diß hat Rom auf den Fuß gesetzt /

Ja dieses ist des Glückes Meister-Stücke.

Für dem der Griechen Witz / der Africaner List /

Europens Tapferkeit hat schimpflich eingebüßt.

Numantia trug schon das Joch /

Als Scipio der Tugend Haus ließ bauen.

Ich aber lag in Windeln noch /

Als schon in Rom mein Tempel war zu schauen;

Den Marz und Servius nie hat geweihet ein /

Nach denen ihrer mir wohl hundert ähnlich seyn.


Das Glücke hatte kaum seinen Gesang beschlossen; als die hi lischen Zeichen in einem sehr zierlichen Berezyntischen Tantze das Gerichte des Paris über die drey nackten Göttinnen eben so artig fürstellten. Der Scorpion vertrat die zancksüchtige Eris / wie sie den güldenen Apfel / als einen Preiß der schönsten unter die Hochzeit-Gäste warff. Die Jungfrau muste den geschäfftigen Mercur / der Schütze den bekümmerten Paris / die Fische die hoffärtige Juno / der Krebs die kluge Pallas / der Wasser-Mann die beliebte Juno fürstellen; welche ungeachtet ihrer grossen Unähnligkeit es doch ohne einiges Wort so deutlich ausrichteten: daß die Zuschauer keines Auslegers bedorfften. Nach dem Schlusse dieses Tantzes fieng die Tugend wieder ihren Gesang an


Die Mutter Roms ist Tapferkeit /

Der Anherr Mars / des Romulus Gemüthe /

Voll feuriger Verwegenheit /

Des Numa Gottes-Furcht / des Ancus Güte /

Des Tullus Krieges-Kunst / und's Servius sein Fleiß /

Die Klugheit des Tarquin / gab Rom so grossen Preiß.

Von dieser Kindheit nahm die Stadt

An Tugenden mehr zu- als an den Jahren.

Die Helden / die der Erd-Kreiß hat

Nur einzelhafft / die zehlet Rom mit Schaaren.

Die Arbeit ist sein Spiel / das Sterben seine Lust;

Ja Männer-Hertzen rührn der Römer Weiber Brust.


Durch diesen Tantz ward von denen hi lischen Zeichen / welchen das Verhängnüß eine Herrschaffts-Gewalt über die irrdischen Dinge / und der Menschen Glücke anvertraut / nichts anders angedeutet; als daß so wenig die unter der Pallas fürgebildete Tugend /als die grosse Macht der Juno / sondern ins gemein die glückliche Venus den Sieg erhielte. Der Gesang war kaum aus / als Apollo mit den Musen und Gratien einen andern Tantz anhob / darinnen der Kampf der Musen mit den Syrenen fürgebildet ward. Apollo übernam die Person der neidischen Juno / welche die Sirenen zur Ausforderung der Musen verhetzte. Die drey Gratien musten wider ihren Willen in einem geilen Cordacischen Tantze / die drey oben Jungfrauen-unten Vögel vorbildende Ungeheuer / nemlich die drey Sirenen / mit Geberden und lieblichem Singen vertreten. Die neun Musen aber sich selbst / welche denn jene übertraffen / und sehr lächerlich anzudeuten wusten / wie sie denen überwundenen zur[492] Straffe ihre Federn ausraufften und ihre Häupter damit flügelten. Wordurch eben dem Glücke / als einer verführerischen Sirene / der Sieg ab- und der Tugend / welche durch Künste und Wissenschafften geschärffet wird /mit denen Musen zugesprochen ward. Das Glücke aber stellte sich hierüber nur hönisch an / und machte singende diesen Gegensatz:


Ich bin sein erstgebohr'nes Kind;

Es ist mein Bild im Capito! zu schauen.

Als Sylvien Mars lieb gewinnt /

Ließ sich die Sonn' auch mit dem Monden trauen.

Des Romulus Geburt traf auf Gelücks-Tag' ein /

Drumb must ein Wolff die Amm' / ein Specht sein Pfleger seyn.


Das Glücke spielt' ihm in die Hand /

Durch Geyer's Hafft / durch Spiele Ehgenossen.

Der Nachbarn alberer Verstand

Ist's Röhr / woraus des Numa Ruh geflossen /

War Servius nicht Knecht! doch ward er's Haupt der Stadt /

Dies Glücke zum Compaß und Angelsterne hat.


Das Ende dieses Gesangs war der Anfang eines von den Griechen wegen seiner Heftigkeit so genennten Löwen-Tantzes / welchen die hi lischen Zeichen hielten / und darinnen mit Gebehrden den Krieg der Götter und Riesen fürstellten. Die Zeit war Typhon der grausamen Riesen-Führer. Die Jungfrau war Alcyon / der Löw Ephialtes / der Scorpion Clytius / der Schütze Enceladus / der Krebs Pallas / der Wasser-Mann Polybotes. Diese jagten in einem Tantze / welchen die Griechen den Brand der Welt hiessen / den Göttern eine solche Furcht ein: daß sie sich in Thiere verwandelten; und wuste der Widder den in ihn verwandelten Jupiter / die Zwillinge den Raben / und die Katze / zu welchen Phöbus und Diana ward / der Steinbock den Bacchus / der Stier / die Juno / die Fische die Venus / und den in den Vogel Ibis verkehrten Mercur in einem Tantze / dem die Griechen von schöner Gestalt den Nahmen geben / und fürnemlich in Nachaffung der Thiere bestehet / so artlich abzumahlen / als wenn sie selbst darstünden. Als hierüber die Riesen frolockten / und schon über die bezwungenen Götter ein Siegs-Lied sangen / that sich der Schütze mit Vorstellung des auf einem Esel reitenden Silenus herfür; welcher durch sein ungeheures Geschrey die Riesen schreckte / und sie über Hals und Kopff in die Flucht jagte. Wordurch zu verstehen gegeben ward: daß ein geringer Zufall des Glückes offtmals mehr /als eine fast göttliche Krafft ausrichtete. Die Tugend ließ sich hierdurch wenig irren; sondern vollführte derogestalt ihren Gesang:


Das Glück ist ja ein leichtes Rad /

Das ehe sich / als man die Hand umbdrehet;

Das am Verterb Gefallen hat;

Das Reiche stürtzt / und Städt' / als Spreu verwehet.

Das Gipfel unten dreh't / und Stahl wie Glas zerschell't

So hält es Rom ja nicht / das man für ewig hält.


Das Glück ist selbst geborgtes Gut /

Die Tugend Eigenthum und Waare /

Der Zeit und Rost nicht Schaden thut;

Sie tauert einen Tag / ich lange Jahre.

Mein Thun ist Nutz und Ernst / gemeines Hell mein Ziel /

Das Glück ein Wetter-Hahn / sein Absehn Schertz und Spiel.


So bald die Tugend beschlossen; fieng Apollo mit den Musen und Gratien einen Tantz nach Erfindung der Epizephyrier an / darinnen die den wäßrichten Monden zugeeignete Talia den Fluß Achelous bald in Gestalt eines Drachens / bald eines Mannes mit einem Rind-Kopffe / bald eines Ochsens; und seine Liebes-Werbung bey Deianiren; Apollo aber seinen Neben-Buhler / und folgends zwischen beyden ihren Kampff fürstellete; darinnen Hercules jenem verstellten Ochsen das rechte Horn abbrach / und auf flehentliches Bitten des Uberwundenen ihm das Horn Amaltheens darfür gab. Welches dahin zielte: daß die mit dem Hercules vermählte Tugend der Stärcke des dem verschüßenden Wasser gleichenden Glückes überlegen wäre. Gleichwol rüstete sich dieses alsofort zu folgendem Gegensatze:[493]


Dreht sich doch der Himmel umb /

Die Sonn' ist unter irrenden Gestirnen.

Der Monde laufft verkehrt und krumb;

Was wil man denn mit meinem Aendern zürnen.

Wer nur zu rechter Zeit mir reicht die rechte Hand /

Die Sitten nicht verkehrt / den drückt kein Unbeständ.


Mein Flügel-Fuß / und Feder-Kleid

Kan Assur zwar / und Persen bald verlassen.

Beyn Griechen blieb ich wenig Zeit;

Well keines mich verstand mit Art zu fassen.

Well aber Rom so wohl mich ausni t / hält / und pflegt /

Hab' ich für Kiel und Rad mir Ancker beygelegt.


Des Glückes Gesang begleitete ein Mantineischer Tantz der himmlischen Zeichen / in welchem der Löwe die hernach darein verwandelte geschwinde Atalanta / acht Musen so viel ihrer Buhler fürstellten /welche alle / als Uberwundene / von ihr mit einem Korbe abgefertigt wurden. Apollo aber vertrat den Hippomanes / und drückte mit Gebehrden meisterlich aus / wie er Atalanten drey von der Venus ihm geschenckte güldene Aepffel in Weg warff / und sie zu derselben Aufhebung verleitete; bey welchem Vorthel er / ihr im Wettelauf zuvor / sie aber / als der bestimmte Siegs-Preiß / in sein Besitzthum kam; zur Erinnerung: daß Tugend und Geschickligkeit sich von dem ihnen in die Augen leuchtenden Glücke mehrmals bländen / und über den Stock werffen lassen. Die Tugend begegnete allem diesem durch wiederholeten Gesang:


Gar recht! die Tugend und Bestand /

Muß kein Quecksilber unbeweglich machen

Wenn's Glücke / Schwefel / Hagel / Brand /

Gleich auf uns schneyt; muß unsre Hoffnung lachen.

Sie und's Verhängnüs schämt sich den zu tasten an /

Der ihm das blaue nur in Augen sehen kan.


Wie vielmal hat des Glückes Neid /

Nicht Rom bestürmt durch bürgerliche Kriege;

Durchs Brennus Grimm und Tapfferkeit;

Durch Hannibals / der Deutsch- und Persen Siege?

Durch Tugend aber wächst Rom / wenn's Gelücke kracht /

Das nur von hinten zu sich an den Käyser macht.


Diesen Satz zu bestärcken hielt Apollo mit den Musen einen vom Pyrrhus erfundenen Waffen-Tantz. In diesem ward von der dem Kriegs-Gotte zugethanen Clio der Betrycische arglistige König Anycus / welchem es tausend mal gelückt hatte die anlendenden Frembdlinge seiner Grausamkeit aufzuopffern fürgestellt; wie er die Argonauten zum Streit ausforderte /und selbte in einen Hinterhalt locken wolte; von dem den Pollux vertretenden Apollo aber im Kampff hertzhafft und vorsichtig erlegt / und das Gifft seiner eingesalbten Waffen zernichtet ward / umb hierdurch zu erhärten: daß das Glücke wie ein lange zum Wasser gehender Krugendlich zerbreche / und die arglistige Boßheit der Tugend nicht gewachsen sey. Das Glücke vergaß nicht ihren ausgestellten Mangel derogestalt zu vertheidigen:


Bey Munda lehr't ich redlich ihn:

Ob Tugend nicht für mir erblassen müsse.

Wenn Brutus muß den kürtzern ziehn;

Pompejus fällt für eines Sclaven Füsse;

Wenn Marius verspielt / ist Cassius nicht blind

Daß mit der Tugend es nur bloße Worte sind.


Was hilfft die Tugend den Sartor /

Wenn er sein Glück in Glückes-Inseln suchet.

Er heißt sie ein zerbrechlich Rohr;

Und Mithridat hat zehn mal sie verfluchet.

Sie sieht meist elend aus. Wem aber ich steh' bey /

Bekommt den Ruhm: daß er so klug als tapffer sey.


Die himmlischen Zeichen bestätigten diese Meinung in einem Kranch-Tantze / welchen Theseus bey dem Delischen Altare eingeführet / und damit seinen Ausgang aus dem Cretischen Labyrinth abgebildet haben soll. In diesem Tantze nahm der Wassermann die Person der Thetis über sich; welche ihren Sohn Achilles durch den die Stelle des Chiron vertretenden Schützen in der Weißheit / und in Säitenspielen unterrichten ließ; und selbten / daß er nicht verwundet werden könte / in das Stygische Wasser eintauchte. Weil aber Apollo wahrsagte: daß er für Troja bleiben würde / versteckte ihn seine Mutter unter die Töchter des Königes Lycomedes; welche von den Gratien[494] vertreten wurden. Aber der den Ulysses fürbildende Widder zohe nur den herfür / ohne dessen Tapfferkeit Troja nicht einzunehmen war. Er erlegte zwar allda die Mauer der Phrygier / den Hector; aber der wollüstige Paris hatte das Glücke den unüberwindlichen Achilles an dem Fusse zu beleidigen / worbey ihn bey seiner Eintauchung Thetis gehalten hatte / und also seine Polyxenen angezündete Hochzeit-Fackeln in Begräbnüs-Lichter zu verwandeln; zu einem Zeugnüsse: daß die Tugend denen Verhängnüs-Schlüssen sich zu entreissen allzu ohnmächtig sey; und das Glücke auch der Wollust die Hand führe der Tapfferkeit Abbruch zu thun. Die Tugend war alsofort fertig zu folgendem Gegensatze:


Wahr ists: das Glücke sicht stets an

Die Tugend / und betreugt mit ihren Künsten.

Weil es so tückisch heucheln kan /

Ist es beliebt. Es bländet uns mit Dünsten.

Lacht / wenn es leere Schal'n uns in den Händen läßt /

Uns von dem Gipffel stürtzt / uns Ehr und Licht ausbläst.


Die Tugend aber ist der Grund;

Und Klugheit die Befestigung der Reiche.

Das Glücke macht sie zwar wol wund;

Doch sie versetzt dem Glücke beßre Streiche.

Weil nichts unwegbar ihr / nichts unbezwinglich scheint /

So ist ihr auch das Glück ein überwindlich Feind.


Apollo mit seinen Gefährten folgte der Tugend alsofort mit einem Mauritanischen Tantze; und stellte Polyhymnia mit ihren artlichen Gebehrden den Libyschen Riesen Antbäus für / welcher so viel Menschen zerfleischte: daß er seinem Vater einen Tempel von Menschen-Schädeln gelobte. Apollo aber bildete den Hercules ab / wie er mit diesem von seiner Mutter der Erde allezeit neue Krafft bekommenden Ungeheuer in Kampff gerieth / und bey abgemercktem Vortheil ihn schwebend in der Lufft hielt und tödtete. Wordurch zu verstehen gegeben ward: daß wie ein starcker Riese das Glücke gleich ist; Klugheit und Tapfferkeit ihr doch überlegen sey. Das Glücke ließ sich aber nicht abschrecken der Tugend folgenden Einhalt zu thun:


Sie ist mein Feind / doch mir zu schwach;

Mein Arm hat auch mehr Nachdruck und Geschickt.

Ihr folget Haß / mir Mißgunst nach;

Doch jeder wil vermählt seyn dem Gelücke.

Die Freundschafft sehnet sich nach mir / nach Tugend nicht /

Und hängt / wenn ich verschwind / an Nagel Treu' und Pflicht.


Wer redet mit dem Glücke nicht

Mehr / als mit Fürsten / in geheimsten Dingen?

Ich blände der Scharffsicht 'gen Licht /

Wenn Klugheit mir wil einen Streich anbringen.

Ich bin ein Gott der Zeit / die Tugenden so feind:

Daß sie halsbrüchig schätzt / wenn jemand sie beweint.


Kaum hatte das Glücke seinem Singen ein Ende gemacht / als die himmlischen Zeichen einen Bacchischen Tantz anfiengen. Euterpe unter der Fürstellung des Pan foderte den Schützen / als Vertreter des Apollo / im Pfeiffen in Streit aus / und machten einen Satz gegen dem andern. Der zum Richter erkiesete Phrygische Berg / Tmolus / den der Stier vertrat / meinte zwar für den Apollo zu sprechen; weil aber der Könige Regungen schwerer als Berge sind / erlangte durch des Phrygischen Königes Midas Ausspruch der grobe Hirten-Gott für dem Fürsten der Gestirne uno Säitenspiele den Sieges-Preiß. Der Schau-Platz aber eine Lehre: daß ein gerechtes Urtheil offt eine zufällige Sache wäre; und die Geschickligkeit offt verschmäht /der Grobheit ein gülden Halsband umbgemacht würde. Die Tugend versetzte auf dem Fusse mit einer sittsamen Stimme:


Das Glück ist nur der Klugheit Magd;

Weil jeder ihm selbst sein Gelücke schmiedet.

Ob Haß gleich an der Tugend nagt /

Und Boßheit sich an ihr vielmal ermüdet;

So beten beyde sie doch ein Gewissen an /

Und grämen sich: daß sie kein Feind vertilgen kan.


Sie ist ein unversehrlich Gut /

Der Dinge Kern; Glück aber spiel't mit Schalen.

Sie schmincket ihr versprütztes Blut /

Aus dem sie ihr kan Ehren-Fahnen mahlen.[495]

Wenn sie ein Unstern preßt / das Glück ihr sich vergällt

Vertheilet sich ihr Ruhm / wie Balsam in die Welt.


Apollo mit den Musen und Gratien führte in einem Thracischen Tantze durch verblühmte Aufführung den Kampff wider den zu Odrysa hochangesehenen Thamyris auf. Euphrosyne übernam seine Verrichtung; und strich mit stummen Gebehrden den Götter-Sieg wider die Titanen so annehmlich / als er für Alters mit seinen Getichten heraus. Die Musen selbst gaben ihm Gehöre und Beyfall; welches ihn zur Kühnheit verleitete / sie zu verachten / und auf geschehene Ausforderung zu bediengen: daß die überwundenen Musen seiner Geilheit zu Willen leben / oder er ihrer willkührlichen Straffe unterworffen seyn solte: die Vermessenheit aber erlag für der Tugend. Apollo erklärte die Musen für Uberwinder / sie selbst aber beraubten ihn des Gesichtes / und seiner Singe-Kunst. Zur Anmerckung: daß das Glücke zwar insgemein der Verwegenen Führer / aber ihnen auch ein Bein unterzuschlagen gewohnt sey. Das Glücke hielt es für Schande diese Verkleinerung zu verschmertzen; sang also nicht ohne Entrüstung:


Wes dient des Ruhmes Eitelkeit /

Wenn man sie kaum mag über Achsel sehen?

Kein Hof den Eintritt ihr verleih't /

Wenn Fürsten ihr meist nur den Rücken drehen.

Das Glück ist aber stets hoch angesehn und werth /

Weil sie offt Thon in Gold / und Spreu in Purpur kehrt.


Egyptens Isis hat so viel

Nicht Brüst' / als ich / nicht so viel Milch darinnen

Es fleußt nicht so viel Saltz im Nil /

Als Schätz und Lust aus meinem Horne rinnen.

Wer mir entgegen geht / mir ausweicht / wenn er kan /

Den lach' ich unverrückt / wie Rom und Cäsarn an.


Der Gesang war auch so bald nicht geschlossen /als die himmlischen Zeichen in einem Trözenischen Tantze so eigentlich ausdrückten / wie der Athenienser Feldherr Cimon schlaffen lag; das Glücke aber neben ihm stehende mit einem Netze viel Städte ihm fischete; gleich als wenn das Glücke einem im Traume mehr als die Tugend den Wachsamen und Arbeitsamsten zuzuwerffen vermöchte. Die Tugend begegnete dem Glücke alsobald wieder mit folgendem Gegensatze:


Weil du mir must gehorsam seyn /

Pflegt dich / Gehorsame / Rom zu verehren;

Weil Cäsars Tugend dich sperrt ein /

Und du dich nicht ihn wagest zu versehren /

Läßt Rom dein Heiligthum in seine Gärte bau'n /

Indem sich aber auch der Tugend Bild laßt schau'n.


Denn sie war Cäsars Mast und Schild /

Als Glück und Meer ihn dränte zu verschlingen.

Wenn sie gleich's Unglücks Dunst umbhüllt /

So weiß sie wie die Sonn' ihn zu durchdringen.

Sie ist verfolgter Port / sie hat offt Rom beschirmt /

Wenn's Glückes Tempel gleich vom Donner ward bestürmt.


Apollo mit seinen Gefährten hegten hierauf einen gri igen / aber doch künstlichen Tantz / derogleichen die Griechen dem kriegrischen Hercules zu hegen pflegten. In diesem stellten sie für den Krieg der Götter wider den Hercules. Euphrosyne bildete die erzürnte Juno ab / daß Jupiter ihr im Schlaffe den Hercules an die Brüste gelegt / und durch ihre Milch die Unsterbligkeit an sich saugen lassen. Apollo aber den Hercules; wie selbter die von der Juno über ihn geschickte zwey Schlangen in Stücke rieß; wie er den von ihr aus dem Monden herabgelassenen Löwen im Nemeischen Walde erlegte / und seine undurchdrängliche Haut zum Schilde brauchte; und wie er die ihn selbst angreiffende Juno mit einem Pfeile in die rechte Brust verwundete. Urania stellte die Sonne für; wie sie den Hercules auf der Reise zu denen Tarteßischen Ochsen heftig stach / und als er sich erkühnete / einen Pfeil in sie zu schüßen / dieser Kräffte und Hertzhaftigkeit wegen / ihn mit einer güldenen Schale beschenckte. Terpsichore vertrat den Oceanus / wie er den auf solcher Schale schiffenden Hercules mit einem gewaltigen Sturme anfiel; welchem er aber durch Spannung seines Bogens ein Schrecken einjagte /[496] und das Meer zu besänfftigen zwang. Melpomene vertrat den auf den Hercules verbitterten Pluto; weil er ihm den Cerberus aus der Hölle mitnam; den er aber ebenfals mit einem Pfeile durchschoß / durch welches alles behauptet ward: daß die Tugend dem Himmel /den Sternen / der Lufft / der Erde / dem Meere gewachsen / und die göttlichen Verhängnüsse zu überstehen mächtig wäre. Das Glücke wolte der Tugend noch das wenigste nachgeben; erhob daher seine Stimme:


Rom hieß die starcke Göttin mich /

Die Männliche / die Tilgerin des bösen.

Verborg mein Antlitz manchmal sich /

Wust' ich doch Rom beyzeite zu erlösen.

Das Glücke / welches kommt zurück / ist noch so lieb /

Versöhnter Liebe Zwist hat einen stärckern Trieb.


Wer wil der Tugend mässen bey:

Daß Perseus gieng durch einen Streich zu Grunde?

Wer zweifelt: daß es Glücke sey /

Daß Antioch verfiel in einer Stunde?

Die Tugend schafft ein Gut / das Glück ein groß Geschrey;

Rom selbst bekennts: daß ich sein bester Werckzeug sey.


Die Zeit mit denen gestirnten Thieren fieng einen Jonischen Tantz an / wie selbter in Sicilien Dianen zu Ehren geheget ward. Dariñen stellte der Schütze den in dem Eys-kalten Flusse Evenus für Liebe glüenden Centauren Nessus; die Jungfrau die wegen angemaaßten Noth-Zwanges für Angst bebende Deianira; der Löw aber den von Eyversucht und Rache schäumenden Hercules für; wie er ihm einen vom Blute der Hydra vergiffteten Pfeil durchs Hertze scheust / wie der sterbende Centaur Deianiren mit seinem blutigen Kleide beschenckt / und sie beredet: daß es ihren Ehmann von frembder Liebe abzuziehenn Krafft haben wilde. Die Zwillinge vertraten Jolen und noch eine andere Buhlschafft des Hercules; der Krebs den Licha / welcher von der eyversüchtigen Deianira dem opffernden Hercules des Centauren Kleid überbrachte / von dem er rasend ward / den Licha ins Meer warf; sich aber in die Opffer-Glut stürtzte. Worauf sich Deianira mit ihres Mannes Keule tödtete; aus ihrem Blut aber eine See-Blume und das Kraut Heraclea wuchs. Wordurch erhärtet werden wolte: daß die auch hundert-fach bewehrte Tugend doch endlich ein Schlacht-Opffer des Glückes würde. Die Tugend thät durch ihren Gesang denen Vertheidigern des Glückes diesen ferneren Einhalt:


Wenn's Glück in Ohnmacht sincken wil /

So stützt es sich auf des Aleidens Keule.

Wenn sich verkehrt sein Würßel-Spiel /

So lehnt es sich an meiner Klugheit Seule.

Ja Unglück schärfft den Witz / und Noth die Tapfferkeit /

Da's Glücke Hochmuth schafft / Verterb und Sicherheit.


Sehr selten paart sich Glück und Fleiß;

Ein Glücks-Kind und ein redliches Gemüthe.

Die Drangsal ist mein Sieges-Kreiß.

Ist Cato gleich von niedrigem Geblüte;

Hat Dienst-Magd und Gespenst den Servius gezeugt /

So hat doch jeder selbst sein Glück ihm zugeneigt.


Apollo mit seinen Gefährten pflichtete der Tugend in einem Laconischen Waffen-Tantze bey; darinnen sie den nach dem Achilles und Ajax tapffersten Griechen Diomedes einführten / wie er mit dem Hector und Eneas so hertzhafft kämpffte / den Thracischen König Rhesus seiner weissen Pferde entsätzte / den Trojanern ihr Schutz-Bild nahm; ja den für das Glücke Phrygiens alle euserste Kräffte anwendenden Kriegs-Gott in die Achsel; die den Eneas bedeckende Venus aber in die rechte Hand verwundete; zu einem Beweise: daß Götter und Verhängnüs durch die Beständigkeit der Tugend doch überwältiget würden. Das Glücke fieng hierüber laut an zu lachen; und fieng an zu singen:


Die Ordnung wird von dir verkehrt /

Wenn's Glücke lacht / so macht es kluge Leute /

Bebertzt und kühn / wenn es beschwert /

Und hilfft offt eh' aus Noth / als viel Gescheute.

Ein Narr / der aber nicht sein Glücke brauchen kan /

Hängt durch den Untergang mir keinen Schandfleck an.[497]


Dis halff dem Marius aus Noth /

Als es den Sylla gleich trug auf den Händen.

Des Marius bestimmten Tod /

Muß zweyer Scorpionen Kampff abwenden.

Gewaan je Syllen Witz und Tugend etwas ab /

Der dem Gelücke sich leibeigen übergab?


Die Zeit und die himmlischen Zeichen fiengen nach diesem Gesange einen Paucken- und Zimbeln-Tantz an; darinnen wahrsagte der Wieder dem Könige Oenomaus / den der Stier vertrat / daß er von seinem Eidame getödtet werden würde. Diesemnach alle /welche seine schöne Tochter Hippodamia begehrten /mit ihm oder ihr ein Wagen-Rennen halten; die Besiegten aber über die Klinge springen musten. Die Jungfrau bildete Hippodamien und ihre Freude über die besiegten Buhler und ihre Grausamkeit bey ihrer und ihrer Pferde Abschlachtung; der Wassermann aber den schlauen Pelops für; welcher des Oenomaus Kutscher Myrtilus bestach; daß er für seines Herrn Räder nur wächsene Nägel schlug / also mitten im Rennen ein Rad her / das ander hinflog. Und Pelops mit der auf seinem Wagen sitzenden Hippodamia die Corinthische Meer-Enge / als das gesetzte Ziel nicht nur erreichte / sondern der sterbende Oenomaus bat ihn auch: daß er die Untreu am Myrtilus straffen solte; welchem aber Pelops anfangs versprochen hatte ihm die erste Nacht den Genüß Hippodamiens zu enträumen. Wie nun bey seiner Rückreise der durstige Pelops auf der Seiten einen Brunn suchte / erkühnte sich Myrtilus Hippodamien gewaltsam zuzusetzen; westwegen er auf ihre Beschwer vom Oenomaus ins Meer gestürtzet ward. Dieses alles gaben sie den Zuschauern / und zwar zu der Lehre zu verstehen: daß ein einiger Zufall einem / der schon dreyzehn und mehrmal gesieget / die Lorbern vom Haupte / und die hertzhaftesten Uberwinder von Siegs-Wagen in die Grube stürtzen könte. Die Tugend begegnete dem Glücke aber bald wieder:


Offt würde's Glück zu Grunde gehn /

Wenn sichs mit List und Lastern nicht vermählte.

Wie würde Marcius bestehn /

Wenn ihm Betrug / nicht Witz dem Perseus fehlte.

Es ist so schädlich nicht / wenn es die Zähne bleckt /

Als wenn sein lächelnd Mund so Gifft als Haß versteckt.


Dir Tugend aber macht beglückt

Wenn sie gleich nackt und ungeschmüncket siehet.

Sie darff nicht / was ein Zufall schickt /

Und wieder raubt / wenn's durch einander gehet.

Sie braucht der Laster nicht; nicht Glückes / wie das Rad

Der Sonne frembdes Licht nur tilgt / nicht nöthig hat.


Apollo bildete zugleich mit seiner Laute den Orpheus; die drey Gratien die singenden Syrenen; die Musen aber die Minyen / in einem Schiffer-Tantze ab; darinnen die sich vom Orpheus überstimmt sehenden Syrenen aus Erbitterung anfangs verstummten / hernach ihre Säitenspiele ins Meer warffen / und sich ins Meer stürtzten; also die Minyen / welche schon kein Ruder mehr rührten / und sich den Strom an die Schiffbruchs-Klippen treiben ließen / zu einem besondern Merckmal erhalten wurden: daß Tugend und Klugheit einen aus dem Rachen der Boßheit / und dem Abgrunde des Unglücks zu reissen mächtig genung wäre. Das Glücke verlohr auch hierüber nicht den Muth / sondern setzte der Tugend entgegen:


Sie richtet nichts nicht ohne mich;

Ich aber viel; voraus in ihrem Kleide.

Sie hüllt in Hauff und Haare sich;

Ich aber geh' in Purpur nur und Seide.

Sie sorgt und schwitzt umbsonst; Mein Schoos-Kind aber liegt

Und schläfft / wenn unterdeß das Glücke für ihn siegt.


Wenn's Capitol steht unbewacht /

Muß eine Gans es aus Gefahr erretten.

Wenn wider Rom ein Bündnüs ward gemacht /

Ließ ich wie Spinnen weben es zertreten.

Mit einem Wort: Ich bin sein Schutz-Geist stets gewest.

Mein Werckzeug war: Verstand / Kunst / Tugend / Zwytracht / Pest.


Die Zeit mit den himmlischen Zeichen bestätigte in einem Lydischen Tantze des Glückes Vorzug durch Fürstellung der sinnreichen[498] aber unglücklichen Lydierin Arachne; welche den Flachs und Netze erfunden /und im Würcken es allen mit Verwunderung vorthät. Die gestirnte Jungfrau vertrat mit artlicher Gebehrdung ihre / der Krebs aber der neidischen Minerve Stelle; welche mit den Scheeren ihr alle ihre künstliche Wunder-Wercke zerschnitt / und sie also sich aus Ungedult zu hencken verleitete. Welch Unrecht doch Minerve selbst erkennte / und sie in eine Spinne verwandelte / die noch der Welt zum Beispiel dienet: daß Kunst und Armuth / Tugend und Unglück meist einander verschwistert sind, und die Verzehrung seiner eigenen Eingeweide vergebene Arbeit sey / wenn das Glücke einem seine schwere Hand auf die Achsel legt. Die Tugend schiene hierüber sich etlicher maßen zu entrüsten; warf also ihre Pferde etliche mal herumb /und sang mit mehrerm Nachdruck / als jemals vorher:


Der heut'ge Tag muß Richter seyn;

Wer aber wird den Knoten uns zerhauen?

Ihr Helden! die ihr mir stimmt ein:

Daß Glücke Furcht; daß Tugend schafft Vertrauen;

Komm't! kämpfft für euer' Ehr' und für der Tugend Preiß!

Lehrt: daß mein Grund sey Ertzt / des Glückes Glaß und Eiß.


Dem Glücke aber sahe eine viel heftigere Ungedult aus dem Gesichte. Die Augen waren voll Feuer / die Gebehrden wilde / und ihr folgender Gesang gantz kriegrisch:


Die Sterne kämpffen zwar für mich;

Doch unterwerff' ich euch mein Recht / ihr Helden!

Die durchs Gelück erhoben sich:

Daß sie mein Lob / und ihre Siege melden.

Rom / dessen Ruhm die Sonn' auf ihrem Wagen führt /

Mag urtheiln: ob nicht mir so Danck als Preiß gebührt.


Dieser Streit erregte so wol unter denen Römischen Feldherren; als unter denen aufgeführten Ländern eine Verwirrung / wie unter denen schwermenden Bienen zu sehen. Jedes rüstete sich zum Kampffe / und suchte sich auf die Seite zu schlagen / wohin ihn seine Neigung trieb / oder gewisse Begebnüsse leiteten. Aus dieser Verwirrung aber wickelten sich die aufgeführten Reiche derogestalt heraus; daß aus denen Afrikanischen Mauritanien / Cyrene / Libyen / das weisse und schwartze Mohrenland; Aus denen Asiatischen Phrygien / Syrien / Assyrien / Meden und Arabien. Aus denen Europeischen / Italien / Griechenland /Pannonien / Gallien und Britannien der Tugend beyfielen / und also zu verstehen gaben: daß sie durch Tapfferkeit der Römer wären überwältiget worden. Auf die Seite des Römischen Glückes aber schlugen sich Africa / Numidien / Getulien / Egypten / Thebais / Pontus / Armenia / das Caucasische Reich / Persien /Indien / Hispanien / Macedonien / Thracien / Scythien / und Deutschland / und gaben durch alle ihre Bezeugungen zu verstehen: daß der Römer über sie zuweilen, erlangten Vortheile bloße Glücks-Streiche gewest wären / sie auch durch ihre Hertzhaftigkeit denen Römern ein und andern vorsetzt hätten. Insonderheit aber waren Mohrenland / Persien / Indien / Scythien und Deutschland der güldenen Fessel befreyet; wormit die andern Länder in diesem Schau-Spiele aufgeführet wurden. Sintemal Tiberius allzu vorsichtig war / im Gesichte so vieler deutschen Fürsten sich durch eitelen Ruhm / als wenn sie diese Länder bezwungen hätten / zu verstellen / und dadurch zu neuer Verbitterung zu veranlassen. Unter denen Römischen Kriegs-Häuptern war Appius Claudius Caudex der erste / der dem Glücke als dem grossen Schutz-Geiste mehr Antheil von seinen Siegen enträumte / als seiner eigenen Tapfferkeit zuschrieb; als welcher durch bloße Leichtgläubigkeit der das enge Meer besetzenden Carthaginenser Gelegenheit gefunden hatte mit seinen schlechten Schiffen in Sicilien überzusetzen / den König Hiero zu schlagen / und den Carthaginensern den ersten Streich zu versetzen erlangte. In seinem Schilde führte er einen[499] einen Kopff / mit drey-gekrümmten Beinen / und drey Weitzen-Eeren / als das Bild des drey Vorgebürge habenden und von ihm zu erst angegrieffenen Siciliens. Hingegen fügte sich auf die Seite der Tugend der Bürgermeister Posthumius Magellus / welcher den Hannibal in Agrigent belägert /den dasselbe zu entsetzen vermeinenden Hanno schlug / viel Elephanten und die Stadt eroberte. Auf seinem Schilde stand die Stadt Agrigent / und darüber ein Belägerungs-Krantz von Grase. Diesem leistete alsobald Cajus Duillius Gesellschafft; welcher in sechzig Tagen nach dem Muster eines Africanischen Schiffes die erste Kriegs-Flotte der Römer baute / und vermittelst der von ihm ersoñenen Schiffs-Hacken /die viel geschicktere Flotte des Hannibals / welcher hernach gekreutziget ward / in die Flucht schlug. In seinem Schilde führte er das ihm hernach zu Rom auf dem Marckte aus Marmel aufgerichtete Sieges-Zeichen / nemlich eine Seule mit drey Krieges-Schiffen. Dem Glücke aber fiel der Bürgermeister Cneus Cornelius Scipio zu; welcher das Eyland Corsica gleichsam ohne Widerstand einnam; die Kriegs-Schiffe der Stadt Carthago bey Sardinien / eh es zum Hand-Gemenge kam / in die Flucht brachte; den Hanno erlegte / die Stadt Olbia und fast gantz Sicilien mit geringer Müh bemeisterte. In seinem Schilde führte er das Glücke / in Gestalt eines alten Weibes / welche in der rechten Hand Feuer / in der lincken einen Wasser- Krug führte. Diesem gesellete sich Marcus Atilius Regulus bey; der Hamilcarn aus der See schlug / den ersten Fuß in Africa setzte / denen Carthaginensern in einer andern See-Schlacht dreißig Schiffe ersäuffte /drey und sechzig eroberte / in Africa die Stadt Clupea / und zweyhundert andere Städte / ihn aber das Gifft des heuchelnden Glückes einnam: daß er den angebotenen Frieden ausschlug / und vom Xantippus gefangen ward. Auf seinem Schilde stand das Bild des Glückes; welches auf der am Flusse Bagradas erlegten ungeheuren hundert und zwantzig Fuß langen Schlange / derer Haut zu Rom in einem Tempel aufgehenckt war; gleich als wenn das Glücke / welches hernach allem Africanischen Raub mit fast dreyhundert Römischen Schiffen im Meere verschlang / der grausamsten Schlange zu gleichen wäre. Eben dahin begab sich auch Lucius Metellus / welcher Asdrubaln mit seinem von Weine angefüllten Heere / meist durch Schuld der Elephanten-Leiter / und der sich nähernden Carthaginensischen Schiffs-Flotte aufs Haupt zu erlegen das Glück hatte. In seinem Schilde führte er einen Elephanten; weil er selbte zuerst / und zwar derer wol hundert und zwantzig in seinem Siegs-Gepränge zu Rom eingeführt. Nicht weniger schlug sich auch der lahme Bürgermeister Cajus Lutatius Catulus dahin; welcher / ungeachtet seiner Verwundung / den Hanno zur See angrief / drey und siebzig Schiffe eroberte / hundert und fünf und zwantzig zu Grunde richtete / zwey und dreißig tausend Feinde gefangen bekam; dem Hamilcar auch zu Lande einen Streich versätzte / Sicilien eroberte und die Ehre hatte / mit einem vortheilhaftigen Frieden dem ersten Punischen Kriege ein glückliches Ende zu machen. Im Schilde war eine brennende Fackel zu sehen; welche beym Anfange der See-Schlacht am Himmel erschienen /und mit ihrer Spitze den Carthaginensern alles Unglück gedräuet hatte. Hingegen lenckte sich Cneus Fulvius / welcher der tapfferen Königin Corcyra nebst andern Eylanden und fast gantz Illyricum abgenommen hatte / auf die Seite der Tugend. In seinem Schilde stand das Bild der Tugend in der rechten Hand mit einem Schiff-Ruder / in der lincken mit einer Pflugschar / zur Andeutung: daß es ihr gleiche gielte zur See oder zu Lande zu fechten. Zur Tugend hielt sich auch der Bürgermeister Lucius Aemilius / welcher den König Aneroest mit[500] seinem mächtigen Heere der Gallier aus dem Felde schlug / und den gefangenen König Britomar mit reicher Beute im Siegs-Gepränge einführte / hernach auch den Demetrius Pharius aus Illyris jagte. Im Schilde hatte er zwey güldene breite Gürtel / zum Gedächtnüsse: daß die überwundenen Könige ein Gelübde gethan hatten ihre Gürtel nicht ehe als im Capitol aufzuschnellen. Titus Manlius Torquatus aber fiel dem Glücke zu; weil er durch ein blosses Schrecken die Bojen in die Flucht / und nach Erlegung etlicher zwantzig tausend sie zur gäntzlichen Ergebung brachte. Im Schilde führte er das auff einem Pegasus reitende Glücke. Cajus Flaminius hingegen verfügte sich zur Tugend / welcher / ungeachtet der widrigen Wunder-Zeichen / die Insubrier angrieff und überwand; auch erst nach erlangtem Siege des Römischen Rathes Brief öffnete / darinnen ihm zu schlagen verbothen ward. Im Schilde hatte er den auff dem gestirnten Eridanus stehenden Hercules; weil Flaminius zu erst sich über den Po gewagt hatte / zur Andeutung: daß die Tugend auch über die Gestirne herrschte. Marcus Marcellus begab sich zum Glücke; weil er nach dem Gelübde die schönsten Waffen der Insubrer dem Feretrischen Jupiter zu wiedmen / von ihm beglückt ward / den König Viridomar mit eigener Hand zu erlegen / Meyland und andere Städte zu erobern /und ihre gäntzliche Unterwerffung zu erlangen. Hernach auch bey Nola Hannibaln drey Streiche zu versetzen / und das abgefallene Sicilien / und insonderheit das durch Archimedens Künste vertheidigte Syracusa zu erobern. Im Schilde führte er einen güldenen Harnisch mit der Bey-Schrifft: Fette Beute. Quintus Fabius Maximus verfügte sich unter die Fahne der Tugend / welcher durch seine vorsichtige Langsamkeit das die Römer durch den siegreichen Hannibal drückende Unglück überwand / den Carthaginensern unterschiedene Streiche versetzte / und die zu Rom verfallene Hoffnung aufrichtete. Im Schilde hatte er eine an einer Spitz-Säule empor kriechende Schnecke. Eben dahin begab sich auch Lucius Martius; welcher nach dem Publius und Cneus Scipio in Hispanien fast mit ihren gantzen Heeren erschlagen worden / dem Glücke durch den Sinn fuhr / und 2. Läger der Carthaginenser einbekam / 37000. Feinde erschlug. Sein Schild ward erobert von 130. Pfund Silber mit darein geetztẽ Kopfe Asdrubals. Hierauf machte der Africanische Scipio dẽ Beyständen der Tugend ein grosses Ansehen; dessen Tapferkeit die Jahre und das Glücke der Feinde überflog / Asdrubaln schlug / Carthago in einẽ Tage / Hispaniẽ inweniger Zeit bezwang / in Africa festen Fuß setzte; den König Syphax und Hannibaln überwand / und dem andern Punischen Kriege ein sieghaftes Ende machte. Im Schilde führte er eine Schlange / in welcher Gestalt Apollo seine Mutter geschwängert und ihn gezeugt haben solte. Claudius Nero aber trat zum Glücke / als welches ihm fugte: daß er in Geheim in des Livius Lager kam / und den hiervon nichts wissendẽ Asdrubal mit sechs und funfzig tausend Feinden erschlug. Hierauf Annibaln / dem er seines Brudern Kopf fürwarff / zu bekennen nöthigte: Er sehe nunmehr die unverhinderliche Gewalt des Römischen Glückes über Carthago. Im Schilde führte er das mit sieben Sternen gekrönte Bild der Stadt Rom. Lucius Furius / der Amilcarn und drey Feldherren der Gallier mit fünf und dreissig tausend Feinden erlegte / trat auf die Seite des Glückes. Seinen Schild zierete ein geflügelter Fisch; weil er diesen Sieg nicht als Bürgermeister / sondern nur als Stadt-Vogt erhalten / und durch das dem Furischen Geschlechte gleichsam wider die Gallier angedräuten Glücke sich gleichsam über sein Element empor geschwungẽ hatte. Titus Quintus Flaminius begab sich auf die Seite der Tugend; der mit Hülffe des Atta[501] Attalus und der Rhodier den Macedonischen König Philip zweymal schlug / Euböen einnahm / und durch den ihm verliehenen Frieden Griechenlande die Freyheit erwarb. Im Schilde war ein Nemeischer Sieges-Krantz von Eppich geetzet; weil die Griechen ihm zu Ehren fünf Tage lang in dem Nemeischen Schau-Platze allerhand Schauspiele hielten. Diesem gesellte sich Claudius Marcellus bey; welcher in dreyen Treffen gleichsam alle streitbare Leute der Gallier vertilgte /und einen unsäglichen Schatz nach Rom brachte. Im Schilde führte er eine grosse güldene Kette / die er aus der eroberten Beute dem Capitolinischen Jupiter angehengt hatte. Marcius Porcius Cato rückte nichts weniger zur Seite der Tugend / durch welche er in einem Tage viertzig tausend Feinde erschlug / ihr Läger eroberte und das aufrührische Hispanien beruhigte. In seinem Schilde führte er den auf dem Scheidewege sich zur Tugend lenckenden Hercules. Marcus Acilius Glabrio verfügte sich zum Glücke / der mit seinem blossen Nahmen den wollüstigen König Antiochus von Euböa verjagte / ohne Müh ihn bey der Thermopylischen Enge zu Land und Wasser schlug. Im Schilde führte er das Bild des Cumanischen Apollo / welcher als ein Schutz-Gott Asiens beym Anfange dieses Krieges hefftig schwitzte. Publius Cornelius Scipio Nasica / der zu Rom den Ruhm und Nahmen des allerbesten Mannes hatte / fügte sich der Tugend bey; welcher denen Bojen vollends den letzten Streich versetzte / und sich den Römern zu ergeben zwang. Im Schilde führte er das auf einem Ancker stehende Bild der Tugend. Aemilius Regillus aber / welcher mit Hülffe der Rhodier und des Windes des Königs Antiochus Kriegs-Flotte / und darauf Hannibaln zu schlagen das Glücke hatte / schlug sich auch gar gerne zu seinen Schoß-Kindern. Im Schilde führte er ein Schiff / darauf das Glücke das Steuer-Ruder hielt. Gleicher gestalt schlug sich der Asiatische Lucius Cornelius Scipio auf die Seite des Glückes; welches /als er gegen des Antiochus an sechs mal hundert tausend Männern bestehendes mit Elephanten und Sichel-Wagen umschanztes Heer zu schlagen anfieng /durch einen Platz-Regen den Gebrauch aller Persischen Bogen zernichtete / und ihm so wohl den Sieg /als Asien disseits des Taurischen Gebürges in die Hand spielte. In seinem Schilde stand das Bild des an einen Palmbaum gebundenen Asiens / darein dieser Scipio zum ersten übergesetzt hatte. Marcus Fulvius erkiesete nun wieder für die Tugend zu stehen / welcher durch wunderwürdige Krieges-Künste die Stadt Ambracia / des Pyrrhus Königlichen Sitz / und die Etolier mit denen Eylanden des Jonischen Meeres sich zu ergeben zwang. Im Schilde führte er eine güldene Krone; weil die Ambracier ihn mit einer anderthalb hundert Pfund wiegenden beschenckt hatten. Cneus Manlius aber muste es dem Glücke dancken: daß er die unversehens überfallenen Galater so unbereitet antraff / sie in zweyen Schlachten übermannete und ins Gebürge trieb. Im Schilde führte er einen geflügelten Hirsch. Appius Pulcher schlug sich gleicher weise zu dem ihm liebkosenden Glücke / indem die Istrier /welche des Cneus Manlius Lager gestürmt und erobert hatten / ihre Tugend und Vernunfft in Wein vergruben / und mit ihrem trunckenen Könige Apulo leicht zu überwinden waren. Auf seinem Schilde legte seine weisse Henne ein gülden Ey. Titus Sempronius Gracchus / welcher die Celtiberier und ihre Bunds-Genossen vollends unters Joch / und viertzig tausend Pfund Silber nach Rom gebracht / wie nicht weniger die Sardinier gedemütiget hatte / stand bey der Tugend. Er führte in seinem Schilde ein Panter-Thier /welches mit seinem annehmlichen Geruche viel andere Thiere zu sich lockte. An eben selbigen Ort verfügte sich der Uberwinder der streitbaren[502] Lusitanier / Lucius Posthumius Albinus. Seinen Schild zierete das Sinn-Bild der Tugend ein voll güldener Aepfel hängender Pomerantzenbaum. Quintus Marcius Philippus konte der Uhrheberin seines unvergleichlichẽ Sieges /nemlich dem Glücke nicht entfallen; welches ihn über Berge / die kaum Vögel überfliegen konten / in das mit Waffen sorgfältig verwahrte Macedonien leitete /und dem Könige Perseus eine solche Furcht einjagte: daß er seine Schätze ins Meer versenckte / seine Schiffs-Flotte verbrennte / und sich in Samothracien in einen Tempel flüchtete / woraus er aber gelocket und zu Rom in dem dreytägichten Siegs-Gepränge eingeführt ward. Im Schilde führte er den Castor und Pollux; welche ihm im Kriege beygestanden / und noch selbigen Tag seinen Sieg zu Rom verkündigt haben solten. Lucius Anicius machte sich zum Vertheidiger des Glückes; welches ihm ehe die Haupt-Stadt Scorda / mit dem Könige Gentius und gantz Illyris in die Hände warff / ehe man zu Rom vom Anfange des Krieges hörte. In seinem Schilde spielte das Glücke des Balles. Eben dahin begab sich Quintus Cäcilius Metellus / welchem des Andriscus Thorheit zum Werckzeuge seines Glückes diente: daß er ihm zwey Schlachten abgewaan / gantz Macedonien wieder eroberte / und die Celtiberier schlug / und die Balearischen Eylande demüthigte. Im Schilde stunden die drey Parcen geetzet. Hingegen gab dem Theile der Tugend einen herrlichen Glantz Publius Scipio Aemilianus; welcher durch Zerstörung der mächtigen Stadt Carthago und des hartnäckichten Numantia / der Tugend zwey grosse Schlösser gebaut. Im Schilde führte er das an einem Granat-Apfel-Baum angebundene Africa. Lucius Mummius aber schrieb es nicht so wohl seiner Tapferkeit als dem Glücke zu: daß er die Achäer so leicht in die Flucht brachte / und die offengelassene Stadt Corinth / oder vielmehr das Wunder der Welt und der Kunst in kleinen Staub zermalmen konte. In seinem Schilde stand das Haupt der Venus /als das Wappen der Stadt Corinth. Decius Junius Brutus pflichtete der Tugend bey / welcher durch seine Klugheit mit wenig Volcke über funfzig tausend Galläcier und Lusitanier in einer Schlacht erlegte /und beyde Völcker zum Gehorsam brachte. In seinem Schilde schmiedete die Tugend auf einem Ambosse das Bild des Glückes. Diesem leistete Cajus Sextius Gesellschafft / welcher die Ligurier / Vocontier und Salluvier in einem fünfjährigen Kriege zum Gehorsam gebracht / und eine von warmen Brunnen berühmte Stadt nach seinem Nahmen gebauet hatte. In seinem Schilde stand Hercules / wie er die vielköpfichte Schlange tödtete. Cneus Domitius aber erkiesete seinen Stand beym Glücke / weil er durch das Brausen der Elephanten die Allobroger trennte / ihrer wohl zwantzig tausend erschlug / auf einem Elephanten durch Gallien herumb zoh / und das erste Sieges-Mahl aus Steine aufrichtete. Im Schilde ward gebildet eines siegenden Elephanten / und eines erdrückten Drachen Streit. Eben dahin schlug sich Quintus Fabius Maximus / welchem das Glücke den Unverstand des Königs Bituit derogestalt zu statten kommen ließ: daß er mit gar wenigem Verlust 50000. Arverner und Rulhener entweder mit den Schwerdtern tödtete / oder im Rhodan ersäuffte. Im Schilde stand ein Falcke /welcher eine grosse Menge Vögel jagte. Herentgegen schlug sich Marcus Drusus zur Tugend / der die streitbaren Scordisker in Thracien geschlagen und über den Ister getrieben hatte. Im Schilde führte er ein Schwerdt / welches den Gordischen Knoten entzwey hieb. Eben dahin schlug sich Quintus Metellus der durch seine wachsame Tapferkeit durch unterschiedene Siege die Scharte gegen[503] den schlauen und streitbaren Jugurtha auswetzte / und sich guten theils Numidiens bemächtigte. Also den Nahmen des Numidischen erwarb. Im Schilde führte er als ein Sinne-Bild der Wachsamkeit den Drachen / welcher die Hesperischen Aepfel bewachte. Insonderheit aber machte der sich der Tugend zugesellende Marius / welcher sich iederzeit für einen Feind des Adels und Glückes erkläret / ein grosses Ansehen. Sintemal dieser die unüberwindliche Stadt Capsa erobert / neuntzig tausend Mauren / Numidier und Getulier unter dem Könige Jugurtha und Bocchus erschlagen / und dieser jenen dem Sylla einzuliefern gezwungen / aus dem Rhodan einen schiffbaren Graben ins Meer geführt / der Ambronen / Teutonen und Cimbern eine unsägliche Menge erlegt / und Rom von augenscheinlichem Untergange errettet hatte. In seinem Schilde führte er einen eisernen Ring / als ein Sinne-Bild der nackten Tugend ohne Zierde des Adels oder anderer Glücks-Gaben / welchen Marius auch lange / nachdẽ er schon etliche mal Bürgermeiser gewest war / am Finger führte. In diesem Ringe aber stand ein güldener Adler / welchen Marius am ersten zum fürnehmsten Zeichen der Legionen brauchte. Hingegen wendete sich zum Glücke Quintus Catulus; ob er schon an dem grossen Siege über die Cimbern mehr als Marius Theil hätte; weil jener ein und dreissig; dieser aber nur zwey Kriegs-Fahnen erobert / und die meisten Todten in ihren Leibern Geschoß hatten / die mit des Catulus Nahmen bezeichnet waren. Sintemal er diesen mehr dem anfänglichen Nebel / und der hernach die Cimbern drückenden Sonne / als der Römischen Tugend zuschrieb; und destwegen zu Rom dem Glücke des Siegs-Tages seinem gethanen Gelübde nach ein Gedächtnüß baute. Im Schilde führte Catulus eine Angel / mit welcher ein güldener Drey-Fuß aus dem Wasser gezogen ward. Der Tugend aber fügte sich Titus Didius bey; welcher in Thracien die Skordisker demüthigte / in Hispanien die Celtiberier / Pacceer / Termestiner / Colendenser durch Tapferkeit überwältigte / und durch nächtliche Verbergung seiner Todten sie zu Beliebung eines ihnen vorgeschriebenen Frieden bewegte. In seinem Schilde führte er einen Löwen / welcher etliche Schwerdter in Stücke brach. Diesen aber hielt die Wage das grosse Ungeheuer des Glückes Lucius Sylla / welcher die Cappadocier und Armenier schlug; Ariobarzanen zum Könige einsetzte; vom Parthischen Könige durch Bothschafft verehret ward; Athen und Griechenland eroberte; den Archelaus und die Thracier in vielen Schlachten überwand / und dem grossen Mithridates einen vortheilhaften Frieden abzwang. In seinem Schilde führte er so wohl / als sonst im Siegel die ihm geschehene Ubergebung des Königs Jugurtha; an einer seiner Seite aber die ihm beystehende Minerva / an der andern das Glücke. Hierentgegen wendete sich zur Tugend Cajus Scribonius Curio an; welcher die Dardaner überwältigte / und unter den Römern zum ersten biß an Ister drang. In seinem Schilde lag der sich auf einen Wasser-Krug stützende Ister / darauf die mit ihm sich vermählenden neun und sechzig Flüsse gegraben waren. Diesem folgte aber zum Glücke Lucius Lucullus; welchem das Glücke durch Hunger und andere seltzame Zufälle fugte des die Stadt Cyzicus belagernden Mithridates Heer zu vertilgen / seine Schiffs-Flotte zu schlagen / und ihn aus Bithynien zu verjagen; den König Tigranes in Armenien zu übermeistern; Tigranocerta und die Stadt Nisibis in Mesopotamien einzunehmen. In seinem Schilde führte er den an Caucasus angeschmiedeten Prometheus / weil er unter den Römern am ersten über das Taurische Gebürge[504] gedrungen war. Eben dahin verfügte sich Quintus Cäcilius Metellus / welcher dem Eylande Creta das Römische Joch anlegte / und davon einen Zunahmen erwarb. Sein Schild bildete den Minotaurus im Irrgarten ab / daraus sich Theseus durch Ariadnens Fadem ausflochte. Nach diesem gab der grosse Cneus Pompejus der Tugend keinen geringen Glanz; der Africa zum Gehorsam brachte / die See-Räuber ausrottete / des Sertorius Anhang vertilgte /den Mithridates des Nachtes durch Hülffe des Monden aufs Haupt erlegte / denen Iberiern / Caspiern und Albaniern ein Schrecken einjagte / die Colchier demüthigte / die erste Brücke über den Euphrates schlug / Artaxata und Jerusalem eroberte; Syrien / Phönicien / Cilicien dem Tigranes wegnam / die Araber und Parther Rom zu verehren nöthigte. In seinem Schilde war abgebildet / wie der mächtige Tigranes den Degen von sich gab / und seine vom Haupt genommene Krone dem Pompejus zun Füssen legte. Nach ihm schlug sich Marcus Porcius Cato / welcher Cypern eroberte und von dar grosse Schätze nach Rom brachte /zur Tugend. In seinem Schilde führte er einen Phönix als ein Bild der Unsterbligkeit. Hingegen ward die Seite des Glückes vom Cajus Julius Cäsar verstärcket / und von seinem Glantze so sehr erleuchtet / als es ihm in Uberwindung Ariovistens und gantz Galliens /in Bestreitung Britanniens / in Erlegung des Bosphorischen Königs Pharnaces / und in seiner Erhöhung über alle Römer unabsätzlich an der Hand gestanden hätte. In seinem Schilde waren die zwey Seulen des Hercules mit der Uberschrifft: Noch weiter. Unter denen Römischen Feldherren ließ sich auch der Vater der Beredsamkeit Marcus Tullius Cicero sehen; welcher die Cilicier hertzhafft übermeisterte. In seinem Schilde führte er einen mit Federn gefiederten Pfeil. Ihm folgte Asinius Pollio / aber auf die Seite des Glückes; weil dieses ihm einen herrlichen Sieg über die Parthen und Dalmatier verlieh. Im Schilde hatte er das Bild des Glückes / welches in einer Hand einen Mäßstab / in der andern eine Wünschel-Rutte führte. Hierauf erschien Publius Ventidius; welcher die Parthen einmal an dem Taurischen Gebürge / das andermal bey Zeugma am Euphrates / und mit ihnen des Königs Sohn Pacor aufs Haupt erlegte. In seinem Bilde stand ein von der Sonn erleuchteter Mohnde; vielleicht / weil Ventidius bey diesen Siegen vom Marcus Antonius seinen Hang hatte. Nach ihm verfügte sich Cajus Soßius zum Glücke / der die Aradier und Juden überwand / ihren König Antigonus kreutzigte / und ihnen Heroden fürsätzte. In seinem Schilde war das Jüdische Land an einen Palm-Baum gebunden. Eben dahin sätzte sich auch Publius Canidius Crassus; dessen Glücke das Caucasische Gebürge überflog / als er den König der Iberier Pharnabazes /und den König der Albanier Zoberes zum Gehorsam brachte. In seinem Schilde führte er den am Caucasus angebundenen Prometheus / welchem ein Adler die Leber ausfraß. Nach ihm wendete sich auf die Seite des Glückes Lucius Autronius Crassus; welcher über die Japyger / Dalmatier / Pannonier und Africaner ein Siegs-Gepränge hielt. In seinem Schilde war Livia gebildet; welcher ein Adler eine weisse in dem Schnabel einen Lorber-Zweig haltende Henne in die Schoß fallen ließ. Zur Tugend aber hielt sich Marcus Crassus; welcher der Dacier / Bastarnen / Geten / Mysier und Scythen Meister ward. Im Schilde war Hercules zu schauen / der an einer Kette den drey-köpfichten Cerberus führte. Hingegen rückte Cajus Petronius / welcher die Königin Candace mit ihren Mohren aus Thebais verjagte / in Mohrenland[505] drang / auch nebst vielen andern Städten ihren königlichen Sitz Tanape eroberte. Im Schilde war Ulysses gebildet; wie er dem Polyphemus das Auge ausstach; wordurch zweifelsfrey auf den Sieg wider die einäugichte aber behertzte Candace gezielet ward. Hingegen verfügte sich Cornelius Cossus / der mit grosser Tapfferkeit die Getulier überwältigt und von ihnen einen Zunahmen erworben hatte / zu dem Hauffen der Tugend. In seinem Schilde stand ein geflügelter Löw an eine Seule angebunden. Endlich erwehlete auch Claudius Drusus für die Tugend zu stehen; welcher die Rhetier überwunden / und die Römischen Waffen in Deutschland bis an die Elbe gebracht hatte. Sein Schild prangte mit der aufgehenden Sonne / welche alle andere Sternen verdüsterte. Ein jeder dieser Römischen Kriegs-Häupter hatte zwey Waffen-Träger / derer einer den Schild / der andere einen Spieß trug. Wie bund nun so wol ihre Kleider / Binden und der Römischen Feldherren Pferde im Aufzuge durch einander vermischt waren; so ereignete sich doch nach ihrer Absonderung: daß die Helffte derer sich zur Tugend gesellenden Helden Pferde schwartz / mit grünen von Silber durchwünckten Decken belegt / ihre Waffen-Träger auch alle in grünes Silberstück gekleidet; die andere Helffte der Pferde Perlen-Farbe / ihre Decken Gold und Silberstück / ihre Waffen-Träger auch also ausgeputzt waren. Die eine Helffte derer zum Glücke sich schlagenden Helden hatte äpflichte Blau-Schimmel mit Himmel-blauen Goldstückenen Decken / die andere Helffte Füchse mit Rosen-farbicht-goldstückenen Decken. Nach welcher Art denn auch ihre Waffen- Träger aufzohen; und also auch allhier der vier-färbichte Aufzug des grünen Frühlings und der Erde / des schnee-weissen Winters und des Wassers / des neblichten Herbstes und der Lufft / des Rosen-reichen Sommers und des Feuers fürgebildet war. So bald nun die Tugend mit einem weissen Tuche das Zeichen gab; machten sich die grünen und blauen Schild-Träger herfür / und flochten mit ihren Schilden / an statt der sonst von Fechtern bräuchigen ertztenen Platten aufs zierlichste nach dem Klange der Flöten gegen einander. So bald die Tugend und das Glücke das andere Zeichen gab; verfügten sich diese in ihre Reye; und geriethen die weissen und rothen Schild-Träger in einem künstlichen Ringen / wie entweder von Bären oder dem Hercules soll gelernet / und vom Marcus Scaurus in Schau-Platz gebracht worden seyn / nach dem Schalle der Schallmeyen an einander. Sie hielten sich aber alle so wol: daß unter denen ersten keiner einen Streich versah / unter den letzten keiner zu Bodem fiel; ungeachtet sie nicht nackt und nicht an Gliedern eingeölet waren. Nach dem dritten Zeichen machten sich die grünen und blauen Spieß-Träger herfür / und hielten in einem zierlichen Waffen-Tantz; derogleichen Pallas nach überwundenen Titanen erfunden und Romulus in Rom eingeführt haben soll /mit ihren Spießen ein künstliches Gefechte. Die weissen und rothen Spieß-Träger aber hielten von der Ost- gegen der West-Seite einen Wette-Lauff; darinnen aber allzugleich das dem aus Schwanen-Eyern gebohrnen Castor und Pollux zu Ehren mit Eyern oben ausgezierte und dreygespitzte Ziel erreichten. Rom gab hierauf selbst ein Zeichen; worauf Africa mit seinen Drachen / Asien mit seinen Kamelen / und Europa mit seinen Pferden den Schau-Platz dreymal umbrennten / und ein jedes einmal den Vorsprung erhielt. Nach diesem gab Africa ein Zeichen; so rennten auf Seiten der Tugend Mauritanien / Cyrene / Libyen /beyde Mohrenlande / auf Seiten des Glückes Africa /Numidien / Getulien / Egypten / Thebais zehnmal mit einander. Die[506] von denen Richtern aber auff dem Ziele aufgerichteten Meer-Schweine / welche entweder wegen ihrer Geschwindigkeit / oder weil sie dem Neptun / als dem Schutz-Gotte dieser Spiele / gewiedmet sind / zu Merckmaalen des Sieges erkieset worden / erwiesen: daß iedes land einmal den Vortheil erreicht hatte. Nicht anders lieff es mit denẽ zehn gegen einander rennendẽ Ländern Asiens ab / als dieß das Zeichẽ gab; und mit denẽ zehn Europäischen / als sie gleicher gestalt zehnmal den Renn-Platz umbrennten. So bald die Länder in ihren Stand gediegen waren /gab die Tugend aufs neue ein Zeichen / worauf die Schild- und Lantzenträger ihren Helden die Waffen zureichten; die Trompeten aber die Pferde zum Kampfe anfeuerten. Worauf denn ein Trojanischer Kampf /welchen die Curetes in Creta umb den jungen Jupiter zum ersten gehalten; Eneas und Ascanius aber aus Phrygien in Italien gebracht haben sollen / seinen Anfang nahm. Anfangs traffen der Tugend grüne Reiterey auf des Glückes blaue- hernach auf die rothe; die weisse aber anfangs auf die rothe / hernach auf die blaue; und also ferner Wechsels-weise / daß bald einer verfolgte / bald flohe / bald wieder entsetzt ward / und einem andern Hauffen in die Eisen zu gehen Gelegenheit fand. Wer auch in einem Hauffen einmal der erste gewest war / ward hernach der andere / und so fort / biß er endlich der funfzehende oder letzte ward /und ein ieder mit einem ieglichen seines Gegentheils /nemlich dreissig mal zu treffen kam. Die Angrieffe geschahen mit Pfeilen / Lantzen und Wurff-Spiessen nicht ohne Verwunderung: daß von so vielen / wiewohl stumpff gemachten Geschoßen / niemand sonderlich verwundet ward. Als das Treffen der Helden nach der Reyhe herumb war / gieng auf gegebenes Zeichen zwischen den Ländern ein neues und zwar funfzehnsaches Rennen an. Denn die Africanischen rennten anfangs mit des Gegentheils Africanischen /hernach mit den Asiatischen / endlich mit den Europäischen; also daß iedwedes der Tugend beystehendes Land mit einem ieglichen des Glücks zu rennen kam. Gleichwohl aber stieß kein einiges / wenn es gleich dem andern durch einen engen Kreyß den Vortheil abzurennen trachtete / an die Ecken des Zieles an. Die wohl abgerichteten Pferde thäten so wohl als die Führer ihr Ampt wunderwürdig. Beym Schlusse aber ereignete sich: daß einem ieden von denen am Ziele verordneten Richtern ein Ey oder ein Meer-Schwein aufgerichtet / und ein Palm-Zweig in die Hand gegeben worden war; also der Zwist umb den Vorzug der Tugend und des Glückes so zweifelhafft blieb / als er im Anfange gewest war. Hiermit aber war weder die Tugend noch das Glücke vergnügt; sondern sie gaben denen Römischen Kriegs-Häuptern zu einem neuen Kampfe das Zeichen. Diese rüsteten sich auch zu einem noch heftigern Angrieffe; es kam aber die in der Mitte der Renne-Bahn auf einer hohen Säule stehende Göttin des Sieges zwischen beyde Theile geflogen /gab mit ihrem Palm-Zweige ein Zeichen vom Kampfe abzustehen / und fieng singende an:


Was bildet ihr / ihr Sterblichen euch ein?

Meynt ihr: daß eure Macht und Stärcke

Der Herrschafft und des Sieges Uhrsprung seyn?

Nein! Sie sind meiner Hände Wercke.

Ich bin / die Welt und Rom als Göttin betet an;

Weil ich nur Sieg verleihn / und Friede stifften kan.


Zwar Tapferkeit / Gelück und Tugend sind

Der Werckzeug meiner Helden-Thaten.

Wenn aber nicht mein Arm die Schlacht gewinnt /

Pflegt Thun und Anstalt mißzurathen.

Zevs / Phöbus und Neptun braucht selbst Blitz / Pfeil und Stab

Umbsonst / wenn meine Faust nicht ihr Geschoß drückt ab.


Drumb krönt mein Bild fast iedes Heiligthum;

Rom setzt mich Jupitern zur Seiten;

Baut mir drey Tempel / meinen Ruhm

Für andern Göttern auszubreiten;

Und des von Pessimunt gebrachten Kriegs Gotts Bild

Kam in mein Haus / eh' es ein sonderlichs erhielt.[507]


Der Himmel hat mit Flügeln mich versehn /

Die Silber / Gold und Purpur schmücken.

Weil ja / wohin sich meine Federn drehn /

Die Sonn' und Glücks-Gestirn' hinblicken.

Wenn sich die rothen rührn / so siegt man durch viel Blut /

Mein Gold schafft leichten Sieg und reiches Friedens-Gut.


Mein Fuß ist nackt und ausgestreckt / ein Ziel

Bald zu erreichen / bald zu lassen.

Mein flügend Haar und Kleid der Winde Spiel /

Weil niemand mich vermag zu fassen.

Mein Lorber-Krantz bleibt zwar vom Donner unverletzt;

Manch Sieger aber wird in Graus und Staub versetzt.


Wie flüchtig und wie schnell ich gleich nun bin /

Offt Nord / Sud / Ost und West durchreise /

So meyn' ich mich doch wo zu setzen hin /

Wo man mich nicht als Gästin speise.

Ich habe 's Capitol zum Heerd und Hof erklärt /

Eh' Hiero nach Rom mein gülden Bild gewehrt.


Als ich zu Babel gleich noch Wirthschafft trieb /

In Persen mich als Gast verweilte /

In Griechenland kaum über Nacht verblieb /

Und gleichsam auff der Post durcheilte;

Trug mich bereit nach Rom mein gantzes Hertz und Sinn /

Das mich als Schutz-Geist / und wo ich Haus-Gott bin.


Wo Rom mir Spiel und jährlich Feyer hält /

Mein Bild in Tempel und Gemächer /

Ins Rath-Haus / Marckt und Renne-Bahnen stellt /

Und auf der Heiligthümer Dächer;

Ist iemand auch der Zahl der Götter einzuweyhn /

Der muß empor geführt auf meinen Flügeln seyn.


Wo ich nun soll beständig kehren ein /

Altar und Tempel mir erwehlen /

Muß Tugend und Gelück Geschwister seyn /

Und dieses jener sich vermählen.

Wo Tugend und Gelück in Rom nun Hochzeit hält /

Werd' ich ein Leit-Stern seyn / und mein Magnet die Welt.


Kein Volck wird sich nicht weigern Gras

Dem Sieges-reichen Rom zureichen.

Die Tiber wird verehren Phrat / Nil und Maaß /

Das Meer für ihr die Segel streichen;

Der Mohr die Renne-Bahn mit Kreide machen weiß;

Dem Ganges werden warm / dem kalten Belte heiß.


Der Sieg machte bey währendem Singen gegen Rom die freundlichsten Bezeugungen; nach seinem Schlusse aber fieng die Tugend und das Glücke zugleich an:


Lebt in der gantzen Welt

Ein Geist von solcher Güte?

Ein so vollkommen Held?

Ein solch erlaucht Gemüthe?

Wo Tugend und Gelück vereinbart leben kan /

Das nie kein Laster schwärtzt / kein schwartzer Stern scheint an.


Der Sieg versetzte alsofort:


Ich weiß: daß Glück' und Tugend Feinde sind /

Daß beyde sich als Spinnen hassen.

Wen aber das Verhängnüß lieb gewinnt /

Dem muß die Schlang' ihr Gifft weglassen.

Und in der güldnen Zeit / die Rom beglücken soll /

Wird sich Wolff / La ' / und Löw' / und Hahn vertragen wohl.


Es lebt in Rom ein Held von solcher Art /

In welchem Tugend und Gelücke

Wie Zwillinge zusammen sind gepaart

Dem nie kein Anschlag geht zurücke.

Die Ehre wird ihn euch bald zeigen mit viel Pracht /

Seyd nur nach seiner Würd' ihn zu verehrn bedacht.


Der Sieg hatte nicht so bald geschlossen / als das gegen Mittag gehende Thor der Renne-Bahn sich öffnete / und dreissig in rothen mit silbernen Borten verbrämten Scharlach gekleidete Trompeter hinein geritten kamen. Diesem folgte ein von sechs Löwen gezogener grosser Wagen aus Stahl. Der Fuhrmann war das Schrecken; welches ein geharnschtes Ungeheuer mit einem Drachen-Kopfe und einem Schlangen-Schwantze vorbildete. Oben auf dem Wagen saß der Kriegs-Gott in einem vergüldeten Helme und Harnische. In der rechten Hand führte er eine Lantze / in der lincken einen güldenen Schild / in welchem Romulus und Remus an einer Wölfin saugten. Unter ihm stand die Raserey in Gestalt einer Unholdin. Ihr Leib war mit Tyger- und Leoparder-Häuten behangen. In der lincken Hand hatte sie einen silbernen Schild /darinnen der Blitz mit beygesetzten Worten: Mir mangelts nie an Waffen / gebildet war. Mit der rechten Hand reichte sie dem[508] Kriegs-Gotte von dem vorhandenen Hauffen Waffen eine Hand-voll Wurff-Spieße und Pfeile zu. Auf der einen Seite des Wagens giengen die drey Unholden; auf der andern drey Cyclopen mit Keulen. Nach diesem kamen auf Maul-Thieren dreyßig in grünen Damast und Gold gekleidete Jungfrauen geritten / welche auf Lauten / Zittern /Flöten / und andern lieblichen Säitenspielen sich erlustigten. Ihnen folgte ein grosser von zwölff Hindinnen gezogener Wagen in Gestalt eines Lust-Gartens. Unten saß auf einer Seite die in weiß Silberstück gekleidete und mit einem Lorbeer-Krantze gezierte Eintracht. In der rechten Hand trug sie einen mit Schlangen verflochtenen Herold-Stab / wie Mercur; in der lincken zwey zusammen geknüpffte Hertzen. Auf der lincken Achsel saß ihr eine Krähe / zu ihren Füssen stand ein Geschirre voll Honig / und eines voll Milch. Auf der andern Seite saß die in Purpur gekleidete /und mit Wein-Blättern gekräntzte Freudigkeit. In der rechten Hand hatte sie drey Zimbeln; in der lincken ein Gebund Weintrauben. Zu den Füssen stand ein gefüllter Oelkrug. Oben saß auf zwey zusammen geflochtenen Oelbäumen der Friede in einem langen Rocke von Goldstücke. Das Haupt war mit einer güldenen Schiffs-Krone gekräntzet; vielleicht des Augustus Siege bey Actium zu Liebe. In der rechten Hand hatte der Friede einen Mäßstab; in der lincken Hand ein Horn des Uberflusses. Auf der lincken Achsel saß eine weisse Taube. Den Wagen umbgab der Hirten-Gott mit zwölf Satyren / welche alle nur ersinnliche Feld- und Garten-Früchte trugen. Nach ihnen kam ein Hauffen junger gerüsteter Römer zu Fusse / und hernach ihrer nicht weniger zu Pferde. Sie führten ihre gewöhnliche Krieges-Zeichen. In ihren aufgestreifften Armen waren die eingebrennten Buchstaben M und R zu lesen; wormit die Römer ihre neuen Kriegs-Leute zeichneten. Ihnen folgten zwölf mit zwey- acht mit sechs -und sechs mit vier Pferden bespannte Renne-Wagen; Ein Hauffen mit Oel eingeschmierter Ringer /gepantzerte Fechter / zwölf geflügelte Wetteläuffer /welche die zwölf Nahmen der Winde auf der Stirne führten. Wie nun diese durch allerhand seltzame Streiche und Gebehrdungen ihre Begierde zum Ringen / Kampfe und Rennen andeuteten; also machten die nachfolgenden Jünglinge und Knaben durch ihre Waffen-Täntze / die mit Epheu umbwundenen Bacchen und Wald-Götter durch ihre seltzamen Sprünge aller Zuschauer Augen munter. Ihnen folgte eine grosse Menge Pfeiffer mit Krumhörnern / Trompeten und Cythern / wie auch Opffer-Diener / Priester mit Ochsen / derer Hörner und Klauen / wie auch mit Widdern / derer Stirnen vergoldet / die Wolle aber mit Schnecken-Blute gefärbt waren. Nach ihnen trugen immer vier und vier Römische Edelleute ertztene Bildungen; welche den Fußfall des Lepidus / des Antonius Ermordung / der Parthischen Gesandten Zurückbringung der dem Crassus abgenommenen Adler / der Indianer Verehrung und andere wichtigste Ehrenmale des Käysers August fürstellten. Hierauf wurden die Bilder der zwölf grossen Götter eingeführet. Jupiters güldenen Wagen zohen zwölf Adler / des Apollo vier schneeweisse Hengste / des Neptun zwey Wasser-Pferde / des Mercur vier Kranche / des Vulcan drey Moloßische Hunde / des Mars zwey Wölffe / der Juno vier Pfauen / der Vesta zwey Löwen / der Minerva neun Nachteulen / der Ceres zwey Stutten / der Diana vier Hirsche / der Venus zwey Schwanen / zwey Tauben / zwey Sperlinge. Hierauf erschien ein gantz güldener Wagen / welcher von schneeweissen mit silbernen Flügeln gefiederten Pferden gezogen ward. Die Räder waren purpurfärbicht / die Schinen Silber. In desselben Mitte stand eine über und über mit Egyptischer Bilder-Schrifft[509] bezeichnete Spitz-Seule; und oben darauf eine güldene Kugel / als das rechte Sinnen-Bild der Ehre. Den Fuß dieser Seule umbarmte mit der lincken Hand die Ehre; welscher Gold-gekrauste Haare an statt des Krantzes mit einem güldenen Ringe umbgeben waren. Auf ihrer rechten Seite stand das Bild des güldenen Glückes / auf der lincken das Geschrey; dessen Flügel von Golde / das Kleid von Silber / und in dis lauter Augen und Ohren gestückt waren. Sie hatte eine silberne Trompete in der rechten; in der lincken den gestirnten Steinbock in der Hand; darein mit eitel zusammen gesätzten Sternen der Nahme: Augustus / geschrieben war. Hinter ihnen saßen zehn Sibyllen / nemlich: die Delphische Daphne / die Erytreische Heriphile / die Cumäische Deiphobe / die Samische Heriphile / die Cumanische Amalthea / die Hellespontische / die Libysche / die Persische Sambetha Noe / die Phrygische und die Tuhurtinische. Nach diesem sahe man einen von aller hand Edelgesteinen schimmernden zweyrädrichten Wagen von sechs sehr grossen Elephanten ziehen; welche mit Perlenen Halsbändern / Rubinenen Bruststücken / Goldgestückten Rücken-Decken prangten; und derer Zähne / Schnautzen und Ohren vergüldet waren. Auf diesem heiligen Wagen saß einer / der dem Käyser August / wie er in seiner Jugend ausgesehen / ziemlich gleichte. Sein Kleid starrte von Diamanten. Sein Haupt trug einen mit Rubinen versätzten Lorber-Zweig. In der rechten Hand hatte er einen Palm- und Oel-Zweig / in der lincken eine Welt-Kugel. Uber ihm stand eine Sonne / unter ihm der Mohnde von Edelgesteinen. Nach ihm kamen zwölf Sieges-Wagen / mit der Beute der Völcker / welche solche Wagen begleiteten. Zuletzte kamen die Priester der zwölf grossen Götter / die Vestalischen Jungfrauen / eine Anzahl Römischer Obrigkeiten / und hundert betagte Römer wie Rathsherren gekleidet. Dieser Aufzug nam die andere Helffte der Rennebahn in Gestalt eines halben Mohnden ein; nach dem die vorigen sich in dem andern zusammen gezogen hatten. Der den August führende Wagen stellte sich mitten unter den Bildern der zwölf Götter der Göttin Rom / der Wagen der Ehre der Tugend / der des Geschreyes dem Glücke / und die zwey des Krieges und des Friedens recht gegen über; also daß die zwey weissen das Ziel andeutende Striche sie unterschieden. Rom und August gaben zugleich denen mit Ruthen von Oel-Zweigen aufziehenden Opffer-Knechten ein gewisses Zeichen /worauf sie zwölf Ochsen und hundert Widder abschlachteten / abwuschen / die Priester einweiheten /und auf denen dreyen Altaren / welche in dem mitlern Rückgrade der Rennebahn denen grossen vermögenden und mächtigen Göttern opfferten. Nach vollbrachter Opfferung fieng der auf seine Seule geflogene Sieg zu singen an:


Komm Eintracht! komm! vergrösser' unsre Lust!

Vermähle Tugend und Gelücke /

Vermähle Fried' und Krieg / Rom dem August.

Großmächtiges Verhängnüs schicke:

Daß ihre Eh gebähr' uns eine güldne Zeit /

Die Rom mit Ehre krönt / die Welt mit Sicherheit.


Bald hierauf stieg die Eintracht unter dem Klange der annehmlichsten Säitenspiele vom Wagen des Friedens / und verfügte sich zu dem des Krieges; versätzte mit ihrem Schlangen-Stabe der Raserey / und denen Unholden einen Streich / worvon sie sich in so viel holde Jungfrauen verwandelten. Denen Cyclopen gab sie ein Stücke Gold / daraus sie auf einem kleinen Amboß sechs zierliche Ringe schmiedeten. Hierauf trat die Eintracht in die Mitte / und sang:


Nun Grimm und Raserey /

Und Unhold ist vorbey /

So steht euch nichts nicht mehr / Verlobten / in dem Wege.

Weil es die Welt begehrt /

Der Himmel es gewehrt /

So nähert euch / und macht unendliche Verträge.[510]


Hierauf rückte unter dem Schalle der Trompeten anfangs Friede und Krieg zusammen / dieser Hände drückte die Eintracht zusammen / gab ihnen zwey Ringe / welche sie gegen einander verwechselten. Der Sieg sang hierzu:


Wo die Vernunfft des Sieges Ruder führt /

Sein Zweck auf Schirm und Friede zielet;

Wo Unschuld bleibt von Waffen unberührt /

Man nicht mit Treu und Eyden spielet;

Da lässet Fried' und Krieg gelücklich sich vermähln /

Und unter's höchste Gut ein herrlich Sieg sich zähln.


Hierauf rückte die Tugend und das Gelücke Rom und August zusammen; also daß sie alle vier einander mit den Händen erreichen konten. Diese alle verknüpffte die Eintracht zusammen / und vermählte sie mit vier Ringen / welche sie einander selbst übers Kreutze zureichten. Der Sieg sang hierzu:


Nun jauchze / Rom! und prange gantze Welt /

Mit Palmen-Zweig- und Sieges-Pferden!

Denn / wenn Gelück und Tugend Hochzeit hält /

Geneust's der grosse Kreiß der Erden.

Und Rom kriegt / wenn August schleust Janus Tempel zu.

Den Lorber-Krantz / die Welt den Oel-Zweig süsser Ruh.


Hiermit rückten die Vermählten ein wenig von sammen / und drehten mit ihren Wagen dreymal einen Ring. Die Ehre fuhr hierauf darzu / und sätzte der Tugend / dem Glücke / Rom / und dem August eine perlene Krone auf. Das Geschrey bließ in ihre Trompete /und die Sibyllen sangen darzu:


Meer / Himmel und die Erd' empfinden

Vereinbarter Gestirne Krafft.

Wenn sich nun Götter selbst verbinden /

Muß ihrer Tugend Eigenschafft

Ja wie der Perlen-Thau im Meyen /

Viel gutes auf den Erd-Kreiß streuen.


Wo Glück und Tugend sich vermählen /

Kan nichts als Ehr und Wolfahrt blühn.

Wen GOtt und Himmel auch erwehlen

Und an so hohen Gipffel ziehn /

Von dem muß als wie von der Sonnen /

Viel Seegen kommen hergeronnen.


Der Syrer / Pers- und Griechen Reiche

Sind gegen diesem / das August

In Rom wird stifften / Zwergen gleiche.

Der so viel Hertz in seiner Brust /

Als Julius sein Vater heget /

Mehr Sanfftmuth aber bey sich träget.


Er war ein Fürst im Bürger-Stande;

Itzt Bürger / nun er Herrscher ist.

Ein Schrecken seinem Vaterlande /

Eh er zum Haupte war erkiest.

Nun aber wünschen Rom und Erde:

Daß Fürst August unsterblich werde.


Der zu dem Kriege war gebohren /

Hat Krieg und Zwytracht todt gemacht.

Die Freyheit / die schon war verlohren /

Hat seine Herrschafft wiederbracht /

Die Welt hat sich mit ihm beweget /

Und sich mit ihm zur Ruh geleget.


Mit ihm ist Rom und Welt genesen /

Sein kurtzer Krieg schafft lange Ruh.

Der Himmel hat ihn auserlesen:

Daß er den Bürger-Krieg abthu;

Daß unter seinem Schirme müssen.

Sich Friede / Glück und Tugend küssen.


Er kehrt zu Rom nicht nur die Hütten

In Schlösser / Leim in Marmelstein.

Was wilder Art / in holde Sitten;

Durch ihn wird Rom ein Abgott seyn /

Den alle Völcker werden ehren /

Weil Welt und Zeit nicht auf- wird hören.


Zu diesem Liede hegten umb den Wagen des Krieges die drey verwandelten Jungfrauen mit denen drey Cyclopen / umb den Wagen des Friedens / der Hirten Gott mit den zwölf Satyren / die ihm folgenden zwölf Winde / die Ringer / Fechter und Bacchen auf allerhand Arten künstliche Täntze. Bey ihrem Schlusse wendete sich der Sieg gegen die Römischen Kriegs-Häupter / und die sie auf beyden Seiten mit ihren Wagen bedeckenden Länder; sang er also folgender Weise an:


Ihr / die ihr Rom zu Pfeilern war't erwehlt /

Laßt euch nicht Eyversucht vergällen.[511]

Wenn der / dem Glück und Tugend sich vermählt /

Als Haupt sich über euch wird stellen.

Es ist mit dem in Krieg zu ziehen wol kein Rath /

Der's Glücke zum Compaß / zum Ancker Tugend hat.


Daß Titans Gold Dianens Horn absticht /

Dient ihr zum Vortheil und zu Ehren

Denn jenes Glantz versilbert ihr blaß Licht.

So kan nicht euren Ruhm versehren:

Daß über euch August vom Himmel wird gesätzt /

Ihr selbst erhöhet euch / ie höher ihr ihn sätzt.


Ihr Länder denckt: die ihr der Römer Stadt

Für eure Frau Zeither verehret /

Daß den August / den GOtt zum Vater hat

Der Welt erkohrn / zu ehr'n gehöret.

Der Himmel zündet euch selbst neue Fackeln an:

Daß ihm der Erden-Kreiß was süssers opffern kan.


Der Sieg hatte so bald nicht geschlossen; als alle Länder nach der Reye sich dem heiligen Wagen des Augustus näherten / und ihre Kräntze; die darauf folgende Römischen Kriegs-Häupter aber ihre Schilde und Waffen dem Käyser zun Füssen legten. Die Säitenspiele wechselten hierauf mit denen Trompeten ab / und fieng alles / was zu Pferde saß / nach Erfindung der Sybariten einen Roß-Tantz an. Die aber zu Fusse waren / tantzten alle Arten der Täntze die in der Welt erfunden waren. Die Wagen hielten zur Verwunderung aller Zuschauer ein sehr künstliches Kreiß-Rennen. Ja das Ertzt und die todten Steine der Rennebahn wurden gleichsam rege und lebhafft. Auf der mitlern der Sonne gewiedmeten Spitz-Seule brennte oben der in einander gewundene Nahme der Stadt Rom und des Käysers August. Aus der Dreyzancks-Gabel des Neptun spritzte wolrüchendes Waßer. Die auf einem ertztenen Löwen reitende Mutter der Götter schütte aus ihrer Schale Weitzen; die Altare der grossen Götter loderten von Weyrauch. Die Priester aber weihten das Altar der Hauß-Götter dem Glücke / das der Murcia der Tugend / das des Schutz-Geistes dem August mit stets frischen Fla en ein. Der Opffer-Tisch der Stadt Rom spielete mit allerhand Lust-Feuern. Das auf einer hohen Seule stehende Bild der Stadt Rom sprützte rothen- das des Römischen Schutz-Geistes weissen Wein von sich. Der Oelstrauch trof von Balsam. Das Hauß der Sonne ward mit mehr als tausend Fackeln erleuchtet. Mit einem Worte: die Kunst hatte alle ihre Erfindungen / das Reichthum alle seine Schätze erschöpfft den Käyser August zu verehren /und die Zuschauer zu vergnügen. Die Deutschen selbst bezeugten hierüber ihr Gefallen / ungeachtet es denen Empfindlichsten weh that: daß unter denen Rom und den Käyser verehrenden Ländern auch Deutschland aufgeführt ward. Die aber / welche zur Zeit ein Auge zuzudrücken für Klugheit hielten / redeten es jenen vernünfftig aus; und hielten ihnẽ ein: daß sich Spiele selten ohne Gedichte fürstellen liessen; die Parthen und Indianer eben so sehr / als die Deutschen hierüber zu eyfern Ursach hätten; und wider Unrecht zur Unzeit und ohne fertige Rache zu murren Schwachheit wäre. Alle funden sich auch endlich darein; weil sie sonst von Römern aufs höflichste und kostbarste unterhalten wurden. Germanicus richtete noch selbigen Tag denen deutschen Fürsten auf einem noch vom Drusus mitten im Rhein gebauten Lust-Hause ein kostbares Mahl aus. Das Frauenzimmer ward bis an Strom von eitel schneeweissen Maulthieren auf helffenbeinernen Sänfften mit güldenen Himmeln getragen / und auf einem Schiffe / welches den die Europa tragenden Ochsen fürbildete; die Helden aber zu Pferde auf einer flügenden Kupffer-Brücke /welche auf einmal tausend Reiter tragen konte / auf das Eyland übergesätzt. Dieses Lusthauß war nicht nur mit dinnen Marmel-Blättern euserlich / wie Mamurra am ersten zu Rom eingeführt / besätzt; sondern durchaus dichte von Marmel erbauet. Es stund auf zwölff rothmarmelnen Seulen dreißig Fuß hoch. Der unterste Bodem war mit zwey-färbichtẽ Marmel-Platten[512] eckicht und so artlich versätzt: daß man sich anfangs scheute einen Fuß fortzusetzen / aus Furcht in die erhöhten Spitzen zu treten. Die obersten Vorgemächer waren mit kleinen vergüldeten Kiselsteinichen gepflastert / die Wände mit zusammen gefügten köstlichen Steinen eingelegt; welche allerhand Geschichte der Römer fürbildeten. Und so wol an Glätte als Widerscheine den Spiegeln gleichten. Alle Absätze an Mauren / Fenstern / glatten Seulen und Thür-Gerichte waren / wie Lucius Mumius das Capitol gezieret hatte / übergüldet. In der Mitte des Saales spritzte eine nackte Diana aus weissem Marmel aus allen Oefnungen das frischeste Brunn-Wasser in eine roth marmelne Schale / in welcher die Verwandelung des Actäon erhoben war. Das Dach dieses Lusthauses war ein mit eitel ausländischen Gewächsen besätzter Garten; und wurtzelten dieselben in grossen allerhand Thiere abbildenden Geschirren aus Samischer Erde / welche nach Art der Porcellanen überglättet war. Unter diesen waren die theuern und schattichten Lothos-Stauden; derer zehn Lucius Crassus zu Rom anderthalb hundert tausend Gülden werth schätze. Jedem Gaste war eine besondere Art der Aufwärter zugeordnet. Die schneeweisse Thußnelde bedienten zwölf Mohren-Knaben mit perlenen Hals- und helffenbeinernen Armbändern / Ismenen so viel Olivenfarbichte Knaben aus Egypten mit schmaragdenen Hals- und Armbändern. Erato ward von zwölf Caledonischen mit weissen glatten / Zirolane mit so viel Griechischen mit krausen Haaren bedienet. Jene trugen am Halse und umb den rechten Arm aus Agtsteine; diese an beyden Orten Corallene Bänder / und an den Zehen noch güldene Ringe. Der Fürstin Catta warteten zwölf Indianische / Adelmunden nicht weniger Arabische /Agrippinen so viel Bithynische und Sentien Troglodytische Knaben auf. Die ersten hatten Hals- und Armbänder von Rubinen / die andern von tichtem- die dritten von gesponnenem Golde; die letztern von einer Africanischen den Corallen ähnlichen und der Liebe vorträglichen Frucht. Uberdis trugen sie alle an den durchbohrten rechten Ohrläplein aus Perlen / Edelgesteinen und Golde Ohrgehencke / und auf der Brust ein gülden Siegel zum Merckmale ihres Adels; Welche theils wie Liebes-Götter / theils wie Gärtner / wie Jäger / wie Botsleute ausgeputzt / und durch ihre Gestalt / Farben und Tracht unterschieden; die zusammen gelesenen aber einander sehr ähnlich waren. Hertzog Ingviomer ward von zwölf Parthern / Flavius von Numidiern / Catumer von Thraciern / Zeno von Armeniern / Marcomir von Hispaniern / Sesitach von Arabern / Sebald von Mohren / Reinold von Syriern /Arnold von Britanniern / Tiberius alleine von Römern / Germanicus von Galliern bedienet; also daß man hier schier eine Versammlung aller Völcker antraf. Diese unterscheidete nicht nur ihre Landes-Art in ihren Kleidern / und derselben Farben; sondern sie hatten auch eben so wol zum Zeichen: daß sie alle wider ihre Feinde gesiegt und solche Preiße verdient hatten / ihre Armbänder aus Golde / Silber oder Stahl; welche theils wie Schlangen / theils mit Helden-Gesichtern / theils mit wilder Thieren gebildet waren. Die Taffel war Ey-rund von Zitron-Holtze wie ein Pfauen-Schwantz gleichsam mit Augen beworffen /und mit einem silbern vergüldeten auch mit Edelgesteinen eingelegten Rande eingefaßt. Die helffenbeinernen Füsse bildeten vier Panther-Thiere ab. Die Bette ander Taffel waren von Silber mit zierlichem Blum- und Bilder-Werck erhoben; ihre Füsse und Zierathen von Onix / die Küssen von Purpur. Der Schenck-Tisch war von Delphischem Marmel / und ward von einem ausgehauenen Löwen getragen / auch die allerkostbarsten Asiatischen Trinckgeschirre darauf[513] Staffel-weise aufgethürmet. Der erste Aufsatz mit sampt denen darauf stehenden Schüsseln und Geschirren waren aus eitel Berg-Krystallen. Zwischen vierzehn kleinern Schüsseln standen zwey grosse / in derer einer zweytausend Fische hunderterley Art / in der andern fünftausend Vögel hunderterley Geschlechtes aufgesätzt waren. In der Mitte stand eine grosse Crystallene Wanne / mit weissem Weine gefüllt. Und darbey zwey solche Wagschalen mit güldenen Gewichten. So bald Germanicus einen Winck gab / brachte man Thußnelden / Ismenen / der Königin Erato / Zirolanen / Catten / Adelmunden und Agrippinen Meer-Barben. Nach dem nun diese gewogen / und die erste sechs / die andere sechstehalb / drey fünf /und die letzte vierdtehalb Pfund schwer zu seyn befunden ward / bat Germanicus selbst: sie möchten diesen edlen Fischen die Ehre gönnen von ihren schönen Händen zu sterben. Jede gab dem ihrigen einen Stich; worauf sie nach weniger Ausblutung in die Wanne geworffen wurden / umb eher mit dieser sterbenden Fische wunder-würdiger Farben-Veränderung die Augen / als den Geschmack zu weiden. Anfangs rötheten sich die Schopffen / Fluß-Federn / und Bärte wie Zinober; hernach erblaßten sie nach und nach; also daß jedermann bekennen muste: es wäre nichts schöners / als eine sterbende Meer-Barbe; und daß dannenher die Verschwendung des Octavius / welcher für eine fünf tausend Gestertier bezahlt hätte / etlicher maßen zu entschuldigen wäre. Nach dem sie in dem Weine nun gantz erblaßt waren / trug man sie ab umb in der Küche / darinnen alle Geschirre silbern waren /sie zu sieden; welche hernach mit Säitenspielen von bekräntzten Köchen auf die Taffel getragen wurden. Die andere Tracht bestand aus eitel güldenen Schüsseln und Geschirren; welche von Phasan- und Pfauen-Gehirne und Eyern / Phönicopter-Zungen / Feigen-Fressern / Murenen-Milch / Scarus-Lebern / und allen nur in der Welt befindlichen Kostbarkeiten angefüllt waren. In der Haupt-Schüssel aber warẽ Gerstlinge und Brachvögel aufgesetzt; welche in Gallien und Deutschland gefangen werden / und Germanicus allem andern kostbarem Geflügel der Welt weit fürsätzte. Die dritte Tracht war von Porcellanen Geschirren / und enthielt in sich eitel Ausländische Gewächse. Die Weine zu diesem Mahl hatten wol hundert Länder gezinset; also daß dieses weder an Kostbarkeit noch herrlicher Anstalt dem grossen Gastmahle des Tiberius nichts nachgab; außer daß auf diesem so starck nicht getruncken / sondern mehr von allerhand Wunderwercken der Natur und Sitten der Völcker geredet ward. Hiermit verzohe sichs bey nahe an Mitternacht; da deñ alle auf köstlich-bereiteten Schiffen zwischen mehr als hundert-tausend Fackeln den Rhein herab / nach Meyntz geführet wurden. Nichts desto weniger machten die Deutschen sich folgenden Morgen zeitlich auf / um ihren den Tag vorher grösten theils bereiteten Aufbruch zu bewerkstelligen. Denn /weil folgenden Tag das Jahr-Gedächtnüs des Drusus einfiel / da die Gallier bey seinem Grabmale opffern musten / und die Römer ihm zu Ehren allerhand Reñen hielten; eilten die Deutschen so viel mehr fort /umb diesen ihnen ärgerlichen Greuel nicht mit anzuschauẽ. Beym Abschiede beschenckte Tiberius alle deutsche Fürsten / Agrippine alles deutsche Frauenzimmer. Insonderheit liebkosete Tiberius dem Flavius umb ihn verträulich und also mit der Zeit zu einem Werckzeuge des Römischen Joches zu machen; weil er ihn hierzu sehr dienstlich / und das Vertrauẽ für die sichersten Feßel schäzte. Zu mehrer Beglaubigung brach er eine güldene Müntze entzwey; auf welcher einen Seite der Kopff des Käysers und Agrippinens; auf der andern ein Krocodil von der Stadt Nemausus in Gallien gepregt war; worvon er die Helffte dem Flavius als ein Pfand seiner Freundschafft übergab /das andere zu seiner Versicherung behielt.[514] Dem Hertzog Ingviomer gab er sein und des Käysers in einen grossen Onix geschnittenes Bild; Hertzog Catumern eine Agat-Schale / darein das Bild des grossen Alexanders erhöhet war; dem Fürsten Zeno ein mit Edelgesteinen versätztes Armband / welches die Haut einer Schlange umfaßte. Dem Feldherrn Herrmañ überschickte er so wol als dem Arpus eine halbzerbrochene Müntze / wie Flavius empfangen hatte; und jenem darbey einen fürtreflichen Sardonich von ungemeiner Größe. In dessen obern Theile war Jupiter auf einer / Augustus auf der andern Seite sitzende mit einem Wahrsager-Stabe eingegraben. Die Rom fürbildende Livia saß ihm zur lincken Hand. Beyder Füsse standen auf Schilden. Zwischen beyden stand in einem Glücks-Kreiße der Steinbock. Unter ihm war ein Adler zu sehen. Hinter dem August stand die den Neptun umbarmende Cybele / und sätzte dem August / als einem Sieger zu Lande und auf der See / einen Siegs-Krantz auf. Unter ihnen lehnete sich die sitzende / und einen güldenen Monden am Halse tragende Agrippina mit dem Arme auf den Stuhl. In der rechten Hand hatte sie ein Horn des Uberflusses / und auf jeder Seiten einen nackten Knaben. Für dem Käyser stand der zum Kriege gerüstete Germanicus / wie er aus dem Illyrischen Kriege sieghaft zurücke kam. Tiberius aber trat von einem Sieges-Wagen herab; dessen Pferde die Göttin des Sieges im Zaume hielt. Im untersten Theile dieses Edelgesteines richteten die Römer ein Siegs-Mahl über die Dalmater und Pannonier auf. Unter diesem saß König Pinnes mit hinter den Rücken gebundenen Händen. König Bato Dysidiates bat kniende umb Gnade. Dem Cattischen Hertzoge übersendete er ein köstliches Trinckgeschirre aus Topaß; und überdis jedem sieben Arabische Pferde. Agrippinens Geschencke bestunden am Fräulichem Schmutze / Perlen / Edelgesteinen / Spiegeln / und Asiatischen Seiden-Zeugen. Die Gesellschafft des deutschen Frauenzimmers hatte Agrippinen auch derogestalt vergnügt; daß sie Thußnelden versprach aufs Früh-Jahr in den Schwalbacchischen Sauerbrunn zu folgen / umb bey Pflegung ihrer Gesundheit zugleich durch annehmlichen Unterhalt ihr Gemüthe zu ermuntern.

Weil nun Tiberius durch Stillung der Cherusker Ehre genung erlangt zu haben vermeinte / und das verschobene Siegs-Gepränge über die Illyrier und Pannonier zu halten / auch dem grossen Gastmahle seines Sohnes Drusus / welcher daselbst Ober-Einnehmer des Reichs worden war / beyzuwohnen verlangte; überdis auch die Wahrsager unaufhörlich den Tod des Käysers verkündigten / so gar: daß August /welcher doch vorher den Stand seiner Geburts-Sterne selbst herausgegeben hatte / nunmehro alle Wahrsagungen von ihm bey Leibes-Straffe verbieten muste; brach Tiberius bald nach der Deutschen Abschiede nach Rom auf; umb / da GOtt etwas über den Käyser verhienge / von dem Haupte des Reiches nicht entfernet zu seyn. Uberdis schickte sichs auch nicht länger in Gesellschafft seines angenommenen Sohnes Germanicus zu bleiben; weil er zu Rom mit dem Fontejus Capito zum Bürgermeister erwehlet ward; ungeachtet er noch nie die Stadt-Vogtey verwaltet hatte. Denn nach dem sich August weit über die Gesätze geschwungen hatte; waren seine Anverwandten nicht mehr an alte Ordnungen und an die gemeinen Staffeln der Würden gebunden. Denn wenn Fürsten über ihr Geblüte was entschlüßen wollen / brauchen sie selten andere Rathgeber / als die Natur; und bey diesen ist das sich übereilende Glücke nicht in Gefahr / wie bey Bürgern. Tiberius ward etliche Tage-Reisen weit von Rom schon von grossen Mengen der Bürger mit grossem Frolocken nicht viel anders / als wenn er schon Käyser wäre / bewillko t / und in dem Tempel Bellonens für der Stadt / darein kein siegender für gehaltenem[515] Siegs-Gepränge kommen dorffte / begleitet; ja er als die Glückseeligkeit der Stadt Rom / wie Aristides Griechenlandes / vom Volcke ausgeruffen. Denn das Ansehn bejährter Fürsten veraltert eben so wol als Bäume; und man giebt auf die wolthätige Sonne niemals so genau acht / als auf neu-aufgehende Sternen /ungeachtet es schädliche Schwantz-Gestirne sind. Tiberius fand den Römischen Rath im Tempel Bellonens schon vor sich; welcher nicht einst / dem alten Brauche nach / keine Verrichtungen: ob sie das Siegs-Gepränge verdienten / untersuchten; sondern ihn selbst baten: er möchte nicht nur über die bezwungenen Illyrier und Pannonier; sondern auch über die gezähmten Deutschen drey Tage nach einander Sieges-Gepränge halten. Denn ob zwar August Bedencken hatte das letztere dem Tiberius zu enthengen; weil die Römer mehr eingebüßt als gewonnen hatten / und der Käyser aus einer den Alien anklebender Furcht die Deutschen dardurch aufs neue zu erregen besorgte; so hatte sich doch Livia des Käysers fürlängst so bemeistert: daß er seinem Stief-Sohne nichts mehr abzuschlagen getraute. Worbey sie sich dieses scheinbaren Vorwands bediente: daß ohne Zulassung eines Siegs-Gepränges über die Deutschen das Römische Volck ihm eine neue Niederlage einbilden / und die so fast eingewurtzelte Furcht für den Deutschen nimmermehr ausgerottet werden würde. Also hielt Tiberius drey Siegs-Gepränge hinter einander mit solcher Pracht als fast kein Römischer Feldherr jemals vorher. Unter andern auf helffenbeinerne Taffeln geschriebenen Lobsprüchen ward dem Tiberius sonderlich nachgerühmt: daß er in Deutschland offt auf bloßem Rasen gespeist; offt unter freyem Himmel ohne Zelt übernachtet; alle Kriegs-Verrichtungen folgenden Tages schrifftlich von sich gegeben und befohlen hätte: Alle an etwas zweifelnde Befehlhaber solten ihm selbst / nicht durch eines andern Mund ihren Ru er entdecken; und seiner auch nicht bey der Nacht-Ruh schonen. Er hätte die alte Krieges-Zucht wieder auf die Beine gebracht /und einen Kriegs-Obersten / der wenig Soldaten auf die Jagt über den Rhein geschickt / seiner Ehren entsätzt. Er hätte sein Leben etliche mal in höchste Gefahr gegeben / und den mit des Varus Blute den Römern angehenckten Schandfleck redlich abgewischt. Tiberius / welcher nunmehr in Hofnung die Herrschafft des Römischen Reiches schon verschlungen hatte / unterließ nichts das Volck an sich zu ziehen /und seine angebohrne Gramhaftigkeit durch angestellte Schau-Spiele zu verhüllen. Augustus machte mit seinen nach der Niederlage des Varus dem Jupiter gelobten grossen Spielen den Anfang / und suchte damit zu bezeugen: daß Jupiter seinem Wunsche nach das Römische Reich in einen beßern Stand versätzt hätte. Auf diesen brachte Tiberius bey Wahrnehmung: daß der Adel in Schauplätzen zu fechten gelüstete / beym Käyser zu wege: daß er denen Ritters-Leuten / welchen es bey Verlust ihrer Ehre verboten war / solches erlaubte / umb destwegen an statt voriger Schande nun mit dem Tode gestrafft zu werden. Nach dem auch die Laster / wenn sie wo schon anfangen Sitten zu werden; bald die Verwegenheit bekommen sich auf den Stuhl der Tugend zu setzen; so gieng es auch mit dieser Begierde zu fechten; und schämten sich die Edlen nur nicht von dem Stadt-Vogte in offentlichem Schauplatze Geschencke hierfür anzunehmen; sondern auch nicht August denen Austheilungen der Preiße persönlich beyzuwohnen. Ja zum Kennzeichen der verterbten Stadt mangelte es nicht an Leuten / welche diese und andere im Schwange gehende Laster öffentlich lobten; und aus ihrer Schande Wolfahrt schöpften; welches die zwey eusersten Ende der Boßheit sind. Man nennte den Tiberius den neuen Hercules; welcher dem Käyser / wie der alte dem Jupiter zu[516] Ehren in Creta mit seinen Brüdern Peoneus Epimedes / Jasius und Idas gleiche Spiele zum ersten gehegt /und solche hernach unter dem Berge Olympus alle fünf Jahr von gantz Griechenland zu feyern eingesetzt hätte. Die damals gewesene güldene Zeit käme mit diesem Hercules wieder; und man tichtete noch darzu: daß sich umb selbige Zeit in Arabien / wie nachgehends kurtz für des Tiberius Tod in Egyptẽ ein Phönix habe sehen lassen. Drusus kriegte den Nahmen Iphitus / welcher die eine Zeitlang gelegenen Spiele der Griechen wieder in Ruff und Ubung gebracht hatte. Ohne diese Ubungen würde die Tapferkeit des Römischen Adels verrostern / die Jugend wie stehendes Wasser faul und stinckend werden; nachdem sie mit der gebändigten Welt nicht mehr so viel zu schaffen hätten. Das niemals stille stehende Meer wäre das rechte Vorbild edler Gemüther; welche stets etwas zu thun / und wo nicht mit andern / doch mit sich selbst zu kämpfen haben wolten. Gleichwohl aber wächset die Boßheit der Tugend niemals so sehr zu Kopfe: daß sie mit Strumpf und Stiel ausgerottet würde. Unter einer solchen Welt-voll Menschen / wie Rom hausete / blieben gleichwohl ihrer viel / welche im Hertzen diese Bländungen der Hertzhafftigkeit mit andern Lastern verfluchten. Und wie das euserste eines Lasters offtmals einer Tugend nahe kö t / also vergehet sich zuweilen eine tugendhafte Empfindung auf einen Abweg der Laster. Dieses ereignete sich zu Rom damit: daß / weil es nicht halff die Boßheit mit gutem Beyspiele zu schelten / sie ihren Worten und Buchstaben eine Krafft der Verbesserung zutrauten /und durch allerhand Stachel-Schrifften / welche sie des Nachts an das Haus des Käysers / des Tiberius anheffteten / und insonderheit bey dem Grabe des Cato mehrmals mit vielen Lichtern Nacht-Opfer hielten / und die Götter anrufften: Sie möchten aus der Asche des Cato einen neuẽ Sittenrichter entsprüssen lassen. Insonderheit aber suchten sie es Livien und dem Tiberius offtmals so nahe: daß ihnen solche Anstechungen / weil sie meistentheils wahr waren / nicht nur im Hertzen weh thaten; sondern sie auch ihre Ungeduld beym Käyser empfindlich ausliessen. Der kluge August aber lächelte nur anfangs darüber / und sagte Livien: Es stünde zwar in unser Gewalt tugendhafft zu seyn; aber nicht / daß uns iedermann darvor ansähe. Dem Tiberius aber: Es wäre keine nachdrücklichere Rache wider die Verläumbdung / als wenn man sie durch rühmliche Wercke zu Lügnerin machte. Und als sie noch heftiger darwider redeten / sagte er beyden: Das Papier wäre weich und vertrüge alles. Solche Schmäh-Karten würden ehe vertilget durch Veracht- als Bestraffung. Wenn man sie abriesse /wären auch die Vernünftigen vorwitzig nach ihrem Innhalte zu fragen. Wenn man sie aber stehen liesse; schämten sich auch die / welche unter dem Pöfel was seyn wolten / solche als Lästerungen zu lesen. Wer wider den Schaum des lästernden Pöfels sich seiner höchsten Gewalt gebrauchte / thäte nicht besser / als der / welcher mit güldenen Pfeilen nach Fliegen schüsse; oder bey der Erndte sich das Geschrey der Heuschrecken von nöthiger Arbeit abhalten liesse. Insonderheit müsten Fürsten sich dieser Empfindligkeit entäusern; und die aus Leichtsinnigkeit herrührende Schmähungen verachten; die aus boßhafftem Vorsatze verzeihen; mit denen aus Wahnwitz herflüssenden aber Mitleiden haben. Denn nach des grossen Alexanders Urtheil / wäre Königen nichts gemeiners / als daß von ihrem besten Thun am übelsten geredet würde. Welcher Held nur drüber gelacht; und er hätte unterschiedene mal selbst sie belohnet / wenn sie etwas sinnreiches in sich gehabt. Alleine Livie / welcher das Ansehen des Tiberius mehr / als ihr eigenes an die Seele gebunden war / lag dem Käyser Tag und Nacht in Ohren / und hielt ihm ein: Wer recht thäte /hätte zwar übele Nachrede zu verlachen. Aber diese Geduld stünde nur gemeinen Leuten / nicht Herrschern wohl an; und[517] müsten aufrührische Schmach-Schrifften von wörtlichen Schmähungen gewisser Leute unterschieden werden. Der Stachel-Schrifften Geringstes Absehen wäre den Gescholtenen zu schimpfen; das eigentliche durch Ausholung des Urthels derselben Gemüther zu erforschen / welche mit der Herrschafft übel zufrieden wären; umb ihnen zu vorhabendem Aufruhre einen Anhang zu machen. Sie kleibten diese gifftige Papiere nicht an ihre Galle auszulassen / sondern sie in andere Gemüther zu sämen. Sie gebrauchten sie zu rechten Wetter-Hähnen / welche ihnen Nachricht gäben: Woher / und wohin die Liebe und der Haß des Volckes wehete? um bey ersehener Gelegenheit das gantze gemeine Wesen zu verwirren. Durch diese tägliche Beschwerführungen ward August endlich erweicht: daß er wider die Fertiger solcher Stachel-Schrifften ein scharffes Verboth eröffnete / solche von denen Bauherren aufs fleissigste zusammen suchen / und ausserhalb der Stadt verbrennen / etliche Uhrheber auch ernstlich straffen ließ.

Unterdessen meynte der Bürgermeister Germanicus seine neue Würde mit einem herrlichen Siege so viel mehr ansehlich zu machen. Besetzte daher Meyntz und andere oben am Rhein und an der Mosel habende Orte mit der andern / dreyzehnden und sechzehndten dem Cajus Silius untergebenen Legion aufs beste; schickte den Asprenas mit der 21.sten Legion und 12000. Hülffs-Völckern gegẽ dẽ Hertzog Melo voran; umb alle seinem Nachzuge etwan im Wege stehende Hindernüsse auf die Seite zu schaffen. Er folgte mit der ersten / fünften und zwantzigsten Legionen / und noch zweymal so vielen Hülffs-Völckern nach. Denn mit der gantzẽ Römischen Macht gegen einen oder zwey deutsche Fürsten aufzuziehen / hielt er ihm und dem Römischen Volcke zu verkleinerlich; und das Mißtrauen gegen die Noricher / Pannonier und Illyrier nöthigte ihn auch ein Theil des Römischen Heeres oben am Rheine stehen zu lassen. Ein Theil des Cherusk- und Cattischen Heeres zohe auf der Ost-Seite des Rheines gleichfalls biß an die Sicambrische Gräntze hinunter / den Römern auf allen Fall die Uberfahrt über den Rhein / und andere besorgliche Widerkommungen des Friedens zu verwehren. Alleine Hertzog Melo / und sein Sohn Francke hatten inzwischen durch Verhauung der Wälder / Besetz- und Verschantzung der Ströme / Hinwegnehmung der Pramen und Schiffe sich mit Hülffe der Chauzen und Friesen / welche noch bey denen Sicambern und Juhonen feste hielten / in so gute Bereitschafft gesetzt: daß Asprenas sich nicht einst einen verhauenen Wald zu öffnen wagte; sondern den Germanicus erwartete. Aber beyde fanden an der Mosel grössern Widerstand / als sie ihnen eingebildet. Denn Hertzog Franck hatte alles sein Fuß-Volck zu Pferde gesetzt; also daß es nach Bequämligkeit des Ortes zu Fusse und zu Rosse fechten konte. Wormit sie beim alle Anstalten der Römer an unterschiedenen Orten überzuko en zernichteten; ja selbst durch ihre geschwinden Ein- und Uberfälle die Römer ermüdeten; denen Galliern aber grossen Abbruch thaten. Hierüber verspielte Germanicus wohl zehn Tage / und wie sauer es ihn ankam /muste er zwey Tage-Reisen weit gegen Trier an der Mosel hinauf rücken / umb daselbst überzusetzen; wiewohl es nicht ohne scharffes Gefechte abgieng /weil der jüngste Sohn des Sicambrischen Hertzogs /Dietrich / mit vier tausend auserlesenen Reitern noch dahin kam; als die Römer kaum drey tausend Hülffs- und ein tausend eigene Völcker über den vom Regen sehr angelauffenen Strom gebracht hatten. Daher das meiste Theil der Hülffs-Völcker entweder in Stücken gehauen / oder in die Mosel zurück getrieben ward. Endlich aber / als diese Handvoll Volck der gantzen Römischen Macht Ubersetzung nicht länger verwehren konte; wendete sich der Hertzog Dietrich gegen die[518] verhauenen Wälder / bey welchen Germanicus abermals einen sauren Apfel aufzubeissen bekam. Es fiel aber eine so grimmige Kälte ein: daß die Römer gegen deren des Frostes gewohnten Deutschen nicht mehr im Felde stehen konten; also sie ihnen in diesen Wildnüssen so viel weniger was abzujagen getrauten. Germanicus muste sich also an dem behaupteten Strome der Mosel / von welchem sich nun auch Hertzog Franck und seines Vatern Bruder Berthorit zurück zohen / vergnügen lassen. An diesem bautẽ die Römer eine grosse Anzahl von Holtz geschrotener / und nur euserlich / theils mit Erde / theils mit Häuten gegen das Feuer verwahrte Schantzẽ / um nur den Einfall der Sicambrer gegen die Orte / worinnẽ das verlegte Römische Heer überwintern solte / zu verwehren. Nachdem nun Germanicus dißfalls alle gute Anstalt gemacht hatte / sich auch auf die Vorsicht des Cajus Cäcina / dem er das Heer untergab / zu verlassen wuste; eilte er als Bürgermeister selbst nach Rom. Denn weil er in viel Wege wider die alte Gewohnheit diese Würde bekommen hatte / indem er noch nicht über zwey und viertzig Jahr alt / auch nicht Stadt-Vogt gewest / und noch dazu abwesend erwehlet worden war; hielt er es für eine Nothwendigkeit durch seine Gegenwart seine Fähigkeit zu diesem höchsten Ampte in Rom zu bewehren; welches im Richten /Einrathen / Vorgehen / Gesetz-geben / Krieg führen das höchste Hefft führte / und noch gewisser massen der Gewalt der Fürsten / auch nach schon veränderter Herrschens-Art überlegen war. Germanicus traff zu seiner Verwunderung Rom in weniger Zeit so verändert an: daß ers fast nicht mehr kennte. Also übereilet die Zeit zwar die Vernunfft; aber die hinreissenden bösen Sitten die Zeit; ob sie zwar flüchtigere Flügel /als die Gestirne hat. Das meiste und wichtigste Fürnehmen zu Rom war Wolleben; und die Wollust /wormit die Römer vorher andern Völckern mehr als mit ihren Waffen Schaden gethan hatten / hatte nicht nur bey dem lüsternen Pöfel / sondern auch beym Adel das Ansehn eines aufgeweckten Gemüthes bekommen. Beyde Meere rauschten von unzählbaren Schiffen / welche nichts als aus fremden Landen Würtzen der Uppigkeit / und theuren Vorrath zu verschwenderischen Gastmahlen zuführten. Die Reichsten der Stadt meynten hochgesehen zu seyn / wenn sie ihrer Vor-Eltern gesa leten Güter mit neuen Uppigkeiten durchbrächten. Fürnemlich war eine unersättliche Begierde der Schauspiele eingerissen; da für diesem solche nur an gewissen Tagen und nur von höchsten Obrigkeiten gehalten wurden / unterstanden sich nunmehr einzele Edelleute / ja Gauckler ausser der Zeit dem Römische Volcke selbte fürzustellẽ. Also ward Germanicus durch den Strom der Wollüste gleichsam gerissen sich auch darinnen sehen zu lassen. Denn / wenn ein Fürst was weniger / als andere thut / ist er dem Volcke verächtlich; wenn er sich andern gleich hält / verwundert es sich über ihn; wenn er es aber mit was besonderm andern zuvor thut / bethet es ihn an. Weil nun Germanicus die Zuneigung des Römischen Volckes wider den neidischen Tiberius /welcher seine fürtreffliche Thaten und Siege stets vernichtete und gar schädlich schalt / zu seiner Schutz-Wehre hoch von nöthen hatte; richtete er selbtem unterschiedliche Mahle / und theilte ihm etliche mal Weitzen aus. Insonderheit aber wolte er / ehe er des Sicambrischen Krieges halber wieder in Deutschland reisen müste / sich mit etwas ungemeinem sehen lassen; also machte er Anstalt den neuen Marckt des August mit grossen dem Krieges-Gotte gewiedmeten Spielen einzuweihen. Darinnen er sich fünf Tage hintereinander mit Rennen so wacker sehen ließ / daß das Volck ihm ohne Heucheley zuruffen konte; er hätte es allen andern zuvor gethan. Endlich beschloß er die Spiele am Mittage desselben Tages / da der von Livien dem Cajus und[519] Lucius zu Ehren gebaute Gang eingesegnet ward / mit einer Jagt in der grossen Renne-Bahn; darinnen er fast alle Thiere der Welt hetzen / und alleine zwey hundert Löwen tödten ließ; gegen welche auch Edle zu streiten sich nicht schämten; da vorher die / welche durch grosse Laster den Hals verwürgt hatten / zu solchem Kampfe verda t wurden.

Unterdessen brach der Cheruskische und Cattische Hof nach Mattium der Catten Haupt-Stadt auf; theils denen Römern durch ihre Verharrung am Rheine keinen Argwohn zu verursachen / theils auch daselbst das Beylager des Fürsten Catumers mit Ismenen zu vollziehen. Weil die Römer auch wegen frühen Winters ihr Heer in Gallien zu überwintern vertheilten /fand sich daselbst auch Hertzog Ganasch / und mit des Feldherrn Erlaubnüß Adgandester ein. An statt voriger Kriegs-Händel spielte die Liebe nunmehr bey den Cheruskern und Catten den Meister; und schien es: als wenn die der Liebe gewiedmeten Tauben in alle Helme der in dem Kriege so wohl verdienten Helden Nester gemacht hätten. Jedoch behielt die Liebe eine grosse Eigenschafft von dem Kriege / nemlich die Unruh / welche gleichsam das oberste zu unterste drehte; gleich als wenn Deutschland so wenig als das Meer ohne Bewegung bestehen könte. Weil die Zunge ein Blat des Hertzens ist / welches diß / was in der Wurtzel steckt / leicht mercken läßt; ja Wände und Teppichte gleichsam Zungen haben Fürsten Geheimnüsse zu entdecken / ist unschwer zu ermässen: daß diß nicht konte dem Feldherrn verschwiegen bleiben /was zwischen dem Flavius und der Erato / zwischen dem Zeno und Ismenen zu Meyntz fürgegangen war; als wo die Noth alle Vermummungen der Liebe von den Antlitzern gerissen / und sie sich alle so bloß gegeben hatten. Ja Ismenens einiger Unmuth verrieth unterwegens: daß sie gleichsam mit den Haaren nach Mattium gezogen würde. Beyde neue Verbindungen /so wohl des Flavius als Ismenens / erregten ihm keinen geringen Kummer / und verrückten ihm viel heilsame Absehen für die gemeine Wohlfarth Deutschlandes; weil er nicht weniger den Flavius der Chaucischen Fürstin Adelmunden / als Ismenen Catumern besti t hatte. Er verstand zwar / was die obersten Herrscher zu Heyrathen ihrer Fürsten und Anverwandten zu sagen hätten; aber auch die dißfalls für andern Völckern den Deutschen zukommende Freyheit / und die Hartnäckigkeit der Liebe / welche /wenn sie sich einmal auf die Hinter-Füsse gesetzt hat / weder mit Gewalt sich über einen Hauffen werffen /noch die Vernunfft mit der Hand leiten läßt; sondern die einige Zeit eine kleine Bothmässigkeit über sie habe. Alleine Ismenens und Catumers Heyrath ins weite Feld zu spielen / liesse sich in keinerley Weise thun. Denn weil zu sagen hohe Häupter auf Erden keinen andern Richter-Stul / als der eigenen Scham-Röthe hätten; blieben die Verlobungen zwischen Fürsten nur so lange verbindlich / als sich keine anständigere Heyrath der Herrschens-Klugheit ereignete; und besorgte der Feldherr: daß nicht Hertzog Arpus diesen Verzug für eine Verachtung aufnehmen / und mit seinem Sohn Catumer ein Auge auf König Marbods Tochter werffen dörffte; welch Bindnüß mit der Zeit den völligen Untergang des Cheruskischen Hauses nach sich ziehen könte. Nachdem er sich lange mit seinen Gedancken geschlagen hatte; seine Klugheit aber keine aus diesem Irrgarten ihn leitende Handhabe finden konte; entschloß er sich dieses wichtige Werck alleine mit seiner Gemahlin Thußnelde / Hertzog Ingviomern und Adgandestern zu berathen; unwissende: daß der letzte selbst ein Auge auf Ismenen hätte. Thußnelde sagte aufrichtig: Es schiene: daß das Vehängnüß bey der Liebe Ismenens und des Zeno die Hand mit im Spiel hätte; weil die Königin Erato ihr so[520] festes Band wider aller Menschen Vermuthen zerrissen / und dem Zeno Ismenen zu lieben freygelassen hätte. Das bewegliche Einreden des Feldherrn hätte bey Ismenen nichts verfangen; sondern sie eine unüberwindliche Abscheu für dem Fürsten Catumer bezeuget; als sie auf den Zeno entweder noch kein Absehn gehabt / oder zum wenigsten sie sich auf ihn /wie ietzt / keine Hoffnung machen können. Weil man nun wider das Verhängnüß mit keinem Rathe aufkäme / würde das rathsamste seyn die angezielte Heyrath von sich selbst wieder zerrinnẽ lassen. Eben dieser Meynung pflichtete der schlaue Adgandester bey /welcher bey Berathschlagung über frembdem Glücke sein eigenes allemal zu seinem Augen-Ziel hatte. Ingviomer aber / welcher diese Heyrath für ein festes Band des Cheruskischen und Cattischen Hauses hielt / und bey ihrer Zergehung besorgte: Catumer würde sich nach König Marbods Tochter umbschauen / rieth nur stracks das Widerspiel. Die Jugend hätte zwar zu grosse Zärtligkeit und wenig Vernunft in der Liebe; also daß sie nicht übers Hertze zu bringen getrauten was schöners oder bessers zu verehren / als das Bild /welches ihre Einbildung zum ersten in ihre Seele gedrückt hätte. Aber der Vernunft wäre kein Ding un möglich; und das älteste Gesetze der Cherusker wäre: daß iedermann fürs gemeine Beste sein Leben / wie vielmehr seine Liebe aufopfern müste. Wolten bey Ismenen keine Gründe der Vernunfft und der Ehre verfangen; daß sie mehr Ursache hätte einen zur Herrschafft gebornen Fürsten der welt-berühmten Catten /als einen seinen eigenen Uhrsprung nicht wissenden Frembdling zu heyrathen; müste man durch die Geistligkeit sie gewinnen; welche durch ihren Gewissens-Zwang die härtesten Gemüther zu entsteinern wüsten. Der Feldherr fiel Ingviomern bey / und hielt für nöthig keinen Augen-Blick zu versäumen; weil dem Hertzog Arpus Ismenens Liebe unmöglich lange verborgen bleiben könte. Adgandester / als er sich überstimmet sahe / fieng an: Wo Ismene gewonnen werden solte / würde für allen Dingẽ Zeno von ihr zu entfernen seyn. Denn was man täglich im Auge hätte /liesse sich schwerlich aus dem Hertzen verbannen. Der Feldherr und Ingviomer hielten diesen Vorschlag nicht für undienlich; dessen Ausübung aber fiel ihnen nicht nur bedencklich; weil es eine Unart wilder Völcker wäre / einen Frembden nicht aufnehmen / noch viel grausamer aber einẽ angeno enen verstossen; sondern auch in einem frembden Gebiete schwer / und ohne Vorbewust des Cattischen Hertzogs unverantwortlich. Was solte man aber bey diesem gegen einem so klugen Fürsten für einen Vorwand gebrauchen? Würde es Arpus nicht für einen Eingrieff in sein Schirm-Recht annehmen? Würde Zeno sich nicht auf seine Unschuld beruffen; und die Ursache seiner schimpflichen Verjagung wissen wollen? Adgandester antwortete: Man solte diesen Kummer ihm lassen; ob zwar ins gemein ihrer viel begierig zum Rathgeben /aber furchtsam zur Verrichtung wären / erheischte doch seine Treue die Gefahr aller seiner Rathschläge über sie zu nehmen. Zeno hätte durch Mißbrauch der genossenen Wohlthaten sich der Gast-Freyheit verlustig gemacht; da er sich erkühnet mit des Hauptes in Deutschland Schwester heimliche Buhlschafft zu pflegen. Da er doch wohl wüste: daß bey den Deutschen und den meisten wohl-gesitteten Völckern die Verlöbnüsse ohne der Eltern Einwilligung ungiltig; sonderlich aber die Töchter nicht fähig wären ihrem Gutdüncken nach einen Mann zum Nachtheile des gemeinen Geschlechtes zu erkiesen. Ein Fürst aber wäre aller Vater; ja seine Gewalt erstreckte sich weiter / als die väterliche. Hertzog Arpus könte es nicht übel aufnehmen: daß der Feldherr wider einen / der ihn beleidigt hätte / sich seines Rechtes so glimpflich gebrauchte. Für[521] wenig Jahren hätte Vocione in König Marbods Gebiete gar ein Blut-Gerichte über einen ihr nicht unterthänigen Ausländer ausgeübt: Die Fürstliche Hoheit klebte der Fürsten Person unzertrennlich an; also daß sie auch unter frembdem Gebiete sich nicht von ihm absondern liesse; es wäre denn: daß ein Fürst zum Gefangenen würde. Zu dem hätten die Feldherren in Deutschland eine durchgehende Bothmässigkeit in allen Ländern / wo sie hinkämen. Diese scheinbare Ursachen / und Adgandesters Ansehen /welches er gleichsam durch eine Regung der Gestirne beym Feldherrn überkommen hatte / bewegten ihn: daß er Adgandestern heimstellte den Zeno auf die beste Art aus Deutschland zu bringen; nach dessen Erfolg Adgandester so denn bey Ismenen halb gewonnenes Spiel zu haben vermeynte. Mitler Zeit beruffte Hertzog Herrmañ aus Veranlassung Adgandesters Luitbranden / den fürnehmsten derer am Hofe sich stets aufhaltenden Druyden zu sich; welcher zwar von Ursprung ein Carnut aus Galliẽ; aber durch Adgandesters Hülffe in höchstes Ansehn beym Feldherrn und am Cheruskischen Hofe kommen war. Diesem vertraute er die wichtigen und von ihm selbst vorher gebilligten Ursachen der zwischen seiner Schwester Ismene und dem Cattischen Fürsten geschlossenen Heyrath / und wie sie aus einer gegen einem Ausländer gefaßten thu en Liebe / welcher doch bereit seinen Wanckelmuth durch Verlassung der mit ihm versprochenen Erato verrathen hätte / sich so widerspenstig erzeigte: daß alle sein Einreden bey ihr nichts verfangen hätte; und er ohne der Geistlichen Einredung sie zu vernünftiger Entschlüssung zu bringen nicht getraute. Der Druys lobte des Feldherrn Vorsicht /danckte für das Zutrauen / und übernahm willig Ismenen einzureden; ob er schon vorher unter der Hand Ismenen zur Gewogenheit gegen Adgandestern zu leiten bemüht gewest war; auch etlicher massen sich durch Ismenen widrige Neigung beleidiget zu seyn hielt: daß Ismene von ihm nicht solte gewonnen werden / in dessen Hertzen die Gerechtigkeit ihren Sitz zu haben geglaubt / dessen Urthel als heilig von gantzen Völckern befolgt würden. Gleichwohl ließ er es an seinem Fleisse nicht erwinden; gleich als wenn es sein wahrhaffter Ernst wäre Ismenen niemanden in der Welt / als Catumern zuzudencken; vielleicht weil er von Adgandestern schon versichert war: daß Ismene sich niemals von ihrem einmal gefaßten Vorsatze abwendig machen liesse. Luitbrands Beredsamkeit diente ihm zu einen kräfftigen Werckzeuge seiner Sache eine Farbe anzustreichen; und er hätte sie zu allem beredet / wenn es in Ismenens Gewalt gestanden hätte des Zeno zu vergessen / ihr auch nicht vom schlauen Adgandester unter einem Scheine grosser Freundschafft wäre unter den Fuß gegeben worden: Sie solte sich zum Catumer nicht zwingen lassen; er wolte in geheim alle wider sie desthalben zusammen ziehende Wolcken schon zu vertreiben wissen / auch alle seine einen andern Schein habende Bezeugungen sich nicht anfechten lassen. Diesemnach schützte sie / wiewohl mit grosser Bescheidenheit die Unmögligkeit für / und könte ihr nichts mehr gesagt werden / als ihr der Feldherr schon zu Deutschburg eingehalten hätte. Ja sie hätte ihr selbst vielmal Gewalt angethan / und ihr Hertze zwingen wollen Catumern zu lieben; aber sie hätte empfunden: daß wie süsse Gewächse / wenn man sie zu sehr preßte / bittern Safft von sich gäben; also ihr Zwang nur mehr Abneigung gegen den Fürsten Catumer verursacht hätte / welchem sie keinen Mangel ausstellẽ könte / als daß er vom Verhängnüsse für sie nicht besti t wäre. Der Druys ward hierüber seiner Anstellung nach empfindlich; maßte sich numehr eines gleichsam gebietenden Ampts-Eivers an / und redete nicht mehr wie ein Priester mit einer Fürstin; sondern nicht viel besser als eine Herrschafft mit ihrem Dienst-Bothen. Er beschuldigte ihre Entschuldigung; daß sie den verda lichen Irrthum der Eubagen zum Grunde hätte; welche den freyen Willen der Menschen / als[522] einen Kettenhund an die Gestirne anpflöckten. Er dräute ihr mit der Ungnade des Feldherrn / mit der Rache der Catten / und mit dem Zwange des oberkeitlichen Armes. Aber Ismene hatte sich so feste gesetzt: daß sie mit unverändertem Gesichte antwortete: Kein menschlicher Zwang wäre mächtig einer freyen Seele was aufzudringen. Zwar könte sie und Zeno wohl entfernt / aber ihre Gemüther nicht getrennt; sie Catumern zwar mit Gewalt beygelegt / aber ihn zu lieben nimmermehr genöthigt werden. Sie traute aber diese Grausamkeit / für welcher auch wilde Völcker Abscheu hätten / den freyen Deutschen nicht zu; welche Gott sonst mit dem Verluste ihrer Freyheit bestraffen würde. Die Catten hätten auch keine Ursache an ihr Rache auszuüben / wenn sie sie nicht wolten vom Zaune brechen / weil sie den Fürsten Catumer iederzeit als einen grossen Helden verehret / ihn aber zu lieben nicht in ihrer Gewalt stünde. Denn Liebe rührte nicht so wohl aus Regung eigener Willkühr / als wie der Thau aus dem Einflusse des Himmels her. Warumb hegt der Wein-Stock mit dem Kohle und Epheu / der Oel-Baum mit Gurcken / der Diamant mit dem Magnet / das Schilff mit Farren-Kraute / das Zieger-Kraut mit der Raute / eine solche Unverträgligkeit. Warumb haben die Ameissen für Wolgemuth / die Ziegen für Heidekorn / die Schafe für einer Art Eppich / die Crocodil für einer Feder vom Vogel Ibys / solche Abscheu? Warumb fürchtet sich der Elephant und Hirsch für dem Wieder / der Affe für der Schnecke / der Scorpion für der Mauß /der Löwe für dem Hahne / der Elephant für dem Schweine / der Panther für dem Thiere Hyena / der Trappe für dem Pferde? Warumb könten manche Menschen keine Katze / andere keine Maus / oder auch was annehmlichers nicht sehen? Und wer wüste nicht: daß ein Mensch zu einem einen heftigen Zug /für dẽ andern aber eine unüberwindliche Abneigung hätte? Es wäre fürwahr nicht die sterbliche Schönheit / nicht die Hurtigkeit des Geistes / nicht die Ubermaaß der Tugend die Angel / an welcher unsere Seele hencken bliebe; sondern das wunderbare Gesetze des Verhängnüsses / welches uns diesen oder jenen zu lieben leitete / oder durch einen Nothzwang gleichsam mit den Haaren darzu züge. Keinen grössern Verlust könte sie zwar in der Welt leiden / als durch die Gnade des Feldherrn; aber nicht glauben: daß ein so liebwerther Bruder eine unschuldige Schwester zu hassen sich überwindẽ könte. Auf allen ununverhofften Fall müste sie sich aber trösten: daß mehrmals die Verwürfflinge der Welt Schoß-Kinder bey Gott wärẽ. Der mehr zu gebieten als bitten gewohnte Druys begegnete ihr: Sie möchte ihr diesen süssen Traum aus den Augen reiben. Wer die gemeine Wohlfarth des Vaterlandes hinderte / welche unser allgemeine Mutter / wie der König unser Vater ist; also ihr alle andere Verwandschafft der Natur und eigener Willkühr aus dem Wege treten muß; stürmte den Himmel /kriegte wider Gott; und seines Amptes wäre solche Leute von der Gemeinschafft der Opfernden / und von Ubung alles Gottesdienstes auszuschlüssen / welcher das einige Band wäre / das Gott und die Menschen mit einander verknüpfte. Ismene erschrack über dieser Dräuung so sehr / als wenn sie vom Blitze gerühret würde / theils weil sie glaubte: daß diese Ausschlüssung sie auch von Gott trennte; theils weil sie so denn aller Gemeinschafft der Menschen / ja auch ehrlicher Beerdigung würde verlustig werden. Sie erholete sich aber bald / und fieng mit Begleitung vieler Thränen an: Sie traute denen von Frö igkeit so beruffenen Druyden nicht zu: daß sie an einer Tochter eines deutschen Feldherrn / welcher für sie mehrmals sein Blut aufgesetzt / sie mit so ansehnlichen Stiftungen versorgt hätte / ein so grausames Urtheil ausüben solten. Wenn es aber ja geschehen solle / würde sie Anlaß nicht wenig zu zweifeln bekommen: Ob Gott so ungerechten Leuten die Schlüssel des Himmels und der Erde anvertrauet hätte. Der Druys ward über diesen[523] Worten derogestalt entrüstet: daß seine Augen Feuer ausstreueten / sein Mund schäumte / und seine Hände die eigenen Kleider zerrissen; er auch mit Fluch und Dräuen sich erhob / und davon machte. Weil nun Ismene wohl verstund: daß diesen Leuten alles geglaubt würde; und es daher höchst gefährlich wäre / sie zu beleidigen / mühte sie sich ihn durch mildere Auslegung ihrer Worte ihn zu besänftigen; aber sein Eiver ward / wie alle Rasenden / durch die Schwäche der ihn zurück haltenden Fürstin nur mehr angezündet. In diesem Wüten kam der Druys zum Feldherrn; welcher nichts als Galle und Gifft auf Ismenẽ auszuschütten wuste / und nach langẽ Schnauben endlich fürtrug: Ismene hätte ein rechtes kieselsteinernes Hertze / welches weder auf böse noch gute Worte was gäbe / und würde ihr kein Mensch unter der Sonne Catumern in /und den Zeno aus ihrem Hertzen bringen. Es wäre aber zu wünschen: daß diese Hartnäckigkeit und seine Verachtung ihre grösten Laster wären; so aber könte er nicht ohne Schrecken verschweigen: daß Ismene alle Druyden als ungerechte Leute verworffen / und ihnen die Gewalt den Frommen den Himmel auf / die Boßhaften vom Gottes-Dienste auszuschlüssen / und ihre Seelen zur ewigen Pein zu verweisen / abgesprochen hätte. Hierdurch würffe sie theils die Unsterbligkeit der Seelen / theils die priesterliche Gewalt / als die zwey fürnehmsten Gründe ihres Gottes-Dienstes übern Hauffen; sie machte sich hierdurch zur Ketzerin / und würde sie erfahren: daß sie dadurch nicht einen Menschen / welcher empfangenes Unrecht leicht verschmertzen könte; sondern Gott / der ein strenger Rächer der Gottes-Lästerung wäre / beleidiget hätte. Der Feldherr erschrack hierüber nicht wenig; und ob er zwar wegen Ismenens Widersetzligkeit gegen sie ziemlich entrüstet war; so hatte er doch damit sein Bruderhertz nicht abgelegt. Ihre Tugenden / und sonderlich ihr im Gottes-Dienste iederzeit wahrgenommener Eiver liessen ihn auch schwerlich begreiffen /wie sie in ihrem Hertzen so verwerffliche Meynungen hegen / oder solche so lange hätte verbergen können. Die Ungestüme des Druys machte ihm auch seine Erzehlung verdächtig / und aus allem nahm er wahr: daß er diese Verrichtung einem allzu hitzigen Kopfe vertraut hätte. Welches letztere er auch dem Druys zu verstehen gab / und ihm sagte: Er hätte mit Ismenen /seiner Erzehlung nach / allzu feurig verfahren / und wäre das erste mal zu weit gegangen. Die Liebe wäre ein Kind der Zeit; sie wüchse wie der Monde nicht in einem Augenblicke / sondern nach und nach / und nähme auch also ab. Edle Gemüther liessen sich auch leichter mit Oel erweichen / als mit Schwefel und Feuer zerschmeltzen. Sonst traute er seiner Schwester keine so verda liche Meynung zu. Die Ungeduld lockte einem verwundeten Gemüthe offt ein unbedachtsames Wort aus; welches unverantwortlicher aufs ärgste gedeutet / als hervor gebracht würde. Jedoch wolte er sie hierüber in seiner Gegenwart rechtfertigen; er aber solte für der Zeit hiervon nicht viel Geschreyes / noch aus allem Holtze Pfeile machen. Alleine der Druys empfand ein neues Feuer der Rache: daß ihm in seiner Verrichtung Mängel ausgestellet werden wolten. Zu dem letztern aber wolte er sich nicht verstehen. Sintemal er ohne eigene Verunreinigung mit Ismenen keine Gemeinschafft mehr unterhalten könte. Den Feldherrn verdroß dieser Hochmuth nicht wenig; weil aber in Deutschland die Priester mehr Glauben und Ansehn / als die Fürsten / jene auch die Gewalt über Verbrechen zu erkennen und zu urtheilen haben; ja sie alleine selbst die Verurtheileten eigenhändig straffen / und weil sie für Werckzeuge Gottes gehalten werden / welche den Willen Gottes wüßten und ausübten / leicht bey denen zum Aberglauben geneigten Gemüthern ein grosses Feuer anzünden können / mässigte er seine[524] Empfindligkeit; ließ aber alsofort Ismenen für sich erfordern; welcher er ein sauerer Gesichte machte / als sein Gemüthe war / und hielt ihr ein und das andere beweglich für; stellte ihr auch die Gefahr / in die sie für der Druyden Richterstuhle besorglich verfallen würde / für Augen. Aber Ismene vertheidigte sich mit so grosser Hertzhaftigkeit / als sie mit Ehrerbietigkeit sich gegen dem Feldherrn demüthigte. Sie entschuldigte mit Thränen: daß sie aus einem geheimen Triebe des Verhängnüsses den Zeno zu lieben begonnen; sie würde aber niemals so vermessen seyn / ihn ohne Einwilligung des Feldherrn / als ihres andern Vatern / zu ehligen. Dem Fürsten Catumer verehrte sie seiner Tugend halber mehr / als vielleicht kein ander Frauenzimmer; sie wolte ihm wol / und wünschte ihm als ihrem Freunde den Himmel zuzuneigen / aber es wäre ihr leid / und sie könte nicht darfür: daß es ihn zu lieben ihr unmöglich wäre. Sie traute aber dem gerechten Himmel zu; er würde durch einen merckwürdigen Ausschlag an Tag geben: daß die Hindernüs der Cattischen Heyrath von seinem allerweisesten Schlusse / nicht von ihrer Hartnäckigkeit herrührte. Hierauf erzehlte sie alles aufrichtig / was sie mit dem Druys geredet; was für Worte er ihr abgenöthigt / mit was für Beding- und Umbschrenckung sie solche vorgebracht hätte. Ihr wäre die Gewalt und die Strengigkeit ihrer Gerichte wol bekandt; aber sie hätte in ihrem Gewissen einen ihr unentfallenden Zeugen / und bey dem betrübtesten Ausschlage die süsseste Verzuckerung der bittersten Wermuth / nemlich die Unschuld / und die Hoffnung: daß das Unrecht / welches einem auf der Erden angethan wird / ihm im Stande der Unsterbligkeit zu eitel Ehre gedeye; ja daß der / welcher einem andern mit dem Fusse aufs Haupt trit / insgemein des Unterdrückten Gnade noch in diesem Leben bedörffe. Wolte dieser hochmüthige Druys durch Stürtzung einer Cheruskischen Fürstin an ihr seinen Muth kühlen / oder vielmehr der Geistlichen Gewalt eine in die Welt leuchtende Fackel aufstellen; würde sie ihre Sanfftmuth zwar leicht bereden / solches ihm zu vergeben; aber GOtt würde es mit einer desto strengern Vergeltung rächen. Dieses redete sie mit einer so nachdrücklichen Bewegung: daß des Feldherrn voriger Eyver sich nun in Mitleiden verwandelte. Weil er nun besorgte: es dörffte über Ismenen ein trübes Wetter aufziehen / schrieb er noch selbigen Tag an den obersten Priester Libys: daß er von bevorstehender Versammlung der Druyden ja nicht außen bleiben möchte. Durch dessen Vernunfft und Bescheidenheit er alle Widerwärtigkeiten abzulehnen oder zu überwinden getraute. Ismene war kaum in ihr Zimmer kommen / als ihr durch einen Edelmann des Rhemetalces folgendes Schreiben wegen des Fürsten Zeno eingehändigt ward: Ich bin befehlicht / noch vor der Sonnen Untergange Mattium / und in dreyen Tagen Deutschland zu räumen; Mein Verbrechen kan schwerlich was anders seyn / denn daß ich sie / als die Sonne Deutschlandes angebetet / und für meinen Glücks-Stern erwehlet. Gleichwol werde ich diese Sünde nimmermehr bereuen / vielmehr aber nach Art der Mohren so wol der für ihnen verborgenen als der über ihrer Scheitel stehenden Sonne opffern. Wenn ich mich versichert weiß: daß sie an meiner unausleschlichen Liebe niemals zweifeln / und nebst einem wenigen Wolwollen nur mein Gedächtnüs behalten werde / so traue ich mir noch zu / die nach ihrer Entfernung mir nur noch übrige Nacht meines Lebens /und alle andere finstere Unglücks-Wolcken noch zu überstehen. Ich leiste gleich meinem Unglücke Gehorsam; weil es gefährlicher ist Herrschern / als der Natur widerstreben; und wünsche der unvergleichlichen Ismene: daß alle Sternen ihr Ehre und Vergnügung / alle Ströme ihr Seegen und Uberfluß[525] zuflößen /alle Winde ihr annehmliche Zeitungen zutragen mögen; wormit ich sie / wenn die Götter mich jemals mit ihrem wiedersehen würdigtẽ / für die oberste Beherrscherin Deutschlands verehren müsse. Ismenen war noch nie was empfindlichers begegnet. Des Zeno Abschied kam ihr als eine Trennung des Leibes von der Seele für. Sie erstarrete: daß sie weder Mund noch andere Glieder rühren konte. Endlich verwandelte sich ihre Bestürtzung in eine Wehmuth; also daß sie so viel milde Thränen auf den empfangenen Brief fallen ließ / als darinnen Buchstaben waren. Mit genauer Noth kunte sie sich erholen / den Edelmann zu fragen / wenn und wo er das Schreiben vom Zeno empfangen? dieser antwortete; Es wäre noch keine Stunde /daß es ihm der mit seinem Herrn dem Fürsten Rhemetalces aus der Stadt reitende Zeno / und noch ferner dis zu berichten anvertraut hätte: Ihm wäre anfangs dieser Befehl im Nahmen des Feldherrn / unter des Fürsten Adgandesters Hand zukommen / nach etlichen Stunden wäre ein gleichmäßiger vom Hertzog Arpus gefolget. Rhemetalces hätte auch an dem Cattischen Hofe ausgespüret: daß den letztern Befehl Adgandester ebenfalls ausgewürcket / und dem Hertzoge Arpus fürgebildet hätte: daß die Anwesenheit des Zeno alleine Ursache gewest wäre an der Kaltsinnigkeit Ismenens gegen den Fürsten Catumer / und an verzügertem Beylager. Also hätte der Feldherr durch nichts bessers / als durch Verschreibung des Zeno sein Mißfallen zu erweisen / und der Sache zu rathen gewüst. Dieses hätte Rhemetalces dem Zeno alles eröffnet. Flavius wäre darzu kommen / hätte hierüber grossen Unwillen bezeuget / und ihn in seinen Schutz zu nehmen sich erboten. Aber Zeno hätte diese Wolthat anzunehmen dancknehmig sich entschuldigt / und eingewendet: Er würde sich der so viel Zeit genossenen Beherbergung unwürdig machen / wenn er zwischen zweyen so ruhmwürdigen Brüdern zu einigem Unvernehmen Anlaß geben solte. Er wolle der Zeit und dem Verhängnüsse sich unterwerffen; die Hoffnung aber nicht verlieren / in dem angenehmen Deutschlande seine Vergnügung wieder zu finden. Ismenen gab jedes Wort dieser Erzehlung einen Stein ins Hertze; sie schlug die Hände über ihrem Haupte zusammen / und thät desthalben / daß auch Hertzog Arpus den Zeno aus dem Lande verbannet hätte / so kläglich: daß es einen Stich / wie vielmehr aber den Uberbringer dieser traurigen Zeitung / und die gleich ins Zimmer kommende Königin Erato / und Zirolanen hätte erbarmen müssen. Beyde wusten noch nichts von des Zeno Verstoßung; sondern bildeten ihnen ein: Ismene wäre wegen besorglichen Zwanges zu der Cattischen Heyrath in solcher Gemüths-Verwirrung; so bald aber Rhemetalcens Edelmann ihnen die Ursache / und der Erato vom Zeno ein Scheiben einhändigte /verfiel diese in eben so grosse Ungebehrdung; und nach vielem Wehklagen stieß sie diese Worte heraus: Straffet mich! nicht den Zeno / ihr gerechten Götter! ich bin der erste Zunder / der in dem Hertzen des Flavius gefangen / und die Flamme gezeuget hat / welche die Kette unsers so heiligen Bündnüsses zerschmeltzet hat. Ja ich empfinde schon die Quaal in meinem Hertzen / und den fressenden Wurm in meinem Gewissen: daß ich meiner ersten Treue habe vergessen /und aus ihren ausgeleschten Kohlen einem andern ein Opffer-Feuer seiner unzuläßlichen Liebe bereiten können. Lasset mich meinem Zeno folgen! ehe man mich auch mit Spott und Schmach aus dem Lande jagt. Ismene fiel ein: Ist dis ein Beyspiel der von den Deutschen in der gantzen Welt berühmten Gast-Freyheit? Oder stehet diese Tugend nur gemeinen Leuten an: daß sie alle Frembden freundlich aufzunehmen /aufs beste zu unterhalten / zum Nachbar zu begleiten /sie als heilige Leute für allem Unrecht beschirmen /[526] und sie zu beleidigen / oder ihnen nur ihr Dach zu versagen für ärgstes Laster halten? Ist die widrige wilde Unart aber ein kluger Staatsstreich der deutschen Fürsten? Werden die Spartaner und Serer nicht von aller Welt gescholten: daß sie Frembden in ihre Stadt und Land die Einkunfft so schwer machen? Was werden denn andere Völcker von Deutschen urtheilen: daß sie angenommene Gäste / fürtrefliche Helden unverhörter Sache so schimpflich verstossen / und ihnen Lufft und Wasser verbieten? Die Römer reichen denen ankommenden und wegziehenden Gästen die Hand; die Persen den Mund; und fast alle Völcker lassen sie mit einem Abschieds-Truncke / mit Speisen auf den Weg / mit Gelde / mit Gedächtnüs-Geschirren / und mit einem besondern Merckmale des gernesehens und gewünschten Wiederkommens von sich. Wir aber leider! versagen ihnen Laub und Graß! Wird man uns Deutsche nicht den Hesperiern vergleichen /die ihre geschlachteten Gäste verspeisen? Oder dem Phrygischen Ungeheuer Celänas / der die an sich und zu seiner Erndte gelockte Frembdlinge des Nachts enthauptete. Was hat Zeno verbrochen? durch was für ein Laster hat er das bey allen Völckern eingeführte Gastrecht verschertzet? Hat er aus feindlichem Gemüthe die Geheimnüsse Deutschlandes ausgespüret? Hat er jemanden an Ehre / Gut oder Leben den geringsten Schaden zugefügt? Nein sicher! Warum brennet man ihm nicht gar / wie König Philip einem solchen undankbaren Gaste gethan / Schandmale an die Stirne? Seine Feinde und Verläumbder / und der boßhaffte Adgandester werden hiervon keinen Sonnenstaub aufzubringen wissen. Sein keiner Vertheidigung fähig gewesenes Laster ist: daß er Ismenen und sie den Zeno geliebet. Höre und räche es! du gewaltige Liebe; daß man dich / die du die Erhalterin der gantzen Welt bist / in Mattium als ein so schweres Laster verda et! Hielten es die Babylonier nicht für Ehre / wenn sie der Liebe ihrer Gäste fähig wurden? Schämen sich doch in Morgenländern der Könige Töchter nicht ihren Gästen die Füsse zu waschen. Ward es des Königs Nannus Tochter Gyptis nicht mehr zum guten als argen ausgedeutet / als sie den Griechen Protis allen Galliern fürzoh / und ihn zum Manne erkiesete? Wo bleibet aber deine so beschriehene Freyheit / O Deutschland? Unglückseelige Ismene! hochbeleidigter Zeno! die Wehmuth hemmete Ismenen die Zunge / daß sie nicht mehr reden konte; und Erato zerfloß gleichsam in Thränen; also daß Zirolane an beyden die gantze Nacht genung zu trösten hatte. Der Königin hielt sie ein: sie wäre in den Zufällen der Liebe / in Abwechselung des Glückes so erfahren: daß sie sich wunderte / wie was neues ihr könte so seltzam / oder so gar empfindlich fürkommen. Sie hätte zwar als eine Unerfahrne Bedencken /ihr hierinnen was einzureden. Denn die Erfahrenheit redete nachdrücklicher / als der beste Redner der Welt; Nichts desto weniger nöthigte sie das Mitleiden ihr Erinnerung zu thun: daß sie wider sich selbst grausam wäre; indem sie ihre veränderte Liebe verdammte / da es noch keinem Menschen wäre in Sinn kommen / sie destwegen anzuklagen. Jedermann müste gestehen: daß die Abwechselung ihrer Liebe nicht von Leichtsinnigkeit ihres Gemüthes / sondern vom Triebe des Verhängnüsses herrührte; dessen Ursachen allezeit wichtig / und zwar anfangs geheim wären / endlich aber aus Tagelicht kämen; und so denn müste unsere thörichte Vernunfft ihrer eigenen Blindheit lachen; und dis / was wir vorher bitterlich beweinet / wo nicht gar verflucht hätten / für Werckzeuge unsers Glückes preisen. Sie solle wol behertzigen / wie sie durch diese Ungedult des Zeno Kummer vergrössern / den Flavius aber in Argwohn einer seichten und wanckelbaren Liebe versätzen würde; also ihr Thun mit Vernunfft / und ihr Hertze[527] mit Großmüthigkeit fassen. Ismenen aber hielt sie für: sie wäre in einem grossen Irrthume / wenn sie ihr einbildete, der Himmel der Liebe bliebe allezeit heiter / und würde mit keinen Betrübnüs-Wolcken umbhüllet: Es regnete nicht immer Rosen / sondern vielmal schneyete es Dornen und Hagel; Alleine eben diese Abwechselung wäre am Himmel die Ursache seiner beliebten Schönheit / und in der Liebe ihrer so durchdringenden Süssigkeit. Das Meer hätte niemahls eine beliebtere Gestalt / als wenn es beym Sturme Silber und Perlen schäumte; und die Liebe / welcher Mutter destwegen aus dem Meere entsprossen zu seyn getichtet würde / wäre in Anfechtungen am herrlichsten. Dahero / wie auf der See die Artzneyen bey den Schiffenden nichts würckten / wenn sie derselben nicht zweymal so viel als sonst zu Lande genüßen; also müsten Liebhaber auch das Aloe des Unglücks in vergrössertem Gewichte verdeyen können / und sich nur bescheiden: daß die Widerwärtigkeit das rechte Saltz der Liebe sey. Ohne Müh überko ene und in Ruh besessene Güter wären bey weitem nicht so angenehm /als die uns anfangs viel Schweiß / hernach viel Sorge zu erhalten gekostet. Gefahr und Angst gäben nicht weniger als die Seltzamkeit vielen Dingen einen höhern Preiß. Die Liebe hörete auf Liebe zu seyn / wenn man sie entwaffnete / und ihr die Pfeile zerbräche /aus Furcht sich darein nicht zu stechen. Also darf sich Ismene keine Liebhaberin rühmen / wenn sie zu zärtlich ist ein und andere Bekümmernüsse zu verschmertzen / welche uns zwar eine zeitlang das Leben versaltzen / hernach aber die Liebe desto kräftiger einzuckerten. Bilde dir nicht ein: daß weil die Liebe im weichen und kein hartes Bein habenden Hertzen wohnet / auf weichen Wangen und zarten Brüsten spielet; sie destwegen ein Weichling sey. Sie muß offt über entfleischte Beine / kahle Hirnschädel und glüende Kohlen wandern. Keine Liebe hat jemal eine vollkommene Vergnügung / und den Preiß einer Tugend erlangt / die nicht wie die Rosen auf dörnrichten Stöcken gewachsen. Viel süsse Gewächse werden mit stachlichten Blättern verdeckt. Lasse deine Unschuld in dir keine Wehmuth gebähren / sondern brauche sie vielmehr zum Ancker deiner Hoffnung. Herbergen doch die Bienen / welche aus Thau und Saffte der Blumen das nützliche Honig bereiten / in harten Eichen / die holden Turtel-Tauben in Steinklippen; da hingegen Raben und Geyer ihnen von Stroh und Federn weiche Bette bereiten. Jene saugen nicht immer an süssem Klee und Rosen / sondern sie kriechen auch über Dornen / speisen sich an bittern und stachlichten Kräutern. Was soll denn ihr und uns die Natur was besonders machen? die Liebe würde von der Wollust wenig entfernet seyn / wenn sie stets unter einem Sonnenschirme und auf Rosen gehen wolte. Niemals aber käme sie der Tugend näher / als wenn sie baarfüßig über heissen Sand und scharffe Felsen wandern / auf harter Erde liegen / des Nachts sie Regen / Wind und Reif zerweichen / des Tages sich Staub und Hitze stechen lassen / Pantzer und Harnisch tragen / Schild und Waffen ergreiffen / in Ketten liegen / ihr die Augen ausreissen / und wider Neid /Verläumbdung / Eyversucht / Geilheit / Mißtrauen /Unglück und hundert andere Feinde bis auf den Tod kämpffen müste. Also wäre dis / was Ismenen begegnete / nur noch Kinderspiel; was dem Zeno widerführe / ein gemeiner Zufall. Die Gewogenheit der Herrscher nehme mit dem Mohnden ab und zu / und offt müsten sie einem weh thun / den sie liebten / einem andern Pflaumen streichen / dem sie von Hertzen gram wären. Das Rad des Hofes aber verdrehte sich leicht / und wären ihrer nicht wenig mit Siegs-Gepränge eingeholet worden / die man vor zum Thore hinaus gestossen. Alles dis benehme auch nichts mehr der Ehre und Würde ihres Zeno / als der Staub schönen Gemählden / derer Bilder er[528] zwar eine Zeitlang verdeckt / aber sie weder frißt noch verwischet. Diesemnach würde Ismene durch ihre ungerechte Ungedult das Verhängnüs nur erherben: daß es ihr noch viel bitterer Colochinten in den Becher der Liebe einzuschencken gereitzt würde. Mit diesen / und andern beweglichen Zureden / brachte es Zirolane ja endlich gegen Morgen dahin: daß Ismene an den Fürsten Zeno folgendes schrieb: Ich bin ohne ihn / liebster Zeno / außer mir; also weiß ich nicht was ich schreiben soll. Höre die nicht auf zu lieben / die durch dich allein lebet / und ehe zu leben / als dich zu lieben aufhören wird. Deine Abwesenheit wird mich zwar aller Freuden berauben / aber meiner Liebe den geringsten Abbruch thun; sondern vielmehr / wie die am fernesten vom Mohnde stehende Sonne sein Licht /sie ihr Wesen vergrössern. Der Himmel hat dich zweifelsfrey uns beyden zum besten auf eine zeitlang von hier entrissen / daß weder du ein trauriger Zuschauer meiner Anfechtungẽ seyn; noch ich / in Anmerckung deines Betrübnüsses / zweyfaches Leiden empfinden möge. Lebe wol! meine Seele! und gedencke: daß niemals kein so grausames Ungewitter gewest sey / nach welchem nicht die Sonne geschienen habe. Die Königin Erato schrieb auf Zirolanens Gutbefinden nur diese Zeilen darunter: Unser Leben ist eine Uhr; du die Sonne; die Liebe der Zeiger / und ich der Schatten gewest. Mit dieser Ehre habe ich mich vergnügt; werde auch bis in Schatten des Todes dieses verbleiben; insonderheit aber bey deiner Ismene /so lange sie deines Lichtes entpehren wird / durch mich als deinen Schatten dein süsses Gedächtnüs zu erhalten / bemühet seyn. Lebe wol! und lasse uns beyde in unserem Betrübnüsse niemals aus dem Gedächtnüsse / wie die Sonne die zwey denen finstern Ländern leuchtende Angelsterne aus ihrem Gesichte. Hiermit fertigten sie den Edelmann ab / mit welchem Zeno verlassen hatte: daß er ihn in den Uberbleibungen der vom Drusus auf dem Berge Taunus gebauten /und von den Deutschen eingeäscherten Festung antreffen würde. Zirolane schrieb zugleich an Rhemetalcen: daß er dem Fürsten Zeno mit Troste und gutem Rathe an der Hand stehen / aber seines Traumes / daß er in dem Lande der Marsinger am Oderstrome einen Schatz auszugraben hätte / nicht vergessen solte. Hingegen war der Cattische Hof über vernommener Widersätzligkeit Ismenens nicht wenig unruhig: noch vielmehr aber / als selbter vernahm: daß Ismene einen Druys / der ihr solcher Heyrath halber hätte einreden wollen / so schimpflich abgefertigt hätte; daß deßwegen nicht nur aus deutschen Landen / sondern auch aus dem Carnutischen Gallien viel Druyden zusammen verschrieben würden. Die Erzehlung des beleidigten Druys / das Urthel des Pöfels / und das Geschrey / welche / wie das Auge in die Ferne alles verkleinert / alle kleine Dinge vergrössern / hatten alles viel ärger gemacht / als es war. Und weil ohne dis die Käntnüs der Warheit zu den Ohren der Fürsten / eben so wol als ihre Einkommen zu ihren Schatz-Kasten niemals ohne Verminderung kommen; so war kein Wunder: daß Hertzog Arpus darüber nachdencklich ward / und mit allerhand Entschlüßungen zu Rathe gieng; hingegen aber kehrte der Feldherr alle mögliche Mittel für / dem Cattischen Hertzoge alle ungleiche Nachrichten auszureden; insonderheit aber allen Argwohn zu benehmen: daß das Cheruskische Hauß hinter Ismenens Widerspenstigkeit steckte / und den Catumer verächtlich hielte. Thußnelde hatte auch mit der Hertzogin Erdmuth niemals schöner gethan / als itzt / ja sie mühte sich umb das gute Verständnüs der beyden Fürstlichen Häuser zu erhalten / ihre angebohrne Holdseeligkeit noch zu überwinden. Denn ob zwar die Catten keine äuserliche Merkmale ihres Unwillens noch spüren ließen; so war dem Cheruskischen Hause diese Verstellung nur desto verdächtiger. Sintemal das Thun[529] der Herrscher ins gemein ein ander Gesichte macht / als die innerliche Gestalt ist. Auch ware so wol der Feldherr als seine Gemahlin destwegen so viel mehr sorgfältig; weil sie wol wusten: daß die Geringschätzigkeit großmüthige Fürsten bis in die Seele beisse; die Catten auch weder an Alterthum noch Macht den Cheruskern was nachgeben; und daher zwischen diesen zweyen Völckern fast unaufhörliche Kriege gewesen / also der Feldherr die alte Wunde der Eyversucht mehr verbunden als geheilet hatte. Adgandester / als der führnehmste Werckzeug aller Unterhandlungen / spielete hierbey meisterlich unter dem Hute / und es seinem Bedüncken nach dahin: daß Zeno und Catumer von Ismenen zwey Muschel-Schalen; er aber alleine die Perle zur Beute bekommen solte. Maßen er es denn schon so weit gebracht hatte: daß nicht nur sein Neben-Buhler Zeno das Land räumen müssen; sondern auch der Graf von Catten-Ellenbogen im geheimen Rathe gegen dem Hertzog Arpus aufwarf: Ob es ohne Verkleinerung der Catten geschehen könte: daß wenn schon Hertzog Herrmann seine Schwester auf einen bessern Sinn brächte / Catumer sie heyrathete? Nichts weniger spielte er mit denen Druyden unter der Decke / nicht zwar in Meinung ihren gäntzlichẽ Untergang zu befördern; sondern nur sie ins Gedrange und in Noth zu bringen; daß sie seiner Hülffe von nöthen hätte. Denn weil Ismene sich zu hoch dünckte / ihn zu lieben /wäre kein ander Mittel ihrer Liebe fähig zu werden /als daß er sie vorher durch den gewaltigen Arm der Druyden erniedrigte. Bey so schlauen Anstalten blähte sich sein Gemüthe von grosser Hoffnung auf: daß wenn diese das Wasser Ismenen am ärgsten getrübt haben würden / er sie durch seine Verschlagenheit heraus fischen wolte. Ja er bediente sich aller aberglaubischen Mittel / durch welche er die Gewogenheit Ismenens sich zu erwerben bedüncken oder bereden ließ. Unter andern ließ er seinen Nahmen beym Neumonden in gewisse Küchel Kräuter stechen / und den Vollmonden hernach abschneiden: daß solche alsdenn auf Ismenens Tische verspeiset wurden. Er mischte sein Blut in das Hüneraß / durch welches die für sie aufgehobenen gemästet wurden. Er verfügte sich im Vollmonden zu einem Schlangen-Beschwerer / welcher ihrer umb Mitternacht in einem Eichwalde eine unzehlbare Menge zusammen zauberte. Diese bließen unter einem erschrecklichen Zischen / für dem Adgandestern die Haare zu Berge stiegen / aus ihrem gifftigen Speichel ein Ey zusa en; welches / so bald es in die Lufft empor kam / von dem darauf lauernden Druys erwischet / dem zu Pferd sitzenden Adgandester zugeworffen ward; wormit er spornstreichs für den ihn verfolgenden sämtlichen Schlangen davon rennte / und nicht ehe zur Ruhe kam / als bis er durch den Lahnstrom gesätzt hatte. Dieses Zauber-Ey solte die Krafft haben einem aller Fürsten und Frauenzimmer Liebe zu erwerben. Weil der Aberglauben aber selten ohne Mißtrauen ist; opfferte er zu der Zeit / als der Hunds-Stern aufgieng / und weder Sonne noch Monde über der Erde stand / der Erde Bohnen und Honig; umbgrub hernach eine Staude Farren-Kraut mit ungenütztem Eisen / und rieß selbtes mit der lincken Hand vollends heraus. Welch Kraut so denn aller Menschen Freundschafft zu wege bringen / und allen Kranckheiten helffen soll. Der einige Fürst Catumer und Adelmunde schöpfften ins geheim aus denen Schwerigkeiten der Ismenischen Heyrath eine unschuldige Vergnüg- und Hoffnung / daß hierdurch der Hi el ihrer Liebe einen Weg zu einer vollkommenen Genüßung bähnete. Also weinet selten jemand über etwas / darüber nicht ein ander lachet; und wie es in der Welt zu einerley Zeit an vielen Orten Sommer und Winter ist; so widrig wittert es auch jederzeit in Gemüthern der Menschen. Alleine diese Regungen musten sie im verborgenen ihres Hertzen verkochen /wie[530] etliche Berge das Feuer in ihren Eingeweiden verglimmen lassen. Der Druyden Eyver aber ward je länger je mehr sichtbar; derer sich nunmehr über dreyhundert / theils aus Deutschland / theils aus dem Carnutischen Gallien an der Weser / in einem grossen Eich-Walde eingefunden hatten. Dieser Wald war in Deutschland / wie die Carnutische Gräntze in Gallien / von Alters her zu dem hohen Gerichte der Druyden gewidmet. Ehe noch ihr oberster Priester Libys zu Mattium ankam / fertigten sie eine Gesandschafft an den Feldherrn / und an Hertzog Arpus ab / durch welche sie beyden eröffneten: es wäre die Fürstin Ismene beschuldigt: daß sie nicht nur wider die Würde und die Macht des heiligen Priesterthums geredet hätte; sondern daß sie auch von dem Grunde des uralten Gottesdienstes in Deutschland / welche Thuiscon allen seinen Nachko en so fleißig eingebunden / und darauf die Erhaltung der Freyheit gegründet hätte /abgewichen wäre; also erforderte die Ehre Gottes /das gemeine Heil / ihr Gewissen und Pflicht / ein heiliges Gerichte zu hegen / der Gerechtigkeit ein Genügen zu thun / und zu hindern: daß auf allen Fall solch Gift nicht andere mehr ansteckte. Denn weil das menschliche Gemüthe nicht weniger zu neuen Irrthümern / als alle schwere Dinge den Hang gegen der Erde hätten / wäre die Ketzerey anfälliger als die Pest. Hertzog Arpus / weil er dem Eubagischen Gottesdienste zugethan war / beantwortete sie: Es wäre ihnen unverwehrt / an denen ihnen zustehenden Orten nach ihren Gesätzen zu leben; denn er hätte an die Fürstin Ismene kein Recht. Der Feldherr bescheidete sie: Ismene wäre zwar seine Schwester / aber die Gemeinschafft der Gottesfürchtigen seine Mutter / und der Gottesdienst sein Leitstern. Also begehrte er wider diese seine Schwester nicht zu vertheidigen / noch in ihr Gerichte Eingrief zu thun; Er erinnerte sie aber /als ihr Fürst: daß die Gerechtigkeit der andere Pfeiler der Reiche / eine Seele des gemeinen Wesens / ja ihre Ausübung ein Theil des Gottesdienstes wäre; dadurch der Menschen Gut / Ehre und Blut / eben so wol GOtt dis / was ihm zustünde / gegeben würde / und dahero die Gerechtigkeit auch dem Hi el ein süsserer Geruch / als alle Opffer der Farren / alle Rauchwercke von Weyrauch und Zimmet wäre. Und so wol in Deutschland von den Druyden / als zu Delphis / einerley Messer zu Abschlachtung der Opffer-Thiere und verda ter Menschen gebraucht würde. Die Menschen kämen durch nichts GOtt näher / als durch die Gerechtigkeit / und könten sich durch nichts von ihm mehr entfernen / als durch Ungerechtigkeit. Ein Richter wäre ein Stadthalter Gottes; ohne Gerechtigkeit aber nichts besser / als ein ausgetrockneter Fluß ohne Wasser. Nach geno enen Abschiede schickten sie Ismenen ein einiges Blat von einer Wispel zu / darauf war der Tag des nechst-folgenden Neumonden mit Röthe / in einen solchen fünfeckichten Stern / den man einen Druyden-Fuß nennet / geschrieben. Dieses war die allerschärfste Erforderungs-Art; also daß wer der nicht gehorsamte / seines Lebens verlustig erkennet ward. Ismene hatte ihr bisher noch i er eingebildet: daß die Druyden wider sie so ferne nicht verfahren würden; nunmehr aber stieg es ihr gleichwol nicht wenig zu Hertzen; daß sie als eine Fürstin von so hohem Geblüte / für den Augen gantz Deutschlandes /als eine Gottes-Verächterin verklagt und geurtheilet werden solte. Sintemal selbten auch die reineste Unschuld das Geblüte nicht derogestalt eintä en / und die Geister so stärcken kan: daß jenes im Hertzen nicht aufwalle / und das Antlitz mit Schamröthe überströme; diese aber nichts kleinmüthiges blicken lassen / weñ hundert tausend Augen auf ein Gesichte ihre Strahlen zusa en schüßen / der jeder selbtem das innerste der Seele ausspüren wil. Sie erholete sich aber /so bald sie sich erinnerte: daß der Hi el selbst über der Unschuld Hand hielte; bereitete sich also dahin zu reisen / ohne[531] einigen Menschen anzusprechen / der sie begleiten solte. Theils weil ohne dis bey denen Deutschen in Gerichten kein Vorredner verstattet / noch andere Zierligkeiten beobachtet werden / theils weil sie in Sorgen stund: daß niemand gerne in derselben Gemeinschafft würde seyn / und sich allem Volcke zeigen wollen / welche von der Gemeinschafft des Gottesdienstes ausgeschlossen werden wolte. Erato konte diese Hertzhafftigkeit Ismenens nicht begreiffen / fragte sie also: auf wen sie sich denn so sehr verließe / nach dem sie keinen Menschen zum Beystande verlangte? Ismene antwortete: wer sein Gewissen zum Zeugen / GOtt zum Helffer hätte / dürffte keinen Menschen zum Beystande. Das Vertrauen auf Men schen gleichte dem stillstehenden Wasser / welches man mit vielem Künsteln und Unkosten durch Röhre an durstige Oerter führen müste. Das Vertrauen auf GOtt wäre dem Regen-Wasser des Hi els gleich /welches von sich selbst aus den fruchtbaren Wolcken sanffte und doch durchdringend allenthalben hintröpfelte. Die Andacht aber ist / das wunderwürdige Wasser-Geleite der Seele. So tief unsere Demuth das Gebete hinunter steigen läßt / so hoch und höher steiget es in der Wasser-Kunst der Thränen in die Höh. Diese wird mein Werckzeug / Gott auf meine Seite zu bringen / GOtt aber allen meinen Feinden gewachsen seyn. Gleichwol aber erboten sich Erato und Zirolane selbst an / sie zu begleiten. Sie nam vom Feldherrn /Thußnelden / Adelmunden / der Hertzogin Erdmuth /Catta / und andern in Person so freudigen Abschied /als wenn sie zu ihrem Hochzeit-Feyer verreisen solte. Also jedermann ihr an der Stirn ansah / daß das Vertrauen auf Gott das rechte Hertze der Seele wäre. Dahingegen das sie gesegnende Frauenzimmer sie mit viel Thränen von sich ließ. Dem Hertzoge Arpus ließ sie durch den Graf Effren sich bestens empfehlen /und ihn versichern: GOtt würde ihr aus ihrer Verläumbdung so rühmlich helffen: daß es dem Cattischen Hause nicht würde verkleinerlich seyn / wenn gleich alle Welt erfahren würde: daß Ismene einst im Vorschlage gewest wäre / einen so tapferen Fürsten als Catumer wäre / zu heyrathen. Sie hatte sich bey ihrem Aufbruche gantz weiß gekleidet / und ihr Haupt war niemals ohne einen Krantz von weissen Blumẽ; alle sie Bedienenden aber zohen roth auf. Zirolane fragte: aus was für Absehn sie ihren Aufzug auf so neue Art eingerichtet hätte? Welcher Ismene antwortete: durch die Kleidung ihrer Bedienten wolte sie ihre Richter erinnern: daß sie über Fürstlich Geblüte zu urtheilen hätten / durch ihre eigene; daß ihre Unschuld nicht unreiner / als der Druyden Heiligkeit wäre. Erato fügte bey: Es wäre auch in Morgenland die Röthe ein Merckmal des Adels / die weisse Farbe der Unschuld / der Gnade und der Keuschheit; als eine Kleidung der Priester Jungfrauen und der Pallas. Den dritten Tag kamen sie an die besti te Gegend; den Abend aber vorher begegnete ihnen eine Gräfin von Hohenstein / welche sie in ihr an den heiligen Eichwald anstossendes- und wolbestelltes Hauß einlud /und hernach wol bewirthete. Es war aber an diesen Ort aus halb Deutschland ein solcher Zulauff: daß der Wald in wenigen Tagen mit grossen Herren umlagert ward. Hertzog Arpus stellte selbst nicht ferne davon eine Jagt an / lud den Feldherrn und die andern Fürsten dazu / unter diesem Scheine entweder dem Gerichte unferne beyzuwohnen / oder doch alsbald dis /was dabey vorgienge / zu vernehmen. Am besti te Zeit fuhr Ismene mit der Erato / Zirolanen und der Gräfin von Hohenstein / bis an das Gräntzmal des heiligen Waldes; daselbst musten sie absteigen / ihre Haare loßflechten / und die Schuch / als das Sinnenbild fleischlicher Begierden und irrdischer Gedancken / ausziehen. Sintemal niemand als baarfüßig / und kein Thier in diesen Wald kommen dorffte; auch zu jedermanns Verwunderung das hierumb doch so häuffige Wild niemals die Gräntze überschritt. Daselbst waren auch schon einige Opfer-Diener bestellt / die sie durch das Gedränge des[532] Volckes zu dem Orte des Gerichtes leiteten / welcher rings herumb mit dreyfachen Schrancken umbgeben war. Sie musten aber bey dem ersten stehen bleiben. Sie kamen dahin / als es begunte finster zu werden; denn der Neu-Mond fiel erst eine Stunde in der Nacht ein; welches von den Druyden für gar glücklich gehalten wird / welche die Zeiten nicht nach Tagen / sondern nach den Nächten rechnen; weil die Welt aus der Nacht / und die Deutschen vom Dis oder Theuth entsprossen seyn sollen. So bald nun der oberste Priester mit schlagen in ein messenes Becken die Erscheinung des Neumonden andeutete / ward der Wald von viel tausend Lichtern erleuchtet; nichts desto weniger ward alles so stille: daß man gemeynt hätte / im gantzẽ Walde wäre kein Mutter-Mensch zugegẽ. Ja es rührete sich nicht ein Blat auf den Bäumen / denn die Druyden lehren wie Pythagoras: daß Gott eben so wohl durch heiliges Stillschweigen / welches gleichsam eine andächtige Verzuckung abgebe / als durch Gebete verehret würde. Also sahe man nicht ohne Schauern fünf hundert Druyden unter dreyen ungeheuren in meinem vollkommenen Drey-Eck stehenden Eichen unbeweglich sitzen. Sie waren die grösten im Walde / und /der Druyden Meynung nach / die gröstẽ in der Welt; alswelche mit der Welt selbst sollẽ entsprossen seyn. Ihre einander begegnenden Wurtzeln / standen nicht alleine sohoch über der Erden heraus: daß sie gar füglich darauf sitzen konten; sondern etliche beugten sich gar biß zu den Aesten empor: daß man darunter weggehen konte. Westwegen sie die Griechen auslachen /wenn sie die Grösse derer zwey vom Hercules bey Heraclea gepflantzten Eichen viel rühmen wollen. Alle drey Eichen waren häuffig mit Mispel bewachsen / von welchen die Druyden glauben: daß er als was Göttliches vom Himmel entsprosse / alle Kranckheiten heile / die Unfruchtbarkeit und alles Gifft vertreibe / und das Zeichen eines von Gott auserwehlten Baumes sey. An iedem Baume waren zwey Aeste gegen einander zum mitlern Gipfel gezogen / und daselbst zusammen gebunden. Am Gipfel stand mit Purpur-Farbe geschrieben: Thau. An dem Aste gegen Morgen: Hesus. Am mittlern Stamme: Thoramis. Am Aste gegen Abend: Belenos. Erato sahe alles dieses mit grosser Befrembdung an / also: daß sie einen von denen ausser den Gerichts-Schrancken neben ihr stehenden Druys anfangs / ob ihr etwas frey stünde zu erkundigen / mit linder Rührung ihrer Lippen / und als er es verjahete / wenn es nichts irrdisches wäre /fragte: Was diese Nahmen bedeuteten? Der Druys antwortete ihr: Es sind diß alles uhralte Celtische Worte / und bedeuten nichts anders als Gott. Wie denn auch das Wort Thau der oberste Priester der Druyden / wie der der Juden / zu gewisser Zeit an einem güldenen Stirn-Blate trägt. Die Britannier insonderheit halten das Wort Tharamis für den anständigsten Nahmen Gottes / und bedeuten damit den Schöpfer der Welt. Die Gallier halten für den heiligsten den Nahmen Hesus / und zielen eigentlich auf Gott den Herren der Heerscharen / den die Römer Mars / die Phönicier Esnum heissen. Die Noricher und Carner nennen Gott insgemein Belenos / dessen Kleid die Sonne / der Fuß-Schemel die Erde ist. Welchen die Assyrier Bel und Baal genennet / und unter diesem Nahmen an statt Gottes seinen Schatten / nemlich die Sonne angebetet haben. Warumb aber / sagte Erato / werden diese Göttliche Nahmen / wenn sie einen Gott bedeuten / in einer so wohl abgemässenen Drey-Eck mit einander vereinbaret / und durch ein Band zusammen geschlingt? Der Druys antwortete: Hierinnen stecket ein sehr tieffsinniges Geheimnüß.[533] Diese Nahmen deuten mit ihrem Dreyeck eine dreyeinige Gottheit an. Wie wir / daß unmöglich mehr als ein Gott seyn könne / aus vielen unumbstoßlichen Gründen behaupten; also ist dessen Drey-Einigkeit dem / der nur sein Hertze der Andacht / sein Auge der Vernunft / dem Lichte der Weißheit öffnet / leicht sichtbar. Denn wie Gottes Geschöpfe der Mensch ausser sich gewisse Gemächte fertigt / aus sich aber seines gleichen zeugt; also muß der allervollkommenste Gott / der als ein Künstler / ausser sich das grosse Welt-Gebäude aus nichts erschaffen / als ein allgemeiner Vater aus sich selbst seines gleichen / nemlich Gott zu Zeugen / nicht nur vermögend; sondern auch /weil diese Zeugungs-Art die alleredelste / und in Gott können / wollen / und thun / einerley und unzertrennlich sind / geneigt seyn; und also wahrhafft und würcklich von Ewigkeit her / ein göttlich Wesen zeugen. Gottes Liebe gegen irrdische Dinge ist aus derselben Erhaltung gleichsam mit den Händen zu greiffen; wie solte nun Gott seinem können nach /nicht seines gleichen zeugen / damit er etwas habe /was der Völle seiner unermäßlichen Liebe gemäß und würdig sey? Aus dem / daß Gott mit den Menschen /da sie noch nicht so böse waren / geredet / und verträulich umbgegangen / lässet sich seine Neigung zur Gemeinschafft schlüssen. Wer wolte aber so alber seyn / und ihm einbilden: daß er für Erschaffung der Welt in der auch nur mit der langen Schnure der Gedancken unermäßlichen Ewigkeit / in seiner Einsamkeit geblieben seyn solte? Wer wolte glauben: daß der so thätige Gott / dessen Auge niemals über den elendesten Menschen / über den geringsten Wurm schlummert; ohne dessen Vorbewust uns kein Haar vom Haupte fallen kan / der in der Welt alle Augenblicke neue Pflantzen / Thiere und Menschen zeuget /so viel tausendmal tausend Jahre ohne Thun in Müssiggang solle zubracht haben / ehe er in wenig Tagen der Welt Grund gelegt? Nichts in der Welt hat ein Wesen / Leben / Sinnen / oder Vernunfft; es zeuget seines gleichen / auch die / wie Gott / einzele Sonne doch die Strahlen ihr Bild / das sonst alles verzehrende Feuer die Wärmbde / ja iedwedes unfruchtbares Ding zum wenigsten im Spiegel sein Fürbild. Ob nun zwar der Mensch seines ihm eingeflößten Verstandes halber in der Welt ein Ebenbild Gottes ist / weil er unter allen irrdischen Dingen alleine Gott erkennen kan; so ist er doch nicht gezeugt aus seinem Wesen /sondern er hat nur in den zubereiteten Thon durch den Athem seiner Gnade ihm einen Funcken des hi lischen Lichtes eingeblasen. Also ist unglaublich: daß der reiche und vollkommene Gott nicht ein Ebenbild seines eigenen Wesens haben solte. Seine Freude /seine Vergnügung würde nicht ihre Vollkommenheit haben / welche in der Einsamkeit unmöglich zu finden ist. Wie die Sonne ihre Strahlen in sich selbst nicht einsencken kan / also auch nicht Liebe und Freunde. Also kan die Ergötzligkeit nur mit Gesellschafft sich vermählen. Welche Gesellschafft aber kan rechtschaffen angenehm seyn / wenn sie nicht von seines gleichen bestehet? Welche Liebe aber ist nicht unvollkommen / da man das geliebte nicht so sehr liebt / als sich selbst? Läßt sich aber wohl etwas vernünfftig auf diese Art lieben / als seines gleichẽ? Wie könte sich nun die göttliche Liebe in solcher Vollkommenheit auslassen / wenn Gott nicht seines gleichen zeugte? Ja ohne diese Zeugung würde der unerschöpflichen Wohlthätigkeit Gottes der allergrösseste Brunn verstopfet seyn. Gott hat in der Welt nichts geschaffen /was nicht zu was gut / und also wohlthätig seyn könne. Die Sterne flössen ihr fruchtbares Oel nicht nur in die Unter-Welt; die grossen Pflantzen und Thiere bringen nicht nur ihr Gewächse und Kefer; sondern auch der Isop an der Wand / die Regen-Würmer das Geschmeisse / die Käfer die giftigen Kröten /die[534] todten Steine / und das Ertzt üben in der Natur ihre ihnen von Gott eingeflößte Wohlthätigkeit aus /und theilen sich andern zum Nutzen / und zur Vergnügung mit. Und der Brunn alles Guten der wohlthätige Gott solte sich alleine ihm selbst vorenthalten /und sich selbst niemanden mittheilen? Solte seine Wohlthätigkeit allererst mit der etwan vier tausend Jahr stehenden Welt den Anfang genommen haben? Nein sicher! Gott kan niemals gewest seyn / daß er nicht wohlthätig gewest wäre / denn er ist die Wohlthätigkeit selbst. Da aber für Erschaffung der Welt keine Geschöpfe gewest / welchen er hätte wohlthun können / so hat er nothwendig seine Wohlthätigkeit inner sich selbst ausüben müssen. Dieses aber hat nicht geschehen können / ohne eine ewige Zeugung /in und aus sich / welche aber nichts anders seyn können / als seines gleichen / nemlich eine ewige selbstständige Gottheit. Das höchste ist / welches / weil es das höchste ist / mittheilbar hat seyn / und also sich selbst einem mittheilen; und damit iemand diese Mittheilung hat empfangen können / seines gleichen dem Wesen und Willen nach / iedoch unbeschadet seiner unzertrennlichen Einigkeit / hat zeugen müssen. Denn die gebende Hand kan ja nicht zugleich schlechter dings seyn die empfangende. Gleichwol aber ist in Gott nichts zertheilbares / nichts ungleiches / nichts zeitliches / sondern alles eines / unermätzlich / ewig /und hat diese warhafte Zeugung weder Anfang noch Ende. Weil auch Gott in seinem Wesen eitel Verstand ist / hat die Zeugung auch nur durch solchen Verstand / und wie der Sonnen-Strahl von der Sonne / also die selbstständige Weißheit Gottes / von dem selbstständigen Verstande gezeuget / und wegen Gottes Unzertrennligkeit / nur einem das gantze Bild des Zeugenden eingedrücket werden können; welches wir / weil es die menschliche Zunge nicht besser aussprechen können / das Wort / die Weßheit / und den Sohn Gottes nennen. Demnach nun die Eigenschafft eines ieden Zeugenden ist: daß er diß liebe / was er zeuget / und des Gezeugten / daß er den Zeugenden liebt; so muß aus Gott dem Zeugenden / und aus Gott dem Gezeugten / etwas drittes gezeugt werden / nemlich die Liebe / welche aber / weil Gott aus sich selbst ihm nichts ungleiches zeugen kan / eben so wohl / als das / was allein der Zeugende zeugt / der selbstständige Gott /und weil Gott unzertrennlich / mit denen zwey Zeugenden einerley Wesen seyn / und in dem Zeugenden bleiben muß. Lasse dir biß nicht frembde fürkommen / und erinnere dich: daß dein Verstand in sich viel Gedancken zeuget diese aber zeugen vermittelst des Urthels den Willen; alles aber bleibet doch im Verstande / und kommet ausser ihm nicht. Weil nun Gott das allereinfältigste Wesen ist; so sind und bleiben diese drey eines. Es ist in ihnen wohl eine Ordnung / aber kein Vorzug oder Trennung; sondern alle drey sind ewig / unermäßlich / und nicht mehr / als dem Wesen / dem Verstande / und Willen nach / ein Gott. Kanst du es anderer Gestalt nicht fassen; so dencke: daß deine Seele nur ein einfaches Wesen / gleichwohl in ihr drey besondere Dinge / nemlich der Verstand / der Wille und das Gedächtnüß begrieffen sind; und daß auf diese Art deine Seele wo nicht ein Ebenbild / doch ein Schatten des dreyeinigen Gottes sey. Die Königin Erato ward über dieser Erzehlung gantz vergeistert /und fieng an: O welch eine Tieffe der Weißheit und des Verstandes! Wer kan seine von der schweren Eitelkeit angefeuchtete Flügel der Gedancken in solche alle Vernunfft übersteigende Höhe empor schwingen? Höre auf / weiser Druys / meine Einfalt mit so tieffsinnigen Lehren zu überschütten / oder vielmehr meinen albern Verstand zu erstecken. Mein Haupt schwindelt mir; meine Augen werden düstern; gleichwohl aber werde ich durch eine brennende Andacht zu diesem dreyeinigen Gotte entzücket: daß ich nicht[535] mehr in mir selbst bin. Der Druys fragte sie mit freudigen Geberden: Ist es wahr: daß dein Hertze eine solche Bewegung fühlt / und deine Seele einen solchen Zug empfindet? Erato antwortete: Es ist in alle Wege wahr. Aber meine Gedancken haben sich verstiegen: daß sie wie die nach den Gemsen kletternden keinen Rückweg wissen. Mein Verstand schwimmet auf einem unermäßlichen Meere / da ich nirgends kein Ufer sehe / und zu meiner Leitung keinen Compaß habe. O glückselige Seele! fieng der Druys weinende an; die du durch ein so geschwindes Licht der Göttlichen Barmhertzigkeit in einem Augenblicke so sehr erleuchtet worden bist / als ich durch funfzehn-jähriges Nachdencken kaum kommen bin. O glückselige Seele! die du von dem ersten Funcken deiner Erleuchtung durch das heilige Feuer der Andacht schon bist angezündet worden. Freue dich! daß du mit dem alleine wahrhaften dreyeinbaren Gotte vereinigt bist! denn eine solche brennende Andacht ist das rechte Band zwischen Gott und der Seele; und deine Verzuckung ist schon ein Vorschmack deiner künftigen Unsterbligkeit; da dein ietzt verdüsterter Verstand verkläret werden / und den unsichtbaren Gott allererst recht sehen wird; da deine Seele in einem Meere solcher Wollust schwimmen wird / aus welchem ein vertheilter einiger Tropfen allen Menschen für der Bitterkeit ihres Lebens einen heftigen Eckel erregen würde. Erato seufzete / und ließ sich bedüncken: daß sie in ihr Hertze vom Himmel einen so süssen Thau flüssen fühlte / welche alle Anmuth der Welt überträffe. Dahero sie auch sich nicht enthalten konte / ziemlich laut zu ruffen: Wie wird mir? ich vergehe für Wollust! Der Druys sahe sie nur an; weil er entweder für Freuden /oder für Wehmuth nicht reden konte. Seine Augen aber hatten sich in zwey Brunnen verwandelt / welche zwey häuffige Thrähnen-Ströme auf die zur Erden gesunckene Erato ausschütteten. Nach einer langen Weile kam Erato gleichsam aus einem Traume wieder zu sich selbst / und fieng an: Weisester Druys! Nimmermehr werde ich deinen Unterricht aus meinen Gedancken / und keines andern als des dreyeinigen Gottes Anbetung in mein Hertz kommen lassen. Aber /sage mir / wie es zugehe: daß diese heilsame Lehre in der Welt so seltzam und verborgen ist? Haben alleine die Druyden hiervon Wissenschafft? Hat kein ander Weiser der Welt dieses Geheimnüß erblicket? Der Druys antwortete ihr: Diese Sorgfalt hat mich lange Jahre gequälet / und ich habe nicht Ruhe gehabt / biß ich alle Bücher der Griechen und Britannier / die wir in unsern Schulen haben / durchblättert. Da ich denn wohl gesehen: daß Orpheus von dem wesentlichen Worte Gottes / welches Gott zu erst herfür gebracht /und die Welt erschaffen / gesungen habe. Hieraus hat man hernach die Zeugung Minervens aus dem Gehirne Jupiters auf die Bahn gebracht; Pherecydes hat gelehrt: daß als Gott die Welt schaffen wollen / habe er sich in die Liebe / welche der Anfang aller Dinge wäre / verwandelt; und Pythagoras schrieb solch Werck der Weißheit Gottes / und die höchste Vollkommenheit der dreyfachen Zahl zu. Zeno hat gelehrt: Das Wort sey Gott / und der Geist Jupiters. Socrates aber und Plato: Es wäre ein selbständiges Bild / ein Verstand Gottes / welchen Gott durch Erkäntnüß seiner selbst gezeuget. Durch solch Bild / durch solch allergöttlichstes Wort aber die Welt geschaffen hätte. Gott wäre die unsichtbare Sonne / und der Brunn des Guten / das Bild / der Verstand / und das Wort aber der Sohn des Guten durch dessen Mittheilung die Menschen sähen / iedoch wäre der Herr / als der Ursprung aller Dinge / und dieses Herren Vater nur eines. Uber das göttliche Gute / und den göttlichen Verstand lehrt Plato noch die Seele der Welt; zielet also wohl auf unsern dreyeinigen Gott; aber die[536] Griechen reden hiervon mit verborgenen Retzeln / und verstecken die Wahrheit hinter ihre Getichte; daß zwar ein Erleuchteter in ihren Schifften ein Licht findet; ein Unerleuchteter aber darinnen im finstern tappet. Weil aber Orpheus / Pherecydes / Pythagoras und Plato alles von den Egyptischen Priestern / wir aber von diesen keine Bücher haben / kam mich die Lust an / selbst dahin zu reisen / umb die Reinligkeit aus dem Brunnen zu schöpfen; denn ie weiter das Wasser und die Lehre vom Quelle entfernet ist / ie mehr haben beyde Beysatz. Ich bekam daselbst die Schrifften des weisen Zoroasters zu Gesichte / und fand darinnen: daß Gott der Vater alles gemacht / und seinem andern Verstande gegeben hätte auszutheilen / welchen das menschliche Geschlechte wie den ersten verehrte. Dieser göttliche Verstand habe alleine die Blume des Verstandes abgebrochen / aus dem Vermögen des Vaters / besitze also die Krafft des Verstandes und die Tugend den väterlichen Verstand dem Anfange und denen Brunnen der Dinge auszutheilen. Aus dem Verstande aber wäre die sich in Feuer kleidende Liebe entsprossen: daß sie zwischen ihnen ein brennendes Band wäre / und mit ihrer ausgebreiteten Wärmbde die Ströme der Brunnen milterte. Als ich mich aber bey meinem Lehrer über diese Tunckelheit beschwerte / legte er es mir derogestalt aus: Gott habe durch blosses Dencken gezeugt den Verstand / und den menschlichen Gemüthern eingesämet eine Gleichheit oder Bild dieses Verstandes / durch den blossen Willen aber wäre die Liebe allen Dingen zu ihrer Erhaltung eingeflößt worden. Nach diesem wieß man mich zu dreyen porphyrenen Säulen in Memphis /darein der dreymal grosse Hermes seine Lehre geschrieben / wenn ja seine Bücher durch Ergiessung des Nils verterbet würden. An der ersten Säule stand: Gott / welcher der Verstand / das Leben / das Licht / und beyden Geschlechtes ist / hat gebohren das Wort / welch Wort der Verstand und aller Dinge Schöpfer ist / und mit ihm noch einen / welcher ein feuriger Gott / und seine Gottheit Geist ist. Dieser Verstand / weil er alle Fruchtbarkeit in sich hat / hat das Wasser bebrütet / und es fruchtbar gemacht. Also ist er viel älter / als die wäßrichte Natur / welche aus dem Schattẽ entsprossen. An der andern war zu lesen: Gott und der Verstand sind nicht von sammen unterschieden. Beyder Vereinbarung ist die Vereinbarung des Lebens. Der Verstand ist der einige wahrhafte erst-gezeugte Sohn Gottes / von Gotte herkommend / unerschaffen / unendlich / ewig / unverän derlich / unverterblich / mit Gott eines / ihm gleich / und mit selbstständig. An der dritten war eingegraben: Gottes Geist ist dem Wollen Gottes /wie sein Werckzeug unterworffẽ. Dieser macht alles lebendig / er erfüllet alles / er ernähret die Seelen / wie die Welt die Leiber. Nichts kan dieses Geistes entpehren / denn er wärmet / beseelet alles / und aus seinem Brunnen entspringt die Hülffe aller Geister / und alles dessen was lebt. Durch ihn ist die Welt entsprossen / und er hat iedem Gestirne seinen Platz zugeeignet. An dem Fusse der erstern stand: Hilff mir / du Anfang aller Dinge; ich beschwere dich durch den Himmel das weise Gemächte des weisen Gottes. An der andern:[537] Ich beschwere dich Wort / welches der Schöpfer der Welt zum ersten fürbracht. An der dritten: Ich beschwere dich durch den alles in sich begreiffenden Vater / und durch sein eingebohrnes Wort! Endlich brachte ich bey meinem Lehrer mit vielen heissen Thränen zuwege / daß er mir in einer unterirrdischen Höle des grossen Serapischen Tempels die in Marmel eingegrabene Antwort zeigete / welche Serapis dein Könige Thuclis gab / als er fragte: Was für Könige für ihm in Egypten geherrscht hätten / und herrschen würden: Der erste Gott / hernach das Wort /und mit diesen der Geist. Alle diese sind einander verwand / und in eines eingewickelt. Seine Macht ist ewig. Fleuch! fleuch geschwinde von hier / o Sterblicher! der ist viel besser als du / der in Unwissenheit sein Leben führt. Die Königin Erato fiel nach seiner geendigten Erzehlung ein: O was ist diß für eine Finsternüß gegen deinem Lichte! Ich verstehe ja wohl etwas von ihrer Meynung / nach dem du vorher mein Leitstern gewest. Sie sagen zwar etwas; darzu aber ein grosser Glaube gehöret. Allein dein Lehren bestehet auf eitel Gründen; und du leitest die blinde Vernunfft bey der Hand / und führest sie zu dem Lichte /da Grieche und Egyptier im Schatten der Unwissenheit sitzen. Der Druys versetzte: Es ist wahr die klügsten Weltweisen vieler Völcker haben in etlichen tausend Jahren nicht so viel / als du heute in einer Viertel-Stunde begrieffen. Sie wissen nicht / was sie aus Gott machen sollen. Sie nennen ihn ein Ding / weil unter ihm alle Dinge sind / aber auch ein Unding /weil ihm kein ander Ding gleich / und er von keinem Menschen begriffen werden könne. Ja etliche nennen ihn alles / welches nichts ist / und nichts ist / welches doch alles ist. Sie heissen ihn so bald eine Finsternüß / als ein Licht / weil ihr düsterner Verstand den unbegreifflichen nicht begreiffen kan. Erato fiel ihm bey /und sagte: Sie hätte noch von ihrem Lehrmeister gehöret: daß Simonides / als er gefragt worden / wer Gott eigentlich wäre / biß an seinen Tod immer Aufschub gebeten hätte. Und ihr Lehrmeister hätte sie beredet: Die Natur wäre wohl ein Spiegel Gottes / aber weil kein menschlich Auge ihn genung zu betrachten und zu verehren wüste / liesse er sich nur wie eine Neben-Sonne im Segen-Scheine einer Wolcke sehen. Alleine er hätte ihr heute das Fell der Blindheit von ihrẽ Augẽ abgezogen / daß sie mehr wüste als alle Weltweisen im Morgenland. Der Druys begegnete ihr: In keinerley Weise. Diß wenige / was er wüste / hätte er von einem Juden zu Jerusalem gelernet / aus welcher Schule die Chaldeer und Egyptier alles gelernt hätten / was sie iemals gewüßt. Aber alles diß / was er und die allerweisesten von Gott wüsten / wäre nur ein Sonnen-Staub von dem / was Gott wahrhaftig wäre / und was man durch seine Anschauung in der Unsterbligkeit zu sagen wissen würde. Bey diesen Worten schlug der oberste Priester dreymal an das schwirrende Becken / worauf alles Augenblicks zu Bodem fiel / und mit den Antlitzen auf der Erde im Staube Gott mit andächtigem Gebete eine halbe Stunde lang verehrten. Niemand rührte darbey einige Hand oder Fuß / und man hörete nichts / als viel Seufzer der Betenden. Als der oberste Priester das Zeichen gab /kam ein ieder wieder an seinen ersten Ort; die Opfer-Knechte brachten drey schneeweisse Ochsen / welche geschlachtet / und auf dreyen unter denen drey Eichen stehenden Altaren geopfert wurden. Nach vollbrachtem Opfer ward von dem obersten Priester mit diesen Worten das Gerichte gehegt: Gott / der die Gerechtigkeit selbst ist / hat kein grösser Geschencke den Menschen gegeben / als die Gerechtigkeit. Ohne diese kan die Welt nicht bestehen / ohne sie wären alle Reiche Schlacht-Bäncke / ja Räuber und Mörder selbst könnẽ ihr nicht gar entpehrẽ. Weil aber der[538] Menschen Irrthum offt wider Willen von der Richtschnur der Gerechtigkeit abschreitet / oder die Boßheit derselben Gewalt anfügt / muß sie durch Gerichte in ihrem Stande erhalten / und dardurch die gemeine Ruh und Wohlfarth befestigt werden. Dieses geschihet / weint einem ieden diß / was ihm zustehet / zugeeignet wird /dem Gläubiger die Schuld / den Verdiensten der Lohn / den Lastern die Straffe. Unser Vaterland hat für Alters den Priestern das Erkäntnüß hierüber anvertraut /weil es sie für Gottes Stadthalter und Redner gehalten. Erweget diesemnach: daß ihr / die ihr hier den Richter-Stul betretet / an Gottes Stelle sitzt. Urtheilet daher nach der Göttlichen Erleuchtung eures Verstandes / nach der Zärte eures Gewissens / und wie ihr selbst von Gott und Menschen geurtheilet zu werden verlanget. Im Nahmen Gottes geschehe einem ieden /was recht ist. Hiermit wurden die äusersten Schrancken geöffnet / und durch einen Gerichts-Vogt ausgeruffen: Die Geladenen / und wer sonst der Rechts-Hülffe von nöthen hat / sollen erscheinen. Es wird iedem wiederfahren / was Recht ist. Hiermit trat so wohl Ismene als der Druys Luitbrand in den mitlern Schrancken. Beyder Antlitzer und Geberdẽ waren aber von einander weit entfernet. Ismenens warẽ voller Freudigkeit / Luitbrands voller Schwermuth. Denn Unschuld zeigt sich zwischen Blitz und Erdbeben unglaublich klug und behertzt. Was kan aber der in Gefahr für Vor- und Zuversicht haben / welcher von seinen Unthaten in seinem Gemüthe unaufhörlich gequetscht und genaget wird? Gleichwohl hob dieser eine hochtrabende Rede an / darinnen er ausführte: Der Gottes-Dienst wäre der erste und fürnehmste Pfeiler aller Reiche / und so nothwendig zu ihrer Erhaltung: daß ihrer viel ihn für eine Erfindung der Staats-klugen gehalten. Die Gottes-Furcht wäre der Ancker der gemeinen Wohlfarth. Deñ wer wolte sich für Menschen scheuen / ihren Gesetzen sich unterwerffen / der Gott verachtete? Niemanden aber wäre die Gottesfurcht nöthiger als den vorleuchtenden Sternen dieser Welt / nach derer Beyspiele sich die Unterthanen mehr richteten / als nach ihren Gebothen. Denn dieser Schärffe verhärtete sie nur / jene aber flößten ihnen einen liebkosenden Zwang zur Nachfolge ein. Dahero die göttliche Versehung auch auf sie stets ein genauer Auge hätte / als auf gemeine Leute /nicht weniger / als die Natur über Bildung des Auges mehr Fleiß anwendete / als über andern Gliedern; weil jene solten dieser Wegweiser seyn. Gott und die Sonne betheilten zwar die gantze Welt mit ihren Wohlthaten; wie aber diese einen gekrönten Granat-Apfel-Baum mehr / als einen Hage-Dorn; also jener mehr die Herrscher / als den Pöfel. Sie wären die Ringe oder Nadeln / welche unmittelbar von dem Magnet-Steine bestrichen würden; und daher viel mehr Krafft / als die erst von ihnen bestrichenen hätten /das Eisen zu ziehen / und den Angelstern zu zeigen. Diesemnach erforderte Gott und ihr eigen Gewissen von ihnen eine desto grössere Frömigkeit / umb tausend andern diß zu seyn / was ein Leuchte-Thurm den Schiffenden ist. Daher hätten kluge- sonderlich aber die Cheruskischen Fürsten sich iedesmal einer besondern Heiligkeit beflissen. Denn diese umbstrahlte mit ihrer Schönheit die Menschen / und hätte eine mächtige Krafft durch Verwunderũg über ihrem Glantze /die Gemüther an sich zu locken. Diesemnach wäre ihrer vielen die Gottes-Furcht eine Treppe auf den Thron / und dem Könige Philipp der Krieg wider die Gottsvergessenen Phocenser eine Ursache des bemeisterten Griechenlands gewest; weil iedermann ihn für den nechsten bey den Göttern hielt / der der Götter Beleidigung rächete. Die Römer gestünden / daß die Hispanier an Menge / die Africaner an List / die Gallier an Stärcke / die Griechen an Kunst / die Deutschen an Hertzhaftigkeit überlegen wären; und daß sie alleine durch eivrigen Gottes-Dienst sich zu Meistern der Welt gemacht hätten. Viel Völcker hätten[539] destwegen wie noch itzt die Römischen Käyser / die oberste Priesterschafft mit der Herrschafft vereinbart. Midas in Phrygien hätte sich vom Orpheus zum Priester einweyhen lassen. Bey den Egyptiern könte keiner König seyn / der nicht auch Priester wäre; und in Cappadocien vermöchte der Bellonen Priester fast mehr / als der König. Nachdem die meistẽ aber gesehen: daß diese Würde einen gantzen mit weltlichen Händeln unbeschäfftigten Menschen erforderte / hätten doch fromme Fürsten iedesmal die Priesterschafft / als den Aug-Apfel Gottes / in Ehren gehalten / insonderheit die Deutschen sie zu allen wichtigen Rathschlägen gezogen / und sie zu beleidigen für gröstes Laster und ihren Untergang gehalten. Allem diesem aber hätte die Fürstin Ismene zu wider gelebt. Nach dem sie mehr ihrer eitelen Liebe nachgehangen / als das gemeine Beste Deutschlands durch Eingehung anständiger Heyrath befördern wollen / wäre er von dem ihr zu gebieten habenden Feldherrn erkieset worden / ihr bescheidentlich einzureden. Das ihr übel bewuste Gemüthe aber hätte seine wolgemeinte Erinnerung wie glüendes Eisen das Kühlwasser mit sprüen und schäumen angenommen / welches das gewisseste Zeichen getroffener Boßheit wäre. Das Oel seiner sanfften Worte hätte ihren verkehrten Sinn nur verärgert. Denn ein solch Hertze wäre unempfindlicher als Marmel. Treue und bewegliche Ermahnungen versteinerten es / an statt daß sie es zu weichem Wachse machen und schmeltzen solten. Seine eigene Verachtung wolte er gerne verschmertzen. Deñ die Erkäntnüs seiner Schwachheiten hielte ihn selbst für den allerverächtlichsten. Er wüste die genaue Verwandnüs zwischen dem Gliede und Leibe wol: daß die jenem angethane Unehre diesen nothwendig berühre; aber er bäte selbst seines nicht mit auf die Wagschale ihrer Schuld zu legen. Daß sie aber den heiligen Orden der Druyden / in welchem er der geringste wäre / als gottlose Leute verläumbdet / wäre ihm durchs Hertz gegangen; und könte von ihm nicht verschwiegen werden / ob er schon mit Ismenens Vergehung ein Mitleiden hätte. Denn was könte dem Gottesdienste mehr Abbruch thun / als wenn dessen Vorsteher in der Welt einen so schlimmen Ruff haben solten? Aber auch diese Beschwärtzung würden die heiligen Druyden leicht verachten können. Die reinesten Flammen wären nicht ohne Rauch; und denen / welche den besten Nahmen in der Welt hätten / würde bisweilen übel nachgeredet. Wolte GOtt! Ismene hätte sich hiermit nur vergangen. Alleine sie hätte den Druyden die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle aus den Händen gerissen /welche ihnen der grosse GOtt gegeben hätte. Die Schlüssel / welche kein irrdischer Mensch ohne Schrecken anrühren könte; ohne welche die Druyden ohne Priesterschafft / die Welt ohne Gottesdienst wäre. Denn zu was Ende würde GOtt von den Frommen verehret / von den Bösen gefürchtet; als daß diese ihre unsterbliche Seele nach Ablegung des leiblichen Kleides befreyet / jene sie aber mit GOtt und unaufhörlicher Wollust vereinbart wünschen? sintemal in diesem Leben die Lasterhaften mehrmals auf Rosen / die Gottsfürchtigen auf Dornen giengen? Wenn die Priester keiner Seele den Himmel oder die Hölle aufzuschlüssen hätten / was wäre es anders / als daß sie mit dem sterblichen Leibe verschwinden müste? Wer aber nicht die Unsterbligkeit der Seelen glaubte / glaubte auch nicht / daß ein GOtt wäre. Denn nichts sterbliches wäre fähig was unsterbliches zu begreiffen. Und wenn unvernünftige Thiere GOtt abbilden solten / würden sie ihres gleichen mahlen. Zwischen GOtt und der Seele wäre eine feste Verknüpffung. Wie die Wurtzel der Sonnenstrahlen in der Sonne / ihre Spitzen aber auf der Erdkugel wären; also wären die Seelen zwar in menschlichen Leibern /aber sie wären doch mit GOtt als ihrem Brunnquell verknüpfft. Wer nun von diesem Bande und[540] Ursprunge nichts wüste / könte auch nichts von GOtt wissen. Wer aber den nicht glaubte / der könte unter der Gemeinschaft ihres Gottesdienstes / ja schwerlich der Menschen geduldet werden. Ismene hörete dem Luitprand mit Gedult / und ohne einige Veränderung des Antlitzes und Gemüthes zu / als er auf die Beschuldigung kam: daß sie nicht die Unsterbligkeit der Seelen / und endlich gar nicht GOtt glaubte / überlief sie der Eyver / und die Galle / und das Geblüte. Sie mühte sich aber / alle diese Regungen bald nieder zu schlagen / umb bey ihrer Vertheidigung in keine Verwirrung zu gerathen. So bald er nun geschlossen / fieng sie mit einer grossen Freymüthigkeit an: Ich habe hier einen Ankläger zu hören vermeint / so aber habe ich gehört einen Verläumbder. Ich dachte für mir einen weissen Druys zu finden / so sehe ich einen schwartzen Werckzeug der Finsternüs. Er meinet ihm zwar durch das Lob des Gottesdienstes / der Gottesfurcht und der Priesterschaft eine Farbe anzustreichen; aber in seinem Thun finde ich nichts Priesterliches / auf seiner Zunge keine Gottesfurcht / und in seinem Hertzen keinen GOtt. Denn da er wüste / was GOtt wäre /würde er nicht glauben: daß ein so rasender Mensch in der Welt lebte / welcher ihm aus dem Sinne reden könte: daß kein GOtt wäre. Ich glaube nicht: daß ein Mensch jemahls gelebt habe / dem sein Hertze nicht gesagt / sein Gewissen nicht überzeugt / seine Vernunfft nicht überwiesen habe: daß ein GOtt sey. Wer GOtt nicht erkennet / muß nicht nur seines Verstandes / sondern seiner Sinnen beraubt seyn. Er muß nicht wissen: daß er eine Seele habe. Denn der Seele Wesen ist GOtt / von dem sie und ihr Wissen entspringt. Ich weiß wol: daß für Zeiten Diagoras / Theodorus von Cyrene und Eyhemerus Tegeates dessen beschuldiget worden / aber sie haben mehr die Abgötter verhöhnet / als GOtt verleugnet. Welcher Mensch ist so alber /den nicht der Strom zu seinem Brunnen leitet? Wer wil glauben: daß ein Fluß ohne Quell / ein Baum ohne Wurtzel sey? Und ich solte nicht wissen: daß dieses grosse Weltgebäue einen Schöpffer / einen Erhalter haben müsse? Was aber solte der anders als Gott seyn? Wer solte die unbegreiflichẽ Kreisse des Himmels / die Sonne / die Sternen / in so wunderwürdigen Ordnung bewegen? da doch keines in sich so viel Leben als eine Mücke / und noch weniger Vernunfft hat. Wer solte zwischen dem kalten Wasser und heissen Feuer / zwischen der leichten Lufft / und der schweren Erde / in so langer Eintracht erhalten /da ihre Eigenschafften einander so zu wider sind? Welche verstimmte Laute stimmet sich selbst? Geschiehet aber alles nur ungefehr? Woher treffen unsere Zeiten-Rechnungen so genau ein? Wie können wir auch künfftige Finsternüsse / den Stand und die Würckungen der vereinbarten Sterne auf tausend Jahr hinaus ausmäßen? Warumb überschreitet die Sonne niemals die zwey Kreiße der zwölf himmlischen Zeichen? Warumb wechseln Frühling / So er / Herbst und Winter so richtig mit einander ab? Wer giebet so vielen tausend Pflantzen Leben und Wachsthum? Wer unterscheidet sie und die Thiere mit tausenderley Gestalten und besondern Eigenschafften? Wer bereitet den menschlichen Leib in Mutterleibe; also daß ihn kein Seidenstücker künstlicher und schöner weben und mahlen könte? Wer flößet ihm so eine vernünfftige Seele ein; welche alle dis nicht ohne Wunderwerck begreiffen / ja sich selbst zu dem unbegreiflichen GOtte schwingen kan? Warlich! der alleralberste Mensch muß hierüber die Augen aufthun / und glauben: daß dis Reichthum aus einer fruchtbaren und unerschöpflichen Macht herriñen; diese Ordnung von einer unermäßlichen Weißheit / welche für die Richtschnur aller Dinge in der Welt zu halten wäre / fürgeschrieben werden müsse. Und ich / wenn ich gleich nur aus diesem Brunnen den hundersten[541] Theile meiner Vernunfft geschöpfft hätte / würde durch diese einige Eichel (diese hob Ismene von der Erde auf) überwiesen werden: daß ein GOtt sey. Sintemal alle Menschen in der Welt mit versammleter Krafft nicht eine einige machen können. Was vertheidige ich mich aber destwegen wider diesen Verläumbder? Solche Schutz-Reden kommen nur Unsinnigen zu statten. Denn diese alleine können nur an dem zweifeln / was alle wilde Völcker der Menschen bekennen / nemlich daß ein Gott sey. Kan aber meine Seele den unsterblichen Gott begreiffen / wie kan ich glauben: daß sie sterblich sey? Nichts in der Natur sättiget sich mit was besserm / als es selbst ist / wie solte sich denn eine sterbliche Seele an dem unsterblichen GOtte durch Verstand und Andacht speisen? Weil aber meine Seele an dieser unversehrlichen Warheit vergnüget /wäre ich unvernünfftig / wenn ich sie nicht für unsterblich hielte. Es ist in alle wege merckwürdig / daß außer dem einigen Menschen sich kein ander Thier des Gebrauches des Feuers bedienet / welches etwas himmlisches und den Sternen gemäßes / und daher von den Persen für einen GOtt verehret worden ist. Dieses dient zu einer nachdencklichen Erinnerung: daß der Mensch gar was besonders für andern Thieren / und eine Verwandschafft mit GOtt und dem Himmel haben müsse. Wie denn auch unsere Seele unwidersprechlich ein geistiges Wesen ist / und nichts leibliches an ihr hat / welches allein der Veränderung und Vergängligkeit unterworffen sey. Sie beweget sich von sich selbst; also kan die Bewegungs Krafft von ihr nicht getrennet werden / worinnen das Leben besteht. Ja sie ist selbst das wesentliche Leben des Menschen / wie wäre es nun möglich: daß sie sterben könte? Sie bestehet für sich selbst / und ziehet in den Leib / wie in ein Gasthauß nur auf eine kurtze Zeit ein; darf also keines andern Wesens / welches sie beseele. Und weil sie einfach und unzertheilbar / kan ihr nichts / was zu ihrem Leben und Vollkommenheit nöthig wäre / benommen werden. Unsere Seele hat drey Kräfften. In der Finsternüs des mütterlichen Leibes lebt und wächst sie nur mit den Pflantzen. Wenn die Natur die vollkommene Frucht wider Willen von sich stößt / fängt die Seele in dem Bauche dieser Welt /und in dem Kerker des Leibes an zu fühlen / zu sehen / zu hören. Sie erblicket zwar durch das Schauglaß der Vernunfft in dem Buche der Natur etlicher massen den Schöpffer aller Dinge / aber das Gefängnüs seiner irrdischen Hütte hindert sein rechtes Erkäntnüs. Wenn aber der Mensch durch den Tod sich solcher Beschwerde entschüttet / kommet die Seele allererst durch diese andere Geburt in ihre Freyheit / und ihr drittes vollkommenes Leben des Verstandes. Unsere Eitelkeit kan sich hierbey des Zweifels gar schwer entledigen / denn die Last des Leibes hemmet allzu sehr den Flug der feurigen Seele. Aber würde doch eine in Mutter-Leibe beschlossene Frucht auch schwerlich ihrer Mutter Glauben beymäßen / wenn sie selbter schon beybringen könte: daß sie aus einem so engen Gefängnüsse / bald in eine so weite Welt / und an das Licht der wundersamen Sonne versätzt werden würde. Also ist uns die Glückseeligkeit des künftigen Lebens auch in diesem Kerker unbegreiflich. Gleichwol aber ist die Seele niemals reger und aufgeweckter / als wenn sie dem Sterben als ihrer Erledigung am nechsten ist. Ja wenn die Augen uns schon brechen /oder durch Verzückung sich schon gleichsam des Leibes gar entäusern / so schärffet sich ihr Gesichte: daß sie bis in die Ewigkeit / und in das Buch des Verhängnüsses blicket / also nicht selten künfftige Dinge wahrsaget / ihrem Seegen oder Fluche einen grossen Nachdruck giebt. Ja wenn auch jemals im Leben ein Epicurer an Unsterbligkeit der Seelen gezweifelt hat /wird seine Seele wie ein Maulwurff beym Sterben sehend / schwimmet aus[542] denen sie ersäuffenden Wollüsten empor / erblicket ihr künfftiges Leben / und erkennet seine Todesstunde für den andern Geburts-Tag seiner Seele / also sich nicht zu verwundern: daß Cleombrotus aus Begierde bald der Unsterbligkeit zu genüßen / sich ins Meer stürtzte; daß die Nachfolger des Plato wie auch Cato von Lesung seines Buches Phedon von der Unsterbligkeit der Seele eine unmäßige Begierde bald getödtet zu werden bekamen: daß die nackten Weltweisen in Indien mit so freudigem Geiste auf die lodernden Holtzstöße steigen / und mit Einäscherung ihrer Glieder die Unsterbligkeit der Seelen so nachdrücklich behaupten. Sintemal sie wol wissen: daß es mit ihrem sterbenden Leibe wie mit Zerbrechung eines Brüt-Eyes zugeht / aus welchem ein Hühnlein / und also was köstlichers heraus kreucht / als es selbst ist. Und wolte Gott! daß ich allhier durch einen so rühmlichen Tod diese Warheit bewehren / und dich hieran allem Ansehn nach zweifelnden Luitprand überzeugen solte. Ich wünsche dir aber nur einen Funcken von dem sehnlichen Verlangen /welches ich nach dem künftigen Leben meiner Seele in mir unterhalte / und mir ein unfehlbares Kennzeichen einer den Leib überlebenden Seele ist; welche Begierde bey dem Tode am allerfeurigsten wird. Welches Menschen Geist ist so niedergeschlagen: daß er nicht nach seinem Tode / wo nicht anders / doch durch rühmliche Thaten / oder in Gebäuen und Grabeschrifften / gerne sein Gedächtnüs / nemlich einen Schatten seines Lebens verlassen wolte? Dieser unterscheidet uns von andern Thieren / die an kein künfftiges Leben gedencken / weil sie es gantz mit ihrem Blute ausschütten / und versichert uns unser Unsterbligkeit. Denn warum schwindelt uns bey ihrer Betrachtung nicht so sehr / als wenn wir zurück an die Ewigkeit gedencken? Sicherlich nur darumb / weil dieser nur Gott / jener aber auch unsere Seele fähig ist. Wie solte diese aber sterblich seyn / welche die vergangene und niemals wiederkommende Zeit durch ihr Gedächtnüs unter ihre Botmässikeit bringt / und sie ihr in ihrem Spiegel als gegenwärtig vorstellt? ja / welche dis / was schon für tausend Jahren vergraben und vermodert ist / lebendig / auf künftige Fälle Anstalt machen; also der Zeit und dem Tode / und ihrer beyder Verzehrung nicht unterworffen seyn kan. Der Leib muß ja wol vergehen / wenn er veraltert / und durch seine Nahrung nicht mehr verneuert wird. Aber die Seele ni t mit dem abnehmenden Leibe / wie die Feuchtigkeit der Zwiebeln mit dem abnehmenden Monden zu; je weniger Leib / je mehr Verstand / sie speiset sich mit nichts irrdischem; sondern an sich selbst / an tieffem Nachsinnen / und an himmlischen Dingen. Die Sinnen des Leibes würcken nicht in sich selbst / sondern außerhalb sich; das Auge siehet / und das Gehöre höret sich nicht selbst; der Verstand aber thut alles / wie Gott in ihm und mit sich selbst; also daß die Seele ohne den Leib ihre Verrichtungen vollenden / und nach dessen Trennung bestehen kan. Der Leib überfüllet sich leicht mit den Trebern der Erde; je mehr aber die Seele mit ihrem Verstande fasset / je begieriger und hungriger ist sie nach der Weißheit. Jemehr der Verstand sich der euserlichen Sinnen entschläget / und die leiblichen Augen zuschleußt / je höher schwingt er sich empor. Je weiter etwas von der Erde entfernet ist / je leichter begreifft es die Seele. Sie entfernet sich von dem Leibe / trennet sich von den Sinnen / umbsegelt in einem Augenblicke gantz Africa / sie umbfähret mit ihrem Verstande den Himmel tausend- ehe die Sonne auf ihrem Wagen einmal. Sie begreiffet den Himmel und die Erde mit ihrem Verstande / welcher die Seele der Seele / wie der Augapffel das Auge des Auges ist / und selbst Gott / wo nicht mit ihrem Erkäntnüsse / doch mit Liebe und Andacht. Wie der Leib eine keine Welt / oder ein Begrief der grossen ist; also ist die Seele ein kleiner Gott /[543] und ein Tempel oder Wohnstadt des grossen Gottes. Wie solte sie denn nicht tauerhaffter seyn / als die irrdische Seele des Viehes? die Sinnen des Leibes haben Abscheu für allzu heftiger Empfindligkeit; das Fühlen fleucht den Brand / der Geschmack die Schärffe des Saltzes und Pfeffers / das Gesichte die Strahlen der Sonne; aber die Seele ist das höchste und tiefsinnigste / das angenehmste. Denn diese leidet nicht / sondern sie thut und würcket; sie bildet und beseelet den menschlichen Leib: daß er ein Mensch ist; sie aber selbst hat für sich keinen verterblichen Talg an sich; also kan der nur irrdische Dinge überwältigende Tod ihr auch nichts benehmen. Behalten doch die verbrennten Kräuter in ihrer Asche ein grosses Theil ihrer kräfftigen Eigenschafften; ja einige Künstler haben die Rosen aus ihrem Staube wieder auferweckt / und zum ersten Wesen bracht. Mit dem Leibe des Menschen aber solte der gantze Mensch sterben? Haue mir / Luitprand / zur Sättigung deiner Rache einen Arm / beyde Füsse ab! reiß mir die Augen und die Zunge aus; und zerstimmele meinen Leib: daß man ihn von einem zerfleischten Rehe nicht unterscheiden kan! glaube mir: meine in einem jeden Gliede so wol als im gantzen Leibe gantze Seele wird gantz unzerstückt / und gesund so lange bleiben / bis das Gebäue des Leibes / darinnen sie ohne dis kleiner ist / als sie an sich selbst ist / gar nicht mehr zu bewohnen taug / und sie also sich über den fürlängst in sich begrieffenen Himmel zu ihrem Ursprunge empor schwingt. Also ist der Mensch ein Wunderwerck /welches den Himmel und alle Geschöpffe weit übertrifft; Wie die Pflantzen das Seyn und das Leben / die Thiere das Leben und die Sinnen mit einander verbinden; also verknüpfft der Mensch das Vergäng- und Unvergängliche zusammen. Er ist ein Eckstein des irrdischen und des hi lischen. Sein Leib ist ein kurtzer Begrief der grossen Welt / die Seele des unbegreiflichen Gottes. Weil nun nur jene / nicht aber dieser vergänglich ist / kan auch am Menschen nur der Leib / als eine leimerne Hütte eines himmlischen Gastes / als ein höltzern Futter eines köstlichen Kleinods / als eine Larve eines schönen Antlitzes vergehen /nicht aber die Seele sterben; welche nicht so wol des Leibes Geselle / als sein Herr / ja eigentlich nur der Mensch ist / und des Leibes sich nur als eines Werkzeuges / oder vielmehr nur als eines Amboßes gebrauchet. Weil nun der Mensch derogestalt besser ist / als das grosse Gebäue der Welt; dieses aber so viel tausend Jahr tauert; wer wolte glauben: daß der grosse Schöpffer das Edlere nur auf zehen / zwantzig oder zum höchsten hundert Jahr geschaffen habe? daß dis /was dem Menschen dienet / nemlich die Gestirne und Elemente / lebhafter als der Mensch / dem sie dienen seyn solten? Diese Dienstbothen der Menschen haben zwar über seinen Leib / vermöge ihrer kräftigen Einflüsse / eine grosse Gewalt / sie schwächen / ändern und stärcken ihn nach ihren unterschiedenen Regungen / aber über den Verstand und den Willen der Seele / haben alle Sterne zusa en nicht die geringste Botmäßigkeit. Muß also der Leib ein geringer Knecht / die Seele aber eine edle Herrscherin seyn. Ja wenn die Seele stürbe / würde sie weniger als der Leib werden / und also geringer seyn; denn der Leib wird durch den Tod nicht gäntzlich zernichtet / sondern sein Verterb ist eine andere Dinges-Zeugung. Was aber könte wol aus der Seele für ein ander Wesen werden / wenn sie stürbe / als eine Seele? Ist es nicht wahr: daß wenn man in Wachs oder andern Talg ein Bild eindrückt / das vorher darinnen gewesene Bild zernichtet werde? Aber unser Verstand bildet tausendmal tausend Bilder in sich / ohne daß die erstern Bilder in ihm verlescht werden; wie könte aber eine solche Unverterbligkeit in dem Verstande seyn / wie könte er vergängliche Dinge in sich unvergänglich machen und erhalten / wenn die[544] Seele selbst verterblich wäre? Zu was Ende wären Tugend und Laster von einander unterschieden? dieser himmlisches Verbot / jener Befehl von Natur unsern Gewissen eingeschrieben / wenn nicht diese nach dem Tode bestrafft /jene belohnet würden? Wie könte aber die Seele Straffe oder Belohnung empfinden / wenn sie mit dem Leibe vergienge? Was würde das allgemeine Gesätze der Völcker: daß man sein Leben für des Vaterlandes Erhaltung aufzuopffern schuldig wäre / für einen Grund haben; Wenn diese Aufopfferung nach dem Tode uns keinen Gewinn bringen solte; weil wir keinen für den Tod im Leben genüssen können? Woher würde zwischen der vernünftigen Seele / und denen fleischlichen Reitzungen des Leibes ein unaufhörlicher Krieg seyn; jene zu Frö igkeit und Gerechtigkeit / dieser zu viehischen Ergötzligkeiten einen steten Zug haben / wenn nicht dieser irrdisch und schwer /jene himmlisch und empor steigend / also unvergänglich wäre? Sage mir nun Luitprand / ob du an meiner Meinung was zu schelten findest? Urtheile selbst: ob du durch Verleumbdung der Unschuld dich nicht selbst verdächtig machst: daß du von Unsterbligkeit der Seelen nicht viel hältest? Deñ wenn du glaubtest: daß die boßhaften Seelen nach dem Tode gepeinigt /die Tugendhaften erquickt würden / so würdest du heute nicht mein Ankläger seyn; so würdest du selbst dis / was dich so sehr wieder mich entrüstet hat / und was mein so grosses Laster seyn soll / glauben: daß der gerechte GOtt ungerechten Leuten / welchem sie ein Greuel in Augen sind / die Schlüssel zum Himmel und der Hölle nicht anvertrauet habe. Denn würden nicht so ungerechte Richter / weil sie selbst böse sind / den Boßhafften den Himmel / den Frommen die Hölle aufsperren? Erkühnest du dich aber meine Worte auf den gantzen Orden der Druyden auszudehnen / so schmähest du ihn selbst / als Leute voller Ungerechtigkeit / welche mich / sonder etwas wider Gott und sie gesündigt zu haben / von gemeinem Gottesdienste ausschlüssen würden. Von diesen war meine Rede / nicht von jenen! Siehest du mich so für alber an: daß ich nicht wisse / es könne in einem heilsamen Granat-Apffel ein fauler Kern / und in einem Garten ein gifftig Kraut seyn? Redete ich aber nicht nur auch von einem Anlasse zu zweifeln / ob so ungerechte Leute Gottes Pförtner seyn könten? Dann ich wil nicht gäntzlich verneinen: daß GOtt sich nicht an so wol eines unwürdigen als gebrechlichen Werckzeugs bedienen könne; Sintemal die Ungeschickligkeit des Werckzeugs einem Werckmeister selbst zu Ehren /und seiner Kunst zu desto grösserm Ruhme gereicht. Mein Anlaß zu zweifeln aber / war nichts anders / als das mir von dir gegebene Aergernüs; wie ich dich denn noch itzt nicht für einen Werckzeug des gerechten Gottes halte / ja nicht einst / wenn ich schon sterben solte / von dir einen Brief an deine Verstorbene zu bringen übernehmen wolte; sondern ich glaube vielmehr: daß die göttliche Rache und das Gerichte der heiligen Druyden / dich noch als ein faulendes Glied von seinem lebhafften Leibe abschneiden werde. Mich aber wird weder deine Verläumbdung /noch anderer Schwermer Wahnwitz von dieser Meinung abwendig machen: daß Gott der Mittelpunct unser Glückseeligkeit / die Gottesfurcht der Leitstern darzu sey / sonder welche der klügste Mensch eine Biene ohne Stachel ist / und daher keinen Honig machen kan. Ismenen sahe bey dieser Rede die Unschuld aus den Augen; und sie nahm ihrem Gegentheil damit sein gantzes Hertze / und die Helffte der Beredsamkeit. Wie sehr er sich nun gleich wandt / und seine Worte verflochte; so war doch aus allem deutlich wahrzunehmẽ: daß Ismene weder Gott noch die Unsterbligkeit der Seelẽ in Zweifel gezogẽ hätte / sondern Luitprand nur durch seine Schlüsse beydes daraus erzwingẽ wollen: daß Ismene den Druyden die Gewalt der Schlüssel verneinet hätte. Auf dieser Beschuldigung[545] aber blieb er feste bestehen / und wolte sich keines vorgeschützten Absatzes erinnern. Aber Ismene widersprachs / und sagte: wo ein böses Hertz wäre / wäre auch ein böses Auge / und ein böses Gehöre. Sein böses Hertz hätte er durch seine Ungebehrdung verrathen / da er von ihr keine Auslegung ihrer Meinung verlangt / weniger die ihm angebotene angeno en; da doch jeder Mensch / zu geschweigen ein Priester / anderer Vergehungen mit Widerwillen vernehmen / furchtsam glauben / mit Schamhaftigkeit merckẽ lassen / oder so viel möglich mit Entschuldigung zum besten deuten / und weñ es ohne Aergernüs geschehen könte / mit Stillschweigen begraben / oder doch niemals darüber urtheilen solte / sonder sich seiner eigenen Schwachheiten dabey zu erinnern. Der Druys versätzte: Verbrechen wider das gemeine Wesen / und die Grundfesten des Gottesdienstes / ließen sich nicht unter die Banck stecken. Gott trüge nicht weniger Gefallen an einer tödtenden Barmhertzigkeit / als an einer barmhertzigen Gerechtigkeit. Daher wäre es Liebe / nicht Rache dazu behülflich seyn. Denn neben dem Gebete wäre kein besser Opffer / als das Blut der Ubelthäter / und wer die Bestraffung der Ubelthäter auch nur durch Verschweigung hinderte / machte sich ihrer Sünden theilhaftig. Insonderheit wäre nöthig wie bey Verräthereyen / die Schlange in ihrem Eye zu tödten / also das erste Unkraut ärgerlicher Meinungen im Gottesdienste mit Strumpf und Stiel auszurotten. Deñ anfangs könte man mit einer Hand-voll Wasser ein Feuer ausleschen / worzu hernach gantze Ströme Blutes nicht zulangten. Ismene begegnete ihm: Es wäre keine grössere Ungerechtigkeit in der Welt / und kein schrecklicher Greuel im Himmel / als einem Laster aufhalsen / der sie nie auf der Zunge / weniger im Hertzen hätte. Luitprand beruffte sich auf die Glaubwürdigkeit seiner Würde; aber Ismene auf ihre Unschuld. Wie sie hier nicht als eine Fürstin / sondern als eine Beklagte erschiene; also stünde Luitprand nicht als ein Priester / sondern als ein Ankläger für Gerichte. Dieses hätte nur Ohren zu Uberlegung der Sache / aber keine Augen zu Unterscheidung der Streitendẽ. Hier würde Beweiß erfordert; deñ sonst würde niemand unschuldig bleiben. Der Druys näherte sich einem Aste der einen Eiche / und rührte den darauf stehenden Mispel an / welches eine dem kräftigsten Eyde gleich gehaltene Betheuerung bey den Druyden ist. Ismene aber legte die Hand auf ihr Hertze / wormit das Frauenzimmer in Deutschland die Warheit bestätigt. Der Priester Libys aber nam seinen Mispel-Krantz vom Haupte / wormit beyden Theilen ein Zeichen zum Stillschweigen gegeben ward. Weil nun die offenhertzigen Deutschen die Gewohnheit haben bey Gerichten ihre Meinungen offentlich zu sagen; fragte der oberste Priester / welcher die letzte Sti e hat / nach dem Alter / und der Reye herum. Des ersten Druys Meinung war: man solte Ismenen schlechter dings als unschuldig loßsprechen. Deñ ob zwar die Druyden eine grosse Muthmassung der Warheit für sich hätten /also daß sie auch in Sachen / welche sie selbst angäben / oder klagten / Zeugnüs geben könten / so wäre doch hier du Beklagte eine Fürstin / welche ihrer hohen Ankunft / und berühmter Tugend halber / eben so glaubwürdig wäre / und fürtrefliche Muthmassungen der Unschuld für sich hätte. Zudem wäre ihre Er klärung mit einem so heiligen Eyver / und mit so bewährten Gründen abgefaßt / daß man zur Gnüge wahrnähme / es sey ihr ihr Bekäntnüs von GOtt / und Unsterbligkeit der Seelen / und ihre gute Meinung von den Druyden ein rechter Ernst; also / daß wenn sie ja wo gefehlet / nur ihre Zunge / nicht ihr Hertze gesündiget hätte. Der andere und dritte fiel dem ersten bey / der vierdte aber sagte: die Loßsprechung könte ohne Verkleinerung der Druyden so schlechter dings nicht geschehen; zumal Luitprand zum Zeugnüsse den heiligen Mispel angerühret hätte; welches GOtt an ihm[546] durch augenblickliche Rache gestrafft haben würde / weñ er wissentlich was unwahres geredet hätte. Gleichwol aber ließe sich aus solchen geheimen Prüfungen der Warheit niemanden verda en. Die verborgenen Verbrechungen rächete Gott / nicht die Menschen. Keine andere Zeugen wären zu führen; weil Luitprand und Ismene sich von allen entrissen gehabt. Gleichwol aber müste der Richter auf den Grund kommen / und daher beyde ein glüendes Eisen in die Hand nehmen / und dardurch die Warheit bewehrẽ. Wie unterschiedene Weiber in Deutschland /welche des Ehbruchs fälschlich beschuldigt worden wären / auf diese Art ihre unversehrte Keuschheit erhärtet hätten. Diesem pflichtete der fünffte und sechste bey. Der siebende aber hielt diese Art des Beweises zu grausam / und rieth: Es solte Ismene von der Auflage sich mit einem Eyde reinigen. Ihrer vier sti eten ihm ein / aber der dreyzehende meinte: beyde Theile hättẽ schon solche Betheuerungen gethan /welche den schärffsten Eyden gleich zu achten / und also nicht zu wiederholen wären. Man solte aber die allerälteste Art / wordurch die Deutschen die Warheit beygemäßener Laster / oder die Unschuld zu erforschen pflegten / nemlich den Zweykampff für die Hand nehmen. Deñ ob zwar weder der Kläger als ein Priester / noch die Beklagte als ein Frauenzimmer /selbst zu solchem Streite verbunden werden könten /so gäbe ihnen die Freyheit doch das Recht andere zu Kämpffern und Vertheidigern zu erkiesen. Dieser Fürschlag beliebte neun nachfolgenden Druyden. Der drey und zwantzigste Druys aber fieng mit einer gewaltigen Heftigkeit an / wider den Zweykampf zu reden. Dieses wäre mehr als eine viehische Grausamkeit; sintemal kein Wolff / Tyger oder Drache wider seines gleichen wütete. Die Welt wäre etliche tausend Jahr dieser Raserey befreyt gewest / bis die auch mit dem Meere kämpffenden Cimbern sie aus der / aller Wärmbde und Liebe dürftigen Mitternacht / oder vielmehr aus der Finsternüß der Hölle an Tag und unter andere Völcker bracht hätten. Die Natur hätte den Menschen ohne Waffen / als zum Friede geschaffen /an statt der Hörner / Kreile und Klauen / ihm die Vernunfft eingeflößet / welcher Herrschafft in Ruhe und Eintracht bestünde / und die aufwallenden kriegrischen Regungen der Gemüther dämpffte. So wenig der Eigen-Mord zu verantworten stünde / so wenig wäre auch die Beleidigung eines andern besonders aber eines Bürgers zuläßlich. Deñ wir wären alle Glieder eines Leibes / nemlich eines Reiches / oder auch der menschlichen Gemeinschafft. Weil aber der Mensch freylich darinnen von Thieren unterschiedẽ wäre; daß er aus zwey unverträglichen Dingen / nemlich einem irrdischen Leibe / und einer geistigen Seele bestünde; Also diese zwey nicht nur in Menschen stets einen bürgerlichen Krieg mit einander führten /sondern auch / weit der sich selbst selten begreiffende Mensch sich nicht / wie die Thiere mit ihrem Ausko en vergnügte / er bey Verlangen der Ubermaße an Ehre und Vermögen andern bald zu nahe käme / also hieraus Zwytracht erwüchse; so wäre doch deßwegen die eigene Rache niemanden erlaubt. Denn diese würde niemals Maas und die Gräntzen der Gleichheit halten; sondern aus einem Sonnenstaube weniger Beleidigung würdẽ grosse Berge Unrechtes entspriessen / und der Blutstürtzung nicht ehe / als mit gäntzlicher Vertilgung des menschlichen Geschlechtes ein Ende werden. Zu Verhütung dieses Ubels hätten alle Völcker ihrer außer der Beleidigung und daher aufschwellenden Gemüths-Regungen sich befindenden Obrigkeit die auf der Wag-Schaale der Gerechtigkeit wol abgewogene Rache des Unrechts hinein gegeben / und sich der eigenen enteusert. Wenn sich nun jemand anders dieser anmaaßte / versehrte er das gemeine[547] Recht der Völcker / und grieffe den Herrschern an ihren Richterstab. Da nun derogleichen Zweykampff nicht einst zur Vergeltung des erlittenen Unrechts / welche doch sonst der Natur und der Billigkeit gemäß wäre /bey bestellten Richter-Stülẽ könte verhangen werdẽ; wie viel weniger wäre einem Gerichte anständig sich seiner anvertrauten Gewalt zu entschlagen / derogleichen Zweykampff statt des Beweises zu billigen / und derogestalt das durch Bestellung der Richter verbannte Faustrecht über die Gewalt der Obrigkeit zu erhöhen. Würden die Druyden durch ein solch Urthel nicht gleichsam mit allem Fleisse das Laster eigener Rache rechtfertigen und in Schwung bringen? welche unrechte und rasende Tapfferkeit ihr ohne dis fürlängst den Ruhm der Tugend zugeeiget hätte; welche viehische Kranckheit weder durch die Artzney die Welt-Weißheit nach der Gottesfurcht geheilet werden könte. Würde in Deutschland die Gerechtigkeit nicht völligen Abschied nehmen / und jeder durch lange Kriegsdienste umbs Vaterland wolverdienter Held nicht seine erworbene Ehre jedem frechen Narren / der ihm auf dem Fechtbodeme eine zum Kriege undienliche Fertigkeit den andern zu stossen durch lange Ubung zu wege gebracht / zur Kurtzweil aufsetzen müssen? Würde das eitel hertzhaffte Leute zeugende Deutschland nicht täglich im edelsten Blute schwimmen? und bey ermangelnden Kriegen seine Tapfferkeit durch solche Zweykampffe bewehren wollen? welche Mißgeburt der Großmüthigkeit mehr edles Blut / als keine euserliche Feinde fressen würde. Sintemal die viel Weitzen-tragende Aecker eben so wol von vielem Unkraute bey nachbleibender Saate fruchtbar wären. Diese Wahnsinnigkeit wäre ohne dis schon allzu sehr eingerissen; da doch die männlichen Spartaner hiervon nichts gewüst / die Römer / welche sich aller Welt Meister machen wolten / diese Raserey in eigene Eingeweide verlachten; und ein Scythischer Feld-Hauptmann zwey einander ausfordernde Kriegs-Leute mit dieser Frage nicht weniger beruhiget / als ihren eingebildeten Ehren-Ruhm beschämt hätte: Ob kein Feind mehr übrig wäre: daß sie nicht an ihm /sondern an sich ihre vermeinte Tapfferkeit ausüben müsten? Es würde bey einmaliger Billigung mehr kein Mittel seyn / diesem Ubel der kitzlichen Jugend /welche aus jedem unbedachtsamen Worte einen Spieß und eine Antastung der dem Leben vorzusetzen nöthigen Ehre machte / zu steuern / welche ohne dis zu Verachtung der Gerechtigkeit und Abbruche der herrschafftlichen Gewalt einander immer in die Haare fielen. Mit einem Worte: es wäre unverantwortlich etwas böses zu verhängen / daß was gutes daraus folgen solle. Die zwey folgendẽ pflichteten diesem bey / und der sechs und zwantzigste setzte noch darzu: der Zweykampff wäre in gegenwärtigem Falle so viel weniger zu verstatten / weil nicht die Zwistigen selbst /sondern andere statt ihrer sich schlagen solten. Denn was könte unvernünfftigers seyn / als daß die / welche von dem Rechte und Unrechte eines oder des andern Theiles nichts wüsten / welche kein Theil an der Beleidigung hätten / ja einander vielleicht nicht kennten / einander blind / und gleichsam rasend anfallen solten? Wen könten die Streitenden anders / als ihre besten und tapffersten Freunde hierzu bereden? Wäre es aber nicht Grausamkeit einen destwegen / daß er unser Freund ist / in Gefahr des Lebens setzen? und /weil er hertzhafft ist / ihn in Verterben stürtzen? jedoch wären die / welche ihren Gri andern liehen /noch viel ärger. Deñ keine Schlange ließe wie sie /ohne Zorn und Kentnüs ihres Feindes / ihr Gifft aus. Könte wol Deutschland / welches so viel gewaltige Feinde auf dem Halse hätte / das Blut seiner Kinder wol liederlicher verspritzen? Die Carthaginenser hätten der ihrigen Leben ihren Göttern zwar aufgeopffert / aber in Meinung sie damit zu versöhnen; die Deutschen aber wolten ihr eigen Fleisch denen höllischen Geistern[548] abschlachten / um Gott dardurch mehr zu erzürnen. Sie wären ja nicht aus denen von Cadmus geseeten Drachen-Zähnen entsprossen. Sie wären auch keine ungeheure Menschen-Fresser. Diesemnach solte man das edle Blut / dessen übrige Weglassung den Leib und das Haupt schwächte / zu Beschirmung des Vaterlandes aufheben; welches das rechte Bollwerck Deutschlandes / der Schild und der rechte Arm der Herrscher wäre. An der Spitze der Römischen Legionen / auf dem Walle der am Rheine gebauter Festungen seine Tapferkeit ausüben / wäre die Pflicht und die Ehre des Adels; nicht aber / wenn er sich selbst zerfleischte / und das Vaterland seiner Dienste beraubte. Der sieben und zwantzigste aber billigte aufs neue den fürgeschlagenen Zwey-Kampf / und hielt diesen entgegen: Er verda te nicht allein / als eine scheinbare Narrheit / sondern er verfluchte auch die aus einẽ Rauch der Eitelkeit und einer flügenden Hitze der Ehrsucht erwachsende Balgerey; da einer /welcher von dem andern nicht recht wäre angesehen worden / oder dem einander unversehens ein Hünlein ertreten / mit selbtem alsbald umb Leib und Leben fechten wolte. Gleichwohl aber wäre der Zwey-Kampf eben so wenig / als der Krieg durchgehends und schlechter dings zu verwerffen. Durch den unaufhörlichẽ Streit der Kälte und der Wärmbde / der Trocken- und Feuchtigkeit erhielte die Natur das grosse Welt-Gebäue in seinem Wesen. Was wäre im Menschen selbst lobwürdiger / als der Krieg der Vernunfft wider die aufrührischen Gemüths-Regungen? Gott nennte sich selbst den Herrn des Streits und der Heerscharen / führte wider die Himmel-stürmende Riesen und andere Gottes-Verächter mit Schwefel-Regen / Sünd-Fluthen / Hagel und Blitz / Krieg / ja brauchte die Menschen offt zu Butten seines Zorns / und befehlichte sie die Waffen zu ergreiffen. Diesemnach auch die sittsamsten Völcker aus vernünftiger Art Krieg zu führen eine Kunst / aus desselben unerschrockener Forstellung eine Tugend gemacht / und beyde mit gewissen Gesetzen / umbschränckt hätten. Wie nun unlaugbar wäre: daß die Häupter eines Reiches nicht nur denen / die ihre Freyheit ihnen ihres Schutzes halber unterworffen / sondern auch ihnen selbst wider andere Herrscher Recht verschaffen können / also wäre kein Zweifel: daß auf dem Meere in Wüsteneyen / und allenthalben / wo man über den Beleidiger keinen Richter haben könte auch durch einzelen Streit sein Unrecht zu rächen berechtiget ware. Nicht weniger wäre der Zwey-Kampf unscheltbar / wenn die Obrigkeit solchen verstattete; und sich also der ihr vom Volcke gegebenen Gewalt zu richten entäuserte und dißfalls die Unterthanen in ihre erste Freyheit versetzte. Jedoch wäre wahr: daß Obrigkeiten ausser wichtigen Ursachen den Zwey-Kampf und nicht anderer Gestalt / als zu Verhütung eines grössern Ubels verstatten solten. Also hätten zu Vermeidung grösserer Blutstürtzung der Römer Asellus und Jubelius aus Campanien / die zwey Etolier wider zwey Eleer / die drey Horatier wider die drey Curatier von Alba / die dreyhundert Spartaner wider so viel Argiver rühmlich gefochten. Ja noch mehr Ehre legten die umb die Herrschaft oder was anders zanckende Fürsten ein /wenn sie das Blut ihrer unschuldigen Unterthanen spareten / und ihren Ehrgeitz mit eigenem Blute abkühlten. Dahero der Zwey-Kampf des Menelaus mit dem Paris umb Helenen / des Eneas mit dem Turnus um Lavinien / des Hyllus mit dem Euristheus umb den Peloponnesus / des Hyperochus und Phemius umb das Land am Inachus / des Pyrächma und Degmenus umb Elis / des Corbis und Orsua umb Iba / des Cyrus mit Artaxerxen umb Assyrien / mehr zu loben als zu schelten wäre. Bey denen alten Deutschen und Galliern wäre es unerhört und abscheulich gewest: daß Fürsten ihrer Zwistigkeiten halber gantze Länder in Brand / und ihre Völcker in[549] Krieg hätten vertieffen sollen; sondern die Fürsten selbst hatten im Angesichte beyder Heere mit ihrem Degen ihr Recht eigenhändig ausführen müssen / sintemal es der Vernunfft gemässer / und dem gemeinen Wesen dienlicher wäre: daß einer wegen aller / als alle wegen eines Menschen / umbkäme. Da nun dieses in solchen Fällen zuläßlich / und Gott die Waffen der Kriegenden nach der Richtschnur seiner Gerechtigkeit an- und ausschlagen liesse; warumb solte nicht auch einem Richter freystehen in dem Falle / da er durch keine Scharffsichtigkeit eines oder des andern Theiles Recht aus seinem verdrehten Zweifels-Knoten auswickeln könte / den Aus-Spruch dem Glücke oder der Gerechtigkeit der Waffen heimzustellen? Stünde es doch Kriegern frey /ihren Zwist durch Looß zu erörtern. Wie vielmal müssen die Richter sich des Looßes bedienen? Was wäre der Zwey-Kampf anders als ein Looß? In welchem der gerechte Gott den Sieg dahin fallen liesse /wo man es am wenigsten hin gedacht. Vielmal wären darinnen Zwerge Meister der Cyclopen; und die / welche vorhin nie einen Degen in der Hand gehabt /Uberwinder der geschicktesten Fechter worden. Der allein vom Verhängnüsse hängende Ausschlag einer Schlacht und einzelen Streites wäre mehrmals ein billiger Richter / als der / welcher nach Spitzfindigkeit der Rechts-Lehrer urtheilte / welcher die Rechte derogestalt verwirrete; daß ein gutes Urtheil unter zufällige Dinge gerechnet würde. Wenn aber auch gleich das Verhängnüß über die Unschuld zuweilen was verhienge / würde solches / wo nicht wegen der strittigen / doch wegen einer andern Ursache / und also niemals ohne Gerechtigkeit geschehen. Wie vielmal muß der gerechteste Richter die Folter gebrauchen / sonder daß er weiß: Ob der gepeinigte schuldig oder unschuldig leide? Durch Erlaubung gewisser Zwey-Kämpfe würden die andern aber keines weges gebilliget / noch zu solchen mehr Anlaß gegeben, sondern sie vielmehr und besser / als durch die allerschärffsten Straff-Gesetze abgebracht werden / welche zeither nicht ohne grossen Abbruch des oberkeitlichen Ansehens tausendmal wären durchlöchert worden. Denn die / welche auch dieser Stachel der eitelen Ehre kitzelte / würden sich solcher liederlichen Ursachen nicht gebrauchen / ihrer schnödẽ Vorwande mehrmals schämẽ /oder doch allemal: Ob selbte erheblich genung wären / dem Urtheil bescheidener Richter unterwerffen müssen; widrigen falls aber nicht beklagen können: daß ihnen der Weg ihre Ehre zu retten / ihre Beleidigung zu rächen verschränkt wäre / noch auch: daß sie die ihnen so denn auf den Hals fallenden Straffen nicht genungsam verschuldet hätten. Man könte die / welche zum Zwey-Kampfe gelassen werden solten / mit scharffen Eyden verfassen: daß sie eine gerechte Sache zu haben glaubten. Also würde manchen das Hertz klopfen / die Angst des Gewissens / die Gegenwart des Fürsten / das Ansehn so vieler tausend Zuschauer von einer liederlichen Schlägerey zurück halten. Mit einem Worte: Wie gewisse giftige Kranckheiten durch nichts als Gifft geheilet werden könten /also dünckte ihn kein besser Mittel zu seyn liederlichen Balgereyen zu steuren / als wenn man selbte in wichtigen Zufällen zuliesse; alle unzugelassenen aber mit Verlust der Ehre und des Lebens unnachläßlich straffte. Diese Ausführung billigten über fünfzig nachfolgende Druyden. Der achzigste allein meldete: daß / wenn er ein weltlicher Richter wäre / würde er kein Bedencken haben ihnen beyzustimmen. So aber wären sie Priester / welche die Menschen nicht nur mit Gott / sondern auch untereinander selbst zu versöhnen; keines weges aber zur Feindschafft zu veranlassen hätten. Der nachfolgende aber antwortete: So wären sie auch nicht fähig iemanden zum Rechte zu verlassen / in welchem[550] mehrmals mehr Groll gehegt /und mehr Galle / als in offentlichen Schlachten ausgelassen würde. Daher unterschiedene mal vorher grössere Versa lungen der Druyden / als gegenwärtige wäre / strittige Sachen durch einzelen Kampf zu erörtern verstattet hätten. Der ihm folgende fiel ein: Diese Zulassung wäre zu der Zeit geschehen / da diese einzelen Kämpfe in Deutschland noch nicht wären so gemein / und bey den klügsten Leuten nicht so verhaßt gewest. Nunmehr aber hätte der Mißbrauch selbte so schwartz gemacht: daß man ohne Abscheu von keinem fast mehr hörte. Die Zeit und die Unzeit aber machten einerley Ding zuläßlich und verwerfflich / und verliere sie ihren Preiß. Aus diesem Absehn hätte der Elefant und das grosse Nasenhorn-Thier aus Indien ihren besti ten Zwey-Kampf eingestellt / als sie auf dem Kampf-Platze gewahr worden wären: daß eine Maus und ein Frosch eben so / wie sie vorgehabt / mit einander stritten. Sein Nachbar aber begegnete ihm: Wenn tapfere Leute sich dessen schämen solten / was geringschätzige fürhätten /würde niemand arbeiten müssen / weil die Ameissen so geschäfftig wären. Man müsse den Mißbrauch guter Dinge durch Zeigung ihres rechten Gebrauches abthun / wie man neben rechten Edelgesteinen die falschen am besten kennen lernte. Diese und andere Gründe drangen so weit durch / daß zwey Theil der Druyden den Zwey-Kampf billigten / iedoch derogestalt: daß desselben Einrichtung dem Hertzog Herrmann / als Feldherrn überlassen werden solte. Der oberste Priester Libys / welcher wohl gerne Ismenen gäntzlich loßgesprochen gesehen hätte / muste nur den meisten Stimmen beyfallen / und selbten gemäß ein Urthel eröffnen.

Es begunte schon zu tagen / als das Gerichte beschlossen ward. Die begierigen Zuschauer trennten sich zwar in unzehlbare Ende vonsammen; iedoch waren sie nunmehr lüsterner nach dem Kampfe / als vorher nach diesem Gerichte. Der nur drey Meil weges entfernte Feldherr ward noch selbigen Tag umb Anstalt zum Zwey-Kampfe ersuchet; welcher denn auch nahe an dem heiligen Heyne die Schrancken aufrichten / und ausblasen ließ: daß die Ritter / welche ein oder des andern Theiles Sache mit der Lantze und dem Degen vertheidigen wolten / aufs nechst folgen den Voll-Monden dar erscheinen solten. Er verschrenckte hierdurch mit allem Fleisse denen streitenden Theilen die Auslesung ihrer Beschirmer; damit der menschliche Witz so viel weniger in dem die Hand zu haben scheinen möchte / was alleine von dem Erkäntnüsse des Verhängnüsses herflüssen solte. Es ist unglaublich / was so denn für ein Zulauff des Volckes war. Der Feldherr / Hertzog Arpus / Ganasch / Segimer / Flavius / Marcomir / Thußnelde / Erdmuth / Catta / und viel andere Fürstliche Personen mit einem unsäglichen Gefolge des Adels kamen dahin: An der einen Seite der Schrancken befand sich der Druys / auf der andern Seite Ismene unter einem Zelt; die andern fürnehmsten Zuschauer aber seitenwerts in der Mitte / auf einer erhobenen Bühne. So bald dreymal der Kampf ausgeblasen / und die Schrancken eröffnet waren / kamen auf des Druys Seiten sechs Ritter / alle auf weissen Pferden; vielleicht weil diß die Farbe der Priester ist / in den Platz. Der erste hatte in seinem Schilde einen güldenen Schlüssel / mit der auf des Druys Klage zielenden Uber-Schrifft: Er öffnet und sperret. Der ander führte im Schilde einen blühenden Wein Stock / von welchem Schlangen und Kröten sich entfernten / mit einer Ismenens Ausschlüssung vom Gottes-Dienste bedeutenden Uber-Schrifft: Er duldet nichts gifftiges. In des dritten Schilde stand die Sonne; welche auf einer Seite mit ihren Strahlen eines Adlers Augen schärffte / auf der andern eine[551] Nacht-Eule verjagte / mit der Uber-Schrifft: Sie erleuchtet und bländet. Der vierdte hatte im Schilde einen in einem Brunn stehenden und den Monden anschauenden Elephanten. Darüber stand: Umb ihn reinlich anzubeten. Der fünfte führte einen im Neste stehenden Storch mit einem Maßholder-Zweige im Schnabel / mit beygesetzten Worten: Wider alles schädliche. Der sechste hatte im Schilde die gestirnte Ziege / mit der Ismenen anstechenden Uber-Schrifft: Je höher / ie schädlicher. Ihr Einzug und alle ihre Geberdung war hochtrabend. Ihre Schild-Träger alle vermummet. Sie ritten alsbald für die Bühne des Feldherrn / und ererklärten sich /daß sie für Gott / für den reinen Gottes-Dienst / und für die Würde des Priesterthums zu fechten / und wider derselben Feinde das Recht auszuführen erschienen wären; von dem Feldherrn aber ein gerechtes Urthel über den Obsieg erwarteten. Auf Ismenens Seiten war eine ziemliche Zeit kein Ritter zu sehen noch zu hören; also daß die hierüber aufs höchste bestürtzte Ismene dem Pralen ihrer Feinde länger nicht zusehen konte; sondern sich selbst für die grosse Bühne der Fürsten verfügte / und daselbst fürtrug: Sie sähe wohl: daß niemand von ihrer Unschuld mehr Wissenschafft / also auch niemand mehr Hertze hätte solche gegen ihre Feinde zu vertheidigen. Sie scheuete sich auch einigen Menschen mit ihrer Beschirmung /und mit dem vielleicht eingebildeten Hasse der Druyden zu bebürden. Diesemnach bäte sie umb Erlaubnüß sich selbst zu rüsten / und ihnen die Stirne zu bieten. Sie traute allen sieben sattsam gewachsen zu seyn. Denn ihr Hertze stünde ihr für einen Mann / und ihr gut Gewissen für sechs Beystände. Die Ritter aber widersprachen Ismenens Verlangen durch ihren Herold; welcher denn fürtrug: daß sie mit Männern zu kämpfen / nicht an einẽ schwachen Weibe sich zu vergreiffen gefaßt wären. Wenn aber niemand wäre / der Ismenen zu beschirmen getraute / bäthen sie ihre verzweifelte Sache für verspielt zu erkennen. Der Feldherr war bekümmert sich aus dieser Schwerigkeit mit Ehren und Vernunft auszuwickeln / als ein Schall der Trompeten ein neues Aufsehn verursachte / und auf Ismenens Seiten ein Ritter mit sieben Waffenträgern in die Schrancken einritt. In seinem Schilde war ein brennender Berg gemahlt / welcher auf den ihn umbdeckenden Schnee viel Feuer-Flammen auswarff /mit der Uber-Schrifft: Nicht aus / noch ohne Liebe. So bald sich nun der erste von denen sieben Rittern gegen ihm stellte; schickte er ihm mit seinem Waffen-Träger zwey Lantzen und zwey Degen / die Helffte davon zu erkiesen. Nachdem sie nun beiderseits ihr Theil davon hatten / rennten sie auf einander so starck: daß nicht allein von beyden Lantzen die Spitzen in die Lufft / sondern auch dem Ritter mit dem güldenen Schlüssel der getroffene Helm vom Haupte floh. Der mit dem brennenden Berge kriegte im Augenblick seinen Degen in die Faust; als er aber selbtem auff das entblößte Haupt gleich einen Streich versetzen wolte / ward er gewahr: daß es Hertzog Segesthes war; dahero er den Streich nicht allein zurücke zoh; sondern vom Pferde sprang / und ihm den Helm aufhob / mit grosser Ehrerbietigkeit überreichte / und entschuldigte: daß er aus Unwissenheit sich an den gemacht hätte / welchem er zu dienen iederzeit verbunden wäre. Segesthes ward hierüber beschämt /wendete sich / ritt aus den Schrancken / und ließ sich nicht mehr schauen. Der Feldherr und Thußnelde wurden hierüber nicht wenig bekümmert / und gewahr: daß es Segesthen doch unmöglich wäre seinen Haß wider sie und ihr Haus abzulegen. Ismenens Ritter machte sich fertig mit dem andern des Druys / welcher den Wein-Stock und die Kröten führte / anzubinden; als drey neue[552] Ritter in die Schrancken ritten. Der erste hatte in seinem Schilde einen mit einem Weinstocke umflochtenen Ulmen-Baum / und darüber diese Worte: Aus Liebe der Liebenden. Der andere führte im Schilde eine eiserne Nadel mit einem Magnete an der Spitze / welche sich mit einander gegen dem Angelsterne kehrten / darüber war zu lesen: Aus Liebe des Liebenden. In des dritten Schilde stand eine der Sonnen nachsehende Sonnen-Wende / und darauf ein Laub-Frosch mit der Uberschrifft: Den Liebenden zu Liebe. Die zwey mit den Weinstöcken traffen mit gleicher Heftigkeit auf einander / aber mit sehr ungleichem Ausschlage. Denn die Lantze des für den Druys fechtenden sprang auf dem Schilde des andern in stücken; der für Ismenen streitende aber rennte sie seinem Feinde zwischen den Küraß und dem Helme durch den Hals / daß er todt vom Pferde stürtzte. Die zu Unternehmung des Streites bestellten Ritter eilten herzu; aber der vom Pferde springende Ritter kam ihnen zuvor / rieß seinem die Seele ausblasenden Feinde den Helm vom Haupte / eilte damit zu Ismenen / legte selbten ehrerbietig zu ihren Füssen / sätzte sich hiermit wieder zu Pferde; und nach dem er für dem Feldherrn sich tief gebeugt / blieb er bey den Schrancken als ein Zuschauer halten. Der Todte ward für Segesthens Schwester-Sohn Dagobert erkennet / welcher lange Jahre zu Rom beym Tiberius sich aufgehalten /und mit den Römern stets wider die Deutschen gefochten hatte. Hierauf kamen des Druys Ritter mit der Sonne / und Ismenens mit der Magnet-Nadel an einander. Sie brachen die Lantzen beyde ohne einige oder des andern Beschädigung. Hiermit kam es zum Degen-Gefechte; worinnen aber Ismenens Ritter bewieß: daß er so wenig seines Feindes / als seine Magnet-Nadel des Angelsterns fehlen konte. Der des Druys kriegte in die rechte Seite etliche Wunden /worvon sein silberner Harnisch fast über und über bepurpurt ward. Zuletzt versätzte jener diesem einigen Streich in das Gelencke zwischen der rechten Hand und dem Arme; daß ihm der Degen entfiel. Worauf Ismenens Ritter zuritt / seines Pferdes Zügel erwischte /und ihm selbst den Degen zwischen die Fuge des Harnisches / wo der Arm mit dem Bruststücke sich vereinbart / an Leib sätzte / und sich erkennen zu geben und das Leben zu bitten befahl. Dieser befand sich derogestalt im Gedrangen: daß er sich seines Uberwinders Gesätze unterwerffen und bekennen muste: Es würde Cariovalda der Bataver Fürsten / welchen nicht so wol seine Zagheit als vielleicht seines beschirmten böse Sache diesen Tag so unglücklich machte / einem so tapffern Ritter / wer er auch wäre /das Leben schuldig seyn. Die Reye kam nun auf Seiten des Druys an den Ritter mit dem Elephanten; auf Ismenens Seite aber an den mit dem Laub-Frosche. Dieser aber rennte jenen im ersten Lauffe samt dem Pferde über einen Hauffen / und verletzte ihn noch darzu mit der Lantze in die lincke Achsel. Jedoch raffte sich das Pferd wieder auf / und meinte der Ritter des Druys nun zum Degen zu greiffen / weil aber im Fallen der eine Gurt dem Pferde / und ihm der Gürtel zersprungen war / saß er gantz wackelnd / und konte noch darzu hinter dem Rücken seinen Degen nicht er greiffen. Ismenens Ritter hatte bey dieser Gelegenheit ihm zehen Streiche für einẽ zu versätzen Gelegenheit genung; aber einen / der sich nicht wehren konte /allzu viel Großmüthigkeit. Dahero redete er ihn an: Siehest du wol! daß bey Beschirmung einer gerechten Sache ein Frosch einen Elephanten zu Bodem werffe. Steig aber ab / und versuche: ob eine böse Sache zu Fusse nicht so sehr hincke / als zu Pferde. Aber sein Gegentheil bekennte: daß eine böse Sache auch auf stählernen Rädern nicht fortzubringen sey.[553] Er erkennte Ismenen für unschuldig / er gäbe ihr die strittig gemachte Ehre wieder / und es würde ihn nimmermehr weder der Schein der Heiligkeit / noch der blinde Eyver der Gotesfurcht / noch der Gehorsam zu Vertheidigung einer Sache verleiten / von welcher Gerechtigkeit er nicht selbst eigene Wissenschafft hätte. Ismenens Ritter wolte mit dieser Erklärung nicht zu frieden seyn / sondern er solte seinen Helm zu Ismenens Füssen niederlegen. Der Ritter gab mit aufgehobenem Helme seinem Uberwinder allein sich für den Fürsten Siegesmund zu erkennen; und antwortete: Ich weiß: daß Ismene selbst aus meiner Schande ihr keine Ehre zu suchen verlange. Hier aber liefere ich ihr und dir meinen Degen; mit der Versicherung: daß ich ihn niemals mehr wider euch beyde / und eine gerechte Sache zücken werde. Ismenens Ritter brachte ihn Ismenen zum Kennzeichen seines Sieges / und ihrer Unschuld. Des Druys Ritter aber wendete sich zum Druys / schalt ihn einen Ungerechten / und sprengte über die Schrancken. Unterdessen erschienen auf Ismenens Seiten noch zwey Ritter in Kampff-Platz. Der eine hatte in seinem blauen Schilde eine Africanische Ziege; welche den brennenden Hundsstern anbetete /mit der Uberschrifft: Aus Liebe des nicht Geliebten. Der andere führte im Schilde die Sonne über einem Weinstocke und Oel-Baume / und darüber die Auslegung: Aus Liebe der nicht Liebenden. Sintemal diese beyde Gewächse einander zu wider sind / und doch beyde von der Sonne fruchtbar werden. Als nun derogestalt Ismenens ander Ritter mit dem Weinstocke gewahr ward: daß es mit Ismenen mehr keine Noth / sondern sie so schlechte Feinde und so tapffere Beschirmer hatte / sprengte er über die Schrancken / und ritt mit zweyen sich zu Pferde begebenden Waffen-Trägern spornstreichs davon. Hierauf machten sich gleichwol des Druys Ritter / mit dem Storche / und der mit der gestirnten Ziege herfür. Mit jenem band Ismenens Ritter mit dem Weinstocke und Oelbaume /mit diesem der mit der Ziege / die den Hundsstern anbetete / an. Die ersten zwey kamen nach gebrochenen Lantzen mit den Leibern so nahe an einander: daß sie einander mit den Armen umbfaßten / und einer den andern von den Pferden zu reissen trachtete. Weil aber des Druydischen Stärcke; des Ismenischen Geschickligkeit solches nicht verstatten wolte / ließen sie von einander ab und grieffen zu den Degen. Alleine das Hispanische Pferd gab dem Druydischen wegen seiner gelencken Geschwindigkeit einen grossen Vorthel. Daher entschloß der Ismenische dieses zu verletzen; gab ihm auch einen Schneller aufs Maul / worvon es etliche Sätze in die Lufft / und so ungeschickte Sprünge thät: daß er selbst entschlüßen muste herab zu springen. Dieses aber geschahe mit einem so hefftigen Falle: daß er an dem lincken Beine gelähmt ward / und ihm der Helm vom Kopffe sprang. Wordurch er für Childerichen / der Carnuten Fürsten in Gallien / erkennt ward. Ismenens Ritter sprang auch vom Pferde / weil aber sein Feind nicht aufstehen konte / that er ihm kein Leid; sondern nach dem er sich für überwunden erkennet hatte / brachte er seinen verlohrnen Helm Ismenen zum Siegs-Zeichen. Die andern beyden Ritter hatten mit den Lantzen ihre Pferde derogestalt beschädigt: daß sie mit beyden sich überstürtzten. Ismenens aber hatte das Unglück: daß ihm der Helm absprang / und er nicht allein den Helm einbißte; also zu des Schau-Platzes insonderheit aber Hertzog Ganasches höchster Verwunderung für die Chaucische Fürstin Adelmunde erkennet ward; sondern ihr auch im Fallen der Degen entzwey brach.[554] Gleichwol sprang sie eilfertig auf die Füsse / und gieng mit halbem Degen ihrem Feinde unerschrocken unter Augen. Dieser feyerte auch nicht / und waren sie beyde mit ihrer Behendigkeit denen zweyen in ihren Schilden stehenden Ziegen zu vergleichen. Niemand unter den Zuschauern war / der nicht für Adelmunden Sorge / und gegen ihren hefftigen Feind hefftigen Haß trug; ja als ihr folgends bey Versätzung eines gewaltigen Streiches die halbe Klinge aus dem Grieffe floh /sie für verlohren schätzte. Ihrem Vater Arpus wallete am meisten das Hertz; und ob wol unterschiedene Zuschauer rufften; daß es nicht nur Grausamkeit / sondern Schande wäre / ungewaffnete anzutasten / ließ doch der Druydische Ritter Adelmunden keinen Augenblick Frist zu verblasen; also / daß sie bey Versetzung des entblößten Hauptes in den lincken Arm /und in die rechte Seite verwundet ward. Sie war nunmehr nahe / bis an den innern Schrancken getrieben /und schien es umb sie geschehn zu seyn / als ein Habicht aus der Lufft geschossen kam / welcher dem Druydischen Ritter in die Augen floh / mit seinen Klauen ihn ins Antlitz kratzte / und die Augen verbländete. Adelmunde kriegte durch diese himmlische Hülffe zwey Hertzen / und zugleich Lufft eine abgebrochene halbe Lantze zu ergreiffen. Gleichwol aber war sie viel zu großmüthig ihren Feind zu beleidigen /weil er durch solchen Tod die Ehre erworben hätte unüberwunden zu sterben; und daß er nicht durch Tugend / sondern nur durch List hätte gefället werden können. Der Habicht entfernte sich / so bald nur Adelmunde gewaffnet war / gleich als wenn ihre Tapfferkeit nunmehr keines Beystandes mehr bedürffte. Ob nun zwar der Feind an seinem hauend und stechenden Degen noch einen ziemlichen Vortheil hatte / grief sie ihn doch nunmehr eyfrig an / und versätzte ihm mit der Lantze einen Stoß durch das Gegitter des Helmes ins Antlitz: daß er wie von einem Donnerschlage zu Bodem fiel. Adelmunde säumte nicht ihm den Helm vom Häupte zu reissen / das Angesicht aber war vom Blute gantz unkenntlich. Weil sie nun Ismenen den eroberten Helm und Degen überbrachte / ward ihr Feind gerieben / gekühlet / abgewaschen / und zu unsäglicher Bestürtzüng des gantzen Cheruskischen Hauses und Hofes für die Königin Erato erkennet. Die hierzu kommende Ismene und Adelmunde erschracken hierdurch derogestalt: daß sie außer sich selbst kamen. Der Ritter mit der Magnet-Nadel warff seinen Helm gleichfalls vom Haupte / und gab sich für den Liebhaber der Erato Flavius zu erkennen. Bey diesem wolte kein Trost / bey jenem kein Einreden verfangen / bis die hierzu beruffenden Wund-Aertzte versicherten; daß Erato nicht gefährlich in die Stirne verwundet / und nur vom Schwindel zu Bodem gefallen wäre. Erato kam zwar wieder zu sich; aber als sie Ismenen / Adelmunden und den Flavius für sich sahe /färbte sie nunmehr ihr Antlitz so sehr / mit Schamröthe / als vorher mit Blute / und dis vermischte sie mit einem Strome voll Thränen. Ob nun wol Ismene /was sie wieder ihre Unschuld / und Flavius / was sie wider seine Schwester zu fechten veranlaßt hätte? fragten; war doch der Erato kein Wort abzubringen. Als sie aber bey allem / was ihr im Himmel oder auf der Erde lieb seyn konte / beschwuren / fieng sie an: Wolte Gott! ich hätte einer solchen Gottes-Verächterin / als Ismene ist / und allen / die durch ihre Verfechtung sich ihres Lasters theilhaftig gemacht / das Licht ausleschen können! Wolte Gott! daß sich meine Rache an dem Blute des Flavius abkühlen / und sein kaltes Hertze dem Fürsten Zeno aufopffern[555] könte / in dessen Seele er die zu mir tragende reineste Liebe ausgelescht hat. Sie fiel hierüber in Ohnmacht / und wußten die Bestürtzten keinen andern Rath; als daß sie die Königin zur Ruhe und Heilung in das nechste Jäger-Haus tragen liessen. Jedermann meynte: daß mit diesem seltsamen Ebentheuer der gantze Kampf ausgemacht / für Ismenen der Sieg estritten wäre. Massen denn auch der Druys sich im Kopfe rauffte / und wie eine Nacht-Eule sich in die Finsternüß seines Gezelts versteckte. Hingegen kam auf Ismenens Seiten ein frischer Ritter in die Schrancken / welcher auf einem kohlschwartzen Pferde / einen blauen Harnisch / mit eitel Blitz und Feuer-Flammen; im Schilde aber einen von Zwibeln ringsher umbgebenen / und mit denen allervollkommensten Rosen angefüllten Rosen-Stock mit dieser Uberschrifft führte: Der Widerwertigen zu Liebe. Sintemal die widrigen Rosen von denen dabey wachsenden Zwibeln / eine schönere Farbe /und einen stärckern Geruch bekommen. Als dieser in der Mitte des Kampf-Platzes sein Pferd tummelte /und seinen Herold ausruffen ließ: Ob niemand wider ihn und seine gerechte Sache zu fechten das Hertz hätte? sprengte an einem absondern Orte ein Ritter auf einem falben Hengste mit schwartzen Mähnen über die Schrancken. Sein Harnisch war mit eitel Sternen besämt. In dem Schilde führte er eine Welt-Kugel / mit einer über die sie mitten in zwey gleiche Theile unterscheidende Schnure gesetzten Magnet-Nadel; darüber war in güldener Schrifft zu lesen: Uber der Schnure ohne Tugend. Jener ließ diesem durch sieben Waffen-Träger vierzehn Lantzen / und so viel Schwerdter fürtragen / daraus ihm sein Theil zu erwehlen; er erkiesete aber nur drey Lantzen und ein Schwerdt / und ließ ihm zurück entbieten: daß diß ohne dem ein Uberfluß wäre seiner Meister zu werden. Im ersten Rennen sprangen beyder Lantzen wie Glas auf den Schilden entzwey. Im andern Rennen traffen sie einander auf ihre Harnische; sie verrückten aber selbte so wenig / als wenn sie auf einen Fels getroffen hätten. Im dritten Rennen aber faßte der Ritter mit der Welt-Kugel den mit den Zwibeln so wohl: daß er ihn mit der Lantze aus dem Sattel hob / und über das Creutze des Pferdes zu Bodem warff. Dieser mühte sich zwar wieder auf die Füsse zu kommen; aber jener dräute ihn mit der noch in der Hand habenden gantzen Lantze zu durchstechen / da er nicht Helm und Degen von sich legen würde. Der liegende Ritter ließ sich vernehmen: Er würde es für eine Wohlthat annehmen / wenn er getödtet würde. Dieses machte dem andern Nachdenken / und veranlaßte ihn sich vom Pferde zu schwingen / und ihn zu erkennen. Welches auch unschwer zu vollziehen war. Denn ob sich der mit den Zwibeln zwar inzwischen aufraffte; war er doch so sehr auf die Hüfften gefallen: daß er mit Noth sich auf den Beinen erhalten konte. Dahero warff der mit der Welt-Kugel ihn leicht wieder zu Bodem; nahm ihm das Schwerdt / und rieß ihm den Helm vom Kopfe. Ismenen bebte hierüber das Hertz; und sie wuste ihrem Leide kein Ende; daß ihr der schon in Händen gehabte Sieg so unvermuthet ausgewunden / und ein so herrlicher Anfang durch ein so schlimmes Ende verstellt werden solte. Ja weil man bey widrigen Fällẽ meist sehr mißträulich gegẽ sein Glück uñ anderer Tugend ist / gerieth sie schon in Furcht dieser feindliche Uberwinder würde ihren vorigen Siegern die Palmen aus der Hand reissen. Der Druys aber kam voller Freuden zugesprungen / umbarmete dieses Siegers Füsse; mit welchen er ihn aber von sich stieß / und ihm also diese Freude versaltzte /und sein Gemüthe verwirrete; warum der / welcher so rühmlich für ihn gestritten / ihn so schlecht abfertigen könte.[556] Hierauf warff er die Augen auf den Uberwundenen. Als er nun seinen auf der Erde liegenden Feind für den Fürsten Adgandester erkennte; zitterte er wie ein Aspen-Laub; hernach erstarrete er / wie ein Scheit. Unterdessen machten sich Ismenens Ritter fertig diesem Uberwinder die Stirne zu bieten. Alleine dieser nahm Adgandesters Helm und Degen / legte sie zu aller Zuschauer unbegreifflicher Verwunderung Ismenen zu Füssen / mit beygesetzten Worten: Es wäre zu wenig / unvergleichliche Ismene / wenn sie heute nur ihre Unschuld retten / nicht aber zugleich über die Verläumdung und Verrätherey siegen solte. Dieser Adgandester ist der Uhrheber beyder Laster; und nicht weniger boßhafft / als unverschämt / wenn er ihrer Unschuld ein Bein unterschlägt; gleichwohl aber den Ruhm haben wil: daß er solche mit seinem Degen vertheidigt hätte. Ismene danckte für diese Gewogenheit /wiewohl ihr alles / was von Adgandestern gesagt ward / unbegreiffliche Rätzel warẽ / biß der erstaunete Druys nach einẽ verzweifelten Stillschweigẽ von freyẽ Stückẽ Adgandesters und seine eigene Boßheit zu beichten anfieng. Denn Rache und seltsame Zufälle lösen offtmals denen / derer verstockten Verschwiegenheit man sonst durch einen glüenden Ochsen kein Wort auspressen würde / die Zunge: daß sie Verräther ihres Hertzens wird; und ehe / als der Richter / wieder sie ein Verdammung-Urthel spricht: O gerechter Gott! rieff Luitbrand / wie unbegreifflich sind deine Gerichte! O du albere Boßheit! die du zur Närrin wirst /wenn du mit deiner Arglist die Tugend und Weißheit zu verwirren gedenckest! hast du Wahnwitziger nicht gelernt: daß die Verläumbdung eine Miß-Geburt der Höllen / eine Brutt der Lügen / eine Mörderin der Seele / und ein Brunn-Quell alles Unglücks sey? Hast du Ehrloser nicht daran gedacht: daß alle uns einnehmende Laster nur eine gefirnste Stirne / eine heuchlerische Zunge / aber einen abscheulichen Rücken /einen Stachel haben; daß ihrem Liebhaber nach derselben Begehung selbst darfür grauet. Ich bekenne mein wider Ismenens Unschuld verübtes Verbrechen; und also darff weder ich noch sie eines Urthels. Denn eines Richters Erkentnüß befreyte sie nur von der Schuld / mein Bekäntnüß aber reinigte sie von allem Verdachte. Ich unterwerffe mich ärgern Straffen / als mir der schärffste Richter auflegen kan. Denn dieser kan nimmermehr hinter so viel Boßheit kommen / als ihm ein Boßhafter selbst bewust ist. Ich habe vorgehabt Ismenen umb Ehr und Leben zu bringen / ohne daß sie mich iemals beleidiget. Mein Laster hat an sich nichts unverantwortliches / als mein Zugeständnüß / welches im Bösen so gut / als die Hertzhaftigkeit im Guten. Ich würde mein Verbrechen / und meine Straffe nur verärgern / wenn ich bey meiner Boßheit noch wolte für fro angesehen seyn. Denn wer dem Strome der göttlichen Gerechtigkeit entschwimmen wil / muß in dem greulichsten Abgrunde ersauffen. Ihre Straff-Pfeile werden alle von der Hand des unverhinderlichen Verhängnüsses abgeschossen /welche niemals fehlen kan. Die Straffe ist der Sünde so ähnlich / als wäre sie ihr aus dem Gesichte geschnitten. Meine weiß keine Entschuldigung; es wäre denn diese: daß ich nur der Werckzeug / Adgandester aber der Urheber dieser Verrätherey gewesen sey. Diesen hätte seine aus wahnsinniger Liebe entsprossene Rache / wider die ihn verschmähende Fürstin Ismene / ihn aber sein schändlicher Ehrgeitz / welcher ihn durch Adgandesters Beystand dem obersten Priester Libys an die Seite gesetzt zu werden beredet hatte / verleitet. Dieser kan nun anderer Gestalt nicht vertilgt werden / als durch eine tieffe Abstürtzung. Weil ich durch Laster habe wollen einer der obersten Priester werden / bin ich[557] nicht würdig der geringste zu seyn. Kein gewisser Zeichen ist: daß einer ungeschickt sey zu einem Ampte / als wenn er solches allzu eivrig sucht. Ein böse Werckzeug beschimpfet nur ein gut Werck / Gott höret nicht / wil ihm auch nicht rauchern lassen durch besudelte Hände. Hiermit zerrieß Luitbrand seinen Mispel-Krantz / und sein leinenes Kleid; und fuhr fort: Glücke und Gleißnerey haben zeither meinen Unflat des Hertzens / wie der Schnee einen Misthauffen bedecket. Nun aber beydes zerschmeltzet / lieget die stinckende Fäulnüß am Lichte der Welt. Ich habe mit einer hi lischen Larve mein höllisch Antlitz verdecket; verdamme mich also selbst / und enteusere mich meiner Würde: daß ich das heilige Ampt der Priesterschafft nicht in meine Missethaten einflechte. Aergert euch nur nicht an mir! ihr Anschauer meiner Schande! und gedencket: daß wie das Alter einen Priester nicht heiligen / also die Unreinigkeit eines Dieners kein Opfer besudeln könne. Wie aber ist dir zu Muthe / Adgandester? Schämestu dich deine Boßheit so deutsch heraus zu sagen? Ich weiß wohl: daß zwischen den Gewissen ein so grosser Unterschied / als zwischen den Magen ist / etliche sind zart / und können kaum leichte Speise und Laster / etliche auch gar grobe verdräuen; aber glaube mir / beyde werden blöde und übergeben sich /wenn man sie überfüllet. Dein Hertze hat so viel Gifft in sich: daß es anders nicht / als durch ein aufrichtig Bekäntnüß / durch die Vorbitte Ismenens / und durch die Gnade des Feldherrn genesen kan. Verlasse dich nicht auf List und Leugnen. Die scharffsichtige Klugheit verblindet / und die schwärtzeste Finsternüß wird sichtbar / wenn das durchdringende Auge Gottes schon einmal beginnt ein Einsehn über uns zu haben. Deine eigene Vergehung leite dich zu rechte. Denn was hättest du thörichters unter der Sonne begehẽ könnẽ; deñ daß du dich mit mir durch Boßheit so sehr verknipft weist; gleichwohl aber dich wider mich die Waffen zu ergreiffen erkühnest? Sind dir die Zufälle der Streite; und daß böse Dinge selten wohl von statten gehen / unbekant? Alleine der närrische Vogel leimet sich auf der Leim-Stange selbst mit dem an / was aus seinem eigenen Unflate gewachsen ist. Wie? oder hat dich deiner angesponnenen Verrätherey gereuet? Hast du durch Ismenens Beschirmung die Scharte der ihr geschehenen Nachstellung auswetzen wollen? Warlich! du wirst diß keinen Menschẽ in diesem Schau-Platze bereden. Auch die Einfältigsten werden muthmassen: daß du nur / als du von schlechtem Zustande meiner Sache Wind bekommen / zu guter Letzte an Ismenens Siege habest Theil haben / deiner Falschheit eine Farbe anstreichen / und mich Fallenden vollends erdrücken wollen. Denn die Laster gleichen dem Stein-Saltze / beyde / wenn sie unter der Erde / und im Verborgenen liegen / sind leichte /wenn sie aber ans Tage-Licht kommen / werden sie schwer; und daher gebiehrt die Gemeinschafft der Missethaten die ärgste Feindschafft. Wie viel mal aber hab ich aus deinem Munde gehört; daß man einem nur biß an Gürtel im Schlamme steckenden Feinde heraus helffen / einem biß an Hals versinckenden aber mit dem Fusse vollends in Abgrund stossen solte? Erkenne dich also nur / Adgandester / nachdem du ohne diß schon allzu sehr bekant bist. Denn woher würde dieser für Ismenen stehender Ritter dich / da du dich auf ihre Seite geschlagen hast / zu bekämpfen Anlaß bekommen haben? Weist du nicht: daß er ihr schon deine Verrätherey offenbart? Wundere dich nicht: daß unsere Anschläge mit so unzeitigen Mißgeburten verworffen worden. Die Boßheit kan eine Weile wohl vermäntelt / aber nicht lange verhölet werden; sie siehet solchen Leuten aus den Augen; unsere Zagheit schreibet sie uns an die Stirne: daß sie auch die Einfältigen lesen können. Zeit und Argwohn ziehen auch die am künstlichsten versteckte / wie die Hirschen[558] mit ihrem Geruche und Athem die verborgenen Schlangen aus tieffsten Löchern herfür. Adgandester bieß die Zähne zusammen / murrete unterschiedene mal auf der Erden; und ietzt hieß er den Druys als einẽ Wahnsinnigẽ schweigen; aber er ließ sich nichts irren / sondern fuhr fort: Lasse dich / Adgandester / deine Eigen-Liebe nicht verführen: daß du leugnest / oder dir träumen läßt unschuldiger / als ich / zu seyn. Ich weiß ihre Eigenschafft wohl: daß sie das Schau-Glas umbwendet / und frembde Schwachheiten für den Blocks-Berg / eigene Verbrechen für Maulwurffs-Hauffen ansiehet. Aber hiermit ist der Sache nicht gerathen. Unsere Richter sehen nicht durchs Blaster; und nehmen für eine Verminderung der Laster ihre Bereuung an. Lasse dich von dieser deinen hohen Stand nicht zurücke halten. Denn wer sich vergehet wie der Pöfel / verdienet in der Straffe keinen Vorzug. Du hast deinen Helm und deinen Degen; das ist / deine Ehre und deine Tugend schon eingebüßt; was ist dir mehr mit einem schimpflichen Leben gedienet? Ich wil lieber einmal sterben / als immer. Denn es ist erträglicher todt / als lebendig begraben seyn. Adgandester ermunterte sich endlich / und bat: Man möchte diesen verzweifelten Verläumbder ihm aus den Augen schaffen. Kein Verräther könte durch seine Beschuldigung einen andern mit Verdacht eines gleichmässigen Lasters bebürden. Es wäre keine neue Erfindung: daß Missethäter durch Einflechtung anderer / sich mit ihrer Gnade zu betheilen vermeynten. Er hätte seine Treu gegen das Cheruskische Haus mehrmals mit seinem Blut besiegelt; welche Farbe sich durch blosse Angeifferung eines Läster-Maules nicht schwärtzen liesse. Hingegen hätte Luitbrand von seinem Groß-Vater Induciomar den Haß wider die Deutschen; insonderheit aber wider das Cheruskische Haus geerbet; weil es sich wider die Römer und den Cingetorich nicht in seine verzweifelte Händel hätte einflechten wollen. Der Ritter / welcher ihn überwunden hatte / redete ihn an: Brenne dich nicht weisser /Adgandester / als du bist; und erinnere dich: was du mit Luitbranden für Briefe gewechselt? Sind sie dir nicht auf der Reise nach Mattium von Händen kommen? Hast du in selbten Ismenen einen andern Nahmen gegeben / als: Der Widerwertigen. Von welcher du in deinem Schilde bekennest / daß du in sie verliebt seyst? Zwinge mich nicht dich mehr zu beschämen / der ich aus eines andern Schande keine Ehre zu suchen gemeynt bin. Demüthige dich unter die Hand des gütigsten Fürsten der Welt / des großmüthigsten Feldherrn. Es ist Thorheit lieber wollen überwiesen seyn / als umb Gnade bitten. Adgandestern schoß hierüber das Blat; daher er nicht ohne merckliche Kleinmuth antwortete: Es stünde ihm als einem Uberwundenen nicht zu mit seinem Sieger zu rechten. Sieger gäben die Gesetze; die Besiegten hätten sie nur anzunehmen. Er unterwürffe sich seinen Befehlen ohne einigen Vorbehalt. Ja er würde ihn nicht minder für einen Uberwinder seiner Seele / als seines Leibes verehren / wenn er die Schande seiner Niederlage durch Entdeckung / von was für einem so tapferen Helden er bemeistert worden wäre / etlicher massen verwischen würde. Der Ritter sagte: Ich darff mich für keinem Menschen in der Welt scheuen: daß er mir nicht dörffte unter Augen sehen. Hiermit nam er den Helm ab: daß ihn iedermann für den Hertzog Jubil erkennte. Weil nun Ismenens Ritter mit der Magnet-Nadel / der mit dem Laub-Frosche auf der Sonnenwende / der mit dem brennenden Berge / der mit dem Wein-Stocke und Oel-Baume darbey hielten / ersuchte sie Hertzog Jubil und Adelmunde aufs ehrerbietigste: Sie möchten doch als Beschirmer einerley Sache /und als Gefärthen gleiches Glückes nicht den Vorzug unbekant zu bleiben[559] ihnen wegnehmen. Die Tugend hätte ein so beliebtes Gesichte: daß sie sich nirgends schämen dörffte; und die Boßheit selbst könte sie zwar neiden / aber nicht schelten. Der mit der Magnet-Nadel machte den Anfang den Helm abzunehmen; welchem also die andern zu folgen gezwungen wurden / da denn der erste für den Hertzog Flavius /der ander für Rhemetalcen / der dritte für Catumern /der vierdte für die Fürstin Zirolane erkennet ward. Es ist unbeschreiblich / was diese Erkäntnüß für Freude erweckte / für Umbarmungen zwischen ihnen untereinander / und Ismenen verursachte; welche einem ieden ihrer Beschirmer nicht ohne viel Freuden-Thränen Danck sagte. Unter dieser Vermengung hatte Rhemetalces seine Zirolane / Catumer seine Adelmunde zu umbfangen nicht minder einen Schein der Freyheit / als Gelegenheit. Ja Ismene selbst konte sich nicht enthalten / den Fürsten Catumer zu umbhalsen /und zu bekennen: daß sie keinem mehr als ihm verpflichtet wäre / weil er der erste ihrer Vertheidiger gewest / da er doch / weil sie ihn nicht hätte lieben können / keine Ursache sich ihrer anzunehmen; sondern vielmehr wider sie den Degen zu zücken Ursach gehabt hätte. Der Feldherr / Hertzog Arpus / Ganasch /Thußnelde und andere vornehme Zuschauer wurden hierdurch veranlaßt von der Bühne herab zu steigen /um alles desto genauer zu ergründen. Unter so viel annehmlichen Bezeugungen fragte der Feldherr: Wer denn der allein mangelnde Ritter mit dem Ulmenbaume gewest wäre? niemand aber konte oder wolte davon einige Nachricht gebẽ. Hierauf betrachteten sie ieden Ritters Sinne-Bild / und beschwur Thußnelde ieden seine wahrhafte Auslegung darüber zu thun. Flavius bekennte aufrichtig heraus: daß seines auf den die Ismene liebenden Zeno zielte; und daß sein Hertze als das Eisen mit des Liebenden / als einem Magnete sich gegen Ismenen / als des Zeno Angel-Stern ziehen liesse. Rhemetalcens Auslegung zielte mit seinem Laub-Frosche / welcher auf der in die Sonne verliebten Sonnenwende nachsah / auf beyde Liebende /nemlich den Zeno und Ismenen. Zirolane sagte: Ihr Sinnen-Bild drückte durch ihr den widrigen Wein-Stock und Oel-Baum bescheinende Sonne ihre Gewogenheit gegen die einander nicht liebenden / nemlich den Fürsten Catumer und Ismenen aus. Hertzog Jubil legte seine Magnet-Nadel über der Mittel-Schnure der Welt-Kugel auf Adgandestern aus: daß die Geschickligkeit / wenn sie über ihre Mittel-Schnure haute / untüchtig würde. Catumer und Adelmunde wolten alleine mit ihrer Deutung nicht heraus. Weil aber jenen Arpus / diese Ganasch befehlichten / den unverfälschten Verstand zu sagen / fieng Catumer an: Er könte auf so heiligen Befehl nicht leugnen: daß sein Feuer-auswerffender Berg so viel sagen wolte: Er kämpfte nicht aus Liebe gegen das schneene Hertze Ismenens; gleichwohl aber wäre er nicht unverliebt. Adelmunde sagte: Sie müste gestehen: Ihre den sonst wegen seiner versängenden Hitze verhaßten Hunds-Stern anbetende Ziege bedeutete so viel: daß ihr Hertze einem sonst unbeliebten nicht unhold wäre. Thußnelde aber sagte: Diß hiesse ein Rätzel durch Rätzel auslegen /drang also auf beyde: daß Catumer seine Geliebte /und Adelmunde ihren Ungeliebten nennen solte. Adelmunde sahe hierüber Catumern / und Catumer Adelmunden an; worüber sie sich beyde rötheten. Thußnelde fieng hierüber an: Es darff keines ferneren Bekäntnüsses. Ich kenne die Sprache / und die rothe Tinte der Liebe schon. Jene stecket in den Augen /diese fleust auf den Wangen. Zirolane färbte sich hierüber auch; und als sie Rhemetaleen ansah / auch dieser. Thußnelde lächelte / und sagte zu Zirolanen: Sie hätte gehöret: daß wenn man einem[560] Schlafenden einen gewissen Stein unter die Zunge legte / selbter alle seine Heimligkeiten entdecken müste. Sie sähe aber wohl: daß eine freudige Vertrauligkeit ein viel bewehrter Mittel wäre / auch Wachenden ihre Geheimnüß auszulocken. Hertzog Arpus und Ganasch stellten sich an / als wenn sie nichts von der verrathenen Liebe ihrer Kinder angemerckt hätten. Adgandester aber näherte sich dem Feldherrn / und bat: Er könte seinen Fehler nicht läugnen: daß er Ismenen geliebt /und ihre Kaltsinnigkeit für eine Beleidigung angenommen. Niemals aber hätte er sich so ferne vergangen; als der gottlose Luitbrand ihn beschuldigt hätte. Das Wachsthum des Cheruskischen Hauses wäre iederzeit der Zweck seines Vorhabens gewest. Er wolte aber so wenig seine Verdienste loben / als seine Vergehung entschuldigen; sondern beydes zu seinen Füssen werffen. Denn er wüßte wohl: daß des Feldherrn Hertze ein Altar wäre / auff welchem kein Feuer der Rache / sondern der Liebe flammete / und wo alle Demüthigen Gnade und Erhörung anträffen. Der Feldherr aber wendete sich von ihm weg / und befahl: Man solte so wohl dem Druys als Adgandestern andeuten: sie solten sich seines Hofes und Gesichtes entäusern. Denn es wären keine abscheulichere Miß-Geburten in der Welt / als ein gottloser Priester / und ein untreuer Diener. Ismene aber erklärte sich: daß sie beyden ihre Beleidigung verziehe; und da ihre Vorbitte ihrem Verbrechen etwas zu benehmen kräfftig seyn könte / würde sie solche für sie einzulegen kein Bedencken haben / die durch ihre Abneigung ihrer Unschuld / wie die Mahler durch den Schatten ihren Gemählden nur mehr Licht gegeben hätten. Der gantze Schau-Platz hatte Theil an der Freude dieser Fürsten; und Hertzog Arpus unterhielt seine vornehmen Gäste mit Jagten und andern Fürstlichen Lustbarkeiten.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Zweyter Theil, Leipzig 1690, S. 395-561.
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