[15] Die Vorigen. Stadinger mit großen Medizingläsern und Kräutertüten von der Seite.
STADINGER.
Bringt eilig Hut und Mantel mir,
ich muß das Haus verlassen.
Darum, Georg, befehl ich dir,
genau mir aufzupassen,
daß der Herr Ritter nicht etwa –
wie's öftermalen schon geschah –
wagt, zu verliebten Streichen
sich hier ins Haus zu schleichen.
Du treibst ihn fort; wenn er sich wehrt,
so jagst du ihn mit Lanz' und Schwert.
Nun muß ich fort, denn in der Näh'
hab ich Patienten liegen;
des Nachbars Sattelpferd ist krank
und seine beiden Ziegen.
Ich bin der einz'ge in der Stadt,
zu dem das Vieh Vertrauen hat.
Drum ruh und raste ich auch nicht
in der Erfüllung meiner Pflicht.
[15]
Tret ich vors Haus, ich will nur reden
von dem, was täglich mir passiert,
so treff ich einen Quadrupeden,
den meine Wissenschaft kuriert.
Ich flöße jedem, groß und klein,
nebst Medizin auch Achtung ein –
und alle, wo sie mich erblicken,
sie möchten mich ans Herze drücken:
Denn jegliche Physiognomie
spricht: »Du gehörst fürs liebe Vieh!«
Es schlägt sieben Uhr.
DIE GESELLEN rufen.
Feierabend!
Gesungen.
Horch, die Feierstunde schlägt,
hinaus, hinaus ins Freie!
STADINGER.
Halt, nicht gleich so aufgeregt!
Höret, dann sich jeder freue!
Morgen ist der wicht'ge Tag,
wo vor fünfundzwanzig Jahren
große Ehre ich erfahren,
man zum Meister mich kreieret;
darum werd, wie sich's gebühret,
ich ein Fest auf morgen geben,
fröhlich mit Gesang und Klang.
GESELLEN.
Unser Meister, er soll leben
noch viele Jahre lang!
STADINGER.
Jetzt zur Sache, denn für morgen
ist noch manches zu besorgen.
Zu jedem einzeln.
Du gehst sogleich hier nebenan,
den Nachbar einzuladen;
du bittst den Vetter Schneider mir
auf Wein und süßen Fladen;
du ladest mir den Richter ein
auf Käse, Brot und Butter;
du bittest den Gerichtsvogt her
mit seiner Schwiegermutter.
Die andern Gäste, groß und klein,
lud ich schon selber alle ein.
Es kommt ein ganzer Haufen
zum essen und zum –[16]
GEORG spricht. Aber Meister!
STADINGER.
– trinken;
und alle sollen froh und fröhlich sein.
Zu einzelnen Gesellen.
Du gehst zum Nachbar,
du gehst zum Schneider,
du bittst den Richter,
du den Gerichtsvogt,
du zum Nachbar,
du zum Schneider,
du zum Vogte.
Das soll ein Tag der Freude sein,
sie alle sollen tanzen, sollen singen,
sollen jubeln, sollen springen,
alle sollen fröhlich sein.
GESELLEN.
Ja, groß und klein laden wir ein
zum Tanzen, zum Singen,
zum Jubeln, zum Springen!
Das soll ein Tag der Freude sein!
Stadinger zur Mitte ab. Die Gesellen zu verschiedenen Seiten.
Ausgewählte Ausgaben von
Der Waffenschmied
|
Buchempfehlung
Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.
298 Seiten, 15.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro