25.

[149] Wie hier der Freund gar lieb und werth,

Dem Liebenden viel Trost gewährt.


So sagt' er mir: Gesell, jetzt seid

Getrost nur, zehrt Euch nicht in Leid'.

Ich kenne Gefahr', der auf Unglimpf

Ward abgerichtet und auf Schimpf,

Daß er bedroh'n, verletzen kann,

Wer erst zu lieben hebet an.

Nicht lang' ist's, da ich ihn bestand

Und ihn Euch auch als schlimm erfand.

Ganz anders wird er Euch zuletzt.

Ich kenn ihn wie ein'n Pfennig jetzt.

Er läßt besänft'gen sich gar fein,

Durch Schmeicheln und durch Klag' und Schrei'n.

Ich sag' Euch, wie man ihn gewinn',

Jetzt aber müßt Ihr wieder hin,[150]

Daß Ihr sein Ungestüm verzeiht

Um Liebe und Gefälligkeit.

Und gebet das Versprechen schier,

Daß nimmer Ihr, nicht dort noch hier

Wollt, thun, was etwa ihm mißfällt;

Das ist's was ihm zumeist gefällt,

Dies sänftigt und gewinnt ihn sehr.


Der Liebende.


Dies sprach der Freund, so sagte er,

Und tröstete mich sehr zur Zeit

Und gab mir Muth und Freudigkeit,

Daß den Versuch ich machen ginge,

Ob ich Gefahr mit Güte zwinge. –


Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 149-151.
Lizenz: