Alibaba und die vierzig Räuber

Alibaba und die vierzig Räuber.

Zufall und Glück.

[30] Es lebten in einer persischen Stadt zwei Brüder, welchen der Vater fast gar nichts hinterlassen hatte. Der eine hieß Kaßim, der andere Alibaba.

Dem Kaßim wollte das Glück bald wohl, denn die Frau, welche er geheirathet hatte, erbte kurz nach der Heirath Geld und Gut in Menge, ein großes Waarenlager voll der köstlichsten Handelssachen, ein prächtiges Haus und viele Grundstücke. Kaßim war nun der reichste Kaufmann in der Stadt. Alibaba hingegen hatte lange Zeit keinen andern Erwerb, um Weib und Kinder zu ernähren, als in dem nahgelegenen Walde Holz zu hauen, und auf die drei Esel zu laden, die seinen ganzen Reichthum ausmachten, und dann das Holz zu verkaufen. Das mußte denn Tag für Tag geschehen, denn sonst hätte er nichts zu brocken und zu beißen gehabt. – Aber sein Glück kam nach.

Alibaba war eines Tages auch in dem Walde, und sahe in der Entfernung einen großen dicken Staub aufsteigen. – Er sahe bald darauf einen Trupp Reiter heran traben; man hatte in der Stadt von Räuberbanden gesprochen, die im Walde hauseten. – Das sind die Räuber gewiß, dachte Alibaba, und sie machen dich wahrhaftig todt, wenn sie dich erwischen. Die Räuber denkt man sich immer als Mörder, und häufig sind sie es denn leider auch.

In der Angst ließ Alibaba seine Esel im Stich, und kletterte auf einen hohen vielbeasteten Baum, der neben einem hohen Felsen stand, und in dessen Zweigen er sich ganz und gar verbergen konnte, und da er nun sicher war, so wurde er denn auch neugierig, wie[31] eine Nachtigall, und wollte sehen, wo die Räuber zu ritten, und was sie auf den Pferden hätten?

Zu seinem Erschrecken halten die Räuber unweit des Felsens stille, – er zählte ihrer vierzig. Einer aus dem Haufen, welcher ganz anders gekleidet war als die andern, ließ den Trupp einige hundert Schritte weit hinter sich, ritt aus dem Haufen hervor, bis an den Felsen heran, stieg vom Pferde ab, das er an einen Baum band, stellte sich vor dem Felsen hin, und sprach ernst und feierlich die Worte: »Sesam1 thu dich auf!«

Es flogen zwei große Flügelthüren auf, die kein menschliches Auge zuvor im Felsen entdeckt haben würde, und nachdem dieß geschehen war, rief und winkte der Hauptmann seinen Räubern, die nun allesamt herantraten, und schwergefüllte Mandelsäcke von den Pferden abhoben, und in den Felsen hinein schleppten.

Alibaba hatte Alles gesehen und Alles gehört, wußte nun woran er war, und verhielt sich ganz mäuschenstill. – In kurzer Zeit und nachdem die Pferde die Gerste gefressen hatten, die man ihnen in Säcken an den Hals gehängt hatte, trabten alle wieder ab; die Räuber einige hundert Schritt weit voraus, der Räuberhauptmann aber blieb noch vor dem geöffneten Felsen, und nachdem seine Leute weit genug fort waren, sprach er wieder mit feierlichem Ernst: »Sesam thu dich zu!« – Und die Felsenthüren flogen zu, und der Räuberhauptmann ritt nun seinen Leuten nach.

Alibaba war nicht so dumm, daß er sogleich von seinem Baume herab gestiegen wäre, denn er dachte, es könnte doch wohl einer von[32] der Bande etwas vergessen haben, und wieder umkehren, dann hätte dieser ihn ja gewißlich kalt gemacht. Aber als er glaubte, er habe lange genug gewartet, und nun sei es wohl an der Zeit, stieg er vom Baume herab, und nun fing er auch um seine Esel wieder an besorgt zu werden. Die Lust nach Schätzen jedoch war auch erwacht! O welche Kostbarkeiten konnten in der Höhle liegen – und er war ja so arm – und den Räubern zu rauben, schien ihm kein Verbrechen, und keine Sünde. Kurz er versuchte, ob sich vor den wohlgemerkten Worten auch ihm die Thür aufthun würde, und ließ indessen die Esel noch ungesucht. – Ach nur Ein Säckchen Gold! das machte ihn ja glücklich!

Er trat zweifelhaft vor den Felsen, und sprach: »Sesam thue dich auf!« und zu seinem Erstaunen that der Felsen sich auf.

Er ging, obwohl etwas zaghaft hinein, und statt ein dunkles Höhlengewölbe zu finden, fand er einen hellen und lichten Raum, weit und groß, wie von Menschenhand bearbeitet, und hoch gewölbt. Das Licht fiel oben von dem steilen Felsen durch eine Oeffnung hinein! – Da fand er die reichsten Stoffe, da fand er seidne Zeuge, da fand er Zeuge von Brokad, und vor Allem Gold und Silber in Massen aufgehäuft, die ihm freilich, dem armen Manne, unermeßlich vorkommen mußten! – Nun! Er sahe wohl, daß so viel Schätze nicht seit heute und gestern konnten gesammelt sein, sondern daß eine Räuberbande, länger vielleicht als seit einem Jahrhunderte, hier ihre Niederlage müsse gehabt haben.

Ja so! – Als er in die Felsengrotte hinein gegangen war, schlugen sich die Felsenthüren von selbst zu ohne daß er es bemerkte, weil er die Schätze sahe. Beim Räuberhauptmann war das auch geschehen, aber es war ihm entgangen. – Er suchte sich Goldsäcke, so viel er glaubte daß seine Esel würden tragen können, und trug sie hin an die Felsenthür. Als er genug hatte, da erst bemerkte er, wie fest und hart die Thür verschlossen war, und es ward ihm[33] nicht wenig bange. Indessen sagte er: »Sesam thue dich auf!« Und plötzlich öffnete sich der Felsen, und er trug seine Goldsäckchen heraus. Dann sprach er: »Sesam thue dich zu!« und es verschloß sich der Fels wieder, so genau und fest, daß kein Menschen-Auge etwas zu entdecken im Stande war.

Nun suchte der Alibaba erst seine Esel, die er denn glücklicherweise bald wieder fand, weil sie in der Nähe gute Nahrung und Grasung gefunden hatten. Er beladete sie, hauete etwas leichtes Holz, welches er über die lieben Goldsäckchen legte, und trieb spät Abends nach Hause.

Er kam in sein ärmliches Haus zur Nachtzeit an, führte die Esel in den kleinen Hof, und nachdem er das Holz abgeworfen hatte, nahm er die Goldsäcke ab, und trug sie zu seiner Frau ins Haus, die Esel aber trieb er in den Stall, und schüttete ihnen Futter ein.

»Alibaba! jammerte die Frau, nachdem sie die Säcke und das Gold darin gesehen hatte, ach haben dich denn der Teufel und die Armuth geblendet, und du hast ehrliche Leute angefallen und – –«

»Ruhe, Ruhe! liebe Frau, erwiederte Alibaba. Wenn es unrecht ist, Räubern das Geraubte zu rauben, dann bin ich freilich ein Räuber.« Und damit erzählte er ihr Alles.

Da war denn Freude die Fülle auch bei der Frau, und sie mußte mit aller Gewalt nun wissen, wie reich der Goldschatz war, den die 3 Eselladungen betrugen, obwohl ihr der Mann vorstellte, das sei ja nicht nöthig zu wissen. Sie aber konnte die Neugierde nicht zähmen, die man namentlich eurem Geschlecht Schuld giebt, ihr Mädchen, und da sie wohl eben nicht gut rechnen und zählen gelernt hatte, und der Mann vor ihrem Schnellmaul sein eignes Maul halten mußte, so erwählte sie einen Ausweg. Sie erborgte von der Frau des Kaßim ein kleines Getreidemaas.

Hm! hm! dachte die Frau Kaßim, was müssen denn die armen Hechte zu messen haben? – das möcht ich wissen? Man sieht, daß[34] sie auch neugierig war. Sie bestrich unten die Zusammenfügung des Bodens mit Talg, und dachte, es muß doch so ein Getreidekörnchen daran hängen bleiben; da weiß ich doch, was die hungrigen Lumps gemessen haben! – Man sieht, daß der Geldhochmuth mit der Neugier, die beide gleich erbärmlich sind, aus ihr sprachen!

Alibabas Frau fing nun an die Goldstücke zu messen, und berechnete, wie viel herrliche Kleider, Schleier und Ringe und allerlei Putz sich davon würde anschaffen lassen, denn sie hatte hübsch viel Mäßchen heraus gemessen, und trug nun das kleine Gemäße sogleich wieder hin, damit die Frau Schwägerin doch sehen möchte, welche pünktliche Wirthin sie wäre, ohne gewahr zu werden, daß sich unten am Talg ein Goldstück angeklebt hatte. Auch bedankte sie sich fein, und mit vielen Worten, damit die Frau Schwägerin auch wissen möchte, sie sei eine recht artige und höfliche Frau, die Lebensart verstände.

Das erste was die Frau Kaßim that, war, das Gemäße zu besehen, und – »o du gerechter Himmel!« schrie sie, »das Lumpenpack das! es mißt das Gold mit Scheffeln, und thut so ärmlich? – Mann! schrie sie, da komm und siehe, was du für ein jämmerlicher Schuft bist; der Alibaba mißt sein Gold nach Maaßen, und nimmt sich nicht einmal die Mühe es zu zählen, und du bist ein ruppiger, räudiger Hund dagegen!« – Und so eröffnete sie denn unter Schelten und Schimpfen auf den Schwager und auf den Mann, alles was sich zugetragen hatte. Man sieht daraus, was für eine gute und gelassene Hausfrau sie war, und welch ein neidloses Herz sie gegen andere Menschen, und namentlich gegen den Herrn Schwager und gegen die Frau Schwägerin hatte. Uebrigens rühmte sie, weil sie sehr bescheiden war, ihre Verschlagenheit und List gegen den Mann, den Dummhut, mit welcher sie Alles heraus gebracht hätte.

Kaßim hatte schon seit der Zeit, da seine Frau die große Erbschaft gethan hatte, mit dem Bruder keinen Umgang mehr gehabt,[35] denn der elende Mensch schämte sich des armen Bruders, weil er reich geworden war, und grollte nun auch, daß der Bruder vielleicht noch reicher möchte geworden sein, als Er war! Und da der Hausdrache, nämlich die zärtliche Gattin, Feuer und Flammen spie, und ihm befahl was er zu thun habe, so rückte er, nach durchwachter Nacht, in erster Morgenfrühe, dem Bruder ins Haus.

»Alibaba,« sagte er, – denn der Name Bruder schien ihm unter seiner Würde, und paßte sich wohl auch nicht, da er in so häßlicher Absicht kam; – »Alibaba, Ihr meßt das Gold nach Scheffeln, und stellt Euch wie ein Bettler. Ich muß wissen, was das heißen soll?«

»Ich verstehe dich nicht, lieber Bruder, sagte Alibaba.«

»Hoh! nur nicht so dumm gestellt! Ich will wissen, woher du zu so vielen Goldstücken kommst, oder ich gehe zum Statthalter, und er soll Alles wissen, und du sollst an den Galgen.« – Es klebte ja noch ein Goldstück am Gemäße.

Alibaba sahe aus den verworrenen und mit Drohungen unterbrochenen Worten des Herrn Bruders dennoch deutlich genug, wie nachtheilig ihm die Neugier seiner Frau geworden sei, und da er überdieß eine grundehrliche und treuherzige Haut war, so eröffnete er dem vornehmen Herrn Bruder Alles. Auch dachte er, der Schatz langt ja mit seinen Schätzen für uns Beide aus.

Kaßim that recht stolz und dumm, welches denn immerdar beisammen und oftmals gar einerlei ist. Der Baba mußte ihm Alles ansagen und genau beschreiben, und that es denn auch ohne Widerrede, zumal da ihn der Kaßim recht brüderlich bedrohte, Alles anzugeben. Er ging ehrlich zu Werke, der Baba nämlich, und zeigte dem Bruder die Worte an, wie er in die Höhle hinein und hinaus kommen könnte.

»Nun weiß ich wohl genug, dachte Kaßim, und weil ich doch weit mehr Esel habe, als der« – denn er schämte sich selbst in Gedanken[36] das Wort: Bruder, zu sagen, weil er so reich und vornehm war, – so will ich schon den größten Theil des Schatzes morgen Abend bei guter Zeit in meinem Hause haben.

Mit 20 Mauleseln, mit leeren Koffern beladen, zog er bei Tagesanbruch aus, und die Koffer wollte er dann aus der Raubhöhle füllen, und so auf gleiche Weise nach und nach dieselbe leeren! – I! ja doch! Das war gar leicht!

Er kommt nach der Beschreibung an die rechte Stelle. Er sagt: »Sesam thue dich auf;« und der Felsen öffnete sich.

Da ging er keck und hochmüthig hinein, und findet mehr Reichthum, als er je gedacht hatte; untersucht jedes Einzelne genau, taxirt es, wie ein Kaufmann thut, nach Thaler und Groschen, und weiß fürwahr nicht, was er unter solchen kostbaren Dingen wählen soll, deren so manche ihm gar noch nicht vorgekommen waren. – Er verschlang Alles mit seinen Blicken, denn als er reich geworden war, war er auch gierig geworden. Er schleppt hier einen Sack, und dort einen Sack fort, und schleppt ihn dann wieder hin, denn dieser Sack da, und jener dort, schienen ihm viel besser.

So verging der größere Theil des Tages, als er denn doch endlich mit seiner Wahl zu Stande kam, und nun nur die Maulesel beladen wollte. Aber die Gier und der Anblick der Schätze hatten ihn alles Gedächtnisses beraubt, und als er mit seinen Schätzen heraus wollte, hatte er das rechte Wort vergessen. »Gerste thue dich auf!« sagte er; aber Gerste that sich nicht auf! – »Weitzen, Hirsen, Mais, thue dich auf!« hieß es nun, aber es war Alles nichts. Nun verlor er in der Angst auch den Kopf eben sowohl, wie er das Gedächtniß schon verloren hatte. Erst hatte er berechnet, was er mit den ungeheuern Schätzen anfangen wollte, wie ihn die Leute anstaunen würden, und welch ein entsetzlich gescheuter Kopf er bei seinem Reichthum sein würde, und nun hatte er gar keinen Kopf! Anstatt sich zu besinnen, ergriff ihn der[37] Schrecken. »Gott wenn du hier in der Höhle verschmachten müßtest, oder, wenn die Räuber kämen, und dich ermordeten?«

Ach du unglücklicher Kaßim! die Räuber waren schon da! Sie hatten einen guten Fang gethan, den sie in der Felsenschatzkammer in Sicherheit bringen wollten. Sie sehen die Maulesel mit den Koffern, sie vermuthen Unrath, und stürzen im vollen Gallopp heran, und die in Furcht gesetzten Maulthiere fliehen davon.

Die Räuber lassen sie fliehen, denn ihnen lag daran, denjenigen zu finden, dem sie angehörten. Einige revieren um den Felsen und in der ganzen Gegend umher, indessen die Andern dem Felsen in gehöriger Entfernung gegenüber halten, der Räuberhauptmann aber dicht vor dem Felsen die geheimnißvollen Worte ausspricht.

Unglücklicher Kaßim! Du hattest im Felsenschatz das Herantraben der Räuber mit Todesangst gehört, du wolltest dich in der Verzweiflung retten, du stürztest auf den Hauptmann so ein, daß er zu Boden fiel, aber die andern hieben dich nieder, und da warst du todt!

Die Räuber gingen in die Grotte und sahen wohl, wie es gemeint gewesen war, und hielten Rath. Es war sehr viel wundersames für sie in der Geschichte. Die Frage war, ob nur Einer mit dem Geheimniß der Felsenhöhle bekannt sei, oder mehrere? Der Eine war glücklich kaput gemacht, aber wie denn, wenn noch Einer darum wußte? – Darauf kam es an!

Sie kamen auf einen Einfall, den sie für recht gut hielten, und zerstückelten den Kaßim, das heißt seinen todten Leichnam, in vier Theile, und stellten die vier Stücke inwendig in der Höhle, neben der Felsenpforte hin. Sie sahen wohl ein, daß, wenn diese Stücke nachmals fehlen würden, noch ein Mitwisser da sein müsse, den man dann auch kaput zu machen haben würde! Sie nahmen sich vor, die Höhle so lange zu meiden, bis sich der üble Geruch von dem Leichnam würde verzogen haben.[38]

Da es zu Nacht ging, kam die vornehmstolze Frau Kaßims zu Alibaba, der mit Bedacht nicht diesen Tag war ins Holz gegangen, und war über das Ausbleiben des lieben Eheschatzes sehr in Angst und Sorgen. Der Schwager tröstete sie mit gutem Herzen, und hatte keine Unruhe über Kaßims Ausbleiben, und dachte, daß er mit Fleiß wohl erst zu Nacht habe nach Hause kommen wollen, welches denn die Frau Kaßim begriff, und ruhig bis zu Mitternacht wartete. Aber als er da noch nicht da war, verwünschte sie ihre Neugier eben so sehr, als ihr Mann im Felsen seine Geldgier schon verwünscht hatte, brachte die Nacht in Thränen zu, und hätte gern laut geheult und geschrien, und sich die Haare ausgerauft, wenn sie nicht der Nachbarschaft wegen zurück gehalten worden wäre.

Obwohl seine Frau Schwägerin eben nicht hübsch gegen den Baba gewesen war, hatte dieser doch gleich am nächsten Tag seine drei Esel gesäumt und gesattelt, und war in den Wald gegangen. Er sahe die Maulesel nicht, und den Bruder sahe er auch nicht, als endlich nur geviertheilt in der Felsenhöhle. – Weil er ein Bruderherz hatte, that es seinem Herzen weh! Er errieth Alles.

Er machte zwei Packete von den vier verbluteten Viertheilen des Bruders, und beladete einen seiner Esel damit, indem er etwas Holz darüber legte. Die beiden andern Esel aber beladete er mit Goldsäcken, aber freilich auch ein bischen Holz darüber, indem er doch seinen Fund Niemand wollte wissen lassen!

Um die Maulesel konnte er sich jetzt nicht bekümmern!

Somit kam Baba nach Hause, und brachte der Schwägerin den vierzerstückten Gemahl. Zuerst eröffnete er das ganze Geheimniß der eben so treuen als klugen Sklavin Morgane. Sie sah gleich ein, worauf es ankam, und selbst die Wittwe des Kaßim begriff es. – Es war tief Mitternacht!

Morgane ging, damit Alles natürlich möchte aussehen, zu einem Apotheker in der Nachbarschaft, klopfte hastig und heftig an,[39] und fordert eine Arznei, die man nur in sehr gefährlichen Krankheiten anzuwenden pflegte. Sie sagte ihm seufzend, daß ihr lieber Herr krank, sehr krank sei, und der Apotheker bedauerte das, wie es sich gehört!

In der nächsten Mitternacht klopft die Morgane den Apotheker wieder heraus und mit Schluchzen und Heulen – auf die Schauspielerei verstand sie sich, wie Ihr noch fürder hören sollt – fordert eine Essenz, die man nur dann gebrauchte, wenn es auf Tod und Leben ging.

Mit dem allerfrühesten Morgen, wo es eben zu dämmern anfangen wollte, ging Morgane zu einem ehrlichen alten Schuhflicker, der einige Gassen weit davon seine Bube hatte, und immer zuerst auf dem Platze war. Sie sagte: »guten Morgen, Mustafa!« – und nun werdet Ihr es mit Euren feinen Spitzschnäbeln gleich weghaben, daß der Mann Mustafa geheißen ward. Das macht, Ihr seid ganz kluge Spitzmäuse! – »Guten Morgen ehrlicher Mustafa,« sagte sie, und drückte ihm zum noch bessern guten Morgen, ein großes Goldstück in die Hand, welches der alte Knabe schmunzelnd ansahe, weil er so etwas goldnes und blinkerndes in seinem armseligen Schuhflickerleben kaum ein Paar mal gesehen, aber noch niemals besessen hatte. – Ach Gold! Gold! – Gold ist ein verführend Ding, und Königreiche sind dadurch verrathen worden.

»Hübsch Mädchen! hübsch Mädchen!« sagte der alte Papa; »was soll ich dir schaffen? Was soll ich dir thun? Dein Goldstück ist gut und schön blinkernd – aber ist es Deine Sache auch? – Darauf kommt es an, mein Töchterchen!«

Wir sehen, Mustafa war ein ehrlicher alter Bursche.

»Mustafa, sagte Morgane, die Sache ist recht und echt, wie dieses Gold, – sie steckte ihm dabei noch ein Goldstück in die Hand – aber es muß freilich Alles verschwiegen bleiben, und ich muß dir[40] die Augen verbinden, und dich wohin führen, wo du etwas zu flicken finden wirst.«

Der Mustafa glaubte dem lieben hübschen, offenen Gesichte – denn so ein ehrlich und offenes Gesicht, Ihr lieben Herzen, ist ein Empfehlungsbrief Gottes. Aber den zwei herrlichen Goldstücken glaubte er doch auch ein wenig! Er ließ sich die Augen verbinden, und von der Morgane, die ihn erst einigemal im Kreise herumdrehte, führen. Erst in dem Zimmer, wo der zerstückte Leichnam war, nahm sie ihm die Binde ab.

»Hier mein ehrlicher Mustafa, sagte Morgane, hast du deine Arbeit!« Mustafa schüttelte zwar den Kopf, aber er nähete doch die vier Stücken mit Pechdrath, wie ich mir einbilde, zusammen. Die Augen wurden ihm nun wieder verbunden, und er selbst an seine Bude zurück geführt, wo er sich, nachdem Morgane schon lange fort war, die Binde abnahm, und sich bei seiner Bude fand. Noch ein Goldstück hatte sie ihm in die Hand gedrückt.

Morgane war wieder zu Hause, und nun wurde auf gut morgenländisch erst das Todtengeheul angestellt, damit die Nachbarn wissen möchten, hier sei ein todtkalter Mann, und mitheulen könnten. – Das war denn dort die Sitte, und darum geschahe es auch.

Es kam der Iman mit seinen andern Geistlichen, und sie stimmten die Todtengesänge an, und beteten die Gebete für den Todten – aber sie wußten freilich nicht, daß er aus vier Stücken zusammengeflickt war. Für Ein Stück Leichnam sangen und beteten sie nach Herzenslust, und mit großer Inbrunst; aber für vier Stück Leichnamsstücke hätten sie fürwahr das Maul nicht aufgethan. Die Morgane that schreiend und heulend, was sie vermochte, indem sie dem Leichnam folgte. Die Nachbarn thaten eben also.

Und der Kaßim wurde beerdigt, durch vier der nächsten Nachbarn. Im Leben hatten sie vielleicht mit ihm gezankt und gestritten,[41] aber im Tode trugen sie ihn friedlich zum ewigen Frieden. – Das macht, er war nun todt! – Es versteht sich, daß der Baba und die übrigen Nachbarn, die der Leiche folgten, weil es die Zeremonie also erforderte, auch recht kläglich thaten. – Im Tode ist ja Alles gut!

Die Frau des todten Kaßim heulte und schrie zu Hause kläglich und beweglich, so daß es alle Nachbarn hören konnten. – Alle Welt dachte nun, der reiche Kaßim sei natürlichen Todes gestorben. Natürlich wars ja denn auch wohl, daß, wenn Jemand nieder gehauen und in vier Stücke getheilt wird, er wirklich todt sein muß. Ich wenigstens glaube es, und wenn ihr dazu nicht Lust habt, so haltet es, wie ihr wollt!

Sechs oder acht Tage nach der Beerdigung des Bruders schaffte Alibaba alle seine Habseligkeiten, Weib und Kinder mit eingerechnet, in des todten Bruders Haus, und was Euch wundersam bedünken mag, aber doch nach Muselmanns Art Sitte und Gesetz ist – er heirathete die Schwägerin! – Nun lebte denn die ganze Familie beisammen, und der Baba war nun ein ganzer Mann!

Zehn oder zwölf Tage hernach kamen die Räuber wieder zur Höhle, und sahen, daß der todte Mann fort war! Um einen todten Mann sollte man sich eben nicht so sehr kümmern; aber die Räuber waren ganz andern Sinnes, und bekümmerten sich gar sehr darum; denn sie dachten, wenn es der allein ist, der um unser Geheimniß weiß, so muß er noch in der Felsen-Schatzkammer sein, und wir wollen es ganz gern sehen, obwohl wir ihn nicht werden ganz gern riechen können! – Ja! der todte Mann war aber fort – ganz fort! Der Räuberhauptmann vermerkte also, daß außer dem Geviertheilten noch Jemand um das Geheimniß wissen müsse, was selbst seine Räuber nicht wußten, nämlich, wie man den Felsen öffnen könne. Er hatte ihn mit dem Zauberwort geöffnet, aber der todte Mann war fort, und einige Säcke mit Gold und Geld waren[42] auch fort. Er war, wie gesagt, witzig genug zu errathen, daß wenigstens noch Einer um das Geheimniß wissen müßte. Die Kunst war aber, heraus zu bringen, wer denn der Eine sei?

»Wir sind entdeckt und sind verloren, Kameraden, sagte der Hauptmann zu seinem Chor, und entdeckte Alles. – Die Frage ist nur, sprach er nach langer Abrede, wie wir den Spitzbuben ausfindig machen, der das Geheimniß weiß, und uns am Ende um Alles bringen kann, was die braven Vorfahren und wir selbst mit so vieler und großer Mühe zusammen gehäuft haben. Kalt muß er gemacht werden, das sehet Ihr selbst ein, aber wer will ihn aufsuchen? – Wer ihn verfehlt, der muß sterben! Das seht ihr doch auch ein, da die Sache so wichtig ist, und wir, ehe wir weiter stehlen und rauben, erst denjenigen wissen müssen, der uns beraubt!«

Die Räuber sahen als verständige Leute Alles ein. Einer trat hervor und sagte, er wolle den Spitzbuben schon ausfindig machen.

»Es gilt deinen Kopf, Kamerad,« sagte der Hauptmann, »und es ist hier gar nicht zu spaßen! Hast du das begriffen, daß du dein Leben zum Pfande einsetzest?«

Der Kamerad versicherte, er habe Alles recht wohl begriffen, und setzte seinen Kopf, der vielleicht eben nicht viel werth war, zum Pfande ein, und erhielt nun die Erlaubniß Alles zu erforschen. Es war ein patriotischer Mann!

Der Räuber kleidete sich wie ein Reisender, und ging in die Stadt, und kam in früher Morgenzeit dahin, wo der Schuhflicker Mustafa Schuhe flicken wollte: und schon die Pfrieme in der Hand hatte.

»Guten Morgen, Vater!« sprach der Räuber; »Ihr fangt früh an, und könnt noch nicht einmal sehen?«

»Wie? Was?« antwortete der Mustafa; »Ihr müßt mich doch wahrhaftig nicht kennen. Wißt Ihr denn nicht, daß ich der alte Mustafa bin, den die ganze Welt kennt, und daß ich die prächtigsten[43] Augen von der Welt habe. Hoh! hoh! vor nicht sehr vielen Tagen hab ich noch einen geviertheilten Leichnam zusammen genäht, wo es noch viel dunkler war als jetzt.« Man sieht, der alte Papa konnte das Maul nicht halten.

Oho! der Räuber war hoch erfreut, und dachte, es wäre nun ihm schon Alles gewiß genug. »Warum denn einen Leichnam geviertheilt und wieder zusammen geflickt, alter Vater?« fragte er; und der Mustafa sagte gerade so viel als er wußte, obwohl manche andere Menschen in ähnlichen Fällen viel mehr sagen, als sie wissen. Das Maul konnte er, wie gesagt, freilich nicht halten; aber er sagte doch nicht mehr als er wußte.

Mit ein und zwei Goldstücken wußte denn der Räuber bald Alles, was sich und wie es sich zugetragen hatte, und bat den Mustafa, ihm doch wenigstens das Haus zu zeigen, wo er den Leichnam zusammengeflickt hätte, denn Er, der Räuber nämlich, wäre ein gar neugieriger Mann!

»Ja! Haus zeigen? sagte Mustafa lachend. – Sie haben mir ja die Augen verbunden, wie sie mich hinführten, und haben mich dann mit verbundenen Augen auch wieder zurück geführt.«

»Nun! sagte der Räuber, so wirst du dich, so ohngefähr doch, noch zum wenigsten besinnen, wie man dich geführt hat, als dir die Augen verbunden waren. Da hast du noch ein paar Goldstücke; laß die Augen dir verbinden, und führe dann mich wie du denkst!«

Die Goldstücke fingen an dem Mustafa zu gefallen. Er ließ sich die Augen verbinden, ließ sich gehörig erst umdrehen, er wandte sich rechts, er wandte sich links, und traf es fürwahr gerade so, wie Morgane ihn geführt hatte. »Hier fürwahr, wenn mich nicht Alles trügt, muß das Haus sein,« sagte er, indem er inne hielt.

Der Räuber machte ein leichtes Zeichen mit Röthel an das Haus, gab dem Mustafa noch ein Goldstück, und nahm ihm die[44] Binde ab, nachdem er ihn aber erst wieder an seine Bude zurückgeführt hatte. Kaßims Haus war wirklich richtig bezeichnet.

Morgane kam bald darauf aus dem Hause, etwa um Milch zu holen, oder sonst wozu, und weil ihre Guckaugen scharf und hell nach Allem sahen, sahe sie auch das Röthelzeichen. »Was soll denn das?« dachte sie; und brachte was sie dachte, sogleich in Verbindung mit den Räubern. Sie nahm einen Röthelstift aus dem Hause, und bezeichnete ganz genau mehrere Häuser zur rechten und zur linken Hand, eben so, als das ihrige bezeichnet war.

Der Räuber war bei guter Zeit wieder bei seinen Kameraden, und that nicht wenig hochmüthig, daß er Alles ausgeschlauet hatte, und wußte sich viel damit, und der Räuberhauptmann und die andern Räuber lobten und bewunderten ihn; ja! Manche beneideten ihn wohl gar. Er erzählte wie Alles gegangen sei, und wie er den alten Altreiß oder Schuhflicker gewonnen habe.

Der Räuberhauptmann nahm nun seine Maasregeln, und den nächsten Tag war der ganze Trupp im Marsche nach der Stadt zu, aber freilich, um nicht Verdacht zu erregen, nur zu zweien oder dreien auf einmal, und zu verschiedenen Thoren hinein, in verschiedentlicher Kleidung, und mit versteckten Waffen.

Der Hauptmann ging mit dem ausspähenden Räuber allein, (indessen die andern zerstreut auf dem Markte blieben,) um das Haus zu wissen, wo der Räuber von den Räubern wohnte. Denn wer ihnen etwas nahm, war auch ein Räuber, und ein Haupträuber, nach ihren Gedanken, den sie nicht leiden konnten.

»Da sind ja viele Häuser mit Röthel bezeichnet,« sagte der Hauptmann, »welches ist nun das rechte?« – Da stand Hans Dumm, und wußte nichts zu antworten. Der Hauptmann gab seinen Leuten ein Zeichen, und sie entfernten sich alle wieder einzeln aus der Stadt. Der vorwitzige Ausspäher wurde einmüthig zum Tode verdammt und hingerichtet.[45]

Es fand sich dennoch ein zweiter, der seinen Kopf daran wagte, den Räuber, der ihnen gefährlich war, auszuspähen. Der alte Mustafa führte ihn, und empfing seine Goldstücke, der Räuber zeichnete mit Kreide, Morgane bemerkte es wieder, und bezeichnete auf gleiche Weise die benachbarten Häuser, die Räuber kamen unter mancherlei Verkleidung abermals in die Stadt, und siehe da! es war wieder nichts, und der Kundschafter unter den Räubern verlor ebenfalls seinen Kopf, wenn er anders vorher einen gehabt hatte.

»Selbst ist der Mann!« dachte der Hauptmann, und ging in die Stadt. Mustafa empfing seine Goldstücke und führte ihn. Der Hauptmann merkte sich das Haus, ohne alles Zeichen, aber er merkte es sich genau, und nun that er den Räubern seine Vorschläge, die allgemein angenommen und gebilligt wurden.

Es wurden Maulthiere eingekauft, und lederne Schläuche, in welchen man im Morgenlande das Oehl zu bewahren pflegt, in deren einem wirklich Oehl war, die andern aber waren nur mit Oel beschmiert, und die Räuber steckten darin mit guten Dolchen versehen, und der Hauptmann trieb die Maulthiere vor sich her, und hatte sich in einen Oehlhändler verkleidet. Er richtete sich so ein, daß er erst eine Stunde nach Sonnenuntergang in die Stadt kam. Er trieb seine Thiere nach Alibabas Hause zu, welchen er auch noch vor dem Hause sitzend fand. »Herr, sagte er, ich bringe Oehl und komme weit her. Ich will es morgen verkaufen, weiß aber für diese Nacht weil ich unbekannt bin, kein Unterkommen für mich und meine Thiere, vielleicht hättet ihr ein Plätzchen.«

»Nur herein, immer herein, unterbrach ihn der gutmüthige Hauswirth, es ist Platz genug da, für Euch und Eure Thiere.« Die Schläuche wurden in dem Hofe abgeladen, und die Thiere in die Ställe gezogen. Der Hauptmann wollte im Hofe bleiben, wo er freilich seinen Plan am besten hatte ausführen können, aber alle seine Einwendungen und Ausreden halfen nichts gegen Alibabas[46] gutmüthige Höflichkeit. Er mußte ein Nachtessen annehmen, das aber Morgane erst mit Hülfe eines Sklaven zubereitete, und eine Schlafstelle in einer Kammer. Der Hauptmann ging noch einmal in den Hof, öffnete des Athemholens wegen die Gefäße, und sagte seinen Leuten, daß sie sich heraus schneiden sollten, sobald er mit kleinen Steinen würfe.

Morgane war noch mit dem Sklaven in der Küche beschäftigt, um ihrem Herrn, der vor Tagesanbruch ins Bad gehen wollte, eine gute Fleischbrühe zur Stärkung zu kochen. Auf einmal sahe sie, daß die Lampe ausgehen wollte, und daß im Kruge kein Tröpfchen Oehl mehr vorhanden war.

»Ist doch Oehl genug auf dem Hofe! dachte sie. Ein Paar Tropfen Oehl wird der Oehlmann schon für Beherbergung abgeben können.«

Sie geht in den Hof, und will den nächsten besten Schlauch anzapfen, aber indem sie den Schlauch kaum berührt hat, ruft es daraus dumpf und leise hervor: »Ists Zeit?«

Sie erschrickt, aber sie faßt sich sogleich wieder, und weiß woran sie ist. Die geöffneten Schläuche – ja Schläuche mit Oel öffnet man eben – die Zeichen mit Röthel und Kreide – der arme geviertheilte Kaßim u.s.w. – Genug; sie wußte woran sie war, und antwortete ebenfalls leise: »noch nicht! aber bald!«

Sie klopfte nun an alle Schläuche! Aus allen dieselbe Frage, aber auch dieselbe Antwort. Nur der letzte Schlauch enthielt Oehl, und da zapfte sie, unter Mithülfe des Sklaven, der sich ganz still verhalten mußte, einen großen Kessel voll ab, der über dem Feuer siedend heiß gemacht wurde. Sie goß in jeden Schlauch einen tüchtigen Krug voll Krug voll siedendes Oehls hinein, und drückte den Spund darauf. Denen, welche darin waren, verging das Rufen und Schreien; sie waren alle sieben und dreißig gewiß und wahrhaftig ganz ordentlich todt. Wers nicht glauben will, muß einen Thaler geben! Und den bekomme ich.[47]

Jetzt stellt sich die Morgane auf die Lauer. In kurzer Zeit wirft der Hauptmann Steine auf die Schläuche, und horcht – horcht! Aber er erhorcht kein Geräusch; er sieht keinen Kameraden, der herauskäme. Er wirft und wirft, und klettert am Ende geräuschlos zum Kammerfenster hinaus, geht an die Schläuche, fragt, horcht, aber bekommt keine Antwort.

Es wird ihm unheimlich, da er merkt daß seine Leute todt sind, indem doch wohl unter sieben und dreißig lebendigen Menschen Einer das Maul aufgethan haben würde, um eine Antwort zu geben!

Er klettert über die Gartenwand, und macht sich davon. Morgane hatte Alles gesehen – Sie unterrichtet den Herrn von Allem, und beerdigt die todten Räuber, mit ihm, und mit dem Sklaven, der auch eine ehrliche Haut war, in den Garten.

Mausetodt waren sie nun Alle, nur der Hauptmann noch nicht, und Morgane verdoppelt ihre Aufmerksamkeit, denn sie setzte mit Recht voraus, daß der Hauptmann seine Tücke nicht lassen, und dem Baba schon noch einmal zu Leibe gehen würde. – So wars denn auch.

Der Räuberhauptmann überlegte. »Der Hund muß nieder, denn sonst behältst du keinen Pfennig im Felsenschatz. Und wenn er nieder ist, dann erst ist es wieder an der Zeit, eine neue Gesellschaft (Bande) zu errichten. Neun und dreißig brave Kameraden dahin? – Nun du sollst es mit deinem Blute lösen!«

Der Hauptmann erspähete in der Stadt unter mancherlei Verkleidungen Alles. Der Baba hatte schon einen erwachsenen Sohn, der seine eigne Kaufbude hatte, mit goldenen und seidenen Stoffen, Brokaden, Teppichen u.s.w.

Herr Hauptmann kommt, als Kaufmann gekleidet, mit herrlichen köstlichen, aus der Höhle genommenen Waaren, und errichtet sich eine Bude neben Babas Sohn, mit welchem er bald die allerherzinnigste Freundschaft gestiftet hat. Der Sohn, ein noch junges Rotzlöffelchen, ist von der Anmuth, Güte, Freundlichkeit und Höflichkeit des Herrn[48] Budennachbars ganz bezaubert, und erzählt dem Herrn Vater davon, der ebenfalls schon durch die Erzählung entzückt ist.

»Wir müssen dem braven Manne ein Mahl geben, sagt er zu dem Sohne. Führe ihn einmal Abends, so wie durch Zufall, vor meinem Hause vorbei, wo ich dann vor der Thüre sitzen will, um ihn einzuladen.«

So geschahe es denn! Der Hauptmann kam mit dem Sohne; der Vater sprach zu ihm viel liebe und höfliche Worte, wegen der dem Sohne bewiesenen Liebe und Freundschaft, und er wurde zum Abendessen geladen, welches aber erst nach vielen Weigerungen und vielen Zunöthigungen angenommen ward. Zu einem großen festlichen Mahle war Alles auf diesen Fall schon seit langer Zeit bereit. Alibaba empfing den Kaufmann mit unendlicher Gutmüthigkeit, und mit herzlichem Dank für die seinem Sohne bewiesene Güte, und der Kaufmann wußte Alles mit vielen höflichen Worten zu erwiedern, und über den Sohn viele Lobeserhebungen zu machen, die dem Vater gar wundersam wohlthaten.

Er war zwar ins Haus eingetreten, wollte sich aber doch vor der Mahlzeit noch beurlauben, unter dem Vorwande, daß er kein Salz an den Speisen vertragen könne, und sich also bei Tische schlecht ausnehmen würde.

»O! dem ist abzuhelfen, sagte Baba, und ich will in der Küche gleich Anstalten treffen, daß Ihr ungesalzene Gerichte bekommt.«

Morgane bekam ihre Anweisungen, und schüttelte den Kopf. Den närrischen Kautz, der kein Salz essen konnte, mußte sie doch sehen. Sie ging in das Familienzimmer unter irgend einem Vorwand – sahe den Fremden, erkannte bald den Räuberhauptmann, entdeckte in seinem Busen einen wohlgeschliffenen Dolch und nahm ihre Maaßregeln! »Hei! hei! sagte sie bei sich selbst, darum willst[49] mit dem Herrn kein Salz essen, weil du ihn morden willst2; aber du sollst ankommen! Wart nur!«

Als abgegessen war, und nun, als das Letzte, die Früchte und der Wein kamen, welchen der Muselmann nicht trinken darf, und dennoch trinkt, kleidete sich die Morgane, in die Kleidung einer Tänzerin, that einen goldnen Gürtel um, und steckte einen scharfen Dolch hinein. Zu dem Sklaven sagte sie: »Abdallah, nimm das Tambourin, (Handtrommel) wir müssen den Herrschaften ein Vergnügen machen; ich will tanzen, du sollst spielen.«

So geschahe es. Morgane machte tausend künstliche Sprünge, etwa wie bei uns die Opern- und Ballettänzerinnen. Das ist denn im Morgenlande nichts Ungewöhnliches. Sie tanzte, indem sie den Dolch hoch und tief hielt, und rechts und links damit herum fuhr, mit den künstlichsten Wendungen und Stellungen, und Abdallah strich das Tambourin dazu, daß es tüchtig brummte, und sang auch dazu, so gut er konnte. Und nachdem nun Tanz und Spiel vorbei war, riß sie dem Abdallah die Handtrommel aus der Hand, und der Alibaba, der seine wahre Freude am Tanze und Sange gehabt hatte, legte ihn ein großes Silberstück auf die Trommel; der Sohn auch. Der Hauptmann zog seine Börse aus dem Busen, um der Morgane ein großes Goldstück zu geben, die immer noch ihren Dolch in der Hand hatte! Indem er die Börse zog, stieß sie ihm den Dolch ins Herz, mit einem tüchtigen Stoß. – Und der Hauptmann war eben so todt und kaput, als die andern Räuber allzumal.[50]

Alibaba und der Sohn machten freilich kein schlechtes Lärmgeschrei, aber Morgane machte sie auf das Gesicht des Oehlhändlers, des Kaufmanns, des Räuberhauptmanns, und daß er einen scharfgeschliffenen Dolch im Busen trug, und kein Salz mit seinem Wirthe hatte essen wollen, und noch auf viele andere verdächtige Dinge aufmerksam, und sie begruben den Räuberhauptmann neben den andern Räubern im Garten.

Alibaba war dankbar! »Höre Morgane, sagte er, ich bin dir so viel schuldig! – Wolltest du denn wohl meinen Sohn zu deinem Gemahl nehmen? – Ich weiß dir nicht besser zu danken, du treues Herz du!«

»O! sagte Morgane, wenn er mich nur haben will, so nehm ich ihn gern.«

Der Sohn nahm sie gern, denn sie war eben so hübsch und lieb, als klug und verständig. – Es ward ein sehr glückliches Paar.

Aber zwei Räuber fehlten noch, nämlich die beiden ersten abgeköpften, wovon freilich der Baba nichts hatte wissen können. Sie machten ihm noch Sorgen. Indessen, da sich weiter nun nichts zeigte, fing er an wieder in die Höhle zu reisen, deren Geheimniß er seinem Sohne entdeckt hatte, holte sich Säcke nach Herzenslust, blieb noch eine feine Weile leben, und sein Sohn und seine Ur- und Ururenkel holten sich auch Säcke nach Herzenslust, bis zuletzt nichts mehr im Felsenschatze vorhanden war.

Nun! die Klugheit hatte die Gewalt überwältigt!

1

Sesam ist ein Getreide, welches im ganzen Morgenlande gebaut wird und unserm Honiggrase sehr ähnlich ist; aber es ist dennoch eine ganz eigne Art Gewächs, aus dessen Körnern man ein helles und süßes Oel preßt. – Aber ich kann es Euch hier nicht deutlicher beschreiben.

2

Wenn der Araber einmal mit Jemand Salz und Brodt gegessen hat, so ist es die heilloseste Heillosigkeit, ihm den geringsten Schaden zuzufügen. Er hält alsdann selbst die wüthendste Rache zurück, und vertheidigt vielleicht, sogar mit seinem Leben, den Andern.

Quelle:
Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2. Band 1, Leipzig [ca. 1819/20], S. 30-51.
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